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' Hö.
ZEITSCHRIFT
FÜR
DEUTSCHES ALTERTHUM
UND
DEUTSCHE LITTERATÜR
HERAUSGEGEBEN
VON
ELIAS STEINMEYER
DREIUNDDKEISSIGSTER BAND
DER NEUEN FOLGE EINÜNDZWANZIGSTEE BAND
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BERLIN
WEIDMANNSCHE BÜCHHANDLUNG
1889
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ßöOS
INHALT.
Seite
^Aaxißoi'Qyiov o^os, von Much 1
Sagibai'o, von Kögel 13
VolundarkviJ)a, von Niedner 24
Mercisches aus der lis. Royal 2 A 2U im britischen museum, von Zupitza 47
Collation der altenglischen gedichte im Vercellibuch , von Napier . . 66
Die abfassungszeit der altdeutschen Exodus, von Pniower .... 73
Zu Minnesangs frühling, von Schröder 98
Diu Line, von Zingerle 107
Erianger bruchstücke aus dem Evangelium iNicodenii, von Wolff . . 115
Mhd. kleinigkeiten, von Stosch 123
Keltische beitrage, ii Brendans meerfahrt, von Zimmer . . . 129. 257
Lessing und der Ineptus religiosus, von Borinski 220
Altenglische glossen , von Zupitza 237
Lateinische und altenglische glossen , von Steinmeyer 242
Eneit 8374 fT, von KaufTmann 251
Zu Walther vdVogelweide , von Lucae (t) 254
Zu Zs. 32, 472, von demselben 256
Altdeutsche funde aus Innsbruck, von Schönbach 339
I Waltbarius 340
II Christi geburt 350
III Konrads vFufsesbrunnen Kindheit Jesu 373
IV des Strickers Karl 379
V jüngere bearbeitung der Kaiserchronik 380
VI Rudolfs vEms Weltchronik 383
VII ein kreuzsegen 393
Neue bruchstücke der Trierer Margaretenlegeflde , von Strauch . . 394
Eine ergänzung der Warnung, von Borinski 402
Bemerkungen zu den Denkmälern, von Roediger 412
Die flexion der verba iuon, gdn, stän im ahd., von Wilmanns . . 424
Seite
Über den gebrauch der mhd. conjunction aber in der frage, von ^^^
Die vfrlrvom ebei in der Sangaller Rhetorik, von demselben . . 437
Zu Helbiing, von Seemüller
ASKIBOYPnON 0P02.
Das Riesengebirge, %b^AaY.ißovQyiov bgog Ptol., ra Ovav-
öaliy.a ogt] Dio Cass. sind bei Zeufs (Die Deutschen s. 7. 8) als
gleichwertige begriffe zusammengestellt, gevvis gehört das Riesen-
gebirge zu den Wandalischeu bergen, da aus diesen nach Dio
Cass. 55, 1 die Elbe entspringt; doch sind sie kaum auf jenes
beschränkt, vielmehr dürtte der name entweder auf den ganzen
gehirgszug sich beziehen , der die südlichen suehischen stamme
von den Wandalen in weiterem sinne abschloss; vgl. Tacitus
Germ. 43: dirimit enim sdnditque Suehiam conlinuum montium
iugum, ultra quod plnrimae gentes agunt. ex quibus latissime
patet Lygiorum^ nomen in plures civüates diffusum; oder er ist
nicht von einem allgemeineren südlichen standpuncte, sondern
im besonderen von dem der Markomannen aus aufzufassen, von
denen aus doch am ehesten ein name für das gebirge, in dem
die Elbe ihren Ursprung nahm, zu den Römern übergieng. diesen
fall vorausgesetzt, wären unter den OvavdaXr/.cc oqy] jene er-
hebungen zu verstehen, die das Markomannenland , also Boiohae-
mum, von den Wandalen trennten.
Die Wandalen, die dabei in betracht kämen, wären dann
nicht der gesammte stamm dieses namens, sondern das volk der
^iliyyai, die späteren Vandali Silingi. denn östlich von der
Elbe, dort wo sie Böhmen verlassen hat, sind nach Vellejus n 106
1 da der name, der Lugier mit dem der Wandalen wesentlich zusammen-
fällt, könnte man leicht versucht sein, im anschluss an ühland, Schriften
vm 139 die Logafjoll H. Hund, i 13. 15 und ii prosa zu 12 als 'berge der
Lugier' und = r« Oiai'd'aÄtx« op>? aufzufassen, was sprachlich wol möglich
ist; vgl. Ryger Rogaland, Häleyger Hälogala?id, Prs-nder Pröndheimr und
Noreen Aitn. gr. i § 306. der Arasteinn (H. Hund, i 14. ii prosa zu 12),
der ein teil der Logafjoll ist, würde dann auf das Adler- oder Erlitz-
gebirge, cech. Orlüi hory , hinweisen, danach hätten wir es hier ebenso
mit deutschen localen zu tun, wie es sonst noch mehrfach gerade in den
Helgiliedern der fall ist, so bei Hundland, Svdvaland, Myrkvidj', Fjotur-
lundr; siehe Müllenhoff Zs. xi 278 anm., xxm 139—141. 16911 und Uh'land,
Schriften vm 139; auch die Möinsheimar H. Hund, i 45. ii 22 gehören
doch wol zum Main, Moenus, aM. Moin.
Z. F. D. A. XXXIU. N. F. XXI. 1
2 ASRIBOYPriON OPOS
die Semnonen anzusetzen ; wenn es nun hei Ptolemaeus lib. ii
C. XI heifst: näliv vno juev rovg ZsfAvovaq olytovai ^iXiyyai,
so kommen diese letzleren, da innerhalb Böhmens kein räum
für sie ist, aufserhalh seines nordostrandes zu stehen, hier hegt
auch der mittelalterliche pagus Silensis, der in slavisierter gestalt
den Silingennamen forlhewahrl; siehe Milllenhoff DA ii 92 ff.
Wenn uns nun aufser den Ocavöalcyta oQtj auch ein 'Aam-
ßovgytov ogog genannt ist, so spricht doch von vorn herein eher
eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieser andere name auch mit
einem anderen begrifTe sich verbinde, nehmen wir die ersteren für
den nordostrand Böhmens und daran anschliefsend letzleres für
das mährisch -schlesische gebirge, so wäre damit eine auffällige
lücke ausgefüllt, denn über dieses muss schon in vorgeschicht-
licher zeit ein Verkehrsweg nach dem norden geführt haben, der
die nur durch eine niedrige Wasserscheide getrennten March- und
Odergebiete mit einander verband, während nach osten und westen
weithin geographische hindernisse sich vorschoben; vgl. Undset,
Jernalderens begyndelse s. 53. 70. 102. 292. und hier ist später-
hin die östliche bernsteinstrafse zu suchen, es wäre befremdend,
wenn von hier aus den Römern kein name für den höhenzug,
den diese strafse berührte, zugekommen wäre.
Dass des Ptolomaeus gradangaben für die ntgata des ^Aa%L-
ßovgyiov, X^ vö xal ^lö vßX', d. i. 39», 54» und 44», 52« 30',
eine riesige ausdehnung voraussetzen würden, hat geringe be-
deutung. schon die benennung verträgt sich nicht mit allzu weiter
erstreckung. so wie dem namen Teutoburgiensis saltus liegt wol
auch dem des 'Aoxißoigyiov ogog ein ortsname zu gründe; im
ersteren falle erweist dies völlig sicher die ableitung -ensis. viel-
leicht sind es nicht ständig bewohnte plälze, sondern blofs be-
festigte Zufluchtsstätten, etwa umwallte und durch verhaue ge-
schützte berggipfel, nach denen in beiden fällen der umliegende
bergwald, der nicht weniger als künstliche anlagen ihre Vertei-
digung begünstigen mochte, seinen namen erhielt, ob diese
namen übrigens bei den Römern aufgekommen oder germanisch
volkstümlich sind, wäre noch besonders zu erwägen, zumal im
i'aWe des 'Aomßovgycov liegt erstere annähme nahe, weil es von
Germanen sonderbar wäre, einen wald nach einer bürg zu be-
zeichnen, deren name selbst schon eine andere einfachere be-
nennung eben dieses waldes im sinne von eschwald voraussetzt.
AEKIBOYPnON OPOS 3
oder sollte '^oxißovgyiop, Asciburgium aus Ascibergium entstellt
sein unter dem einflusse des lehnwortes burgus und der Orts-
namen auf -biirgium, im besonderen des rheinischen Asciburgium'?
aber auch ein 'Eschvvald', 'Eschengebirge' wie ein abgeleitetes
'Eschenburger wald' ist wol als name einer berggruppe denkbar,
als solcher eines ganzen gebirgssystems jedoch unpassend.
Im gegensalz zu der grofsen ausdehnung, die er ihm gibt,
verwendet Ptolemaeus das ^Aaxtßovgyiov nur in einem be-
schränkten bereich zur bestimmung der Wohnsitze von Völker-
schaften, zunächst nennt er über demselben die Aovyiot Jovvoi.
für sie ist, nach dem was oben über die Silingen gesagt ist, im
norden von Böhmen kein platz mehr, sie sind darum nordwärts
von Mähren anzusetzen, dahin führt auch ohne rücksicht auf
die Silingen die reihenfolge der stamme bei Ptolemaeus: vnb dh
Tovg Bovyovvrag — diese im osten der Semnonen zwischen
Suebos und Vistula — Aovyioi 'Ofiavol' vcp ovg Aovyioi
Aovvoi f.iixQi' ''^ov ^Aay.ißovQyiov ogovg, im Süden des gebirges
sind Korkonten und Buren erwähnt: VTtd t6 AoxißovQyiov ogog
KoQxovTOi y.al Aovyioi Bovqol f^ixQ^ "^^i^ y(.€(paXtig tov Ovi-
atovXa TiOTafiov. dass von diesen beiden stammen der der Ror-
konten mit dem oech. Krkonole Riesengebirge zusammengehöre,
woraus man einen grund für die gleichstellung desselben mit
dem 'Aoxißovgyiov entnehmen könnte, ist nicht wol möglich,
wie zuletzt MüUenhoff DA ii 373 gezeigt hat. über die Stellung
der Buren handelt DA ii 325. für uns ist es hier nur von be-
lang, dass nach des Ptolemaeus Vorstellung, wenn er den ge-
nannten stamm bis zur Weichselquelle reichen lässt und ebenso
die Aovyioi Aovvol als einer der äufsersten Germanenstämme
selbstverständlich bis zur Germanengränze, d. i. der Weichsel,
sich ausdehnen, auch das sie trennende gebirge bis an diesen fluss
reichen muss; und richtig deckt sich seine gradangabe für das
östliche ende des 'Aov.ißovQyiov, d. i. fxd vß X , völlig mit seiner
gradangabe für die Weichselquelle, kein zweifei also, dass unter
dem ^AoKißovQyiov ogog das gebirge im norden Mährens zu ver-
stehen ist. vgl. DA II 325: 'das asciburgische oder schlesische
gebirge.'
Dann fällt es aber wesentlich mit dem sogenannten Gesenke
zusammen, dieser name ist durch deutsche Volksetymologie aus
dem bei den Slawen üblichen Jesenik, Jasenik umgebildet, und
4 ASKIBOTPriON OPOS
dies, eine ableitung von i- ecb. jeseyi , jasen esclie , bedeutet eben-
falls eschwald. Ireilich, ob der alle deutsche name von den Slawen
übersetzt, oder ob die gleichgebliebene natur des gebirges zu
einer zweiten gleichbedeutenden aber selbständigen benennung
anlass bot, ist kaum sicher zu entscheiden, wenn auch erstere
annähme sich besser empfiehlt.
Als möglicher weise mit dem namen ^AoKißoiQYiov in
mittelbarem Zusammenhang ist noch der name der Oskava be-
merkenswert, eines Zuflusses, den die March aus dem Gesenke
empfängt, bedenkt man, dass der wandel von kurz a zu o im
slawischen ein historischer process ist, so könnte Oskava ebenso
aus einem deutschen Askaha slawisiert sein , wie slawischem Mo-
rava und Ogra, Ohre deutsches Maraha und Agara oder Agira
zu gründe liegt, doch vgl. auch cecb. osika espe.
Anschliefsend an das eben gewonnene ergebnis kann ich es
mir nicht versagen, einen scheinbar ganz ferne liegenden gegen-
ständ zu berühren, nämlich die frage der örtlichkeit der Goten-
und Hunnenschlacht in der Hervararsaga. der Zusammenhang,
denke ich, wird bald klar werden.
Zunächst ist es aber nötig, die stellen, welche die zu unter-
suchenden Ortsangaben enthalten, herauszuheben, es sind dies
die verse in Bugges ausgäbe der Hervararsaga s. 282, 9 ff. 283,
1 1 ff und die prosa s. 285, 4. ich eitlere den text sammt den
noten über den stand der Überlieferung aus Heinzel, Über die
Hervararsaga s. 69 (Wiener Sitzungsberichte 114 s. 483).
Die verse lauten:
s. 282, 9 Kendu at Dylgju ok d Dimheidi
ok ä peim gllum Jomrfjollum,
par opt Gotar gunni hädu
ok fagran sign fraegir vägu.
9 Dylgm k, cod. AM 203 fol., — Dilgiu 1, u, — Dyngio i
— 12 JosurfioHum i, — Jössarfiollum, vielleicht aus Jossurfiol-
lum corrigiert 1, — Jössarfiollum k, — Jossafiolhm s, — Jas-
sarfiollum u, cod. AM 203 fol.
s. 283, 11 Byd ek ydr at Dylgju ok d Dünheidi
orrostu undir Josurfjollum.
11 Dylgiu k, cod. AM 203 fol., — dilgiu u, — Dyngio i —
14 JosurfioHum i, — Jössarfiollum 1, — Jössarfiollum k, —
Jassarfiollum cod. AM 203 fol., — Jassafipllum u.
ASKlBOrPriON OPOS 5
In der piosa s. 285, 4 : Talada ek vid pä ok stefnda peim
d vigvpll d Dünheidi ok at Dylgjudolum.
5 duna heidj u — Dylgjudolum k, — Dyngjodolum i, 1, —
dingiodolum u.
Hier wird man ziinächsl an dem Widerspruch zwischen
s. 282, 10 und 283, 12 anstofs nehmen, da es überdies allzu
sonderbar wäre, eine schlacht auf berge, noch dazu auf alle
Josurberge zu vereinbaren, kann das ok d peim ollum s. 282, 10
nicht ursprünglich sein. dies erkennt auch Bugge aao., um
schliefslich zu bemerken: 'lalfaid synes widir eller und nodven-
digt, hvis fjollum er rigtigt,' durch eine derartige änderung
würde ein olTenbarer fehler beseitigt und eine lesart geschaffen,
die wenigstens eine Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Doch ist damit noch nicht jede Schwierigkeit behoben, denn
immer noch bleiben zwei locale übrig, Dylgja und Dünheidr.
wenn der verf. der prosa von Dylgjudolum spricht, so dachte er
sich danach Dylgja vielleicht als namen eines flusses. nicht
aber lässt der worllaut der Überlieferung die Vorstellung eines
einheitlichen Schauplatzes zu, obwol wir einen solchen für eine
durch vorausgehendes übereinkommen bestimmte schlacht not-
wendig erwarten müssen, ein besonderer zufall wäre es auch,
wenn aus einer gegend, über die doch gewis nähere geographische
künde fehlte, zwei allitterierende namen benachbarter locale zur
Verfügung gestanden wären, das muss uns gegen einen dieser
namen mit mistrauen erfüllen und dasselbe wird sich nur steigern,
wenn wir bedenken, dass dylgja im altnordischen auch ein appel-
lativum ist und als solches unter anderem geradezu schlacht be-
deutet, siehe Egilsson , Lex. poet. s. 114'.
Dann aber liegt das ursprüngliche nahe genug und wird
sich durch eine leichte änderung herstellen lassen, auf die frage
Gizurs s. 282, 6 :
'Hvar skal ek Hütium hervig kenna ? '
wird die antwort könig Angantyrs gelautet haben:
'Kendu dylgju d Dünheidi
und peim ollum J o sur fj ollum V
und dieses auftrages mochte sich Gizurr entledigen mit den
Worten :
'Bifd ek ydr dylgju d Dünheidi
orrostu undir Josurfjollum.'
6 ASRIBOTPriON OP02
der text der prosa s. 285, 4 ist natürlich schon unter dem ein-
flusse des misverständnisses entstanden und auf keinen lall von
besonderem belang, wie sehr auch metrische gründe für die vor-
geschlagene änderung sprechen, braucht nicht weiter ausgeführt
zu werden.
Damit wäre zunächst festgestellt, um welche namen es sich
eigentlich handelt, über die läge von Reidgotaland in der sage
siehe Heinzel s. 55 (469) ff. die angaben der Hervararsaga selbst
entsprechen verschiedenen Vorstellungen, teils weisen sie nach
Russland, teils auf Jütland, teils auf das land zwischen Ostsee
und Rarpathen; siehe Heinzel aao. zum letzteren könnte es
auch stimmen, dass man die gränze zwischen Goten und Hunnen
durch den wald Myrkvidr gebildet dachte (s. 276, 7 ff), falls dieser
name seine älteste bedeutung = Hercynia silva (MüUenhoff Zs.
XXIII 169) hier fortbewahrt; Hi'inalaud wäre dann das Hunnen-
reich der geschichte, das ja auch in der deutschen sage seine
läge nicht verändert hat. andererseits gehört die gleichstellung
der Reidgoten und Dänen, weil gänzlich unhislorisch, sicherlich
nicht der ältesten Überlieferung an, wozu auch dasjenige stimmt,
was Heinzel s. 83.84 (497. 498) über deren mögliche Ursachen
beigebracht hat; ebenso ergibt sich für die Vorstellung eines süd-
russischen Gotenreiches ein verhältnismäfsig junger Ursprung aus
dessen einschlägigen Untersuchungen, siehe zumal s. 72 (486).
Wenn nun innerhalb des ganzen irgendwie noch in betracht
kommenden bereiches ein gebirge zu suchen ist, wird man am
ehesten an die Rarpathen und ihre nachbarschaft denken dürfen,
und dies um so mehr als die deutung der Harvadafjoll, bei
denen nach einer vierzeile s. 265, 8 der Gotenkönig Heidrekr
ermordet wird, als 'berge der Chorvaten' [Heinzel s. 85 (499)]
keinen zweifei zulässt. die Bjelochorvaten , die dabei gemeint
sind, 'safsen nördlich von dem Beskiden genannten teile der
Rarpathen'; also gegen westen etwa bis dorthin, wo nach Ptole-
maeus das 'Aoy.ißovQyiov ogog endet, kam aus dieser gegend
der nordischen sage der name Harvadafjoll zu, so wird Josnr-
fjoll leicht eine hybride bezeichnung der benachbarten Jasenberge
sein, die lesart Jassafjoll, die sich deshalb empfiehlt, weil Josur-
von nordischen namen beeinflusst sein kann [Heinzel s. 71 (485)],
wäre dieser auffassung noch günstiger, die endung auf a statt
en könnte würklich unter der einwürkung des namens der Jassen,
ASKIBOTPnON 0P02 7
d. i. Osseten, entstanden sein, den Heinzel aao. vergleicht, und
der lautlich dem slawischen namen der esche sehr nahe steht,
siehe Miklosich, Elym. \\b. s. 100. 10\:jasenü esche, jasinü alanus;
doch kann auch, ohne dass gerade eine solche umdeutung vor-
liegt, die analogie der zahlreichen Ortsnamen, die ein beslim-
mungswort im genitiv enthalten, gewUrkt haben, da im folgenden
gezeigt werden wird, dass die aufnähme des namens aus dem
slawischen nicht unmittelbar ins nordische, sondern zunächst
und zwar bereits im 5 jh. in eine hochdeutsche mundarl erfolgte,
so wird auch in dieser Jaseti- zuerst als genitiv eines a»-siarames
aufgefasst worden sein, was sich nahezu mit notwendigkeit er-
geben muste. wenn dann zwischen der form Jasin-, die sich
somit entwickelte, und der nordischen ein alts. Jasun- vermittelt,
so konnte dies einerseits regelrecht durch altn. Jasa- widergegeben
werden, daneben aber liegt die annähme nahe, dass von anfang
an im nordischen eine form Josur- nebenher gieng, da von Ja-
sun- aus angleichung an den personennamen Josur besonders
leicht war. das schwanken zwischen s und ss ist bei einem
Worte fremder herkunft nicht auffällig; auch unser Weichsel, aus
nd. Wissel, geht auf slaw. litt. Wisla zurück, ob freilich in den
zahlreichen deutschen Ortsnamen, denen slaw. jasen, jesen zu
gründe liegt, so weit sie ss zeigen, das dem einfachen laute
gegenüber bedeutend überwiegt, dieses schon zur zeit der ent-
lehnuug eintritt oder durch spätere silbendehnung entstanden
ist, wage ich nicht zu entscheiden.
Wie das %indir Josurfjollum zu verstehen sei, kann nicht
zweifelhaft sein, da man sich zur zeit der schlacht die Hunnen
bereits in das Golenreich eingedrungen dachte: gleich dem undir
Harvadafjgllum bezeichnet es eine örtlichkeit unter dem nord-
abhange des gebirges. dort, an der oberen Weichsel, östlich von
den Bjelochorvaten safs nach dem vordringen der Slawen der
stamm der Wislane der bairischen Descriptio civitatum, Zeufs
s. 601. 663; und nirgends andershin fällt das Wislelond Alfreds
im Orosius (ed. Sweet s. 16), wo nur nordöstliche und südost-
hche läge gleicher weise ungenau als östliche aufgefasst wird,
wenn es heilst: and he eastan Maroara londe is WisleloiuL and be
eastan pwm sint Datia, pa pe in wceron Gotan. konnte aber
ein beer, das vom mährisch -schlesischen gebirge herabzog, an
die Vistula und, wenn diese schon hier wohnten, zu den Wis-
8 ASKIBOITIION OPOS
lauen, ins VVislelond, gelangen, so wird es klar, dass von der
localvorstelluug einer Schlacht imdir Josurfjollnm die des ags.
Widsidh nicht verschieden ist, der vers 119 ff auf kämpfe der
Goten mit den leuten des Attila am Weichselwalde, ymb Wist-
laiDudu (v. 121), anspielt, dass in dem Weichselwalde eine er-
innerung an die alten silze der Goten an der Ostsee zu er-
kennen sei, wie auch Müllenhoff DA ii 99 anzunehmen scheint,
hat schon Heinzel s. 103 (517) in zweifei gezogen.
Es bleibt noch Dünheidr, die Dunwildnis, wie in Finnheidi,
Müllenhoff DA ii 50, das bestimmungsvvort ein volksname ist,
kann dies auch hier der fall sein, und gerade dorthin , wo wir
nach dem obigen die Dunheide verlegen müssen, fallen die be-
reits erwähnten yiovyLOt ^ovvoi, juexQi- tov 'yloY.ißovQyiov
OQOVQ des Ptolemaeus. Jovvol steht allerdings nicht in den
hss. ; siehe bei Müller, Ptolemaeus s. 262 die anmerkung zur
stelle: ylovyoL ol Jlöovvoi] sie de conj. Wilberg.; ylovyoi ol
^IdovvOL X, AovyoL Jiöovvoi ^0^P, Aovyoi Jidovvioi Arg.,
AovyoLÖLdovvoL BEZ, ^ovytdidovvoL ADFNPSJB^z, Aovyyi-
ÖLÖotvoL CLMPRVW, AoyyidiöovvoL Ga. Lugi Diduni edd. Rom,
Ulm.; Lugi Duduni ed. Yic. Zeufs p. 125 suspicatur fortasse leg.
esse Aovyoi Jovvoi, ad eosque pertinere Lugidunum opp., quamvis
in alia regione positum § 13, p. 270, 7. dem wäre noch MüUen-
hoffs ylovyiOL zIl^ovvlol Germ. ant. s. 129 beizufügen und
aufserdem das angebliche Aovyoi Jovvol bei Zeufs in Aovyioi
Joivoi zu berichtigen, dass Zeufs conjectur am meisten Wahr-
scheinlichkeit für sich hat, ergibt sich durch die erwäguug, dass die
handschriftlichen lesarten auf eine grundform^OYT/^/^O YIVO/
zurückweisen, die ganz leicht aus yiOYnOUOYNOI entstanden
sein kann, auch das Z0YM0Y2 bei Strabo 290 ist eher aus
J0YN0Y2 verderbt als aus BOYPOY^, wie Zeufs s. 126
annimmt; Müllenhoffs KAIAI^OYAIOY^ statt KAIZOY-
M0Y2, Germ. ant. s. 66, wird sich, verglichen m\i Helvecones,
AiXovaicoveg, schon des Stammauslautes wegen nicht empfehlen,
die einwendung, dass Strabo 290 die Jovvoi nicht als be-
sonderen stamm nach Aovylovg re, fxeya sO^vog stellen konnte,
gälte doch auch gegen die beiden anderen namen, da auch Buren
und Elwekonen Lugier sind; übrigens braucht man Strabo nicht
allzu genaue kenntnis der Stammesverhältnisse Ostdeutschlands
zuzumuten.
ASKIBOrPllON OPOS 9
Damit sind wir dabei angelangt, nach dem geschichtlichen
ereignisse unischau zu hallen, von dem die behandelte localvor-
slellung ihren ausgang genommen hat. ist dieses dort nach-
weisbar, wohin uns die vorstehenden namendeutungen geführt
haben, so wird die richligkeit derselben nur noch mehr ein-
leuchten, ich finde dieses ereignis in einem kample der Hunnen
mit den Langobarden, über den bei Paulus, Historia Langobar-
doruni folgendes berichtet ist: 1 16 Igitnr transmeato Langobardi de
quo dixeramus flunüne, cum ad nlteriores terras perveiiissent , Ulk
'per tempns aliquod commorabanlur. Interea cum nihil adversi
snspicarentur et essent quiete longa minus solliciti, securitas, quae
semper detrimentorum mater est, eis non modicam perniciem pe-
perit. Noctu denique cum neglegentia resoluti cuncti quiescerent,
subito super eos Vulgares inruentes , plures ex eis sauciant , multos
prosternunt , et in tantum per eorum castra dibachati sunt, ut
ipsum Agelmundum regem interßcerent eiusque unicam filiam sorte
captivitatis auferrent. 17 Resumptis tarnen post haec incommoda
Langobardi viribus, Lamissionem, de quo superius dixeramus, sibi
regem consliluerunt. Qui, ut erat iuvenili aetate fervidus et ad
belli certamina satis prumptus, alumni sui Agelmundi necem ulcisci
cupiens, in Vulgares arma convertit. Primoque mox proelio com-
misso, Langobardi hostibus terga dantes, ad castra refugiunt. Tunc
rex Lamissio ista conspiciens, elevata altius voce, omni exercitui
clamare coepit, ut obprobriorum quae pertulerunt meminissent re-
vocarentque ante oculos dedecus, quomodo eorum regem hostes iugu-
laverint , quam miserabiliter eins natam, quam sibi reginam opta-
verant, captivam abduxerint. Postremo hortatur, ut se suosque
armis defenderent, melius esse dicens, in bello animam ponere quam
ut vilia mancipia hosiium ludibriis subiacere. Haec et huiuscemodi
dum vociferans diceret , et nunc minis nunc promissionibus ad to-
leranda eorum animos belli certamina roboraret; si quem etiam
servilis conditionis pugnantem vidisset, libertate eum simul cum
praemiis donaret : tandem hortatu exemplisque principis, qui primus
ad bellum prosilierat , accensi, super hostes inruunt, pugnant ati'o-
citer , et magna adversarios clade prosternunt; tandemque de vic-
toribus victoriam capientes, tarn regis sui funus quam proprias
iniurias ulciscuntur. Tunc magna de hostium exuviis praeda po-
titi, ex illo iam tempore ad expetendos bellt labores audaciores
effecti sunt.
10 ASKIBOrPriON 0P02
Dass unter den Bulgaren hier Hunnen zu verstehen sind
(siehe Miilleuhoir DAii98), ergibt sich aus dem, was Zeufs
s. 710 !T über das Verhältnis beider namen ermittelt hat. die
Wohnsitze, in denen die Langobarden der angriff traf, sind zwar
von Paulus nicht namentlich bezeichnet, doch lässt sich ihre läge
annähernd bestimmen, denn sie gelangen in dieselben nach
c. 15.16 auf dem wanderzuge, der seinen nächsten ausgang von
den nach c. 13 durch einige jähre von ihnen besessenen land-
schaften Antaib, Bantaib und Burgundaib genommen hat. in
seiner läge bestimmbar ist von diesen localen freilich nur Bur-
gundaib, die alle heimat der Burgunden (DA ii 98) zwischen
Suebos und Vistula. da das land über der Weichsel von Slawen
dicht besetzt war, stand von B%irgundaib aus nur gegen Süden
zu der weg offen, seitdem, nicht lange nach 406 (DA ii 91),
Rugier und Skiren ihre sitze im norden des gebirges mit solchen
im Süden desselben vertauscht hatten, die Langobarden aber
hatten das gebirge zur zeit ihres kampfes mit den Hunnen gewis
noch nicht überstiegen, denn erst später, c. 19, wird von Paulus
ihres einzuges in Rugilant nach der besiegung der Rugier durch
Odoaker gedacht, auch wären sie im Süden der berge sicherlich
der hunnischen macht erlegen und wie die anderen Germanen-
stämnie der Umgebung im reiche des Attila vereinigt worden;
dass dies aber nicht der fall war, erhellt abgesehen von obiger
erzählung des Paulus daraus, dass sie nirgends unter den unter-
gebenen der Hunnen genannt sind, da sie aber immerhin an
deren machtgebiet gränzten , wenn auch durch eine natürliche
schutzwehr gedeckt, so ist ein zusammenstofs beider Völker von
vorne herein nicht unwahrscheinlich; den geschichtschreibern
konnte derselbe freilich leicht entgehen, weil er auf einem ganz
abgelegenen Schauplatz sich abspielte und Rom und Byzanz nicht
unmittelbar dabei berührt waren.
Zunächst stimmt hiermit vollständig die läge von Hiinaland
und Reidgotaland in der sage, von denen nach den versen
s. 279, 4 ff jenes südlich von diesem zu denken ist, nach den
versen 266, 20 ff östlich , was gerade so zu nehmen sein wird
wie die angäbe in Alfreds Orosius: . . . Wislelond. and be eastan
pcem sint Datia. und wenn nach der prosa s. 276, 7 ff (vgl. die
verse s. 279,7 und 269, 13) beide reiche durch den wald Myrk-
vidr gelrennt sind, so wird man nun, was oben nur vermutungs-
ÄSKIBOTPriON OPOS 11
weise ausgesprochen wurde, dass der wald Myrkvidr hier die
Silva Hercynia ist, als gesichert annehmen dürfen; dabei umfasst
der Myrkvidr auch die Karpathen wie die silva Hercynia bei
Caesar BG vi 25.
Waren die reiche der Hunnen und Langobarden durch das
gebirge geschieden , so musten die ersteren als die angreifer
dieses übersteigen entweder über den Jablunkapass oder vom
Marchtale aus. und würklich berichtet auch die Hervararsaga
s. 276, 7 IT von der Überschreitung des Myrkvidr durch das beer
der Hunnen, im norden vorgenannter locale müssen dann die
kämpfe stattgefunden haben, von denen Paulus erzählt: eben-
dorthin aber haben uns die localbestinimungen in der Hervarar-
saga und im VVidsidh: undir Josurfjpllum, d Dünheidi, ymb Wist-
lawudii geführt.
Auch sonst decken sich die Vorstellungen der sage mit den
geschichtlichen talsachen in wesentlichen zügeu. wie Paulus
weifs auch die Hervararsaga von zwei schlachten, von denen die
erste den Hunnen günstig verläuft; weniger genau entsprechend
ist im VVidsidh v. 119 von widerholten kämpfen die rede, der
patriotische character des kampfes, der bei Paulus so stark her-
vortritt, wird ebenso in der Hervararsaga s. 288, 6 ff ausdrück-
lich betont und auch im Widsidh v. 122 angedeutet, selbst die
Walküre Hervor, die tochter des Gotenköuigs Heidrekr, die in
der ersten, unglücklichen schlacht fällt (s. 278), weist auf die
langobardische königstochter, deren gefangennähme in der ersten
Schlacht berichtet wird, schliefslich sind im Widsidh sogar noch
langobardische beiden bei Eormenric, dem Gotenfürsten, und in
Verbindung mit der anspielung auf die Hunnenschlacht genannt.
V. 115 11 erzählt uns der Sänger, der früher schon andere namen
aus Eormenrics Umgebung genannt hat:
115 Seccan söhte ic and Beccan, Seafolan and Peodric,
Headoric and Sifecan, Hlipe and Incgenpeow.
Eädwine söhte ic and Elsan, ^gelmund and Hnngnr
and pd wloncan gedryht Wipmyrginga.
Wuipiere söhte ic and Wyrmhere : füll oft p(pr tcig ne alceg,
12(1 ponne Hroeda here heardum sweordum
ymb Wistlawudu wergan sceoldon
ealdne epelstöl ^tlan leodum usw.
hier ist sicher Eädwine der Langobardenkönig Auduin und, was
12 ASKIBOYPriON OPOS
besonders bedeutsam ist, .^gelmund eben jener Agelmundiis , der
nacb Paulus in der Iluuneuschlacht umkommt, auch die Wi|)-
myrgingas sind entweder selbst 'Langobarden, die einmal in Mau-
runganien gewohnt haben' (Heinzel s. 101), oder Nordschwaben
und gehören doch auch in diesem falle zum langobardischen an-
hang. ob auch Hlijie = Lelhu und Elsa gerade ein langobar-
discher Aliso ist, ist hier nicht weiter von belang.
Übrigens ist auch der bericht des Paulus über den kämpf
mit den Bulgaren, so wenig man seinen wert als historisches
Zeugnis bezweifeln wird, bereits epischer Überlieferung entnommen,
es bedurfte nur einer vermitlelung, um dieselbe anderen germani-
schen Stämmen zugänglich zu machen und au dieser fehlte es
nicht, der weg, auf dem die langobardische sage von den Hunnen-
schlachten nach dem norden gelangte, ist derselbe wie der, auf
dem das altenglische epos mit köuig Albuin in Italien bekannt
wurde, und den uns Paulus selbst i 27 deutlich kennzeichnet,
da er meldet: Alboin vero ita praedarum longe lateque nomen
percrebuit, ut hactenus etiam tarn aput Baioariorum gentem quam-
que et Saxomim, sed et alios eiusdem linguae homines eins libera-
litas et gloria bellorumque felicitas et virtus in eorum carminibus
celebretur.
Dass aber die Langobarden in der sage später den Hreidh-
goten platz gemacht haben, wozu ja schon im Widsidh mehr
als der ansatz vorhanden ist, da sie hier in mitte gotischer beiden
auftreten und mit unter die Hr«das gehören , denen bereits die
kämpfe mit den Hunnen zugeschrieben sind, findet leicht seine
erklärung aus der ungleich bedeutenderen rolle, welche die Goten
in geschichte und sage als gegner der Hunnen spielen, zumal
eine Verschmelzung mit sagenvorstellungen, die auf die schlacht
auf der mauriacischen ebene zurückgehen, war deshalb leicht
möglich, weil auch diese mit einer niederlage der Hunnen endete,
weil auch hier der kämpf patriotischen characters war (Heinzel
s. 52) und die Hunnen auf ihrem anzuge den hercynischen wald
passierten (Heinzel s. 51); dazu kommt die weit überragende be-
deutung dieses ereignisses.
Es ist nicht wahrscheinlich , dass ein späterer dichter durch
die vorgefundene Überlieferung zu einer richtigen Vorstellung des
locales der kämpfe gelangt sei und die dieses bezeichnenden
namen durch andere desselben bereiches aus dem Vorrat seiner
ASRIBOYPriON OPOS 13
geographischen kenntnisse ergänzt habe, dagegen spricht von
anderem abgesehen der umstand, dass es sich um ein gebiet
handelt, das dem späteren germanischen gesichtskreis allzu weit
entrückt war. gerade also weil sie demselben engen umkreis
angehören , müssen die besprochenen namen zusammen in die
sage aufgenommen worden sein, von welcher zeit an die Bjelo-
chorvalen ihre späteren sitze inne halten, lässt sich nicht fest-
stellen, daher ist auch das alter des namens Harvadafj oll , der
ursprünglich das local der ersten schlacht bestimmt haben mag,
wie später noch den ort, wo der könig umkam, nicht nach-
weisbar. Wistla aber, die altgermanische namentbrm gegenüber
slaw. litt. Wisla, gehörte höchstens noch im 5 jh. dem lebendigen
germanischen sprachgute an und auch damals zunächst dem
der letzten germanischen anwohner der Weichsel, der Lango-
barden, eine erwägung, durch die von anderer seile der lango-
bardische Ursprung der behandelten localnamen und der sage
bestätigt wird, auch Dnnheidr weist auf das 5 jh. zurück, denn
damals waren, wie die entlehnung des namens der benachbarten
Silingen durch die Slawen beweist, die allen stammnamen im
Osten Deutschlands noch nicht vergessen, auch in Bantaib, das,
weil es leicht durch das nebenstehende Antaib beeinflusst sein
kann, nach dem Baynaib, Bainaib im prol. des Edictum Rotharis
berichtigt werden muss (Müllenhotf Zs. ix 243), mag ein alter
volksname enthalten sein , wobei an die Baniiujas des Widsidh
gedacht werden kann, weil ihr name, wie Bainaib mit Burgun-
daib, mit dem der Burgunden allilteriert im v. 19: Becca Banin-
gum, Bnrgendum Gifica; sodass danach Bdningum zu lesen wäre;
vgl. Bainobaiides bei Amm. Marc, und das altn. adj. beinn. längs
des gebirges aber waren um die mitte des 5 jhs. die Slawen
bereits vorgedrungen : siehe DA ii 92 ff; es darf also gar nicht
wunder nehmen, wenn dem namen Josnrfjoll bereits die slawische
Übersetzung eines älteren germanischen namens zu gründe liegt.
Wien, den 10 Januar 1888. RUDOLF MUCH.
SAGIBARO.
Rudolph Sohm, Die fränkische reichs- und gerichtsverfassung,
Weimar 1871, s. 54 ff hat den titel 54 der lex Sahca einer ein-
gehenden, ungemein scharfsinnigen Interpretation unterzogen, um
14 SAGIBARO
Stellung und amtsbefugnisse der 'sacebaronen', so weit es dieses
einzige Zeugnis ermöglicht, aufzuhellen, er erkennt in ihnen
königliche beamte anfsergerichllicher function, welche für die
einzelnen mallobergi (liundertschaften nach Sohm) in zahl von
höchstens je drei angestellt seien, um Zahlungen, die dem fiscus
gebüren, anzunehmen oder einzutreiben, sie concurrieren in
dieser ihrer function mit dem grafen, der für die damalige zeit
noch nicht als Vorsitzender des Volksgerichts, sondern als reiner
Verwaltungsbeamter des köuigs zu betrachten sei. was der graf
für den gau, sei der sagibaro für die hundertschaft. zur zeit
der lex Salica waren nach Sohm graf und 'sacebaro' einander
coordiniert; später aber habe sich das Verhältnis geändert: 'der
sacebaro ist später ein Unterbeamter des grafen geworden' (s. 93).
Der letzte punct entbehrt, wie mir scheint, einer ausreichenden
begründung. ich kann nicht finden, dass die von Sohm angenom-
mene Unabhängigkeit des sagibaro vom grafen sich aus den Worten
des gesetzes notwendig ergebe, glaube vielmehr durch eine sprach-
liche analyse des Wortes sagibaro selbst zeigen zu können, dass
sie geradezu unwahrscheinlich ist. die etymoiogie weist meines
erachtens darauf hin, dass die sagibaronen sich im ge folge
des grafen befunden haben und dass sie demnach als hilfs-
beamte desselben angesehen werden müssen.
Sohm hat sich vielleicht doch einiger mafsen von der Kern-
schen ableitung des Wortes beeinflussen lassen (Die glossen in
der lex Sal. s. 80), wonach sacebaro veröffentliclier der sache
bedeuten soll, er macht daraus s. 94 nicht ohne gewaltsamkeit
'einforderer der Strafsache, bufse' und findet nun diese erklärung
'seiner auffassung im höchsten grade entsprechend', obwol Kern
dem lateinischen texte nicht gerecht geworden sei. ich muss
erklären, dass die von Kern aufgestellte etymoiogie des altnieder-
fränkischen Wortes gänzlich unhaltbar ist. er geht aus von der in
nur wenigen hss. überlieferten lesart -barro und führt die doppel-
cousonanz auf rj zurück, indem er nun das so gewonnene -bario
zu altfr. baria 'offenbaren, kund tun' in beziehung setzt, gelangt
er zu der obigen erklärung. aber bei seiner auseinandersetzung
laufen bedenkliche verstöfse gegen die lautgesetze unter, einmal
ist die assimilation von rj zu rr ein lautvorgang, den zwar einige
althochdeutsche mundarten (Braune s. 85), nicht aber die nieder-
ländischen und sächsischen dialecte kennen; in diesen bleibt
SAGIBARO 15
vielmehr rj durchaus inlact, bis dann in viel späterer zeit j
schwindet, und zweitens gehört haria, wie schon das fehlen
des Umlauts zeigt, nicht der ersten sondern der zweiten classe
der schwachen verba an ; es deckt sich nämlich mit ags. dbarian,
ahd. giparöii und ist erst durch secundäre lautprocesse in einer
verhältnismäfsig späten periode aus harojan hervorgegangen (Beilr.
9,506). mit diesem wortstamme hat -haro, -barro ohne zweifei
nicht das allermindeste zu schaffen, wie zum überfluss auch
noch die nebenformen mit o -boro, -borro dartuu. für -borro
stellt zwar Kern in der englischen ausgäbe der lex Salica von
Hesseis, London 1880, s. 542 eine besondere etymologie auf,
indem er altn. byrja zur anknüpfung benutzt; aber abgesehen
davon, dass auch diese ableitung mit den lautgesetzen nicht in
einklang steht (die form müste *-burio lauten), so werden sich
gewis nur wenige dazu verstehen, -baro und -6oro von einander
zu trennen, eine erklärung, die anspruch auf Wahrscheinlichkeit
erhebt, muss vor allem der in den meisten hss. überlieferten form
-baro gerecht werden, sie darf indes auch die nebenformen mit
rr und 0 nicht ohne weiteres als fehler bei seite werfen, sondern
muss sie als berechtigte Variationen der normalen gestalt zu er-
weisen und als solche zu erklären suchen, ich hoffe diesen be-
dingungen genügen zu können.
In dem ersten compositionsgliede sah Kern früher (Glossen
s. 80), auf MüllenholT fufsend (bei Waitz, Das alte recht der
sal. Franken s. 292), das wort saca; jetzt (bei Hesseis aao.) be-
zieht er es auf ahd. secchia. aber die bedeutung dieses ahd.
Wortes ist von der von saca ganz verschieden, wie das ent-
sprechende got. sakjö heifsl es bekanntlich streit (es glossiert
rixa, lis, querela, conlroversia Graff 6,76), und wie liefse sich
dieser begriff mit der von Sohm erwiesenen aufsergerichtlichen
tätigkeit der sagibaronen in sinngemäfse beziehung setzen ?
Wie gegen secchia begriffliche gründe sprechen, so lassen
sich gegen die herleitung von saca schwerwiegende formelle be-
denken geltend machen, man müste doch wol allen analogien
zu folge bei einem rf- stamme als vocal in der compositionsnaht
ein a, oder auch ein o, u erwarten, die Überlieferung führt
aber mit ziemlicher Sicherheit auf ein i als bindelaut , weil auch
e in der Orthographie dieser romanischen Schreiber bei deutschen
Worten meist nur i meint; sace- ist also mit saci- gleichwertig.
16 SAGIBARO
dies hat auch Kern erkannt und offenbar hauptsächlich deshalb
seine frühere erklärung aufgegeben, also ist weder mit saca
noch mit secchia etwas anzufangen.
Es ist merkwürdig, mit welcher Zähigkeit man seit Müllen-
hoff und wol grofseuleils auf seine autorilät hin an der annähme
der echtheit des inneren c in sace- festgehalten hat. alle, die
sich seitdem mit dem worle beschäftigt haben, Juristen, historiker
und Philologen, erkennen nur die form sact- (sace-) als berechtigt
an. nun ist diese zwar in cod. 1 — 4 (ich benutze die ausgäbe
von Hesseis) tatsächlich überliefert, aber in 5 und 6 taucht sachi-
auf, eine Schreibung, die in 10 widerkehrt, und die gruppe
7 — 9 bietet dazu als drille Variante sagi- (das genauere bei Hesseis),
wenn sich nun der redactor der emendata (Brunner, Rechts-
geschichte 1, 294 setzt ihn in den anfang der regierungszeit
Karls des grofsen) , dem doch ohne zweifei ein besseres kriti-
sches material als uns zu geböte stand, für sagi- entscheidet,
was berechtigt uns, in diese seine entscheidung zweifei zu setzen?
ich will einer kritik dieses redactors keineswegs principiell die
berechtiguug absprechen; aber genügende gründe dafür müssen
doch in jedem einzelnen falle beigebracht werden und daran
scheint es mir hier würklich durchaus zu fehlen, denn es ist
gar nicht abzusehen, weshalb er ein ihm überliefertes saca-,
seccia - (wenn ich mich auf den standpunct der bisherigen
erklärer des wortes stelle) einer schrullenhaften anlehnung an
sagen zu liebe verworfen haben sollte, ich habe im gegensatz
zu der jetzt herschenden ansieht die feste Überzeugung, dass der
bearbeiter einen uralten salfränkischen geschäflsausdruck in seiner
echten form auf uns gebracht hat. die etymologie hat nur mit
sagibaro zu rechnen.
Für g spricht zunächst ganz direct das schwanken der
Schreibung, wo sonst g ch c neben einander stehen, liegt —
man kann wol sagen ausnahmslos — g zn gründe, dass ch (d. i.
X, das zeichen der tonlosen spirans, welches für den tönenden
laut verwendet ist wie im ags. in der labialreihe /"= got. 6j für
etymologisch berechtigtes g eintritt, ist eine bekannte orthogra-
phische unVollkommenheit, die man nicht nur in fränkischen
quellen antrifft (Weinhold, Isidor s. 88), wo sie recht eigentlich
zu hause ist, sondern auch zb. in den SGallischen Urkunden
(Henning s. 140), in den Reichenau-Murbacher denkmälern (Beitr.
SAGIBARO 17
9, 304 f) und sonst in Alemannien. und c ist nur nachlässige
Schreibung für ch, die überall begegnet, wo Romanen deutsche
werte aufzeichnen, die deutschen worte der lex Salica selbst
beweisen, dass wir das volle recht dazu haben, c ch g als gleich-
wertige zeichen für g anzusehen, ich halte es für zweckmäfsig,
diese orthographische nachlässigkeit durch einige beispiele aus
der lex Sal. selbst nachzuweisen.
2, 1 calcium 1 calcio 2 challil — 9; 2, 2 calcium 1 chalteo
5 — 6. 10. die glosse gehört zu forcellnm lactantem und por-
cellwn qui sine matrem possit vivere. man weifs längst, dass
dem anlaute des Wortes g gebürt, obwol dieses keine hs. würklich
gewährt, gemeint ist der acc. sg. des schwachen femininums
galiia = ahd. galza gelza sucula, mhd. galze geize, ags. gielle gylte,
nhd. geize 'junge sau' (vgl. Hildebrand im DWB 4, 1, 2, 3119 fl).
das wort kehrt in einer Zusammensetzung 2, 3 wider und auch
da bieten die hss. im anlaut nur ch und c.
2, 4 drache 1 glosse zu porcum annicuhim; 2, 9 drace 2
drauge 3 diache 5—6 dracechalt 10 glosse zu tertussum por-
cellum usque ad anniculatum ; 2, 10 drace 2 drache 5 — 6 dra-
cechalt 10 glosse zu post anniculatum. Kerns erklärung der glosse
(zu dragan, Hesseis s. 444) befriedigt nicht, der ausdruck meint
drangi, contrahiert drdgi (au zu d wie zb. im Heliand bäg ring,
/rt'^nmn läugnen , bäm bäum, scäni schön) 'trocken, unfruchtbar,
noch nicht zeugungsreif' = mnl. di'öge, weiches ebenfalls noch
in dieser bedeutung vorkommt (Verwijs- Verdam, Middelneder-
landsch woordenboek 2,427), ags. drige drt/ge aus driege d.i.
* drangi.
2, 12 baraga 5 — 6 bartcho bracho 7 — 9 barco 10; 2, 13
barcho 2 bracho 5 — 6 bartho 7 — 9 brarecho 10: glosse zu
majalis. bekanntlich = ahd. barug ags. bearng altn. borgr mnl.
bargh. — beiläufig: 2, 12 änömeo 10 (in den übrigen hss. ver-
stümmelt) bedeutet genau das, was es glossiert: sacrivus, votivus,
vgl. mhd. benuomen urkundlich verheifsen Lexer 1, 182, ahd.
chinömidi 'benenuung' persona Is. eine zweite glosse steckt, wie
auch Kern erkannt hat, in amiteotho b — 6 anitheotha 10, herzu-
stellen in andchaittio = ahd. anthaizzo devotus Graff 4, 1087 alts.
andheti acc. sg. f. andhettia anthettea Schmell. 56'; vgl. die ana-
logen Verunstaltungen in 3,4 chariocito 2 aritheocto 5 — 6 che-
recheto 10 = charichaito ahd. *heriheizo.
Z. F. D. A. XXXIH. N. F. XXI. 2
18 SAGIBARO
16, 5 bka bicha higgeo in cod. 10 glosse zu cuncida (= con-
cidem 1) vel sepe. Grimm (in Merkels ausgäbe xlvmi) hat er-
kannt, dass wir das ahil. piga pigo nhd. beige (DVVB 1, 1371) 'ge-
schichteter holzhaufe' vor uns haben.
Ein besonders deutliches beispiel für die Verwendung der
zeichen ch und c = g gewährt der ausdruck raginiburgius. ich
teile die Überlieferung für einige stellen nach Hesseis voll-
ständig mit:
50, 3 rachine- 1 rachini- 3 racine- 2 racem- 7 — 9 = ra-
gin- emend.
56, 1 rachine- 1. 5 — 6 racine- 2. 3 racem- 7 — Q == ra-
gin- emend.
2 rachine- 1 rachini- 3 rachem- 5—6 racini- 2 ra-
cin- 7 — 9 = ragin- emend.
3 rachine- 1. 3. 5 — 6 racine- 2 racin- 7 — 9 = ragin-
emend.
Ähnlich in tit. 57, wo jedoch auch die emend. rachin- bei-
behalten hat. in tit. 78 (Hilperici regis edictum) steht rachym-
durch. so viel ich sehe, fehlt g bei diesem worte in den hss.
der alten lex vollständig (von der extravagante B 1 ist natürlich
abzusehen), dennoch hat noch niemand bezweifelt, dass ch und c
hier eben nur g meinen, denn es liegt ja das bekannte vvo'rt
ragin vor. zugleich sieht man, wie gut der redactor der emen-
data über die richtige Schreibung dieser alten termini unter-
richtet war.
Gestützt auf diese beobachtungen betrachten wir die form des
überarbeiteten gesetzes: sagibaro als die richtige gestalt des wortes
und wenden uns dazu, das nun widergewonnene sagt- etymo-
logisch zu erklären.
Sagi- gehört zu der wurzel seq folgen (lal. sequi gr. enofxai
ind. sac begleiten) und ist ein davon abgeleiteter adjectivischeryo-
stamm sagja- folgend, begleitend, welcher gebildet ist wie abktr.
bairya- tragend, mainya- denkend ua. (Schlüter, Die mit /a ge-
bildeten deutschen nomina, Göttingen 1875, s. 8fi"), vgl. nutja-
(niozan), lugj'a- (liogan), ßiigja-(ßiogan) uä. dieses sagja- geht
weiter zurück auf *sagwja- und hat sich daraus unter verlust
des w entwickelt wie altn, ylgr wölßn aus *wulgwjd- oder ags.
mecg pl. mecgas verwandter, söhn aus *magwja- zu magu got.
magus knabe, kind (vgl. Sievers Beitr. 5, 149. Brugmann, Grundriss
SAGIBARO 19
1, 331). dieser stamm, in älterer gestalt *sogwi6-, deckt
sich auf das genaueste mit lat. socius aus soquio-s begleiter,
dessen Bedeutung von der des deutschen wertes kaum um
haaresbreite abweicht, und weiterhin mit dem medial gewende-
ten vedischen sdcya- 'dem man beispringen, den man wert
halten muss', dessen überzeugende Zusammenstellung mit dem
lateinischen worte wir Brugmann Grundr. 1,323 verdanken, schon
Beitr. 9, 531 habe ich das lat. socius mit dem aUs.segg vir = ags.
secg altn. se^-^r verglichen; wir erkennen nun, dass dieser uralte,
aus dem gefolgschaftswesen erwachsene, später nur noch der
poesie eigene ausdruck nichts weiter ist als unser adjectiv in
substantivischer lunction mit der bedeutung von gisith, gefolgs-
mann. wie andere worte idinlichen sinnes, wie erl rinc the-
gan, hat es im verlaufe der zeit von seinem allen gehalte ziemlich
viel eingebilfst, sodass es nur noch im sinne von vir, homo ver-
wendet wird, in der eddischen Rigsl)ula str. 24 ist jedoch seggr
noch als synonymum von halr drengr holdr ßegn gebraucht und
seine vollere bedeutung leuchtet auch aus der ags. allilterierenden
formel seegas and gesidas noch hervor, hinsichtlich der form
bedarf noch der mangel der westgermanischen Verschärfung in
sagi-baro eines wortes.
In der regel bleiben ja die ersten compositionsglieder , wenn
sie ja- oder yrf- Stämme sind, davon nicht befreit (vgl. beispiels-
weise Ecki-hart); aber eine reihe von formen, unter denen einige
eigennamen besonderen wert beanspruchen, erweisen, dass der
eintritt der geminata in diesem falle späteren datums und erst
auf dem wege der Übertragung erfolgt ist: Chuniperhl Chuni-
piric Chunihard usw. (Förstern. 1, 312 (T) werden regelmäfsig nur
mit n geschrieben , obwol sie zu knnni gehören ; dasselbe ist bei
den compositis mit eli- = got. alja- wie elilenti der fall (GrafF
1,223); gleicher beschaffenheit sind ferner beti-keminada GW. 2,
486, 1 (SGall. 134) und miti-tagolichemo meridiano Gll. 1,520,46
(in zwei hss.). bezüglich der feminina mache ich auf Sunigart
Mon. Bo. 28,2,38 a. 840 — 66 Pruni-hilt Förstern. 285 Egi-
burga ebd. 14 aufmerksam, von dieser seite lässt sich also
die hier vorgetragene erklärung nicht anfechten, auch der ein-
wand , dass die wurzel seq im germanischen in ihrer eigentlichen
bedeutung bisher nicht nachgewiesen sei , lässt sich leicht da-
durch entkräften, dass dieser nachweis erbracht werden kann.
2*
20 SAGIBARO
aiifser sagi- haro und segg gehurt zu seq begleiten zb. noch das
westgolische sagio (in jüngerer Schreibung saio, vgl. Arthur Schmidt
Zs. f. rechtsgesch. 9,235) gerichtsbote, biittel , eigentlich einer
der auf dem fufse folgt, immer zur band ist (Diicange: regii ac
magistratus minislri qui ad eorum jnssa exequenda semper praesto
erant), ein wort, welches schon deshalb nicht zu sagen gehören
kann, weil diese untergeordneten beamten nichts zu sagen hatten,
zwei weitere Vertreter dieser sippe erkennt man leicht in sekko
spelsekko favor N. Mcp. 296'' Hatt. (mit gleicher bedeutungsent-
vvickelung wie lat. secundus günstig) und beinsegga pedisequa
(glosse zu Reg. i 25, 42 qninque pnellae ierunt cum ea pedisseqnae
ejus, übersetzt Gll. 1,393,26 durch peinsegga b, beinsegga c,
bemseggon n == peinseico Rh. 1,412,38); dieser ausdruck ist dem
damit übersetzten lateinischen zwar nachgebildet, aber nicht
daraus entlehnt.
Gehen wir nun zu dem zweiten compositionsgliede baro
(barro boro borro) über, dieses stellt kurz gesagt dasjenige deutsche
wort dar, welches im 17 jh. in der gestalt baron aus dem franzö-
sischen rückentlehnt worden ist. alle versuche, das in deutschen
quellen oft belegte wort baro mann zu einem romanisch-lateinischen
lehnvvorte zu stempeln, muss ich für verfehlt erklären, weil es,
auf deutschem boden von alter zeit her heimisch , aus dem ger-
manischen auf einfache weise erklärt werden kann, ich glaube
die Untersuchung Müllenhoffs, der sich in gleichem sinne wenn
auch weniger entschieden ausspricht (bei VVaitz aao. s. 279), zu
gunslen der deutschen herkunft des ausdrucks weiterführen zu
können, es soll dabei nicht in abrede gestellt werden, dass inner-
halb der romanischen sprachen auch das altlat. baro dummkopf
(verwandt mit bardus stumpfsinnig) weiter gelebt haben kann.
Das altgermanische wort baro, zu welchem nach dem barus
der lex Alam. zu urteilen (Gia(T3, 153) ein stark flectiertes bar
existiert haben muss, bedeutet ursprünglich vir strenuus, fortis;
weiterhin mann in der Umgebung des königs; daraufgeht es in
die bedeutung mann überhaupt über; und schliefslich sehen wir
es zur bezeichnung einer art von halbfreien leuten verwendet.
a) die bedeutung 'tapferer mann, held' tritt in einer bei
Ducange 1,579*^ beigebrachten glosse auf: baro graece, latine vir
fortis, unde barones. diese scheint auf die aao. gleichfalls citierte
Isidorstelle zurückzugehen : mercenarii sunt qui serviunt accepta
SAGIBARO 21
mercede, iidem et barones Graeco nomine quod sint fortes in la-
boribus. Isidor deukt bei diesem worle au fiagvg, deshalb muss
das ihm, wie ich nicht zweifele, aus dem wesigotischeu bekannte
wort aus dem griechischen stammen.
b) baro == cyninges pegen weist Schmid , Die gesetze der
Angelsachsen s-SSS"" nach; vgl. auch Duc. aao. die stellen Schmids
sind meist jüngeren datums; am wichtigsten dürfte der beleg aus
den gesetzen Knuts 3, 26 sein: episcopi abbates et barones mei
non calumjiiabuntnr pro venatione.
c) die allgemeine bedeutung mann (vgl. oben die entwickelung
von segg) ist in den volksrechten die gewöhnliche. Si quis ba-
ronem ingemium de via sua oslaverit lex Sal. 31, 1, wo die
emendata hominem ingenuum hat , und diese bedeutung wird auch
durch den gegeusatz in § 2 si quis mulierem ingenuam de via
sua ostaverit gefordert, ebenso in der lex Ripuaria (ed. Sohm,
der das wort im index durch vir erklärt): quod si quis hominem
regium tabularinm tarn baronem quam feminam de mundeburde
regis abslulerit 58, 12 (B 2 boronem, wodurch also die Variante
sagi-boro von dem verdacht eines blofsen Schreibfehlers gereinigt
wird); similiter et Uli qui tabulariam vel ecclesiasticam feminam
seu baronem de mundeburde ecdesiae abstulerit 58, 13; si quis
baro seu mulier Ribuaria per maießcium aliquem perdiderit 83, 1
(A 5 paro; A 8. 10 uud alle hss. von B vir seu mulier), in der
lex Alam. tit. 76 wird wie oben erwähnt neben baro in gleichem
sinne auch barus verwendet: si cui mortaudum barum vel feminam
[imputant] MG LL in 160, 6 = si quis mordtotus baro aut femina
72, 15==si quis mortautus fuerit baro aut femina 37,3 (Pactus
II 42) ; si femina barotie extra rixa subdulo clamaverit 36, 3 (Pactus
II 33), vorher (32) si femina aliam Stria aut erbaria clamaverit.
auch im Pactus ii 37 (36, 13) ist der baro de minoflidis nur der
femina minoßidus entgegengesetzt.
d) dagegen lässt sich baro in tit. 98 (80, 5 ff) kaum anders
fassen als in der Urkunde bei Wartmann nr 7 a. 741, wo eine
frau namens Beata unter anderem mancipios tres et parones quat-
tuor, die zu Lützelau gehörten, verschenkt, hier sind die parones
deutlich halbfreie, mehr als die mancipia, weniger als die ingenui.
an der angeführten stelle der lex Alam. wird gleichfalls der baro
vom servus unterschieden und er steht, wie der Zusammenhang
ergibt, mit der lesa (d. i. leza = Idza aus Uta) auf gleicher linie.
22 SAGIBARO
in der Lantfridana finden sich die worle unverändert wider (116,
6(1); eine hs. hat hier punis d. i. parus. auffällig bleibt, dass
in der lex dieses wort in zwei so verschiedeneu bedeutungen
verwendet wird, ist etwa dieses baro halbfreier gauz von jenem
6flro manu zu trennen und mildern ha\r. parscalc, dessen recht-
liche Stellung nach der durch reiches belegmaterial gestützten
darlegung Merkels zu lex Bajuvv. MG LL ui s. 359 der des alem.
baro sehr ähnlich gewesen sein muss, zu verbinden?
Wie dem auch sei, das wert baro bärus vir, homo hat im
deutschen seine wurzel. längst hat man erkannt , dass es sich
deckt mit dem mhd. bar, welches in der bedeutuug mann (bar
söhn ist vielleicht fernzuhalten und eher mit got. baür zu ver-
knüpfen) mehrfach belegt ist (Mhd. wb. 1, 142^ Lexer 1, 126.
3, 42). man wird die genaue Übereinstimmung des mhd. wertes
mit jenem alten ausdruck der gesetze nicht für zufällig halten
wollen, den gedanken einer entlehnung aus dem lateinisch-ro-
manischen muss man definitiv fallen lassen, wenn gezeigt wird, dass
dieses mhd. bar mit einer reihe von unbestreitbar germanischen
Worten ganz nahe verwandt ist. im ahd. zunächst liegt ein ad-
jectiv par 'aufgerichtet' vor in der glosse paremo erecto Gll. 1,
503, 8 (in zwei hss.). dieses wort hat eine uebenform mit rr,
welche aao. eine andere hs. gewährt (parremo Vindob. 2732).
die doppelform kehrt wider in dem abgeleiteten verbum paren
parren Graff 3, 155; mit einfachem r ist dieses belegt Gll. 1, 503,
7. 595, 33. dem ahd. bar 'aufgerichtet, starr' entspricht genau
das ahn. adjectiv barr strenuus acer vehemens, welches bei Egils-
son 38 mehrfach nachgewiesen ist. der stamm des nordischen
Wortes scheint barra- zu sein; enn mödbarri tynir Egilss. 582 und
der eigenname 5arn weisen auf doppel-r hin. was der doppel-
consonanz zu gründe liegt, ist nicht klar; doch steht, so viel ich
sehe, der annähme einer anglerchung aus Hanta- nichts im wege
(vgl. ferro, sterro, uuerra krampfader neben uuerna). durch die
parallelformen bara- barra- erhalten wir nun auch eine erklärung
für unsere Variante -barro und man wird zugeben, dass diese
Übereinstimmung in dem schwanken zwischen r und rr die richtig-
keit unserer herleitung bestätigt, es bleiben noch die formen
-boro -borro aufzuhellen, ich halte das lautpar a:o in diesem
Worte für uralt und erkläre den ablaut in Verbindung mit der
doppelgestalt des consonantismus aus einer uralten flexion bdro
SAGIBARO 23
*brn6s == *bornös, *borrös. iu einer dritten ablautsstul'e zeigt
sich dieser stanimabslufende »-stamm in dem westgermanischen
Worte bern held, fürst (ags. beorn, ahd. Pern-heri, Umg-bern,
Gund-bern, Fridu-berti usw.), welches sich zu baro ähnlich ver-
hält wie altn. bjorn bär zu ahd. bero, vgl. auch stern zu sterro.
die liefslufe gewährt noch das zu derselben wurzel gehörige ahd.
bora- sehr, eigentlich hoch, in Zusammensetzungen wie bora-lanc,
während alts. baruuirdig hochwürdig die höhere stufe aufweist,
die besprochenen substantiva dieser sippe gehen von der grund-
bedeutung des hervorrageus über andere (zunächst rein körper-
lich zu denken) über in den begriff des sich hervortuns vor
anderen, vor allem natürlich im kämpfe, und sie entwickeln sich
so in gerader linie zu dem sinne von Vorkämpfer, held, tapferer
gefolgsmann. fragt man nach der auswärtigen Verwandtschaft,
so scheint mir die bei Fick 2, 166 zusammengestellte gruppe, zu
welcher gr. qt^giegog besser, (pigiaioii der beste, zd. bairista
hilfreichst gehören, am nächsten zu liegen.
Sagibaro ist demnach ein baro (ein königsdegen), der einem
anderen, höheren folgt, ihn begleitet, ihm zur hilfeleistung zur
Seite steht. eine solche benennung würde nicht für einen
selbständigen, nach eigenem willen handelnden beamten passen,
durch die analyse des Wortes wird also die Sohmsche auffassung,
wonach die sagibaronen dem grafen coordiniert sein sollen, als
unhaltbar erwiesen, vielmehr müssen diese beamten eine art
Untergrafen gewesen sein, hilfsbeamte des grafen, die in kleineren
bezirken in seinem auftrage tätig waren, eine directe bestätigung
dafür, dass die sagibaronen nichts weiter als eben dieses sind,
gewährt die von Sohm, wie mir scheint, nicht genügend gewür-
digte alte glosse in 54, 1 cod. 1 Si qiii sacebarone aut obgra-
fionem occiderit (denn die worte aut obgrafionem sind nur ein-
gefügt um sacebarone zu erklären), da obgrafio, wie Kern erkannt
hat, eben untergraf bedeutet.
Es sei gestattet, anhangsweise dem ausdrucke graf ein
kurzes wort zu widmen, graf bedeutet nicht so sehr schult-
heifs, als Zahlmeister, das ags. geroefa, iu jüngerer gestalt ^ere/a
(refa ohne das präfix belegt Schmid, Gesetze der Angelsachsen^
s. 597'; groefa ist bei Bosvvorth-Toller 430^ nachgewiesen) würde
in gotischer form *gar6fja lauten, und da dieses wort unmittelbar
zu ahd. röva ruova ruaba zahl gehört, so kann es als nomen
24 SAGIBARO
agentis zunächst nichts anderes als 'zähler' hedeutet haben; wie
gut dies zu der ältesten t'unction dieser beamten stimmt, leuchtet
ein. zu dem ags. gerefa stimmt genau das altlV. greva, denn auch
in dieser spräche stellt sich der umlaut von 6 als e dar. die
ahd. form grdvio von dem anglofriesischen worte loszutrennen,
wie auch Kluge Etymolog, wb."* 119 wider tut, halte ich für ganz
verfehlt, da für ein und dasselbe uralte amt nicht zwei durch
und durch verschiedene und sich doch auch wider äufserlich so
ähnliche termini vorhanden gewesen sein können, allerdings liegt
dem ahd. worte nicht die vorform *gar6fjo, sondern ein davon
im wurzelvocal abweichendes *garefjo zu gründe; aber man weifs
ja, dass dieser ablaut von ö:e durchaus nicht vereinzelt dasteht,
ferner liegendes bei seite lassend erinnere ich nur an das formen-
par ruowa, rdwa ruhe und an die uebenform kildmo frequenter
Pa. 190, 23 (vgl. auch manldmi menschhchkeit N. Bo. 102'') zu
-luomi Graff 2, 212. was die Verkürzung des präfixes anlangt,
so lässt sich, glaube ich, erweisen, dass sie vor r l n im ahd.
fast mit der consequenz eines lautgesetzes eingetreten ist, und
zwar nicht erst in jüngerer zeit, wie Braune Ahd. gramm. s. 55
meint, sondern im gegenteil in der periode vor dem eintritt
unserer quellen , denn eben die ältesten denkmäler gewähren die
interessantesten beispiele. es würde zu weit führen, wenn ich
auf diese specialfrage hier eingehen wollte, hingewiesen sei noch
auf die sachlich interessante glosse kravio odo scnldheizzo pro-
curator provisor secularis honoris Gll. 2, 103, 20 sowie auf die
bisher ahd. nur aus dem Georgslied bekannte form mit gramma-
tischem Wechsel hurggrabo praetor Gll. 2, 77, 27; grdho verhält
sich zu grdvo wie ruaba zu ruava.
Leipzig, 16 juui 1888. RUDOLF KÖGEL.
VOLUNDARKVlI^A.
Volundarkvi|)a v. 2 wird die Alvitr als Schwester der beiden
vorher erwähnten schwanenmädchen bezeichnet, nach v. 15 ist die
ihr entsprechende Hervor nur die Schwester der Hlal3gu|)r-Svan-
hvit und ihr gemeinsamer vater Illojjver, während die dritte Wal-
küre plrün ausdrücklich Rjärs tochter heifst.
Diesen Widerspruch sucht Ilildebrand zu beseitigen, indem
VOLÜNDARKVI^A 25
er, gestützt auf zwei stellen, wo ein gleicher ausfall des r vor s
slatlgefuüdeu (Skirnisf. 39. HHund. ii 7), peirra einlach als einen
Schreibfehler für peirrar erklärt, es ist indes nicht nur an sich
wahrscheinlich, dass den drei brüdern Egell-Slagfilir-Volundr von
alters her auch eine schwesierntrias entsprochen habe: die v. 15,
welche dem allein widerstreitet, ist in mehrfacher hinsieht an-
stöfsig.
Zunächst unterbricht sie als einfacher visuhelmingr störend
die reihe regelrechter kvi|)uhättrstrophen. sodann hat nur sie
allein im ganzen liede für zwei der Walküren, welche sonst stets
Svanhvit (v. 2. 5) und Alvitr (v. 1.3.10) heifsen, die namen
HlaPgupr und Hervor, endlich gibt sie in dem zusammenhange,
in welchem sie überliefert ist, durchaus keinen sinn.
Folgt man nämlich der handschrift, so bezieht sich das Äd»
der V. 16 streng genommen auf die zuletzt genannte pirün und
nicht, wie der sinn erfordert, auf die Hervor, aber selbst, wenn
man dies Grimm einräumte und Wielands frau zurückkehrend
sagen liefse: 'mein aus dem walde kommender mann wird sich
schlecht freuen', was der einleitenden prosa widerstreitet (vgl.
ok kvdmu eigi aptr), so kann dieselbe doch unmöglich an dieser
stelle so sprechen und noch viel weniger Wieland sie so redend
einführen, da er von ihrer rückkehr nichts weifs (v. 10). man
müste also schon mit Grimm und späteren an eine Umstellung
nach V. 3 denken, wobei indes kaum erklärt werden könnte, wie
die Visa von dort an ihre jetzige stelle geriet: abgesehen davon,
dass es, wie Bugge (Edda s. 166) mit recht hervorhebt, ein recht
müfsiges sagenmotiv wäre, wenn Alvitr blofs noch einmal erschiene,
um diese rede zu halten, und dann gleich wider entschwände,
legt man aber nach ßugges einlAichtender ergänzung die v. 16
der königin in den mund, dann schwebt die v. 15 erst recht
in der luft: denn, vom dichter gesprochen, würde die walküren-
genealogie dort den Zusammenhang in der sinnlosesten weise
unterbrechen , dass aber Wieland am schluss einer offenbar doch
erregten Verteidigungsrede gegenüber dem könige diese trockene
notiz sollte angefügt haben, ist, wie schon von anderer seite her-
vorgehoben (Germ. 17, 2), eine bare Unmöglichkeit.
Nach dem gesagten gehört die v. 15 nicht ursprünglich zum
liede. sie könnte aus einem anderen gedichle genealogischen
inhalts stammen; wahrscheinlicher indessen ist, dass sie jemand
26 VOLUNDARKVlt»A
anhängte, der die pirün mit einer gleichnamigen tochter Kjärs
(vgl. Atlakv. 7) verwechselte, um ausdrücklich hervorzuheben, dass
sie keine Schwester der beiden übrigen sein könne, dass er
diese dann zu löchtern Hlo|)v6s, des auch sonst in der Edda
wolbekannten fränkischen königs, machte, offenbar im hinblick
auf das smman, Myrkvip igegnom und dröser suprenar der ein-
leituugsslrophe, ist nur natürlich (vgl. Gul^rkv. ii 25. MüUenhoff
Zs. 23, 167): schon die allilteration der beiden namen Hlapgußr
und Hervor zeigt aber die bewuste erfindung. nach tilgung der
Strophe, deren einschub mit ein grund für den Wegfall der von
Bugge nach v. 30 glücklich wider ergänzten worte in der hs.
gewesen sein mag, schliefsen sich v. 14 und 16 passend an
einander.
Nur unter dieser Voraussetzung erklärt es sich genügend,
warum nur zwei der walküren doppelnamen führen , die dritte,
Olrün, aber durchweg denselben namen trägt, dass aber die ein-
leitende prosa svanhvit und alvitr den beiden anderen namen
anfänglich als epitheta ornanlia beigesellt, während sie später
dieselben wie im gedieht als nomina propria gebraucht, nicht,
wie Grundtvig (Edda s. 215 f) annimmt, in folge eines misver-
ständnisses, sondern weil sie auf diese weise den Widerspruch im
liede beseitigen wollte.
Eine ähnliche vermittelung sucht nun im liede selbst offenbar
die v. 10, welche die geliebte Wielands zwar mit dem richtigen
namen Alvitr nennt, aber, um ihre Identität mit der v. 15 er-
wähnten Hervor festzustellen, sie gleichfalls als Hlot)v6s tochter
aufführt, man muss dann freilich annehmen, dass auch diese
Strophe, weil sie die interpolation voraussetzt, nicht ursprüng-
lich zum liede gehört, und in der tat führt eine andere erwägung
dazu, dass sie als schluss eines gröfseren einschubes anzusehen
ist, der die v. 6 — 10 umfasst.
Jene Strophen sind es nämlich, welche die rätselhafte episode
von den 700 ringen enthalten, die den kritikern von jeher anstofs
erregt hat. sie ist zuletzt eingehend von Detter (Arkiv for nord.
fil. ni 309 — 319) untersucht, und in dem 6inen puncte ist ihm
unzweifelhaft beizustimmen, dass, wenn die VolundarkviJ)a in der
uns vorliegenden gestalt aus dem geiste 6ines dichters heraus
gedichtet wäre, dieser bei der erzählung von der wegnähme des
6inen ringes, bevor die übrigen geraubt werden, nur die absieht
VOLUNDARKVI^A 27
gehabt haben kann, einen act teuflischster bosheit des köuigs dar-
zustellen: denn nur dann ist es verständlich, warum Nil^ujir bei
seiner unersättlichen habsucht nicht gleich sämmtliche ringe weg-
nehmen lässt (aao, s, 313). nun kann mau weder behaupten,
dass ein lürst, der aus reiner bosheit einen mann, der ihm nichts
zu leide getan, auf die niederträchtigste weise quält, ein sehr
glückliches sagenraotiv wäre, noch dass durch die ganze episode
der gang der handlung irgendwie gefördert wird, vor allem
ist es aber ganz unmöglich, dass unter den ringen schwanringe,
dh. ringe welche die flugkraft verleihen, sollten verstanden sein.
Nach der idee des dichters nämlich haben die walküren ent-
gegen dem beliebt der einleitenden prosa (vdru hjd ßeim älptar-
hamir peirra) keinerlei schwanhemden , da derselben weder bei
ihrer ankunft noch bei ihrer entweichung erwähnuug gelan
wird (s. 318). es bleiben also nur zwei möglichkeiten. entweder
die mädchen haben, als sie ankamen, ohne weitere hilfsmitlel
ihre vvalkürennatur abgelegt und ebenso widergewonnen oder
sie haben schwanriuge besessen, in beiden fällen ist es ganz
unverständlich, weshalb Wieland noch eine solche zahl schwan-
ringe für die Alvilr verfertigt, da sie dieselben doch gar nicht
nötig hat. dazu kommt, dass die in v. 10 vermutete rückkehr
derselben ganz unbegreiflich ist. selbst zugegeben, dass Sehnsucht
das motiv ihres widererscheinens war — denn sie wüste doch
nicht, dass Wieland für sie ringe fertigte (Detter aao. s. 313) — ,
so ist nicht abzusehen , warum sie gerade mit dem einen ringe
verschwindet, da sie einen schwanring gar nicht brauchte, wenn
sie ihn aber etwa aus habsucht genommen hätte, doch schwer-
lich ohne die übrigen 699 entflogen wäre, noch unwahrschein-
licher ist es, dass der ring dem gelähmten Wieland zur freiheit
verhilft (aao. s. 3151). da Wieland jeder zeit in der läge ist,
schwanringe zu verfertigen und mit ihrer hilfe zu entfliegen (v. 5),
so kann die bedeutung des von Bo})vildr zerbrochenen ringes
nur die sein, dass er dem Wieland gelegeuheit gibt, die königs-
tochter in seine gewalt zu bringen, sein warten auf dem holm
hat nur den zweck , den zweiten grässlichen racheact zu verüben.
Sieht man von den genannten vv. 6 — 10 ab, so verschwinden
alle Widersprüche, und zugleich wird klar, wie jemand dazu
kommen konnte, die seltsame episode zu ersinnen, dann ist
nämlich baugr einfach ein besonders kostbarer ring, den ent-
28 VOLUNDARKVlfA
weder Volundr der geliebten bei ihrer Vermählung gab oder auch
uingekehrl von dieser als verlobungsring empfieng — beides kann
Bopvildar bangr (v. 17) bedeuten, der interpolator aber, welchem
der Zusatz entstammt, hat anstofs daran genommen, dass in
V. 17 und 26 fr nur von 6inem ringe die rede ist, während in
V. 18 V)lundr klagt: 'nun trägt Bp|)vildr meiner gemahlin rote
ringe'; er wollte den einen ring auch schon im ersten teile ge-
bürend hervorheben und liefs ihn daher vor allen übrigen rauben,
dass indes der Widerspruch, welchen er zu beseitigen strebte,
nur ein scheinbarer ist, hat Bugge (Edda s. 166. 249 f) über-
zeugend erwiesen.
Die genannten visur erwecken nun auch sonst bedenken,
nicht weniger als 4 mal innerhalb 7 Strophen würde sich, wären
sie echt, der anfang sat widerholen (v. 5. 6. 10. 11). v. 6, 3 f
würde sich nach v. 5, 1 f sehr schwerfällig machen, v. 9 ist un-
vollständig überliefert, v. 8, 5 f widerholt und erweitert die v. 4, 1 f,
V. 7, 3 f ist nach v. 16, 1 f. 30, 1 f gebildet: der zweite helmingr
von V. 6 aber kennzeichnet sich schon durch sein singuläres
versmafs (nöttom föro segger, negldar vöro brynjor, skilder bliko
peirra vip enn skarpa mdna) als nicht hierher gehörig, bemerkens-
wert ist aufserdem, dass Wieland zwar auch elbenfürst heifst, aber
nicht mit der im Hede sonst üblichen epischen bezeichnung: vise
älfa (v. 13. 32), sondern dlfa Ijöpe (v. 10). einiger mafsen eigen-
tümlich ist es auch, dass des königs mannen zur mchizeh (nöt-
tom v. 6) kommen, wo sie doch gewärtigen musten, Wieland zu
treffen, was das erste mal nicht ihre absieht sein konnte (vgl.
s. 27).
Ich glaube daher, dass der einschub mit den wol ursprüng-
lich einfach prosaischen vvorten : pat spyrr Nipupr usw., die der
V. 5 entlehnt sind , beginnt und mit der schon s. 26 ausgeschie-
denen v. 10 endigt: denn v. 11 nimmt im eingang das etm einn
Volundr sat i Ülfdolom der v. 5 wider auf und schliefst sich
durchaus passend an dieselbe an. die Interpolation aber würkte
auf die letzte langzeile der v. 5 zerstörend ein. dass die sie jetzt
vertretenden beiden langzeilen (7 — 10) ein ganz elendes machwerk
sind, ist längst erkannt (Germ. 17,4): schon dass sie in einander
übergreifen, ist bedenklich, und das stümperhafte ef hönom koma
gerpe hat v. 10,8 v^re hon aptr kamen offenbar verschuldet.
Im übrigen ist der einschub vermutlich in der jetzigen reihen-
VpLUNDARKVlfA 29
folge geschehen ; nur v. 9, welche ein sonst ganz gemütliches genre-
biidchen entrollt, ist wol durch 'das berfjaH' (v, 10, 1) erst ver-
anlasst, die neigung zu Wortspielen, die wir im echten bestände
des liedes finden werden, ist aber nachahmungsweise in törichte
Spielerei ausgeartet (vgl. v, 8, 1 — 4).
Nach tilguug der erwähnten Zusätze macht nun das lied den
eindruck eines zum mindesten einheitlich redigierten ganzen,
und den überlieferten text als zusammenhangslose fragmeute älterer
lieder aufzufassen liegt kein grund vor (Germ. 17, 1). die ver-
bindende prosa vor v. 17 und 18 ersetzt nur scheinbare lücken
in der handln ng. die wegnähme des Schwertes und des ringes,
die durchschneidung der fufssehnen, endlich die gefangensetzung
auf SevarsloJ) sind durch die beiden Strophen 17 und 18 im munde
der königin und Wielands genügend, und zwar ergreifender und
würksamer geschildert, als es einfache erzählung tun könnte,
ebenso ist , dass Bojjvildr reuig vor ihren vater getreten sei , ge-
nugsam aus dessen befehl (v. 39) zu schliefsen, und die Grundt-
vigsche ergänzung dort nicht am plalze (s. 218).
Für die autorschaft 6ines dichters spricht aufserdem die im
ganzen liede einheitliche form des metrums und des Stiles.
Das lied ist in einer altertümlichen form des kvijjuhättr ge-
dichtet und abgesehen von kleineren, meist schon erfolgten be-
richtigungen , welche fehlende oder überschüssige langzeilen be-
treffen i, finden sich nur drei unvollständige helmingar, nämlich
v. 19. 32. 38, und eine ganz überfüllte Strophe: die visa 33. nun
ist es gewis kein zufall, dass die der v. 19 voraufgehende visa ihren
zweiten helmingr ohne schaden für den Zusammenhang einbüfsen
könnte; die beiden Zeilen: sä er mer frdnn m'ker e. fjarre bo-
renn und sekkak pann Volunde tu smipjo borenn widerholen nur
' richtig getilgt sind von Grundtvig bereits: 3, 5f. 17, 5f. 18, 5 f. 29, 9f.
37, 7 f. dazu möchte ich in v. 4 z, 5 f streichen , die für den sinn völlig
entbehrlich sind, und v. 13, 1 f (vgl. v. 12. 17. 18. 22. 27. 31. 33. 37. 39. 41, wo
der sprechende überall zu erraten ist aus der Strophe selbst), v. 39, 3 — 6
sind (s. 0.) zusammenzuziehen in: biß fagrvarep vip fgJ)or r»pa; v. 5,
7 — 10 (vgl. s. 28) mit Grundtvig in beij) pajjan bjartrar brüpar kvdmo.
v. 16, 1 ist schon von Bugge (vgl. s. 26) richtig ergänzt, v. 26, 3f wird
etwa gelautet haben: Jjeim er Alvitr unga haffie. nimmt man mit Grimm
keinen ausfall an, so ist auch v. 2, 3f mit Grundtvig (s. 217) zu streichen,
dagegen ist als abschluss des ganzen das parallele pathetische zeilenpar
(7 ff) in V. 41 wol zu dulden.
30 VOLUNDARKVll'A
den gedanken der vier ersten Zeilen, und zwar können sie schon
wegen des doppelten boretm kaum je zusammengedichtet sein:
es werden einfach die Varianten einer und derselben erklärung
eines Schreibers sein , die dann übrigens zu jener eigentümlichen
Verderbnis in v. 19 führten, welche aufgedeckt zu haben Detters
verdienst ist (aao. s. 314). v. 18 und 19 sind daher zu schreiben:
Leikr Nipape sverp d linda
pat's ek hvesta sem hagast kutma:
nü berr Bppvüdr brnpar minnar
— bip ek pess bot — bauga raupa.
ebenso werden in v. 37 die überflüssigen Zeilen 5 f. 9 f zu tilgen
sein, zumal sie, wie Detter (aao. s. 319) bemerkte, ein motiv
andeuten, das ganz aus dem rahmen unserer erzählung fällt,
wodurch v. 38 entsprechend der ihr parallelen v. 29, 1 — 4 zweiter
helmingr (zu v. 37) wird, endlich dass die v, 33 erweitert ist,
hat bereits Hildebrand behauptet: die häufung paralleler Zeilen,
welche schon zu den s. 29 genannten Zusätzen führte, ist hier
ins übermafs gesteigert (vgl. z. 3 f und 5 f . 7 f und 9 f. 1 1 f und
13f): eipa skaltu mer äpr alla vinna, at pü kveljat kvdn Vo-
lundar wird der ursprüngliche bestand sein, der dann auch mit
V. 32 eine Strophe bildet.
Im Stil zeigen sich, abgesehen von bestimmten formelhaften
Wendungen, die durch das ganze lied widerkehren ', und der in
echt epischer weise zweimal ganz gleichartigen erzählung von
Wielands erster rachelat (v. 24, 1—25,8 und v. 34, 5 — 36, 5
vgl. auch 21, 1 — 4 und 23, 5—8), zwei gleichklänge, die, wenn
das lied nicht einheitlich wäre, sehr sonderbar erschienen, v. l,5f
heifst es von den walküren: p^r d s^'varstrond settosk at hvilask,
V. 30, 5 f vom befreiten Wieland : enn kann d salgarp settesk at
hvilask; v. 11, 3 f wird erzählt: (Volundr) vaknape vüjalaiiss,
in V. 31, 1 f sagt der könig' von sich: vake'k dvalt viljalauss
(vgl. Bugge s. 169). dem ganzen liede sind ferner merkwürdige
zum teil unerklärliche a/ra^ leyö/ASva eigen, so: gimfdstan
(R. 5, 4); lind bauga (R. 5, 6); besti byr sima (R. 12, 3); fen
fjotors (R. 24, 3; 34, 7); ivip gjarnra (R. 28, 8); fitjom (R. 29, 2).2
1 ^Ivär unga »rlpg drygja 1, 3 f. 3, 9 f ; Nipupr Niara dröttenn
13, 1. 30,7; liön inn um gekk endlangan sal 16, 3 f. 30, 3 f; visc älfa
13, 4. 32, 2; kunneg kvdn Nipapar 30, If. 16, 1 f, vgl. 25, 3 f. 35, 7 f; hle-
jande Volundr höfsk at lopte 29, 5 f. 38, 1 f.
2 über ogorstund und vita (v. 37. 41) vgl. Zs. 31, 250. 273.
VpLUNDARRVlH 31
auch barne auken in der bedeutung 'gravida' findet sich nur
hier und nauper in der bedeulung fjotrar nur noch einmal
(Sigrdr. 1). endlich ist durchweg eine neigung zu Wortspielen
und pointierten gegenüherstellungen unverkennbar, aufser dem
gegensalz, auf den schon Grimm wies, hle'jande-grdtaiide-ökdtr
(29. 38) beachte mau v. 31, 5 f : kell mik i hofop, kold ero mer
rdp pin. in bip ek pess bot (v. 19) liegt der doppelsinn: 'ich er-
lange dafür räche' (vgl. Grog. 4 und Fjolsvm. 48) und 'ich werde
seinen dh. des ringes schaden reparieren' (vgl. Egilsson 56) mit
anspielung auf belta (v. 27). die königin hatte, die Bojjvild er-
wähnend, gesagt: dmon ero augo orme peim enom frdna und
tenn hunum teygjask (v. 17): aus den 'äugen' und 'zahnen' der
knaben bestehen die für die königin und Bojjvild gefertigten ge-
schenke (v. 25). endlich, wenn durch fjqtorr, das sonst mit
ausnähme einer stelle (Sigrdr. 15) nur 'fessel' bedeutet, in
V. 24. 34 nach Egilssons erklärung ein teil des blasebalges be-
zeichnet wird, so enthält dieser ausdruck wider eine boshafte
anspielung auf v. 11. wie seine füfse mit dem fjotorr umgeben
gewesen (fjotor um spentaji), so lägen jetzt der knaben füfse unter
dem sumpf des fjotorr J
Endlich zeigt die erzählung nirgends Widersprüche, die an
der autorschaft 6ines dichters zweifei aufkommen lassen könnten.
Wieland mit seinen zwei brüdern gewinnen drei schwanen-
mädchen. acht jähre bleiben dieselben bei den männern, denen
sie sich verlobt haben, dann entfliegen sie.2 da kommen die
wetteräugigen schützen vom waidwerk. 3 Egell und Slagfipr ziehen
aus, um die geliebten zu finden, VVieland aber bleibt zurück in
'Wolfstalen', schmiedet nach seiner gewohnheit kostbare ringe,
' fen fjotors könnte auch appellativiscti einen grofsen sumpf bedeuten
(Fjotorfen wie Fjqtorlundr HHund. ii 30).
2 Grimm ergänzte bekanntlich vor v. 2 einen helmingr, welcher den raub
der schwanenhemden darstellte: dann gienge die vi'sa nur bis Ijosom und
der rest mit einer ebenfalls von Grimm ergänzten langzeile bildete v. 3.
Grundtvig dagegen hob mit recht hervor (s. 217), dass, wenn die wegnähme
der schwanenhemden geschildert wäre, auch die widergewinnung derselben
nicht hätte übergangen werden können: daher strich er (s. 29) einfach v. 2, 3f,
und ihm schliefse ich mich an: die art, wie die schwanenmädchen in die
gewalt der beiden kamen , konnte der dichter als bekannt voraussetzen
(Helr. Br. 6).
3 Kom par af veifje vepreygr skyte fasse ich collect! visch vgl.
gongom baug sjd (v. 23,4).
32 VOLUNDARKVIH
die er sorgPältig verwahrt', und harrt der widerkunft seioer
braut, so schläft er ein. erwacht fühlt er sich gefesselt^ und
wird von künig Nil)ul3r zur rede gestellt, dass er sein gold zuai
schmieden verwandt habe, trotz seiner Verteidigung wird er auf
anstiften der königin, nachdem ihm sein schwert und seine ringe,
deren kostbarsten des königs tochter erhält, genommen sind, auf
einem holm SevarstoJ) gefangen gesetzt, wo er für den könig
koslbarkeiten schmiedet, die beiden knaben des königs kommen
seine schätze zu sehen. VVieland fordert sie auf, am nächsten
tage wider zu kommen, indem er ihnen das gold verspricht, doch
niemand etwas davon zu sagen, während sie in die truhen
schauen , schneidet er ihnen das haupt ah. aus ihren hirnschalen,
äugen und zahnen verfertigt er nun kostbare geschenke für die
königsfamilie. inzwischen hat ßo|)vildr den ihr vom könig ge-
schenkten ring zerbrochen und bringt ihn Wieland zur reparatur.^
dieser listig verspricht ihn wider ganz zu machen, setzt der
königslochter hier vor und überwältigt die trunkene, die im sessel
einschläft, 'nun', ruft er frohlockend aus, 'habe ich geahndet
wol meine kränkungen alle aufser einer auf boshafte weise' 1* er
wird vermöge seiner elbischen Zauberkraft zum vogel.^ lachend
• vip gim. fastan= ad gemmam fixani. lukpe zu erklären: 'er reihte
sie am hast auf (Lüning 594) oder er 'schmiedete sie gut zusammen' (Egs.
s. 539) ist sehr künstlich, über Undbatiga siehe Bugge s. 164.
2 besli byr shna ist jedesfails verderbt und trotz allen erklärungs-
versuchen ein ungelöstes rätsei : es scheint aber wie lukpe schon vom inter-
polator misverstanden und veranlasste die Schilderung v. 7, 5 — 8.
^ dass die königslochter, ehe sie vater und mutter zu gestehen wagt,
dass sie den kostbaren ring zerbrochen, den einzigen, der in der sache com-
petent ist, bittet, ihn wider zu reparieren, ist doch nur natürlich, und der
dichter braucht dem ringe aufser seiner koslbarkeit keine andere bedeutung
beigemessen zu haben, dass er die kraft besessen haben soll , schätze zu
erzeugen , ist eine einfache erfindung (Germ. 14, 295).
* der Überlieferle gen. pl. ivi^gjarnra , welcher mit einna verbunden
werden müste, gibt keinen sinn, da ivipgjarnr 'auf bosheit sinnend' doch
nicht vom hamii' gesagt werden kann, aufserdem dem allra harma (z. 6f)
gegenüber in z. 7 nur eine kränkung erwartet wird, ich vermute daher,
dass etwa zu schreiben ist: nü liefe ek hefnt harma minna 7iema eins
allra ivipgjarnla (für wipgjaimliga vgl. prägjarnliga Gujjrkv. ii 17. 31):
der lückische elbe freut sich seiner eigenen bosheit.
5 verfta d fitj'om ist nag' vnöpoiay (vgl. Zs. 31, 278) gesagt für verpa
(i fölom = komask d fdtr (Egs. 173), und dem entsprechend heifst ^em
7mk iMiPaßar ndmo rekkar (die füfse,) welche [dh. deren gebrauch] mir
Nitut)rs mannen raubten: die Schwimmhäute (filj'ar) deuten die sich voll-
VOLUNDARKVlI^A 33
erhebt er sich iu die luit; vveiuenil verlässt die küuigstochter die
insel. er fliegt auf des saales sims , um sich vom könig höhnisch
zu verabschieden, dieser, von der köaigiu geweckt, macht ihr vor-
würfe wegen ihrer bösen rate und wünscht mit VViehind zu
sprechen. der elbe verlangt erst einen eid , dass der könig
seine buhlerin, die er spottend sein weih nennt (v. 33), nicht
löten wolle, dann verkündet er ihm, was er getan, 'nie wünscht
ich dich , Wieland , härter zu strafen' (v. 37 vgl. s. 30) ruft der
könig in unnennbarem schmerz. dieser aber entfliegt, der
könig lässt Bolivild vor sich kommen, welche ihre schmach ge-
steht: 'ich konnte ihm nicht widerstehen, ich vermochte ihm
nicht zu widerstehen.' mit dieser rührenden klage schliefst das
lied stimmungsvoll ab.
Wir haben nach dem gesagten die Vplundarkvijja als ein
vollständig erhaltenes gedieht zu betrachten: dass sie aber von
keinem unbedeutenden dichter heirührt, ist schon aus unserer
bisherigen betrachtung klar, mit recht hat man sie sowol wegen
des schlichten epischen Stiles (Jessen Zs, f. d. phil. m 44) als
der freien metrischen form, die zur einflechtung jener eigen-
tümlichen sechssilbler (s. 28) führte (Hoö'ory GGA 1885 s. 32,
1888 s. 160), als eins der ältesten heder, vielleicht das älteste
der ganzen Sammlung erklärt.
Trotzdem nimmt Vigfüsson (Corp. poet. bor. s. xxvii) an,
ziehende verwandelung Wielands zum schwan an. schwieriger sind die
Worte vel ek in z. 1, die natürlich nicht enge, eugepae (Gr. iv 763) bedeuten
können, mit leichter änderung könnte man vel oder velo kvap Folundr
lesen : 'durch trug möge ich werden' usw. der dat. sing, stände dann ad-
verbial wie sonst vip velar (ähnlich der blofse daliv magni (vi) für afmagni
Egilss. 542). zu der Streichung des ek vgl. 31,2, wo cod. R vilja ek laus
überliefert, aber wol sicher mit RKeyser viljalauss zu schreiben ist (s. 30).
unsere erklärung: 'durch kunst oder list möge ich zum vogel werden' ent-
spricht aber völlig dem Zusammenhang: dass nämlich lediglich die ethische
Zauberkraft Wielands seine verwandelung bewürkt, und dass keineswegs,
wie Lüning (s. 303) annimmt, der dichter der Verfertigung der flöget als
eines allbekannten umstandes blofs keine erwähnuog getan habe, ist nicht
ZU bezweifeln: die erzählung von der Verfertigung des federhemdes (f'ijjrekss.
c. 77) verrät schon ebenso wie eine westfälische sage (Kuhn nr 57), wie
Bugge mit recht annimmt (Stud. 1, 23) griechischen einfluss, und es ist nicht
zulässig, daraus auf eine Verwandtschaft des Wieland mitDaidalos zu schliefsen
(Kuhn Zs. f. Vgl. sprachf. 4, 95). in dem niedersächsischen liede (vgl. s. 37)
könnte dann ve/-^e7mi noch ein Wortspiel abgegeben haben nach analogie
der s. 31 genannten.
Z. F. D. A. XXXllI. N. F. XXI. 3
34 VOLUNDARRVlfA
c
dass es ein von einem liebhaber der balladenpoesie überarbeitetes
älteres gedieht sei, und Jessen glaubt ebenfalls den ton eines
älteren liedes durch das überlieferte gedieht hindurchklingen zu
hören (aao. s. 44): dass, wie er hervorhebt, zb. v. 1 an poeti-
scher Schönheit die folgenden überragt, wird man ihm auch gewis
zugestehen müssen, würde sich bestätigen, dass der dichter unserer
VolundarkviJ)a älteres poetisches material verwertete und sei es eins
sei es mehrere antike lieder benutzte, dann würde aber seine
kunst ebenso zu bewundern sein wie die der dichter der Skiruisfor
(Zs. 30, 149fT) und des Härbarl)sliedes (Zs. 31, 238 ff), die eben-
falls aus alten liedern neue kunstwerke formten, die frage, ob
ältere lieder verwendet sind, könnte daher, wenn sie zugegeben
wird, noch licht über die 'erfindungsgabe' und 'technik' des
dichlers verbreiten, sie kann aber lediglich aus der methodischen
prüfung der übrigen Versionen der sage beantwortet werden.
Nun haben bekanntlich Rieger (Germ. 3, 176) und nach ihm
KMeyer (Germ. 14, 295) die identität des *wetteräugigen schützen'
(v. 4) und des 'elbenfürsten' (v. 13) auf das entschiedenste geläugnet
und gemeint dass nur eine zufällige namensgleichheit der beiden
Vplundr zur Verknüpfung zweier ganz verschiedener sagen geführt
habe, dagegen ist von vorn herein zu bemerken, dass in v. 17 auch
der elbenfürst — denn nur dieser kann in der Bojjvildepisode ge-
meint sein — mit einem attribut, das sonst dem jungen beiden
eignet und an dem dieser in der Verkleidung erkannt wird, ausge-
stattet ist (vgl. v. 17, 1 f mit Rigs|j.34: olol vno augo sem yrnilinge
und HHund u 2. 4). es wäre ferner sehr merkwürdig, worüber
Rieger und Meyer leicht hinweggehen, dass beide sagen zufällig
auch einen zweiten beiden gleichen namens, nämlich Egell, den ge-
mahl derOlrün, müsten besessen haben, da dieser in unserem liede
nur während der schwaneuepisode, in der Pijjrekssaga aber, die
von dieser nichts weifs, an Niduiigs hofe vorkommt (c. 75 fl). aufser-
dem könnte die Verknüpfung beider sagen schwerlich, wie sie be-
haupten, erst im norden erfolgt sein, das deutsche lied (Hagens
Germ. 7, 96 ff), welches dem eingange der V()lundarkvi}}a ent-
spricht, muss sie gekannt haben: denn dass der name Wialant
zweimal unabhängig in Volimdr sollte gewandelt sein, ist nicht
glaubhaft, zumal nur bei dem elbeukönig die volkselymologische
anlehnung an volr (got. valus, vgl. volva) erklärlich wäre, hierzu
kommt, dass dem deutschen gedichte auch die Bopvildepisode
VpLUNDARRVlfȀ 35
nicht ganz unbekannt gewesen sein kann; denn auch dort hat Wie-
land aufser seiner ehe mit der der Alvitr entsprechenden Angel-
burg (aao. s. 105) ein kebsenverhältnis mit der zvvergenkönigin
Jerome, dem eine tochter entspross, und der aufenthalt bei dieser
in einem berge (s. 98) erinnert doch deutlich an des elben Wie-
land aufenthalt bei den zwergen im berge Kallova (I*i|)rekss.
c. 58 — 61). auch dass endlich Egell, eine im norden populäre
sagenfigur, beiden sagen gemeinsam gewesen, und der name
Vplundr in der schwanenepisode einen älteren namen verdrängt
habe, worauf die lesart des cod. Reg. in v. 2 zu deuten scheint*,
ist unmöglich , da der held im deutschen Hede (s. 99) zweimal
ausdrücklich Wielant heifst. und ganz hinfällig ist das ethische
bedenken, das Meyer aao. geltend macht, dass nämlich derselbe
held, der v. 5 so sehnsüchtig nach der Alvitr schmachtet, in
V, 28 nicht sollte einem anderen weihe nachstellen können, es
überträgt eine moderne anschauung in eine zeit, der dieselbe
völlig fremd war. Wieland macht lediglich aus räche die Bo|)vild
zu se\ücr fr ipla und nennt sie v. 33 höhnend sein weib (s. 33);
die kebsung der königstochter könnte aber in den äugen der
Alvitr ihrem glauben an Wielands liebe gewis keinen abbruch tun.
so weit sich KMeyer endlich auf die ringepisode stützt (s. 286 f),
sind seine bedenken schon durch das s. 26 ff gesagte widerlegt.
Die möglichkeit, dass zwei auch dem beiden nach ver-
schiedene lieder in unserem gedichte verquickt seien, ist dem-
nach ausgeschlossen: der Wielaud Alvitrs und Bojjvildrs ist die-
selbe person.
Es ist nun zu bedauern, dass das älteste und beste zeugnis
der Wielandssage zugleich das kürzeste ist, nämlich die aus Eng-
land, wo der kunstfertige schmied im volksgesang überhaupt
noch eine rolle spielt (Beöv. 455. Grein i 254. ii 306 f), stam-
mende klage des Sängers Deör (Grein i 249 f). der dichter er-
wähnte natürlich nur, was ihm für seine betrachtung Verwertung
bot, und dem lyrischen character gemäfs fehlt jede detailerzählung.
so viel aber lässt sich mit sicherheil behaupten, dass er von der
Schwanepisode schwerlich etwas gewust hat, denn die Schilderung
des von der geliebten verlassenen tief trauernden beiden halte er
' in V. 2 heifst es: Alvitr herzte den weifsen hals des '^Onondi'. der
name ist auch sonst im norden wolbekaniit, und es würde dann auch wie
Egell-Olrün, SlagfiJ)r-Svanhvit das dritte par Onondr-Alvitr allitterieren.
3*
36 VOLüNDARKVlH
c
sich kaum entgehen lassen, dass er sie aber nicht erwähnt, ist
ganz sicher, denn selbst wenn man die handschriftlich un-
zweifelhaft verderbte lesart bewurmmi mit Grein in be winiman
für wifman (mulieris causa) emendierl', so könnte doch auf das
walkürenabenteuer nicht angespielt sein, da es in z. 1 ausdrück-
lich heifst, Wielaud habe 'verbannung' erduldet. dieses exil
aber muss, wie die widerholuug (z. 4) zeigt, auf die episode an
Nil^ujjrs hofe bezogen werden.
Man wäre versucht, unter der 'winterkalteu verbannung'
Wielands die gefangeusetzung auf dem holm Se'varstoJ) zu ver-
stehen.^ indes abgesehen davon, dass für seinen aufenlhalt auf
der insel , wo ihn der könig und die königskinder besuchen,
wräc immerhin ein eigentümlicher ausdruck wäre, so sprechen
die übrigen Zeugnisse dafür, dass in der tat der gefangennähme
Wielands eine verbannung voraufgegangen sei. die I*iJ)rekssaga
(c. 70) erzählt nämlich, dass der held, weil er den truchsess des
königs erschlagen, in die verbannung habe gehen müssen, aus
der er sich dann wider als steikari verkleidet an den hof des
königs geschlichen, und auch in der verworrenen erzählung aus
dem anhange zum Deutschen heldenbuche, wo berichtet wird,
er wäre von zwei riesen vertrieben, die ihm sein land abge-
nommen , ist die Vorstellung der landesQüchligkeit Wielands un-
verkennbar; die 'verbannung' ist also der Bopvildepisode ursprüng-
lich eigen.
Aufser diesem einen zuge, den das ags. lied allein bewahrt,
stimmt dasselbe mit dem nordischen in allen puncten überein :
die fesselung und lähmung Wielands, seine gefangensetzung, die
tötung der knaben und die Überwältigung der Beadohild-BoJ)vildr
sind daher unzweifelhaft alte bestandteile der sage, zumal sie
sich auch in der jüngeren Pil)rekssaga (c. 72 ff) finden, aber die
Übereinstimmung der beiden ältesten quellen erstreckt sich nicht
blofs auf die latsachen, sondern zum teil auch auf die worte,
sodass FMagnüsson schon mit vollem rechte eine nahe beziehung
beider lieder vermutete (Lex. mylh. 855).3 nun ist eine be-
* Jacob Grimm besserte: be wyrmum (apud vermes); auch be wylfum
(apud lupas) vgl. Vlfdaler wäre denkbar.
^ hüfde Mm to gesiiite sorge and longat, wintercealde wräce, silt-
ä'an Mne Niihäd on nede legde swoticre seonobende , on syllan mon.
3 vgl.Deör: (Beadohild) edcen was und Volkv. 36: barne auken (an.
Xty. vgl. s. 31); Deor: siä^fan hineMdhdd on nede legde und Volkv. 11:
VOLÜINDARKVI^A 37
uulzung der voiiiegendeu VolundarkviJ)a durch das ags. lied wegen
dessen höheren alters ausgeschlossen, die Verwertung eines älteren
nordischen liedes durch dasselbe ist aber wegen der namensform
Weland, welciie auf deutsche quellen zurückweist (Grimm HS^ 21),
sehr unwahrscheinlich, der nordische dichter aber hat schwer-
lich fiJr seine erzählung den kurzen lyrischen erguss des Angel-
sachsen, der jeder detailschilderung ermangelt (vgl. s. 35), zur
Voraussetzung, so bleibt nur die möglichkeil, dass beide gedichte
auf ein älteres deutsches lied zurückgehen: die Volundarkvi|)a in
ihrer jetzigen einheitlichen Ibrm (s. 33) aber gewis nicht un-
mittelbar, da sie in einem hauptpuncte differiert (vgl. s. 36). der
dichter muss also ein älteres lied benutzt haben, welches wie
das ags. von der Verbannung erzählte' und wie dieses direct auf
das deutsche lied zurückgieng.
Dass nun dieses nur ein niedersächsisches gewesen sein
kann, ist schon wegen der namensform Weland klar: auf das-
selbe weist indirect auch zurück der bericht der Piprekssaga,
der nach mündlichen erzählungen niedersächsischer männer, sei
es, wie die sage angibt, in Westfalen, sei es, wie man neuer-
dings annimmt, im norden aufgezeichnet ist. vergleicht man nun
diesen mit der erzählung der beiden älteren quellen, so zeigt
sich sofort, wie wenig verlässlich die angaben dieser jüngeren
Version der sage sind, der umstand, dass Wieland nicht gleich
zur tötung der knaben schreitet (vgl. s. 32), wird auf eine sehr
künstliche weise motiviert (c. 79), zur erklärung von Wielands
flucht wird die abenteuerliche erzählung von der Verfertigung der
flügel und ihrer probe durch seinen jungen bruder Egell er-
sonnen (vgl. s. 33), welche dann weiter die eingestandener mafsen
hier völlig unsinnige einflechlung der geschichte vom Tellschüsse
(c. 75 — 77 vgl. KMeyer aao. s. 297) zur folge hatte, endlich die
den beiden allen berichten gemeinsame Vorstellung von BoJ)vildrs
lief tragischer schuld und bekümmernis ist einer euhemeristischen
auffassuug gewichen, indem beide noch einmal zusammentreffen,
risse ser d hondom hofgar nauper (du Xty. vgl. s. 31). entsprechend dem
schluss der Volundarkvil)a (s. 33) heifst es bei Deör: ce/re ne meahte priste
gepencan, hü ymb pät sceolde
' dass das schwanenmädchenabenteuer, welches acht jähre währte,
in die zeil von Wielands Verbannung etwa gefallen wäre, ist doch sehr
unwahrscheinlich, hätte auch ein vernünftig erzählender dichter sagen
38 VOLUINDAHKVIPa
sich ihre gegenseitige liebe erklären und sich später sogar heiraten
(c. 76. 79 ff).
Da wir nun in dieser partie, der einzigen, wo wir die I*i-
{)rekssaga durch die beiden alten berichte sicher controlieren
können, sehen, dass der sagaschreiber seiner neigung zu roman-
hafter ausschmückung den freiesten Spielraum lässt, aufserdem
ohne bedenken fremde sagen, wie die Teilepisode, hineinflicht,
so dürfen wir dies auch im übrigen verlauf seiner erzählung
voraussetzen , und nicht am wenigsten bei der sonderbaren moti-
vierung von Wielands Verbannung (s. 36).
Mit recht betonte schon RMeyer (s. 295) die Ungereimtheit,
dass Wieland wegen eines totschlages (c. 70) verbannt wird , und
wegen eines geringen unfugs später die genannte grässliche
strafe erhält, der gegen die königstochter verübte frevel muss
jedesfalls ursprünglich eine ganz besondere bedeutung gehabt
haben, und wenn eine Variante der sage angibt, dass Wieland
ein liebesreizmittel in die speise der königstochter geworfen habe,
so kann man wol nicht mehr daran zweifeln, dass dieser in
einer nachstellung der königstochter bestanden habe, und eben
dies wird auch der grund von Wielands Verbannung gewesen,
die sich auch sonst in sagen Qndende erzählung von einem
neidischen truchsessen aber von anderwärts hier ebenso wie die
Tellepisode eingeflochten sein, dass es Wieland auf BoJ)vildr ab-
gesehen hat, deutet schon das versprechen des königs an, dem,
der ihm den siegstein verschafft, seine tochter zur gemahlin zu
geben: der zweite grässliche racheact (s. 32) gewinnt aber da-
durch an bedeutung.
Nun bestätigt sich auch im ags. liede auf das schönste jene
Greinsche conjectur, wonach Wieland 'um eines weibes willen'
Verbannung erlitten haben soll (vgl. s. 36). auch dass er auf
dem holm 'sorge und sehnsucJit empfunden', was auf die Alvitr
nicht gehen kann (s. 35), wird jetzt im hinblick auf sein ver-
langen nach Bp|)vildr gedeutet werden können, und, wenn nicht
alles trügt, so zeigt auch das altnordische lied wenigstens noch
eine spur, dass es in dem Hede, welches es verwertete (s. 37),
die Verbannungsepisode vorfand, die worte der königin nämlich:
era sä nü hyrr er ör holte ferr (mhd. er enist geMure der nz
dem holze vert), welche in dem jetzigen liede (v. 16) wol pas-
send sind , mögen doch ehemals eine andere bedeutung gehabt
VOLÜNDARKVll>A 39
c
haben, nämlich: 'er ist nicht geheuer, ihm ist nicht zu trauen,
der aus der Verbannung zurückkommt.'"
Ob die beschaffung des siegsteines durch Velint auf alter
sage beruht, ist hier zunächst gleichgiltig. das alte nieder-
sächsische lied (s. 37), auf welches der ganze zweite teil der
Pifjrekssaga , wie wir sahen, zurückweist, brauchte als einleitung
für die Wieland -BoJ)vildepisode nur die notiz (c. 68), dass Wie-
land, der berühmteste schmied seiner zeit, als günslling an
Nidungs hofe gelebt habe. 2
Dass nun das Verhältnis Wielands zur königstochter das
eigentliche motiv zur mishandlung und räche desselben einst
gewesen (vgl. s. 38), ergibt sich klar aus einer anderen bei Saxo
bewahrten aulzeichnung, welche ziemlich alle Züge der jüngeren
Version der sage enthält (Müller s. 126 — 128). die sage ist frei-
' der grund für die Verwendung von holt in diesem sinne statt des
gewöhnlichen skögr ist das bedürfnis nach einem mit hyrr aiiitterierenden
Worte: man vgl. Volospo R 54, wo Idte aus demselben gründe für das
sonst übliche löge (flamme) sieht, an absichtliche änigmatik des ausdrucks
mit bezug auf o/v/je /»emi enom fräna (v. 17) zu denken — holtskriße ist
heiti für serpens (Vigf, 278'>) — ist bei dem aller skaldischen manier ab-
holden Stile unseres liedes (s. 33) nicht wol zulässig.
* der ganze erste teil der Wielandepisode in der n])rekssaga ist daher
für uns belanglos, er verfolgt nur den zweck, jene notiz (c. 68) möglichst
vielseitig zu illustrieren und zerfällt in drei hauptabschnitte. der erste
C.57 — 61 schildert, wie Wieland die schmiedekunst erlernte: sowol sein
der Sigfridsage nachgebildeter aufenthalt bei JVlime wie sein verweilen bei
den Zwergen im berge Kallova, auf den auch der verworrene bericht im
anhange zum Heldenbuche weist (vgl. s. 35), muss in einer zeit gedichtet
sein, wo man Wielands elbische natur, der die schmiedekunst eigentümlich
war, nicht mehr verstand, der zweite abschnitt erzählt Wielands ankunft
beim könige (c. 62) und ist ebenfalls nach fremdem vorbilde geschildert
(Rieger Germ. 3, 186). der dritte endlich zählt Wielands grofstateu auf.
hier verrät die schmiedung des auch sonst oft erwähnten Schwertes Mimung
(HS^ 278) wider einfluss der Nibelungensage (vgl. Sig. ii 14). sicher später
sind ferner die episoden von Regln (c. 65 vgl. KMeyer aao. s. 296) und der
messerverfertigung (wol nach c. 71). der älteste bestand dieses abschnittes
scheint die Amiliasepisode c. 64 — 68. sie könnte auf einem eigenen liede
beruhen. Amilias von der wurzel am, die in altn. ami und dem eigennamen
Embla begegnet, hiefse der 'rührige'. Wieland und Amilias sind aber wol
ursprünglich dieselbe person und ihr Wettstreit nur der mythische ausdruck
des alten gedankens, dass Wieland in einigen seiner werke 'sich selbst
übertrofFen habe' (vgl. EHMeyer Anz. xiii 30; auch in schwedischen berichten
ist Smitta (Smettc) bald der name für Wieland, bald für den dem Amilias
entsprechenden rivalen; Hylten-Cavallius Sagan om Didr.af Bern s.xwi.xxxiv).
40 volundarrviPa
lieh dort vod Othinus und Rinda, der tochter des Rulheneuköüigs,
erzählt, da wir aus den nordischen mylhen über den 0|)enn-
Rindrmylhus nur sehr dürftig unterrichtet sind, so wissen wir
nicht, ob wir hier nur eine andere form des Wielaudmylhus
haben oder eine Verschmelzung mit einem von PEMüller etwas
eigentümlich gedeuteten naturmythus.i
Saxo erzählt: 'Othinus aus liebe zur Rinda tut kriegsdienste
für den könig. er siegt und wird freundlich von ihm aufge-
nommen, er sieht auch das mädchen, aber dum a puella oscu-
lum peteret, alapam recepü (s. 127). er kommt nun verkleidet
zum zweiten mal fabrilhimque renim officio callere perhibuit. er
bietet dem mädchen armillam annulosque complures, erhält aber,
als er sie küssen will, wider eine ohrfeige (colaphum). er er-
scheint nun widerum als miles, wird aber, als er ihr zu nahen
wagt , von ihr so gestofsen , nt mentiim terrae nutabundus impin-
geret, diesmal aber macht er sie cortice carminibus adnotato con-
tingens zur rasenden, endlich das vierte mal kommt er als weih
und wird ihrem gefolge beigegeben, die königstochter wird
krank, und er verordnet ihr einen trank, er verlangt, dass sie
gefesselt werde, und überwältigt sie dann.'
Aus dem drastischen tone der ganzen erzählung sieht man
zunächst, dass das hed , welches Saxos prosa zu gründe liegt,
zu jener auch aus der Edda wolbekannten gattung von gedichten
gehört, in denen des höchsten gottes liebeshändel persiffliert
wurden, abgesehen von den damit zusammenhängenden scurrilen
Zügen und der wol der Übertragung auf den kriegsgott Openn
zu verdankenden erzählung von zweimaliger kriegsleistung, die
von PEMüller nicht sehr glücklich gedeutet wird, kehren die-
selben Züge wie sonst in der Wielandsage wider: die sieges-
hilfe (s. 38 f), die schmiedekunst (s. 39), die bezauberung der
königstochter^ (s. 38), endlich- die bewältigung derselben (s. 36).
ja auch die kostbarkeiten, welche Othinus der Rinda schmiedet,
entsprechen den brjöstkringlor und den rauper baugar der RoJ)-
vildr, und dort wie in der Volkv. 28 wird die königstochter nach
Verabreichung eines trankes entehrt.
' im dänischen voliisliede heifst Wieland Jf^erland und ß^livildr Buodell
(Giuiidlvig Daum, folkev. s. 68).
■^ seine Verkleidung ist mit der iu der ^it)rekssaga als steikari (s. 36)
zu vergleichen.
VpLÜNDARKVl^A 41
Die bedeutung des rioges, der in dem eddischeo liede (s. 27)
als Alvitrs ring, in der l*ij)rekssaga (c. 74) als ein sehr kost-
barer ring figuriert, wird nun aber doch erst recht ersichtlich.
es ist ein liebesring, der dieselben zwecke verfolgt, wie die
übrigen zaubermiltel (vgl. s. 38), nämlich die spröde widerstrebende
maid durch dämonische gewalt an sich zu fesseln, abgesehen
davon , dass hierdurch die angst vor vater und mutter noch be-
greiflicher wird (vgl. s. 32) — denn durch Vorzeigung des zer-
brochenen ringes würde sie ja ihr Verhältnis zu Wieland offen-
baren— , ist es jetzt erst recht verständlich, warum die köuigs-
lochler, obwol sie wissen muss, dass Wieland räche brütet,
unwiderstehlich zu dem todfeinde ihres vaters hingetrieben wird.
Andererseits wird durch die sage bei Saxo erwiesen, dass der
der Bopvildr gereichte trank, welcher dem beilager voraufgeht,
nicht vom dichter des Wielandsliedes erfunden, sondern ein alter
sagenzug ist, welcher wenigstens dem skandinavischen norden'
eigentümlich war, und in der tat wird der höhn Wielands um
so grässlicher, wenn er einen hochzeitsgebrauch hier auf das un-
freiwillige beilager Bo|)vildrs überträgt. -
Dass nun die allen Überlieferungen, welche die Bojjviklepisode
enthalten , fremde geschichle von Wielands abeuteuer mit den
schwanenmädchen ursprünglich in einem besonderen liede be-
sungen wurde und dass auf dieses der anfang unserer Volundar-
kvi})a mittelbar zurückweist (s. 37), ist jetzt nicht mehr zu be-
zweifeln,
* schon FiVlagnüsson (Lex. myth, 857) vermutete, dass der Fallevan
des schwed. Volksliedes mit Volundr identisch ist, und Grundtvig (Danm.
folkev, I 70) hat ihm hierin ohne stichhaltigen grnnd widersprochen, wenn
sich Vailevan dort für eine königstochter von England ausgibt und unter
weiblicher maske so die Jungfrau gewinnt, dann aber durch wein die königs-
tochter einschläfert und beschläft, so ist ein nachklang unserer sage unver-
kennbar, dazu kommt die ähnlichkeil der trankscene in diesem liede und
dem verwandten, in welchem Wieland als kränier erscheint, man vgl.
Volkv. 28 : bar kann hana björe at hön i sesse um sofnape und Geijer-
Afzelius II 174, 8: de drucko sä länge det klaraste vin at jungfrun uvi
somnade und ebenda i 93, 5: och jungfrun druck vijöd . . . tili dess att hon
somna.
- vgl. Gottfrid vStrafsburg 12644—12650: wan ez was in den zilen site,
daz man des älliche pßac, swer so bi einer megede lac U7id ir den bluomen
abe genam, daz eteswer mit wtne kam und He si trinken beide samet
an underscheide. man vgl. Geijer- Äfzelius ii 174, 7: Fallevan sade tili
tj'enaren sin: ni Itämten mig hit det klar aste vin.
42 VOLüNDARKVlI>A
Jenes im 14 jh, aufgezeichnete oberschwäbisch - bayrische
gedieht von Friedrich von Schwaben, dessen Zugehörigkeit zum
Sagenkreise des elben Wieland oben (s. 34 f) nachgewiesen
wurde, berichtet folgender mafsen: 'es waren drei brüder, des
Schwabenherzogs Heinrich söhne, der jüngste, Friedrich, vert
jagen ze holze (vgl. s. 38). er findet drei in hirsche verwandelte
Jungfrauen, verweilt bei ihnen, wird wegen eines wortbruches
an einem äuge geblendet^, erhält aber beim abschied von allen
dreien einen ring, er erlebt nun verschiedene abenteuer und
findet endlich bei einem brunnen drei als tauben erschienene
Jungfrauen, welche dort baden wollen, er raubt ihnen ihre ge-
wänder, liefert sie aber wider aus unter der bedingung, dass
eine derselben, Angelburg, seine gemahlin wird, ihre gefährtinnen
aber heiraten dann Friedrichs brüder.'
Wie im eddischen Hede ist W'ieland der jüngste der brüder:
sonst findet sich von übereinstimmenden zügen das 'ringgeschenk'
und die auch in der Vplundarkvij)a (s. 31) vorauszusetzende 'weg-
nähme der Schwanhemden', wie weit die Friedrich geschenkten
ringe mit den von Wieland (v. 5) geschmiedeten zusammen-
hängen, ist bei der dürftigen Überlieferung nicht zu entscheiden:
die überlistung der Jungfrauen aber durch kleiderraub ist ein
echt eibischer zug und wird auch in der Nibelungensage von Hogne,
dem elbensohne, berichtet (WGrimm HS'' 179). dem eddischen
Hede entgegengesetzt ist aber der jüngere brüder hier allein der
handelnde, und einem ersten zeitweisen zusammenleben mit den
mädchen folgt später eine dauernde Vereinigung: für jenen ersten
zug mag das bestreben des dichters mafsgebend gewesen sein,
seinen beiden Friedrich möglichst herauszustreichen , der zweite
ist vermutlich alt und ursprünglich, da sich in der tat kaum ein
anderer abschluss nach dem entfliegen der schwanenmädchen
denken lässt. jedesfalls wird auch in dem älteren eddischen
Hede (s. 41) Wieland wie seine brüder ausgezogen sein, um die
geliebte zu suchen und dem austr skreip Egell und supr Slagßpr
wird ein Volundr vestr um gekk einst entsprochen haben, da
nach den angaben des liedes (v. 1) der norden ausgeschlossen
war, so konnte nur der süden, Südosten und Südwesten in be-
tracht kommen , und Wieland wäre in die südwestlich von INieder-
• eine blendung Wielands findet sich auch in der von Meyer (Anz.
xm 30) citierlen sage aus dem Sachsenwald.
V0LUNDARKV1^A 43
Sachsen gelegene fränkische heimat der drei walkiiren (s. 26) ge-
langt und hätte auf diese weise ähnlich wie im deutschen Hede
auch seinen brüdern wider zu ihren gemahlinnen verhelfen.
Dass nun unser deutsches gedieht nicht unmittelbar aus ober-
deutscher Volksüberlieferung gedichtet ist, sondern ein älteres lied
zur Voraussetzung hat, das der dichter offenbar sehr flüchtig aus-
schrieb, dafür genügt wol die tatsache, dass, während der held des
liedes sonst Friedrich von Schwaben heifst, plötzlich derselbe ein-
mal erklärt (s. 99): ich pin gmant Wielant und gleich darauf der
dichter fortfährt : ich sage wie Wielant der man dem künege diende
triulich, es ist ferner überhaupt fraglich, ob die sage jemals in
Oberdeutschland heimisch gewesen,
Jedesfalls ist es sehr bedenklich, mit VVGrimm (HS' 288. 341)
aus dem schon (s. 36) genannten bericht im anhange zum Deutschen
heldenbuche auf ein verloren gegangenes lied zu schliefsen: die
riesen, welche Wieland sein land abnehmen, sowie sein aufent-
halt im berge zu Gloggensachsen deuten auf Wielands jugend-
abenleuer, wie es die Pijjrekssaga erzählt (s. 39). die übrigen
notizen aber sind sehr confuse. der köuig Ilertwich wird wol
auf einer Verwechselung mit dem im Biterolf (v. 125 — 181) neben
Wieland genannten schmiede Hertrich beruhen, die zwen süne,
welche Wieland mit seiner tochler zeugt, scheinen nur einer
zusammen werlung der geschichten von der 'knabentotung' und
'der Schändung Bödvildrs' ihren Ursprung zu danken. i
Auch im deutscheu volksepos wird W^ieland zwar genannt,
aber stets nur als vater Witeges'-' und ohne nähere characteristik.
ja die einzige stelle, welche eine solche versucht und sich dabei
als quelle auf ein buch beruft — also ebenfalls nicht direci aus
volksmäfsiger Überlieferung schöpft — (Biterolf v. 125 — 181), kennt
ihn keineswegs als den berühmtesten aller meister, sondern er-
klärt ausdrücklich, dass er mit den schmieden Mime und Hertrich
nicht welteifern könne, das österreichische gedieht beweist also
• so wird auch kurz vorher erzählt, dass markgraf fiüdiger die lochter
des Günther erhalten habe, wo Grimm selbst ein misverständnis annimmt
(vgl. Nib, 1617 ff).
* dass diese anknüpfung eine spätere und dem alten ags. epos noch
fremde ist, hat Grundtvig (Danmarks folkev. i 70) bereits bemerkt, sie wie
die Verbindung mit seinem angeblichen vater Wate (MüllenholT Zs. 6, 65 fl)
haben nur den zweck, das ursprünglich elbische wesen in die heldensage
zu verflechten.
44 V0LUNDARKV1^A
zum mindesten, dass Wieland die rolle des unübertroffenen raeislers
in Obcrdeutschland nicht gespielt hat.
Demnach wird sovvol der hericht des Helden buches wie das
bayrische gedieht auf eine niedersächsische vorläge zurückgehen,
die auch dem alten Volundrliede, das nur die schwanepisode ent-
hielt, zu gründe lag: denn die geographischen notizen der vlsur
1 — 3 sind nur unter dieser Voraussetzung recht verständlich
(s.26).i
Nach dem ergebnis unserer Untersuchung ist die Vigfüsson-
Jessensche Vermutung dahin zu modificieren , dass der dichter
der Volundarkvil)a zwei ältere lieder, von denen das eine nur
die schwanenepisode enthielt, das andere nur von Boj)vildr sang,
und welche beide auf niedersächsische lieder zurückgehen, be-
nutzt hat. sein gedieht ist aber ein beweis dafür, wie geschickt
schon in alter zeit compiliert wurde, da es (s. 33 f) durchaus als
ein wolgelungenes kunstwerk gelten muss.
Der dichter zeigt sich als meister der composilion. durch
die änderung, dass er Volundr in Sehnsucht der geliebten harren
lässt, sodass dieser von Nil^uprs mannen im liebestraume ge-
stört wird, hat er ein bild von grofser würkung gewonnen, und,
da er die liebesringepisode im plan seiner verquickung der beiden
gedichte nicht brauchen konnte, den ring geschickt zum ver-
lobungsringe Alvitrs gemacht, auch aus eigener erfindung hat
er gestalten hinzugedichtet, so den knecht PakkräJ)r (v. 39) und
vor allem die köuigin (kunneg kvdn Nipapar). sie finden sich
in keiner sonstigen version der sage, und insbesondere die
letztere ist doch zu gewaltig und bedeutsam , als dass man an-
nehmen könnte, dass sie in den anderen berichten, ohne auch
nur eine spur zu hinterlassen, vergessen sei. aber durch die
Schöpfung dieser figur, welche die eigentliche triebfeder zu Wie-
lands mishaudlung wird, ist auch der character des königs wesent-
lich verfeinert, aus dem boshaften fürsten ist ein im gründe
guter2, aber durch die ratschlage seines bösen weibes betörter
* auf Niedersachsen weisen auch alle übrigen Zeugnisse: von dort drang
die sage nach Skandinavien und England, und in das französische helden-
epos gelangte Wieland nicht von Deutschland, sondern, wie die namensform
Galan (aus Folundr) beweist, aus dem norden durch die Normannen: die
drei 'brüder' im afz. Fierabras entsprechen den eddischen beiden (Depping
Weland le forgeron s. 41), und beweisen, da sie kunstvolle schmiede sind,
wider die Identität der beiden Volundr (vgl. s. 34 0- ^ die wegnähme
VOLÜINDARKVI^A 45
held geworden, und die klage des vaters (v. 31. 37) gewinnt
durch die liineintraguug dieses macbethischen zuges an rührung.
Mit Sicherheit sind als neubildung des dichters nun anzu-
sehen V. 5 (s. 40), V. 11 — 19 ^ welche aber doch alte ausdrücke
benutzen (vgl. s. 36 f. 38), v. 30. 31,5 — 8, da sie das eben ge-
schilderte Verhältnis voraussetzen, und v. 39 (s. 44). es begreift
sich aber auch, dass die am eingange unserer Untersuchung gel-
tend gemachten metrischen und stilistischen iibereinslimmuugen
(s. 30 f) nur für die geschicklichkeit des dichters sprechen, mit
der er seinen Stoff auch in sprachlicher hinsieht verarbeitete: so
erklärt sich der erste der dort genannten eigentümlichen gleich-
klänge , indem der dichter für die von der künigin handelnde
V. 30 die v. 1 des schwatienliedes benutzte, und der zweite, in-
dem er die anknüpfung an die schwanepisode mit hilfe eines
ausdruckes des alten Bojtvildliedes vollzog (vgl. v. 11.31).
Was wir also s. 34 vermuteten, bat sich durchaus bestätigt;
wir müssen in dem dichter der Volundarkvij)a einen nicht minder
bedeutenden künsller sehen wie in denen der Skirnisfor und des
Härbarjjsliedes.
Die kritik unseres liedes hat nun zugleich ergeben , dass
von einer finnischen herkunft des beiden, welche jüngst WMüller
(Mythologie der deutschen heldensage s. 138) aus der prosaischen
einleitung geschlossen und durch wenig stichhaltige gründe zu
stützen gesucht hat (vgl. EHMeyer Anz. xiii 23 0), oicht im ent-
ferntesten die rede sein kann, da wir die sage lediglich in der
form kennen , in der sie auf dem für schmiedemylhen überaus
günstigen boden Niedersachseus ausgebildet wurde, so ist ein ver-
gleich mit sagen anderer vülker übei'haupt schwierig und nur
sehr behutsam anzustellen, als göttermythus wird die sage ver-
mutlich einmal der ganzen germanischen weit eigen gewesen sein,
und vielleicht haben wir in der s, 40 f besprochenen erzählung
Saxos noch einen nachklang desselben , zumal das dämonische
ringen und werben um die Jungfrau dort noch schärfer zu tage
tritt: die Übertragung auf den den elbischen wesen doch ursprüng-
der ringe geschieht nur aus habsucht, und man sieht nun erst, wie wenig
die interpolation (s. 26) in den rahmen des übrigen liedes passt.
' in dieser partie verrät v. 14 einfluss der Nibelungensage durch die
erwähnung von SigurJ)rs ross Grane und der fjoll Rinar. in der Verteilung
der Worte folge ich Bugge, der nur die hälfte der strophe Wieland in den
mund legt, nicht.
46 VOLUNDARRVlfA
licl) nahe verwandten wind- und luftgott Wodan würde dann auch
leichter verständhch werden.
Die Germanen aher haben die gestalt des elbischen dämons
aus ihrer arischen zeit überkommen: denn die identität der drei
brüder mit den indischen Rbhus, und speciell des Volundr mit
dem Rbhuksa, wird schwerHch zu läugnen sein, ob indes die
hauptpuncte des mylhus schon in der urzeit ihre ausbiklung er-
fahren haben, kann ledighch eine genaue Untersuchung der ve-
dischen hlteratur nach den von EHMeyer (aao. s. 31 ff) angegebenen
gesichtspuncten erweisen.
Eine nähere Verwandtschaft muss jedesfalls innerhalb der
arischen gemeinschaft noch zwischen dem germanischen und helle-
nischen mylhus bestanden haben, da nicht nur der deutsche
Wialant dem"H(faiOTog der griechischen volkssage durchaus ent-
spricht (vgl. WGrimm HS* 323) — Welandes geveorc, Welandia fa-
brica wird wie das griechische rjq)aiaTÖTev}<.rov oder rjqtaiotOTVxeg
zur bezeichnung grofser kunstwerke gebraucht — , sondern auch
im einzelnen überraschende Übereinstimmungen sich finden.
Wie Wieland ist auch Hephästos an beiden füfsen und in
folge gewaltsamer Verletzung lahm, wie jener auf dem auf die
see deutenden holm Se'varstoJ) weilt er bei Thetis und Eurynome
im meere. der Verbannung Wielands vergleicht sich die durch
Zeus oder Hera erfolgte gewaltsame entfernung des griechischen
gottes vom Olymp, wie ferner Wieland die Baduhilt, deren name,
zweimal den begriff 'kämpf enthaltend, auf eine nordische ^A^r]va
7iQÖf.iaxog deutet, überwältigt, als sie ihm ihren ring zur repa-
ratur bringt, so stellt Hephästos der Athene nach, da sie waffen
bei ihm bestellt, und erzeugt, allerdings auf sonderbare weise,
mit ihr einen söhn, wie endlich Wieland der gemahl des lichten
schwanenmädchens, ist Hephästos der gatte der schönen Aphrodite,
die zu den schwanenjungfrauen jedesfalls in naher beziehung
steht (LvSchroder, Griechische gütter und heroen s. 39(1), und
wie Alvitr den Volundr verlässt, so wird bekanntlich Aphrodite
dem Hephästos untreu, auch in der griechischen sage aber
stehen die sagen von Hephästos-Aphrodite und Hephästos-Athene
ursprünglich ebenso wenig in einem näheren zusammenhange
wie die von Wieland -Alvitr und Wieland -Baduhilt, und so erhält
unser ergebnis (s. 44) auch von dieser seite eine bestätigung.
BerUn 20. 12. 87. FELIX NIEDNER.
MERCISCHES 47
MERCISCHES AUS DER HS. ROYAL 2 A 20 IM
BRITISCHEN MUSEUM.
Die hs. der königlichen Sammlung des Brilischen museums
2 A 20 enlliält von einer band des 8 jhs. allerlei lateinische stücke
religiösen inhalls, darunter 23gebele, deren jedes n)it einem
anderen buchstaben des alphabets beginnt und die auch in der
alphabetischen reihenfolge ihrer anfange stehen abgesehen davon,
dass das b-gebet hinter das e-gebet geraten ist. zwei bände (siehe
unten anmerkung zu 60 f) aus dem ende des 10 oder dem anfange
des 1 1 jhs. haben dann allerlei englische glossen und notizen
beigefügt und die eine aufserdem den inhalt jener alphabetisch
geordneten gebete in englischer spräche angegeben, eine ein-
gehende beschreibung der hs. findet sich im Catalogue of ancient
manuscripts in the British museuni pari ii latin (London 1884)
s. 60 f, wo auch ein facsimile von fol. 14^' (=379 — 421) als
plale 21 beigegeben ist.
Was die glossen anbelangt, so sind dieselben gelegentlich
nur angedeutet worden : 46 forgef dimütimns statt forgefap,
494 geh intercede sl. gebide. stall eines casus obliquus steht der
uom. sing.; 187 megden ancellae st. megdenes, 226 heorte cordis
sl. heortan , 83 fi" se halga gast de spirüu sancto st. from pcBm
halgan gaste; 307 from weoruld a saeculo sl. from weorulde;
715 weoruld sceculi sl. weorulde. el)enso sind wol in den inlialls-
angaben 633 stenc und 540 costnng zu lieurleilen. ein adjectivum
oder partieipium wird in unfleclierter form gesetzt: dd'2 liis haiig
cydnisse testamenti s?«' sancti (falls nicht etwa hier haligcydnisse
zu schreiben ist), 32 hlaf ur panem nostrum und 78 d ur do-
minum nostrum st. urne (oder ist ur subst. gen.?), 215 ondred-
dende timentibus sl. ondreddendum , 551 all omnibus. l>ei 355
deowende seruiamus fehlt we beon, bei 405 hcenisse ex alto fehlt
from, wie bei 83 ff (siehe oben).
Manchmal hat der glossator etwas zu viel gesetzt: so se 13
in se is gehalgad sancti ficetur , 321 f to dege; ferner hat er aus
dem vorhergehenden widerholt on 75, doppell gesetzt wes 253.
255 (wes gemyndig wes recordatus est), us 283. 288 (us up verde
. . . US erexit . .. nobis), his 300. 303, witgena 302, gec(e)ged
48 MERCISCHES
370. 373, sitlap 410. 414; vgl. 490f o on mintie fnltum in
auxilinm meum. 403 ff gibt ufan cumende das oriens ex alto
schon hiulänglich wider, es folgt dann aber ooch hcBnisse.
Von UDgenauigkeiten sei zunächst die Verwendung des sing.
statt des plurals oder umgekehrt erwähnt, wobei natürlich von
fällen, bei denen der englische Sprachgebrauch eine änderung
des numerus nahe legte (wie 128 ff. 141. 316. 457. 473. 503),
abgesehen wird: 382 weg was, 27 heofenum caelo , 112 segon
uidisti, 114 gelefdon credidisti. ferner steht gelegentlich ein
falscher casus: der accusativ statt des nom. (voc.) 45 us nos
(nom.), 172 f mine saule anima mea, 207 noman nomen (nom.),
478 ff siman 7 monan sol et luna (voc); der acc. st, des dat.
47 f scylde nre debitoribus noslris; der gen. st. des acc. 500 f
pines eges timorein tuum; der dat. st. des acc. 71 hcelende lesum
(falls hier nicht hcelende = hcelendne) , 421 wege uiam. statt der
ersten person finden wir die zweite 181 pinre st. minre (oder
eigentlich minum) meo, statt der dritten die zweite 203 eart est,
(zugleich imper. st. conj.) 126. lAQ gehald custodiat, \i2 bletsa
benedicat, 148 eteaw ostendat, 157 gecer conuertat, 164 sele det.
was das tempus anbelangt, so ist zb. 82 geecnad wes natus est
natürlich berechtigt, aber ungenau sind 176 geßhd exultauit,
184 gelocap respexit, 222 tostencd dispersü, 240 gefylled impleuü,
309 lessep liberauit, 320 feodon oderunt. der ind. st. des conj.
steht 14 is gehalgad sanctißcetur, das part. präs. für das part. fut.
pass. 334 doyuie swergendan ad msmrandnm. ein subst. ist statt
eines adj. gesetzt 140 ecnisse sempiierna, 245 pa iveolan diuites,
271 gebletsung benedktus; der umgekehrte fall liegt vor 218
moehtige potentiam. ein adv. statt eines adj. finden wir 33
deghweamlke cotidiamim. vereinzelte uugenauigkeiten sind 22
sie fiat, 28. 44 ond et (= auch), 113 pa et oder qiiia, 121 xpi
Christus, 137 f /er hioer ubiqiie, 149 p^m -que, 391 drihtnes dei.
aus 377 cer onseone ante fadem darf man gewis nicht folgern,
dass wr auch locale functiou hatte (vgl. Hicketier, Anglia 10, 589).
Offenbare Schreibfehler sind 72 crit st. crist, \Q9siDi st. si (ver-
anlasst durch das folgende swe), \Sb eadmodnisnisse (der Schreiber
setzte in der neuen zeile die ganze endung nisse statt zu dem
schon vorher geschriebenen nis das se hinzuzufügen), 223 oferd-
hydge st. oferhydge, 316 hodum st. hond\im (vgl. zu 315), 370
gecged st. geceged, 629 leoh st. kokt. 436 steht angela wol st.
MERCISCHES 49
angelas, oder haben wir darin einen plural nach der «-dechnation
zu sehen ? vgl. Sievers Gr. 273, 2. 50 f nu is über ne nos ist
vvol für ne us verschrieben, weniger wahrscheinUch kommt mir
aber vor, dass 275 scede uisitauit für neosade (vgl. 402) ver-
schrieben sein könnte: schwebte dem glossator etwa nuntiauit
st. uisitauit vor? 47 ist debitorihus nostris durch scylde ure wider-
gegeben, als ob debita nostra dastände (vgl. 41). wenn 279 f
pJebi suae durch he gefylde übersetzt wird, so ist suae ganz un-
berücksichtigt geblieben , plebi aber scheiül = pleui = impleui ge-
nommen, aufserdem aber wegen uisitauit, fecit, erexit in der
nachbarschalt die vermeintliche erste person durch die dritte er-
setzt worden zu sein, ein ähnliches versehen liegt wol 387 f bei
gefyd hio plebi eins vor: gefyd wäre dann iiir gefyld \'e\&chr'\ehen
(vgl. 240 gefylled impleuit), eius für eos genommen, was sich
aber der glossator denken mochte, als er 486 os über hos setzte,
vermag ich nicht zu raten.
Die spräche stimmt in allen wesentlichen puncten zu der
im Psalter der Cottonschen hs. Vespasian A 1 (= VP) und zu der
des priesters Farman in den Rushworthevangelien (=R'), also
zu deiikmäleru, die jetzt allgemein als mercisch gelten, aufser
auf die arbeilen von Zeuner über VP (Die spräche des kentischen
psalters, Halle 1881) und Svensson über R^ (Om spräket i den
förra (merciska) delen af Rushworth-handskriften i Ljudlära, Göte-
borg 1883, disserl. von Upsala) werde ich regelmäfsig auf Napier
in der Anglia 10, 135 ff verweisen, wo eine mercische vorläge
für das Leben des heiligen Chad wahrscheinlich gemacht ist.
1. a = urgerm. a erscheint
a) = Wests, a idagas 364 (vgl. R* s. 1, dagegen VP s. 34
dcegas) , nacodnisse 573 (R' 1 namd); vgl. das fremdwort apo-
stolos 686.
b) = Wests, a, o vor einem resonanten: fram 673 neben
sechsmaligem from (s. 5c): R' s. 11 einmal fram neben 71 from,
VP immer o vor resonanten s. 10. aufserdem ist hier nur noch
ayigeJa 436 anzuführen (vgl. angel in Bouterweks glossar zu den
Altnordh. evaugelien: VP s. 14 und R* s. 33 haben cengel neben
engel; a erklärt sich aus einwürkung des lateinischen).
c) = wests. ea ohne jede ausnähme vor gedecktem l: ge-
hald 126. 146, gewaldQlQ, siofenfaldlicum 593; all 551, alle 195.
363. 423. 475. 487. 503, alles 627, allra 317, allum 496, gallan
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 4
50 MERCISCHES
597, endlich mit vereinfachuDg der gemination almahtig 116, al-
■mahtigne 67. dies stimmt zu VP s. 24 f, vgl. Napier 135, 3. R'
hat auch gewöhnlich a, aber daneben ea s. 22 f.
d) = wests. ea, ie, i vor ht: almahtig 116, ahnahtigne 67
(vgl. aber 2b, 3g, 4g). auch VP zeigt gelegentlich mäht s. 9. 33,
dagegen nicht R' s. 2 f. 38 f.
2. 8ß = urgerm. a erscheint
a) = wests. ce: fcedor (gen.) 615, fmdrum 264, fqderum 328
(im übrigen s. 3d); auch R' zeigt in diesem worte cb s. 4, da-
gegen VP nur e s. 11 oder ea s. 27.
b) = wests. ea, ie, i vor ht (vgl. Id, 3g, 4e): mwhtig 202,
mcBhtiggan 2d0, mcehtige 2\S, ncehte 131 in Übereinstimmung mit
VP s. 33 und R' 38.
c) = wests. e als umlaut von a: hcelwearum 674 (im übrigen
s. 3b); VP hat nur hei s. 14, aber gesloBcce, cengel; R' zeigt
häufiger ce s. 32.
3. e erscheint
a) = wests. e = urgerm. e: gebed 506, gebede 527. 607, seile
(dat.) 232, sprecende 261. 297, weg 382, wege 421. VP hat für
dieses e nur sehr selten ce s. 19 f, weit öfter aber R' s. 7 f.
b) = wests. e, gelegentlich aber auch ie, y = umlaut von a
(vgl. 2c): hehhap 431. 443. 454. 470, gereccenne 416, ege 349,
eges 501, stenc 633, tostencd 222, ancendan 76, hendum 535,
halwendan^ 182, idelhende 247, meniscum 544, penninge blT,
gecer ibi, swergendan ddb, hergap 450.466, hergiat A21 , here-
gap 439, heregiap 482, asette 228, seilende 346, sellenne 384,
sele 34. 164. 497.
c) in einsilbigen unbetonten Wörtern oder präfixen: in dem
artikel se 83. 123, dem allgemeinen relativum pe 1(?). 305.337.
409. 461 USW. de 318. 546, in der präposition he 508. 513.
521. 525. 528 usw. (niemals hi: R' s. 51 hat 18 he neben 10
hl), ebenso in heforan 361, helec 630, hetwih 703 (VP s. 62
200 hi gegenüber 40 he; W s. 51 immer he; denn hisöBC ist lat.
hisaccium), endlich in dem präfix ge- 2. b. ib. S\ usw. (auch VP
s. 62 und R' 51 niemals gi-).
» Zeuner VP s.38 und SweetOIdest english texts 569^ sehen in dem ersten
e von haiwende, woneben in VP halwijnde vorkommt, den umlaut von u:
aber dagegen streitet doch der umstand, dass dem jedesfalls gleichgebildeten
lää'wende ahd. leidwendi entspricht (Grimm zu Andr. und Ei. s. 172).
MERCISCHES 51
(1) = wests. ce: her 569, cwep 61. 69. 90. 92. 94. 96. 98.
100. 102, degdl, deghweamlice dd, dege 129. 322, et 693. 711,
etemo 148, etfest 612, fede7' 8. 66. 343 (vgl. aber 2a), festenne
538, sigerfestnisse 652, megden 187, megne 476, nesdyrlnm 640,
w?es 82. 253. 255. 260. 296, weter 459, /es 681, des 590. 596,
/ef 3. 347. 485. 603. auch VP s. 11 ff zeigt regelmäfsig e (vgl.
auch Wapier 135, 1), dagegen R' meist ce s. 4.
e) = wests. ie, y, i nach einem palatal = urgerm. e: forgef
39. 46 {\ner = forgefap); ebenso VP s. 19, R^ s. 6 f; vgl. Kapier
136, 10.
f) = wests. ie, y, i als umlaut von urgerm. a vor gedecktem
/•; berigde 602, berignesse 598 (vgl. altn. bergja). auch VP 14 f
zeigt e, W s. 30 e und ce; vgl. Napier 136, 4.
g) = wests. ea, ie, y, i vor ht: ne[h]t 695 (vgl. Id). neht
erscheint auch VP s. 33, dagegen nicht in R^ s. 38 f, obwol dieses
e in anderen Wörtern vor ht zeigt; vgl. Napier 136, 8.
h) = wests. eo vor rc: loerc 424; ebenso VP s. 36, R' s. 39
icerc neben wcerc und weorc; vgl. Napier 136, 8.
i) = wests. eo, ie, y, i vor ht (vgl. 4e): rehtwisnisse 360.
auch VP s. 34 hat reht als selbständiges wort und in Zusammen-
setzungen, R' s. 39 freilich neben unreht auch riht, unriht; vgl.
Napier 136, 8.
k) in den suffixen -nes, -eng neben -nis (4c), -ing (4c) und
ung (6b): berignesse 598, hyrigenge 669. auch VP 57 und R^ 50
kennen -nes neben häutigerem -nis; -eng aber erscheint weder
VP 58 noch R' 50.
4. i ist mit ausnähme eines einzigen Stammes (s. 7c) von
y ganz reinlich geschieden, wir finden es
a) = wests. i = indogerm. i: ondwlite 159, eriste (dat. ; ist
etwa i anzusetzen?) 672, Ms 74. 151 usw., him 356. 362 usw.,
hine 216. 432 usw.
b) = wests. i == indogerm. e: gebiddan 5, bist^ 369, bip 691.
699. 701. 709, ic 62. 488, in 11. 26. 52. 54 usw. 2, inlehtan 406,
innopas 394, is 14. 507, micel 200 (vgl. aber 7c), mid 241. 326.
495. 657, middangeardes Q2S, middre 694. 704, mildheortnisse^ 210.
* bist und biß gehören hierher, in so fern sie ihren vocal der würzet
es verdanken.
^ in den meisten fällen steht in als präpos., was gegen wests. Ursprung
der glossen spricht: s. Napier 139, 18.
3 ob ?nilde hierher gehört oder zu a, ist zweifelhaft.
4*
52 MERCISCHES
257. 325. 395, gemildsige 155, sibbe 166. 420 (vgl. 4), siger-
festnisse Q5'2, sint A6A, sittap 4^10. 414, swingelhimbdO, willa23,
/js505, pissum 191.407.
c) io den suifixeo ~nis, -ing (vgl. 3k): alesnisse 21S, cyd-
nisse 333, eadmodnisse 185, ecnisse 140, forletnisse 392, halignisse
358, hwnisse 405, mildheortnisse 210. 257. 325. 395, nacodnisse
573, rehtwisnisse 360, sigerfestnisse 652, swißmodnisse 654, upastj-
nisse 611 ; penninge bll : siehe VP 57 f, R' 50. vgl. auch cneo-
rma 196.
d) == Wests, «e, y, i als umlaut von eo; pe^A<f 176. auch VP
46 kommt einmal gefüid und einmal gefiht vor neben dem häufigen
gefid; R* 33 ist das wort nicht belegt.
e) = wests. eo, ie, y, i vor ht: cniht 252. 368, cnihtes 293
(vgl. 3i). Fl' s. 39 hat nur cneht, cncBht, aber daneben riht: VP
kennt nur e s. 34.
f) = wests. eo vor h
a) = indogerm. i: betwih 703. Sievers, der diese form des
Wortes aus anglischen denkmälern Beiträge 9, 269 belegt (vgl. R^
s. 66) , nimmt betwih an , weil betwih über betweoh ergeben hätte
betweh; aber auch seohpe ergab sihpe, siehe ß.
ß) = indogerm. e: sihpe 188; dieselbe form R^ s. 39 öfter,
während VP s. 33 sehde hat.
g) = wests. ea, ie, i vor ht: niht 705 (vgl. Id); ebenso R'
s. 39, aber VP 33 nur nceht, neht.
h) = frühwests. y = umlaut von u : drihten 118. 144. 158.
174. 601. 626, drihtnes 379. 397. 512. 606. 656, driH abgekürzt
499, «fabgekürzt 77. 150. 272. 425. 426. 437. 438. 449. 465.
481. der Schreiber sprach in diesem worte offenbar i. VP schreibt
immer y: Zeuner s. 38, Sweet Oldest e. texts 572^; R' s. 34 f
gibt 45 mal dryhten neben 10 drihten.
5. 0 ist
a) == wests. 0
a) innerhalb der e- reihe: for 6, for- 39. 46. 246. 375. 392,
forjwn 183. 197. 274, beforan 361, hörn 286; vgl. den dem
lat. Corona entlehnteu ersten teil von corenbege (dat.) 555.
ß) innerhalb der w-reihe: bodunge 514, costung 540, costunge
55, god (oder zu a?) 65. 115. 273. 549, gode 180, loccum
644, ofer 429. 441. 452. 462. 468. 484. 556. 638, ofer-
223. 662.
MERCISCHES 53
b) = wests. u: porh 393 (vgl. aber 6b). diese form gilt als
mercisch: Sievers Beiträge 9, 200.
c) = wests. 0, a = urgerm. a besonders vor resonanten: gonge
520, forgonges 375, honccrede 707. 712, honda 580, ho[n]dum
316, hondum 351. 586, on 29. 64. 70. 75. 128. 130 usw., o
490, onwled 692. 700. 710, ondreddende 215, onfeong 249,
onsiene 152, onseone 378, ondwlite 159, pon 623, forpon 183.
197. 274, r/onnc 334; o/ercom (oder d?j 662, from 58. 211. 306.
311. 315. 541 (doch vgl. Ib), lichoman 132. 572, iwma 17, noman
207. die copulalive conjunction wird immer abgekürzt 28. 38.
44. 49. 86 usw. (über 40 mal); die form des Schreibers war gewis
ond. VP s. 10 hat vor resonanten immer o, R* 10 f weit häufiger
0, als a. hierher gehört auch of 190. 231. 350.
6. U ist = wests. u
a) innerhalb der w-reihe: scuan (falls das wort nicht A hat)
413, sunan 478, sunu 73, nfan 403.
b) innerhalb der e-reihe: fidtum A9d, gemunan SdO, wunde
647, purh 298 (vgl. aber 5b), suföx -ung (vgl. 3k und 4c) in
gebletsnng 271, hodiinge 514, costung 540, costunge 55, pro-
wunge 516, drowungge 621.
c) = älterem wi: cumende 404 (nach anderen zu b).
d) in unbetonten silben aus helleren vocalen entstanden :
fnltnm 493, licumliare 509.
7. y erscheint
aj als umlaut von u: gebyrde 510, byrigeiige 6Q9, byrpenne
563, cywe 19, ?oc«/me 683, c^n 214, c«/nne 212, gefylled '240, ge-
fyd 387 (für gefyld?), gefylde 280, hyngriendan 239, gemyndig
254, sci/Wa 41, sc^/We 47, s?/Hna 391, wyrgelse 637, «//e/e 59,
nesdyrlum 640, pyrnenan 554. aber es heifst immer drihten;
s. 4h. dass nie ein e als umlaut von m erscheint, schliefst
bei einem denkmal von der gränze des 10 und 11 jhs. ken-
lische herkuuft aus. VP s. 38 f und R* s. 35 haben fast immer
y, selten i.
b) in der reduplicationssilbe des Präteritums von dön : dyde
198. 217. 277. R' s. 13 hat immer dyde, VP s. 118 einmal
daneben diden.
c) für älteres i in myclap 171 unter einfluss von lytel neben
micel (4b): VP (siehe Sweet Oldest e. texts 511) und R* s. 9 haben
in dem stamme immer i.
54 MERCISCHES
8. ea steht
a) = urgerm. a oline jede ausnähme (vgl. Napier 135, 3) vor
gedecktem r: earma 576, earme 221, eart 10. 108. 203, mid-
dangeardes 628, gearwien 380 (dagegen vor gedecktem l bleibt
a: Ic). R' s. 23 hat neben ea auch a, VP s. 22 neben ea vvol
eo, cea, e, aber kein a. dieses ea schliefst nordhumbrische her-
kunft aus; vgl. Sievers Gr. § 158, 1.
b) = wests. a unter dem einÜuss eines dunkeln vocals der
nächsten silbe: hwlweanwi QU (a bleibt aber vor gutturalen:
s. la); vgl. VP s. 29, Napier 136, 9; R' 27 f kein sicherer beleg.
c) = eo = wests. ie, i, y, eo: heara 390 ; vgl. VP s. 30. 64.
R* s. 28 zeigt io, eo.
d) = wests. w, d = urgerm. ai: deghweamlke 33. VP s. 141
hat deghwcBmlice, aber hweam verhält sich zu hwcem, wie VP s. 30
deara zu dara.
9. eo (nur einmal io in siofenfaldlicum 593) ist
a) = wests. eo
a) vor gedecktem r (aufser r + patatal: s. 3 h): eorpan 30,
heorte 226, heortan 502, mildheortnisse 210. 257. 325. 395. neben
eo zeigen VP 22 f und R^ s. 25 f gelegentlich auch ea (vgl. 8c)
und e.
ß) vor einfacher consonanz : heofenas 448. 462, heofenos 679,
heofenum 12. 27, siofenfaldlicum 593, weondd 141. 307. 457. 473.
715, weorulde 270. 434. 446.
b) == wests. e, eo
a) in seolfa 566, seolfum 585. VP s. 26 zeigt nur eo, R^
s. 26 e neben eo.
ß) in weolan 245.
c) = wests. e: cweodad 194; vgl. VP s. 31 cweodad, R* 29
cweopap.
ü)^ wests. ie,y,i: geofumbM; vgl. VP s. 30, R' s. 28.
10. ä ganz, wie im wests.; zu belegen ist es nur
a) als präfix: ales 56, alesnisse 278, asette 228, tipastj-
nisse 677.
b) == urgerm. öl : a<f336, ancendanlQ, gast 85. 125. 178.
611, gastes 592, halgastes 682, haiig 205. 332, halga 84. 124,
halgan 591, haligra 301, halignisse 358, halgastes 6S2, halwendan
182, gehalgad 15, hlaf d\, saule 134. 173, />a 236. 238 usw.,
da 229.
MERCISCHES 55
c) in dem temporalen pa 564.
11. a» kommt vor ~
a) == Wests. (2 als umlaut von urgerm. ai: onceled 692. 700.
710, cer 377, foemnan 89, ha>l)nan 661, hcelend 120, hwlende 71,
hcelo 168. 287. 386, Icede f)d, pcem 149. 399. 553. 584. 658;
vgl. 12e.
b) = wests. ea vor anderen consonanten , als palatalen (vgl.
12g, 17a)
«j = urgerm. om: cedigllA:, ceronaQiS, hwfde obS, hcenisse
405. VP s. 48 hat gelcefsum, was Zeuner für einen Schreibfehler
hält, und einige mal e; K' s. 20 einmal edmodap , sonst ce nur
vor palatalen (s. 40).
ß) = urgerm. a vor h: t§rum 523; VP s. 53 tear.
c) in swde 275, das wol = scegde R' 3, segde VP 117 zu
nehmen ist.
12. ß erscheint
a) = urgerm. und gemeinenglisch e: Äer 135, forlet2Aß;
vielleicht gehört auch ecnisse 140 hierher.
b) = gemeinenglisch e durch dehnung im auslaut: he 227.
248. 259 usw., me 110. 127. 143. 147 usw., pe 188, se 13. 80.
109 usw.
c) == wests. e, nh. ce; bletsa 142, bletsiat 422, durch "& abge-
kürzt 435. 447. 458. 474. 477, gebktsad 106, gebletsung 271,
demdon 550, fet 418. da niemals mehr ce vorkommt, ist nord-
humbrischer Ursprung der glossen ausgeschlossen. übrigens
schreibt auch VP s. 43 stets bledsian, bledsung, und auch sonst
kommen hier gelegentlich Wörter mit e statt mit oe geschrieben
vor s. 44; noch öfter, als VP, zeigt R* s. 36 f e (auch ce) neben
oe: neben zweimaligem gebloetsad hat es je einmal bledsade, blet-
sade, gebletsade.
d) = wests. ce = ahd. d: ondreddende 215, eriste 672, hwer
138, forhtnisse 392, sede 268, segon 112, swe 25. 43. 170. 258.
294, per 137; in honccrede 707.712 ist möglicher weise kürzung
eingetreten, da das e hier auch im wests. steht (vgl. Sievers Bei-
träge 9, 200). da niemals ce erscheint, ist wests. Ursprung aus-
geschlossen; vgl. Napier 135,2. auch VP s. 42 zeigt niemals ce,
wol aber R* s. 17 neben e s. 16 f.
e) nur ausnahmsweise = wests. w = umlaut von urgerm. ai
(siehe IIa): rerde285,/ere88.646, ^er 4 (?). auch in VP41 finden
56 MERCISCHES
sich gebreded, aledde, emie, lered, flesc, flesce, wozu noch s. 140 f
(las häufige dere kommt, und noch mehr belege für e in R' 36.
das pron. pere setzt Sievers Beiträge 6, 572 mit kurzem e
= got. i an.
f) = Wests, ie, i, p
a) als Umlaut von ea (vgl. aber 17b): gecege 4S9, geceged
373 (auch 370 beabsichtigt), gelefu 63, gelefdon 114, ?essey^ 309,
aJes 56, alesnisse 278; auch 371, wenn he zu hestan zu er-
gänzen, westsächsischer Ursprung ist hierdurch ausgeschlossen;
vgl. Napier 136, 5. auch VP s. 48 zeigt immer, R' 37 f ge-
wöhn heb e.
ß) als umlaut von eo (vgl. 19a): inlehtan 406, das aber auch
unter einwürkung des palatals für unumgelautetes (vgl. 18c)
itileohtan stehen könnte, sowol VP s. 36 als auch R' s. 34 zeigen
in diesem verbum immer i.
g) = wests. ea ohne ausnähme vor palatalen (vgl. IIb): coren-
bege bbb, geecnad S\, belec 630. VP s. 50f zeigt e aufser dcßh,
W s. 40 e und ce.
13. 1 ist von p reinlich geschieden und steht nur
a) = urgerm. i: idelhende 247, lice 665, lichoman 132. 572,.
licnmlicre 509, min 177, niine 172, minne 492, rice 21, sidan
650, wisdom 385, rehtwisnisse 360, wttga 372, wügena 302, ßin
16. 20. 24, pines 500, pinre 181; vgl. cri[s]t 72, cristes 515. 522.
531 usw. das suffix lic scheint in dem denkmal , wie im spät-
wests,, durchweg langen vocal zu haben, da für i nirgends e ein-
tritt: deghweamliceS3, so///ce 189. 376.504, licnmlicre bQ9, siofen-
faldlicum 593.
b) == urgerm. i mit dehnung: upastjnisse 677, swipmodnisse
654; vgl. swi verschrieben für si 169 (siehe auch unten 19b).
14. 6 bietet nichts vom wests. abweichendes; es ist zu
belegen
a) = urgerm. ö: domum 545, wisdom 385, donne 324, fota
519, godum 2A'2, hof 2db, gelocap 184, mode 224, eadmodnisse
185, swipmodnisse Qb4t, rode 560. 582.619, roddebQS, swordZQ,
to 18. 36. 161 usw., tocyme 683, proiounge 516, droioungge 621.
b) aus ursprünglich kurzem vocal gedehnt: soplice 189. 376.
504, tostencd 222.
c) = got. e, ahd. d vor einem resonanten : mona 690. 698,
monan 480.
MERCISCHES 57
d) = gol. ai: no 111. auch VP (Sweet Oldest e. texts 585")
und R* s. 19 haben no.
15. Ü zeigt ebenl'alls nichts vom wests. abweichendes; es
kommt vor
a) = urgerm. ü: butan 348, huse 290; up hatte wol auch
noch langen laut, da es nie mit pp geschrieben wird: 234.284.
430. 442. 453. 469. 677.
b) gedehnt aus u: mup 299, ur 32. 78. 119, ure 7. 48. 352.
365. 417, urum 263. 312. 327. 342, ns 35. 40. 45. 57 usw.,
usic 401, nser 600, usser 625, uses 396. 655, nsses 511. 605, ussa
42; pu 9. 107. 201. 367. 374, nu 50(?).
16. y ist zu belegen
a) als Umlaut von «.cj/f/nme 333, oferdhydge 223. hierdurch
ist kentischer Ursprung ausgeschlossen.
b) im instrumental ßy 636; ebenso VP 141 und W.
17. 8a ist
a) = wests. ea (vgl. aber IIb und 12g): eadige 192, ead-
modnisse 185, eadmodan 237.
b) mit unterbliebenem umlaut = wests. le, i, ^: e^eato 148;
bei diesem verbum unterbleibt der umlaut auch in VP s. 49 (wo
aber eo neben ea vorkommt) und R* s. 58.
18. ßo (nur zweimal ist to geschrieben: Aio 388. 547) ent-
spricht
a) wests. eo = urgerm. eu: beon 344, ciieorissa 196, deofle
542, leoh[t] 629, neosade 402; vgl. hw 388. 547.
b) anderweitigem wests. eo: feonda 353, feondum 313, feodon
320, gefreode 354, deowende 355.
c) mit unterbliebenem umlaut wests. ie, i, p (vgl. 12f /? und
19a): onseowe 378, deostrum 4[2. der umlaut unterbleibt immer
in R' s. 38 und so gut wie immer VP s. 50. vgl. auch Na-
pier 136, 7.
d) wests. e in folge einer analogiebildung : onfeong 249 ; VP
s. 101 und R* s. 8 haben onfeng.
19. le ist nur zweimal zu belegen
a) = wests. ie, i, p als umlaut von eo: onsiene 152 (neben
onseone 18c). in VP 50 zeigt dieses wort immer ie.
b) in dem ursprünglich zweisilbigen sie 22 (vgl. si 13b). auch
in VP s. 96 ist dies die gewöhnliche form.
20. die consonanten bieten nur zu wenigen bemerkungen
58 MERCISCHES
anlass. unberechtigte geminalion finden wir in loccum 644, honc-
crede 707. 712, ondreddende 215, rodde 568, mivhtiggan 230,
drowungge 621, donne 334, lessep 309. umgekehrt wird im iu-
laut nur ein consonant geschrieben statt der geniination in
meniscum 544, snnan 478. man vgl. ferner sint 464 statt sind
und t statt p im ausJaut bletsiat ATI, hergiat 427. g ist mit
vorhergehendem ^■ zu i verschmolzen in upastjnisse 677; vgl.
auch halgastes 682 = haliggastes. w hat sich vocaiisiert in saule
134. 173.
21. was die verbalQexion anbelangt, so finden wir als 1 pers.
sing, praes. ind. gelefu 63, daneben aber auch gecege 489 (VP
s. 92 f hat in der regel die enduug u(o), nur selten e) ; als
2 forgonges 375, aber bist 369 (VP 94 zeigt meist s, aber es
heifst auch hier gewöhnlich bist); als 3 gefihd 176, tostencd 222,
vielleicht auch gpfylljd 'dSl , et fest Gl 2 (das aber auch für etfeste
verschrieben sein konnte), dagegen gefylled 240, lessep 309;
ferner gelocap (a aus e gebessert) 184, mydap 171; aufserdem
bip 690. 699.701. 709 und is 14. 507: mit den syncopierten
formen sind in VP 94 cyd, gefihd (gefiht), gefoeht, seid zu ver-
gleichen, im plural sind zu belegen cweodad 194, sittap 410.
414, forgef statt forgefap 46; aufserdem sint 464. vom conj.
praes. kommt nur die 3 pers. sing, vor: cyme 19, gemildsige 155,
sie 22 (vgl. swi für si 169). imperative sind ziemlich viel vor-
handen: forgef ^9, sihpe (vgl. oben At'ß) 188, geb st. gebide 494:,
gehaldna. 146; sele34. 164.497, Iwde 53, gecer 157, eteaw 148,
ales 56; 6/efsa 142; im plural: hebbad A'dl. 443. 454. 470, here-
gap 439, hergap 450. 466, heregiap 482, aber auch hergiat 427
und bletsiat A22 (öfter durchs abgekürzt: siehe oben 12c). von
infinitiven kommen vor unflectiert gebiddan 5, inlehtan 406,
^earwjen (so!) 380, ^emMna/t 330, 6eoH 344; flectiert seZ/e/aie 384,
gereccenne 416 (VP 98 kennt kein -anne), donne 324. participia
praesentis: sprecende 261. 297, cumende 404, swergendan 335,
ondreddende 215, seilende 346, hyngriendan 239, deowende (vgl.
VP 114, INapier 137, 14) 355. im prät. sing, sind nur belege
für die 3 person vorhanden: cioe/ 61. 69. 90. 92. 94. 96. 98. 100.
102, wes 82. 253. 255. 260. 296 ; ber 569, ofercom 662 ; belec 630 ;
hof2dö, sujor 339; forlet 2AQ, onfeong 2A9. asette 22S, gefylde
280, rer(/e 285, berigde 602, scßrfe 275; neosac/e (VP s. 114 f hat
bei schw. verben der 2 classe überwiegend -ade) 402; dyde
MERCISCHES 59
198. 217. 277. prät. pl. segon 112; gelefdon 114, demdon 550;
feodon 320. partic. praet. geceged 370. 373, onceled 692. 700.
710; gebletsad 106, geecnad8\, gehalgad \b (VP114f zeigt im
partic. der schw. verba 2 cl. fast immer a); flectiert gefreode 354.
22. aus der declination ist nur weniges hervorhebenswert.
im nom. acc. pl. der männlichen a- stamme kommt neben der
viermal zu belegenden endung as (heofenas 448. 463, dagas
364, innopas 394) zweimal os vor: apostolos 686, wo man an
den lat. acc. pl. denken könnte, aber auch heofenos 679. angela
436 ist verschrieben statt angelas oder eine bildung nach der
M- declination. beim st. fem. finden wir im casus obl. der ver-
balsubst. auf -eng, -ing, -ung nur die endung e, nicht a; gen.
prowunge 516, dat. bodunge 514, byrigenge 669, penninge bll^
drovDungge 621, acc. costnnge 55 in Übereinstimmung mit VP 126.
mildheortnisse ist 210 nom. sing,, wie VP s. 125; weoruld 141.
456. 473 acc. sing., wie VP s. 129. neben scylde 47 und
weorulde 446 finden wir als pl. auch scylda 41 und cneorissa
196, während VP s. 126. 129 bei den a- und ^•-femininen für
den nom. acc. pl. nur die endung e kennt, vom st. neutrum
seien die pl. loerc 424, «oefer 459, megne 476 erwähnt, von der
schwachen declination der gen. pl. a>rona 643 neben witgena 302.
die declination \on feder lässt sich im sing, vollständig belegen:
nom. feder 8, gen. fcedor 615, dat. feder 343, acc. feder 66;
vom pl. nur dat. fcedrum 264 und fqderum 328. neben dem
dat. sing, iiöehte 131 kommt auch neht 695 und niht 705 vor.
aus der declination der adjectiva ist zu erwähnen, dass der st.
nom. acc. pl. aller geschlechter auf e ausgeht: 363 alle dagas,
aWe 503, mcBhtige 21S, oferdlujdge 'l'!^, idelhende 247; alle cneo-
rissa 195; alle werc 423, alle megne 475. beim pronomen der
1 person ist der acc. pl. neben ms (57. 310 usw.) auch noch
usic 401 (ebenso VP 140), während das wests. usic nicht kennt,
der nom. acc. pl. des geschlechtigen pronomens ist nur als hio
388. 547 zu belegen, der gen. nur als heara 390 (vgl. VP 140).
das Possessivpronomen ur 32. 78. 119 (daneben ure) kommt auch
VP 140 vor; pl. fem. ussa 42.
'^ge
5' ^pe am rande rechts 8' Audiens rechts am rande ^pet
10^ oben am rande^/ersjft (nicht ganz sicher) 10^ oben ^gebiddan ^for^
* einiges hier für mich unlesbar.
60
MERCISCHES
IV Oratio dominica.i
'' ure ^ feder ^ pu ^° eart ^^ in ^^ heofemim
Pater ooster, qui es in caelis,
^^ pin " nonia ^^ to ^^ cyme '^'^ pin ^Wice
Domen tuum. adueuiat regaum tuum.
-* ptn ^' swe -^ in ^' heofenum ^* 7 ^^ on
tua, sicut in caelo, et in
'>e '" IS '* gehalgad
sancliücetur
sie ^ willa
at uoluntas
' eorpan ^' hlaf
in terra. panem
to ^'deg ^'7 ^\forgef
hodie. et dimitte
^'^ nr ^^ deghweamlice ^^ sele ^^ us
nostrum colidianum^ da nobis
*°iis "^ scylda '''^ nssa ''^ swe '"'7 "^ us "^for-gef
nobis debita nostra, sicut et nos dimitlimus
^^ scylde "^ ure ''^ 7 '"" nu^ ^Us ^'^in^^lcede^ ^Un ^^ costunge
debitoribus nostris. et ne nos inducas(12'^) in teratationem,
sed libera nos
^* from
a
"yfele
malo.
' petrus'' ®^ cwep
Symbulum apostolicum.ß
^^ gelefu ^^ on ^^ god ^^ feder
Credo in deum patrem omnipo-
tigne ®* andre ^^ cwep '"' on '^ hcelende "^^ crit^ " sunu " Ms
lentem et in lesum Christum, filium eius
" on ■'^ ancendan " d '^ ur ^^ iocobus^ *" se ^' geecnad
unicum, dominum nostrum, qui natus
^^wes ^^ se ^^halga ^^ gast ^"7 ^'' mariam ^^ pere ^^ fcemnan
est de spiritu sancto et Maria uirgine.
im folgenden nur noch vor den einzelnen artikeln ^° cwed ^' iohen-
nas^ ^^ cwed ^^pkilippus ^'^ cwed ^^ bartholomeus
'•*' cwed ®^ matheus ^*"' cwed ^°* iacohus '"^ cwed
theus^ "^ mathias
cwed
tomas
'^ ta-
12'
^ ge-bletsad
Beatusio
°'pu
es,
eart
qui
me
non
112
uidisti
'"/a ^^'' ge-lefdon
et'i credidisli.
1 Überschrift rot. - cotidianum auf rasur, auch dahinter noch
rasur. ^ nu wol und nicht hu; auch in "noma ist der erste strich von
n etwas höher, als der zweite. '• de und zum teil ce aufgefrischt.
5 a les über sed. " Überschrift rot. ' 60. 61. 68. 69. 79. 90 — 105
scheinen mir von anderer mit den glossen gleichzeitiger hand geschrieben,
von der auch die notizen auf 44'' herrühren (siehe unten nr 688 — 712).
8 so hs. ^ tatheus zweimal geschrieben, aber das zweite mal getilgt.
>° anfang von Christi brief an Abgar. " quia über et.
MERCISCHES
61
'''god '''almahttg >" 7 ''' drihten ''' ur
13^ Deus omuipotens et dominus noster
?lend '^'xpi^ ''^7 '^se '^'halga '^^ gast ''" ge-hald
sus Christus et spiritus sanctus cuslodiat
i '^'on '^'dege ""ow ''' nwhte ''- lichoman "^7
diebus ac noctibus, corpus et
- '- '"' '""^ '-"ber '""hwer ''' on '"> ecnisse
lesus Christus
'""me '^'on ''' dege
me diebus ac
"*saul€ "'her ""7
animam, hie et
"' weoruld
saecula.
'*'^ bletsa '" me
ßenedicat me
^*^eteaw ^''^ p^m
137 ^g^
r "^ hwer '^^ on "" ecnisse
ubique in sempiterna
'^^ drillten
dominus
'" his
145 7
et
146
■ - gehald "^ ?ne
custodia! me,
153 ^g 154 7
"efeaio "«/»cw '^o ^ '" Äis '^'^ onsiene '"' me '"7
ostendat que dominus faciem suam- mihi et
^ gemildsige *°^ me '" gecer *^^ drihten '^^ ondwlüe '^° ä?s
miserealur mei: conuertat dominus uultum suum
*fo •«='me '''7 '''sele ''' me ''' sibbe '''7 '''hado
det mihi pacem et sanitatem.
" gemiiasigi
miserealur
"» to ''' me
ad me
170
' swP
"' mydap
Masnificat
13^ Hymnus sanctaß Marise.4
"^ mine "^ saule '" drihten
auima mea dominum,
in ^^^ Qode ^^^ ßinre^
deo
'" gast
mens in
^^"^ gelocap^
respexit
'*^ soplice
euim
'^^ flWe ''^ cneorissa '
omnes generationes;
^ mcehtig ^°' earf
polens
7 ^°* Äjs
'^^ eadmodmsinisse^
humilitatem
'"o/" ''>'pissim
ex hoc
" »HU
Spiritus
"^ forpon
quia
>»» sjÄ/e
ecce
"^ cweodad
dicent
^"" mjceZ
magna,
^"■^ noman^
eins, et misericordia eins
^" in ^"' c^n ^** ondreddende
in progenies timentibus
^'^ on "" his ^■-' earme
in brachio suo,
salutari
'7
et exultauit
'^^ halwendan
meo:
ancellaeä
*''- eadige
beatam
en
'°'pu
qui
forpon
quia
204 J
est, et
mild-heortnisse
* so. ^ sua?n über der zeile.
1,46 — 55. ^ a über e dieselbe hd.
' so! zwischen den beiden teilen dt
^^* dyde '^^ me
fecit mihi
^'' haiig ^ his
sanctum nomen
"^ from ^^^ cynne
a progenie
dyde ^^^ mwhtige
fecit potentiam
^^^ oferd-hydge"'
dispersit superbos
so hs. "• Überschrift rot; Luc.
^ der strich bedeutet zeilenschluss.
wertes steht ein punct in der hs.
^'' hine ""
eum.
'-^ to-stenzd
62
MERCISCHES
^" mode "' his
mente cordis
"•^ heorte
sui.
233 y
238
''' seile
de sede et
pa -^'-^ hyngriendan
esurientes
37 ^''pa -'Uceolan ^'^ for-let
et diuites dimisit
" israhel
Israhel,
^'^ he 2^« ase«e
deposuit
' «P 235 y^^^
exaltauit
^'"gefylM
impleuit
his 2^2 cw^/i?
puerum suiim,
^" idel-hende
inaues.
^^ wes
his ^^^ mild-heort-nisse
misericordiaei suae,
to ^®^ wrwm 2"* fcüdrum
patres noslros,
«H 2'" weorulde
usque in saeculum.
ad
269
2SS jyjg 259 /jg
sicut
Abraham
' </a ^°mcehtiggan
potentes
/a -^' eadmodan
humiles.
mid 2"^ godum
bouis
2''«Ae ^'^onfeong
suscepit
'' gemyndig ^^^ wes
recordatus est
wes 2®^ sprecende
locutus est
^ /»s ^^* secZe
260 ,
et
et
284
14' Canticum Zachariae.2
'^' ge-bletsung ^^^ ff ^"^ ^-orf ^^ forpon ^^^ sfcde
BEuediclus dominus deus Israhel, quia uisilauit
^'•' dyde ^-" alesnisse ^''he ^'^ ge-fyl-de ^''7 ''^ he ^''' us
fecit redemtionem plebi suae et erexit
up
2^' dauides
Dauid,
'''ßurh
rerde
^'^his
pueri
est
303 his
suorum,
309 lessep
liberauit
315 ^Y-om^
de
"99 mup
per
304^^ 30,
qui
310 ^g 31
nos
3'^ hodum^
manu
322 rfe^e 323 fQ
2«e Äom
cornu
293 cnihtes
sui,
OS
306 ßg
2«^ A(B?0
salutis
294 5y,g 29!
sicut
30' haligra
sanctorum
306 f^Q^
a
' in 290 ^^jg
in domo
29^ sprecende
312
oderunt.
^ /rom •"' wrwm
ab inimicis
3" allra ''' de
omni'um, qui
32* donrie
ad faciendam
32^ f^derum 329 7
noslris et
nobis
locutus
3*'2 witgena^ wit-gena*
prophetarum
30^ Mjeon(/rf '"' 7
saeculo sunt. et
3'3 feondum ^'* 7
nostris et
9 HS ^20 feodon
nos
^ mildheortnisse 326 ^j-^Z
misericordiam
^" gemunan
memorari
cum
331 his
patribus
1 m*eri undeutlich. 2 Überschrift rot; Luc. 1, 68 — 79. 3 ^ über
der zeile, ■* so doppelt in der hs. ^ obgleich das wort ausgeschrieben
ist, steht doch ein strich über 0: vielleicht war dieser für die nächste glosse
bestimmt. ^ so statt hondum; vgl. die vorhergehende anm.
MERCISCHES
63
^^2 haiig ^^^ cydnisse
testamenti sui sancti,
337 ^g 338 /jg 339 ^^^y.
'° to ^"^ habrahame
ad Abraham,
^'^ seilende ^'' pet
quod iurauit
^'^ /ierfer ^^' 6eon ^''•'^ ws ^^^
uostrum, daturum se nobis*, ut
349 g^ß 330^^ siihojtdum ''^ure'^ ''' feonda
de manibus inimicorum noslrorum
^^^ deo-wen-de ^^* /??m ^^' in ^^* halignisse ^^^ 7
seniiamus illi in
30« öe/braH 3«2 /j«m ^63 ^^^g
coram ipso omnibus
3«8 cw«Af ^«^ bist 3^° 5ec<7e(f5
puer, propheta
"^ pu ""^'^ forgonges ^'^^ soplice •"■ cer •"" onseone
praeibis enini
^^^ gearwien ^*' his '"'^^ weg
paraie uias eius
^^^ ^o«7ie ^^^ swergendan ^^^ ad
iusiurandum,
^ - wr?mi
patrem
sine tiinore
^^^ gefreode
liberati
sanclitate et iuslitia
''Ulagas ''' ure ''^7 ^^' pu
diebiis nostris. et tu,
^" he : : :* ^^^ witga "* geceged
allissimi uocaberis^;
•"' wr
ante
ad
drihtnes
''ncelo ''' gefyd^ "'' hio-i '''in
salutis plebi eius in
^^^ for-let-nis-se ^' porh '^* innopas
peccatorum eoium per uiscera
^^^uses ^^'^ drihtnes ^'^ on '^^ pwm
dei** noslri, in quibus
''°' ufan '"^ cumende
oiiens
'^pa '°'pe
sittap
qui in
sittap ''Uo
i'aciem (14^) doniini
^^^ sellenne '''" loisdom
dandani scientiani
^^^ heai^a ^"^ syntia
remisioueni
'^' mild-heortnisse
misericordiae
^o" he ^°' us-ic
uisitauit
"^ hcenisse ""^ inlehtati
ex allo inlumiuare
^^'^ deostrum
^" in
tenebris
'° gereccenne
dirigeudos
d
d
"" ure
pedes
hergiat
""- neosade
nos
'^'^'^ pissum
his,
■^'^ sciian^
et in umbra mortis sedent, ad
''' fet ''^in '^"sibbe '-' wege
nostros in uiam pacis.
^22 Uetsiat ^^ alle '-' werc
lö'^Benedicite^o^ omnia opera domini, domino; laudate
428 7 ^^ofer ''°up '^'hebbad ''' hine '''in '"weomlde
et superexaltate eum in saecula.
* daturmn se nobis über der zeile nachgetragen von derselben hd.
2 dahinter etwa 8 buchstaben radiert. ^gQfjjgj^g. vgl. 373. ''mehrere
buchstaben unerkennbar: zu erwarten hesian. ^ b über getilgtem u.
^ so hs. für gefyldl vgl. glosse 280. '' so hs. » die hs. hat dei
(abgekürzt), nicht rfoTwm/. ^u undeutlich; die glosse gehört natürlich
zu timbra. *° Daniel 3, 57—62. auf s. 15 steht oben am linken rande
gebdas; vgl. glosse 494.
64 MERCISCHES
'''t '^ttngela^
*3' ^ ^3« ä ''' heregap
4407
5, augeli
domini, domino; laudale
et
''' ofer ''' up
'''hebbap '"hine '"in '"
weorulde
superexaltate eum in
saecula.
^"t '''heofenas
'"d "nergap '''7 "'ofer "'up
B, caeli,
domino; laudale et superexaltate
''' hebbap ■'"' hine
1 '''in "'iceoruld "'t
'^^ weter
eum
in saecula. ^,
aquae.
''°pa '''pe
^62 Qß^ 463 JißQßyids ''' Siut
465^
quae
super caelos sunt,
domino;
"'' hergap ^" 7
''' ofer "' up "" hebbap
'■" hine
laudate et
superexaltate
eum
''^ in "" weoruld
"' t '■" alle "" megne
in saecula.
^, omnes uirtutes domini,
domino ;
"'t "^sunan "^7 ''°monan
laudate et superexaltate. B, sol et luua,
481 ^ 482 jiß^ggiap '^^ 7 ''' ofer
domino ; laudale et superexaltate eum in saecula.
19' oben rechts ^''^ef "' os'^ "'alle "' ic "' gecege
Hos omnes inuocabo
490^,3 491 j,^ '^'minne ">' fultwn
in auxilium meum. sancla Maria semper uirgo,
494 ^gJ4 495 ^^^ 496 ^H^^
beata et gloriosa dei genelrix, inlercede pro me cum omnibus
simul sacris uirginibus.
'^^ sele '^'me '^^ drifi ^'^pities ^°' eges '■"-heortan
12^ üona mihi, domine, timorem tuum, cordis
conpunclionem.
^"' alle ^ soplice
2A^ Omnis autem rede quaesiuit, quem tu recte quaerere
fecisti.
25"^ oben am rande f ^^pis gebed is he licum-licre ^^'^ gebyrde
usses drihtnes. anfang des gebeles Altus auctor omnium cre-
aturarum.
29'^ oben am rande ^'^ be hodunge ^'* cristes prowunge 7 his
fota ^^° gonge, anfang Cunclis uia es ad uitam. ebenda in der
mitte ist über dem anfang Domine, deus meus, qui es fons omnis
innocenliae eingeflickt ^^' be cristes tqrum 7 ^^^ be his ge-be-de.
30'^ in der mitte über Ego seruus tuus, lesu, tili magni dei
eingeflickt ^^® be his '"'^ swingellum cristes 7 be his ^'^ benduni.
' so hs. 2 so hs. ^ von a. hd. zu oJ>. * dh. gebide.
MERCISCHES 65
30'' oben am rande "" 6e cristes festenne 7 ^^^ costung^ from
deofle über Beata benedicta incarnataque clemenlia.2
31' oben am rande "He meniscum^ ^''^ domum de Mo on
god ^^° dem-don über P'idelium omnium aequissimus iudex, inner-
"' all
halb dieses gebetes: ab omnihus absohie iiiuculis. in der mitte
der Seite ^^- be poem pyrnenan ^^^ corenbege ofer cristes hcefde on
^^°rode eingeflickt über Gentium sola uitae expectatio.4
31^ zvviscben 4 und 5 zeile ^^^ be cristes byr[)enne pa ^^^ he
seolfa his rodde^ ber eingeflickt über Humilis, excelsa , sancta
singularisque pietas.
32' oben am rande ^™ be cristes lichoman na-cod-nis-se über
lesu , domine deus, uia, uita ac ueritas caelestis. ebenda ziem-
lich weit unten "" be "* cristes earma penninge 7 his **° honda
on ro-de über Karitatis auctor, castitatis^ doctor.
32'' mitle ^^^ be pcem ^'^ seolfnm hondum cristes 7 his ^^° des
halgan gastes siofenfaldlicmw geofnni eingeflickt über Lux lucis
inluminans mundum.
33' zwischen 4 und 5 zeile ^^^be des gallan berig-nesse de
"^^ user drihten berig-de eingeflickt über Magister hone, deus mens,
deus exercituum.
33^ oben am rande '^°^ pet und dann weiter unten und rechts
be ^°^ Misses drihtnes gebede de he ^'° his gast et-fest on his "'* fwdor
gewald über Nomen tibi est Emmanuhel^, noui testamenti lauda-
bilis lator.
34' oben '^" be cristes rode '*^*' 7 dro-wnng-ge über 0 uuige-
nitus dei ülius, qui mihi munus.
34^^ oben ^-'- be pon pe ^-^ usser drihten alles middan-geardes
leoh"^ ^^'^ belec^ über Princeps pacis, patientiae doctor. ebenda
zwischen der 5 und 4 zeile von unten ^^^ be cristes stenc' 7 ^^^be
py wyrgelse ofer cristes ^^° nes-dyrlum über Quaes,o^ te, praeclare,
clementissime deus, ut tu, qui omnium odore repletus fuisti uir-
tutum et in suppremo fine uenerabilis uitae narem claudendo
omisisti spiritum usw.
35' mitte ^''^ be cristes cerona loccum über Rex regum et
1 so hs. ^ dieses gebet hätte das zweite sein sollen! ^ so; i über
der zeile nachgetragen von derselben hd. '' s vor p getilgt. ^ hs. castatis.
^ das zweite m über der zeile. ' so hs. ^ belec nicht ganz deut-
lich; in dem gebete heifst es ua.: cum fuisti oblatus patri pro salute mundi,
tua uenerabiüa per mortem clausisti lumina. ^ Quae : so.
Z. F. D. A. XXXm. N. F. XXI. 5
66 MERCISCHES
dominus dominantium, tu, qui aures tuas pro me miscro in mortis
articnlo claudere permisisti usw.
35"^ zwischen 2 und 3 zeile ®^* be pere lounde on cristes
"° sidan über Sancte saluator, sanitas pereuntium.
36^ zwischen 2 und 3 zeile ^^' be siger-festnisse 7 sioipmod-
nisse ^'^ nses drilitms mtd pcem he ^°° pa ha/man ofer-com über
Te, forlissime, magne, potens domine, qui solus.^
36^^ zwischen 5 und 6 zeile *"'^ 6e cristes ^^^lice 7 be his by-
rigenge'^ über Verus largitor uilae perpetuae.
37'" mitte "" be cristes eriste fram hcelweanim über Christel,
qui es uita morientium et salus.
37"^ oben ^'''^be cristes npastjnisse on heofe-nos* über Ymnorum
solus dignus laudibus.
3S' zwischen 7 und 8 zeile ^^° be pes halgastes^ tocyme on
®** cristes apostolos^ über Zelotis , sempiterne deus.
39' rechts am rande ®"/a.
44' am rande rechts^ ^^^ lanuarins se ^^° mona bip onceled
et middre ^^^ ne[h]t^ feoruari[us]" se mona hp ''^onceled bip^
o[n]^ betwih middre^ ™^ niJit 7 honccrede:, martius bi[p]^^ '''" onceled
et honccred[e]^^ a>2
50' im Carmen Sedulii de natale (so I) doraini nostri lesu
''^ cedig ''^^ weoruld
Christi: Beatus auctor steculi.
* von beiden finde ich nichts in dem gebet: nur antiqiium siipei-asti ini-
micum. ^ ri durch ligatur, ^ xpe hs. * so hs. ^ von derselben band,
die 12'" die apostelnamen hinzugefügt hat (siehe s. 60 anm. 7). ^ das h
am ende der zeile weggeschnitten, ' s und ein teil von u am ende der
zeile weggeschnitten. ^ n teilweise weggeschnitten, der Schreiber wollte
offenbar onceled, wie bij), widerholen. ^ e über der zeile. '° p weg-
geschnitten. *i e zum teil weggeschnitten. ^^ war jedesfalls anfang
von aprilis,
Berlin, pflugsten 1888. JULIUS ZUPITZA.
COLLATION DER ALTENGLISCHEN
GEDICHTE IM VERCELLIBUCH.
Es dürfte nicht ganz ohne nutzen sein, wenn ich das ergebnis
einer vergleichiing der in der hs. von VerceUi enthaltenen ae. ge-
dickte, die ich bei einem mehrwöchigen auf enthalt daselbst in diesem
COLLATION DER AE. GEDICHTE IM VERCELLIBÜCH 67
Sommer vorgenommen habe, hiermit der öffentlichkeit übergebe, von
einer mitteihmg meiner collation der Elene konnte ich absehen, da
sie Ziipitza für die demnächst erscheinende neue aufläge dieses ge-
dicktes benutzt, die nachfolgende collation umfasst daher nur den
Andreas und die kleineren gedickte.
Die ks. selbst ist bereits von Wülker (Grundriss s. 237 ff)
ausführlich beschrieben worden: es sei mir indessen gestattet , einige
puncte kurz zu berühren, betreffs deren ick den ansichten W.s
nicht ganz beistimmen kann, die hs. bestekt aus 19, nickt aus
20 lagen, läge xis. umfasst nämlich fol. 129 — 135. fol. 135 ist
nickt angeheftet, sondern hängt mit fol. 130 zusammen, hinter
fol. 135 muss ein blatt, das mit fol. 129 zusammenhieng, verloren
gegangen sein, sodass diese läge, wie die meisten atideren der ks.,
ursprünglich aus 8 blättern bestand, ich glaube nicht, dass man an
allen stellen, wo sich zwischen zwei blättern ein schmaler falz be-
findet, was in der Vercellihs. häufig der fall ist, annehmen darf,
dass dieser falz der rest eines herausgeschnittenen Mattes sei; ich
möchte vielmehr glauben , dass der Schreiber manckmal pergament-
stücke gebrauch habe, die nicht grofs genug waren, um in der
mitte gefaltet zwei blätter zu liefern, um nun solche pergament-
stücke nähen und einheften zu können, muste er sie am rande
umbiegen, wodurch sich ein schmaler falz bildete, der allerdings
das aussehen hat, als sei er der rest eines herausgeschnittenen
blattes. solche falze finden sich nach fol. 29, 35, 38, 50 und 53;
ick glaube aber, dass an keiner von diesen stellen ein blatt kerausge-
nommen ist. dagegen ist wol nack fol. 42 und 1 03 je ein blatt verloren.
Was die schrift anbelangt , so meint W. (aao. 239) zwei oder
drei hände unterscheiden zu können, ick kalte dies nickt für
richtig, glaube vielmehr, dass trotz den scheinbaren verschieden-
keiten in der schrift die ganze hs. von einem sckreiber kerrükrt.
Die folgende collation ist nack dem Grein -Wülkerscken texte
angefertigt, nur abweichungen von diesem sind angeführt, die
großen und kleinen buchstaben^, die interpunction der ks. und die
Worttrennung kabe ick unberücksicktigt gelassen, sonst glaube ick
alles wesentlicke angegeben zu kaben.
^ in der hs. kommt häufig die hohe über die zeile verlängerte form
des i vor: in solchen fällen ist aber der buchstabe gewis als minuskel,
nicht als majuskel aufzufassen, wie fF. dies stets tut, vgl, seine anm. zu
Andreas 81 uo.
5*
68 COLLATION DER AE. GEDICHTE IM VERCELLIBÜCH
AJNDREAS. 38 haelejj] j) aus einem anderen hnchstahen.
61 grelle] r aus f. 120 lice] hinler e stand ganz deutlich s,
nicht ein dicker punct, icie Wülker angibt, der untere teil dieses
s ist ausradiert, der obere noch vorhanden. 123 togläd] a aus
36, d auf rasur. 158 hinter gerimes rasur von einem oder
zwei buchstaben. 301 die hs. hat deutlich faeled (ebenso deutlich
wie z. 478). 301 nefeoh auf rasur. 332 scealas (mit einem t),
das c kann möglicher weise aus t gebessert sein, ich glaube es aber
nicht. 338 zwischen ge und hvvaes rasur von w. 439 cunne-
dau] e auf rasur, 501 die hs. hat deutlich lanisceare.i 503 awec-
gan] g aus c. 507 am linken rande ist gekritzelt leof. 562 ich
glaube mit Sicherheit No lesen zu können, das o ist freilich sehr
undeutlich. 578 hreofum] f aus r. 638 zwischen afVefred und
}}<im rasur von dam. 651 hinter sylf'es rasur von etwa 3 buch-
staben, 660 blid] i ist ganz deutlich, d verblasst, jedoch noch mit
Sicherheit zu erkennen. 667 alrinibredj so die hs. (nicht gelimbred).
von dem m ist nur noch der erste strich vorhanden, der zweite
und dritte sind verschwunden, sonst ist alles deutlich. 710 J)eah
hie (nicht he). 754 7 (nicht and). 758 ys (nicht is). 810 1)JBS
( 7iicht \)cßr). 819 die hs. hat ganz deutlich berede, nicht berede.
846 die hs. hat |)ä he hira. 862 Vs. 885 heah] a auf rasur.
911 hinter sedeliug ist kein fehler im pergament, sondern rasur
von etwa zwei buchstaben, das folgende od steht ebenfalls auf
rasur. 923 gespreec] p aus einem anderen buchstaben. 949 am
unteren rande von fol. 41'^ ist gekritzelt eadgi}) , aber wider aus-
radiert. 962 bysinredou] b aus einem anderen buchstaben. 964 vor
slogon scheint ein buchstabe ausradiert zti sein. 967 röd] d aus d.
988 hinter belolden rasiir von 172 cm. 1008 gnorn] das erste
n auf rasur. 1019 wynnü. 1031 crung. 1040 waua })e tiftig
steht am anfang der zeile. 1042 leordaü] a aus 0. 1066 zwi-
schen vveorca und gil'ede rasur von vve, nicht |)a. 1070 hinter
J»a rasur eines tinvollständigen ' buchstaben. 1072 hycgende] g
aus c. 1103 teledon] n aus m. 1112 wees] s aus f. 1149 aly-
sed] lys auf rasur. 1206 weoroda] weor auf rasur. \2i59 nach
Jjreal rasur von d. 1286 welle] w aus u. der Schreiber schrieb
also zuerst neile und änderte es dann zu wille. 1302 J^a, 1308 die
hs. hat ganz deutlich deor. 1354 freme. 1425 die hs. hat ganz
deutlich tosiopen und adropen, das d ist aus d geändert, frei-
' der senkrechte strich deutet hier und im folgenden zeilensehluss an.
COLLATION DER AE. GEDICHTE IM VERCELLIBÜCH 69
lieh hat der Schreiber den querstrich des tt mir unvollständig aus-
radiert, sodass er noch deutlich zu sehen ist. 1481 nicht in mia,
sondern in mycel hat das m die form des grofsen buchstahen.
1-^81 gemet] dahinter rasur von einem buchstaben. 1493 die hs.
hat ganz deutlich sweras. 1506 hinter onsende rasur von einem
buchstaben. 1514 hinter syd}jaü rasur von zwei buchstaben (der
zweite war o). 1526 Äs. gajiz deutlich scerwen. 1528 lifebende
mit einem h. 1567 i'rol'rej das erste f aus r. 1598 gepioga]
über dem ge stand noch einmal ge; es ist wider ausradiert.
1601 ti\e. 1643 der zweite der ausradierten buchstaben war o,
nicht e. 1648 wis|fcestne. 1648 wordes] w auf rasur. 1698
fysan] s aus f. 1714 hs. ganz deutlich seolh padii.
APOSTEL. 18 Jireodode^ö,] unter dem he ist kein 7, sondern
nur ein verxoeis^ingszeichen. 43 gelsedde] dd deutlich aus dd. der
querstrich, der durch beide dd hindurchgeht , ist nur zum teil aus-
radiert und noch ganz deutlich zu sehen. 49 hs. ganz deuilich
J)as (jiicht Jises). 50 priste] dem e ist ein kleiner hakenförmiger
strich angehängt, der aber tool nichts zu bedeuten hat. 52 on-
lihted] i aus u. 85 hs. Dvs, nicht Dys. mit z. 95 schliefst
fol. 53'', auf 54^ oben folgt der schhiss des gedichtes (siehe unten),
ich glaube nicht, dass zwischen fol. 53 und 54 ein blatt ausgefallen
ist (vgl. oben s. 67).
REDE DER SEELE. 1 evRv. 17 hwan] n aiis b. 24 onj
n atis r. 38 göd] d aus d. 48 die hs. hat deutlich uieda, nicht
nieda. 63 vor minum rasur von 7. 65 dreanias] m ans einem
anderen buchstaben. 87 Wülkers sceolde ist natürlich nur druck-
fehler. die hs. hat sceolde. 137 hs. gretgej), der Schreiber schrieb
zuerst gretaj), dann änderte er a in se. 138 wine leofesta ah
die auf rasur. 145 hinter nie rasur von vier oder fünf buch-
staben. 148 ]3on] on auf rasur? 162 heofonü] n atis r.
PREDIGTBRUCHSTÜCK. 4 leon] n aus einem anderen buch-
staben. 28 gehaturn. 33 drefed] d aus d.
TRAÜMGESICHT VOM KREUZE. 27 pa. 29 holtes] h
aus einem anderen buchstaben'? 71 syddau. 75 Ijfer. 155 vvuldre]
d aus d.
Die folgenden accente hat Wülker übersehen: Andreas 249 6ce.
628 ag6f, nicht ägef. 779häbrähäme. 1128 föasceafl. 1483 örde.
Apostel 27 häde. 30 effesia.
70 COLLATION DER AE. GEDICHTE IM VERCELLIBUCH
Der \schhiss des ae. gedicktes Fata apostolorum.
Die ersten herausgeher der Fata apostolorum, Thorpe und
Kemble, nahmen an, dass das gedieht ein fragment und sein schluss
verloren gegangen sei. Wülker dagegen (Grundriss s. 239 und 242)
meinte, dass höchstens ein par verse fehlen könnten, indem viel-
leicht der Schreiber, um das gedieht noch unten auf dem blatte
beenden zu können, einige schlussverse seiner vorläge weggelassen
habe, meine collation hat ergeben, dass Thorpe und Kemble recht
hatten; nur ist der schluss des gedicktes nicht verloren, sondern
noch in der ks. erkalten, und zwar auf der folgenden seite. z. 95
der F. a. steht bekanntlich unten auf fol. öS"", während nack Wal-
kers angäbe auf fol. 54^ oben eine neue predigt heginnen soll, diese
angäbe berukt indessen auf einem verseken, die predigt hebt erst
fol. 54"^ an, auf fol.bi^ befinden sick die bisher ühersekenen sckluss-
verse der F. a., die ich unten zum abdruck bringe, wie schon
s. 67 erwähnt, glaube ick nickt, dass zwiscken fol. 53 und 54 ein
blatt herausgeschnitten ist, ich nehme vielmehr an, dass die mit-
zuteilenden Zeilen sich unmittelbar an z. 95 des gedicktes an-
sckliefsen.
Was diesen schlussversen ein besonderes interesse verleiht, ist
der umstand, dass hier, ebenso wie in Crist , Juliana und Elene,
der dickter sick durck eingestreute runen zu erkennen gibt und
dass wir somit berecktigt sitid , fortan auck die F. a. als echtes
werk Cynewulfs zu betrachten.
Eine grofse rasur zieht sich schräg über das blatt hin, wo-
durck leider viele buckstaben ganz versckwunden sind, die be-
treffenden stellen sind in folge der anwendung von reagentien ganz
braun geworden.
1. Genauer abdruck der kandschrift.
Der text ist zeile für zeile nack der hs. gegeben, cursiver
druck deutet an, dass die betreffenden buckstaben zwar verblasst,
aber dock nock mit vollständiger Sicherheit zu lesen sind, cursive,
in klammern eingeschlossene buckstaben dagegen sind entweder sehr
verblasst oder überhaupt nur noch teilweise zu sehen, sodass ich
nicht absolut sicher sein kann, richtig gelesen zu haben, näheres
über die einzelnen fälle bringen die anmerkungen. die mutmafs-
liche anzakl der durck die rasur getilgten buckstaben ist mit doppel-
COLLATION DER AE. GEDICHTE IM VERCELLIBUCH 71
puncten angedeutet, und zwar ist stets die höchste zahl angegeben,
die an der betreffeyideti stelle platz hätte, wenn die buchstaben dicht
hinter einander folgten und als ein icort geschrieben wären, nimmt
man an, dass an irgend einer stelle mehr als ein wort gestanden
habe, so wird die angegebene zahl zu hoch sein, da alsdann auch
die die einzelnen worte trennenden Zwischenräume mit in betracht
gezogen werden müsten.
Her mseg fintlan for jjances ^^leaw. sede /tine lysted leod gid
dunga. Hwa JDas fitte fegde . ^ . })ser on ende standaj)
eorlas jiBes oneordan b(r) : ca\i. Nenioton hie awa aet
somne vvoruld wunigende .(r). sceal gedreosan .h.
on edle sefter to (h) ::::::: (l) : eue lices frjetewa efne
swa .P. to glided.: (swa). (h) (hf^ ?) .crajftes neotad. nihtes
nearowe on him. :::::::::: ninges l^eo dorn. Nv du
cuunon miht . (h) :::::::: : (r)düm wees werO on cydig Sie
J)ses ge myndig :::::::::: (lujüge Jiisses gal dres begang
J)set he geoce ::::::::: re fricle ic sceall feor heo
2 das runenzeichen ist etwas verblasst, aber noch ganz deutlich zu
sehen. 3 br : caj)] dei' zweite strich des r ist verschwunden. 4 das
erste runenzeichen ist sehr verblasst, doch kajin man, wenn mari das blalt
gegen das licht hält, einen großen teil desselben noch erkennen. 5 to h]
hur der erste strich des h ist noch vorhanden, darauf folgt ein buch-
stabe mit einem unter die zeile herabreichenden strich ; hinter diesem ist
räum für zwei buchstaben und dann folgt wider ein buchslabe mit einem
unter die zeile herabsteigenden schenket. 6 zwischen glided . und swa
glaube ich schwache spuren eines buchstaben zu erkennen, das swa selbst ist
sehr undeutlich und ich bin keineswegs sicher, richtig gelesen zu haben,
darauf folgt ein punct und hinter diesem glaube ich das runenzeichen \i
erkennen zu können, dahinter sind undeutliche spuren eines zweiten
runenzeichens sichtbar, die darauf schliefsen lassen, dass ^ hier ge-
standen habe: es sind dies ein l^j^ mm. langer senkrechter strich, ein
3 mm. langer quersti'ich, der mit dem oberen ende des ersten einen winket
von ca. 57" bildet, und aufserdem vier kleine puncto, zioischen den beiden
runenzeichen ist räum für einen buchstaben (etioa ~\), es braucht aber
keiner da gestanden zu haben. 8 miht . li] der zweite strich des zweiten
h ist verschwunden. 10 von dem auf geoce folgenden buchstaben ist
nur noch der erste strich erhalten; dieser kann der erste teil eines ni, n
oder u sein, der dem re unmittelbar vorliergehende sowie der drittletzte
buchstabe haben lange tinter die zeile herabsteigende schenket: 7iimmt
man an, dass frofie hier gestanden habe, so würde letzterer dem ersten r,
ersterer dem zioeiten f angehören.
72 COLLATION DER AE. GEDICHTE IM VERCELLIBÜCH
nan an elles (f?) :::::: n/es neosan .sid aseltan. Nat
ic sylfa Invscr .o::(i)sse worulde wie sindon un cud
eard 7 edel .Swa (b):d selcü mann. neni|)e he god cundes
gastes bruce .(A)h(u)tvL we 1)6 geornor togode cleopigan
15 seodan iisse bene .on |)a beorhlau gesceaft. {)ael we
|)aes bolles brucan motan hames in hehdo l)8er is hihta
maest J)3er cyning engla .claenum glided. lean uu hwilen
DU ahis lof slanded niycel 7 msere 7 bis miht
seomaj) ece 7 ed giong .ofer ealle gesceaft. ÖNit.
11 dies] nur der erste strich des s ist noch vorhanden, hinter elles
scheint mir f gestanden zu haben, der unter die zeile herabreichende
strich ist noch deutlich zu erkennen, auch glaube ich die beiden quer-
siriche sehen zu können. 12 von den beiden zwischen o und isse
stehenden buchstaben kann man nur noch mit Sicherheit erkennen, dass
der erste strich beider bis unter die zeile reichte, was zur bestätigung
der annähme dient, dass fj) hier gestanden haben müsse, hinter isse
ist in folge eines fehlers im pergament ein leerer räum von 13 mm.
1-4 utu] nur der zweite strich des ersten u ist noch vorhanden.
IT glided] so die hs.
2. Hergestellter text.
Alle ergänzungen und sonstigen abweiclmngen von der hand-
schriftlichen Überlieferung sind durch cursiven druck bezeichnet,
abkürzungen habe ich aufgelöst und für die runenzeichen die ent-
sprechenden Wörter gesetzt.
Her mseg findan foreliances gleaw,
se de hine lysted leodgiddunga,
hwa J)as fitte fegde. Feoli \)ißr on ende
slandej), eorlas J)a3S on eordan bruca]).
5 Ne moton hie awa eardian setsomne,
woruldwunigende. Wen sceal gedreosan,
Ur on edle; sefter iohreosap
Isene hces frffitewa, efne swa Lago togbded,
• swa Cen ond Yr crseftes neolad
10 nihtes nearowe on him
5 zwischen awa und setsomne ist in der hs. keine lücke, jedoch ver-
langt sinn wie metrum eine ergänzung und zwar eines vocaUsch an-
lautenden verbums. 6 vgl. Elene 1264 ff. 9 ich habe weder diese
noch die folgende zeile herzustellen versucht. 10 sollten vielleicht in
der zweiten halbzeile die beiden fehlenden runen nyd iind eh gestanden
haben? die allitteration verlangt n.
COLLATION DER AE. GEDICHTE IM VERCELLIBUCH 73
CJ/Dinges J)eo(löm. Mu du cunnau mihi,
hwa Oll pam ^cordum wses vverum oncydig.
Sie |)8es gemyndig inann, se de lufige
Jjisses gaUlres begang, jjsel he geoce me
ond frofve fricle. Ic sceall feor heoiiao 15
an elles i'ord cardes neosan,
sitt asetlan , nal ic sylfa hwcer,
of p\sse woriilde; wie sindon uncuct,
eard ond edel. Swa bnl selcum menn,
nemlie he godcundes gastes bruce. 20
Ah utun we j)e geornor lo gode cleopigan,
sendan usse bene on J)a beorhtan gesceaft,
J)£et we t>8es botles brucan motan
hames in hehclo, pser is hihta maest,
J)aer cyning engla cisenum gjYded 25
lean unhwilen , nu a bis lof standed
mycel ond msere ond his miht seoma})
ece ond edgiong ofer ealle gesceaft. finit.
12 der sinn scheint mir zu sein: jetzt kannst du wissen, wer durch
diese (die vorhergehenden) worte den menschen bekannt gemacht werden
sollte, oncydig fasse /cA = ondcydig , wofür ich freilich keinen beleg
weifs; es ist jedoch zu erschliefsen aus unondcydignis {= ignorantia)
f^esp. Psalter 24, 7. neben der bedeutung wissend darf man wol die be-
deutung bekannt />V> dieses wort voraussetzen, vgl. Arf. kundig 7md altn.
kunnigr. 13 vgl. Fata apostolorum 88. 16 nach elles sollte man
hwaer oder h wider envarten, doch kann der auf elles folgende buch-
stabe unmöglich h sem. ich habe daher ford ergänzt (e. f. = anders-
wohin). 17 f vgl. Juliana 700 f. 21 utu für utun , der Schreiber
der Fercellihs. hat vielfach auslautendes n fortgelassen: auf fol. 116
steht zb. zweimal uto ; fol. 113'' buta (für -an) usw. 22 vgl.
Elene 1089.
Oxford, 26 august 1888. " A. N APIER,
DIE ABFASSÜNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN
EXODUS.
Eine datierung der Exodus hat zuerst FVogt in seinem auf-
satz über die Genesis und Exodus (Beitr. ii 284) versucht, auf
grund der fortschritte , welche das gedieht der Genesis gegen-
74 DIE ABFASSUNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS
über aufweist iu der spräche sowol, namenllich den flexions-
enduQgen, wie in reimlechnik und metrik, glaubte er es ein
menschenalter später als diese ansetzen zu dürfen und kam so
auf die zeit um 1100. — zweifellos ein späteres datum hätte
Scherer gewonnen , wenn er seine erwägungen über die Zeit-
bestimmung der Genesis (Geist), poeten i 59 f) auch auf die
Exodus ausgedehnt hätte, aber er legt sich bei diesem gedieht
die frage nach der abfassungszeit nicht vor, und so ist es schwer
ZU sagen, welche anzahl von jähren er für die zwischen Exodus
und Genesis hervortretenden differenzen in anrechnung gebracht
hätte. — was Kossmann in seiner ausgäbe der Exodus (QF lvii 4)
über die dalierung sagt, ist nicht ganz klar, man weifs nicht,
spricht er lediglich von der Exodus oder von Genesis und Exodus,
falsch ist jedesfalls, dass er sich bei der allersbestimmung der
band Schrift K noch von Diemers annähme leiten lässt, nach
welcher sie vor 1122 geschrieben sein muss, weil die investi-
turstelle, die auf die zeit vor diesem termin hinweist, nicht ge-
ändert sei. schon Scherer hat Geistl. poeten i61 diese argumen-
tation zurückgewiesen, auch ist es bei Kossmann falsch, wenn
er Genesis und Exodus deshalb in einen ganz nahen Zusammen-
hang rückt, weil sie in zwei hss. in gleicher weise überliefert
sind, denn darauf ist kein gewicht zu legen, wol aber auf den
umstand, dass in K die Genesis zwar umgearbeitet erscheint, nicht
aber die Exodus, da das schon auf eine beträchtliche zeitliche dif-
ferenz zwischen beiden gedichten hindeutet, übrigens hat bereits
Vogt davor gewarnt, sie als eng zusammengehörig zu betrachten.
Aber so folgerichtig auch dieser von seinem standpuncte aus
die abfassungszeit des gedichtes bestimmt, sein resultat scheint
mir doch anfechtbar, nur wenn man die Genesis als ein ein-
heitliches gedieht auffasst, kann man zu seiner datierung gelangen,
nimmt man dagegen an , dass -mehrere Verfasser an dem werke
beteihgt sind, so ist mit dem jähre 1100 ein viel zu früher termin
angesetzt, in so fern die zeit nicht in anschlag gebracht wird,
welche, wie Scherer s, 60 betont, die einzelnen in dem gedichte
hervortretenden manieren zu ihrer entwickelung gebraucht haben
müssen, auch leidet die allersbestimmung noch an einem anderen
mangel: sie stützt sich lediglich auf die beobachtung von spräche
und verskunst. sie kann darum nicht mehr sein als wofür sie
sich selbst gibt: eine ganz ungefähre Schätzung, denn leider
DIE ABFASSÜNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS 75
befähigen uus unsere beobachlungen und erCahiungen auf diesem
gebiete noch nicht, die entwickelung dieser darstellungsmillel
in Jahreszahlen auszudrücken, gilt doch heute noch, was Scherer
1874 schrieb, Geistl, poeten i 60: 'sichere Schlüsse können darauf
nie gebaut werden und wir wollen lieber die geschichte der
flexionen aus den anderweitig ermittelten altersbestimmungen der
gedichte entnehmen als umgekehrt.' glücklicher weise nun fehlt
es auch für die Exodus nicht an der möglichkeit, von anderen
puncten aus als spräche und reimkunst zu einer ungefähren
datierung zu gelangen.
Zunächst kommt das Verhältnis des gedichtes zum Vorauer
Moses in betracht. Scherer warf zuerst (Geistl. poeten ii 48) die
frage auf, ob der verf. dieses Werkes die Exodus gekannt habe,
und trug dann die stellen zusammen, die ihm auf Verwandtschaft
beider zu deuten schienen, aber er hütete sich es für sicher zu
erklären und fügte der frage gleich den satz hinzu, dass es schwer
zu beweisen sei. auch Roediger spricht in der anzeige des
Schererschen buches (Anz. i 69 f) nur davon, dass der verf. des
Moses die Exodus gekannt zu haben scheint. beide aber,
Scherer wie Roediger, hielten den Vorauer Moses für jünger als
die Exodus, denselben standpunct nimmt Kossmann ein. aber
gestützt auf die autorität seiner Vorgänger behauptet er schon
mit mehr Zuversicht, dass 'der Moses sich von der Exodus be-
reichert habe', obwol er dabei die für das Verhältnis der beiden
gedichte wichtigsten stellen gar nicht einmal ins äuge fasst, und
hält es für ausgemacht, dass 'eine entlehnung der Exodus aus
dem Vorauer Moses von vorn herein abzulehnen ist.' man sieht:
in ganz kurzer zeit ist die auffassung von der priorität der Exodus,
der Scherer eben nur den weg öffnete, schon zu einem unumstöfs-
lichen axiom geworden , dessen stärke sogar eine ganz natürliche
Schlussfolgerung umzustürzen vermochte. Kossmann nämlich hatte
schon die beobachtung gemacht, dass in denjenigen versen, in
denen der Moses und die Exodus anklänge an ältere gedichte,
wie den Ezzoleich und das Melker Marienlied, aufweisen, jener
den 'Wortlaut widergibt', diese dagegen nur 'den ungefähren reim,
wie er nach langem im obre klingen kann.' er streifte also
schon hart an der ansieht vorbei, dass der Moses das ältere ge-
dieht von beiden sei, und offenbar nur, weil in der anscheinend
hergebrachten, in würklichkeit aber nirgend mit ernstem nach-
76 DIE AEFASSUNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS
druck behaupteten aufCassung befangen war, wagte er nicht, jene
sich zu eigen zu machen, io der tat kann es aber nicht zweifelhalt
sein, dass die von ihm verworfene ansieht die allein berechtigte ist.
Ausgehen kann man bei der Untersuchung der frage etwa
von den versen Exod. 2510 ff: S6 ir ez wellet ezzen so habet
iimbemezzen mit guotem gedanche iwer selber lanche, gegurtet vaste
mide wol usw. sie gehen zurück auf Vulg. xii 11 sie autem com-
edetis illnm; renes vestros accingetis und bilden die einzige stelle
in dem ganzen gedieht, an welcher eine allegorische deutung
nach art der damals beliebten bibelexegese angebracht ist. aber
man kann nicht sagen, dass es mit glück und in sehr verständ-
licher weise geschehen ist. weder wird der gedanke ernstlich
durchgeführt, indem die weiteren anordnungen über das oster-
lamm einem gleichen verfahren unterworfen werden, noch tritt
die deutung in ihrer Vereinzelung wUrklich klar hervor, denn
dass der gurt, mit dem man die lenden zu umspannen hat, die
guten gedanken bezeichnen soll, sieht man gar nicht, sondern
erschliefst es nur mit mühe, die verse haben denn auch Ross-
mann bedenken erregt und er hat diese damit zu beschwichtigen
gesucht, dass er darauf hinwies, wie häufig die hier vereinzelt
und ungeschickt eingeflochtene deutung in der litteratur der da-
maligen zeit vorgekommen sein wird, und gewis kann man
einem geistlichen dichter, dem die methode der allegorischen
exegese von seiner amtstätigkeit her geläufig war, zutrauen, dass
er einmal in sie verfalle, ohne es eigentlich zu wollen und ohne
sich dessen recht bewust zu werden, aber noch viel besser be-
griffe man doch die Unklarheit, wenn die stelle sich als poetische
remiuiscenz, als anklang an ein älteres werk, dessen beuutzung
auch sonst hervorträte, erwiese, denn dass die dichter der älteren
zeit gerade bei einer solchen übernähme von versen oder reimen
gedankenlos verfuhren und eine genaue anpassung aufser acht
liefsen, ist schon häufig genug beobachtet worden, nun bietet
der Vorauer Moses, der die taten des biblischen beiden erzählt,
nur um allegorische deutungeu daran zu knüpfen, unter anderem
auch Diemer 41, 19 ff eine inlerprelatio, in welcher die in betreff
des osterlammes erlassenen Vorschriften sämmtlich in allegorischer
manier ausgelegt werden, das lamm ist Christus selbst, wie
jenes gebraten wurde, so ward dieser gemartert und getötet, die
schuhe bedeuten das gute leben, das wir führen, das gürten der
DIE ABFASSUNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS 77
lenden die reinen gedankeii, von denen wir erfüllt sein sollen,
das tragen des Stabes den gehorsam usw.: ist unser leben guot,
so sin wir wol geschuoht ; dö gurte wir die lanche, daz sint
die reinen gedanche; sin wir gehörsam , s6 muge wir wol den
stap tragen, man sieht: es ist derselbe satz und der gleiche reim
wie in der Exodus und man wird sich um so eher entschliefsen,
den Moses als die quelle anzusehen, wenn man in betracht zieht,
wie leicht sich aus seinem Wortlaut die fassung der Exodus erklärt,
während umgekehrt der versuch, aus dem Wortlaut der Exodus die
l'assung des Moses herzuleiten, nicht so einfach wäre, im Moses
ist, wie wir gesehen haben, die deutung der art, dass das gescuoht
sin allgemein im sinne etwa von gerüstet sein gefasst und darum
auf das ganze verhalten: daz gnote leben bezogen wird, das gürten
und stabtragen dagegen die einzelnen bedinguugen des guten
irdischen lebens: gedankenreinheit und gehorsam bezeichnen!
von dieser auslegung entlehnt die Exodus nur ein einzelnes
glied, eben den satz von der reinheit der gedanken. diese
specielle bedeutung aber, die in dem ganzen gefüge wol am
platze ist, mochte der verf. allein nicht gerne verwenden und
deshalb suchte er sie durch eine allgemeinere zu ersetzen, in-
dem er aus den reinen gedancheji guote machte, gerade dies
epilheton aber gibt die spur seiner quelle zu erkennen, denn
eben im Moses wird, wie wir gesehen haben, vom guoten
leben gesprochen. — eine stütze erhält diese argumentation noch,
wenn wir den Ursprung der deutung des gürtens ins äuge fassen,
sie stammt aus dem gebet, das der messe lesende priester beim
anlegen des cingulum zu sprechen hat. hier heifst es: praecinge
me, domine, cingulo purit atis , woraus ersichtlich ist, dass die
lesart des Vorauer Moses die der quelle näher stehende, also
vermutlich ältere ist.
Die nähere betrachtung dieser einen stelle wäre demnach
schon geeignet, die priorität des Vorauer gedichtes gegenüber
der Exodus zu erweisen, es kommt aber noch eine reihe von
anderen stellen hinzu , die diese auffassung bestätigen und eben-
falls auf ein directes abhängigkeitsverhältnis der Exodus von dem
älteren gedichte scbliefsen lassen, zunächst eine, wo uns wi-
derum eine inconsequenz des dichters auffällt, die sich aber hin-
länglich erklärt, wenn wir in ihr wie in der eben behandelten
eine reminiscenz an den Moses erblicken, der verf. der Exodus
78 DIE ADFASSÜNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS
folgt, wie jeder bei der oberflächlichsten vergleichung sieht, dem
gruadtext ganz sclavisch und gestattet sich Zusätze nur da, wo
er heeresaiisrüstungen, aufzüge udgl, schildern oder in die geleise
der volksniäfsigen heldendichtung einlenken kann, es muss daher
auffallen, wenn er v. 545 fl": he'rre wer bin ich oder wie stet iz
nmbe mich, daz ich mit Pharaöne mnge haben gechöse in dem
letzten reimpar auf die bevorstehende Unterredung mit Pharao
anspielt, ohne dass die Vulgata das motiv an der entsprechenden
stelle (ui 11) berührt, sie erwähnt es zwar an zwei anderen
stellen, nämlich iv 10, wo Moses auf seine schwere zunge hin-
weist, und VI 30, wo er widerum ausruft: en incircumcisus labiis
sum, qnomodo audiet me Pharao?, welche beiden sätze der verf.
der Exodus auch getreulich mitüberträgt, noch nicht aber in der
jenen versen entsprechenden partie. nun combiniert aber das Vo-
rauer gedieht nach seiner art diese drei stellen oder übergeht die
erste und dritte, sodass es das motiv von der schwerfälligen zunge
von vorn herein in den Vordergrund rückt und schon D. 36, 10 sagt:
mhi mniit der ist verhrnnnen, mir haftet min zunge, ich ne mac niht
wole chösen, vil icole tnot ez Aron. und eine erinnerung an diese
stelle wurde dann, wie ich glaube, die veranlassung, dass der verf. der
Exodus gegen den Vorgang der bibel das motiv schon an der ersten
stelle berührte, zwar wörtlich nimmt er den satz nicht herüber,
da er den namen Arön, der in der bibel erst iv 10 erwähnt wird,
hier noch weniger brauchen kann, als er streng genommen Pharao
erwähnen durfte, aber die änderung ist so leicht und, wenn
man auf die zu gründe liegende stelle in der bibel blickt, so
natürlich, dass man aus ihr keine bedenken gegen unsere an-
nähme wird herleiten wollen. derselbe reim erscheint dann
noch v. 1188. vgl. zu chösen noch v, 32.
Noch andere stellen kommen für die priorität des Moses in
betracht, stellen, in denen unterschiede in der form und technik
die kriterien für die altersbestimmung abgeben, zwar bei Exod.
V. 911, wo es heifst: er offenote aller der diete zeichen vile
scöne ähnlich wie im Moses an der entsprechenden stelle D. 37,20
Do er in daz laut cham unde er offenön began, daz si got der
guote dar uz geladet hete (Vulg. iv 30 fecit signa coram populo)
oder V. 2325 da wirt tms eroffenöt waz welle nemen got (Vulg.
X 26 praesertim cum ignoremus quid debeat immolari), bei diesen
Übereinstimmungen ist die frage nach der priorität schwer zu
DIE ABFASSUNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS 79
beantworten, um so deutlicher aberliegt das Verhältnis bei einer
anderen. D. 35, 19 bei der verwandelung des Stabes von Moses
heifst es: got sprach ze Möi/sen, stöz dine haut in dinen puosem,
und Exodus v. 731: du stöze dine haut sciere in daz gewant. ich
weiz er iz ne liez, in den buosem er si stiez, vgl. noch 741 I'. un-
zweifelhaft liegt hier eine benutzung vor und zwar ist die Exodus
die entlehnende, da sie den besseren reim und die bessere metrik
aufzuweisen hat. man sieht auch noch deutlich das verfahren
in der änderung. weil der verf. an dem reim Möijsen: puosem
anstofs nimmt, beseitigt er ihn, indem er eine handlung mehr,
das fassen ins gewand, hinzufügt, weil er aber, breit und red-
selig wie er ist, an der blofsen aufforderung zur handlung sich
nicht genügen lässt, sondern auch die ausführung erwähnen muss,
fügt er unter einschiebung von ne Idzen noch den zweiten satz
hinzu, gleichzeitig mit dem reim ist an dieser stelle auch die
melrik gebessert, reinere metrik gegenüber dem Moses zeigt auch
V. 213 f, welche stelle, wie Kossmann bemerkte, auf D. 32, 13
zurückgeht.
Am hellsten wird das chronologische Verhältnis der gedichte
beleuchtet, wenn wir die Wandelungen verfolgen, die eine stelle
aus dem Melker Marienlied bis zur Exodus hin hat durchmachen
müssen, in dem Hede heifst es str. 2, 1 f Jü in dem gespreidach
Möyses ein fiur gesach, daz daz holz niene bran, den louch sach
er obenan; im Moses 34, 28 f dö sach er ein viur an eineme ge-
spreide, daz holz niwenne bran, den lonch sach man obenan;
in der Exod. 463 f dö erscain ime got der gewäre, als iz lonch
viures wäre, in mittem deme gespreide wole verne an der heide,
daz viur was dar obenan (so wol zu lesen st. obenan ane),
daz holz iedoch niene bran. das dem Moses und der Exodus
gemeinsame gespreide im reim auf heide gegenüber der form
gespreidach im liede zeigt den Zusammenhang jener beiden ge-
dichte. andererseits offenbart sich das jüngere alter der Exodus,
wenn vom Moses der satz aus dem liede wörtlich übernommen
wird, bei ihr aber freier gestaltet erscheint, ferner, was lässt
auf den jüngeren Verfasser schliefsen, der vers: daz holz niwenne
brän mit seiner schwerfälligen metrik oder der entsprechende in
der Exodus, in dem alle scansionsschwierigkeit beseitigt ist und
in dem durch das einschieben von iedoch der gegensatz noch in
einer mehr modernen weise verstärkt wird? ich glaube, die ent-
80 DIE AßFASSUNGSZElT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS
Scheidung kann nun nicht mehr zweifelhaft sein, und haUe zweierlei
für erwiesen : dass die Exodus später als der Vorauer Moses ent-
standen ist und dass sie ihn widerholenthch benutzt hat.
Ich brauchte nicht hinzuzufügen, tue es aber, um misver-
ständnissen vorzubeugen, dass durch diese auffassung die beur-
teihing des Verhältnisses der Vorauer Genesis zur Wiener nicht
im geringsten erschüttert wird und dass, wer das glaubt, in den
oben gekennzeichnelen irrtum verfällt, als ob Genesis und Exo-
dus auf der einen, Vorauer Genesis und Moses auf der anderen
Seite eng geschwisterlich verbunden seien.
Dagegen wird durch die annähme, dass die Exodus jünger
sei als der Moses, die frage nach der entstehungszeit dieses ge-
dichtes allerdings anders beantwortet als es bisher von Vogt ge-
schah, denn da der Vorauer Moses den Joseph der Wiener
Genesis benutzt hat (Scherer Geistl. poeten i 57. n 46; nach
lloediger Anz. i 69 f auch die Schöpfung bezw. Kaiu und Abel),
der Joseph aber das letzte gedieht in der reihe der das erste
buch Mosis behandelnden darstellungen ist, so kommt man, wenn
man die zeit in anschlag bringt, die für die entwickelung der
einzelnen in der Sammlung hervortretenden manieren erforderlich
ist, schon für den Moses auf ein späteres datum als 1100. denn
dieses wäre die allerfrüheste zeit, die man für den Joseph selbst
anzusetzen hat. fällt nun aber der Moses schon nach 1100, dann
muss, bringt man die fortschritte in reim und metrik in an-
rechnung, welche die Exodus dem Moses gegenüber aufweist,
widerum deren abfassungszeit noch um ein beträchtliches später
angesetzt werden, schon aus dieser betrachtung ergibt sich so-
mit, dass die Vogtsche datierung zu einem zu frühen termin ge-
langt ist und dass die abfassungszeit des gedichtes bedeutend
hinabgerückt werden muss. zu demselben resultat wird man
aber auch noch von einer ganz anderen seite geführt.
Der dichter der Exodus findet ein sichtliches behagen an der
Schilderung kriegerischer ausrüstung und ritterlicher aufzüge, und
zwar äufserl es sich, ohne dass er darin von der vorläge irgend
angeregt wäre, ja es bricht selbst dort durch, wo der grund-
lexl gar keinen anlass dazu bietet, wie v. 1342 f, wo es sich um
die darstellung der ersten plage handelt, indem der dichter hier
die schar der frösche einem beere vergleicht, dem die üblichen
requisiten wie heim und brünne, ross und maulesel, schalt und
DIE ABFASSUNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS 81
bogen usw. fehlen, verfällt er eben durch die aufzähluug des
nicht vorhandenen in die beschreibung einer kriegsschar. man
wird sich deshalb nicht wundern, wenn er v. 2877 f beim aus-
zuge der Juden aus Egypten die gelegenheit benutzt, in der schar
der ausziehenden das ideal eines ritterlich ausgestatteten heeres
darzustellen, und wenn er kurz darauf v. 3039 f auch um das
beer der nachfolgenden Egypter den glänz ritterlicher bevvaffnuug
und ausriistung zu breiten sucht, den eine prachtliebende zeit
sich so gerne vor äugen rückte, gewann er doch durch diese
Schilderung gleichzeitig den vorteil, den contrast zwischen blühen-
dem leben und jähem tode in echt dichterischer weise hervor-
treten zu lassen, schon diese freude an dem strahlenden glänz
des rittertums aber deutet auf eine zeit, die den ersten kreuzzug
hinter sich hat, weil erst durch seine sei es directe sei es indirecte
nachwürkung der ritterlich- kriegerische sinn auch die deutsche
poesic so mächtig ergreifen konnte, dass selbst geistliche dichter
mit streng religiösen tendenzen ihm erliegen, wir werden aber
noch bestimmter über die zeit von 1100 hinausgeführt, wenn
wir diese Schilderungen in ihre bestandteile zerlegen und, indem
wir uns nach parallelen für sie aus der poesie des 12 jhs. um-
sehen, festzustellen suchen, welche altersgränzen für ihre an-
wendung vorhanden seien.
1) V. 1373 ein here gröz unde breit, vgl. auch 2877 daz
her breit, das epitheton findet sich bei scar oder her in der
heldendichtung dieser zeit häufig, schon im Annolied 424. 455
breite scarin, dann im Alexanderl. 3760. 4401 daz her breit,
Kaiserchronik 386, 6 ir scar was s6 breit, in Konrads Rolands-
lied scheint das epitheton in dieser Verbindung nicht vorzukommen,
wenigstens ist mir kein beleg zur band.
2) V. 1344 noh die hutteti noh gezelt. die ältere poesie ge-
währt für diese Verbindung keine belege, da Vor. Mos. 37, 24
wol mit hüten unde gezelten, nicht hutten (vgl. Mhd. wb. 1, 742^)
zu lesen ist, vgl. Diem. 55, 24; 81, 6 ff . aber bei Wolfram und
in den Nib. begegnet sie öfter: Wh. 16, 7 ir hütte und ir gezelt,
Nib. 551, 3 und Kudr. 1592 man sack vor Mateldne hatten
und gezelt.
3) V. 1343 iz ne vuorte schilt noh daz swert, vgl. Alexanderl.
4806 hie nist daz seilt noh daz swert.
4) V. 1347 ff in rossen noh in mülen .... noh die sou-
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 6
82 DIE ABFASSÜNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS
märe snelle oder träge, vgl. Rolandsl. 2509 ff in einer aufzählung
wie hier marh . . . vorloufte . . . olventen . . mnle, manegen son-
mdre gelathen vüe swdre. die Chanson de Roland hat dafür an
der stelle nichts unmittelbar entsprechendes, doch findet sich
757 f eine aufzählung: ne mul — ne runcin ne snmer, vgl. auch
480 f, genau wie in der Exodus ros, müh, soumdre zusammen-
gestellt sind.
5) V. 2879 manege halsperge wize die fuorten si ze vlize,
vgl. Kehr. D. 225, 9 si samenten sich mit flize, si vuorten manige,
halsperge icize und 159, 20 dd mähte man sehen gUzen manige
halsperge wize, vgl. Chanson 1042 hlancs osbercs, 1329 le blanc
osberc, ebenso 1022. 2499.
6) v. 2930 werden hornpogen erwähnt, im Rol. findet sich
dasselbe wort, aber nur als bezeichnung für die damit bewaffnete
maunschaft, nicht für die waffe selbst, vgl. v. 2625 und 4666.
wol aber begegnet in der Kehr. 224, 18 der vers sibenzec tnsent
man mit hornpogen und im Alex. v. 4502 und spienen ire horn-
bogen.
7) V. 1353 noh hörn neheiniz grözez nah chleiniz und v. 2933
manich hörn scelliz grözez und helliz. bei der kürze der Schil-
derungen darf die doppelte erwähnung des hornes als ausrüstungs-
gegenstandes immerhin auffallen, es sei daran erinnert, dass in
der Chanson wie im deutschen Rol., ganz abgesehen von der be-
deutung, die das Olivantmotiv gefunden hat, von hörnern oft
genug die rede ist und dass ihrer namentlich beim angriff wider
und wider gedacht wird: vgl. Chanson 1629.1746.1454.2132.
Konrad v. 5482. 6683. auch an Wates hörn in der Kudrun darf
erinnert werden, da wir wissen, dass gerade dieses gedieht im
beginne des 12 jhs. in Baiern bekannt war (vgl. Scherer QF 7, 63
und LG s. 731). sonst herehorn Annol. v. 449 = Kehr. 16,24
und einmal im Alex. 3239.
8) 2918 ff diu swert . . . wdren brnn unde wiz, vgl. Alex.
4360 daz brun isen, v. 1734. 4465 die brunen ecken. Rol. nur
vom heim 2661. 3345. vgl. Chanson 1043 luisent eil espiet brun,
1953 Halteclere dunt li acers fut bruns, 2089 sespee d'acer brun,
aber auch vom heim heifst es 3603. 3926 rhelme d'acer brun.
9) v. 2883 heim und die brunne die seinen sam diu gimme,
si lühten sam die Sterne, die chös man also verne. für die Zu-
sammenstellung: heim und die brunne sei zunächst bemerkt, dass
DIE ABFASSUNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS 83
auch io der Chanson bei der darstellung der ausrüstung die Ver-
bindung der begriffe begegnet, vgl. 3078 Helmes lacez e vestiies
lur brnnies, 2988 ad vestue brunie Lacet sun keime, v. 2572 sun
keime e sa brunie. im übrigen findet sich der erste vergleich
schon Vor. Mos. 56, 16 die süle darinne die lühten sam ein gimme,
derselbe vers Diemer 81, 11 nur sam diu gimme, der andere,
so viel ich sehe, erst im Alex, und Rol. dort v. 5982 si lühten
s6 die sterren näh nnde verre, derselbe reim noch 6419. 7047.
hier v. 1552 Mhten sam thie sterren xoitker äbant, v. 3354 seein
sam tkie sterren unter tken wölken, auch 8407 si lühten sam
tkie sterren vone golde unt vone perlen! das motiv an sich, den
glänz der helme hervorzuheben , findet in der Chanson reichste
analoga Vom einfachen l'helme der oder flambius 3274. 3865.
1022, mit dem etwa die schinintin keime im Annolied zu ver-
gleichen sind, bis zu formein wie 1542. 1995. 2500 l'kelme
ki est ad or gemmez oder v. 1452. 3306. 3616 l'helme li freint
ü les gemmes reflambent, luisent eil helme as perres d'or gemmees
oder 1326 l'helme, ü li carbuncle luisent, die unserer stelle schon
ganz nahe kommen.
10) V. 2918 fr der swerte gehilze die si truogen umbe sich
(zewdre des phlige ich mich) diu seinen vil verre, Chanson 1364
D'or est li heiz e de cristal li punz, vgl. noch 684 as punz
d'or neielez.
11) V. 2891 si wären um daz ort vil chleine gewieröt , vgl.
Graf Rudolf A^ 14 gewieröt zu den orten mit dem edelen gesteine.
12) V. 3055 die listen alumbe von röteme golde, vgl. Rol.
v. 1616 ff zobel was thar under, thiu liste nithene umbe thurh-
soten guldin.
13) zweimal werden in der Exodus bunte fahnen erwähnt:
V. 1357 zeichen diu wizzen, röten vanen breiten, den ne moht
iz geleiten, wo also weifse und rote genannt werden, und v. 3041 ff
si keten manegen breiten vanen . . . manich zeichen röt, maneger
gruone unde loiz. zunächst erscheint das epitheton breit bei
vane auch Kudrun v. 1373 noch sihe ich hie bi weiben einen vanen
breit von wolkenbldwen siden, die drei färben aber nur im Rol.
und in der Kehr, dort heifst es v. 632 manegen helt kuonen,
manegen vanen gruonen, manegen röten unde wizen, thie velt
sähen sie glizen, hier 159, 15 fast wörtlich er hete manigen helt
kuonen, manigen vanen gruonen, manigen wiz unde röt, ebenso
84 DIE ABFASSUNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS
308, 19 mmiigen vaneii wizen, manigen griione unde rot.
aber auch io der Chanson heilst es zweimal v. 999 und 1800
E gunfanuns blancs e blois e vermeilz, sodass nur die
gleichung blois = gruone der erklärung bedarf, im deutschen
Roi. werden noch öfter die färben der fahnen erwähnt, so heifst
es V. 8179 manegen vaneti weihen, gruone und weitin, welche
stelle wegen des verbs weihen wie wegen der blauen färbe an
die oben citierte der Kudrun erinnert, und v. 3343 vile manegen
wizen vanen. die Zusammenstellung der drei färben erscheint
noch einmal, wenn auch nicht bei fahnen, v. 7175, wo es heifst:
thd sack man glizen manegen phellel wizen, manigen röten unde
gruonen. hier liegt wol eine secundäre, durch Übertragung
entstandene anwendung der formel vor. denn dass diese Zu-
sammenstellung formelhaft ist, scheint mir unzweifelhaft, schon
der umstand beweist es, dass alle mal das manig wider erscheint,
so unwesentlich es auch vom sachlichen standpunct aus ist. die
formel scheint da angewendet worden zu sein , wo es auf die
Schilderung eines mit der ausrüstung fertigen oder im anrücken
begriffenen heeres ankam, aus dem die fahnen als das sicht-
barste herausleuchteten.
14) V. 2935 olhende und mule, esil vile tiure und die
schon oben citierte stelle 1347 f in rossen noch in muten, ge-
reiten vile tiuren, vgl. Rol. v. 469 f siben hundert mule, guot
unde tiure, siben hundert olbenten und v. 2509 f unde vor-
loufte tiure, olventen unde mule, endlich v. 1078, wo dieselbe
Zusammenstellung bei anderem reime erscheint: ire mule und
ire olbenten. davon geht die erste stelle (vgl. Golther, Rolands-
lied, München 1887, s. 1) zweifellos auf die französische vorläge
zurück: Chanson 31 f set cens cameilz iiii c. muls, wäh-
rend für die zweite uns zwar keine direcle entsprechung vor-
liegt, doch aber nach den spuren in der Chanson, auf die Golther
s. 62 hingewiesen hat, zu erschliefsen ist, vgl. zb. Chanson 847
Muls e chevals e cameilz. wegen der dritten stelle aus Konrad
v. 1078, die für uns nicht in demselben mafse wie die beiden
anderen in betracht kommt, weil ihr der characterislische reim
fehlt, sei auf Golther s. 59 verwiesen, wozu jedoch die anzeige
des buches in der DLZ 1887 sp. 1336 verglichen werden möge.
Wir sind weit davon entfernt, allen diesen parallelen gleichen
wert für die beantwortung unserer frage beizumessen und zu
DIE ABFASSÜNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS 85
glauben, dass der anblick dieser tabelle genügt, um jeden von
der zeitlichen Verwandtschaft der Exodus mit den citierten dicht-
•werken zu überzeugen, wir wissen genau — was bei der phi-
lologischen ausnutzung von Übereinstimmungen oft genug über-
sehen wird — , dass nicht für alle nur die eine erklärung möglich
ist, dass sie aus den herangezogenen gedichten selbst stammen,
nicht einmal die folgerung, dass sie auf der gemeinsamen be-
nutzung von gedichten beruhen, die in derselben zeit neu ent-
standen sind, ist zutreffend, von den angeführten Übereinstim-
mungen ist ein grofser teil sicher der art, dass sie als ahes gut der
poetischen technik gelten müssen, fällt doch gerade in den be-
ginn des 12 jhs. das wideraufblühen des deutschen helden-
gesaoges, dessen kunstweise auf den dichter der Exodus nicht
ohne einwürkung geblieben sein wird, ja es ist deutlich, dass
sie an ihm, namentlich so weit sie sich in einer reihe altüber-
lieferter formein äufserte, einen treuen und eifrigen nachahmer
gefunden hat. wie aber sein werk, so haben auch die anderen,
zb. Alexanderlied, Rolandslied, Kaiserchronik von dieser blute
der kunst profitiert und spuren jener dichtweise haben sich auch
in ihnen erhalten, wenn wir also nicht andere kriterien nach-
zuweisen vermögen, auf grund deren die Exodus später verfasst
sein muss als diese gedichte, dann haben wir mit einer reihe
der aufgefundenen Übereinstimmungen nicht mehr festgestellt,
als dass unser werk in einer zeit gedichtet wurde, da der helden-
gesang im schwänge war. diese reihe der parallelen wird re-
präsentiert durch die nummern 1 — 8, in so fern wir in ihnen stil-
mittel jener alten , damals erneuerten heldendichtung erblicken.
An dieser auffassung kann uns zunächst auch nicht der um-
stand irre machen , dass wir für 4, 5 und 8 belege aus dem
französischen Rolandslied beizubringen vermochten. wo be-
rührungspuncte eines deutschen gedichts mit einem französi-
schen vorliegen, da ist die annähme unmittelbarer beeinflussung
des einen durch das andere nicht das einzige erklärungsprincip. die
Übereinstimmung kann auch in einer ganz anderen tatsache ihren
grund haben, wie Frankreich selbst aus zwei elementen erwuchs,
einem germanischen und einem romanischen, wie seine spräche
aus diesen beiden besteht, so muss auch sein heldentum aus
beiden erwachsen sein, folglich muss auch die heldenpoesie, der
niederschlag des heldenlums von ihnen beiden durchtränkt sein.
86 DIE ABFASSUNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS
es fehlt uns auch nicht au Zeugnissen dafür, dass die ursprüng-
liche, germanische heldensage in Frankreich noch forllehte, vgl.
KHofmann Zs. 28, 143 f, Müllenhoff Zs. 12, 289 f und 23, 159 f.
demnach sind wir, wenn wir in der deutschen heldenpoesie und
ihren abarten auf eine reihe von moliven, formein und ausdrücken
slofsen, die auch in der franzosischen dichtung begegnen, noch
nicht berechtigt, von vorn herein auf entlehnung zu schliefsen.
oft wird es sich, ganz abgesehen von solchen motiven und phrasen,
die auch zwei durchaus unverwandte Völker mit einander teilen
können , um Übereinstimmungen handeln , die sich -aus der zeit
herschreiben, wo beide Völker noch eins waren oder als eins sich
fühlten, gerade aus dem kreise, in dem wir uns hier bewegen,
bietet sich ein lehrreiches beispiel für die beobachtung, wie sich
ein aus so früher zeit stammendes motiv in den poesien erhielt,
die sich nachher getrennt und unabhängig von einander in eigener
nationalität entwickelten.
Wie die leichname verstorbener wilden tieren preisgegeben
wurden, das zu erzählen, wird die alte poesie oft gelegenheit
gehabt haben, und es weisen noch spuren darauf hin, dass das
motiv zu einer zeit schon Verwendung fand, als Deutsche und
Franzosen noch eine gemeinsame poesie hatten, es begegnet in
der Chanson zweimal und in einer weise, dass die formeihaftig-
keit des ausdrucks noch deutlich durchblickt, vgl. v. 1751 n'en
manger unt ne In, ne por ne chen und v. 2591 E Mahumet enz en
un fasset butent E porc e chen le mordent e defulent. aber die
formelhaftigkeit scheint auch für die deutsche poesie gesichert,
wenn Konrad diese stellen nicht wörtlich widergibt, sondern nur
ungefähr überträgt, indem er das eine mal v. 6051 nur von den
vögeln Wime seiden then vogelen niht ze teile werthen, vgl. noch
V. 8500 thitien boteh ih then vogelen lege, das zweite mal v. 7137
thie gote hiezen si werven under thie hunde nur von den hunden
spricht, und wenn er dann in der Kehr. 309, 22 f beide stellen
zusammenfasst und von vögeln und hunden spricht: Der cheiser
leit den bdbes uf den hof. man sack ie dannoch den potech ligen
töten, swie in zevuorten genöte die vögele jouch die hunde; die
netvalten nehein stunde, alse dar an wol seein, iz wwre hüt oder
bein, al daz si mähten geniezen, anders si dd nieht verliezen. es
kommt hinzu, dass auch schon in Cynewulfs Eleue der gedanke
hervortritt in den versen 27 f : fyrdleod dgöl wulf on walde, wcel-
DIE ABFASSÜNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS 87
riine ne mdd: nrigfedera earn sang dhdf Iddum on Idste, und
eodlicb, dass auch der dichter der Exodus das motiv behandeh,
indem er v. 157 (T in derselben negativen weise, in der er bei
der darstellung der ersten plage einen heereszug schildert, hier
den anblick eines leichenfeldes sich ausmalt, die anlehnung an
eine überlieferte formel scheint mir auch durch diese warme und
lebhafte darstellung noch durchzuschimmern und die ähnlichkeit
mit der stelle in der Elene ist unverkennbar, der dichter will
erzählen, wie die ammen Sephora und Fua dem befehle nicht
gehorchten , den Pharao in bezug auf die ermordung der neu-
geboreneu jüdischen knaben erlassen hatte, und sagt: dd ne dorfte
der rabe bluotigen snabel haben, dd mähten die gire verlieseyi ire
giwen, jouch der wolf grdice nedorfte dare gdhen noh die hesse-
hunde mit himgerigen munde. . . .
So steht uns also ein sicheres beispiel dafür zur Verfügung,
wie lange sich ein motiv, das einer frühen zeit der poesie aa-
gehörl, erhält, indem es noch in späten epochen national ver-
schiedener litteraturen, die aber von jener alten poesie ihren aus-
gangspunct genommen haben, widerkehrt, und nichts hindert
uns für die Übereinstimmungen in den nummern 4, 5, 8 diese
analogie uns zu nutze zu machen und sie in ähnlicher weise zu
erklären, dennoch sind auch die nummern 1 — 8 für unsere
frage von nicht zu verkennender bedeutung. wenn ein werk
wie die Exodus, das seinen rein biblischen stofT in religiöser
tendenz behandelt, die darstellungsmittel der heldensagendichtung
entlehnt, so muss diese poesie damals bereits sehr im Vorder-
gründe des allgemeinen interesses gestanden haben, dass diese
talsache aber für die datieruug des gedichts nicht gleichgiltig
ist, begreift jeder.
Nicht so leicht wird man sich eutschliefseu , bei den num-
mern 9 und 10 vom erklärungsprincip des gemeinsannen ur-
besitzes gebrauch zu machen, dass schon in der zeit vor der
inneren und äufseren Scheidung der Franzosen von den Ger-
manen die poesie in dieser weise die pracht der waffen be-
tont hat, ist möglich, da der glänz der antiken cultur, der die
Germanen in die südlichen gefilde lockte, in ihre dichtungen am
ehesten eingang gefunden haben wird, andererseits aber liegt es
nahe, bei der frage nach dem Ursprung der Übereinstimmungen
daran zu denken , dass das ganze ritterweseu mit seiner Vorliebe
88 DIE ABFASSUNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS
für den pruuk von Frankreich aus zu uns gedrungen ist und
dass mit ihm der sinn für glänzenden schein und strahlenden
schmuck eben durch die poesie, als die anerkannte trägerin neuer
ideen, uns vermittelt wurde, doch wollen wir uns bei dem ge-
ringen material, das uns hier zur verlügung steht, in dieser
alternative nicht entscheiden und «lie frage offen lassen, nur
daraufsei hingewiesen, dass die ganze Schilderung in der Exodus
V. 2886 ff. 2901 f. 2916 f usw. schon durchaus von jenem sinn
für luxus und eleganz erfüllt zu sein scheint, der im anfang des
12 jhs. dank der einwürkung Frankreichs in Deutschland zu er-
wachen begann.
Auch der blendende einklang in nr 13 soll uns nicht zu
einem voreiligen urteil verleiten, in der Zusammenstellung der
drei färben könnte immerhin eine uralte volkstümliche anschauung
stecken, wird doch bei Walther in seiner nicht gerade höfischen
Elegie die farbenfrohe weit 124, 37 diu uzen schoene gleichfalls
iciz, grüene unde rot genannt, vgl. 75, 25 diu weit was gelf, rot
unde Md.
Um so sicherer dürfen wir aber in nr 14 einen directen
einfluss der französischen poesie auf die Exodus erblicken, hier
kann weder von einem zufälligen zusammentreffen die rede sein,
da Chanson, Exodus und Rolandslied zu genau übereinstimmen,
noch kann, um es kurz auszudrücken, ein urzeilliches motiv
vorliegen, unmöglich können damals, als Deutsche und Franzosen
noch eine uation bildeten und an 6iner poesie sich erfreuten,
in ihr kameele als lasttiere des heeres erwähnt worden sein,
die kenntnis von ihrer Verwendung setzt zweifellos nahe berührung
mit dem Orient voraus, man darf an die kämpfe der Franzosen
mit den Saracenen in Spanien denken und vermuten, dass deren
dichterische verherlichung das motiv einbürgerte, man begreift
das, wenn man in VHehns buche Kulturpflanzen und haustiere^
s. 28 f liest, wie in älteren Zeiten bei den Semiten das kameel
das ross völlig vertrat, auch die meinung, zu der man leicht
kommt, dass auf beide, die Chanson wie die deutschen gedichte,
ein drittes, etwa die bibel (vgl. Jüngere Judith Diem. 134, 12
er vuorte olhenten dne zal genau nach dem grundtexi), gleich-
mäfsig eingewürkt haben könne, sodass sie unabhängig von
einander auf dasselbe motiv gerieten, hält nicht stich, weil dann,
abgesehen von anderen Schwierigkeiten, die Übereinstimmung im
DIE ABFASSUNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS 89
Wortlaut der Formel, die verbinduDg vod mauleselo und kameeleu,
unerklärt bliebe, somit ist die annähme eines inneren zusammen-
hanjjes zwischen der französischen formel und dem deutschen
ausdruck uuabweislich. sie wird noch verstärkt, wenn wir Exod.
3043 die al swarze möre als bezeichnung für die Egypter lesen,
worin gleichfalls eintluss der französischen epik zu erblicken sein
dürfte, es erhebt sich demgemäfs nur die frage, wer von jener
formel eher gebrauch gemacht hat, die Exodus oder das Rolands-
lied, mit anderen worlen, welches der beiden gedichte älter ist.
Für den ersten augenblick möchte man geneigt sein, das
Rolandslied für älter zu halten, weil man sich eher vorstellen
kann, dass dieses gedieht mit seinem mächtig ergreifenden slofle,
dessen nachwürkung auf Jahrhunderte sich erstreckte, auch jenen
Übertrager beeintlusst habe, als dass umgekehrt dessen bescheidene
arbeit in dem grofsen werke spuren hinterlassen haben sollte.
aber die erwägung ist falsch, schon deshalb, weil sie voreilig
schliefst und, ohne die übereinstin)mungen näher zu prüfen, von
vorn herein annimmt, dass sie auf directer benutzung beruhen,
während sie ebenso gut durch mittelglieder veranlasst sein können,
in der tat ist das Rolandslied jünger als die Exodus, wie sich
aus der betrachtung der reime in den einzelnen Übereinstim-
mungen mit Sicherheit ergibt, wenn es in der Exodus v. 1351
heifst: tioh die soumdre snelle oder t r d g e , im Rolandslied aber
V. 2511 f manegen soumdre gelathen vile siodre, so scheint es
klar, dass beiden dichtem dieselbe formel vorgeschwebt hat und
dass der eine, der Verfasser des Rolandsliedes, nur ändert, um
den reim zu modernisieren, folglich ist er der jüngere und
jener der ältere dichter, die entscheidung wird unterstützt, wenn
man Exod. 3055 die listen alumbe von röteme golde gegen
Rolandsl. v. 1616 hält, wo es heifst: diu liste alumbe thurh-
soten guldin, oder wenn man Exod. 1423 Die gebruoder ge-
lieben von dem chunege giengen mit Rolandslied 1728 und
3225 Thö sich thie gelieben vone ein ander gesciethen ver-
gleicht, beide mal handelt es sich um die gleiche erscheinung
wie vorher: dieselbe formel tritt dort in einem älteren, hier in
einem jüngeren gewande auf.
Wir wissen also jetzt: die Exodus ist nach demVorauer
Moses gedichtet und zwar zu einer zeit, wo der einfluss der
französischen epik im südlichen Deutschland schon mafsgebend
90 DIE ABFASSUNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS
war und vor 1131, iu welches jähr nach ESchrüder (Zs. 27, 82)
die anfertigung der Übersetzung des Rolandsliedes zu setzen ist.
es fragt sich nur noch, wie weit wir mit der abfassungszeit von
jenem terminus a quo bis zu diesem terminus ad quem zu
rücken haben.
Für die beantworlung dieser frage kommt es zunächst darauf
an, die tatsache, dass in der Exodus einvvürkung der französischen
epik sichtbar ist, in ein datuni umzusetzen dh. festzustellen, um
welche zeit es möglich war, dass ein gedieht von der art des unseren
in dieser weise beeinflusst wurde, leider ist hierfür eine genauere
bestimmung nicht zu gewinnen, weder waren die Übereinstim-
mungen zwischen der Exodus und der Chanson der art, dass
man sagen konnte: hier liegt eine directe beeinflussung durch
dieses und kein anderes gedieht vor oder gar: die uns vorliegende
Chanson und keine ältere redaction ist von dem deutschen dichter
benutzt worden , noch wäre, selbst wenn es uns gelänge, dieses
beides nachzuweisen, damit viel gewonnen, denn die abfassungs-
zeit der uns vorliegenden redaction fällt nach gewöhnlicher an-
nähme so früh (um 1100), dass aus diesem umstand allein für
uns nicht mehr zu erschliefsen ist, als wir nach der Untersuchung
der beziehuugen der Exodus zum Vorauer Moses schon wissen,
und an einer handhabe für den nach weis, wann die Chanson
vor Ronrads Rolandslied nach Deutschland gelaugt sein könnte,
fehlt es uns gänzlich, wir können also, wollen wir dieses
moment vom französischen einfluss in der Exodus für die da-
tierung ausnutzen, nur ungefähre erwägungen von der art an-
stellen, wie oben s. 87, wo wir gegenüber dem einfluss des
heldengesanges den character unseres dichters und die art seines
Stoffes hervorhoben. wie dort müssen wir uns gegenwärtig
halten, dass nicht ein zunftmäfsiger Sänger vor uns steht, der
einen altüberlieferten, oft behandelten stoff zu bearbeiten hat, dem
er im wettkampf mit concurrenten und um die gunst eines ver-
wöhnten publicums buhlend durch eine neue behaudluugsart einen
erhöhten reiz zu verleihen sucht, sondern ein geistlicher, der ent-
fernt von weltlichen interessen, auch abseits, wie es scheint,
von dem kämpfe gegen die spielleute und rein religiöse tendenzen
verfolgend einen biblischen stoff möglichst wörtlich überträgt,
wie mächtig muss also der einfluss der französischen dichtung
im südlichen Deutschland schon gewesen sein, wenn es möglich
DIE ABFASSUNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS 91
ward, (lass ihn ein solcher bearheiter an sich erfuhr! nun ist
aber, wie eine directe eiowürkuug der Chanson in der Exodus
für uns nicht wahrnehmbar war, ein unmittelbarer einQuss eines
französischen gedichtes auf sie überhaupt nicht wahrscheinlich,
in so fern ihrem verf. die kenntnis der fremden spräche kaum
zuzutrauen sein dürfte, folglich, so muss man schliefsen, war
schon eine reihe französischer gedichte entweder in lateinischer
Übertragung — der schluss des deutschen Rolandsliedes weist ja
auf das Vorhandensein solcher Übertragungen hin — oder in
ihrer eigenen spräche im südlichen Deutschland vorhanden , ehe
der verf. der Exodus dazu gelangte, diese gedichte auf sich ein-
würken zu lassen, wir dürften somit der zeit ganz nahe sein,
wo das eindringen der fiemdländischen litteratur auch schon zu
ihrer directen aneignung führte und wo das erste deutsche ge-
dieht auf französischer grundlage, die Übersetzung des Alexander-
liedes, zu Staude kam.
Diese erwägungen werden durch weitere beobachtungen unter-
stützt, schon die nummern 1, 3, 6, 8 und 9 ua. verrieten nahe
beziehungen der Exodus zum Alexanderlied, Rolaudslied und zur
Kaiserchronik, das sind aber durchaus nicht die einzigen stellen,
in denen die gedichte übereinstimmen. Rolandslied und Kaiser-
chronik zeigen auch sonst im Wortschatz wie in der manier eine
solche Verwandtschaft, dass auch hieraus auf ein nahes zeitliches
Verhältnis geschlossen werden darf, zunächst mögen einige bei-
spiele in bezug auf den wortgebrauch folgen.
In der Exodus heifst es v. 463 got der gewdre, das Koss-
mann mit unrecht in zewäre umänderte, vgl. Diem. 305, 3, wo
das wort in derselben Verbindung belegt ist. ebenso heifst
es im Rolandslied v. 9038 der herre ther ist getriuwe unde ge-
wäre, auch Kehr. 483, 11 si sprachen daz der herre wäre ge-
triuwe unde gewdre, 492, 30 unde der vater wäre getriuwe
unde gewdre, 495, 1 er (Heinrich) wäre getriuwe unde gewdre.
wenn das wort auch nicht ganz selten ist , vgl. Iw. 206 und
dazu Meier Helmbreht v. 253 und 1545, so scheint die Überein-
stimmung, die sich darin ausspricht, dass es als attribut bei got
oder herre erscheint, doch characteristisch.
Alterseine Exod. 779. 1099. 1247. 2539 Rolandsl. 2089. 2772
Kehr. 370, 12. auch im Alex. 3796, wo es, wie dreimal in der
Exodus, bei got steht.
92 DIE ABFASSLi\GSZElT DER ALTDELTSCHEN EXODUS
Exod. V. 792 ich bin neheine frume, Rol. 450 thin vehten ist
neheine frnm, 4303 tha% in ther stdl nehein frume ne was, Kehr.
95, 31 daz gebot nehein frum ist, ebenso 179, 23 daz er wider
in wäre dehein frum, 481, 21 erne mähte dem ruhe nehein frum
sin, vgl. auch Jüngere Judith 147, 22.
Die Exodus hat eine offenbare Vorliebe für das verb enblanden.
sie verwendet es nicht weniger als fünfmal und dazu kommt noch
zweimal enblende 1952 und 2265. aber auch im Rolandslied
findet sich v. 2328 wil ih iz mir enplanden, vgl. Exod. 872 diu
ilt ir iz enblanden, Rol. 2450 wurthe iz in enplanden, 2632 iz
wart in harte enplanden, ebenso 7987, vgl, Exod. 1138 iz wirt
ime enplanden, dieselbe construction 1965. 2290, wo bei Koss-
mann der dat. pl. in fehlt, und 3066. auch Kehr. 354, 8 dune
wellest dirz enplanden, vgl. 367, 25; 380, 26; 392, 8 iz wirt mir
liebe harte enplanden.
Der alte reim erde : werde vgl. Genes. 15, 29; 52, 11;
79, 29, Diem. 6, 12, Jüngere Judith 164, 12; 176, 22 findet sich
in der Exodus 923. 1237. 2190. 2595. aber auch im Rol.
3769. 4183.
Der reim Exod. 2467 vil sicherlkhen reine ez sol sin dne
meile, vgl. noch v. 2841, erscheint auch Kehr. 119, 3 vil küske
unde vil reine dne alle böse meile; ebenso der reim Exod. 3157
er hiez si daz si vnoren, sich vil drdte uzhuoben Kehr. 419, 23 f
sie sich uzhuoben, ingegen dem mer si vnoren, vgl. 481, 31 und
Alex. 612 mit Kinzels anm., auch Rol. 3467.
Dazu kommen uun noch einzelne belege für verwandte manier
der dichter, ich will nicht davon sprechen, dass beide, der be-
arbeiter der Exodus wie Konrad, noch einen ausgedehnten ge-
brauch von den darstellungsmitteln des geistlichen Stiles machen,
indem sie zb. die aus der predigt überkommenen beteuerungs-
formeln anwenden wie: ze wdre sagen ih iz in, ih wil dir wdr-
liche sagen, thaz wir für wdre mugen gehen, wizzet ze wdre udgl.,
vgl. Exod. 269. 879. 965. 1501. 1636. 1647. 1671. 1875. 1992.
2122. 2333. 2665. 2907. 3004. 3243, Gen. 11, 3; 11, 13; 29,
39 usw., Rol. 267. 1861. 3504. 3832. 3988. 4088. 5382. oder
salze von der art wie vile michel ist min gewalt Rol. 2318, Anno-
lied 146. 516, Gen. 11, 39; 12, 20 oder in ist niuweht gelicli,
vgl. Exod. 226. 82. 2262, Ezzo 8, 12, Gen. 10, 5. ich will nur
von der inneren stilistischen behandlung bei beiden dichtem
DIE ABFASSUISGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS 93
spreclieu und nur, in so weit sie auf verwandte geistesart, auf
gleichen ideenkreis scliliefsen lässt.
Demjenigen, welcher Kourads Rolandslied mit der Chanson
vergleicht, stufst als der augenfälligste unterschied zwischen quelle
und ühertragung die breite auf, welche der deutschen bearbeitung
gegenüber der französischen dichtung eigen ist: das gedieht ist
in der Übersetzung wol auf den doppelten umfang angeschwollen,
der grund davon liegt zum teil in dem character des deutschen
Verses, der einerseits kurz ist und darum nur wenig auszusprechen
gestattet, andererseits aber gereimt sein will und dadurch leicht
auch nicht ganz treffende oder für den Zusammenhang entbehr-
liche gedanken herbeizieht, doch erklärt sich die breite Kon-
rads nicht allein durch die versart. sie beruht auch auf seiner
dichterischen beschaffen heit, da sein eigentliches element die
Schilderung, die breite darstellung des zuständlichen ist.
hierin aber trifft er zusammen mit dem dichter der Exodus, der
auch mit Vorliebe beschreibt und darum besonders eingehend
bei der Schilderung des Wassermangels, der seuche, des aus-
ziehenden heeres usw. verweilt.
Hand in band aber mit der neigung zum zuständlichen über-
haupt geht bei Konrad das bestreben, das innere leben seiner
gestalten uns vor äugen zu stellen und , wie Golther auf s. 137 f
bemerkt, im gegensatz zur Chanson 'die inneren gedanken der
beiden', die 'gefühle der handelnden uns vorzuführen', er er-
reicht so eine durchgehende verinnerlichung des Stoffes, die nicht
blofs an die übliche deutsche Sentimentalität gemahnt, sondern
schon die mächte ahnen lässt, die in nicht mehr ferner zeit eine
deutsche lyrik heraufführen sollten, alle gefühlvollen momente,
die dem Stoffe nur abzugewinnen waren, sind von Konrad heraus-
geholt, wie er für Geneluns verräterisches handeln in der ge-
kränkten vaterliebe die erklärung sucht, so weifs er auch in
einer detaillierten Schilderung eines abschieds in wehmütig-rühren-
der weise an die gefühle zu mahnen, die blutsverwandte mit einander
oder herren mit vasallen verbinden, genau aber wie hier Konrad
das empfindungsieben im vergleich zu seiner vorläge reicher ge-
staltet, genau so verhält sich der dichter der Exodus seiner quelle
gegenüber, auch er versenkt sich mit Vorliebe in das gefühls-
ieben und innere getriebe seiner gestalten und sucht es vor uns
auszubreiten, wenn es von den Zauberern Pharaos in der vorläge
94 DIE ABFASSÜNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS
IX 1 1 heifsl : nee poterant stare coram Moijse propter ulcera, quae
in Ulis erant, so begleitet er sie gleichsam vom hofe zu ihrer
Wohnung: v. 1765 si giengen zuo ir seleden und schildert die
gefühle, die sie auf ihrem wege empfanden, wenn die hibel das
wunder gottes, durch das Moses iiand aussätzig wird, iv 6 rein
tatsächlich erzählt, indem sie nur das äufsere geschehen dabei
hervorhebt, so bemüht der dichter sich auch den seelischen
zustand, in dem Moses sich befand, darzustellen, indem er den
satz einschaltet: der man was in sorgen, das misvergnügen der
Egypter nach dem ungehinderten abzuge der Juden und ihr bren-
nendes verlangen, ihnen nachzuziehen, verstärkt er sehr glück-
lich durch den zusatz eines seelischen motivs, indem er den
kriegerischen ehrgeiz in ihnen erwachen und sie von der furcht
ergriffen sein lässt, jene könnten sich des sieges rühmen, sie
selbst aber mit schände bedeckt werden, so ist er oft bestrebt,
neben der treuen widergabe des äufseren geschehens auch die
seelische würkung auf die beteiligten nicht aufser acht zu lassen,
man vergleiche 222. 1622. 1787 f usw. einmal verhilft ihm dieses
bestreben zu einem hübschen idyllischen bilde 333 f. Moses ist
aus Egypten geflohen und lässt sich in dem fremden land an
einem brunnen nieder: iuxta puteum sedit. mehr sagt die bibel
nicht, unser dichter aber eröffnet uns einen einblick in die
empfindungen, von denen der aus der heimat verbannte beseelt
ist und schildert seine Verlassenheit, in der er niemanden hat,
dessen rat er in seiner hilflosen läge erbitten könnte, abgesehen
von der anschaulichen scene, die er bietet, gewinnt der dichter
so noch eine vortreffliche Vorbereitung auf Jethro, Moses künftigen
Schwiegervater, der so wie ein relter aus der not eben wie der
vermisste ratgeber erscheint, denn gleich darnach fährt er fort:
ein ewart was in Mddidn.
Dieser neigung des dichters, innere zustände und Stimmungen
darzustellen, entspricht es, dass er mit einer gewissen Vorliebe
affecte schildert , dass er freude oder trauer oder zorn gerne dar-
stellt und dabei sich in breiter ausführlichkeit ergeht, man ver-
gleiche, wie er die freude der Juden ausmalt v. 917 — 38 gegen
Vulg. IV 31 und die trauer der Egypter 2681 ff gegen Vulg. xii 30.
interessant ist auch zu beobachten, wie lebendig und mauigfach
er die stereotype Wendung der vorläge: cor Pharaonis induratum
est widerzugeben und wie er dabei Steigerung zu erreichen weifs.
DIE ABFASSÜNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS 95
vgl. 1449 ff. 1689 f. 1774 f. 1961 f. 2243 ff. 2337 f. 2982 ff. aber
auch Konrad bewegt sich in diesem element nicht ungern, wie
die stellen 1537 f. 1898 f. 2052 ff. 2151 f. 2965 f. 6130 f be-
weisen, von denen einige, zb. 1537 f. 6130 ff, in der darstellung
der affecte ausführlicher sind als die Chanson, andere, zb. 1898 f.
2151 f, von Konrad seihst herzurühren scheinen, vgl. Golther
zu den stellen.
Und einmal wählen die dichter sogar dasselbe motiv, um
die charactere psychologisch zu bereichern, sie suchen beide
den gegensatz zwischen den kämpfern dadurch zu verschärfen,
dass sie die einen, die beiden, als die Vertreter des hochmutes,
die anderen als die der demut und ergebenheit erscheinen lassen,
dieser gegensatz war zwar Konrad durch die renommierscenen
in gewissem sinne gegeben und er lag auch für den bearbeiter
der Exodus in der gestalt Pharaos nahe genug, dennoch ist es
beachtenswert, dass bei beiden der gegensatz religiös gewendet
und in den Vordergrund gestellt wird, vgl, Golther s. 121, für
die Exodus 1330. namentlich wie die feinde mit Übermut und
voll Zuversicht in den kämpf rücken, um dann von den demütigen,
nicht sich , aber gott vertrauenden schmählich besiegt zu werden,
hebt Konrad wider und wider hervor, vgl. 3468 mit grözer uber-
muote si mioren usw., 4611 mit ubermnote chömen si dare. aber
auch in der Exodus heifst es v. 3075 f hei wie si sich vermdzen
dö si Af dei ros gesdzen l vil michil was der ir gelf, dö si chömen
an daz velt, während von den Juden gesagt wird 2927 si vuoren
iedoch weiz got dne aller slahte ubirmuot. gelegentlich begegnen
sich dabei die dichter auch im ausdruck, so wenn Moses von
Pharao und seinen leuten sagt v. 1659 wände ir loider got
strebet al die wile die ir lebet, im Rolandslied aber 3482 steht:
thaz er allez wither got strevet so wer dne got levet.
Während es aber Konrad über die blofse gegenüberstellung
kaum hinausbringt und höchstens zu allgemeinen betrachtungen
über die künftige bestrafung des Übermutes und belohnung der
demut sich erhebt, vgl. 3361 f. 3487. 3510 f. 4604 f, weifs der
dichter der Exodus diesem gegensatz in der gestalt Pharaos wahr-
haft dichterischen ausdruck zu verleihen, schon die bibel lässt
den trotz des königs wie eine probe auf seine Überlegenheit über
den willen goltes erscheinen und ihn in seinem kraftgefühl gleich-
sam mit dem herrn selbst sich messen, vgl. Vulg. iv 23; ix 14.
96 DIE ABFASSÜNGSZEIT DER ALTDEUTSCHEN EXODUS
der (lichter aber verschärft dieses Verhältnis noch wesentlich, vgl.
865 f. 1723 f. 17591'. 1771 f. 1817, und spitzt es schliefslich zu
einer persönlichen antithese zu. als Pharao nach dem abzuge
der Juden reue darüber empfindet, dass er sie so leichten kaufes
habe ziehen lassen, und zu dem entschlusse kommt, ihnen nach-
zurücken, um sie wider in sein land zu holen, schliefst er seine
erwägung trotzig mit den worten 3015 si muozen iemer hie sin,
der gewalt ist min. als dann aber die Juden das meer glück-
lich überschritten haben und Pharao im begriff ist, es mit den
seineu zu durchwaten, da ergeht von gott an Moses der befehl,
seine bände über das meer zu strecken und die vvasser zurück-
zurufen, und, wie wenn er auf jene übermütigen worte direct
bezug nehme, schliefst er seinen befehl mit den worten 3246
der gewalt der ist min. zugleich sind es die letzten, die in dem
gedieht überhaupt von personen gesprochen werden, und es
hätte vielleicht nicht einmal der ausdrücklichen Unterstreichung,
die in der widerholung des artikels liegt, bedurft, um sie würk-
sam erscheinen zu lassen, jedesfalls sieht man, dass der dichter
sich auf die figur des contrastes versteht und sie mit künst-
lerischem bewustsein zu handhaben weifs. eben dasselbe aber
kann man auch bei Konrad beobachten, wenngleich er, wie er
überhaupt an poetischem können hinter dem dichter der Exodus
zurückbleibt, ihn an würkung nicht erreicht, er hebt den Übermut
der beiden vor dem kämpfe gewis auch deshalb so stark hervor, um
darnach ihren fall um so liefer erscheinen zu lassen, vgl. 3995 ff.
Für das ende verspart sich der dichter der Exodus noch
einen ganz besonderen effect, den er gleichfalls durch con-
trastierung erreicht, als er das dem sicheren tod entgegen-
eilende beer der Egypter uns noch einmal in seiner ganzen
pracht vor äugen führt, versäumt er nicht, refrainartig auf
das nahende Verhängnis hinzuweisen, es gelingt ihm so, seine
hörer mit dem schauder zu erfüllen , mit dem die nähe des
todes uns anweht:
si heten manigen breiten vanen,
in nähet der bane,
si heten manich zeichen rot,
in nähet der tot,
die seilte wären diche unde breit,
in nähet allez leit. . . .
DIE ABFASSUNGSZEIT DER ALTDEÜTSCEIEN EXODUS 97
Doch wir wollen in der aufsuchung der ähulichkeiten nicht
weiter gehen und brechen ab. die angeführten züge reichen
aus, um uns für beide dichter eine gleiche anschauungsweise und
eine gleiche geistige atmosphäre voraussetzen zu lassen, mag
man auch vieles in den Übereinstimmungen auf den gleichen
beruf zurückführen wollen, dem die dichter angehörten, die
gleiche Vorbildung, die sie genossen, die gleichen interessen,
denen sie nachgiengen, ohne die annähme einer ähnlichen
dichterischen anläge und einer gewissen geistigen wie morali-
schen congeuialität wird man sie ausreichend nicht erklären
können, für diese aber möchten wir doch wider gerne ein
nahes zeitliches Verhältnis der dichter in anspruch nehmen, zwar
sind wir im allgemeinen durchaus nicht berechtigt, bei gleicher
poetischer disposition zweier dichter auch schon auf gleichzeitig-
keit oder geringen zeitlichen abstand zu schliefsen , aber hier,
wo wir uns durch das Verhältnis des gedichtes zum Vorauer
Moses einerseits, dem Rolandslied andererseits schon innerhalb
kleiner gränzen bewegen, dürfte es gestattet sein, noch die ver-
wandte manier der dichter ins feld zu führen als ein argument
mehr für die ansieht, dass die dichtungen auch chronologisch
sich nahe stehen, es dürfte es um so eher als, wie wir sahen,
die eine von ihnen, die Exodus, sich auch von dem einfluss der
französischen epik durchdrungen zeigt, dem die andere, das
Rolandslied , erst die entstehung verdankt.
Nach alledem kann die behauptung, dass die Exodus in
der zeit von 1120 — 1130 verfasst sei, wol kaum mehr
auf Widerspruch stofsen und auch die zu erwartenden forschungen
Edward Schröders über die Kaiserchronik dürften ihr nicht ent-
gegen sein, hat doch Schröder, der zweifellos über reichere
Sammlungen verfügt als mir hier zu geböte standen, und der be-
sonders über das Verhältnis des gedichtes zu den Schöpfungen
Konrads weit bessere auskunft geben kann als ich, zuerst DLZ
1886 sp. 1339 auf die engen beziehungen hingewiesen, die
zwischen den drei gedichten bestehen, er ist daher auch am
besten gerüstet, der frage nach der heimat der Exodus, die wir
nicht zu erörtern wagten, näher zu treten.
Berlin, den 23 September 1887. OTTO PMOWER.
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI.
zu MINNESANGS FRÜHLING
ZU MINNESANGS FRÜHLING.
4, 1. 2 Diu linde ist an dem ende
nü jdrlanc sieht unde blöz.
die einzige hs. A bietet lieht unde blöz, das sich sehr wol
halten lässt. lieht 'vom Wachstum enlblöfst' (sodass das licht
Zugang hat, durchbricht) haben wir sowol als adjectivum (vgl.
Hechtes laut bei Schmeller- Frommann i 1431), wie in den Sub-
stantiven 'lichte' und 'lichluug' (siehe DWB s. vv.), und in den
synonymen 'lichte' (vgl. ouch begunde liuhten sich der walt, wan
daz ein rone was gevalt Parz. 282, 9) und 'blöfse' (an einer
blcßze Iw. 3837) haben wir ja das überlieferte lieht unde blöz neben
einander. — für sieht, das Haupt einführt und Bartsch Lieder-
dichter* xcvni 44 übernimmt, ist jedesfalls eine näher liegende
bedeutung nicht bezeugt: als 'kahl' ist es nicht belegt, für 'leer'
weisen es die Wörterbücher in der spräche des deutschordens-
landes um 1300 nach (slehte kästen Pass. Kulmer recht), man
könnte dafür nur anführen, dass sieht unde blöz zusammengehören,
so gut wie ruh unde blöz (Helmbr. 666), ruh unde sieht (MSH 1, 299^)
gegensätze sind, unter einem rtihen walde aber (vgl. durch ruhen
walt äne wec Er. 5313) versteht man zunächst nicht einen dicht-
belaubten, sondern einen 'dichtverästeten', 'struppigen' wald.
KÜRENBERGER.
7, 1 auf meinen artikel über diese stelle Zs. 32, 137 ff bat Sievers
ebenda s. 389 tf geantwortet und seine conjectur Verliesen gegen-
über meinem verschlag verkiesen eingehend verteidigt, daraufhin
habe ich meine ausführungen in zwei puncten einzuschränken,
ohne dass ich sie in der hauplsache als erschüttert ansehen kann,
in der von mir angeführten stelle der Limburger chronik braucht
eine ausdrückliche Scheidung des schuldlosen und des schuld-
haften Verlustes nicht angenommen zu werden: ich halte es mit
S. sehr wol für möglich, dass derjenige, dem wir die fassung
der zweiten zeile verdanken , an alle scholt auf den freund und
nicht auf den verherer bezogen wissen wollte, und dann be-
steht zwischen meinen parallelstellen und der Kürnbergerstrophe
allerdings ein unterschied, den ich erst jetzt herausfühle, die
sprichwörtliche Wendung der die sine verkös, der wart dike sigelös
uä. besagt im crunde nichts anderes als: 'wer den rat seiner
zu MINNESANGS FRÜHLING 99
freunde von sich weist, hat den schaden zu tragen*, an unserer
stelle kann von einem rat nicht die rede sein , das verkiesen,
das ich trotz Sievers festhalte, muss also hier in anderer weise
erfolgen.
Ich will gleich an die stelle anknüpfen, mit der S. offenbar
seinen haupttrumpf ausspielt: Freid. 98, 1 swd friunt mit rede
Wirt verlorn, dd wcere rede baz verhorn, sie ist in der tat
ganz vorzüglich geeignet, um den unterschied zwischen verkiesen
und Verliesen (der ursprünglich dem von amittere und perdere
etymologisch recht nahe kommt) klar zu legen. S. scheint zu
glauben , ich nach meiner auffassung müsse hier ein verhorn er-
warten, keineswegs, denn das wäre eine trivialität, wie ich sie
in der Bescheidenheit nicht suche, die rede , mit der der freund
verlorn wird, ist eine unbedachte rede, mag es nun ein verletzen-
des wort ihm ins gesiebt oder eine tactlosigkeit hinter seinem
rücken sein, gewis liegt hier eine schuld vor, aber dieselbe wird
nicht durch das verbum verlorn ausgedrückt , sondern durch den
ganzen satz : 'äufseruugen, die einen freund uns abwendig machen,
seinen verlust herbeiführen können' — vor denen soll man sich
hüten, zu einem Vordersätze swd vriunt mit rede wirt v er körn
würde nur der nachsatz etwas gar zu naiv klingen, gegen den
ausdruck an sich wäre nichts einzuwenden : in diesem falle hätte
die rede den zweck , den freund abzuschütteln , sei es nun dass
sie dauernd oder auch nur in einem bestimmten falle seinen rat
ablehnt (wie Bari. 212, 16), sei es dass sie ihn vor den menschen
geradezu verläugnet, — oder auch dass sie seine Werbung (aus
sprödigkeit, laune, hochmut) zurückweist, die wendung ist all-
gemein genug, um alle diese und noch ein par andere fälle ein-
zuschliefsen.
So sehe ich denn auch nicht ein , warum die Verbindung
lieben vriunt verkiesen anstöfsig sein soll — selbst wenn ich
das unterschriebe, was Sievers über den rein subjectiven sinn
von liep behauptet.* denn natürlich ist es mir nie eingefallen
zu übersetzen 'einem geliebten freund untreu zu werden', wie das
S. s. 391 tut, sondern nur allein 'einen lieben, werten freund
fahren lassen, launenhaft von sich zu stofsen, das bringt schaden'
(oder meinetwegen: 'kummer').
* der erste sinn von liep bleibt doch immer 'angenehm, wert', erst
aus der Schätzung dieses wertes ergibt sich die bedeutung 'geliebt.'
7*
100 zu MINNESANGS FRÜHLING
Der schluss der Sieversschen entgegnung läuft auf einen
streit um worte hinaus, der für unsere stelle wenig bedeutung
hat: denn ob man die site mit 'dies verfahren' oder 'dies Sprich-
wort' (sc. das ein solches verfahren anrät) übersetzen will, ist
mir im gründe gleichgiltig. ich habe unseren lexicographen nicht
zumuten wollen, für site eine neue bedeutung anzusetzen, sondern
nur gesagt, dass 'sich in manchen Wendungen der mhd. zeit site
geradezu nicht besser als durch 'sprich vport' widergeben lasse.' für
die stelle Ls. iii 205, 25 ist eine andere Übersetzung, wie sie zb.
S. vorschlägt, einfach sinnwidrig, aus dem Eulenspiegel kennen
wir ein gereimtes Scherzwort, das besagt: ein schmiedknecht
und 'sein gesell' müssen bei der arbeit stramm stehen; dieser
scherz kehrt in der obigen stelle des Liedersaals wider und wird
dort als ein gemeliclier sit eingeleitet. S. übersetzt: 'es ist doch
etwas komisches', ja, was ist denn dabei das komische? dass ein
schmiedknecht stramm stehen muss und dass ein zers ebenfalls
stramm stehen muss , jedes einzelne an sich ist doch gewis nichts
komisches! das gemeUche liegt einzig und allein in der Zusammen-
stellung und deshalb finde ich wenigstens an dieser stelle keine
andere sinngemäfse widergabe als: 'ein scherzhaftes Sprichwort.'
8, 13 der halbzeile des gehazze fehlt eine hebung und die
herausgeber unterlassen einen Vorschlag, sie zu ergänzen, ich
meine, es liegt im hinblick auf die parallele Ivvein 2262 got
hazze (Bech mit BDE gehazze) iemer sitien lip nahe zu schreiben
des gehazze [iemer] got den dinen lip!
MEINLOH VON SEVELINGEN.i
Die bedenkliche stelle
12, 1 Swer werden wiben dienen sol,
der sol semeliche7i varn
(vgl. Scherer Deutsche stud. 2, 24 [458], Paul-Sievers Beitr. 2,418,
Burdach Reinmar und Waliher s. 87, Sievers Beitr. 12, 503)
glaube ich endlich befriedigend bessern zu können, und zwar
durch einfache zufügung eines z-striches: der sol seinelichen
^ ich ergreife die gelegenheit, auf eine ganz evidente besserung Pfeiffers
(Forscliung und krilik i 17 anm. 3) zu Meinloh 11,4 hinzuweisen: fuor ich
enwadele unz ich dich vant; enwadele oder enwedele varn ist nur in
Wernhers Marienliedern und im Helmbrecht belegt, gerade der Augshurger
Wernher steht aber dem ülmer Meinloh sehr nahe, hätte Paul diesen Vor-
schlag gekannt, so würde er uns gewis nicht mehr zugemutet haben, aus G
ie wallnde mit unmöglicher kürzung aufzunehmen (Beitr. 2,418).
zu MINNESANGS FRÜHLING 101
vorn, 'der soll laogsam, vorsichtig zu werke gehen', ob er sich
u)ol ze rehte gegen in kmine bewarn, das in B überlieferte se-
melichen ist ebenso abscheulich prosaisch, wie wenn ein heutiger
lyriker 'demgemäfs' oder 'dementsprechend' im verse brauchen
würde; mit seledichen C ist gar nichts anzufangen, das senelichen
von Paul und Sievers aber nimmt ein specielles moment voraus,
das sich erst aus der allgemeinen Vorschrift v. 2 ergibt in v. 5f
s6 miioz er under teilen seneliche siowre tragen. — durch meine
besserung ist der von VVilmanns Leben Walthers c, in anm. 14
richtig betonte gegensatz von 12, 14 zu 12, 1 noch deutlicher
geworden.
SPERVOGEL.
Bei einem ersten debüt, das man nicht ernst nehmen
würde, wenn es nicht in den Beiträgen erfolgt wäre, hat John
Meier (11, 565) die oberdeutsche heimat des anonymus Sper-
vogel (oder Herger) gegen Henrici in schütz nehmen zu müssen
geglaubt, nötig war das gewis nicht mehr, und wenn M.
selbst schliefshch auf Alemannien verfällt, so zeigt er sich mit
der entvvickelung unserer litteratur und specieil der poetischen
formen noch weniger vertraut als Henrici, der sich doch immer-
hin auf den pfälzischen gönner Walther von Hausen berufen
konnte.
Den dialect unseres spielmanns characterisiert als oberdeutch
aufser dem von M. angeführten egerde 30, 10 auch gässe 30, 34,
sowie der reim steme : gerne 28, 24/26, specieil als bairisch das
wort stigele 26, 19 und vor allem der reim stige : schriet 27, 17/19,
zu dessen Verständnis ich aus der engeren heimat des dichters
folgende etwa gleichzeitigen formen anführe: svinstie Sum. 51,18,
sgafstie Sum. 51, 20 (Monseer glossen des 12 jhs.) und scafstie
Zs. 8, 129 (canticum Abacuc der bekannten Windberger hs. vom
jähre 1187). es war also recht unglücklich, wenn M. ausgieng
von MF 27, 6. 7, wo Lachmann ohne zwingenden grund das tuo
: vruo der hs. in tüeje : vrüeje ändert und dadurch dem Baiern
in der tat eine echt alemannische form zumutet, dass 'die con-
struction hier sicher die zweisilbige adjeclivform verlange', ist wol
nur ein lapsus, der M. heute schon nicht mehr zustofsen würde.
Unter den obd. Wörtern führt M. auch das adj. künde 30, 30
auf. eine solche form ist in der tat ein par mal in den Nibelungen
und in der Kudrun, aber nur hier, belegt (etwas häufiger kommt
102 ZU MINNESANGS FRÜHLING
unkünde vor, siehe Lexer s. v.), an unserer stelle aber ist sie
kaum ursprünglicli. in hss. des 12 jhs. finden sich mehrfach
die Wendungen in künde (sclivverhch adj. inkunde) sin, werden,
tuon, so Milsl. slvl. 111. 129 dir sint, herre, in chunde; Kehr.
3202 wel dir üzer siben listen frien diu dir aller Ibeste in künde
sie; Wiener Exodus (ed. Kossmann) 415 ich wart in chunde, 494
tet ich ime in chunde, 784 unde tuon dir in chunde. jüngere hss.,
und zwar schon solche des 12 jhs., haben den ausdruck meist
beseitigt und zuweilen misverständiich ersetzt, an den eben an-
geführten stellen der Exodus schreibt die Milstäter hs. die beiden
letzten male einfach chunde, das erste mal unchunde. und ähn-
lich steht es Kehr. 3533 so ivcere dir astronomia in chunde, wo
das echte nur durch die drei jüngsten hss. bewahrt ist, während
die Vorauer und Münchner hss. (1. 2) vil künde (chunt), die
Heidelberger (4) unkunde bieten, i halten wir nun neben die Sper-
vogelslelle Milst. skl. 111 dir sint, herre, in chunde alle meres
gründe, so ist es gewis erlaubt, auch hier die gleiche formel ein-
zusetzen: unt elliu abgrunde
diu sint dir, herre, [in] künde.
HEINRICH VON VELDEKE.
58, 12 dem wünsch ich des rises
dar an die diebe nement ir ende.
die ergänzung [genen] bei Bartsch Liederdichter^ vii42 ist natürlich
nur ein lückenbüfser, wie sie Lachmann und Haupt nicht der auf-
nähme würdigten, liest man in den Rechtsaltertümern s. 682 (aum.),
dass der missetäler 'an einen dürren bäum und nicht an einen
grünen' gehängt werden soll, so kann über die ergänzung des [dor-
ren] rises kaum ein zweifei bestehen, ich habe nur den bedenken
derjenigen zu begegnen, welchen ein dürres 'reis' zu schwach
erscheinen könnte, von den beiden beispielen, die Haupt in der
anmerkung z. d. st. beibringt, bedeutet ris im Parz. 527, 19 die
(grüne) wite, die 'gewunden' und an den ast geknüpft wird.
Herbort 2825 aber ist es der ast selbst , neben dem hier aus-
drücklich die wite erwähnt wird, ich füge noch hinzu Reinhart
1842 (auch im alten text) der si beidiu Menge üf ein ris, wo
natürlich nur der ast gemeint ist. an einem 'dürren ast' aber
wird niemand anstofs nehmen.
^ auch Deutung der messgebräuche 2ü8 (Zs. 1,275) ist sicher in chunde
für chunt (: in dincm munde) einzusetzen.
zu MINNESANGS FRÜHLING 103
59, 23. 24 In den ziten von dem jdre
daz die tage sien lanc.
der conjunctiv sien (sint BC) rührt von LachmanD her , der damit
die fehlende Senkung heschafTen wollte. Veldeke aber hat niemals
eine solche zweisilbige form, obwol bei ihm die zahl der reim-
wörter auf ie(n) durch den ausfall des h gröfser ist als etwa
bei oberdeutschen dichtem, daher wird man richtiger im an-
schluss an 57, 10 f Ich hin frö sU uns die tage liehten(t) unde
werden(t) lanc schreiben das die tage werden lanc.
59, 33 diu mir daz . . . hat getan,
daz ich von der riuwe ke're.
Lachmann scheint, indem er das fehlen der Senkung markiert, ein
substantivum zu vermissen, denn leicht zu ergänzende partikeln
usw. pflegt er sonst grundsätzlich einzustellen, es fehlt aber
würklich nichts als eine solche zeitpartikel wie mi, das zeigen
die folgenden stellen : Eneide 2288 f mit weliken dingen ich dat
doe, dat mir Eneas erleide und
MF64, 22— 24 got ere si diu mir daz tuot
al über den Rin,
daz mir der sorgen [ist] gebuot.
an der zuletzt angeführten stelle hat Haupt ist, das in den hss.
(BC) fehlt, ergänzt, richtiger wäre wol (in Haupts Schreibung)
Wirt gebuot oder werde huot, vgl. Eneide 3446 f/er sorgen wert
heme boet und 4003 et enmach niet ioerden geboet (besser boet
nach GEHBw).
HARTWIG VON RUTE.
117, 24 und von so süezer handelunge
ein höhez niuwez liet in süezer wise sunge.
gegen süeze handelunge BC habe ich starke bedenken, eine
handelunge 'aufnähme, behaudlung' süeze zu nennen, das traue
ich wol einem Gottfried zu, der im Tristan v. 18629 auch einen
antvanc als reine und süeze bezeichnen kann, aber nicht unserem
Hartwig, dem Ziererei im leben und im Hede gleich fern war.
schreiben wir wandelunge, so hat das attribut nichts auffälliges,
vgl. Hadloub bei Bartsch Schweizer minnesäuger xxvii 35 v, 1
Wol der süezen wandelunge ! swaz winter truobte daz ttiot sumer
cldr, und zugleich gewinnen wir ein sehr hübsches Wortspiel:
wandelunge ist einmal der umschwuug in der Stimmung der ge-
liebten und dann der unischwung der Jahreszeit, diese beziehung
104 Zu MINNESANGS FRÜHLING
deutet aber schon v. 18. 19 an enphdhet siz ze guote, so stigt
min frönde gegen der wtinnecUcher zit. das lied, das durch die
wandelnnge geweckt wird, gilt eUen dem frühhng draufsen und
drinnen, ich füge noch MF 19, 7. 13 und ein par stellen aus Hart-
wigs jilngerem landsmann Neidhard an, wo ^\e:\Q\\h\h wandelnnge
und sanc eng verbunden sind: 79, 31 f ich gesnnge ir niuwen
sanc gegen der wandelunge und 11, 16 Gegen der wandelnnge singent
wol diu vogellin. den vriimden min den ich gerne sunge usw.
HEINRICH VON MORUNGEN.
122, 4 alse diu mcBninne verre über lant.
das verlassen der hslichen lesart der mdne wol (BCC*) hat Paul
Beitr. 2, 566 mit recht als unnötig bezeichnet, dass der dichter
nicht etwa zum vergleich mit der liebsten einen weiblichen mond
braucht, zeigt 136, 6.7 und saz vor mir diu liebe wolgetdne ge-
blecket (?) rehte als ein voller mdne. es wird aber obendrein
durch die änderung dem Thüringer eine form zugemutet, die er
sicher nicht gebraucht, vielleicht gar nicht gekannt hat. das femi-
ninum diu mceninne (mcenin), jedesfalls durch gelehrten eiufluss
aufgekommen (den frühesten beleg bietet Notkers psalter), findet
sich nach ausweis der Wörterbücher in folgenden werken des
11. 12jhs. : Wiener, Milsläter, Vorauer Genesis, Wahrheit, Mil-
stäter Sündenklage, Speculum ecclesiae, Windberger psalter; über
das 12 jh. hinaus reicht nur eines ihrer beispiele, das die Melker hs.
der kleineren gedichte des Strickers (Pfeiffer Übungsbuch 27, 17 la.)
bietet, alle belege gehören mithin dem gebiete des bairisch-
österreichischen dialects an.^
127, 34. 35 Ez ist site der nahtegal,
swan si ir liet volendet, so geswiget sie.
mit liet wird die Überlieferung der beiden einzigen hss. CG* ge-
wahrt, die aber aus verschiedenen gründen unhaltbar ist. das
'lied der vögel' ist erst ein moderner ausdruck , die ältere spräche
pflegt den vögeln nur sanc, wise, doene zuzuschreiben, nicht aber
ein liet, von dem das wort unzertrennbar bleibt, das einzige bei-
spiel, das man dagegen anführen könnte, MSH 1, 348"' disiu liet
* ein scheinbar mitteldeutscher beleg wäre in Hartmanns Credo v. 118
unde die mcenin beglimet enthalten; aber schon Zarncke Mhd. wb. n 55'
bemerkt, dass der vers wjane verlange, und ich kann hinzufügen, dass der
oberdeutsche abschreiber, der sich hier verrät, noch andere spuren, nament-
lich auch interpolationen hinterlassen hat (so v. 1612 — 1615, 1908 — 1913,
1946—1949).
zu MINNESANGS FRÜHLING 105
diu hat gesungen vor dem walde ein vogellin, zieht natürlich nicht,
denn hier legt eben der dichter (Herrant von Wildonje) schliefsend
sein eigenes lied dem waldvügelein in den schnabel. überdies
würde liet immer nur das einmalige singen, nicht die gesammte
sangestätigkeit bedeuten , und eine trivialität wie die 'wenn die
nachligall mit ihrem liede zu ende ist, schweigt sie', wird niemand
unserem Morungen zutrauen.
Nun greift Bartsch den schreib- oder druckfehler bei Bodmer
auf und schreibt leit (Liederdichter- xiv 75); Hildebrand Zs. f. d.
phil. 2, 218 (Kieler philologenversamralung) schlägt umgekehrt
liep vor. jeder der beiden gelehrten könnte sich aufser auf
V. 37 auf die berühmte litterarische stelle Gottfrieds berufen :
Trist. 4770 ff S(5 der vil liebe vogelsanc
der werlde ir liep beginnet zalen.
nu sprechet umbe die nahtegalen;
die sint ir dinges wol bereit
und kunnen alle ir senede leit
s6 wol besingen nnde besagen.
auch die mittelalterlichen dichter hörten also aus dem lied der
Vögel liep und leit heraus, gleichwol ist die lesung von Bodmer
und Bartsch unbedingt zu verwerfen, denn sin leit volenden heifst
'mit seinem leid zu ende sein', nicht 'sein leid im liede aus-
klagen', vgl. 140, 34 f wenne si nünen kummer welle volenden,
und auch Hildebrands fassung würde ich mir nur gefallen lassen,
wenn liep 'liebe' und nicht vielmehr 'freude', 'glück' hiefse. beides
leit und liep ist zu speciell und zu sentimental, wir müssen einen
allgemeinen ausdruck finden, und da liegt die änderung zit auch
graphisch sehr nahe, zumal bei einem mitteldeutschen dichter:
swan si ir zit volendet , so gesioiget sie.
'die nachtigall hat nur ihre kurze sangeszeit (nämlich während
der liebesperiode), ich aber mache es wie die schwalbe, die ihren
gesang nie einstellt.'^ durch liebe noch durch leide v. 37 braucht
keine so wörtliche beziehung zu v. 35 zu enthalten, wie sie B.
und H. herstellen.
130, 20. 21 In dien dingen ich ir man
und ir dienst was dö.
so hat Haupt geändert statt : In dien dingen ich ir dienstman und
* mit der schwermütigen naclitigall vergleicht sich dagegen ein lands-
mann und schüler Morungens, der tugendhafte Schreiber MSH 2, 15P.
106 ZU MINNESANGS FRÜHLING
ir eigen was dö. Paul aao. s. 549 tritt für die überlieferuDg ein
und er liat ganz gewis recht, wenn er die 5 hebungen, welche
die hs. (C) für v. 20 bietet, auch in den entsprechenden Zeilen
23. 9. 12 gewahrt findet resp. ihre herstellung für notwendig er-
klärt und rait leichten mittein herbeiführt (Gottschau Beitr. 7, 360
geht darauf nicht ein), aber v. 21 würde durch beibehaltung von
eigen eine zweisilbige Senkung erhalten, und wer mit mir der
Panischen kürzung eign (bei einem mitteldeutschen dichter des
12 jhs.I) keinen geschmack abgewinnen kann, dem schlage ich
eine einfache vertauschung vor:
In dien dingen ich ir eigenman
und ir dienst was dö.
die zweite zeile bleibt also wie sie Haupt hergestellt hat, auf die
fassung der ersten zeile aber bin ich geführt worden durch zwei
landsleute Morungens, von denen der jüngere längst als ein
treuer nachahmer unseres dichters bekannt ist: Rristan von
Hamle MSH 1, 113* als von rehte ir eigenman und Kristan
von Lupin ebenda 2, 2V ir eigendiener ivil ich iemer sin.
Dies eigendiener spricht zugleich gegen die rechtsgeschicht-
lichen bedenken Burdachs (Reinmar und Walther s. 97 anm. 32),
der mir den juristischen sinn von dienest zu scharf zu fassen
scheint, indem er es gleich dienestman setzt: die Wörterbücher
bieten dafür keinen einzigen beleg.
132, 3 — 5 Mtner ougen tougenlkhe seje,
die ich ze boten an si senden muoz,
die neme durch got von mir für eine fleje.
die Überlieferung beider hss. (BC) bietet tougenliches sehen: —
ainvlehen, was in der spräche des dichters nur als senivlen zu
fassen ist (133,30— 36 ^esen.-yen.-üZm; wer/enj, also einen stumpfen
reim ergibt, während wir einen kHngenden erwarten müssen.
Haupts änderung, die diesen einführt, will ich nicht verteidigen,
aber sonderbar sind doch Pauls einwendungen dagegen. Haupt
hat sich ein subst. scehe construiert und davon eine md. form
seje gebildet, dieses substantivum brauchte durchaus nicht genau
den gleichen sinn zu haben wie das subst. sehe, über das P. ganz
richtig bemerkt: 'sehe ist das Sehvermögen, welches weder aus-
gesandt werden, noch als offen oder heimlich unterschieden
werden kann'; jedesfalls müste diese möglichkeit eines bedeutungs-
unterschiedes (Haupt hat vielleicht der von diu spehe und diu
zu MINNESANGS FRÜHLING 107
spcehe vorgeschwebt) doch von P. selbst im äuge behalten werden,
der mit den worlen schliefst 'wir müsseo bei der hslicheu lesart
stehen bleiben', also sehen für möglich hält, während er sehe oder
ein ähühches substantivum ausschliefst, nein, auch das substan-
tivierte verbum sehen koonen wir an unserer stelle nicht brauchen,
denn tougenliche sehen kann nicht da gesagt werden, wo von
einem freien spiel der äugen die rede ist, es lässt sich über-
haupt, so viel ich mir ausdenken kann, nur auf zwei fälle an-
wenden: auf ein heimliches Stelldichein oder auf einen träum, eine
Vision, für unsere stelle aber brauchen wir ein wort, das sich
zu sehen verhält, wie Iose7i, horchen zu hoeren und das bequemste
dieser Wörter ist spehen, vgl, 124, 35 ich muoz iemer dem ge-
liche spehen, als der mdne sinen schin von der sunnen schin enpfdt
und namentlich Kristan von Hamle MSH 1, 113^ ei soll ich in
lange stunt tougen spehen in rehter ncehe. so ständen wir bei
spehen : vlehen resp. spe'n : vle'n und über dies stumpfe reimpar
komme auch ich nicht hinaus, denn wenn auch der dialect des
dichters eine anlehnung an Haupts änderung, also spege : vlege
etwa, zuliefse, so verbietet das die bedeutung des subst. spcehe,
das seit ahd. zeit stets nur als 'sapieutia, Ingenium, geometrica',
nie als 'exploratio' bezeugt ist.
Berlin. EDWARD SCHRÖDER.
DIU LINE.
Im Mhd. wb. sind für line die bedeutungen 'geländer, ein
über die wand des hauses hervorragender balkon, gallerie' an-
gegeben; damit wesentlich übereinstimmend erklärt Lexer in
seinen zwei Wörterbüchern die line als 'fenster mit herausgehen-
dem geländer, balkon, gallerie.' dahin hat auch jüngst wider
RBechstein in seiner ausgäbe des Frauendienstes sich ausge-
sprochen, indem er zu 551, 2 (L. 182, 10) bemerkt: 'der in den
südlichen ländern noch heute übliche, aufser der hauswand an-
gebrachte Vorbau, gallerie, veranda oder balkon' und dann zu
1133, 2 (L. 331, 14): 'solche veranden oder balkone auch in
schlossern' unter hinweis auf ASchultz, Höf. leben i 85, wo wir
lesen: 'ein balkon (liyie) fand sich wol nur in den schlossern
vor, die jener oben geschilderten loggia f/oi/fte, liewe) entbehrten,
oder wenn nach einer seite des gebäudes hin , die mit diesem
108 DIU LINE
offenen bogen gang nicht versehen war, man einen blick ins freie,
ein plälzchen zum sitzen in der frischen luft gewinnen wollte.'
die ansieht, dass im mittelalter ein vorbaii so bezeichnet wurde,
scheint demnach ganz feststehend geworden zu sein , — stich-
haltig ist sie gleichwol nicht.
Da der sonst nicht häufig vorkommende ausdruck von üvLich-
tenstein mehrfach gebraucht wird , sollen dessen angaben zunächst
erörtert werden.
182, 10 wird erwähnt, dass bei U.s ankunft und empfang
zu Sacile die line dd wären vrowen vol; ebenso heifst es 258, 26
die lin da waren ninder bloz,
si sdzen alle vrowen vol,
als er nämlich in Wien mit grofsem gefolge einmal zum stechen
auszog, ihn selbst finden wir hier (s. 252, 17 ff) und in Villach
(197, 32 ff) in einer line seiner herberge sitzend, während vor
dem hause tjostiert und buhurdiert wird, und zu Himburg wird
ihm von herzog Friedrich in einer line das turnierverbot mit-
geteilt: 503, W Er nam mich güetlich U der hant
und wiset mich von dan zehant.
in eine lin er sitzen gie:
der biderbe fürst mich niht erlie,
ich müeste zuo im sitzen dd usw.
von geringerem belang für unseren zweck ist die darstellung von
des dichters gefangennähme zu Frauenburg, doch lässt sich daraus
entnehmen, dass die schöne bank innerhalb des burgtores bei
einem türme stand, die darob befindliche line also dem ge-
nannten türme angehören und eine andere sein dürfte als jene,
über die Pilgrim den Lichtensteiner im angesichte der belagerer
hinauszuhängen droht.
Wichtigere aufschlösse gewährt dagegen die erzählung, wie
Ulrich vor dem schlösse seiner herrin als bettler erscheint und
auf ungewöhnlichem wege endlich zur verehrten dame gelangt,
darnach lag deren bürg auf einer anhöbe, an der eingangsseite
von einem graben umgeben, vor der pforte harrten die aus-
sätzigen auf die täglich gereichten gaben, ihnen hatte sich der
verkleidete dichter zugesellt, da gieng er nun
331, 14 geiti einer line hin näher st an.
dd für s6 was ein tepich guot
gehangen, als man ofte tuot
DIU LINE 109
für line, da man wil windes nilit
noch lieht: für diu zwei ez geschiht.
vor der line der tepich hie,
dar in vil kleine iht windes gie.
er nahm seinea napf hervor, klopfte so laut, dass es in die
kemenate hallte, und bat dann um ein almosen. darauf sah eine
Jungfrau uz der lin her und, nachdem sie ihn und seinen be-
gleiter wahrgenommen, dö tet si wider zuo die lin, begab sich
zu ihrer gebieterin, um hiervon meidung zu tun, und brachte,
üz dem tor her gehend, in deren auftrage jedem der armen einen
pfennig. was weiter geschah bis zu dem abend , an dem Ulrich
einlass gestattet wurde, kann übergangen werden, da daraus für
die localkenntnis nichts zu gewinnen ist. interesse bietet erst
wider der abschluss des abenleuers:
343, 5 Für die hure ich aber saz.
ir sült für war gelouben daz,
ich was dar kamen also fruo,
dannoch die line niht giengen zuo,
als man doch gern gein dbent tuot.
da kam die Jungfrau und erötfnete Ulrich, dass die herrin sich
eines bessern bedacht habe, er solle bei einbrechender nacht
wider erscheinen und sich dort im graben bergen.
344, 14 seht ir dort jene höhe lin?
s6 man dar wz her habt ein lieht,
so sümt für names iuch da niht,
ir gdht dar under snellecUch.
da vindt ir hangende endelich
Mach zesamen gebundeii wol,
dd mit man iuch üf ziehen sol.
der rat wurde befolgt, und als die burgwache bei ihrem abend-
lichen rundgauge am verstecke vorübergezogen, schlich sich Ulrich
mit seinem gesellen unter die line, von der die leintücher herab-
hiengen. nachdem ein dreimaliger versuch ihn hinaufzuziehen
mislungen, wurde der leichtere begleiter vorausgeschickt — dö
er kom in die kemendt, mit küsse er dd enpfangen wart — und mit
dessen hilfe gelangte nun auch er selbst an die line und stieg
hinein usw.
Nach dieser Schilderung scheint die line, durch welche an-
fänglich die Jungfrau herabsah, und jene, die zum einstieg benützt
110 DIU LINE
wurde, identisch zu seio. sie war an einem seitwärts dem
tore hart über dem graben sich erhebenden wohngebaude, das
an dieser stelle die ringmauer ersetzte, in beträchtlicher höhe an-
gebracht und mit der kemenate in unvermittelter Verbindung,
davor hieng ein teppich und dessen Verwendung bietet einen
anhaltspunct bei lösung unserer frage.
Schultz aao. i 86 hat die stelle herangezogen , aber ungenau
widergegeben — Ulrich sagt nicht, dass man auf den limn tep-
piche aufspannte zum schütz gegen den wind und Sonnen-
brand, er spricht nur von einem teppich, durch den wind
und licht abgehalten werden sollte — und sich einer erläuterung
enthalten, sodass uns verborgen bleibt, wie er sich die sache vor-
stellt, jedesfalls müste der angebliche balkon mit einem dache
versehen und an den beiden Schmalseiten etwa mit brettern ver-
schalt gewesen sein, sodass der am dachbalken befestigte teppich
allein die offene Vorderseite zu decken hatte, denn wie konnte
in jedem anderen falle gesagt werden d6 tet si wider zuo die lin,
wie passten sonst die ausdrücke uz der lin her, dar üz oder, um
auch das gleich abzutun, die stellen in Dietrichs flucht
4654 dö neigte sich Hildebrant
durch die line unde sprach
und 4683 dö leinten sich die recken
die starken und die kecken
durch die line hin ze tal.
aber selbst mit dieser Vorstellung kommen wir nicht zurecht, so
lange 343, 8f Lachmanns text festgehalten wird. Schultz inter-
pretiert hier freilich, dass die balkontüren abends geschlossen
wurden, doch kann folgerichtig nur an den früher angegebenen
gebrauch gedacht werden und auch Bechstein, der die hand-
schriftliche lesart beibehalten, bemerkt: 'er (Lachmann) versteht
den satz wol vom schliefsen der balkone durch teppiche.' was
sollte damit jedoch bezweckt worden sein? wenn man sich schon
des abends noch auf den balkon begab, geschah es wol, um die
aussieht und frische luft zu geniefsen, und wenn man in der
kemenate blieb , konnte nach belieben die jedesfalls vorhandene
balkontUre zugemacht werden; ein Vorhang war also im ersten
falle hinderlich, im zweiten ganz nutzlos und überflüssig.
Lesen wir mit der hs. Hute oder/ew^e, so entfällt zwar dieses
argument, die hergebrachte erklärung bleibt aber nach wie vor
DIU LINE 111
bedenklich, uud hätte man sich weiter umgesehen, so würde
ohne zweifei deren Unrichtigkeit erkannt worden sein.
Bekannth'ch wurden im mittelalter nicht nur innenräume,
sondern auch hölzerne vorbauten angegebener art louwe oder sölre
benannt und sache wie nanie hat sich heut zu tage noch erhalten,
was anlass genug gewesen sein sollte, sich zu orientieren, ob
und in welcher bedeutung etwa li'ne noch vorkommt, man hat
das leider versäumt, sonst würde vielleicht schon Schmellers an-
gäbe imB\VBil482: Hendel, fensterbalken, die dann zugemacht
die fenslerlade bilden (dabei ein citat aus Stekhammers gedichten)
vor dem irrtume bewahrt haben, noch mehr geeignet, auf den
richtigen weg zu leiten, ist kärntisch lina, dachfenster, erker,
fenster ohne Scheiben (siehe Jarnik, Versuch eines etymologikons
der slovenischen mundart in Innerösterreich s. 83) und das im
Defreggentale gleichfalls für ein fenster ohne Scheiben gebräuch-
liche liene, demin. Hendl, namentlich in der Verbindung gloggn-
liene, die glockenfenster im kirchturme (siehe VHintner, Beiträge
zur tirol. dialeclforschung s. 269). durchweg handelt es sich
also um ein fenster und es ist beachtenswert, dass speciell
solche ohne Scheiben und auch die fensterladen so bezeichnet
werden, beides deutet auf alte cullurverhältnisse hin und wir
sind deshalb um so mehr berechtigt, für das mhd. line eine ähn-
liche bedeutung, wie sie dem entsprechenden dialectworte zu-
kommt, anzusetzen.
Um eine genauere bestimmung vornehmen zu können, haben
wir uns die betreffenden mittelalterlichen Vorrichtungen, die
fensteröffnungen und deren verschluss, zu vergegenwärtigen,
erstere waren in den gebäuden des früheren mittelalters, die
kirchen nicht ausgenommen , keineswegs zahlreich und von sehr
bescheidenen dimensionen.i noch im 12 und 13 jh. glauben
dichter bei Schilderung fürstlicher bürgen und gemacher die
existenz von vielen und grofsen , weiten fenstern als Vorzug her-
vorheben zu müssen, und wenn wir solche bauten aus jener zeit
betrachten , finden wir vorzüglich säle und corridore in der weise
ausgestattet, die gewöhnlichen Wohnräume hingegen weit weniger
* das beweist auch die notiz im anhange der Kolmarer annalen: Civi-
tates Argentinensis et Basiliensis in muris et aedifidis viles fuerunt, sed
in domibus viliores. Vomus fortes et hone fenestras paucas et
parvulas habuerunt et lumine caruerunt (siehe Böhmer, Fontes
II s. xn).
112 DIU LINE
mit licht und luft bedacht, die feDSlerOffnungeQ wurden zunächst
einfach in der mauer ausgespart, und wo diese eine ansehnliche
dicke besafs, war der ausblick ein mehr oder minder beschränkter,
rücksiclilen defensiver natur und bequemlichkeit haben darum
eine änderung herbeigeführt, indem man entsprechend tief ein-
springende nischeu , welche in der folge mit sitzen versehen
wurden, anbrachte.
Was den verschluss betrifft, so sei erinnert, dass dazu in
profanbauten wahrscheinlich erst gegen das 13 jh. hin glas ver-
wendet zu werden anfieng und dass dessen gebrauch noch ende
des mittelalters selbst in grüfseren Städten nicht allgemein war.i
in ermangclung desselben behalf man sich auf andere weise, ua.
mitteppichen2, gittern und laden, mangelhaften und mit mancherlei
unbequemhchkeilen behafteten ersatzmitteln, die uns begreifen
lassen , warum man in kemenaten , Stuben und kammern mit
fenstern möglichst sparte, bei nicht zu ständigem aufenthalte
dienenden localen verhielt es sich anders, in gangen, dach-
räumen udgl. bedurfte man nicht so des Schutzes gegen die Un-
bilden der Witterung; deshalb wurden hier weite Öffnungen nicht
gescheut, deshalb und aus anderen Ursachen erfuhr der ver-
schluss, so weit er nicht ganz unterblieb, auch nicht jene Ver-
vollkommnung, die eine fortschreitende cultur in dieser beziehung
herbeiführte, es blieb bei der alten methode — in manchen
gegenden bis auf den heutigen tag.
Diese bemerkungen, zusammengehalten mit den bisher bei-
gebrachten mittelalterlichen belegstelleu , sprechen entschieden zu
gunsten der volkstümlichen auffassung, und zudem kann die
blenkendiu lin im Jüngling des KvHaslau v. 919, die schon Haupt
als 'fenster, das sich im winde (klappend) hin und her bewegt'
erklärt hat (Zs. 8, 577), ungezwungen nur in diesem sinne, ge-
nauer als fensterladen , gedeutet werden, dass dies aber nicht
die gesuchte und ursprüngliche bedeutung ist, erweist das com-
' über fensterverglasung im mittelalter hat ua. Falke in den Mitteilungen
der k. k. centralcommission f. k. und h. d. viu 1 ff g^ehandelt und dabei
auch Frauendienst 331, 14 ff besprochen, ohne indes über die einrichtung ins
klare zu kommen, da er Ime als leine, schnür auffasste.
2 wenn auch zur zeit Gregors vTours kirchen bereits glasfenster be-
safsen, so waren in Tegernsee noch im 10 jh, die kirchenfenster durch alte
tücher geschlossen, wie aus einem briefe des abtes Gosbert hervorgeht
(siehe Kugler Kunstgeschichte ii 22).
DIU LINE 113
posilum lineberga, womit neben reclinatorium, fulcrum noch can-
celli und pinnaculum verdeutscht werden, unter cancelli verstand
man im altertum ein aus gerade oder schräg in die höhe gehenden
und schräg über diese gelegten lallen oder eisenstangen bestehendes
gitter, im miltelalter vornehmhch ein derartiges fenstergitter, über-
tragen das fenster selbst, nicht aber balkon, wie Schmeller Lat.
ged. s. 230 angibt (siehe Ducange s. v, cancellus). so heifsl es im
Ruodlieb i 52 bei Schilderung des abschiedes Ast 'per cancellos
post hunc pascebat ocellos mater und xiii 131 mox ad dominas
repedabant , qnas ad cancellos inuenerunt speculantes, wo Seiler
(einl. s. 40) ohne grund 'an den zinnen' übersetzt; auch iii 66
ist nicht ohne weiteres an einen erhöhten platz für den Sprecher
zu denken, in welchem falle sich der dichter wol anders als
Tunc per cancellos legatus dixit ad illos ausgedrückt haben
würde, sondern wider an ein fenster des im hofe befindlichen
hausesi, durch das der legatus zur versammelten menge herab-
spricht. Seemüller bemerkt allerdings zu Williram c. 37 Sihes
du uuie der da obe stet ze den linebergon, so er sbrehhan uuil ze
den, die da nidana sint , sih nah in neiget in ähnlicher weise
(QF XXIV 104 anm.) 'Williram versteht unter cancelli der Vulgata
nicht gitter sondern lineberga lehne, erhöhter sitz, Stand-
ort', aber eine solche auslegung scheint mir hier ebenso wenig
wie dort am platze, hatte Williram etwas anderes im sinne, was
mich selbst nicht unwahrscheinlich dünkt, da die bibelstelle Cant.
cant. II 9 en ipse stat post parietem nostrum respiciens per fe-
nestras, prospiciens per cancellos (in der Übertragung (QF
XXVIII 12) Sine, uua er selbo stet hinter unser uuente, unte sihet
üz den uenstron, unte uudrtet uz uön den linebergon) eine
Unterscheidung sehr nahe legt, so kommen meines erachtens am
ehesten zinnen in betracht. im allgemeinen lässt sich mit der
Situation etwa die vom dichter des Himmelreiches gezeichnete
vergleichen
1 von einem haus ist allerdings nicht die rede, doch siehe wegen
curtis Inama Untersuchungen über das hofsystem im mittelalter s. 57 ff. —
V 163 erscheint eine curtis lata cancellis amp/üprehensa. für cancelli
gibt Seiler die bedeutung schranken an, doch darf nicht aufser acht ge-
lassen werden, dass der dichter offenbar eine bestimmte der landschaftlich
variierenden zaunformen im äuge hatte, sonst würde er das gewöhnliche
sepes (curtis sepe circumcincia ist die herkömmliche bezeichnung) ver-
wendet haben.
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 8
114 DIU LINE
V. 1 Michil bis du herro got und lobelih harte,
michil ist diu chraft uf dere himilisken warte . . .
und daselbst v. 232 bei beschreibung der himmelsburg begegnen
uns aucb liliebergen, womit nach Diemer (Gen. und Exod. u 178)
und Lexer zinnen gemeint sein sollen, hier passt zwar diese
erklärung nicht, schon weil dem Verfasser cinne geläufig war
(siehe v. 227 und auch 83) und weil dann der vers nichts
weniger als sinnreich wird, doch dass sie nicht überhaupt zu
verwerfen ist, erhellt daraus, dass durch lineberga pinnacuhim
glossiert erscheint, zb, Matth. 4, 5 Tunc assumsit emn diabolus in
sanctam civitatem et statuit eum super pinnacuhim templi (siehe
Ahd. gll. I 709, 42). ireifen wir schon hier und da eine andere,
ungenauere auffassung", des etymologischen Zusammenhangs mit
pinna waren sich die meisten Übersetzer sicher bewust^ und beide
ausdrücke wurden auch nicht streng aus einander gehalten.
Zeugnis dessen, dass sowol pinna wie pinnaculum durch wintberge
widergegeben wird (siehe Graff ni 174. Ahd. gll. n 618, 60.
Sumerl. s. 50. Diemer aao. ii 277 unter wintperge und wintwere).
Bezeichnet aber lineberga die zinne, so kann der erste be-
standteil des compositums blofs auf die scharteubrüstung bezogen
werden, und wenn ich noch beifüge, dass die brustwehr selbst
bei weniger massiven befestigungsanlagen eine geringere dicke
als der unterbau aufweist, dass der innere wehrgang bei ring-
raauern nicht selten überdacht war, dass bei zinnengekrönten
bauvverken das dach vielfältig den zinnen aufgelegt wurde und
dass die mehr oder weniger weiten scharten ebenfalls feusler
hiefsen (siehe Kudriin 1384 uö.), dürfte die sache nun ziemlich
klar liegen.
Unter line als baubestandteil haben wir in erster linie die
* allgemein als summitas templi zb. bei Otfrid n 4, 53, Tatian 15, 4,
Zs. f. d. pliil. XII 22; dagegren SPaüler predigten s. 49 do chömen si beide
aber sd üf ein w entelstein, üfein höliez gezimber, wonach der Verfasser
sich den tempel mit einem türme versehen vorstellte, schon auf dem alten
SGaller grundriss zeigen die kirchtürme Wendeltreppen, die eine beischrift
lautet: ascensus per cocleam ad tiniversa super inspicienda.
^ Ahd. gll, II 263, 32 Pinnacuhim a pinna diminutiuum quidam di-
cunt. quod sint manaperaga (= cancelli Ahd. gll. i 457, 10. 544, 19) dh,
hier wol eine art von schirmdächern vor den zinnenscharten, wie sie schon
von den Römern angewendet wurden? cancelli == interstitium inter pro-
pugnacula — propugnacula nicht nach römischer terminologie, sondern
= brustwehr, zinne — würde dazu stimmen.
DIU LINE 115
brusllehne eines fensters uach mittelalterlichem begriffe, sei sie
aus holz- oder maiierwerk hergestellt, zu versteheo, dann auch
dessen verschluss (gitter, laden)i und die fensteröffnung , bei
UvLichtenstein speciell ein mit sitzen versehenes nischenfenster.
Wackernagels angäbe in seinem vs^örlerbuche 'lin, line lehne,
fenster (mit mau er oder geländer als brustlehne)'
hätte also nicht unberücksichtigt bleiben sollen, fenster mit
herausgehendem geländer, wie Lexer annimmt, gab es
meines vvissens in so früher zeit nicht, hölzerne vorbauten,
unseren gedeckten balkonen ähnlich, aber ursprünglich zur Ver-
teidigung dienend, treten übrigens bei deutschen bürgen erst
seit dem 12jh. auf, was einiger mafsen befremdet — in anbetracht
dessen nämlich, dass bei karolingischen meierhöfen schon sölIer
wie bei unseren bauernhäusern üblich gewesen zu sein scheinen,
nebenbei gesagt sind die franz. estres nicht 'balkons' (Schultz
aao. s. 86), sondern sie lassen sich ungefähr unserer line ver-
gleichen (siehe Constans, La legende d'Oedipe s. Lxvm).
Zum Schlüsse mache ich darauf aufmerksam , dass nur inner-
halb eines noch genauer zu begränzendeu gebietes, das sich nach
einer seite bis ins üefreggental erstreckt, die Volkssprache den
ausdruck line aufweist, im grofsen ganzen gehört er Inneröster-
reich an und da ist UvLichtenstein und KvHaslau zu hause, da
hat auch der dichter von Dietrichs flucht seine heimat.
* line und lineberga wechseln übrigens schon frühzeitig.
Innsbruck, im april 1888. OSWALD ZINGERLE.
ERLANGER BRUCHSTUCKE AUS DEM
EVANGELIUM NICODEML
1514 stiftete markgraf Friedrich iv von Bayreuth bei Gold-
kronach auf freiem fehle das franziskanerkloster SJohst, begabte
es reichlich und liefs es von Hof im Voigtlande ans mit 10 mönchen
besiedeln (SWOetter Sammhing verschiedener nachrichten aus allen
teilen der historischen Wissenschaften ibd.. Erlangen 1749, s. 2 /fj.
dasselbe wurde bald darauf wider zerstört, seine bibliothek aber
nach Bayreuth gerettet (aao. s. 15; vgl. SGOetter De memorabilibus
hibliothecae monasterii SJodoci, progr. des Erlanger gymn. 1746.
40), von wo sie 1794 an die Universität Erlangen kam (Ver-
116 ERLANGER BRUCHSTÜCKE AUS DEM EV. NICODEMI
zeichnis der aus dem ehemaligen kloster SJohst nach Erlangen ge-
brachten mss. und bücher, gefertigt von AFPfeifjfer, 1794, ms.
auf der Erlanger bibliothek; Erlanger rectoratsprogramm von
JGFPapst, mai 1796, fol. s. 4 und anm.). in einer der zahl-
reichen incunabeln dieses bücherschatzes (Breviloquus vocabularins,
Coloniae 1486 = Panzer Ann. i s. 296 nr 141), welche die SJohster
nummer 266 trägt und jetzt als nr IIA gezeichnet ist, fand ich
zum ankleben des buchrückens an den decket pergament verwendet,
welches verse aus dem Evangelium Nicodemi Heinrichs vHesler
enthielt, hr bibliothekar dr Zucker liefs dasselbe auslösen, es
kamen nun 6 streifen zum Vorschein, unter diesen xoaren die
2 gröfseren (6, 4—6,0 cm. X 27,4 cm. und 6,6— 7,9 cm. X 27,4 cm.)
der breite nach in einer höhe von 1 cm. umgebrochen gewesen, der
art, dass das schmale stück innerhalb des buchrückens geklebt, der
übrige teil hingegen zwischen vorder- bzw. rückendeckel und dem
ersten bzw. letzten blatte der incunabel hervorgeragt hatte: wo
das pergament gefaltet war, ist es stellenweise ausgebröckelt, die
vier anderen streifen, welche, gleich jenen beiden gröfseren an die
fäden der lagen geheftet, den rest des 5,5 cm. starken buchrückens
an dem umschlage befestigt hatten, sind 0,9; 1; 1,05; 0,9 cm. hoch
und haben eine breite von 26,8; 27; 27; 25,8 cm. sämmtliche
stücke gehören zu einem und demselbeii mit dinte linierten, zwei-
spaltig in abgesetzten versen beschriebenen doppelblatte aus dem
ende des xmjhs., das der buchbinder den verszeilen ziemlich parallel
in streifen schnitt und diese letzteren dann am rechten oder linken
ende, ungefähr entsprechend der höhe der incunabel {21,1 cm.),
verkürzte, fünf von diesen streifen, der zuerst genannte gröfsere
und die vier schmäleren in der oben angegebenen folge, passen voll-
kommen an einander und bilden ein zusammenhängendes fragment
(= i) von 10,6 cm. höhe, welches etwa die mitte des doppelblattes
ausmachte; dabei ergibt der Wechsel an einander gereihter, bald
rechts bald links beschnittener streifen , dass die ursprüngliche breite
des doppelblattes ca. 30 cm., die jedes einzelnen blattes also ib cm.
betrug, das sechste stück (= ii) ist das unterste ende des doppel-
blattes.
Bl. 1 = Seite 1 und 2 der fragmente enthält verse aus dem-
jenigen abschnitte des Evangelium Nicodemi, welchen Pfeiffer Übungs-
buch s. 1—22 (= P) abdruckte, und zwar: i 1" v. 1013—1034;
n V 1039—1048; — i l'' 1054—1075; n l"^ 1080—1089; —
ERLANGER RRÜCHSTÜCKE AUS DEM EV. NICODEMI 117
I2M096— 1116; ii 2^ 1121—1130;— 12" 1137—1158; ii 2»^
1163 — 1172. da der letzte vers von ii mich der letzte der spalte
ist, so folgt daraus, dass die colnmnen \^, 2* je 41 zeileji zählten,
2^ dagegen 42. dieser unterschied kann nur darauf beruhen, dass
der Schreiber einen vers ausliefs oder ihn auf serhalb der zeile
nachholte, denn jede seite der hs. ist in der weise liniert, dass
zuvörderst, von links gerechnet in den abständen 1,6: 5,2: 1:
5,2 : 2 cm., vier senkrechte striche vom obersten rande bis zum
untersten gezogen wurden, welche die spalten einfassen sollten;
zwischen den ersten und vierten strich, von diesen begränzt, sind
dann die wagrechten linien gelegt, sodass zum mindesten jede
columne derselben seite gleichviel Zeilen aufweisen muste. darum
zählte wahrscheinlich auch spalte V 41 verse, und das unvei^sehrte
hlatt begann mit P 1008. übrigens ist aus der gefundenen verszahl
der spalte auch annähernd die höhe der ganzen hs. zu erschliefsen.
vor I 1* fehlen 5 verse, die einen räum von 2,1 cm. beanspruchen;
wird angenommen, dass zu an fang der seite so viel räum leer
blieb, als am Schlüsse derselben, so sind nach analogie von n 3,9 cm.
hinzuzurechnen, es hätte also das oben vom blatte abgetrennte
stück die höhe von 6 cm. gehabt, darauf folgt i 1" mit 10,6 cm.,
dann eine lücke von 4 versen = 1,6cm., zum schluss ii r = 6,6 cm.;
die summe dieser maße und mithin die höhe der hs. würde also
ca. 24,8 cm. betragen.
Bl. 2 = seite 3 und 4 der bruchstücke bringt verse, welche im
Zusammenhang bisher noch nicht veröffentlicht sind, und deren ge-
naue stelle im gedieht sich nur aus den citaten ermitteln lässt,
icelche KAmersbach in den programmen des Konstanzer gymnasiums
von 1883 imd 1884: Über die identität des verf.s des gereimten
Evangeliums Nicodemi mit Heinrich Hesler usw. [== A i, A ii] nach
einer von RPWülcker gefertigten abschrift und collation der
Schweriner und Görlitzer hss. [= W] mitteilt, welche zeilen der
fragmente bei A citiert sind, ist unten im abdruck bemerkt; es
lässt sich daraus berechnen, dass die auf seite 3 und 4 überlieferten
stellen den folgenden versen bei W entsprechen: i 3^ 4484 — 4506;
II 3^ 4511 — 4519; — i 3" 4525—4547; ii 3'' 4552—4560; —
I 4* 4567—4588; n 4" 4594—4601 ; — i 4'' 4607—4629; ii 4"
4634 — 4642. auch auf diesem blatt zählt jede spalte 41 zeilen:
seite 3 begann darum mit TF 4479.
Wie viele verse zwischen den seiten 2 und 3 = bl. l und 2
118 ERLANGER BRUCHSTÜCKE AUS DEM EV. NICODEMI
standen, lehrt die Umsetzung der Pschen Zählung in die Wsche;
aus den citaten bei RPWülcker Das Evangeliiim Nicodemi in der
abendländischen litteratur, Paderborn 1872, s. A%f anm. 12b f (vgl.
den text s. ASff) ist zu entnehmen, dass P 1 W 2325 entspiicht.
da 2" mit P 1172= VF 3496 schloss, y mit IF 4479 beginnt,
so liegen zioischen innen 4478 — 3496 -= 982 verse == (abgerechnet
ein versehen von 2 Zeilen) 24 spalten = 3 doppelblätter. das letzte
blatt dieses quaternio bildete unser zweites, wie die auf s. 4 unter-
halb der querlinien zwischen dem 2 und 3 verticalen striche ein-
geschriebene bezeichnung iij^ beweist, voraus giengen also 2 lagen,
welche nach W 3331 verse nmfasst haben miisten, denn P 1008,
mit welchem die dritte läge beginnt, ist gleich VF 3332. da
3331 Zeilen 51 verse mehr als 10 doppelblätter brauchen würden,
so ist es wahrscheinlicher, dass derjenigen hs., zu welcher die
Erlanger fragmenle gehörten, der prolog von 368 (nicht 369)
versen ebenso mangelte, wie es bei den meisten übrigen der fall
ist (Wülcker aao. s. 45; JHaupt Über das mhd. Buch der märtyrer,
Wien 1872, s. 12; Äi s. \f): dann gewinnen wir mit dem ge-
ringen fehler von 12 versen 9 doppelblätter ; es würden also der
3 läge unseres ms. ein quaternio und ein quinternio voraus-
gegangen sein, wie viele blätter folgten, ist bei der Verschieden-
heit der fassung und länge des Schlusses des gedichtes nicht zu
bestimmen.
Im einzelnen bemerke ich noch, dass rote initialen, welche hier
iind da vom Schreiber am rande vorgezeichnet waren, die absätze
bezeichnen, und dass fast immer auf eine initiale, welche 2 zeilen
einnimmt, ein grofser buchstabe folgt, der zuweilen auch rot
durchstrichen ist. das i trägt häufig einen strich.
Darnach stimmt das Erlanger bruchstück zu keinem der bisher
veröffentlichten , auch nicht zu demjenigen, welches nach Seiten der
äufseren ausstattung , der Orthographie des Schreibers und, so viel
aus den wenigen versen zu ersehen ist, auch des textes grofse
Verwandtschaft zeigt, nämlich den von Schönbach Zs. 24, 82 ff aus
dem Retzer archive publicierten 'fragmenten eines unbekannten
mhd. gedichtes' (= R). auch diese gehören Heinrichs gedichte an,
denn R i V v. 1 — 3 ist = Thennenbacher fragm. Mones Anz. iv
328/" ü. 108—110; Rn V v. l— 3 = Mone 329 v. 113—115
= W 1682—1684 (vgl. A i 16 zeile 7 v. o.); — Ä ii 2" «. l
vgl. AnU itewiz; v. 2. 3 = W 1765 f (A ir 26 zeile 5 / v. u.) ;
ERLANGER BRÜCFISTÜCKE AUS DEM EV. NICODEMI 119
R i 2"^ V. 1 = W \19S (A i U z. 2 V. u.). R 3 tind 4 stehen
bei P und ergeben zugleich, dass die spalten derjenigen hs., der
die Retzer fragmente entstammen, 39 zeilen zählten — ich setze
die versconcordanzen vollständig hierher — ; Ä i 3* = P855 — 857 ;
Ä n 3^ = P 860—861 ; — Ä i 3"^ = P 894—896; Ä ii 3"^ = P
899—901; — fi i 4* = P935— 937; R ii 4» = P 940— 942; —
Ä I 4*' = P 974-976; /? ii 4" = P 979—981.
Der abdruck der bruchstücke , loelche hier und da durch Wurm-
fraß gelitten haben, ist ein diplomatischer.
Erlangen. G. WOLFF.
Pl0l3Dine goteheit bedecken ^
vn ein mensce vol recken
1015 Daz golliche getreide
Daz ein sloz einer meide
In ir warnen den besloz
D' deme hiemele ist zv groz.
vn deme die w'lt ist zv enge
1020 Daz was ein hart gemenge
vn ein edele gewerp.
Daz d^ deisme was so derp
Daz vch zwei zv sanine wal
Dine stat vn des menscen val.
1025 Daz wäre brot wart so los
Da got daz erbe vleisch erkos
Die vil borgen erden
vb^ einen also w^den
Geist, siner maiestat
1030 Daz was ein na gerate rat
An min v^terpnisse
DAz2 is nicht wisse
So wol ich doch weiz alle dinc
Owe mensce din gesprinc^
D^
II V
len gebvrt*
Des wirt min ere hie kvrt
Min volge harte dvnne
von .enslichem kvnne
0 spch die helle menie zv im
belzebvb nv v^uim
wie vSvorfen vS v^jorne
vö vnsis hVen zorne
vö allen dinen geuozen
wier sin dvrch dich v^stozen.
I 1"
siner g . . . . n^
Da dv vns abe v^saztes
vn mit dier selben vaztes
vn dise ewige v^lvst
Dv Variete mit vnkvst
vrowen even.vn. adame.
Ob sie daz obiz gename.
Sie wrden vntotlich den goten.
So wol wart ez en geboten
wan biz sie wurden betrogen
1 die oberen spitzen dei' buchstaben von heit bedecken sind fort-
geschnitten. - D ist links über die linie der spalte hinausgerückt.
die unteren spitzen von gesprinc sind abgeschnitten.
1040
1045
1055
die unteren spitzen der buchstaben sind erhalten,
spitzen der buchstaben sind erhalten.
nur die unteren
120 ERLANGER BRUCHSTÜCKE AUS DEM EV. NICODEMI
Da haslv mit vi' dich gezogen
1065 Mit rechte vrteilen krist
D^ war got vn mensce ist
vü richit menscen anden
Nv erst wirt dierz zv scandeo.
Daz dv adamen ie betr . A
1070 Doch nehastv in din Ivg..
Betrogen nicht die mens . . .
Do hettes ir war vor geseit
alleine wis
Dv spreche
1075 Ob ir vch de2
Daz wier vf dich wol kage mvge
wan hierzv hastv vns bebt
wier waren vbile bedacht
Daz wier dier volgete mite
an deme starke vb^ trite
Diner vppige hocvart
Daz wier wid^ vnse art
vnvellic. vellic machten
6 eile swachte
ugen vns hate
am von dime rate
0 d^ vUorne
II P
1080 Do h^ diz vleichs gescv. so rich^ n
Daz vö adames sippe qwam
Daz ez got sider an sich nam
. . . IS h . i . sich ....
Daz ime daz nicht irgrozte
1085 Daz h' was got vö vrier kvr
vn nam doch an sich mescen n*
Daz ime die nicht ir wengete
Siner kraft h' sich engete
vf gap sich ZV vremdem wilH
I 2'
1096 Daz h^ bedachte ir arbeit^
vn ir vil iem^lichen rvf.
Die h^ da nach ime gescvf
wier arme blibe vngelost
1100 wan wier han vns so v^bost
Daz wier zv losene nicht tvge
n 2'
. than sich scvlde svs
. h vnsir h^re ihc
. orf die sin^ herscaft
. . . otlich.n k.fts
^lezame. vTi. begeinte
t mines vat^ geseinte
ach mier sin erbild?
aret ein teil vSvild?
d^9 tvvel vch vViet
o^mt min heilige diet
12"
In deme holze v^los^^^
Do adam mich v^kos
vi! sich selben valte nid'
1105
1110
1115
1121
1125
1130
1137
1069 — 1075 sind am rajide beschnitten.
2 nur die oberen
lUSO — 1083 stark abgescheuert,
enden der buchstaben sichtbar.
1083 auch durchlöchert. * das ende der zeile ist abgeschnitten.
^ von dem vorhergehenden verse sind nur die unteren spitzen der buch-
staben erkennbar. ^ die folgenden 17 zeilen an der seile beschnitten.
' nicht sicher. ® durch löcher zum teil zerstört. ^ d und o
sind nur zur hälfte zu erkennen. *° nur die unleren spitzen der
buchstaben erkennbar.
ERLANGER BRUCHSTÜCKE AUS DEM EV. MCODEMI 121
d:
1140 IS'v han ich dich gekovfl wiiP
ancleme holze des krvzes
Lvin et^oe Ivcis
Daz qvvit des ewige Hechtes sein
Belzebvb sol imm^ sin
1145 Ind' helle an dine stat
In sinen hals h^ ime trat
vn tolle da den tot
Denie slange h^ gebot
Mit wewen vn mit ruwen.
1150 Die helle imni' buwen
kO sprachen die sele alle
Mit mang^ venie valle
Jesvs d^ v^lorne trost
Sit daz dv vns has irlosl
1155 Mit din^ heiligen kvnft
Mit des krvzes sigenvft
hVre xpisl so stelle
Ein zeichen vb^ die helle
II 2"
Tel W vber der helle grvnt^
Ein krvze dri stvnl
1165 Do sanc die helle an einen hovf
Belzebvb d^ besovf^
In denie heizen vure
Do irarnele^ vil tvre
Daz h^ adame ie betrovc
1170 Zv xpc vuzen sich do bovc
Adam signende vil Ivle
Disen salm den ich iv bedvte
I 3^
W4484Noch von dem bettegesten
vor mangen iaren da bevor
Die vrowe trvc daz bilde enpor
vn gienc zv hove mit mvzen
D^ kvng vil ime zv vuzen
he spch min liebe h^re ihv xpist^
Alse wMiche alse dv ein got bist 4490
Alse hilf mier von dirre not
Die vrowe daz bilde dar bot
vn tet zv drin slvnden.
vb^ den vngesvnden.
Ein krvze inden drin namen^ 4495
Die ein war gol sin entsamen.^
Do wart d^ kvng sa zv stvnt
An sime libe wol gesvnt
TTkO hiez veronen.
Irre vHe wol Ionen.
Nach keyserlich' mille
vn hiez vnsis h^ren bilte
In gymme. vü. in gölte
Bewirken so h^ solle
Alsez alle die Ivte
hvteß
4500
4505
n 3^
Daz sie en beide bete
Swes sie willen hete
Des w^e h^ en gereite.
Daz he ir arbeite
wol gelonte da mite
volvsian spch ich bile
h^re din selbes gnisf
Daz dv geloybes an krist
vn dich tovfen lazes
I 3"
Des ewigen heten^
4511
4515
4525
' nur die unteren spitzen der buchstaben erkennbar. ^ besovf
zum teil zerstört. ^ = ^ 11 25 z. if v. u. * = J u 22 z. 11 f
V. o. ^ = J ii9 z.6 V. 0. ^ nur die oberen spitzen der buchstaben
erhalten. "> = A nl2 z.26 v. o. « nur die unteren spitzen er-
kennbar: heten nicht sicher.
122 ERLANGER BRUCHSTÜCKE AUS DEM EV. NICODEMI
g;
vü euliat nicht erbeten
Mit sinie sceph^e gole
W in sime geböte
hiemel. vn. erde held?
4530 vü allir diuge weld. ..i
Daz vnsir h're ihc k^. . . .2
D' war got. vn. mesce ist
W sich ZV d* martere gap.
vn liez sich lege in ein grap
4535 vor al d^ wMde missetat
Da geloybe an daz ist min — ^ t
.^Ergnespch lyberivs
Ich geloybe daz ihc
D' meide svn ist gotes
4540 vü die apgole ein to . .&
vn bew^rere des siechten
\n irr^e des rechte
Storere des waren vrides.^
Do hiez h* tempivm ysides
4545 In die tyb^e senken.
vS die apgote irtrenken.
vü bot den Romeren
n 3''
H spch he ... ."^
Da nimm^ wnne mer zvrgat
In sin^ h * stat
4555 Sime vater glich vn eben, h^9
Do was d^ leid^ mer
Die von d^ tovfe gienge.
Dan die sie entfienge.
Daz erzvrnete tyb'ivsio
vü beb ir hof. vü. ir hvs
11 hiez . . .« e albane
o vndHane
sie do nanle
te siez volc mante.
yb^ivs dar i.^ne lac.
izet . . .8 disen tac.
lach lyb.^o
ivs d^ wart do
set d^ starp.
gi2ola daz riebe irwarp.
n h.mensce art
s nach ime kvng wart
nach ime neren
4570
4575
4580
. nastasivs
d deme vaspasianvs
vur mit vrlobe. vü. mit Ife
Iq ivdeam vb^ mer
vü gwan iotaplate
Die svlchen naiü hate^^
Ine weiz wie sie nv si genant
Josephvm h^ vb^ want^*
4585
II 4=
Zv vaspasiane
anastasivs v^end? hat
2 = .4 II 25
4595
1 an diesen stellen ein loch. ^ ^ ^ n 25 z.2f v. u. ^ ein
loch in der hs. * am rande ein schwarzes G vorgezeichnet.
5 diese verse am rande beschnitten. ^=^ l 13 ä, 14 v.o.
' nur die unteren spitzen sind noch zu sehen. ^ ein loch in der hs.
9 -^ .i II 11 z. 27 V. o. »0 = .4 II 4 2. 5 V. u. »' 4567—4581
an der seite beschnitten. ^^ g nicht deutlich. ^^ vor hate steht
durchstrichenes hahe. ^* von der nächsten zeile sind bue/istaben-
spitzen erkennbar. '^ durch ein loch zerstört; buchstabenspitzen
noch zu sehen.
ERLANGER BRUCHSTÜCKE AUS DEM EV. NICODEMI 123
Dv bist all siae stat gekorii
wie hastv dan die stat v^Iofq
Sit dv vor weist gescichte^
4^00 Ich holte. en. vor die richte^
Lange zite wol gesait'
I 4"
vi! bellten ime daz ni^e
Daz h^ ZV Rome vv'e irkoru
Die vursten hette ime gesworu
Daz h^ daz riebe neme
Swenne h^ wider qweme
In sine gewaldeklichen gew^
Do halp teilte h^ sin h^e
vü liez en svrien"
vursten grave vrien.
Die wol torsten striten.^
4625
d:
4ie irvare ich die warheit^
Daz dv mier hast geseit
Daz ich zv Rome erkorn si
4610 Die boten sint hie nahe bi
Die dier die m^e bringe
Habe ich an disen dingen
war geseit laz mich genesin,
vn dier diensthait wesin.
4615 Si des nicht so tote mich
Da mite sciede sie sich,
gienc^
Er kvng an sin gemach
vnd^ des daz dit gescach
So qwam die Rom'e
* rechts am rande von einer hand des wij'hs. Sitz icli. ^ vo7i
derselben hand am gleichen rande helt en was. ^ von derselben hand
wie vorher gestalt; unter diesen vers schreibt sie in den leeren unliriierten
teil der spalte: mater gracie mater misericordie | tu nos ab hoste 4)tege.
'' durch ein loch zerstört; buchstabenspitzen noch zu sehen. ^ die
oberen spitzen der größeren buchstaben abgeschnitten. ' vor gienc
imd zwischen kviig und an verweisungszeichen. '' =: A i 30 z. 1
V. u, * die unteren spitzen der buchstaben sind fortgeschnitten.
^ die oberen spitzen von H spch sal ich fortgeschnitten. *° == ^ ii 20
z. 16 v. u. '' dieselbe hand wie oben bl. 4» hat in den leeren teil der
spalte 3 linien gezogen und darauf geschrieben: Da must er am galigen
hangn | kein (oder kern) frewd an dich ein kne (?) | schews in dich ein
pfeill I darunter ohne linie p pfeill pfeill.
n 4"
H spch sal ich^ gesvnt wesin
Ich kvme iv wid^ drate
Mit den h' do hate
Bevalch h^ sich dem winde
D^ treip en also swinde
Biz daz h^ zv Rome qwä.i»
Do wart h^ alsez kvnge zam
vö den Römern entfangen
Do sin wille was ergangen i^
4635
4640
MED. KLEINIGKEITEN.
1. MF 30, 4 i' sicenn er urlohes ger,
daz es im au dem wege niht enwerre.
die wunderliche deutuug, welche EHeurici Zur geschichte der
mittelhochdeutschen lyrik (Berlin 1876) s, 52 von dieser nur
124 MHD. KLEINIGKEITEN
schwer misverständlicheii stelle gibt, ist schon von Steinmeyer
(Anz. II 146) zurückgewiesen und dagegen die dem sinn allein
angemessene ei klarung nrlobes gern = sterben verteidigt, da
Henrici hervorbebt, dass der ausdruck in dieser bedeutung sonst
nicht belegbar sei, will ich auf ein allerdings erst nach seiner
schrill (Zs. 20, 19311) veröffentlichtes Grazer predigtconcept hin-
weisen, wo es (s. 195) heifst: oh indert ein mensch gegenwurtig
wer, dem got urlab wolt gehest in demjar, in der wochen, an
dem gegenwurtigen tag, das im der almechtig got verleich ain wäre
rew, ein lautre Reicht, ein wirdigew emphahnuz des heiligen leichnam
unsers herren und nach dem eilenden leben das ewig leben*
Hat auf diese ausdrucksweise vielleicht das tiunc dimittis zu
anfang von Simeons lobgesang (Luc. 2, 29) eingewürkt? ich
finde allerdings die bibelworte selbst nie so übersetzt, und die
bezeichnung ist wie unser heutiges 'abschied nehmen' für sterben
so nahe hegend (vgl. Myth. cap. xvii), dass sie sich auch ohne
anlehnung kann gebildet haben.
2. MF 30, 13 ff Krist sich ze marterenne gap ....
er getuot es niemer mer.
dar an gedenke swer söder loelle.
vgl. Wh. 218, 28ff sih, der enstirbet nimmer mer
durch man noch wibes schulde.
nu wirb umb sine hulde. vgl. auch König
Tirol 23, 2. 7.
Zu gründe liegt 1 Pelr. 3, 18: quia et Christus semel pro
peccatis nostris mortuus est. . . . Hehr. 9, 28: sie et Christus
semel oblatus est ad multorum exhaurienda peccata.
3. MF 42, 12f (ich) lerne des ich nie began,
trüren unde sorgen pflegen.
eine formelhafte wendung.^ vgl.
Wh. 101, 16 f nu lern ich des ich nie began,
eins jaemerliches tröstes gern.
weiter ab stehen
Trist. 2365 (ich wil) des ich nie began, heginnen.
Rubin HMS i 311'' so singe ich des ich nie began.
4. das thema vom geraubten kuss, das Reinmar (MF 159,
[* bei dieser gelegenheit verweise ich noch auf Welschen gast 5392
(die weit) git uns urlonp mit dem tot. St.]
1 auch die nächste zeile in Hausens liede, des was vil ungewent mm
lip, ist formelhaft, wie Meyer Zs. 29,157 nachwies.
MHD. KLEINIGKEITEN 125
37 ff) in die deutsche poesie eingeführt, Walther 111, 32 ff paro-
diert und 54, 7 ff dahin umgeändert hat, dass er statt vom ge-
raubten vom geliehenen kuss spricht, worin ihm dann
graf Konrad von Kilchberg HMS i 24* nachfolgt (vgl. Wilmanns
zu VValth. 54, 15), — dasselbe thema ist auch, wie ich noch nicht
bemerkt finde', von Ulrich von Lichtenstein im ersten büchlein
seines Frauendienstes 50, 20 ff. 51, 7 ff in engem anschluss an
Reinmar behandelt, der dichter, welcher sein büchlein als boten
zur geliebten sendet, redet ihm von dem roten mund seiner
herrin: sd an der selben stunt
wolt ich dar ab ein küssen stein.
daz soll ab du mit triwen heln.
sola ichz mit heile pringen dan,
wer wcBr ich danne, ich scbUc manl'^ . . .
hat ab mich min tumber danc
an stein ode an deheinen kranc
verleitet gegen der vrowen min,
bot, daz sol versteigen sin
und niht ze mwre werden brdht,
wan ich sin weiz got nie gedäht.
mir wcBr der danke alze vil.
5. Walth, 20, 34 ff wie möht ein wunder grcezer sin?
ez regent bedetithalben min,
daz mir des alles niht enwirt ein tropfe.
die freigebigkeit des fürsten mit dem regen zu vergleichen ist,
wie Wilmanns zu der stelle bemerkt, ein biblisches bild (Pro-
verb. 16, 15). aber auch das 'wunder', dass der dichter mitten
im regen unbenetzt bleibt, ist wol einem biblischen wunder
nacherzählt, das Jud. 6, 36 ff von dem feil des Gideon berichtet
wird. Gideon hatte als zeichen vom herrn erfleht, dass ein feil,
welches er auf die teune gebreitet hatte, in der ersten nacht
allein vom tau benetzt ward , während es ringsum trocken blieb,
und in der folgenden allein trocken blieb, während ringsum der
tau fiel. Walthers auspielung auf diesen letzteren Vorgang wurde
von seinen zuhörern gewis recht gut verstanden, denn wie der
* auch in der neuen ausgäbe des Frauendienstes von RBechstein fehlt
der hinweis.
^ vgl. Reinmar: git got deichz mit mir bringe dan und
waz tuon ich danne, unscelic man?
126 MIII). KLEINIGKEITEN
erstere, die wunderbare benetzung des feiles, in geistlichen ge-
dichten gern auf die jungfräuliche empfängnis Mariae gedeutet
wurde (vgl. Wallh. 5, 19 fl), so war gewis auch der zweite im
ma. nicht unbekannt. — im übrigen vergleiche ich noch den
Germ. 33, 172 aus einer Leipziger hs. mitgeteilten spruch:
Ich bin ein <jut gesell vndt nmss mich ducken,
Wanns glnckh regnet, so bleib ich wohl trucken;
Wanns aber vngluck regnet oder schneit.
So werdt ich vil nässer als ander lenth.
6. VValtli. 24, 31 f daz an mir iht erwinde
daz din vil götelich gebot.
welches gebot? Wilmanns meint, Walther denke an Matth. 28, 20:
'ich bin bei euch alle tage, bis an der weit ende.' aber diese
Worte sind kein gebot, sondern eine verheifsung. richtig hatte
schon früher Fasching (Germ. 22, 435) auf Ps. 90, 11 verwiesen:
qnoniam angelis suis mandavit de te, nt custodiant te in Omnibus
tuis viis. vgl. Malth. 4, 6. Luc. 4, lU.
7. Parz. 725, 7 ff ern welle unschulde rechen,
sus muoser hin zir sprechen,
sin dienst nach minnen bieten.
die stelle ist von den Übersetzern und Bartsch misverstanden
worden,
bei Simrock lautet sie: will er dies nicht an ihr rächen,
so muss er freundlich zu ihr sprechen
und ihr dienst für minne bieten.
hei San-Marte: witl keine schuld er an ihr rächen,
muss nun er zärtlich zu ihr sprechen,
um minnedienst ihr anzutragen.
Bötticher hat sie ausgelassen. Bartsch erklärt (zu xivl387):
'wenn er nicht ein ganz schuldloses wesen kränken will.' er
muss demnach gleichfalls die folgende zeile als nachsatz aufge-
fasst haben, allein einmal ist es ganz unerhört, dass sus (statt
so) den nachsatz einleitet, und zweitens dürfte nicht im be-
dingungssatz das praesens (welle), im folgesatz das praeteritum
(muoser) stehen. Simrock und Sau-iMarle übersetzen freilich in
letzterem das praesens, ern welle utischulde rechen ist vielmehr
der inhalt der rede des Gramoflanz, und sus weist darauf zurück:
'er wolle Unschuld nicht kränken (sie vielmehr belohnen), so
muste er zu ihr sprechen , seinen minnedienst anbieten.'
8. Wh. 58, 15 ff ir gunerten Sarrazin,
ob bediu hunt unde swin
iuch trüegen und dd zuo diu wip
sus manegen werlichen lip,
für war möht ich wol sprechen doch
daz iwer ze vil wcer dannoch.
die Worte sind Bech (Germ. 7, 303 f) unklar, an stelle von und
da zuo V. 17 will er gegen sämmtliche hss. als iezuo oder alse
MHD. KLEINIGKEITEN 127
nno legen, sodass sich der sinn ergäbe: 'ihr verwünschten Sa-
razenen I wenn ihr auch lauter hunde und schweine wäret in
der weise als ihr nun streitbare männer seid, so inüste ich selbst
dann noch bekennen, dass euer zu viel wären,'
Der richtigen erklärung näher ist Strobl (Germ. 15, 94) durch
eine stelle im Apollonius des Heinrich von Neustadt gekommen,
in welcher die rede Willehalms nachgeahmt ist. die verse lauten
(ausgäbe von Stroh! s. xxxiii):
dö sie (die feinde) der Tyrus ersach
ouz einem tobenden muote er sprach:
'zwdre ez mac wol Pnlgwr regen
oder sie toahsent under wegen!
ir ist doch so vil erslagen.
hieten sie den stein getragen,
ir wcBre dannoch ze vil,
ob ich die icdrheit reden wil.
darnach erklärt Strobl die worte VVoüVams: 'wenn hunde und
Schweine euch getragen hätten und dazu die trauen so n)anchen
kampftüchligen mann; ich könnte doch sprechen, dass euer
immerhin zu viel wären.' ich verstehe aus dieser Übersetzung
nur nicht, wie Strobl die worte sus manegen werlichen man auf-
gefasst hat; uimmt man sie als object zu einem zweiten, hinler
diu icip zu ergänzenden trüegen: 'wenn buude und schweine
euch getragen hätten und dazu die frauen so manchen kampf-
tüchtigen mann (getragen hätten)', so gibt das mit dem folgenden
zusammen keinen sinn. Strobls interpunction lässt aber kaum
eine andere aufiassung zu. es ist vielmehr hinter wip ein komma
zu setzen , sodass sns manegen werlichen lip apposition zu iuch
bildet, 'wenn alle drei zusammen, hunde, schweine und die
fraueu euch geboren hätten — euch, die ihr so viele wehr-
hafte krieger seid — , auch dann noch wäre eure zahl zu grofs.'
sns ist die reine demonstrativpartikel, die, wie Sievers Beitr.
12, 500 bemerkt, ihre bestimmung nicht erst durch eine bei-
gefügte correlation, sondern durch die begleitende geste empfängt,
diese 'begleitende geste' muss man sich zu den Worten NViliehalms
hinzudenken: er hält auf der höhe und weist mit der band
herab auf die im felde Aliscbanz sich ausbreitenden Sarazenen.
9. Wh. 62, 11 ff sölh sileze an dime Übe lac:
des breiten mers salzes smac
müese al zukermcBzic sin,
der din ein zehen würfe drin.
die Bataille d'Aleschans bietet, so viel ich sehe, nichts entsprechen-
des; das wunderliche und fast geschmacklose bild wird also wol
Wolframs eigentum sein, ein späterer dichter scheint es nach-
geahmt zu haben; mit einer zehe aber nicht zufrieden, lässt er
deren zwei in das meer fallen, in einem von Graff in den Diu-
tiscai321 mitgeteilten gedieht lobt eine dame ihren liebhaber:
128 MHD. KLEINIGKEITEN
kerne sin in daz mer zwo zehen.
es milste deste milter loerden (1. wesen: genesen).
10. Weinsclnvelg 5 (T den dnhten hecher gar enwiht,
er wolde näpf noch kophe niht:
er tranc nz grözen kannen.
ähnlich im Reuaus (Wagners Archiv i) v. 367 ff
wenn im das glas nit weren kan,
so nimt er sich der kandel an,
die sezt er denn an seinen munt
und tut daraufs ein langen slunt. . . .
11. Weinschwelg 378 f er tranc
s6 ser daz sich diu kanel bouc.
Schröder wird mit seiner erklärung (Anz. xiii 117) 'er trank die
kanne his zur neige, sodass sie sich in seiner hand vornüber
beugen muste' wol das richtige getroffen haben, ich finde den
ausdruck noch einmal in den Diutisca i 316: das gesinde in
der taverne daz trinket also swinde
daz sich der hecher hinget.
gemeint sind auch hier wol die 'schweren' trünke, wie sie der
weinschwelg tut, die das gefäfs auf einen zug leeren.
12. Kudr.995
Die schoenen Küdrünen, e daz er dannen gie,
der junge kilnec ze zühte siner muoter He.
die junge küniginne gemuote ez harte sere.
sich loolte ir niht geliehen, swie si tCBte, Gerlinde lere.
in der vierten zeile ist sich geliehen eine änderung von Bartsch,
die Martin und Symons aufgenommen haben; der letztere schreibt
aufserdem swie si t(Bt{, diu Gerlinde lere, in der hs. steht: sy
wolt ir doch nicht gelauhen wie sy tet der Gerlinde lere, von
dieser Überlieferung wird man nicht mehr abweichen, seitdem
Lucae (Zs. 30, 365ff. vgl. Beitr. 12, 397 f) mh(\. gelouben in der
bedeulung 'nacbgeben , willfahren' erwiesen hat. ich machte prof.
Lucae auf die vorliegende stelle aufmerksam, kam aber zu spät,
denn sein a>ifsatz war schon gedruckt, man wird also lesen:
si wolt ir doch niht glouhen, swie si tCBte, der Ger-
linde lere.^
si zu anfang ist Kudrun, und ir wird erklärt durch das folgende,
der Gerlinde lere. 'Kudrun wollte der lehre Gerlinds (nämlich
ihrer zücbtigung), was sie auch tun mochte, doch nicht nach-
geben.' Sprenger hätte seine müfsige conjectur in der Germ.
32, 331 (si wolte sich gelouhen der G. lere = sich nicht
kümmern um G. lehre) nach Lucaes aufsatz sich wol ersparen
können.
» so schreibt in der tat Müllenhoff s. 155. an der form glauben ist
nicht anstofs zu nehmen, wenn man die beispiele von syncope bei Martin
s. XVI f vergleicht.
Marburg i/H. JOHANNES STOSCH.
KELTISCHE BEITRÄGE II 129
KELTISCHE BEITRÄGE.
II. BRENDANS MEERFAHRT.
Zu den verbreitetsten und beliebtesten Stoffen gehörte im
niittelalter die erzählung von Brendans siebeüjähriger meerfahrt
auf der suche nach der terra reproraissionis sanctorum. die aus-
schliefsliche quelle für die verschiedenartigen bearbeitungen in
Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien ist nach allgemeiner
annähme die lat. Navigatio sancli Brendani. so viel nun auch seit
Jubinal (La legende latine de Sßrendaines, Paris 1836) über die
beziehungen der einzelnen bearbeitungen zu der quelle und über
das auftreten einzelner sagenzüge in anderen mittelalterlichen er-
zählungen geschrieben und untersucht worden isl^ ein versuch,
die Stellung dieser Navigatio sancti Brendani innerhalb der iri-
schen litteratur selbst zu beleuchten, ist bis jetzt noch
nicht gemacht worden.
Den freunden mittelalterlicher litteraturgeschichte will ich
im folgenden material der verschiedensten art vorlegen, welches
sich bei meinen Studien in irischen hss. zu dem genannten sagen-
sloff angesammelt hat. ich bemerke ausdrücklich, dass ich nicht
speciell daraufhin gesucht habe, sondern nur über solches material
verfüge, welches mir beim durcharbeiten von hss. zu grammati-
schen und lexikalischen zwecken aufgestofsen ist und das ich je
nach der mir zur Verfügung stehenden zeit excerpiert oder ab-
geschrieben habe, ich verteile dasselbe auf 3 abschnitte : A. B r e n -
dans meerfahrt in der mittel irischen litteratur;
B. Brendans meerfahrt im lichte irischer schiffer-
sagen; C. die terra reproraissionis im lichte der iri-
schen sage, daran schliefsen sich in einem abschnitt D. be-
trachlungen und Schlussfolgerungen, ich werde mich
bemüheo, das material so vorzuführen, dass auch diejenigen
leser, welche mit irischer spräche und litteratur nicht vertraut
sind, über den wert und die tragweite der einzelheiten sich ein
urteil bilden können. 2
' vgl, die nachweise in Schröders einleitung zu seinem Sanct Brandan
(Erlangen 1871) und von Suchier in Boehmers Rom. Studien i 555 ff.
2 abschnitt A und B wurden wesentlich in der vorliegenden fassung
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 9
130 KELTISCHE BEITRÄGE II
A. ßrendans oieerfahrt in der mittelirischen
litteratur.
I. Liher hymnorum. die lateinische Vita sancti Bren-
daui, die von Moran (Acta sancti Brendani, Dublin 1872) ver-
öllentlicht ist^ hat ihrer composition nach keinen räum für eine
oceantahrt zur terra repromissionis sanctorum, wogegen nicht
spricht, dass au zwei stellen (cap. 25. 26) ungeschickt auf die
navigatio hezug genommen wird und noch ungeschickter in cap. 1 1
dieselbe in der hs. des 13 jhs. eingeschoben ist. hierauf komme
ich in abschnitt D zu sprechen, dagegen weifs die Vita von einer
bufsfahrt Brendans nach Britannien, bei der auf der rückreise
nach Irland dem Brendan ein abenteuer begegnete (Moran cap. 17):
der kämpf der beiden seeungetüme, von welchen das unterliegende
sich nur durch anrufung der Brigita rettete, man sieht leicht,
dass trotz den unterschieden in der einkleidung und in dem aus-
gang hier eine anders gestaltete version derselben episode er-
zählt ist, die sich in der Navigatio vorfindet (Schröder s. 21,
23 ff, Moran s. 111 ff).
Diese episode, wie sie in der Vita erzählt ist, findet
sich auch in der vorrede zum sogenannten Ultans hymnus in
beiden aus dem ende des 11 jhs. stammenden handschriften
(Liber hymnorum TCD fol. 16'' und Liber hymn. FCD s. 39) und
wird ausdrücklich dargestellt als ein ereignis, das dem Brendan
widerfuhr navigans mare et quaerens terram repro-
missionis. es werden an der angeführten stelle im Liber hym-
wähiend des sommers 1885 im anschluss an die gemeinschaftlich mit
dr Güteibock betriebene lectüre von Imram Maelduin niedergeschrieben,
das alsdann begonnene Studium von Täin bö Cüalnge führte mich auf Unter-
suchungen, deren resultate in der Zs. f. vgl. sprachf. 28, 417 — 689 und in
dieser Zs. (32, 196 — 334) vorliegen,
• Suchier führt Rom. Studien i 555 auch eine ausgäbe der Vita SBren-
dani von Rees, Landovery 1853, an. eine solche existiert nicht, in den
Lives of the Cambro - British saints, Landovery 1853, gibt Rees s. 251— 254
unter dem titel: Vita sancti Brendani. ex Gott. lib. brit. mus. Vesp.
A. XIX den anfang der Navigatio bis Schröder s. 5 zeile 32 und Moran
s. 90 oben, dies fragnient der Navigatio hat auch Hardy im sinne, wenn
er (Descriptive catalogue 1 160) behauptet, dass 'a fragment' von Rees 'in the
Liber Landavensis' (!) gedruckt sei. von der lat. Vita sancti Brendani
existiert, so weit ich mich vergewissern konnte, nur die ausgäbe von Moran
nach dem Liber Kilkenniensis, einer dem 13 jh. zugeschriebenen hs.
KELTISCHE BEITRAGE II 131
norum die verschiedeneu ansichten über den verf. des altirischea
liymnus Brigü he bithmaith aogegeben; nachdem er Columcille
oder Brocan oder drei angehörigen ihres klosters zugeschrieben
ist, heifst es: wo ü Bienaitm^ dorigne innimmunsa'^ navigans
mare et quaerens terram repromissionis audivit bestiam
aliam damantem et adiurantem voce humana bestiam aliam con-
vocantem et rogantem Brendinum et ceteros omnes sanctos üiber-
niae insolae excepta Brigitta ne sibi alia hestia noceret. Et nihilo
minus tarnen vim ab alia patientem nsqne dum rogaret Brigitam.
Evadentem vero postqnam rogaret Brigitam et nihil mali a per-
sequente patientem interini nt diceret alia quae eam persequeretur :
postqnam Brigitam adiurasti nocere tibi non possum. Postqnam
vero Brendinns haec omnia et honorem quem dedit bestia Brigitae
prae ceteris admiratns est, et Brigitam landavit dicens: Brigit be
bithmaith.
Auf dieselbe begebenheit, nur ohne beziehung auf den
hymnus Brigit be bithmaith, wird angespielt Lib. hymnorum FCD
s. 41 oberer rand in einer nole in irischer spräche zu Broccäns
hymnus 33 (Argairt usw.). auch hier wird der kämpf der beiden
seeungeheuer (beist) als eine episode der 7 jährigen navigatio
Brendans betrachtet: bu Brenaind vii blia. formuir ociarrair
tire . . . . boi beist icoallnamain (? ) frisinresin indiaid inchuraig.
fecht and tanic beist aile cuci diamarbad coroataig (?) inbeist Bre-
naind 7 noebu Erend olchena frisinbeist oh 7 nirosanact co-
roattaig Brigit. conerbairt Brenaind iarsen nabiad ni fodsiriu
formuir noco fessad cid arandernad arBrigit inßrtsa sechcach.
Tanic iarum Brenaind forset dosoegid Brigte 7 rofoillsiged doBrigit
anisen usw. 'Brendan war 7 jähre auf dem meere auf der
suche nach dem lande. ... eine bestie folgte ihm zu
dieser zeit hinter seinem kahn. einst nun kam eine andere bestie
zu ihr, sie zu töten, sodass die (erstgenannte) bestie den Brendan
und die übrigen heiligen Irlands wider die böse bestie anrief,
und sie erlangte nicht rettung, bis sie Brigita anrief; und es
sagte Brendan darauf, er würde nicht länger auf dem meere sein,
bis er wisse, warum dies wunder vor anderen geschehen sei
von Brigita. Brendan machte sich darauf auf den weg zu Brigita
und der Brigita wurde das offenbart' usw.
Auch die Unterhaltung, die sich in der Vita (Moran cap. 17)
1 Broejiaind in FCD. ^ Qjjgj. Brendan machte den hymnus.
9*
132 KELTISCHE BEITRÄGE II
zwischen Brendau und Brigila entspinnt, ist identisch mit der
im forlgaiig der erzählung an beiden stellen des Liber hymnorum.
da nun, wie schon oben bemerkt, die episode nur eine andere
Version der erzählung in der Navigatio (Schröder s. 21, 23ff,
Moran s. 111 ff) ist, so scheint für das ende des 11 jhs. in
den angaben des Liber hymnorum eine recension der erzählung
von Brendans oceanfahrt nachgewiesen , die von der uns er-
haltenen lat. Navigatio SBrendaui abwich, i
II. im Book of Leinster, einer irischen sammelhandschrift
aus der ersten hälfte oder der mitte des 12 jhs., findet sich s. 283\
14— 283^ 13 folgende erzählung.
Drei junge kleriker ziehen zusammen in die fremde, aufser
3 broten nahmen sie keine nahrung mit sich, aber einer von
ihnen eine kleine katze (cattme). auf der höhe des oceans
angekommen , warfen sie die rüder ins meer und befahlen sich
gott. bald darauf kamen sie denn auch mit gottes hilfe zu einer
schönen insel , welche wasser und brennholz in menge bot. sie
bauen eine kirche auf der insel. die katze macht sich unter-
dessen nützlich und fängt ihnen lachse in fülle, sie fanden je-
doch, dass dieses einsiedlerlebeu etwas zu bequem sei, und be-
schlossen, die ihnen von der katze gelieferte nahrung nicht zu
geniefsen. so waren sie einige zeit ohne nahrung, bis gott ihnen
selbst solche schickte: ein halbes waizenbrod für jeden und ein
' auf zwei puncte sei noch hingewiesen: 1) durch die nachgewiesenen
beziehungen zwischen Brendan und ßrigita fällt licht auf die von Schröder
(Sanct Brandan s. iv anm.) mitgeteilten verse aus dem satirischen gedieht
des Nicoiaus von Bibera auf die Erfurter schottenmönche. — 2) die episode
von dem kämpf der beiden seeungetüme in der Navigatio (Schröder s. 21,
23 ff , Moran s. 111 ff) enthält eine deutliche anspielung auf einen uns er-
haltenen altirischen hymnus. als die meerbestie in gefahr drohende nähe
von Brendans schiff kam, venerabiiis quoque sencx extensis manibus in
celum dixit: 'Domine, liber a servos tuos sicut liber asti David de manu
Golye gygantis! Doinine, libera nos sicut liberasti Jonam de jjotestate
Ceti magnU' His versibus duobus finitis usw. die letzten worte beweisen
deutlich, dass es sich nicht um einen spontanen ausruf sondern um ein
citat handelt, die verse finden sich in Golmans hymnus 30. 37 : Ronnain
amal roanachi Dauid de manu Golai! Amal soeras Jonas faith abrv
mil moir -monar gle-, snaidsiunn. noch umfassender ist dieser hymnus
in der sogenannten Oratio SBrendani, die bei Moran, ActaSBrendani s.27— 44
gedruckt ist, verwertet, dies kann nicht wunder nehmen, da die Oratio
nur eine weitere ausführung des gebetes in der Navigatio SBrendani (Schröder
s. 21, 34 ff) ist.
KELTISCHE BEITRÄGE II 133
daumengrofses stück fisch (ordu eise) fand sich auf dem altar. dafür
wollten sie sich dankbar erweisen und ein jeder legte sich be-
sondere pflichten auf: der eine die 3 mal 50 psalmen zu jeder
hora und bei der messe täglich zu singen ; der andere 3 mal
50 gebete zu gleichen Zeiten und der dritte 3 mal 50 das Ymnum
dicat zu denselben Zeiten, als der erste gestorben war, teilten
sich die beiden anderen in sein pensum und jeder von ihnen
nahm dessen hälfte noch auf sich, bald darauf starb auch der
zweite und nun lastete die ganze arbeit auf dem dritten, er
wurde misgestimmt, dass gott jene beiden lieber gehabt, sie zu
sich genommen und ihm die grofse arbeit (saethar mör), die
drei pensa abzuarbeiten , gelassen, er beschloss gott durch
fasten zu zwingen. ^ ein engel kam, sprach ihm gottes misbil-
ligung über solches vorgehen aus und teilte ihm zugleich mit,
dass er sich die längere lebensdauer selbst zuzuschreiben habe:
das Ymnum dicat gewähre langes leben und das hinnuelreich.
nunmehr war er beruhigt. Bin dino inaindse cohäts 7 chrine
conidtarraid Brenaind forsindfhargge conideside rodhbeir 7 dorat
commain 7 sacarbaic dö condechaid dochum nime. Conidhe Bre-
naind adftt inscdsin 'er war nun auf seiner insel bis zum alter
und zum welken der haut und auf ihn traf Brendan auf
dem ocean und der gab ihm das abendmahl, dass er zum
himmel eingieng. und Brendan selbst berichtete diese
geschichte.' irgend eine bezugnahme auf die uns erhaltene
Navigatio SBrandani liegt hier nicht vor, sondern nur ein Zeugnis
für eine oceanfahrt Brendans. vielleicht dürfen wir den schluss
auf eine anschauung beziehen, wie sie in den mittelalterlichen
deutschen bearbeitungen vertreten ist, wonach Brendan selbst
in einem buche seine erlebuisse beschrieben habe.
III. in den SIsidorefragmenten des Book of Leinster findet
sich (LL 373', 13 ff des facsimile) eine litanei, von der auch
eine copie im Lebor Brecc (23^ 13 ff) vorliegt, diese alte^
litanei enthält wichtige notizen über Brendans meerfahrt, es
heifst darin (LL 373^ 6 v. u. = LBr 23'', 35): Indaailithrech dec
dianrarnaic Brenaind innoenßer ininis inchaitt imbetlm. Trifichit
* ein in der mittelalterlichen kirchlichen litteratur Irlands öfters er-
zählter Vorgang, der in Indien seine vollen parallelen findet.
2 sie wird gewöhnlich dem Oengus Gele De (um 800) zugeschrieben,
wofür jedoch jeder anhält fehlt, wie schon Stokes Feiire s. 5 hervorhob.
134 KELTISCHE BEITRÄGE 11
fer lolar laBrenm'nd dochungid tiri tarngiri per Jesum . . . Cethrur
arfichit de Mnmain lolar laAilbi forfargi doathascnam tiri tarn-
giri filet and imbethaid cobräth. Intanchara forränic Brenaind
arachind il'ir thairngire cusnahuilib noemaib torchratar inhuibb
insib indociain. '1. die zwölf pilger, von welchen Brendan einen
mann lebend traf auf der insel der katze. 2. die 60 mann, die
mit Brendan giengen, das land der verlieifsung zu suchen, (rufe
ich zu meiner hilfe) per Jesum. ... 3. die 24 mann aus Munster,
die mit Ailbe auf den ocean giengen, um das land der verheifsung
aufzusuchen, welche dort lebend sind bis zum gericht. 4. der
anachoret, welcher dem Brendan entgegen kam im lande der
verheifsung, mit allen heiligen, welche fielen auf . . . A inseln
des oceans.'
Hier haben wir in 1 eine beziehung zu der unter ii be-
trachteten erzählung, nur dass die litanei von 12 ausziehenden
weifs, die erzählung blofs von 3 klerikern. eine entferntere be-
ziehung zur Navigatio SBrendani (Schröder s. 15 — 18) enthält
litanei 3, nur dass letztere von dem zusammentreffen Brendans
mit den 24 gefährten des Ailbe nichts meldet, also auch hier
kein zeugnis für die lat. Navigatio SBrendani, sondern für eine
oceanfahrt Brendans nach dem lande der verheifsung.
IV. das Book of Lismore, eine im jähre 18 14 in der graf-
schaft Waterford aufgefundene irische pergamenthandschrift tJes
xvjhs., enthält neben viel wertvollerem malerial zur heldensage
auch eine Sammlung von heiligenleben in irischer spräche:
Patrick, Colum Cille, Brigita, Senan, Finnen, Finnchua, Brendan
mac Finnlocha, Ciaran von Clonmacnois, Mochua. die hs. be-
findet sich im besitz des herzogs von Devonshire und war mir
unzugänglich; benutzt habe ich die moderne copie von O'Longan-
O'Curry (vgl. Göttinger gel. anz. 1887 s. 176—181), die in der
Boyal irish academy zu Dublin aufbewahrt wird, meine notizen
und auszüge daraus entstammen dem jähre 1880.
S. 72'', 1 — 77% 1 findet sich Betha Brenainn mic Finnlocha in
irischer spräche, er ist eine Vereinigung des anfangs
^ für inhuibb insib von LL liest LBr anduib indsib, was offenbar eine
besserung sein soll, darf man ändern innuib [in Jinsib indociain, dann igt
der sinn leidlich: 'welche fielen (dh. starben) in kähnen, auf inseln des
oceans.' — auf dem rande von LL steht familia pricii mit abkürzungs-
oder w- strich über dem ri in pricii: demnach zu schreiben familia
Pfatjricii?
KELTISCHE BEITRÄGE II 135
der Vita mit einer Navigatio.i erstere geht bis s. 74% 2,
wo eine ganz eigenartige recension der Navigatio beginnt, eigen-
artig in der einleitung und in der ausführung, sodass sie mit
der älteren lat. Navigatio, welche die grundlage für die be-
arbeitungen in germ. und roraan. sprachen abgab, nur einiges
material gemeinsam hat. folgendes wird als grund der meerfahrt
angegeben:
1. die liebe zu gott wuchs sehr in dem herzen Brendans,
als er ordiniert war; es überkam ihn der wünsch, eitern und
heimat (ahardha) zu verlassen, und er bat gott um ein ver-
borgenes von den menschen abgeschieden gelegenes land. nach-
dem er in schlaf verfallen, hörte er die stimme eines engeis
vom himmel, der ihm zurief: stehe auf, Brendan, gott hat dir
gewährt, was du batest, nämlich das land der verheifsung
(tir tai'rngire). Brendan erhebt sich heiter, geht allein auf einen
berg und blickt auf den grofsen ocean ; da sah er die schöne
insel mit dem dienst der engel. nach 3 lägigem verweilen kam
wider der engel goltes, um ihm anzukündigen, dass er ihn immer-
dar begleiten und ihm die schöne insel zeigen werde. Brendan
geht dankerfüllt von dem berge und lässt 3 grofse schiffe bauen,
3 reihen von rudern auf jedem schiff, 3 segel von häuten (do
croicnib) verfertigen ; 30 mann gehen in jedes schiff, so segelt
Brendan auf den ungeheueren, schrecklichen rauhen ocean, wo
sie viele meerbestien sahen und auf viele wunderbare inseln
stiefsen, ohne halt zu machen. 5 jähre fuhren sie so umher,
ohne auf einen menschen zu treffen und ohne nahrung zu
brauchen.
2. als Ostern zum ersten mal nahte, da drangen die be-
gleiter in Brendan, ans land zu gehen, um ostern zu feiern.
Astualang dia olBrenatnd talam dothabairt ingach inad hus ail
dö. iartoidhecht imorro nacasc toccbats inmil mor muiride aßormna
^ die von Hardy , Descriptive calalogue i 161 erwähnte irische Vita
SBrendani in dem ms. Stowe nr xxxvi ist, wie mich 1885 ein flüchtiger
blick in die jetzt in der Royal irish academy befindliche hs. belehrte, eine
copie von obigem text aus dem 17 jh. Forbes, Kaiendars of Scottish saints,
Edinburgh 1872 , handelt 274 ff von Brendan. er erwähnt two lifes of
SBrendan in the Brüssels ms. Lives of the saints — the one at fol. 189,
the other at fol. 69. nach den engl, auszügen, die er von dem einen gibt,
scheinen zwischen diesem lat. text und der ir. Vita im Book of Lismore
beziehungen zu bestehen.
136 KELTISCHE BEITRÄGE II
anairdi nastreathan 7 nastotmgar inmara ciirbo falam comtrom
cobhsaid et tiaghaitsiwn forsintabnainsin 7 ceilebrait incaisc arm ./.
oetila 7 daoighlhi. Jarndul doihsium analonguib sceinneas anbled-
mil fonmuir fochedoir 7 bahamlaidsin doceileabraüis incaisc cocenn
,vii. mblia. fordruim in mil moir 'golt vermag, sagte Brendan,
lantl zu geben aü jedem ort, wo es ihm gefällt, oachdem oslern
gekommen war, erhob ein grofses meertier seine schulter in die
höhe über das meer und das wogengebraus des meeres, sodass
nicht schwankende feste erde war, und sie gehen auf dieses land
und feiern dort ostern, nämlich einen tag und zwei nachte,
nachdem sie wider in ihre schiffe gegangen, sprang der walfisch
sofort unters meer, und so feierten sie ostern 7 jähre lang auf
dem rücken des grofseu tieres.'
3. eines tages erblickten sie auf dem ocean tiefe dunkele
meerstrüme (Strudel) und ihre schiffe schienen durch die gewalt
des Sturmes hineingedrängt zu werden, aller blicke hafteten in
dieser grofsen gefahr auf Brendan. der redete das meer au,
dass es ihm genügen solle, ihn allein zu ertränken, aber seine
begleiter zu schonen, da besänftigte sich das meer und drückte
nieder die güsse der Strudel (toirnes flecheda tiasoebchoire) sofort ;
von da an nun schadeten sie niemand anders.
4. eines tages erschien der teufel in schrecklicher gestalt
und liefs sich auf dem segel nieder dem Brendan gegenüber, von
dem er allein gesehen wurde. Brendan liefs sich in ein ge-
spräch mit ihm ein und fragte ihn nach dem eingang zur unter-
weit, der teufel teilte ihm mit, dass jeder, der ihn gesehen,
sterben müsse ; nichts desto weniger zeigte er ihn Brendan , der
einen langen blick auf die unglücklichen, ihren Jammer und ihre
strafen warf, von denen eine ausführliche Schilderung gegeben
wird;^ die begleiter Brendans fragten, mit wem er sich unter-
halte, und er erzählte ihnen einiges von dem, was ersah, einer
der begleiter Brendans, der auch einen blick in die unterweit
warf, starb sofort. Brendan erweckte ihn wider zum leben.
5. bald darauf trafen sie auf ein zartes erwachsenes mädchen,
weifser als schnee oder wogenschaum, die tot war in folge eines
speerwurfs durch die schulter. riesig war die grüfse des mädchens:
* dieselbe erinnert vielfach an die älteren Schilderungen in den 3 homi-
lien LU 27* — 37'^, ebenso wie die beschreibung des paradieses am schluss
(abschnitt 14) vieles daher genommen hat.
KELTISCHE BEITRÄGE II 137
100 tufs hoch, 9 tufs zwischen ihren beiden brustwarzen, und
7 liifs betrug die länge des miltelfingers. Brendan erweckt sie,
tautt sie und fragt sie nach ihrer herkunft. sie gehöre den
meerbewohnern an, sagte sie. Brendan fragte sie, ob sie zum
hinimel wolle oder in ihr Vaterland (atharda). in einer spräche,
welche niemand aufser Brendan verstand, erklärte sie sich für
ersteres, da sie engelstimmen hörte, nachdem sie leib und blut
Christi genossen , starb sie ohne seufzer.
6. eines anderen tages, als sie umherfuhren, sahen sie eine
schöne und hohe insel, fanden aber keinen passenden hafen.
12 tage trieben sie sich um dieselbe umher, konnten aber nicht
auf sie gelangen, sie hörten menschliche stimmen darauf gott
preisen und sahen eine hohe, schöne kirche. nachdem sie die
stimmen gehört, fielen alle — Brendan eingeschlossen — in
einen tiefen schlaf, als sie nicht zur insel konnten, wurde
ihnen von oben eine mit wachs überzogene tafel (dar ciartha)
überreicht, die beschrieben war des inhalts: sie sollten sich
keine mühe geben, auf die insel zu gelangen; aber die insel,
welche sie suchten, würden sie erreichen, diese sei es nicht;
Brendan solle in seine heimat zurückkehren, sie wenden sich
mit der tafel von der insel.
7. eines tages erfasste sie grofser durst, sodass der tod ihnen
nahe war. da erblickten sie herliche ströme von einem felsen
herabstürzen, die begleiter fragten Brendan, ob sie trinken
sollten, er riet, zuerst den segen darüber zu sprechen, und da
flössen die ströme ab und sie sahen den teufel, der das wasser
von sich ausgoss und die leute tötete, welche davon tranken,
der see wurde über dem teufel verschlossen , dass er von da
an niemand mehr ein leid zufügte.
8. nachdem Brendan so 7 jähre auf seefahrt (forloingius)
gewesen war, wandte er sich wider seiner heimat zu, wie ihm
an der insel befohlen worden, er wurde freudig begrüfst und
geehrt, darauf suchte er den pflegevater, bischof Eirc, und die
Pflegemutter Ita auf. letztere machte ihm vorwürfe, dass er auf
die fahrt gegangen, ohne ihren rat einzuholen, sie würde ihm
sonst gesagt haben, dass er das gesochte heilige, geweihte laud
nicht mit toten häuten erreichen werde, er solle sich hölzerne
schiffe machen, darauf gieng Brendan nach Connacht und ein
grofses schiff wurde von ihm gebaut, in welches er mit seiner
138 KELTISCHE BEITRÄGE II
begleilung stieg, da kam ein crosan^ und batBrendan, ihn um
goltes willen mit zu nehmen. Brendan erlaubte es; 60 mann
waren im schiff.
9. zuerst begaben sie sich zu dem ort, wo Enne war, und
blieben daselbst einen monat.
10. nachdem sie von Aran westlich gesegelt, sehen sie ein
grofses, hohes, schönes eiland. dort befanden sich zwerge (lochni-
pün) wie meerkatzen, die sofort den Strand füllten, um sie zu ver-
schlingen. Brendan sagte darauf zu dem crosan: 'erhebe dich,
geniefs Christi leib und sein blut und gehe zum ewigen leben,
denn ich höre den chorgesang der engel, welche dich zu sich
rufen.' er befolgt Brendans aufforderung, springt mit sehr
grofser freude ins meer und die meerkatzen frafsen (conduatar)
ihn ganz bis auf weniges von seinen knochen.
11. nachdem sie die insel verlassen , ergriff plötzliche krank-
heit den schmied und brachte ihn dem tode nahe. Brendan
stellte ihm anheim, ob er in das himmlische reich sofort ein-
gehen wolle oder noch länger leben, der schmied hörte die
stimme des herrn, die ihn rief, und erwählte das erstere. als
nun unter den begleitern sorge wegen des begräbnisses entstand,
da kein land in der nähe war, da begruben sie ihn auf Brendans
befehl in den wogen , wo der leichnam lag wie auf festem lande :
er sank weder auf den grund, erhob sich nicht an die Oberfläche
des meeres und bewegte sich weder hierhin noch dorthin.
12. nachdem sie den ort verlassen, erblickten sie ein kleines
verlassenes land, wo sie in den hafen einliefen, alsbald füllte
sich der hafen mit dämonen in gestalt von pygmäen und zwergen
(abhac 7 luchrnpan), welche schwarz wie kohle waren. 7 tage
lagen sie da und zogen ab mit verlust ihres ankers, den sie
nicht heraufziehen konnten, als sie nun betrübt waren über
den Verlust des ankers, da auch der schmied gestorben war,
da forderte Brendan einen priester aus seiner begleitung auf,
die tätigkeit eines Schmiedes zu übernehmen, nachdem er dessen
bände gesegnet hatte, gelang es demselben, im verlauf eines
monats einen ausgezeichneten anker herzustellen.
13. sie rudern auf dem ocean eine weile westlich und ge-
* über die bedeulung dieses wortes werde ich in der anmerkung zu
B II 1 sprechen.
KELTISCHE BEITRÄGE II 139
langen an eine kleine, liebliche insel mit vielen fischen, auf
der fahrt um die insel erblicken sie eine steinerne kirche und
darin einen greis beim gebet, der greis war blut- und fleischlos,
dünnes leder lag auf seinen knochen. derselbe rief Brendan
zu, zu fliehen vor einer meerkatze von der gröfse eines jungen
ochsen oder eines 3 jährigen pferdes, die dort hause, sie rudern
rasch auf den ocean, erblicken aber bald die bestie (inbiast cat
mutride) hinter ihrem schifl" herschwimmen. Isannsin gabus cach
dibsom forernuighthi fridia armet nahecla rotasgabh. Isann asbert
Brenann : ade uilichumachtaigh tairmisc dophiast dind naronethadh.
Eirghis iarsin bleidhmhil mor muiridhe 7 gabus cach dibli ocba-
dhudk aceli 7 forcalhnghud cncruaidh , cnrosbaidh cach acheli dibh
ifudhomain inmara 7 nifacus nechtar dib osin imach 'da begann
jeder von ihnen zu gott zu beten wegen der gröfse der gefahr,
die sie befiel, da sagte Brendan: allmächtiger gott, halte die
bestie von uns ab, dass sie uns nicht Irisst. darauf erhob sich
ein grofser walfisch und die beiden begannen sich gegenseitig
unterzutauchen und wild zu bekämpfen, bis sie sich gegenseitig
in die tiefe des meeres versenkten, und keins von ihnen wurde
wider gesehen.' Brendan und seine genossen danken gott und
kehren zurück zu dem ort, wo der greis war. der begrüfste
sie, weinte vor freude und erzählte: 12 mann hoch seien sie
auf die pilgerschaft gezogen , die meerkatze als niedliches kleines
tier bei sich; selbige sei sehr gewachsen, habe aber menschen
bisher nicht geschädigt; seine 11 genossen seien tot. er offenbart
(foillsigius) ihnen noch das land, welches sie suchten, nämlich
das land der verheifsuug (tir tairrngairi) , nimmt Christi leib und
blut zu sich und stirbt, feierlich wird er dort beerdigt.
14. 'darauf nun erreichten sie das land, welches sie 7 jähre
suchten , das land der verheifsung.' als sie in den hafen kamen,
hörten sie die stimme eines greises, der sie begrüfste und auf-
forderte, das schiff zu verlassen, ans land gekommen küssen
sie sich gegenseitig und der greis weint vor freude. mit seiner
aufforderung, die geßlde des paradieses zu betrachten (brnghe
parthais 7 muighi milidhi intire solusta), verbindet er eine be-
schreibung desselben und des lebens der seeligen, sie wundern
sich sehr über diese wunder zwischen den wogen des meeres.
der greis, der keine menschliche kleidung trug, sondern ganz mit
weifsen federn bedeckt war, wie eine taube oder ein eisvogel
140 KELTISCHE BEITRÄGE II
(amal cholum no fhailinn), und engelsprache redete, feierte mit
ihueu hora lerlia.
Die bis hierher gegebene Schilderung des paradieses erinnert,
wie schon s. 136 anm. bemerkt, viellach an bekannte ältere
Schilderungen des himmels und seiner treuden. an diesem puncte
nun geht der verf. unseres textes dazu über, vermittelst eines
geschickten übergangssatzes den schluss von Fis Adamnäiu
anzureihen, mit dem er auch schliefst: nirolaimset ni dofhia-
fraighedh (sie wagten nichts v^ fragen) 7 no cemdais ananmcair-
dine dho laturcbaü soiscela. letztere worte sind gleich LU 31", 35;
das im Book of Lismore fol. 76'', 2 ende bis schluss folgende
entspricht LU 31% 36— 3 P, 19 (flatha nimi) = LBr 256% 15—43.
der text des Book of Lismore hält in eigentümlicher weise die
mitte zwischen dem in LU und LBr, mit jenem stimmt er in
dem schon angeführten anfangssatze, mit ihm (LU 31% 42 ff) hat
er gemein den in LBr fehlenden salz ise so proicept dorigne Fa-
bian comarba Petuir doPilip mac Gordi'an dorigh Romhan diaro-
creid incoimdhi 7 diarocreüsett ümhile aile annsin 7 bahessidi ceidri
doRomanchaib docreü incoimdi JsnCrist ; mit LBr hat er gemeinsam
proicept für forcetol von LU, ferner den schluss : nach den worteu
dobithaitribh flatha nimhe (= LU 31% 19. LBr 256% 40) fährt näm-
lich der text mit den worten von LBr (beit iarum isinmorg-
loirsin usw.) fort und schliefst entsprechend dem Al(im) Irocairi
De triaimpidi Adamnain mit Ailim trocutre De nasail uilicumach-
tuigh treimpide noemhBrenuinn roairiltnighium uile ind. ae. sin
roissam roaitreabum insecula seculorum.
Diese meerfahrt' Brendans weicht in den wesentlichsten
puncten von der composition der erzählung in der verbreiteten
Navigatio SBrendani ab. verschieden ist die grundlage der er-
zählung, der rahmen: während in der Navigatio das verlangen,
die von Barrindus geschauten und beschriebenen wunder zu
sehen, den Brendan zu der gefährlichen meerfahrt lockt, ist in
diesem Imram Brenaind wellmüdigkeit und die Sehnsucht, zu
gott zu gelangen, der grund der doppellen fahrt.2 nicht in einem
* da der technische ausdiuck für solche meeifahrten wie die des ßren-
dao in der irischen litteratur imram (umherrudern) ist, so nenne ich der
kürze halber die irische erzählung im Book of Lismore im folgenden Imram
Brenaijid zum unterschied von der lat. Navigaüo Brendani , der vorläge
für die bearbeitungen in germ. und rom. zunge.
- O'Curry sagt (Lectures on Ihe manuscr. mater. of ancient irish
KELTISCHE BEITRAGE II 141
Wunderland kommt Brendan schliefslich an, sondern im irdischen
paradies, wie denn auch der aufenthalt der seeligen dort in den
bekannten homiheuphrasen beschriehen wird.
Hinsichthch der einzelnen abenteuer ist das gemeinsame in
der Navigatio SBrendanii ^nj dem Imram Brenaind auffallend
gering, gemeinsam ist beiden Imram 2 und Navigatio 9 (das
abenteuer mildem greisen fisch, auf dessen rücken 7 jähre hin-
durch ostern gefeiert wird); ferner Imram 9 und Navigatio 3
(der besuch bei Ende); es decken sich auch Imram 13 und Na-
vigatio 14 (kämpf der beiden meerungetüme) und zwar gehen
sie zusammen gegenüber den abweichungen in der Vita SBren-
dani und den nolizen in den hss. des Liber hymnorum (oben
s. 130 — 132), wobei zu bemerken ist, dass in Imram 13 auch
die oben s. 133 aus LL 283% 14 (T beigebrachte episode von dem
greis auf der insel der katze hinein verarbeitet ist: darin weichen
Imram 13 und litanei 1 von der episode LL 283% 14 tf ab, dass
12 kleriker mit der jungen katze ausziehen, auch der greis in
history s. 289): 'Saint Brendans voyages, for he made two, were per-
formed about the year 560.' diese angäbe wird sich wol auf den text im
Book of Lismore stützen.
• des bequemeren citierens wegen zerlege ich die Navigatio im an-
schluss an Suchier, Rom. Studien i 556 in 26 abschnitte: 1. Brendans ab-
stammung und heimat (= Schröder s. 3, 1 — 4), 2. erzählung des Barinthus
von der terra repromissionis sanctorum (Schröder s. 3, 4 — 5, 25), 3. Brendans
Vorbereitungen zur reise, besuch bei Ende (Schröder s. 5, 26 — 6, 10), 4. bau
des Schiffes (Schröder s. 6, 11 — 25), 5. drei mönche kommen nach (Schröder
s. 6,25 — 34), 6. die insel mit der wunderstadt (Schröder s, 6,35 — 7,32),
7. der gestohlene zäum (Schröder s. 7, 33 — 9, 15) , 8. die insel der schafe
(Schröder s. 9, 16—10, 24), 9. der fisch Jasconius (Schröder s. 10, 25—11, 13),
10, das paradies der vögel (Schröder s. 11,14 — 14,22), 11. die insel der
genossen des Ailbe (Schröder s. 14, 23 — 18, 16), 12. die insel mit der ein-
schläfernden quelle (Schröder s. 18, 17 — 19, 11), 13. die feier der vier feste
(Schröder s. 19, 11 — 21,22), 14. kämpf der beiden meerungetüme (Schröder
s. 21,23— 23, 10), 15. die insel derknaben, Jünglinge und greise (Schröder
s. 23,10—24,28), 16. die traubeninsel (Schröder s. 25,3—28), 17. kämpf
dei greifen (Schröder s. 25, 29—26, 12), 18. das durchsichtige meer (Schröder
s. 26, 13—27,2), 19. columna und conopeum (Schröder s. 27,3—35), 20. die
insel der schmiede (Schröder s. 28, 1—29, 9), 21. die insel mit dem rauchenden
berg und der tod eines mönches (Schröder s. 29, 10—29), 22. Judas (Schröder
s. 29, 30 — 31, 33), 23. Paulus der eremit (Schröder s. 31, 34 — 34, 17),
24. besuch der terra repromissionis (Schröder s. 35, 7 — 36, 5), 25. insel
der freuden (Schröder s. 36,5— 8), 26. Brendans heimkehr und tod (Schröder
9. 36,8 — 19).
142 KELTISCHE BEITRÄGE II
Iniram 13, der ihneu ihr ziel als nahe offenbart, erinnert an
Paulus den eremiten in Navigatio 23 : bei beiden wird die letzte
Station vor erreichung des zieles gemacht, noch deutlicher er-
kennbar ist, wie schon bemerkt, der alte von Imram 13 in der
oben s. 132 aus LL gegebenen erzählung: äis 7 crlne LL 283\ 10
sind Imram 13 schön illustriert durch die Schilderung asamlaid
bat insenotr cenfhuil cenfheoil acht leathar tana truagh forsna-
cnamhaib 'so war der greis, ohne blut, ohne fleisch, sondern nur
dünnes elendes leder auf seinen knochen.' zwei abweichungen
bestehen zwischen Imram 13 und LL 283% 14 ff : einmal der
Widerspruch in der zahl der ausziehenden kleriker (12:3), und
dann dass Brendan, wie LL 283*^, 13 ausdrücklich angibt, nach
dem erlebnis wider heimkehrt, während er im Imram direct ins
land der verheifsung einzieht, um dort zu bleiben.
Auftallende Übereinstimmung zeigt Imram Brenaind mit den
notizen , welche die litanei über Brendans meerfahrt enthält
(oben s. 134): die 12 mann, von denen er einen auf der insel
der katze traf (1), kennt Imram 13, sodass sich, wie bemerkt,
Imram 13 und litanei 1 gegenüber LL 283% 14 ff stellen, ferner
stimmen Imram 8 und litanei 2 in der zahl von Brendans ge-
fährten, 60 gegenüber 14 (17) der Navigatio. auch der ana-
choret in litanei 4, welcher dem Brendan im lande der ver-
heifsung entgegentritt, hat seine entsprechung nur Imram 14
in dem greis, der die pilger bei der landung begrüfst und
umherführt.
Eine episode des Imram, die begegnung mit der meerjung-
frau (5), erinnert an die rolle, die Brendan nach Lü 40% 30 — 42
in der sage von Liban spielt.
Wie wir uns die in den Zeugnissen i — iv (s. 130 — 140)
vielfach zu tage tretenden beziehungen und Widersprüche, wie
das Verhältnis dieser Zeugnisse zu der lat. Navigatio SBrendani
zu erklären haben, werde ich in abschnitt D erörtern, woselbst
ich auf grund des weiteren im verlauf vorzuführenden materials
über alter, quellen und composition sowol der Navigatio SBren-
dani als des Imram Brenaind handeln werde.
V. eine erwähnung von Brendans meerfahrt, jedoch ohne
dass ein ereignis derselben erzählt würde, findet sich in dem-
selben Book of Lismore fol. 135'', 7 v. u. (Isannsin dohhi Bre-
naind macFmdloga intansin ocsirthain mara agiarraid tire tairn-
KELTISCHE BEITRAGE II 143
gaire) iu einer geschichte von Diarmait mac Cerbail und der
Schlacht von Cuil Dreimne (fol. 135" — 136^ 2).i
* weitere notizen über Brendan von Clonfert finden sich in LL noch:
371% 8 V. u. K (wo seine geburt und die vision der niutter erzählt wird);
349% 16 V. u. ff (wo seine genealogie gegeben ist); 366», 1 (wo er unter
den irischen sacerdotcs aufgezählt); 370<=, 9 (wo er mit dem apostel Thomas
imius moris genannt wird, was sich auf die zweifelsucht beziehen
könnte, von der die deutsche bearbeitung der Brendanlegende weifs [Von
sente Brandan zeile 44 ff, bei Schröder s. 52] und die ihr zu folge der grund
der Irrfahrt wurde); 366 f, 6 (wo er unter den 17 Brendans an zweiter
stelle genannt wird); LL 366 findet sich auf dem unteren rande ein gedieht
auf ihn , beginnend Machen moehen aBrciiaind. eine schöne geschichte,
die Brenann mac Ui Alta in Clonfert 7 jähre vor seinem tode mit seinen
klerikern passierte, steht Rawl. B 512 101.142^,1 und Book of Lismore
fol. SS"^, 1. 2 erzählt. — zur aufklärung des Verhältnisses der lat. und irischen
naraensform diene folgendes, die lat. formen sind, abgesehen von gelegent-
lichen Schreibfehlern, Brendanus, Brendenus, Brcndinus, die irischen Bre-
nand (Brimann), Brenund (Bremutn), wozu die genit. resp. voc. Brenaind,
Bvenuind usw. das wort ist offenbar eine koseform wie Colmän, Aidäii,
Findän usw. und aus Bre/idän sind alle belegten formen durch reguläre
lauten t Wickelung entstanden. 1. nrf wurde schon im altirischen nn
gesprochen, wie ich Zs. f. vgl. sprachf. 27, 449 — 468 nachgewiesen; wird
aber noch im mittelirischen und neuirischen historisch nd geschrieben , was
zur folge hat, dass auch vielfach für ?m ein 7id geschrieben wird. 2. die
auf die tonsiibe unmittelbar folgende silbe ist im irischen die schwächste
(Kelt. Studien ii 8) und ihr vocal wird bis zu der gränze der sprechbarkeit
des Wortes reduciert. so muste aus altem Brendän des 6 jhs. werden:
Brendan, Brenden, BrendTn, woraus die lat. formen klar sind, da nun
nd in der ausspräche mittler weile zu nn geworden war, so war die aus-
spräche des 8 und 9 jhs. Brenn' n, wie noch heutigen tages in
Irland der name gesprochen wird (wie der hd. Infinitiv brennen).
dasselbe Schicksal wie an in tieftonigster silbe hatte natürlich auch in
gleicher läge die silbe ind, in zweiten gliedern von compositis regulär aus
find (albus, beatus, pulcher) entstanden, sodass altes cennind (für cennfind
'weifshaupt') zu cennnd, gesprochen cennnn (wie hd. kenn'n) wurde, dies
cennnn wird geschrieben cenand oder cenann, und darnach das gesprochene
Brenn n Brenand, Brenann. dieselbe analogiebildung der Orthographie
hat schon im altirischen eine ganze categorie von nominibus ergriffen: die
den lat. bildungen wie nömen, scmen, got. namü entsprechenden neutralen
Stämme auf -an werden irisch geschrieben anmann noraina , anmannaib
nominibus (ZE 269 ff) für gesprochenes anm'n, anmnaib. — die mittel-
alterlichen etymologien von Brendan- Brenand aus broen und dlan (LL
37P, 30) oder broen und find (Book of Lismore fol, 76'', 2) — wonach
sogar im Liber hymn. FGD s. 39 Broenand geschrieben ist — bestätigen nur
die bekannte tatsache, dass man im 11 jh. in Irland ohne kenntnis der
historischen entwickelung der spräche war und ebenso schlechte etymo-
logien machte wie heutigen tages.
144 KELTISCHE BEITRÄGE II
B. Brendans meer fahrt im lichte i risc hei-
sch iifer sagen.
lu dem schon mehrfach erwähnten Book of Leinster — be-
zeichnet LL, sicher vor 1160 compiliert — findet sich s. ISO'',
44 — 190"', 8 ein tractat über die anforderungen, die an einen
irischen file (dichter und gelehrter) hinsichtlich der kenntnis der
nationalen Stoffe gestellt wurden, darnach muste er 7 mal 50 er-
zählungen kennen zum Vortrag vor königen und Fürsten, unter
diesen 7 mal 50 erzählungen sind 5 mal 50 haupterzählungen.
dieselben werden nach ihrem characteristischen inhalt unter fol-
gende 17 gruppen zusammengefasst: togla (Zerstörungen), tana
(wegtreibungen, nämlich von rinderheerden), tochmarca (Wer-
bungen), catha (schlachten), natha (furchtgestalten, gespenster-
erscheinungen), imrama (umherrudereien, Seefahrten), oüte (er-
mordungen), fessa (festlichkeiten), forbassa (belagerungen), echtra
(abenteuer), aithid (entführungen), airgne (plünderungen und Ver-
wüstungen) , tomadma (ausbrüche von seen) , ßs (visionen) , serca
(liebschaften) , sluagid (kriegszUge) , tochomlada (auswanderungeu).
der nach diesen gesichtspuncten gegebene sachcatalog der epischen
Stoffe des irischen mittelalters enthält 187 titeU von erzählungen
in irischer spräche! für uns kommen die in gruppe 6 genannten
erzählungen in erster hnie in betracht LL 189% 29 fr: Imrama
dano inso .i-lmrom M^leduin; Lnrom HuaCorra; Imram luinge
Murchertaig maic Erca ; Longes Breg Leith ; Longes Brecain ; Longes
Labrada; Longes Fothaid 'folgeudes sind nun die meerfahrten,
nämlich: 1) nieerfahrt des Maelduin, 2) meerfahrt der O'Corra,
3) meerfahrt des scliiffes des Murchertach Mac Erca, 4) schiff-
fahrt von Bri Leith , 5) schifffahrt von Brecan , 6) schifffahrt von
Labraid, 7) schifffahrt des Folhad.'
Es werden hier unter dem terminus imrama zusammen-
gefasst erzählungen, die würklich den titel imram führen, und
solche, die als longes bezeichnet werden, letzleres wort ist ein
• O'Curry hat zuerst die Wichtigkeit des sachcatalogs erkannt und ihn
ediert (Lectures on the manuscript materials of the ancient irish history
s. 583— 593), wobei er zugleich den versuch macht festzustellen, was von
den genannten erzählungen handschriftlich noch vorhanden ist. nach der
jüngeren hs. H. 3. 17 (TGD) col. 797 ff ist er abgedruckt von O'Looney (Pro-
ceedings of the Royal irish academy 1879 i 215 ff).
KELTISCHE BEITRÄGE II 145
abstractum zu long 'das schiff' und bezeichnet ursprünglich die
in folge der Verbannung aus Irland in ein anderes land unter-
nommene Seereise und concret diejenigen , welche diese reise
unternahmen, in den ältesten sagentexten ist jedoch der begriff
der Verbannung über see so weit abgeblasst, dass longes vielfach
bedeutet: 1) Verbannung, 2) die verbannten überhaupt. ^ es ist
klar, dass eine solche Verbannung aus Irland durch ungünstige
Witterungsverhältnisse und andere umstände zu einer meerfahrt
mit ihren Schrecknissen und wundern werden konnte, zu dem,
was technisch mit imram bezeichnet wird. 2 die lat. Über-
setzung dieses irischen technischen ausdrucks ist navigatio,
wie sich nachweisen lässt. der oben an erster stelle genannte
text Imrom M^'lednin ist uns in mehreren hss. erhalten : im Lebor
na huidre (LU) 22% 31 hat er die Überschrift Immram curaig
Mailduin inso (umherfahrt des botes des Maelduin folgt); in
H. 2. 16 (TCD) col. 370 Indpit doimrum curaig Maelduin andso
(es beginnt nun Imr. usw.) und nach einem kurzen gedieht folgt
als neue Überschrift de navigatione Maelduin; in Harleian 5280
(Brit. mus.) fol. 1* endlich lautet die erste Überschrift entsprechend
dem incipit doimrum curaig Maelduin einfach incipit de
navigatione Maelduin. ist so \dX. navigatio Übersetzung des
irischen imram resp. imram curaig, welcher ausdruck technisch
für eine bestimmte litleraturgattung verwendet wird, dann dürfen
wir wol folgern , dass durch den titel Navigatio sancti Brendani,
der sich handschriftlich findet, schon die Zugehörigkeit zu der
gattung von volkstümlichen litteraturwerken , die den titel imrama
führen, ausgedrückt werden soll, diese Zugehörigkeit wird
durch vergleichung des Inhalts der Navigatio sancti Bren-
dani und der erhaltenen imrama, vor allem des Imram Mael-
duin, bis in die einzelheiten erwiesen.
Wie ein longes unter umständen zu einem imram werden
kann, so gibt es noch eine weitere gattung von erzählungen
unter den oben aus LL aufgeführten gruppen, bei denen man
zuweilen — je nach dem standpunct — schwanken kann , ob sie
nicht zu den imrama zu rechnen sind: nämlich die gruppe 12,
' so zb. in der Täin bö Cüalnge.
^ O'Gurry definiert den unterschied von imram und longes dahin , dass
er imram 'a navigation undertaken voluntary' und longes 'a voyage entered
upon involuntary' nennt (Lectures on the manuscr. materials s. 288. 289).
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 10
146 KELTISCHE BEITRÄGE II
echtrai. das wort ecktra ist ein abstractes Substantiv (suffix jo)
zu dem adverb echtar extra und bezeichnet ein abenteuer, bei
dem jemand activ beteiligt ist, sowie die erzählung davon, die
localen Verhältnisse bringen es mit sich, dass in Irland aus
solchen abenteuern öfters expeditionen zur see und imrama
werden, dies spricht sich auch darin aus, dass dieselbe erzählung,
welche in dem catalog von LL und H. 3. 17 (TCD) den titel
Imratn luinge Murchertaig maic Erca fuhrt, in einem durch hss.
des 15jhs. erhaltenen abweichenden sachcatalog (gedruckt bei
D'Arbois, Essai d'un catalogue s. 260 ff) heifst Echtra Mtircer-
taig maic Erca. die in demselben catalog Echtra Brain maic
Febail betitelte erzählung führt in II. 2. 16 (TCD) col. 395 die
Überschrift Imrnm Bruln maic Febnil andso 7 aeachtra annsosJs.
sieht man sich jedoch die uns erhaltenen echtrai, so weit sie
überhaupt hier in frage kommen, dh, so weit sie mit einer see-
expedition verbunden sind, näher an und vergleicht sie mit den
erzählungen, welche den namen imrama führen, so tritt der
characteristische unterschied beider deutlich zutage: in den im-
rama stehen grund und ziel der meerfahrt für das interesse des
erzählers und der hörer erst in zweiter Unie; in erster
linie stehen die wunder und schrecken des oceans und deren be-
schreibung. ganz anders bei den echtrai: hier ist der grund
der meerfahrt, also das endabenteuer die hauptsache, und die
erlebnisse bis dahin haben ganz untergeordnetes interesse, werden
daher auch nur höchst summarisch behandelt, dies end-
abenteuer ist nun in den mir bekannt gewordenen hierher
gehörigen echtrai — die schon erwähnte erzählung von Bran
mac Febail eingeschlossen — immer der besuch des unbe-
kannten Wunderlandes, des landes d er verheifsung:
die beschreibung desselben in den verschiedenartigsten einklei-
dungen bildet daher den hauptvorwurf der hierher gehörigen
echtrai; deshalb fallen die mitteilungen, die ich aus ihnen machen
kann , unter abschnitt C dieser Untersuchung.
Von den in dem sachcatalog von LL unter imrama nament-
lich angeführten 6 erzählungen sind uns, so weit bekannt, nur
zwei erhalten; glücklicherweise sind es jedoch die an erster und
zweiter stelle genannten , die offenbar die altertümlichsten waren
und modelle abgaben für jüngere erzählungen. zu diesen beiden
(Imram MaeJdmn und Imram UaCorra) kommt aus H.2. 16 (TCD)
KELTISCHE BEITRÄGE II 147
col. 391 — 395 noch als dritte Imrum Snedgusa 7 mak Rlagla,
von der die allen sachcalaloge nichts wissen, ich besitze von
diesen 3 erzählungen das gesammte handschriftliche material zu
einer texlausgabe; ich sehe jedoch hier von einer solchen ab,
da sie bei dem umfang der beiden ersten erzählungen über
den rahmen dieser Beiträge weit hinausgienge. hier genügt es,
wenn ich diese texte, je nach der Wichtigkeit der einzelnen par-
tien für die Navigatio sancti Brendani, teils in wörtlicher Über-
setzung, teils in ausführlicherer oder gedrängterer Inhaltsangabe
vorführe.
I. Imram curaig Maelduin. dieser text, resp. teile des-
selben, ist uns in 4 hss. erhalten, vollständig liegt er blofs vor in
H. 2. 16 (TCD) col. 370—391, dem sogenannten Yellow book of
Lecan, einem sammelband, der handschriftliches material aus
dem 14 — 16 jh. enthält; ich bezeichne diese hs. mit d. hin-
sichtlich der Vollständigkeit kommt zunächst die copie in Har-
leian 5280 (Brit. mus.) fol. 1 — 9'' mitte; der text geht von an-
fang, also = d 370, bis d 387 unteres drittel und bricht mitten
im Zusammenhang ab; da nun die untere hälfte von 9'' frei ist,
ebenso fol. 10, so ist klar, dass der Schreiber wüste, wie viel
noch fehlte, und den rest nachtragen wollte, ich bezeichne den
text dieser hs., die man in das 15 jh. setzt, mit c. dem um-
fange nach am geringfügigsten sind die fragmente, welche in
Egerton 1782 (Brit. mus.) fol. 124 und 125 vorliegen: es sind
2 blätter aus einer copie von Imram Maelduin , und zwar ent-
spricht fol. 124 d 378 ende — 383 anfang und fol. 125 ebenso
d 388 ende — 391 (schluss); ich nenne den text dieser frag-
mente, die gleichfalls dem 15 jh. zugewiesen werden, b. ziem-
lich die hälfte der erzählung ist uns erhalten im Lebor na huidre
s. 22% 31—26'' ende des facsimile: zwischen s. 22 und 23 ist
ein blatt verloren gegangen, zwei blätter sind hinter s. 26 aus-
gefallen, wie sich aus dem vergleich der erhaltenen partien mit
dem vollständigen texte in d ergibt, ich nenne diese fragmente a.*
die hs. Lü ist die älteste der grofsen mittelirischen sammelhss. ;
ihr Schreiber starb bekanntlich 1106 und wir dürfen sie wol
dem ende des 1 1 jhs. zuweisen, das material , welches in den
auf uns gekommenen resten der hs. LU vorliegt, ist anerkannter
* eine vergleichende tabelle der 4 hss. setze ich hierher, die den
seilen oder columnen von c und d beigefügten exponenten •*'< sollen an-
10*
148 KELTISCHE BEITRÄGE II
niafsen zum grosten teil viel älter: einzelne der texte des ülster-
sagenkreises reichen hinsichtlich ihrer ersten aufzeichnung wol ins
7 und 8 Jh.; von einer reihe derselben habe ich Zs. f. vgl. sprachf.
28,417 — 682 zu erweisen gesucht, dass sie eine contaminierte
recension repräsentieren, welche auf den 1056 gestorbenen be-
rühmten irischen gelehrten Fland Mainistrech zurückgeht, alle
diese texte tragen dieselbe (früh mittelirische) orthographische
tünche, dies ist auch bei den fragmenten von Imram Maelduin
der fall; aber unter dieser tünche steckt eine spräche, die weit
älter sein muss als das ausgehende 11 jh.: schon der freie und
ausgedehnte gebrauch der pronomina infixa stellt die spräche
des lextes von Imram Maelduin auf gleiche stufe mit der spräche
der grofsen continentalen glossenhss., rückt sie also sicher ins
8 und 9 jh. hierauf komme ich im verlauf zurück.
Der text ist in allen 4 hss, derselbe: sie stimmen nicht
nur in einleitung, zahl und reihenfolge der episoden — so weit
die einzelnen hss. reichen — , sondern auch in allen wesentlichen
einzelheiten der erzählung selbst so überein, wie mir das von
kaum einem anderen irischen, in mehreren hss. überlieferten
texte bekannt ist. die jüngeren hss. haben natürlich öfters
gegenüber a — abgesehen von jüngerer Orthographie — alte
formen ausgemerzt, auch hier und da ihre vorläge misverstanden ;
ebenso oft hat aber auch eine der jüngeren hss. mit a das alte
und richtige bewahrt, es ist klar, dass alle 4 hss. dieselbe recension
repräsentieren und eine bewuste über- oder Umarbeitung nicht
stattgefunden hat. in einem puncte stellen sich c und d gegen
b und a: sie lassen nämlich am schluss jeder episode eine
kurze versification der vorangegangenen schlichten prosa folgen,
wie auch das ganze mit 4 Strophen eingeleitet wird, die spräche
deuten, ob ein abschnitt im 1. 2. 3 oder 4 viertel der seite oder columne
endet oder anfängt.
124
d
c
370 •
-370*
1"-
.lb3
370"
-374*
lb3_
_4b3
374*
-378*
4b3_
-6"*
378*-
-383^
6a4_
-8^2
3832-
-383*
8a2_
-8»*
383*-
-387*
8»*-
_9b3
387*-
- 388*
-
-
388*-
-391
-
22»,
,31-
- 22b, 37
23% 1-
25M4-
26^,25-
-25% 14
-26^,25
-26^,43
125
KELTISCHE BEITRÄGE II 149
dieser verse ist schwer zu beurteilen: teils machen sie den ein-
druck gewöhnhcher mittelirischer reimereien , teils überraschen
sie durch alte formen , die allerdings aus der prosa genommen
sein können, daran darf, wie mir scheint, kaum ein zweifei
obwalten, dass es sich nur um versification der älteren prosa
handelt, nicht um eine ohne die prosa verständliche poesie. es
handelt sich auch nicht, wie ich zur Verhütung von misverständ-
nissen hervorhebeo will, um verse, die in eine prosaerzählung
eingestreut sind, sondern die einzelnen abschnitte sind ver-
sificiert.
Da c und d in diesen reimereien vollkommen stimmen,
repräsentieren sie in gewissem sinne eine besondere i, jedoch die
prosa nicht tangierende recension. sie bilden zwei von einander
unabhängige quellen dieser recension, da keine von der anderen
abgeschrieben sein kann. hs. d, die allein den vollständigen text
bietet, nimmt auch gegenüber c — von a zu geschweigen —
die zweite stelle ein, da sie arge Schlimmbesserungen aufweist,^
in a sind die einzelnen episoden auf s. 22 — 26 (s. 22% 31— 22"'
ende enthält die einleitung) am rande mit römischen Ziffern ge-
zählt (xi — xxvii). numeriert man in gleicherweise die auf dem
zwischen s. 22 und 23 des facsimile verlorenen blatt nach c und d
anzunehmenden episoden rückwärts, so ergeben sich würklich
10, was gewis als accessorischer beweis dafür, dass c und d in
dieser partie keine sachlichen änderungen vorgenommen haben,
* ganz dasselbe Verhältnis, wie es zwischen cd und a (sowie b) ob-
waltet, werden wir beim Imram UaCorra zwischen den jungen hss. und
dem alten text im Book of Fermoy widerfinden, hervorheben will ich
jedoch, dass die recension cd nicht auf die hs. LU zurückgeht; vgl.
s. 160 anm.
2 ein beispiel mag genügen: LU 26'', 36ff(a) heifst es coctialalär dano
iarsain guth mor solusglan doüachtur nacolomna ut; ebenso Har-
leian 5280 fol. S^ (c) cocualatar usw. doüachtur nacalamhna ut.
dafür bietet H. 2. 16 col. 383 (d) folgenden unsinn : cocualatar dano iai'siit
anguth mor solosglan. D ochotar nacolomain ut ass! in der vor-
läge stand wol doöchtar für doüachtur und daraus verlas ein Schreiber
dochotar, woran sich weitere conjecturen anschlössen, um einen schein
von sinn in die stelle zu bringen, hinweisen will ich auch darauf, dass d
in der ausmerzung alter formen oft viel weiter geht als c: so finden sich
episode 28 in Harleian 5280 fol. %^ die alten schönen perfectformen feotar,
flu, Hl, während H. 2. 16 col. 384 die neubildungen /bwef, faidis und das
präs. secund. linaid bietet; ebendaselbst hat c ronbi, hingegen d benaig {{äz
benaid) uam.
150 KELTISCHE BEITRÄGE II
nicht ohne Interesse ist. im folgenden habe ich daher das ein-
leitende capilel mit o bezeichnet. >
Die erzählung hat in a die Überschrift Immram curaig Mail-
dnin inso . trihlia . 7 vii . mis issed böi formerogod üindocian
'folgendes ist die umherfahrt des kahnes des Maelduin. während
eines jahres2 und 7 monate war er umherirrend auf dem ocean';
in de lautet die Überschrift De navigatione Maldnin anno intigro
7 VII . mensihis 7 de mirhuilihus ignotis quae indivisa trinüas Uli
ostenndit in ociano infinitü.
Ich gebe die erzählung in engem anschluss an das original.
0.3 Ailill Ochair Äga war ein tapferer und angesehener mann
unter dem clan Eoganacht von Ninus; derselbe war der vater
Maelduins. des letzteren mutter war eine junge nonne (mac-
caillech^), Vorsteherin eines frauenklosters. seine erzeugung und
geburt gieng folgender mafsen vor sich, einst machte der häupt-
• zur ergänzun» der oben s. 148 anm. gegebenen concordanz der hss.
nach Seiten und columnen folge hier eine nach den episoden: o in d, c
und a zum gröstcn teil; 1 — 9 in d, c; 10 — 16 in d, c und a, nur dass in
letzterem der anfang von 10 fehlt; 17 — 25 in d, c, a und b; 26 und 27
in d, c, a (anfang von 27); 28 — 30 in d, c; 31 und 32 erste hälfte in d;
32 zweite hälfte, 33 in d und b.
2 O'Looney (Proceedings of the R. i. a. 1879, i 215 ff) spricht von einer
voyage of three years and seven monlhs; ebenso Joyce (Old celtic ro-
mances s. 112). beide nahmen offenbar das tri in triblia für das zahlwort 3,
ohne zu bedenken, dass bliadan 'jähr' ein femininum ist, es also in der
spräche unseres textes heifsen müste teora bliadnai (vgl. teora bliadni
BCrl 32«', 6; mac nateora mbliadan Windisch, Ir. texte 140, 14. 144, 22).
3 mehr freie bearbeitung mit Umgebung der Schwierigkeiten als Über-
setzung und analyse ist das, was Joyce, Old celtic romances s. 112—176
nach hs. d gibt,
* macc ist der 'söhn, knabe'. wie nun ben 'frau' als erstes glied von
compositis verwendet wird, um den begriff des 'weiblichen' hinzuzufügen
(dia gott: bandea göttin, cü hund: banchu bündln, nama inimicus: baU'
nama inimica usw. ZE 854), so wird offenbar mac öfters vorgesetzt, um
anzudeuten, dass sich die personen in jugendlichem alter befinden, so sind
die cethrur macclerech doferaib Herend (LL 28P, 40) nicht 'four sons of
the clergy of the men of Eriu' und die triar macclerech (LL 283», 14) nicht
'three sons of the clergy' wie Atkinson in den conlents zu LL s. 65 will,
sondern 4 resp. 3 junge kleriker. macclerech findet sich LL 278*, 37.
281», 40. 283», 14. 283^,14.18. 28-5^,46. 286», 1. 10. 22. 36. 37. 287», 37.
demnach ist maccaillech 'jugendliche nonne', in welcher bedeutung es noch
LL 285'', 48. 286», 5. 12 vorkommt, vgl. auch banniaccrad LL 67'', 40 = ba7i-
trocht Ibid. 36.
KELTISCHE BEITRÄGE 11 151
ling (ri) der Eoganachts einen zug in fremdes gebiet, wobei
Ailiil in seinem gefolge war. sie schlugen lager an einem berge,
in dessen nähe sich ein frauenkloster befand, i mitten in der
nacht, als alles im lager sich zur ruhe begeben, gieng Ailiil
nach dem kloster. zu derselben zeit gieng genannte nonne die
glocke läuten zur nachtmelte (doiärmeirgi). Ailiil fassle sie bei
der band, hielt sie fest und tat ihr gewalt an (dogmi acoblige).
nicht schön ist unser handel , sagte sie, denn ich befinde
mich gerade in der zeit der empfängnis.2 sie fragte ihn nach
namen und familie und sie trennten sich, nachdem der häupt-
ling der Eoganachts den mit dem plUnderungszug verbundenen
zweck erreicht hatte, kehrte er nach hause zurück und Ailiil mit
ihm. kurze zeit darauf erscheinen Seeräuber an der küste, töten
den Ailiil, der sich nach der kirche (? kloster) von Dubcluain
geQüchtet hatte, und äschern die kirche über ihm ein.
Das Weibsbild gebiert nach 9 monaten einen söhn , gibt ihm
den namen Maelduin und bringt ihn heimlich zu der frau des
Clanhäuptlings in der gegend, da jene ihre freundin war. die
gibt ihn für ihren söhn aus und Maelduin wuchs mit den 3 söhnen
des häuptlings auf: eine amme zog (nährte) ihn auf und die
3 söhne des häuptlings in demselben korb, an derselben brüst
und aus demselben holzbecher (1. foröenchüad für -chad).^ als
kind war er schön wie kein anderes, als er zum knappen heran-
gewachsen, war er schön, stolzgesinnt und in den spielen der
jungen leute (ballwerfen , laufen , springen , steinwerfen , wett-
lauf mit pferden) allen überlegen, eines tages sagte ein anderer
neidischer knappe zornig zu ihm : 'wie kannst du , von dem man
clan und familie, vater und mutier nicht kennt*, uns in jedem
• in d und c ist hinzugefügt Cell Dara andiu 'Kildare heutigen tages'.
in Kildare war Brigita erste äbtissin.
2 wie hier amser comperla für die zur empfängnis günstigste zeit, so
LL 126'*, 50 inbaid comperta.
3 die gewöhnliche Verbindung ist foroenchlch 7 foroenglUyi (vgl. LL
288*, 22), wie auch c und d für das seltenere cuad, cöd (cuad becc crai?id
H. 2. 16 col. 388. 389, coud cod midguisce Egerton 1782 fol. 125») bieten,
wie aitir. cwaeA 'becher' aus \d,l. caticus, so könnte cuad cöd 'holzbecher'
auf ein nicht nachgewiesenes caudus zurückgehen (vgl. caudeus hölzern).
'• diese stelle ist recht geeignet zu zeigen, wie die jüngeren hss. sich
gelegentlich in vergröberung und derbheiten gefallen, an stelle der worte
niconfes mäthair nä hathair 'mutter und vater werden nicht gekannt' in
a (Lü 22'', 26) heifst es in d nafes cia cu rodcumtusmi forothrach 'es wird
152 KELTISCHE BEITRÄGE II
spiel, welches wir mit dir wagen, sei es zu land, zu wasser
oder auf dem Schachbrett, — wie kannst du uns unterkriegen?*
Maelduin schwieg, da er bis jetzt geglaubt halte, er sei der
würkliche söhn seiner pflegeeitern, der pflegemutter aber drohte
er mit Verweigerung der nahrungsannahme, bis sie ihm gesagt,
wer sein vater und mutter. zuerst sucht sie ihn über den
klatsch übermütiger buhen zu beruhigen; als er aber auf seinem
verlangen bestand, brachte sie ihn zu seiner würklichen mutter. i
diese fragte er nun nach seinem vater. 'auf törichtem beharrst
du, sagte sie, denn wenn du es auch weist, hast du keinen
nutzen davon (nlfuil ha duit de) und keine freude erwächst dir
daraus, lange ist es her, dass er tot ist.' er bestand jedoch
darauf, die Wahrheit unter allen umständen zu erfahren, nach-
dem er dieselbe gehört, gieng er zu seinem clan mit seinen ge-
fährten (pflegebrüdern) und wurde von dem geschlecht seines
Vaters freudig anerkannt.
'Zu einer zeit nun war eine schar von jungen leuten damit
beschäftigt, auf dem kirchhof von Dubcluain mit steinen zu
werfen; Maelduin zielte mit seinem wurf auf das verbrannte
dach der kirche und warf den stein hinüber, da sagte ein gift-
züngiger mann von den leuten der kirche, Bricriu mit namen^,
zu Maelduin: es wäre besser, du rächtest den mann, der hier
verbrannt wurde, als dass du steine über seine blofsen, ver-
brannten knochen wirfst.' sofort fragt Maelduin, wer gemeint
nicht gewust, vi'elcher hund dich zeugte auf dem dunghaufen' und in c
cia cu rotchac foroihrach 'welcher hund te cacavit auf dem dunghaufen.*
• lehrreich für den grad von Wahrheitsliebe, den irische gelehrte haben,
wenn es gilt, schmutz im irischen altertum — und er ist in sexueller hin-
sieht reichlich vorhanden, vgl. Zs, f. vgl. sprachf. 28, 421 anm. — zu ver-
tuschen, ist die art, wie Joyce aao. die einleitung gibt: 'There was once
an illustrious man of the tribe of Owenaght of Ninus, Ailill by name, a
goodly hero and lord of his own tribe and territory. One time, when he
was in his house unguarded, a fleet of plunders landed on the coast, and
spoiled his territory. The Chief fled for refuge to the church of Dooclone;
but the Spoilers followed him thither, slew him, and burned the church
over his head. Not long after AiliU's death , a son was born to him. The
child's mother gave him the name of Maiidun; and, wishing to conceal
his birlh, she brought him to the queen of that country, who was her
dear friend.' das wird ausgegeben als Übersetzung von a und d!
2 ßricne in prosa, Bricriu in der reimerei; Bricriu, Bricne ist in der
Ulstersage das bekannte lästermaul.
KELTISCHE BEITRAGE II 153
sei, und erfährt die Wahrheit, zugleich aber auch, dass er nur
zu Wasser (formutr) sein ziel erreichen könne, den vater zu
rächen.
'Er gieng darauf nach Corcomruad*, um den druiden Nuca
um das glückliche omen für den anfang des schiffsbaues zu be-
fragen, der sagte ihm den tag, an dem er das schiff beginnen
sollte, und die anzahl von den leuten, die in dasselbe gehen
sollte, nämlich 17 mann oder 60 nach anderen; und er sagte
ihm , dass weder eine gröfsere noch geringere zahl als diese
gehen solle, er baute nun das dreihäutige schiff und es waren
bereit diejenigen, welche ihn darin begleiten wollten, unter ihnen
waren German und Diuran Lecerd. er gieng nun zur see an
dem tage, an dem ihm der druide den aufbruch angeraten, nach-
dem sie erst wenig vom lande weg waren mit aufgespanntem
segel , da kamen an den hafen ihm nach seine 3 pflegebrüder,
nämlich die 3 söhne seines pflegevaters und seiner pflegemutter,
und riefen ihn an, sie sollten wider zurück ihnen entgegen
kommen, um sie mitzunehmen, wenn wir auch zurück kämen,
sagte Maelduin , so würde doch nur die anzahl, in der wir jetzt
sind, mit mir gehen, dann werden wir dir nach ins meer
kommen, bis wir darin untergehen, wenn du nicht zu uns kommst,
sie warfen sich darauf alle 3 ins meer und schwammen weit
vom lande, als das Maelduin sah, wandte er um ihnen entgegen,
dass sie nicht ertränken, und nahm sie zu sich in den kahn.
1. den tag über bis zur mitte der nacht ruderten sie, bis
sie auf zwei kleine, kahle inseln mit zwei castellen sliefsen. aus
den castellen drang lärm und geschrei von betrunkenen, die
sich stritten, zu ihnen in die stille nacht hinaus, einen mann
hörten sie zu einem anderen sagen: 'lass ab von mir, ich bin
ein besserer held wie du; denn ich tötete den Ailill Ochair Aga
und äscherte Dubcluain über ihm ein und bis jetzt ist mir von
seinem geschlecht dafür kein leid widerfahren ; du hast nichts
ähnliches getan.' 'der sieg ist hier in den bänden', sagten German
und Diuran Lecerd. während sie noch berieten, wie sie den-
selben ausnutzen wollten, erhob sich ein grofser wind und warf
sie den rest der nacht und den folgenden vormittag umher, dass
* Corcomroo liegt in der heutigen grafschaft Cläre, an die grafschaft
Galway und den Galway-busen gränzend. ich bin von Ballyvaghan aus
dort gewesen im September 1880.
154 KELTISCHE BEITRAGE II
ihnen jegliches land aufser gesicht kam und sie nicht wüsten,
in welcher richliing sie fuhren. Maelduin befahl nun, mit rudern
aufzuhören und den gang des Schiffes golt zu überlassen, sie
trieben nun in dem grofsen , gräuzenlosen oceau , und Maelduin
warf seinen 3 pflegebrüdern vor, dass ihre aufnähme über die
vom druiden vorgeschriebene zahl ihnen dies (unglück) bewUrkt
habe (foruair duinne so).
2. darauf fanden sie 3 tage und 3 nachte kein land. am
morgen des dritten tages hörten sie aus nordosten ein getöse.
'das ist Wellengetöse ans land', sagte German. als es tag wurde,
näherten sie sich dem lande, und als sie eben dabei waren, das
loos zu werfen, wer von ihnen ans land gehen solle, da kamen
grofse scharen von ameisen (dosenganaib) — von der gröfse eines
füUens war eine jede (meit serraig cechaidib)! — an den Strand
und ins meer ihnen entgegen, als selbige verlangen zeigten, sie
mit ihrem schiff aufzuzehren, flohen sie drei weitere tage und
nachte, in denen sie kein land sahen.
3. am morgen des dritten tages hörten sie wogenschall am
Strand und erblickten bei tageslicht eine grofse , hohe insel , um
welche terrassen (? forscamon Oberlichter) rings herum liefen, eine
niedriger als die andere, reihen von bäumen hefen um sie herum,
auf denen zahlreiche grofse vögel sich befanden, als man beriet,
wer ans land gehen sollte, um die insel zu untersuchen und ob
die Vögel zahm (cendsa) seien, erbot sich Maelduin. er gieng
und suchte die insel ab, fand aber nichts gefahrbringendes auf
ihr. sie sättigten sich — onahenaip 'von den vögeln' setzt c
hinzu — und nahmen noch mit sich in ihr schiff.
4. 3 tage und 3 nachte waren sie wider auf dem meer; am
morgen des vierten tages erblickten sie eine grofse , sandige insel.
als sie dem Strand nahe kamen , sahen sie ein wesen wie ein
pferd, füfse halte es jedoch wie ein hund und rauhe krallen.
es zeigte sich erfreut über ihr nahen und war vor ihren äugen
icsurdlaigh, denn es hatte verlangen , sie mit ihrem schiff zu ver-
zehren, auf Maelduins rat ruderte man ab von der insel. als
das tier dies bemerkte, lief es an den Strand, grub den Strand
mit seinen krallen auf und warf nach ihnen.
5. sie fuhren lange und erblickten eine grofse, ebene insel
(maiginis). dem German fiel das unheilvolle loos, sie zuerst zu
besichtigen. Diuran Lecerd erbot sich mitzugehen , damit German
KELTISCHE BEITRÄGE II 155
ein ander mal mit ihm gienge, wenn ihn das loos träfe, sie
giengen zusammen und fanden eine grofse, breite insel: sie er-
blickten darauf eine grofse, lange wiese mit grofsen fufsspuren
von pferden; von der grofse eines Segeltuchs für ein schiff war
eine jede hufspur. nussschalen sahen sie grofs wie cöedi^
und grofse anzeichen von vielen menschen dort, sie gerieten in
schrecken, riefen ihre gefährten , welche auch nach besichtigung
in furcht gerieten, sodass alle rasch und hastig ins schiff zurück-
kehrten, als sie etwas vom lande entfernt waren, sahen sie
eine grofse schar über das meer der insel zueilen , woselbst
sie auf der wiese ein pferderennen veranstalteten, schneller als
der wind war jedes ross, grofs war der lärm und das geschrei.
Maelduin hörte darauf die schlage der peitschen bei dem fest
und was ein jeder von ihnen sagte: 'sieh doch das goldgelbe ross',
'sieh die braune stute dort', 'schau die weifse stute', 'mein ross
ist schneller', 'besser ist der lauf meines rosses'. als sie diese
Worte hörten, entfernten sie sich möglichst rasch, denn sie waren
überzeugt, dass sie ein dämonenfest sahen.
6. eine ganze woche fuhren sie in hunger und durst, bis
sie eine grofse, hohe insel fanden; ein grofses haus befand sich
am Strand des meeres, aus dem ein tor nach der ebene der insel,
das andere nach dem meere führte, eine steinerne tür (comla
lecda) \ersch\oss letzteres; eine Öffnung fdercj befand sich darin,
durch welche die wogen des meeres die lachse mitten in das
haus warfen, sie giengen in dies haus und fanden niemand dort,
sie sahen darauf ein geschmücktes lager für den herrn des
hauses allein und lager für je 3 mann seiner begleitüng und
nahrung für je 3 mann vor jedem lager und ein gefäfs aus krystall
(glas) mit gutem trank vor jedem lager und ein krystallener aus-
teiler (dahm digläin) auf jedem gefäfs. sie nahmen speise und
trank zu sich und sagen gott dank.
7. nachdem sie diese insel verlassen , fuhren sie eine lange
weile umher ohne nahrung, hungrig, bis sie eine insel fanden,
um die herum eine grofse klippe (alt mor uimpi) lief, ein sehr
dünner und langer bäum befand sich auf ihr. Maelduin fasste
einen zweig (slat) von dem bäum in seine band beim vorbeifahren:
3 tage und 3 nachte war der zweig in seiner band, während der
* nach LL 106'', 25 muss coid ein sehr grofses holmafs oder etwas
ähnliches sein.
156 KELTISCHE BEITRÄGE 11
kahu an der klippe entlang segelte (foseol latoeb inalla), und am
dritten tage fand er einen bUschel (handvoll) von 3 äpfelu am
ende des zvveiges (crobong ni . nuboll forind naslaite). 40 nachte
sättigte sie jeder einzelne apfel.
8. sie gelangten darauf zu einer anderen insel, um die ein
steinerner wall gieng. als sie nahe kamen , erhob sich ein grofses
tier auf der insel und lief um die insel rings herum, dass es
Maelduin schneller dünkte als der wind, darauf gieng es auf
die höhe der insel und streckte den körper dort, dh. sein köpf
war unten und seine fiifse oben, dabei war es so: es drehte
sich in seiner haut herum, das fleisch und die knochen drehten
sich, die haut aufsen aber war ohne bewegung; oder ein ander
mal bewegte sich die haut aufsen, wie eine mühle sich bewegt,
die knochen und das fleisch waren unbeweglich, nachdem es
lange so getan , erhob es sich wider und lief um die insel herum
wie zuerst; dann gieng es an seinen früheren ort und dies mal
war die untere hälfte seiner haut ohne bewegung und die obere
drehte sich herum wie ein mühlstein. das war sein gebahren,
wenn es die insel umkreiste. Maelduin mit seinen genossen ent-
fernte sich rasch, als das tier dies merkte, kam es zum Strand
und versuchte sie durch nachgeworfene steine zu töten, einer
der steine erreichte auch das schiff, durchbohrte den schild Mael-
duins und drang in den rückenstock (drumlorg kiel) des schiffes.
9. bald darauf fanden sie eine hohe, schöne insel, auf der
zahlreiche tiere waren ähnlich pferden. jedes von ihnen fasste
einen bissen aus der seite des anderen und zwar mit haut und
fleisch, sodass ströme roten blutes aus ihren Seiten flössen, dass
die erde davon voll war.
10. in eile und hast entfernten sie sich von dieser insel, traurig
seufzend und ermattet: nicht wüsten sie, wohin sie sich wenden
sollten und wo sie hilfe oder land fänden, nach grofser plage
durch hunger und durst und nachdem sie die hoffnung auf hilfe
aufgegeben, erreichten sie eine grofse insel. viele bäume be-
fanden sich auf ihr, welche grofse, goldige äpfel trugen, kurze,
rote liere wie schweine waren unter den bäumen, sie giengen
auf die bäume zu und schlugen mit ihren hinterfüfsen gegen
sie, dass die äpfel herabfielen, welche sie dann verzehrten, von
morgen bis Sonnenuntergang taten sie dies; von Sonnenuntergang
bis morgen erschienen sie überhaupt nicht, sondern waren in
KELTISCHE BEITRÄGE II 157
erdhölen. zahlreiche vügel schwammen um die insel herum auf
den wellen: von morgen bis mittag schwammen sie ferner und
ferner von der insel; von mittag bis abend kamen sie der insel
näher und näher, bisi sie nach Sonnenuntergang zur insel kamen
und darauf die bäume leer machten und ihre äpfel afsen. wir
wollen ebenfalls auf die insel gehen , sagte Maelduin, es ist nicht
schwieriger für uns als für die vögel. einer geht auf kundschaft
und der ruft alsbald seine genossen ans land. die erde ist
unter ihren füfsen warm, denn die tiere waren feurig und er-
wärmten (notheigtJs) die erde über sich, sie nehmen an diesem
tag ein weniges von den äpfeln mit sich und verzehren sie in
ihrem schiff, als es hell wurde am morgen, verliefsen die vögel
die insel und schwammen auf dem meer. zugleich erhoben die
feurigen tiere ihre köpfe aus den holen und afsen äpfel bis
Sonnenuntergang, als sie sich in ihre holen zurückzogen, kamen
die Vögel, um an ihrer stelle äpfel zu essen, da gieng Maelduin
mit seinen genossen ausländ: sie sammelten, was sie erreichen
konnten, füllten ihr schiff mit ihnen und giengen wider zu see.
11. nachdem die äpfel ausgegangen waren, hunger und
durst grofs geworden und ihre lippen sowie nasen voll von fauligem
meergeruch, da erblicken sie eine kleine insel, auf der sich eine
bürg (castell) befand, eine hohe, weifse mauer um sie, die aus-
sah, als ob sie aus gebranntem kalk hergestellt oder als ob sie
ein kalkfels wäre, grofs war ihre höhe vom meere aus, dass
sie fast die wölken zu erreichen schien, die bürg war geöffnet,
schneeige, weifse häuser ringsum an der mauer. als sie in das
gröste von den häusern traten , sahen sie niemand darin aufser
einer kleinen katze, welche auf dem flur auf vier daselbst be-
findüchen Steinpfeilern spielte, sie sprang von einem pfeiler auf
den anderen; sie schaute einen moment nach den männern,
unterbrach aber ihr spiel nicht, sie erblickten darauf 3 reihen
an der wand des hauses rings herum von einem türpfosten bis
zum anderen: die erste reihe bestand aus gold- und silberbrochen,
deren nadeln in der wand steckten; die zweite reihe aus goldnen
und silbernen halsketten , wie fassreifen eine jede; die dritte
reihe bestand aus grofsen Schwertern mit griffen von gold und
Silber, die lager waren mit weifsen federbetten (polstern) und
glänzenden decken reichlich versehen, ein gekochter ochse und
• hier setzt a wider ein (LU 23*, 1).
158 KELTISCHE BEITRÄGE II
ein gesalzenes schwein auf dem flur und grofse gefäfse mit be-
rauschendem trank, 'ist dies für uns liier gelassen?' sagte Mael-
duin zu der katze. sie schaute ihn plötzlich an und begann
wider zu spielen, dies fasste Maelduin als eine bejahende ant-
wort und sieafsen, tranken und schliefen ein. nachdem sie er-
wacht, gössen sie den Überrest^ des trankes in die schlauche
und sammelten den Überrest der speise, als sie den aufbruch
beredeten , fragte der dritte pflegebruder Maelduins , ob er eine
halskette mitnehmen dürfe, nein, sagte Maelduin, das haus ist
nicht ohne schütz, er nahm nichts desto weniger eine mit sich
bis zum flur des castells. die katze kam hinter ihm her und
sprang durch ihn wie ein feuriger pfeil und verbrannte ihn, dass
er asche wurde, dann gieng sie wider zurück auf ihre säule.
Maelduin besänftigte darauf die katze mit seinen werten und
legte das armband an seinen ort und reinigle den flur von der
asche und warf sie in die tiefe des meeres. darauf giengen sie
in ihren kahn gott lobend und preisend.
12. am frühen morgen des dritten tages erblicken sie eine
andere insel; ein eherner wall teilte die insel in der mitte in
2 teile, sie sahen grofse schafheerden auf ihr: eine schwarze
heerde auf der einen und eine weifse heerde auf der anderen
Seite des walls. sie sahen einen grofsen mann beim sondern der
Schafe: wenn er ein weifses schaf von der seite zu den schwarzen
warf über die mauer, wurde es sofort schwarz; brachte er ein
schwarzes schaf über die mauer dorthin , so wurde es sofort
weifs. sie waren in furcht bei dem anblick. wir wollen zwei
zweige auf die insel werfen, sagte Maelduin; wenn sie die färbe
ändern, werden wir sie auch ändern, wenn wir die insel be-
treten, sie warfen darauf einen zweig mit schwarzer rinde auf
die Seite , auf der sich die weifsen schafe befanden, und er wurde
alsbald weifs. darauf warfen sie einen abgeschälten , weifsen
zweig auf die seite, auf der sich die schwarzen befanden, und
sofort wurde er schwarz, es ist kein schade (sechbaid'^) für uns,
sagte Maelduin, dass wir nicht auf die insel gegangen sind, denn
> über diwad in dieser stelle siehe meine bemerkungen Zs. f. vgl,
sprachf. 30,54 fr.
2 sechbaid (noch LL 27 1^, 44) ist von saicli (LL 64^, 15. 115^, 12. 280^,
44 28. 39, wo LU 17% 36 olc hat) gebildet wie findbaid (beatitudo) von
find (beatus).
KELTISCHE BEITRÄGE II 159
uns würde es fürwahr nicht hesser ergangen sein als den zweigen,
sie zogen sich in entsetzen von der insel zurück.
13. am dritten tage hemerkten sie eine grofse, breite insel,
auf der sich eine heerde schöner schweine befand, sie töteten
ein kleines schwein davon, zündeten ein feuer^ an, kochten es
und trugen es in ihren kahn. sie erblicken von dort aus einen
grofsen berg auf der insel und beratschlagten eine expedition zur
besichtigung der insel. als nun Dlurän Leccerd und Germän
auf dem wege nach dem berg waren, stiefsen sie auf einen
breiten, nicht liefen ström. Germän tauchte das untere ende
seines Speers in den fluss und es sank unter, als ob feuer es
verbrannt hätte, sie giengen nicht weiter, auf der anderen
Seite des flusses sahen sie grofse hörnerlose ochsen liegen und
ein grofser mann safs bei ihnen. Germän schlug seinen speer-
schaft gegen seinen schiid, um die ochsen aufzuscheuchen, warum
erschreckst du die dummen (kleinen) kälber? sagte der grofse
Schafhirt, wo sind die mütter dieser kälber? fragte Germän.
hinter jenem berge, erwiderte er. die beiden kehren um zu
ihren genossen und melden ihnen das erlebnis. darauf fuhren
sie ab.
14. bald darauf trafen sie auf eine insel, auf der sich eine
sehr hässliche mühle befand und dabei ein grofser, feuriger
(? bruichnech für bniithnech), hässlicher mUller. man fragte ihn,
was es für eine mühle sei. wahrlich, sagte er, ein kundiger
fragt nicht unil ihr würdet es (als unkundige) nicht heraus be-
kommen (erkennen) : die hälfte des getreides eures landes wird
hier gemahlen, jeder gegenständ, um den streit entsteht, wird
hier zermahlen in dieser mühle. bei diesen Worten erblicken
sie schwere, unzählige lasten auf pferden und menschen auf die
mühle zuführen und auch wider ab von ihr; aber was von ihr
weggetragen wurde, wurde nach westen getragen, sie fragten
widerum, welches der name der mühle sei. die mühle von Inber
Tre Cenand , sagte der müUer. sie bekreuzten sich darauf mit
dem zeichen des kreuzes, nachdem sie dies alles gehört und ge-
sehen halten, und flohen in ihren kahn.
15. als sie von der mühleninsel weg waren, fanden sie eine
grofse insel mit einer grofsen schar von menschen, dieselben
' adoud, schöner Infinitiv zu dem Zs. f. vgl. sprachf. 30, 98 ff nach-
gewiesenen adsöim.
160 KELTISCHE BEITRÄGE II
waren schwarz an körper und kleidung und hatten kopfbe-
deckungeu auf und hörten nicht auf zu weinen (wehklagen,
heulen), dem zweiten pflegebruder des Maelduin fiel das loos,
auf die insel zu gehen, als er zu den wehklagenden leuten kam,
wurde er ihnen gleichfarbig i sofort und begann mit ihnen zu
wehklagen, zwei wurden nun ausgeschickt, ihn zurückzubringen,
und sie erkannten ihn nicht unter seinen genossen und begannen
selbst zu wehklagen, da befahl Maelduin , dass 4 mann bewaffnet
gehen sollten , um die männer mit gewalt zu holen : 'schaut nicht
auf die erde noch in die luft, legt eure kleider um eure nasen
und mund und saugt nicht die luft des landes ein und heftet
eure äugen auf eure männer.' die 4 mann taten so und brachten
die beiden zuletzt gegangenen mit gewalt mit sich, als sie ge-
fragt wurden, was sie am lande gesehen, erwiderten sie: wir
wissen fürwahr nichts als dass was wir sahen wir taten, eilig
entfernten sie sich von der insel.
16. sie erreichten darauf eine andere hohe insel, auf der
sich 4 wälle (mauern) befanden, welche die insel in 4 teile teilten,
der erste wall war aus gold, der zweite aus silber, der dritte
aus erz (kupfer) und der vierte aus glas (krystall). in dem ersten
teil waren könige, im zweiten königinnen, im dritten Jünglinge,
im vierten mädchen. ein mädchen kam ihnen entgegen (zu ihrer
begrüfsung), geleitete sie ans land und gab ihnen nahrung. diese
schien ihnen käse, aberweichen geschmack ein jeder liebte, den
fand er darin, sie goss ihnen trank ein aus einem kleinen ge-
fäfs, dass sie trunken 3 tage und 3 nachte schliefen, auf diese
weise wartete das mädchen ihnen auf. als sie am dritten tag
erwachten, befanden sie sich in ihrem kahn auf dem meer und
sahen nichts von der insel noch ihr mädchen. sie ruderten
weiter.
17. sie erreichten darauf eine kleine insel, auf der sich eine
bürg (castell) befand, ein ehernes tor schloss dieselbe und eherne
ägai waren daran, eine gläserne brücke führte zu dem tor. als
sie aufwärts auf der brücke gehen wollten, fielen sie nieder auf
den rücken, da erblicken sie ein weibsbild aus der bürg treten,
das ein gefäfs in der band hat. sie hob eine glastafel der brücke
' für comthach in a (LU 24», 41) ist mit cd comdath zu lesen ; die
bearbeitung cd geht also — was auch aus anderen stellen klar wird —
nicht auf die hs. LU zurück, sondern auf eine von ihr unabhängige.
KELTISCHE BEITRÄGE II 161
in die hölie und füllte das gefäfs aus der quelle, welche sich
unter der brücke befand, und gieng wider in die bürg, 'es soll
eine aufwartung (steward) für Maelduin kommen', sagte German.
'Maelduin fürwahr', sagte sie, indem sie das tor hinter sich zu-
schloss. sie schlugen darauf die ehernen ägu^ und das eherne
netz, das auf ihnen war, und der laut, den sie hervorbrachten,
war liebliche, sanfte musik, die sie in schlaf versetzte bis zum
anderen morgen, als sie erwachten, sahen sie dasselbe weibs-
bild aus der bürg kommen mildem gefäfs in der band, und sie
füllt es unter derselben (glas-)tafel. 'aber, es soll bedienung
zu Maelduin kommen', sagte German. 'wunderbar sind die kräfte
von Maelduin', sagte sie beim schliefsen der bürg hinter sich,
dieselbe musik warf sie in schlaf bis zum anderen morgen. 3 tage
und 3 nSchte vergiengen auf diese weise, am vierten tage kam
das Weibsbild zu ihnen, schön war sie: ein weifser mantel um
sie, ein goldzweig (reif) um ihr haar; goldgelbes haar auf ihr;
2 schuhe von silber um ihre weifspurpurnen füfse; eine silberne
broche mit goldenen, kleinen ringen (also kette?) an ihrem mantel
und ein hautähnliches (? streifiges) seidenes hemd auf ihrer weifsen
haut, willkommen, o Maelduin, sagte sie, und nannte einen
jeden mann besonders mit dem ihm zukommenden namen. schon
lange ist man hier über dein kommen unterrichtet, sagte sie.
sie nimmt sie darauf mit sich in das grofse haus, das in der
nähe des meeres lag, und hob ihren kahn ans land. sie er-
blickten darauf in dem haus ein lager für Maelduin allein und
ein lager für je 3 seiner begleitung. sie teilte ihnen nahrung
zu aus einem geflochtenen korb, die käse glich; je 3 mann gibt
sie ihr teil, und welchen geschmack ein jeder wünschte, den
fand er (in der nahrung). den Maelduin aber bediente sie be-
sonders, das gefäfs füllte sie unter derselben glastafel und schenkte
abwechselnd je 3 mann ein. sie erkannte, als sie genug hatten,
* aus den beiden casus nom. plur. ägai, acc. plur. ägu lässt sich ein
«-stamm erschliefsen , dessen bedeutung mir unbekannt ist. c und d kürzen
au erster stelle; an zweiter haben sie das wort nicht verstanden und machen
'eherne Speere' (nagäi d, inagai c) daraus, im Imram curaig UaCorra,
worüber unter B ii zu handeln, ist episode 11 deutlich ein auszug aus Imram
Maelduin 17; hier heifst es sondach umaidi impi 7 tln umaidi arscarad
arafiacluibh sechtair 'eine eherne mauer ist um sie und ein ehernes netz
ist darüber ausgebreitet auf ihren (der mauer) zahnen.' der excerptor fasste
also die ägai als 'zinken' auf dem ehernen wall.
Z. F. D. A. XXXill. N. F. XXi. 11
162 KELTISCHE'BEITRÄGE II
und hörte auf ihnen einzuschenken, das ist eine passende frau
für Maelduin , sagte ein jeder seiner genossen, sie gieng darauf
mit ihrem korb und ihrem gefäfs weg. die genossen sagten zu
Maelduin: sollen wir ihr sagen, dass sie bei dir schlafen soll?
was nimmt sie (? gatas) von euch, wenn ihr es ihr auch sagt? er-
widerte er. am anderen morgen kam sie wider, sie sagten zu
ihr: wirst du freundschaft (liebschaft) mit Maelduin machen,
wirst du bei ihm schlafen, warum bleibst du nicht hier über
nacht? sie erwiderte, dass sie nicht erkannt und nicht weifs,
was Sünde sei. sie gieng darauf von ihnen zu ihrem haus und
kam am anderen morgen um dieselbe zeit, um sie zu bedienen,
als sie trunken und satt waren , reden sie dieselben worte zu
ihr. morgen, sagte sie, wird euch antwort darüber gegeben,
sie gieng darauf zu ihrem haus und sie schliefen auf ihren lagern
ein. als sie erwachten, waren sie in ihrem bot auf einer klippe
und sahen weder die insel noch die bürg noch das weib noch
den ort, wo sie vordem waren.
18. als sie von diesem ort wegfuhren, hörten sie in ost-
nord grofses geschrei und lex (=lectio?), als ob man beim psalmen-
singen dort wäre, die nacht und den anderen tag bis nachmittag
ruderten sie , um zu erfahren , welches geschrei oder welche lex
sie hörten, sie erblicken eine hohe, bergige insel voll von
schwarzen, braunen und gesprenkelten vögeln bei geschrei und
grofsem geschwätz.
19. sie ruderten eine kleine weile von dieser insel und
fanden eine andere nicht grofse insel. zahlreiche bäume befanden
sich auf ihr und zahlreiche vögel auf ihnen, sie sahen darauf
einen mann auf der insel, dessen haar sein gewand bildete, sie
fragten ihn darauf, wer er war und woher das geschlecht, ich
gehöre zu den männern Irlands, sagte er. ich gieng in die fremde
in einem kleinen kahn und mein kahn gieng unter mir entzwei,
als ich ein wenig vom lande abgekommen war. ich gieng wider
ans land, sagte er, und nehme eine schölle (rasenstück) meiner
heimat unter meine füfse und erhob mich darauf aufs meer. der
herr liefs diese schölle an diesem ort grund fassen und gott
gibt jedes jähr einen fufs ihrer breite zu von da bis heute und
lässt jedes jähr einen bäum auf ihr wachsen, die vögel, die ihr
auf den bäumen seht, sagte er, sind die seelen meines Stammes
und meines geschlechts, frauen und männer, sie erwarten dort
KELTISCHE BEITRÄGE II 163
den tag des gerichts. ein halbes brod, ein zoll (daumen) fisch
und quellwasser gab mir gott. dies kommt mir jeden tag zu
durch engeldienst, gegen abend nun (zur nachmittagsstunde)
kommt für alle ein halbes brod und ein stück fisch, für jeden
mann von ihnen und für jede frau. quellwasser ist vorhanden
genügend für jeden, als 3 tage und 3 nachte der gastfreund-
schaft um waren, verabschiedeten sie sich und er sagte zu ihnen:
ihr werdet alle zu eurer heimat kommen aufser einem mann.
20. am dritten tage darauf gelangen sie zu einer anderen
insel: eine goldene mauer um sie und der boden weifs wie eine
feder. sie erblicken einen mann auf ihr und dies war seine
kleidung: das haar seines eigenen körpers. sie fragten ihn darauf,
welches die Sättigung (uahrung) sei, von der er das leben friste,
es ist, sagte er, auf dieser insel eine quelle, am freitag und
mittwoch gewinnt man molken oder wasser aus ihr; an Sonn-
tagen aber und an den festen der märtyrer gewinnt man gute
milch aus ihr; aber am fest der apostel und der Maria und
Johannis des täufers gewinnt man hier und wein aus ihr, und
auch in den hohen festzeiten. um die nachmittagsstunde darauf
kam ihnen allen vom herrn ein halbes brot für jeden mann und
ein stück fisch und sie tranken zur genüge von dem trank, welchen
ihnen die quelle der insel spendete, und er warf sie in schlaf
bis zum anderen morgen, nachdem sie 3 nachte gastfreundschaft
genossen, hiefs der kleriker sie aufbrechen, und sie rüsteten
sich zum aufbruch und sagten ihm dann lebewol.
21. als sie lange auf den wogen umhergeirrt, erblickten
sie in der ferne eine insel; als sie ihr näher kamen, hörten sie
lärm von schmieden, welche glühende massen auf dem ambos
mit hämmern schlugen , wie das schmieden (dreschen) von 3 oder
4 mann, als sie aber nahe kamen, hörten sie einen mann einen
anderen fragen: 'sind sie nahe?' 'ja', sagte der andere, 'wer
sind sie, von denen ihr redet, dass sie da kommen?' sagte ein
anderer mann, 'kleine knabeu, ich sehe sie, in einem kleinen
bot von dort her', sagte er. als Maelduin das hörte, was die
schmiede redeten, sagt er: 'wir wollen zurückgehen, aber wir
wollen den kahn nicht drehen, sondern sein hinterteil sei nach
vorne, damit sie unsere flucht nicht merken.' sie ruderten darauf
und sein hinterteil vorwärts (dem lande zu), es fragte wider der
erste mann, der in der schmiede war: 'sind sie jetzt dem hafen
11*
164 KELTISCHE BEITRÄGE II
näher?' 'sie stehen stille', sagte der späher, 'denn sie kommen
nicht her und gehen nicht dorthin.' nicht lange darauf fragte
er wider: 'was tun sie jetzt?' sagte er. 'es scheint mir', sagte
der späher, 'dass sie sich auf der flucht hefiuden, es scheint
mir, dass sie jetzt dem hafen ferner sind als vor kurzem.' da
trat der schmied dort aus der schmiede und eine grofse feurige
raasse in der zange in seiner hand, und er warf diese feurige
masse hinter dem kahn her ins meer, sodass das ganze meer
aufzischte, aber er erreichte sie nicht, denn sie flohen eilig und
in hast in den grofsen ocean hinaus.
22. sie fuhren darauf umher, bis sie in ein meer kamen,
das grünem glase ahnlich war. es war so rein (klar), dass die
sonne und der sand des meeres durch es sichtbar war. sie sahen
weder Ungetüme noch lebende wesen dort zwischen den klippen,
sondern nur die reine sonne und den grünen sand. einen grofsen
teil des tages fuhren sie in diesem meer umher, dessen glänz
und Schönheit grofs war.
23. sie gelangen von hier aus in ein anderes meer, das dem
nebel (wölke) ähnlich war , und es schien ihnen , als ob es weder
sie noch ihren kahn tragen könnte, sie erblickten darauf in dem
meere unter sich geschmückte menschen und ein liebliches land
und sie sehen ein grofses, schreckliches, bestienartiges wesen
auf einem bäum dort, und ein trupp von einer heerde von rindern
befand sich um den bäum und ein mann mit seiner ausrüstuug,
mit Schild und speer und schwert, befand sich in der nähe des
baumes. sobald er das grofse lebende wesen auf dem bäume
erblickte, begab er sich sofort auf die flucht, das ungetüm
streckte seinen hals aus von dem bäume und senkte seinen köpf
in den rücken des grösten der ochsen der heerde und schleppte
ihn mit sich auf den bäum und verzehrte ihn sofort während
des zuckens der augenwimper. sofort fliehen die heerden und
die hirten. als Maelduin mit seinen gefährten dies erblickte,
fasste sie grofser schrecken und furcht, denn sie vermeinten,
sie würden nicht über es (das meer) kommen ohne durchzufallen
nach unten wegen seiner dünnigkeit wie nebel. sie gelangen
darauf unter grofser gefahr darüber.
24. sie fanden darauf eine andere insel, und das meer er-
hob sich um dieselbe in die höhe, sodass es grofse felsen um
sie herum bildete, als die bewohner der insel sie bemerkten,
KELTISCHE BEITRÄGE II 165
begannen sie umher zu klagen und sagen: 'da sind sie fürwahr, da
sind sie fürwahr', in einem atemzug. sie (Maelduin und seine ge-
lahrten) erblicken darauf viele menschen und grofse rinderheerden
und rossheerden und zahlreiche schafheerden. ein weibsbild warf
nach ihnen (M. und genossen) von unten mit grofsen nüssen,
dass sie oben auf den wogen um sie herum waren; sie sam-
melten viel von den nüssen und nahmen sie mit sich, darauf
entfernten sie sich wider von der insel und damit hörten die weh-
klagen auf. 'wo sind sie jetzt?' fragte ein mann, der auf das
wehklagen hin ihnen nachkam; 'sie sind weggegangen', sagte
eine gruppe von ihnen *; 'sie sind es nicht', sagte eine andere,
das ganze machte den eindruck, als ob ihnen prophezeit gewesen,
dass ihr land verwüstet würde und sie daraus vertrieben.
25. sie erreichten eine andere insel, in der ein wunderbares
ding sich ihren blicken darbot, ein grofser ström erhob sich
am strande der insel in die höhe und gieng wie ein regenbogen
(ttiag nime) über die ganze insel und liefs sich nieder an den
anderen Strand der insel auf ihrer anderen seite. sie giengen
unter ihm durch, ohne nass zu werden, und sie töteten grofse
lachse über sich aus ihm und es fielen sehr grofse lachse aus
dem Strom von oben auf die erde , sodass die ganze insel voll
vom geruch derselben war; denn es war niemand, der mit dem
sammeln derselben zu ende gekommen wäre wegen ihrer menge,
von der vespertiua der nacht auf sonntag bis zur antetertia (co-
anteirt) am montag bewegte sich der ström nicht, sondern stand
still in seinem meer um die insel herum, die grösten unter den
lachsen brachten sie darauf zusammen und füllten ihren kahn mit
ihnen und giengen von dieser insel zurück auf den ocean weiter.
26. sie fuhren darauf umher, bis sie auf eine grofse, silberne
Säule trafen : 4 selten hatte sie , von denen jede 2 ruderschläge
breit war, sodass ihr ganzer umfang 8 ruderschläge des kahnes
waren, nicht war eine spur von erdscholle um sie sondern der
unbegränzte ocean, und sie sahen nicht ihr unteres ende nach
unten noch ihr oberes ende oben wegen ihrer höhe, ein silbernes
netz hieug von ihrem oberen ende weit von ihr ab hinaus (ins
meer), und der kahn gieng unter segel durch eine masche dieses
nelzes und Diuran schlug mit der schneide seines Speeres über
* das hier gebrauchte cefÄem (schar) noch LL 174', 38. 256% 15. Laud 610
fol. 122%!, weiter unten (H. 2. 16 col. 388).
166 KELTISCHE BEITRÄGE II
die masche des netzes. zerstöre das uelz nicht, sagte Maelduin,
denn was wir sehen, ist das werk grofser männer. zum preise
des namens gottes habe ich es getan, sagte Diuran, damit um
so mehr meine erzählung glauben finde, und es wird von mir
auf den altar von Ardmacha gelegt werden , wenn ich je Irland
erreichen werde. 2 unzen und eine halbe enthielt es nach seiner
abschätzung in Ardmacha. sie hörten darauf eine laute, hell-
klare stimme von dem oberen ende der säule, obgleich sie nicht
wüsten, welche spräche sie redete und was sie redete.
27. sie sehen darauf eine andere insel auf einem fufs, dh.
ein fufs (säule) trug sie; und sie fuhren um dieselbe herum,
um einen zugang zu ihr zu finden i, und fanden keinen Zugang
zu ihr. unten am fufse aber sahen sie eine tür, die mit einem
schlösse verschlossen war. sie erkannten , dass dies der eingang
war, der zur insel führte, und sie sahen einen pflüg oben auf
der insel, obgleich sie niemanden anredeten und niemand sie
anredete, sie brachen von ihr auf.
28. sie kamen darauf zu einer grofsen insel, und eine
grofse ebene war auf ihr und ein grofser berg in der ebene,
ohne haidekraut, grasig und schlüpfrig, sie sahen eine hohe
befestigte bürg auf der insel in der nähe des meeres und ein
grofses, verziertes haus dort mit guten lagern; 17 erwachsene
Jungfrauen beim zurüsten eines bades. sie giengen an die insel
und setzten sich auf den hügel am tor der bürg. Maelduin sagte:
ich bin überzeugt, dass das bad für uns dort zugerüstet wird,
gegen abend darauf sahen sie auf die bürg zukommen auf einem
prachtross einen reifer, unter dessen sitz gute verzierte pferde-
gewänder. blaues kopftuch und einen mit säum versehenen
purpurmantel trug der reiler, handschuhe mit gold-pell um die
eine band , geschmückte sandalen um seine füfse. sobald er
abgestiegen war, nahm eine von den Jungfrauen das ross in
empfang, er gieng darauf in die bürg und gieng in das bad.
sie sahen aber, dass es eine frau war, die vom pferd sprang,
und bald darauf kam eine von den Jungfrauen und sagte: seid
willkommen, tretet in die bürg ein, die königin ruft euch, sie
giengeu darauf in die bürg, badeten alle und die königin safs
mit den 17 Jungfrauen in der einen hälfte der halle (eig. des
hauses, das wol nur aus einem grofsen räum bestand); Maelduin
* hier bricht a ab.
KELTISCHE BEITRÄGE II 167
mit seinen 17 genossen in der anderen hallte gerade gegenüber
der königin. es wurde nun ein tisch mit guter speise darauf
für Maelduin gebracht und glasgeläfs mit gutem trank dazu;
weiterhin ein tisch für 3 mann aus seinem gefolge und ein trink-
geföfs für je 3 mann, als sie die mahlzeit genossen, da sagte
die königin: 'wie werden die gaste schlafen?' 'wie du befiehlst',
sagte Maelduin. 'ein jeder von euch nehme sich seine frau', dh.
sein gegenüber (afil ana ercomuir), sagte sie, 'und sie sollen
gehen auf die lager hinter ihnen.' es waren nämlich 17 ge-
schmückte lager mit guten betten hingebracht, es schliefen darauf
zusammen die 17 mann und die 17 mädchen und Maelduin schlief
bei der königin. bis zum folgenden morgen schlief man.^ sie
erhoben sich am morgen, 'bleibt hier', sagte die königin, 'und
nicht soll alter über euch kommen aufser das alter, in dem ihr
seid (in-dub-tarras, in welchem ihr gefunden wurdet), und ewiges
leben immerdar wird euch sein , und was euch letzte nacht wider-
fuhr, werdet ihr jede nacht haben ohne irgend welche arbeit,
und ihr werdet nicht länger umherschweifen von insel zu insel
auf dem ocean.' 'teile uns mit', sagte Maelduin, 'wie lebt ihr
hier?' 'das ist fürwahr nicht schwer', sagte sie. 'es war ein
guter mann auf dieser insel, der könig der insel, von dem ich
die 17 mädchen dort gebar, deren mutter ich bin; er starb (I)
darauf und hinterliefs keinen männlichen erben und ich über-
nahm die herschaft der insel nach ihm. ich gehe auf die grofse
ebene, die auf der insel ist, um urleil zu sprechen und zu ent-
scheiden unter dem volk jeden tag.' 'gehst du etwa auch heute
von uns', sagte Maelduin. 'wenn ich nicht gehen werde', sagte
sie , 'wird uns das nicht kommen , was uns die letzte nacht wider-
fuhr.' 'bleibt nur', sagte sie, 'in eurem hause, ihr habt nicht
nötig etwas zu tun; ich werde zum urteilsprechen gehen.'
Sie waren so die 3 wiutermonate auf dieser insel und sie
dankten sie 3 jähre, 'wir sind schon lange hier', sagte einer
von Maelduins genossen zu Maelduin; 'warum streben wir nicht
nach unserer heimat?' 'du redest töricht', sagte Maelduin, 'denn
nicht werden wir es in unserer heimat irgendwie besser finden,
* zur weiteren characteristik des s. 152 anm. 1 hervorgehobenen be-
strebens irischer gelehrten bemerke ich, dass Joyce die obige stelle 'über-
setzt': 'and having eaten and drunk tili they were satisfied, they went to
sleep on soft couches tili morning.' dem gemäfs ist auch das folgende ge-
reinigt.
168 KELTISCHE BEITRÄGE II
als wir es hier habeo.' sein getolge begann grofses gemurr
gegen Maelduiu und sie sagten, dass er grofse liebe zu seiner
frau habe, er soll bei ihr bleiben, wenn es ihm behagt, sagte
sein gefolge, wir werden zu unserem lande ziehen, 'ich werde
nicht zurückbleiben nach euch', sagte Maelduin. eines tages nun
gieng die kOnigin zum rechtsprechen, wie sie jeden lag zu gehen
pflegte, sie giengen dann (nachdem sie weg war) in ihren kahn.
sie bemerkte es und bald kam sie auf ihrem ross darauf herbei und
warf ein knäuel (bindfaden) hinter ihnen her, dessen faden (ende) sie
in der band hielt; Maelduin fleug es auf und es haftete in seiner
band und sie zog den kahn vermöge des fadens zu sich in den
hafen zurück, sie blieben darauf bei ihr dreimal drei andere
monate. darauf kamen sie zu einem entschluss. 'wir sind über-
zeugt nun', sagten seine genossen, 'Maelduin hat grofse hebe zu
seiner frau; deshalb fängt er das knäuel auf, dass es in seiner
band haftet, um uns zurück zur bürg zu bringen, es soll ein
anderer das knäuel auffangen, und wenn es in seiner band haftet,
soll seine band abgehauen werden.' sie giengen darauf in ihren
kahn, sie warf das knäuel hinter ihnen her; ein anderer mann
im kahn fieng es auf und es haftete in seiner band. Diuran
schlug ihm die band ab, dass sie mit dem knäuel fiel, als sie
dies sah, begann sie zu jammern, zu wehklagen, dass das ganze
land ein Jammer und ein wehklagen war. so entkamen sie von
ihr von der insel.
29. lange zeit wurden sie darauf auf den wogen umher-
getrieben, bis sie eine baumbesetzte insel fanden, die bäume
waren ähnlich der weide oder hasel (cosmaü frisailich no coli);
wunderbare fruchte waren darauf mit grofsen schalen (bolca mora
foraib). sie pflückten einen kleinen apfel von ihnen darauf und
das loos wurde von ihnen geworfen, wer die frucht prüfen sollte,
die der apfel hatte, das loos fiel dem Maelduin zu. er drückte
einen teil von ihm in ein gefäfs und trank und fiel in tiefen
schlaf von der stunde bis zur ersten stunde des anderen morgens;
nicht wüste man , ob er lebend oder tot sei , und der rote schäum
war um seine lippen, bis er am anderen morgen erwachte, er
sagte zu ihnen: 'sammelt die frucht, denn ihre vortrefflichkeit
ist grofs.' sie sammeln darauf und mischen wasser darunter
(dh. unter den saft) , um die trunkenheit und den schlaf zu
mäfsigen. sie sammelten, was vorhanden war, drückten aus und
KELTISCHE BEITRÄGE II 169
füllen damit, was sie von gefälseu hatten, und fuhren von der
insel fort.
30. sie gerieten darauf auf eine andere grofse insel. auf
der einen seite derselben befand sich ein wald von eibenbäumen
und grofsen eichen ; auf der anderen seite war ein anger (gras-
bewachsene ebene, machaire). ein kleiner see auf ihr und grofse
heerden von schafen. sie erblickten eine kleine kirche und ein
castell dort, sie giengen zur kirche; ein greiser kleriker befand
sich darin und es bedeckte weifses haar ihn ganz. Maelduin
fragte, woher er wäre, 'ich bin der 15 mann von den genossen
(klosterfamilie) des Brendan von Birr; wir giengen auf die Wander-
schaft (in die fremde) auf den ocean, bis wir zu dieser insel
kamen, alle aufser mir starben.' und er zeigte ihnen darauf
den büchersack Brendans, den sie mit sich auf die Wanderung
genommen, und Maelduin kUsste ihn. 'esst euch nun satt', sagte
der greis, 'von den schafen, esst aber nicht im übermafs über
euer bedürfnis.' sie lebten dort eine zeit lang vom fleisch der
schafe. eines tages nun , als sie von der insel weg (in den
ocean) schauten, erblickten sie eine wölke im Südosten, auf sie
zukommend, nach einer weile nun, als sie noch immer aus-
schauten, bemerkten sie, dass es ein vogel war, denn sie sahen
die flügel beim fliegen (bewegen), er kam auf die insel und
machte hall auf einem hügel in der nähe des sees. sie gerieten
in furcht, dass er sie in seine krallen nehmen und übers meer
tragen könnte, er brachte mit sich einen zweig von einem
grofsen, unbekannten bäum; gröfser als eine der grofsen eichen
warder zweig; grofse seitenzweige an ihm, eine buschige kröne
mit frischen blättern, viel schwere frucht daran, rote schalen-
früchte (bolga) an ihm wie Weintrauben, nur dass sie gröfser
waren, aus einem versteck nun schauten sie, was er machen
werde, eine weile war er ruhig wegen seiner ermüdung. dann
begann er eine von den fruchten des baumes zu essen, darauf
gieng Maelduin an den fufs (forur 'an den rand, das ufer') des
hügels , auf welchem der vogel war , um zu erproben , ob er
ihm übles zufügen werde, und er tat dies nicht, da kamen seine
genossen alle ihm nach an diesen ort. 'ein mann von uns soll
vorgehen', sagte Maelduin, 'und soll etwas von der frucht des
baumes vor dem vogel aufraffen.' es gieng darauf ein mann von
ihnen und sammelte einige von den beeren, und der vogel gab
170 KELTISCHE BEITRÄGE II
keiu misfallen zu erkennen und sah nicht hin und es kam keine
bewegung von ihm. sie giengen darauf 18 mann stark mit ihren
Schilden hinler ihn (forachido) und er fügte ihnen nichts übles
zu. um die abendzeit sahen sie zwei andere grolse vögel von Süd-
osten, woher der grofse vogel gekommen war, die vor dem grofsen
vogel sich niederliefsen. als sie eine weile ruhig gewesen waren,
begannen sie auszulesen (eclaim) und abzulesen (lomrad) die
flöhe (lause , inamil) um wangen und kinn des grofsen vogels und
um seine äugen und seine obren, damit waren sie bis dunkel-
werden beschäftigt, dann begannen alle drei von den beeren
und der frucht des astes zu essen, vom morgen des anderen
tages bis zum mittag begannen sie auszulesen dieselben tiere von
seinem ganzen körper und die alten federn auszurupfen und die
alten schuppen (kiele?) des aussatzes (inasenland tiaclaime) sorg-
fältig auszulesen, zu mittag darauf pflückten sie die schalen-
früchte von dem zweig und zerbrachen sie mit ihren schnäbeln
an den steinen und warfen sie darauf in den see, sodass roter
schäum auf ihm war. hierauf gieng der grofse vogel in den see
und wusch sich darin bis nahe dem tagesende. darauf gieng er
aus dem see und setzte sich nieder an einem anderen ort auf
demselben hügel, damit nicht die weggenommenen tierchen (an
ihn) kämen, am anderen morgen fuhren die vögel fort auszulesen
und zu schlichten (sliachtad^) die federn mit ihren schnäbeln,
als ob es mit einem kämm geschehen wäre, damit waren sie
bis zum mittag beschäftigt, sie ruhten darauf ein wenig und
flogen davon nach derselben seite, von der sie gekommen waren,
der grofse vogel blieb noch nach ihnen da bei seinem federn
und schütteln seiner flügel bis zu ende des dritten tages. zur
dritten stunde am dritten tage erhob er sich und flog dreimal
um die insel herum und setzte sich widerum ein weilchen auf
denselben hügel^ und brach dann auf nach derselben seite, aus
der er gekommen war. rascher und kräftiger war sein flug jetzt
als vorher, sodass es ihnen allen klar war, dass er Verjüngung
• für sliachtad hat O'Reilly die bedeutung 'piercing'. ich kenne das
wort aus LL 68*, 12, wo es ganz deutlich 'streichein' bedeutet: rogab inri
icsliaehtad amäile 'der itönig (Conchobar) begann seine (des 7jährigen Gu-
chulinn) glatze zu streichein.'
^ für arinteccluim cetna ist wo! ariyitellaig cetna zu lesen; es ist eine
falsche aufiösung der vorläge.
KELTISCHE BEITRÄGE II 171
erfahren aus dem alter zur Jugend nach dem vvort des propheten,
der da sagt: renouabilur ul aquil« iuuentus lua.
Als Diurao dies grofse wunder sah, sagte er: wir wollen
in den see gehen zu unserer Verjüngung an die stelle, wo der
alte vogel verjüngt wurde, nein, sagte sein genösse, denn der
vogel hat sein gilt dort zurückgelassen, es ist unsinn, was du
redest, erwiderte er; ich werde zuerst hineingehen, er gieng
darauf hinein und badete dort und das wasser schwappte in
seinen mund und er trank einen schluck davon, vollständig gesund
am ganzen körper (nile) kam er heraus und blieb es zeitlebens:
nicht fiel ihm ein zahn aus noch ein härchen von seinem haar,
nicht kam kraftlosigkeit noch schwäche über ihn von da an.
Darauf sagten sie dem greis lebewol und nahmen nahruug
von den schafen mit sich, sie fahren aufs meer und durchsuchen
den ocean.
31. sie gelangen zu einer anderen grofsen insel , und ein
grofses ebenes gefilde auf ihr. eine grofse menge befand sich
dort bei spiel und unaufhörlichem gelächter. es wird darüber
das loos geworfen, wem es falle, auf die insel zu gehen, sie zu
prüfen, es fiel dem dritten pflegebruder Maelduins. als der auf
die insel kam, begann er sofort zu spielen und andauernd mit
ihnen zu lachen, als ob er von alters her bei ihnen wäre, lange
zeit warten sie auf ihn, aber er kehrte nicht zurück und sie
liefsen ihn darauf zurück, i
32. sie sehen darauf eine andere nicht grofse insel und
eine feurige mauer um sie herum, und es lief die mauer um die
ganze insel herum, ein tor war oifen an der seile der mauer.
wenn nun das (offene tor) ihnen gerade gegenüber (inanerco-
mairsim) zu stehen kam, dann übersahen sie die ganze insel und
das leben darauf und ihre bewohner alle: viele schöne menschen
auf ihr und viele verzierte gewänder und goldene gefäfse in ihren
bänden beim schmausen und sie hörten ihren biergesang (corm-
cheol) und schauten lange zeit das wunder an, das sie sahen,
und es deuchte sie lieblich.
33. bald nachdem sie von dieser insel weg waren , erblicken
sie etwas in der ferne zwischen den wogen wie einen weifsen
vogel. sie wenden den Vorderteil des kahnes zu ihm nach Süden,
* am schluss der hier angehängten reimerei endet c auf fol. 9^ mitte,
sodass episode 32 und die erste hälfte von 33 nur in d vorliegt.
172 KELTISCHE BEITRÄGE 11
um zu erkennen , was sie wahrnahmen, als sie in die nähe des
gegenständes kamen, sahen sie, dass es ein mensch war: be-
kleidet war er mit dem laugen weifsen haar seines eigenen körpers
und mit kniebeugungen (genuflexionen , ocslechtanaib) aut der
breiten klippe beschäftigt, als sie ihm nahe kamen, bitten sie
den Segen von ihm und fragen ihn, von woher er auf diese
klippe gekommen, von Torach i, sagte er, kam ich hierher und
in Torach wuchs ich auf. es traf mich nun, dass ich koch da-
selbst (dh. im dortigen kloster) wurde, und ich war ein schlechter
koch, denn ich pflegte die speise der kirche daselbst gegen
schätze und kleinode für mich selbst (zu meinem nutzen) zu
verkaufen, sodass mein haus voll wurde von köpf- und nacken-
kissen und von kleidung jeder färbe aus flachs und wolle, von
ehernen krügen und kleinen, ehernen kesseln ('?dithellendaib),
von brocheu von silber mit platten (Pcopletaib) von gold. und
es gab nichts von allen dingen, die einem menschen notwendig
sind, das geliehen gewesen wäre aufserhalb meines hauses. ich
grub unter die häuser der kirche, sodass ich viele schätze aus
ihnen wegtrug, grofs war nun mein stolz und mein Übermut.
Eines tages wurde mir aufgetragen, dass ich sollte ein grab
graben für den leichnam eines Attecolten, der an die insel ge-
spült war. als ich bei seinem begraben war, hörte ich eine
stimme an mich aus der erde unter meinen füfsen: aber grabe
diesen ort nicht auf, sagte die stimme , lege den leichnam eines
Sünders nicht auf mich, mich den heiligen, gläubigen mann,
sowol mich als gott; denn ich werde strafe (? räche? lamed)
geben für die mir bewiesene geringschätzung. ganz gewis, sagte
sie (die stimme), wenn du ihn auf mich legst, sagte der heihge
1 Torach ist das heutige Tory Island, eine insel an der küste von
Donegal, die Annalen der 4 meister erwähnen zum jähr 612 die Verwüstung
der insel durch eine 'meerflotte', zum jähr 616 den wideraufbau der kirche.
auf dieser insel localisiert die sage, wie wir früher (Zs. 32,242 11) sahen,
die als piraten gedachten Fomöri, die von hier aus jede nacht vor sommer-
ende den tribut von den bewohnern Ulsterlands eintreiben, die localisierung
beruht auf der identificierung der mythischen Fomöre mit den drangsalierenden
Nordgermanen, vielleicht dürfen wir den muirchoblach muiride, der Tory
Island 612 verwüstete — die Annalen von Ulster melden das ereignis zum
jähr 616, Chronicon Scottorum zu 617 — , auf die Nordgermanen beziehen
und Vorläufer der 150 jähre später an allen küsten Irlands auftretenden
Norweger ia den plünderern erblicken.
KELTISCHE BEITRAGE II 173
manu, werden deine lippen nach 3 tagen ^ absterben und du
wirst hollenbewohner und er (der leichnam) wird nicht hier hegen
bleiben, ich sagte darauf zu dem greis: was wirst du mir gutes
geben, wenn ich ihn nicht auf dir begrabe, den mann, in ewigem
leben zu wohnen bei gott, erwiderte er. woher soll ich das er-
kennen, sagte ich. das ist nicht schwierig für dich, sagte er.
schau dich um (eigentlich: sieh nicht hin, na aicce), das grab,
welches du gräbst, wird sofort mit sand gefüllt sein; daraus wird
dir klar werden, dass du den mann nicht auf mir begraben kannst,
wenn du es auch versuchst, er war mit dem wort noch nicht
zu ende, als das grab mit sand angefüllt war. ich begrub darauf
den leichnam an einem anderen ort.
Zu anderer zeit nun setzte ich einen neuen kahn mit roter
haut bezogen ins meer; ich gieng in meinen kahu und meine
rundsicht (imchaissiu) gefiel mir und ich liefs nicht das geringste
in meinem hause zurück , sondern nahm es mit (in den kahn).
als ich auf diese weise das meer betrachtete und das meer still
und ruhig war, da kommen grofse stürme und ziehen mich in
das meer hinaus (von der küste ab), dass ich weder erde noch
land erblickte, mein kahn kam dort unter mir zur ruhe, dass
er, ohne hin- und hergeworfen zu werden, auf einer stelle blieb,
als ich mich nach allen richtungen umsah, erblickte ich zu meiner
rechten band einen mann auf der woge sitzen, er sagte darauf:
nach welcher richtung gehst du? mir gefällt die richtung, wo
ich mich auf dem meer umschauen kann, dir gefiele sie nicht,
wenn du die schar kanntest, die dich umgibt, was für eine
schar ist das? sagte ich zu ihm. während dein rundblick fern
über das meer und aufwärts bis zu den wölken reicht, ist eine
einzige schar von dämonen um dich herum, sagte er zu mir,
wegen deiner habgier und deines Übermutes und hochmutes
(diumus) und wegen deiner dieberei und deiner übrigen schlechten
taten, weist du, fragte er, warum dein kahn still steht? ich
weifs es nicht, sagte ich. dein kahn wird nicht von hier weiter
gehen von der stelle, auf der er ist, bis du mein verlangen er-
füllt, gewis werde ich nicht im stände dazu sein, sagte ich.
du wirst aber dich den strafen der hölle unterziehen, wenn du
dich ihm, meinem verlangen, nicht unterziehst, darauf kam er
• dia tres lai de, ein neuer beleg zu den Zs. f. vgl. sprachf. 30, 1 ff
für die eigenartige construction von dia 'tag' angeführten.
174 KELTISCHE BEITRÄGE II
zu mir, legte seine band auf mich und ich versprach ihm sein
verlangen (zu erlülIeD). wirf also, sagte er, ins meer den ganzen
gewinn, den du hei dir im kahn hast, es ist ein Jammer fürwahr,
sagte ich , dass es verloren geht, es wird keineswegs verloren
gehen, sagte er, es' wird sich jemand finden, dem es nützen wird,
ich warf alles ins meer mit ausnähme eines kleinen holzbechers.
brich nun jetzt auf, sagte er zu mir, und an dem ort, den
dein kahn erreichen wird, da bleibe; darauf gab er mir einen
becher molkenwasser und 7 brote zur nahrung. ich fuhr darauf,
sagte der greis, die richtung, nach der mich und meinen kahn
der wind trug, denn ich hatte meine rüder und mein Steuer-
ruder (molni) von mir geworfen, als ich so zwischen den wogen
umher getrieben wurde, wurde ich auf diese klippe geworfen,
und ich war mir in zweifei, ob der kahn schwanke (oder ob er
fest sitze), denn ich sah weder land noch erde hier, da kam
mir in erinnerung, was mir gesagt worden war: an dem ort,
wo mein kahn fest stehen würde, da zu bleiben, als ich mich
in meinem sitzen erhob darauf, erblickte ich eine kleine klippe,
gegen die die woge plätschernd spielte (eigentlich Machte'), ich
setze darauf meinen fufs auf den kleinen felsen, und mein kahn
entfernt sich von mir, sagte er, und der felsen erhebt sich in
die höhe und die wogen bewegten sich leise zurück. 7 jähre
lebte ich hier von den 7 broten und dem becher molkenwasser,
die ich miterhielt von dem mann, der mich entliefs, und schliefs-
lich hatte ich nichts mehr als den becher molkenwasser, der
noch übrig war. darauf fastete ich 3 tage; nach meinem drei-
tägigen fasten brachte eine otter mir gegen abend einen lachs
aus dem meer. ich überlegte bei mir in meinem sinn, dass es
mir nicht möglich sei, den lachs roh zu essen, und ich setzte
ihn wider ins meer darauf, sagte er, und fastete drei weitere
tage, am dritten nachmittag darauf sah ich, dass eine otter mir
den lachs widerum aus dem meere brachte, und eine andere otter
brachte brennholz und schichtete es und blies mit ihrem atem,
bis das feuer herausschlug, ich kochte darauf den lachs. sieben
andere jähre lebte ich auf diese weise: jeden tag kam mir ein
lachs und der fels (die klippe) nahm zu in seiner breite, nach
7 Jahren nun kam mein lachs nicht mehr und ich war in einem
' hier setzt b (Egerton L7S2 fol. 125^) wider ein, sodass bis zum
schluss b und d vorliegen.
KELTISCHE BEITRAGE II 175
weiteren dreitägigen fasten , und um den dritten nachmittag wurde
mir ein halbes waizenbrot und ein stück fisch, mein becher
mit molkenwasser kam mir abhanden und dafür ward mir ein
gleich grofser becher mit gutem trank (hier), der hier auf dem
leisen ist. er wird jeden tag gefüllt und weder wind noch regen
noch hilze noch kälte tut mir ein leid an diesem orte, dies sind
meine erlebnisse, sagte der greis.
Als die abendzeit kam , da kam zu ihnen für jeden einzelnen
mann von ihnen ein halbes brot und ein stück fisch und in dem
becher, der in der nähe des klerikers auf dem felsen sich befand,
wurde für alle genügend gutes hier gefunden, darauf sagte der
greis zu ihnen : ihr werdet alle euer land erreichen und den
mann, welcher deinen vater tötete, o Maelduin, werdet ihr finden
in einem castell auf eurem wege (arforcind); tötet ihn nicht,
sondern gewährt ihm Verzeihung, denn gott rettete euch aus
vielen grofsen gefahren und ihr wäret aufserdem männer des
todes schuldig, sie nahmen darauf abschied von dem greis und
giengen auf ihren gewohnten weg.
34. darauf gelangten sie zu einer insel mit vielen vier-
füfslern, mit ochsen, kühen und schafen. häuser und menschen
gab es auf ihr nicht und sie essen das fleisch der schafe. da
sagten einige von ihnen, als sie einen grofsen falken ('?errach)
dort erblickten, dass der falke ähnlich sei den falken Irlands,
das ist wahr, sagten andere, beobachtet ihn, sagte Maelduin,
dass ihr seht, wohin (in welcher richtung) der vogel von uns
gehen wird, sie sahen , er flog südöstlich von ihnen, sie fuhren
darauf dem vogel nach in der richtung, in der er von ihnen
gieng. sie ruderten diesen tag bis zum abend, denn das ende
des tages war nahe, als sie zu rudern begannen, im beginn der
nacht erblicken sie land ähnlich dem bodeo Irlands, sie ruderten
darauf zu. sie gelangen zu einer kleinen insel und es ist die-
selbe, von welcher der stürm sie trug in den ocean im anfang,
als sie zuerst zur see giengen. sie schieben das Vorderteil des
kahnes darauf aus land und giengen zu dem castell, das auf der
insel war. sie horchten und da waren die bewohuer des castells
beim schmausen, sie hörten einige von ihnen sagen: es wäre
gut für uns, wenn wir Maelduin nicht zu gesiebt bekämen, der
Maelduin ist ertränkt, sagte ein anderer von ihnen, vielleicht
wird er es sein, der euch aus eurem schlaf heben wird, sagte
176 KELTISCHE BEITRÄGE II
ein aaderer mann, wenn er nun jetzt kiime, sagte ein anderer
mann, was würden wir tun? das ist nicht schwierig zu sagen,
erwiderte der hausherr: herzliches willkommen (failli moir) ihm
bieten, wenn er käme, denn er war in grofser bedrängnis lange
zeit, bei diesen Worten (lasodain) schlägt Maelduin an die tür.
wer ist dort? fragte der türhüter. Maelduin ist hier, sagte er
selbst, öffne nun, sagte der führer, denn deine ankunft ist mir
willkommen, sie giengen darauf in das haus und werden herz-
lich begrüfst und neue kleider werden ihnen gegeben, es werden
darauf alle wunder erzählt, welche gott ihnen zeigte nach dem
wort des propheten, der da sagt: hoc olim meminisse iuuabit.
Maelduin gieng darauf zu seinem eigenen territorium und
Diuran Lecerd nahm die 5 halben unzen , die er von dem netz
genommen , und legte sie auf den altar von Ardmacha.
Dass uns in dieser erzählung die hauptquelle für die Navi-
gatio sancti Brendani vorliegt, leuchtet so sehr ein, dass ich
mich in hervorhebung der Übereinstimmungen kurz fassen kann.
Sehen wir von dem motiv der meerfahrt , das in den beiden
erzählungen ein verschiedenes ist, ab, so beginnen schon die
Übereinstimmungen vor beginn der meerfahrt. Maelduin geht,
ehe er sein schiff baut, zu dem druiden INuca, um sen und solod
'die omina' zu erfragen; ebenso geht Brendan zu Ende, ohne
einen bestimmten grund, und empfängt dessen benedictio.
hinweisen will ich noch darauf, dass Corcomroo und Aran , wo
Ende lebte, sich nahe liegen; von Ballyvaghan an derselben nord-
küste von Cläre, wo Corcomroo liegt, fährt man gewöhnlich
nach Aran mör. — das schiff, welches Maelduin baut, ist tre-
chodlide 'dreMuüg' (H. 2. 16 col.371. Harl. 5280 fol. 2^); Bren-
dans schiff ist aufsen mit häuten überzogen et miserunt duas
paraturas navis de aliis coriis intus in navim (Schröder s. 6, 17 ff),
es war also ebenfalls dreihäutig. — dem Maelduin kommen die
3 pflegebrüder nach, welche über die vorgeschriebene zahl mit-
genommen werden; ebenso kommen, ehe Brendan abfährt, noch
3 fratres, die er nachträglich mitnimmt, in beiden erzählungen
sind diese 3 männer dem tode verfallen, der ganze zug ist
recht geeignet zu zeigen, dass die Navigatio Brendani aus Imram
Maelduin zusammengearbeitet ist. nach Imram Maelduin ist klar,
warum die 3 coma/fa? Maelduins umkommen müssen: sie giengen
KELTISCHE BEITRAGE II 177
über die vom Schicksal bestimmte zahl, während Breadans
auswahl eine freiwillige ist; daher in der Navigatio ein grund
erfunden wird (Scbröder s. 6, 32 ff), bei denselben episoden wird
in beiden erzählungeu der Untergang der drei berichtet (Imram
Maelduin 11. 15, 31 = Navigatio Brendani 7. 15. 21): der erste
fällt wegen des diebstahls; bei den beiden anderen ist der tod
in Imram Maelduin schön motiviert, während die art, wie Bren-
dan die 2 fratres los wird, eigentümlich ist. — auch die zahl
der genossen in Navigatio Brendani erklärt sich, sobald man an-
nimmt, dass der verf. sich im Irrtum befunden und geglaubt
habe, die zahl der genossen Maelduins sei 17 mit den 3 pflege-
brüdern: dann kommt man auf die bis Septem in Navigatio Bren-
dani (Schröder s. 5, 26).
Was nun die erlebnisse auf der fahrt anlangt, so lassen sich
sämmlliche abenteuer der Navigatio Brendani mit ausnähme von
9 (Jasconius) und 14 (kämpf der beiden meerungetüme) im Imram
Maelduin nachweisen : sie sind entweder direct herübergenommen
oder zusammengearbeitet aus verschiedenen Zügen, die verchrist-
lichung der alten volkstümlichen sagenzüge ist wesentliches motiv
der Umgestaltung.
Navigatio 6 und 7 ist Imram Maelduin 11. die geschmückten
wände in Navigatio (Schröder s. 8, 2ff) erhalten licht aus dem
Imram. das frenum ist eine 'halskette', womit sich Schröders
bemerkung s. 37 z. 3 v. u. erledigt, aus der feurigen katze,
die durch den dieb fährt und ihn zu asche brennt, wird der
teufel in gestalt eines äthiopischen knaben.
Navigatio 8 wird wol aus Imram Maelduin 12 umgestaltet
sein, die insel der schafe ist dieselbe, nur sind die weifsen ge-
blieben, hinzu kommt die erinnerung, dass Maelduin mit seinen
genossen bei verschiedenen gelegenheiten grofse schafbeerden auf
Inseln trifft und sich davon nährt (30).
Navigatio 10 ist deutlich Imram Maelduin 18, nur weiter aus-
geführt in kirchlichem sinne.
Navigatio 11 ist Imram Maelduin 19 und 20 zusammen-
gearbeitet, die auf den bäumen sitzenden seelen der geschlechts-
angehörigen sind fratres geworden % deren jedem ein halbes brot
' es war dies die beste gelegenheit, die 24 genossen des Ailbe, welche
uns schon oben s. 134 in der iitanei aus LL begegneten, anzubringen:
von diesen heifst es filet and imbethaid cobräth 'sie sind dort lebend bis
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 12
17S KELTISCHE BEITRAGE II
zu teil wird wie den einsiedlern in Imram 19. 20. in beiden
erzälilungeu kommen die ausnahmen an den festlagen vor (Schröder
s. 16, 4 11"). auch dem Brendan und seinen genossen tritt zu-
erst nur ein senex capillis niveo colore et clara facie entgegen.
Navigatio 12 geht auf Imram Maelduin 20 zurück, aus letz-
terer erzählung ist die verschiedene behandlung an gewolinlichen
tagen und festtageu auf die speise in Imram M. 19 übertragen
und daraus Navigatio 11 gebildet, es bleibt also von den eigen-
schaften der wunderbaren quelle nur mehr die, dass Maelduin
und seine genossen von dem trunk in schlaf fielen, dies ist in
Navigatio 12 ausgeführt. Maelduin sowol als Brendan verweilen
3 tage.
Navigatio 15 ist aus Imram Maelduin 16. 15 entstanden, die
einteilung der bewohner in 3 gruppen ist wol aus der einteilung
in Imram Maelduin 16 genommen, wie in Navigatio 10 = Imram
Maelduin 18 die in der quelle nur angedeutete spräche der vogel
weit ausgeführt ist und ihnen bibelstellen in den mund gelegt
werden , so wird hier das 'unaufhörliche wehklagen' der Insel-
bewohner ausgedeutet, in beiden erzählungen bleibt der zweite
der nachgekommenen auf dem eiland.
Navigatio 16 ist aus dem anfang von Imram Maelduin 30 aus-
gesponneu. ein sehr grofser vogel trägt einen zweig (ramns
= gesca) Iliegeud übers meer in seinem schnabel; der botrus
magnus mire rubkmidüalis entspricht den bolga derga fair cos-
maile frifinemna. indem der erzähler der Navigatio den vogel
seinen zweig aus den lüften in den kahn werfen lässt, lag die
combination nahe, den Brendan eine insel aufsuchen zu lassen,
wo die frucht wuchs; dieselbe muste ja in der richtung liegen,
aus der der vogel kam. damit war das vorbild verlassen, von
dem jedoch dieselbe episode 30 den gedankeu abgab für ein
weiteres begebnis in der Navigatio. denn
Navigatio 17 nimmt seinen Ursprung aus Imram Maelduin 30.
im Ina am geraten Maelduin und seine genossen, als sie den für
eine wölke gehaltenen grofsen vogel auf der insel sahen, in
furcht, er wolle sie forttragen, ähnliche furcht hegten Brendans
genossen (Schröder s. 25, 32 ff), aus den beiden nachkommenden
zum gericht' und von den seelen der geschlechtsgenossen heifst es im Im-
ram iMaeldiiin atü süt ocernaide lai bratha 'sie erwarten dort den tag dts
gerichts.'
KFXTISCHE BEITRÄGE II 179
grofsen vögeln im Imraai Maelduin wird nun der zweite griffa.
bei der ausbildung der erzählung in der Navigalio ist die
oachahmung von Navigalio 14 (kämpf der beiden wasserunge-
tilme) klar.
Navigalio 18 hal sein vorbild in Imram Maelduin 22 und 23,
was keiner ausiühru ng bedarf, noch weniger ist eine solche er-
forderlich dafür, dass
Navigalio 19 gleich Imram Maelduin 26 ist. das conopeum
ist ein grofses nelz. interessant ist, wie die episode von dem ab-
geschlagenen stück der masche durch Diuran zu einem calix de
genere cotiopei und einer patena de colore columpne wird, die
irgendwo in einer fensternische der säule liegen! dem corop mote
chretir moscel 'dass um so eher meine erzählung glauben finde'
entspricht ad credendum mihi dedit isla bina munera (Schröder
s. 27, 32). dieser abschnitt ist lehrreich, um die herausarbeitung
der episoden in der Navigalio aus der allen volkstümlichen er-
zählung zu beobachten.
Navigalio 20 ist zum teil ziemlich wörtlich Imram Maelduin 21,
nur letzleres anschaulicher und natürlicher, für den sinn von
bruth romor ist die widergabe durch massa ignea de scorio im-
mense magnitudinis atque fervoris nicht uninteressant.
Navigalio 21 hal mit Imram Maelduin 31 den Verlust des
dritten der nachgekommenen gemein, wie in Navigalio 15 aus
den wehklagenden menschen, bei denen der zweite bleibt (Imram
Maeld. 15), fromme, singende leule geworden sind, so wurdeu
die lachenden und spielenden menschen in Imram Maelduin 31,
die den drillen zurückhallen, zu sündigen dämonen. die sonstigen
Züge, wie ripa magne altitudinis und der berg, können aus
anderen nicht besonders verwendeten episoden von Imram Mael-
duin stammen (zb. 13. 25).
Navigalio 22 und 23 haben ihr vorbild in Imram Maelduin 33.
die erzählung ist hier zerlegt, wie ja auch Navigalio 16 und 17
aus Imram Maelduin 30 stammen und zu Navigalio 11 und 12 die
episode Imram Maelduin 20 verwendet ist. die Schilderung, wie
Brendan und seine genossen den auf einer klippe hangenden
Judas für einen vogel hallen und näher rudern (Schröder s, 29,
30 fr), ist ganz wie im eingang zu Imram Maelduin 33. die beiden
seilen des greises im Imram Maelduin 33 — der Sünder und der
fromme anachoret — sind in der Navigalio unter einfluss christ-
12*
180 KELTISCHE BEITRÄGE II
lieber sagen zu zwei besonderen personen verarbeitet, die meisten
Züge aus der quelle finden sich bei der figur in Navigatio 23:
erat coopertus totus capillis suis et barba et ceteris pilis nsque ad
pedes et erant candidi sicut nix pre nimia senectute, nihil aliud
indumenti erat Uli exceptis pilis que egrediebantur de suo corpore
(Schröder s. 32, 29 ff) besagt dasselbe wie ocus se tiiigthe ofind
fut giul a chuirp foidisin 'und er bekleidet mit dem langen,
weifsen baar seines körpers' (H. 2. 16 col. 387). die Unter-
haltung beim aufwerfen des grabes findet sich in beiden texten;
ebenso stimmt die Schilderung, wie Paulus auf der klippe landet
(Schröder s. 33, 25 ff), mit der Schilderung im Imram Maelduin.
Ferner ist die geschiebte mit dem seebund (biber, otter),
der den lachs bringt, und den beiden, von denen der eine einen
lachs, der andere brennbolz trägt (H. 2. 16 col. 389) in der
episode der Navigatio verwendet (Schröder s. 33, 29) : dem im-
mon nönai entspricht circa horani nonam und der doborcha (biber)
'wasserhund' ist luter 'animal amphibium quod Ävva no-
tccfÄiov vocant Aelianus et Aetius' (DuCange ed. Favre s.v.).
das allzu wunderbare der schiffersage ist jedoch in der INavigatio
auch hier abgestreift, endlich stimmt auch der schluss in den
beiderseitigen episoden (Iniram Maelduin 33, Navigatio Bren-
dani 23). der greis verkündet dem Maelduin, er werde mit
seinen genossen in die heimal zurückkehren, vorher aber
noch die insel und den mann treffen, derentwegen er
d i e f a h r t unternommen, ebenso verkündet Paulus (Schröder
s. 34, 10 fl), dass Brendan mit seinen gefährten in die heimat
zurückkehren werde, nachdem sie vorher noch die terra
repromissionis sanctorum gesehen, um deren willen
er die fahrt unternommen.
Für Navigatio 24. 25 bot Imram Maelduin 32, wo offen-
bar die insel der seeligen beschrieben ist, den ausgangspunct,
wenn auch in der ausführung andere elemente mitverwoben
wurden.
Sieht man also ab von den abschnitten 1 und 2 der Navi-
gatio, welche Brendans abstammung und die erzählung des Ba-
rintus enthalten, ferner von abschnitt 13, der die feier der 4 feste
schildert, sowie von dem specifisch kirchlichen, so ergibt sich,
dass sämmtliche episoden der Navigatio Brendani
aus der erzählung vom Imram des Maelduin heraus-
KELTISCHE BEITRAGE II 181
gearbeitet si n d m it ausnähme zweier: 9 (fisch Jascooius)
und 14 (kämpf der beiden meerungetiime).
Diese beiden episoden, für welche wir im Imram
Maelduiu kein vorbild finden, hat die Navigatio Brendani
mit dem jüngeren Imram Brenaind (siehe oben s. 1 34 bis
142) gemeinsam (siehe oben s. 141). und dieselben bei-
den episoden finden wir sonst an den namen Bren-
dans, wenn auch in einzelheiten abweichend, geknüpft:
hinsichtlich des abschoittes Navigatio 14 = Imram Brenaind 13
(kämpf der beiden meerungeheuer) kann ich auf die oben unter
Ai (s. 130 — 132) gesammelten Zeugnisse verweisen, zu abschnitt 9
der Navigatio (Jasconius) bat schon Schröder s. 40 aus dem Leben
des hl. David (Acta SS märz i s. 44 note) die notiz beigebracht,
dass der hl. Barrius, der durch die fluten auf einem pferd von
Wales nach süd - Irland ritt, auf Brendan traf, qtii suyer
marinum cetuni mirahilem dncebat vitam. ein weiteres
Zeugnis kann ich noch aus irischer litteralur beibringen. Kelly
gibt in seiner ausgäbe des Martyrology of Tallagh (Dublin 1857)
im anhaug ein von Colgan in den Actis sanctorum vielfach ciliertes
gedieht, welches nach der schlussstrophe von einem Cuimin
Coindere dh. Cuimin vou Connor (in der heutigen grafschaft
Antrim) herrührt, und in je einer Strophe die hervorstechendste
tugend je eines heiligen, oder was sonst für besonders merk-
würdig von ihm galt, zu schildern versucht, die hier unserem
Brendan gewidmete Strophe findet sich auch in dem oben s. 134 ff
aus Book of Lismore besprochenen Imram Brenaind am schluss
vou episode 2 als citat und lautet dort (fol. 74"^, 1) in etwas
älterer Orthographie als bei O'Kelly so:
Carais Brenaind huandirahud doreir shenuid is shamhaidh
.vn. mbUad(na) ardrm'm inmilmoir badocair incoir chrabaidh
'Brendan liebte andauernde abtölung (des fleisches) gemäfs dem
beschlusse der synode und Versammlung: 7 jähre war er auf dem
rücken des walfisclies , es war ein schlechter (dh. mit plage ver-
bundener) vertrag, die kasteiuugsvorschrift.' in einer anmerkung
ist bei O'Kelly angegeben, dass dieser aufenthalt auf des Wal-
fisches rücken eine Kerry -legende sei. mll mdr ist im Imram
Brenaind die irische bezeichnung des Jasconius (siehe oben
s. 135).
Soviel steht also vorläufig fest, um das resultat noch einmal
182 KELTISCHE BEITRÄGE II
hervorzuheben, dass gerade die beiden episoden oder
Züge der Navigatio sancti Brendani, für die sich im
Imram Maelduiu kein Vorbild findet, durch ge-
nügend zahlreiche Zeugnisse mit dem namen Bren-
dans fest verknüpft sind, allerdings nicht in der Ver-
wendung, wie sie die Navigalio benutzt, es ist demnach die
annähme wol nicht zu voreilig, dass diese beiden momente aus
Brendans leben, die nicht im entferntesten eine oceanfahrt im
sinne der Navigatio zur Voraussetzung haben, die nicht einmal
ohne Umgestaltung in eine solche passen, einer jüngeren zeit
als der, aus welcher Imram Maelduiu stammt, veranlassung geben
konnten, ihn zum träger der alten volkstümlichen sagen zu
machen, hierauf komme ich im abschnitt D zurück.
n. Imram curaig UaCorra. dieser texl, resp. teile des-
selben, ist in 4 hss. auf uns gekommen, a) die älteste ist das sog.
Book of Fermoy (R. i, a.), eine in den wesentlichen teilen dem
15 jh. angehörige hs. hier findet sich der genannte text auf fol.
lOö''— 109^ 1 nach alter Zählung, b) dann kommt 23. M. 50 (R.
i. a,), eine papierhs. aus der ersten bähte des 18jhs.; der text steht
s. 187 — 200. c) noch jünger ist 23. N. 15 (R. i. a.). unserem jh.
gehört an d) das fragmeut in 23. C. 19 (R. i. a.). von diesen 4 hss.
bieten a und b einen vollständigen text; das kleinste fragmeut findet
sich in d (s. 158 — 161), das nicht einmal die ganze einleitung ent-
hält und bis 105'', 1 mitte in a und s. 189 ende in b geht, die hs. c
ist unvollständig im anfang; sie beginnt auf s. 1 in der einleitung
kurz vor der stelle, wo d abbricht, und enthält dann keine lücke
bis zu ende s. 20. sämmtliche hss. repräsentieren 6ine recension.
die abweichungen sind untergeordneter art und bestehen in den
jüngeren hss. im zusatz ausschmückender adjective, gelegentlich
auch in breiterer beschreibung der kleidung einer frau: gewöhn-
liche freiheiten von Schreibern, bedeutender ist, dass in b die
episoden 22 und 23 ausgefallen sind, die sich in a und c finden:
es liegt bei der sonstigen Übereinstimmung offenbar ein versehen
des Schreibers vor, der ein blatt seiner vorläge überschlug. ^ darin
' dass der Schreiber von b gedankenlos abschrieb, dafür nur eine
heitere probe, in episode 19 liest a (fol. 1Ü8*, 2 ende) tarfas doib iarsin
saili tennlige 7 eind daine nimda innti 'es zeigte sich ihnen darauf eine
feurige salzsee und die köpfe vieler menschen (daine nimda) darin',
welche gepeinigt werden, hier liest b (s. 198) tarfäs doib iarsin säile
teintighel ein daoine naomtha innte 'es zeigte sich ihnen darauf eine
KELTfSCHE BEITRAGE II 183
weicht c von a und b ab — über d lässt sich wegen des geringen
iimt'angs nichts in der beziehung behaupten — , dass es am schluss
der einzelnen episoden eine widerholung in reimen enthält, viel-
leicht eine nachahmung des älteren Verhältnisses beim Imram
Maelduin (siehe oben s. 149 anm.). die Überlieferung ist eine
aul fallend junge und macht es bedenklich, dem text ein su
hohes aller beizumessen, wie O'Curry, Manuscr. materials s. 293 H'
will, ehe ich jedoch auf diese frage näher eingehen kann, muss
ich die erzählung selbst vorführen.
1. Conall Derc UaCorra Find war ein streitbarer hundert-
lacher landlord ( ßaithbriugaid cetach comrumach) in Connacht,
ein glücklicher, reicher, sehr leutseliger mann, sein haus war
immer von den drei geschreien voll: dem geschrei der filtrierer
beim filtrieren des bieres, dem geschrei der pächter (bauern,
nanaithech) über den kesseln zum kochen (osnacoirib) bei der
von kriegszügen ausruhenden schar, dem geschrei der jungen
edlen über dem brettspiel , wenn sie über genossen den sieg
davon trugen, immerdar befanden sich in seinem hause die
3 Scheffel (miach): ein scheffel malz, um es der hefe zuzusetzen
(? zur hefebereitung? refrithailem deasgaid) , ein scheffel waizen
zur Zubereitung der nahrung für die gaste, ein scheffel salz, um
jeder nahrung guten geschmack zu geben, seine rotwangige
(beereurote, caorderg) galtin war eine tochter des güterverwalters
von Clothar. ihnen fehlte nichts, als dass sie keine nachkommen-
schaft halten; sie hatten zwar zwei kinder gehabt, die aber
nach der geburt starben.
Eines nachts sagte der mann zu seiner frau im bell: es ist
traurig fih- uns, dass wir keinen söhn haben, der nach uns
unseren besitz erbe, was willst du damit? sagte die frau. das
feurige salzsee und köpfe heilig er (!) mensche rj darin.' wie kann ein
guter irischer katholik 'geheiligte — naomtha ist part. prät. pass. zu naomaim
c= allir, ?iö/Äim sanclifico — niänner' ins fegfeuer stecken? in Connacht wird
heutigen tags und wurde schon längst (siehe Kelt. Studien i 45. 46) der
Vertreter des indogerm. und altirischen oi, geschrieben ao, gesprochen i:
also aow = altir. öin wird gesprochen in. so sprach der Schreiber daoine
einfach dlnc richtig, als er die gelesene zeile niederschrieb, liefs er sich
verführen , nach analogie von daoine = dine für das nimda der vorläge,
dh. n-mrfa, gedankenlos naomtha zu schreiben, ohne zu bedenken, welcher
iinsinn zu stände kam. es ist so, als wenn ein franz. Schreiber für das
mit se im ohre liegende cinq der vorläge einfach saint schreiben würde,
das interdum dormitat gilt nicht blofs vom guten Homer,
184 KELTISCHE BEITRÄGE 11
will ich, sagte der maoo, dass wir beim teufel zur communion
gehen, um zu sehen, ob er uns nicht einen söhn oder eine
tochier als erbe bescheert. die frau willigt ein und sie fasteten
lür den teufel i und die frau wurde sofort schwanger und nach
9 monaten gebar sie unter grofsen wehen 3 söhne: einen im
anfang, den anderen in der mitte, den dritten am ende der nacht,
sie wurden in der heidnischen manier getauft und ihre namen
waren Lochan und Enne und Silvester, sie wuchsen heran und
waren allen altersgenossen in jedem wettkampf und wissen über-
legen, als sie eines tages, um auszuruhen von kriegerischen
Übungen (iarscis amsa 7 imäna), sich an die vrand des elter-
lichen hauses lehnten, sagten leute des hauses: wir finden keinen
fehl an jenen dreien , aufser dass sie dem teufel angehören (am-
heith arselb Diab). es ist schwer für uns auf diese weise, wenn
wir nicht (dh. dann müssen wir) rauben, streit suchen und die
feinde des teufeis verfolgen, wenn er unser herr ist, nämlich
die kleriker töten und kircheu einäschern und verheeren.
Da erhoben sie sich , ergriffen ihre waffen und zogen nach
Tuaim Da Gualand, verheerten und verbrannten den ort. grofsen
raub und plüuderung verüblen sie durch Connacht an kirchen
und klerikern , dass an allen 4 enden von Irland ruchbar wurde
das böse und der abscheu vor ihrer räuberei. ein jähr lang
trieben sie es so, dass sie eine kirche über die hälfte der kirchen
Connachts verwüstet hatten, da sagte Lochan zu seinen brüdern:
wir haben eine grofse vergesslichkeit begangen und der teufel
wird uns nicht dankbar sein, wir haben nämlich noch nicht
unseren grofsvater getötet und seine kirche über ihm verbrannt,
sie machten sich zu dem unternehmen auf. als sie ankamen,
war der archidiakonus auf der wiese der kirche umgeben von
den klerikern , sie bewirtend mit dem besten von jeder speise
und der blume jedes trankes, denn er wüste , was ihnen bevor-
stand, die O'Corras verschoben die ausführung ihres planes nun
bis zur nacht, bis kühe und rinder des ortes an ihre aufent-
haltsorte zur nacht gekommen, der greis gieng mit ihnen zur
Stadt und merkte ihren plan, er brachte sie in einen glänzenden
Söller, gab ihnen speise und trank, bis sie berauscht waren,
darauf wurden ihnen lager und hohe betten ausgebreitet, da flel
* troscad fridemon, um ihn durch fasten zu zwingen; vgl. oben
s. 133 anm.
KELTISCHE BEITRÄGE II 185
tiefer schlaf auf Lochan , sodass er eine wunderbare vision hatte,
er wurde durch hininiel und hölle geführt, er erwachte ^ und
ebenso die beiden anderen, welche sagten: wir wollen uns er-
heben, um diesen ort zu verheeren und zu verderben, da sagte
Lochan: es dünkt mich, dass dies nicht für uns geziemender
ist, denn der herr, welchem wir dienten, ist böse und der herr,
an dem wir raub und plünderung bis jetzt begiengen, ist gut.
ich sah eine schreckliche, schauerige vision: ich wurde weg-
getragen, um himmel und hülle zu sehen, an letzterem ort gibt
es eine fülle von peinigungen für teufel und ihre scharen, ich
sah 4 ströme der hölle: den ström der kröten, den ström der
nattern, den feuerstrom und den schneestrom; ich sah die höllen-
bestie mit zahlreichen köpfen und füfsen, und die menschen
würden bei ihrem anblick sterben, ich wurde darauf getragen,
um den himmel zu sehen: ich sah gott den herrn selbst auf
seinem königsstuhl und eine vogelschar von engein ihn durch
gesang erfreuen; ich sah auch einen glänzenden vogel und sein
gesang war lieblicher als alle musik : es war Michael der erzengel
in vogelgestalt vor dem schöpfer. es geht also mein rat dahin,
dass wir die waffen weglegen und gott alsbald nachfolgen, ob
wol gott der herr, sagte Enne, bufse von uns annehmen wird
bei dem grofsen leid, das wir ihm zugefügt haben?
Sie gehen zum grofsvater und befragen ihn darum, der be-
jahte es. gut, sagte Lochan, dann soll für uns hier eine messe
abgehalten werden, wir wollen reiseknüppel aus den Schäften
unserer Speere machen und wollen Finden, den pflegevater der
heiligen Irlands, aufsuchen, so taten sie; sie brachen am anderen
morgen nach Cluain Iraird (Clonard) zu Finden auf. der befand
sich auf der wiese des ortes. wer kommt da auf uns zu? sagten
die in der Umgebung des heiligen sich befindenden kleriker. das
sind die O'Corras, die räuber, sagte einer, da flohen die in
Findens Umgebung und liefsen ihn allein , da sie wähnten , die
' das hier gebrauchte romuscail 'er erwachte', romuscidadar 'sie er-
wachten' (Book of Fermoy fol. 105'', 1) sowie die in abschnitt 11 gebrauchte
form musclait 'sie erwachen' (fol. 107*, 2), die zu neuh. musglaim 'I wake'
gehören, sind sprachlich höchst interessant, die altirische form des präsens
würde sein immchloiin 'ich wende um'; immuscloit 'sie wenden sich um',
den Ursprung des mä = altlat. *ö« hat man so sehr vergessen, dass man im
mittel- und neuirischen mit gewöhnlicher apokope der prätonischen silbe
ein müsclaim 'ich erwache' bildet und durchflectiert!
186 KELTISCHE BEITRÄGE II
Ü'Corras kämen zu morden, die kleriker fliehen vor uns, sagte
Lochan, wir wollen unsere keulen, den rest unserer waflen weg-
werfen und uns vor ihm auf die knie werfen, sie taten so. was
wünscht ihr? sagte Finden, glauben und gott dienen und den
herrn, welchem wir bis jetzt dienten, verlassen, den teufel. kommt
mit mir, sagte der kleriker. sie giengen mit ihm in den ort
und da hielt die Versammlung der kleriker rat: sie sollten als
novizen (maic hecalsa) Unterricht geniefsen, aber zu niemand
als dem geistigen pflegevater reden dürfen , und der Unterricht
sollte ein jähr dauern, bis sie den canon lesen könnten, am
ende des Jahres kamen sie zu Finden , lasen vor ihm und sagten :
nun ist es zeit, dass über uns das urteil gesprochen werde wegen
der grofsen misselalen, die wir begangen, wie, sagte Finden,
genügt es euch nicht, der grofsen gemeinschafi anzugehören,
in der ihr seid? es genügt uns nicht, sagten sie. welches sind
die grösten missetaten, die ihr begangen? fragte Finden, wir
haben mehr als die hälfte der kirchen Connachts verbrannt, und
kein bischof oder priester fand gnade vor unseren äugen, i den
menschen, die ihr gelötet habt, könnt ihr das leben nicht wider-
geben, aber was ihr könnt, ist: die kirchen wider aufbauen,
die ihr verbrannt, und wider gut machen, was ihr sonst in den
kirchen beschädigt, ich werde Schnelligkeit und kraft von 100
in jeden von euch legen und werde ermüdung der füfse, bände
und des rückgrats (midbac droma) von euch abwehren und werde
nahrung und licht euch geben, dass kein mangel. sie führten
zuerst iu Tuaim ihre aufgäbe aus und waren ein jähr tätig, in
Connachl kirchen zu bauen und herzustellen, was sie vernichtet,
nach verlauf des Jahres kamen sie zu Finden und meldeten,
dass alles wider gut gemacht sei bis auf einen ort, Cennmara^
nämlich, das ist schade, sagte Finden, das ist der ort, wo ihr
hättet anfangen sollen , der ort des greisen heiligen , des alten
Caman von Kiuvara; geht und stellt wider her, was ihr an jenem
ort vernichtet, und jedes urteil, das der heilige greis über euch
fällen wird, dem unterzieht euch willig, sie gehen nach Kinvara
und führen den auftrag aus.
Eines tages, als sie über dem hafenstrand (osor indiuain)
* ruc maithium. nanacuil uaind 'erlangte von uns erlass des begräb-
nisses'.
^ ist Kinvara (ende des meeres) am busen von Galway.
KELTISCHE BEITRÄGE II 187
waren und die sonne nach vvesten gehen sahen , da wunderten
sie sich sehr über den weg der sonne, welche richlung geht
wol die sonne, sagten sie, wenn sie in den ocean taucht? sie
beschlossen, einen ihnen in der gegend befreundeten Zimmer-
mann (saer) zu sich zu nehmen , dass er ihnen ein dreihäutiges
schiff baue, der kahn wurde fertig gestellt, als lohn forderte
der Zimmermann seine mitnähme, als die zeit herankam, an
bord ZU gehen, sahen sie eine grofse schar vorbeiziehen, eine
schar von Wallfahrern (?cliar crosan^). als die crosans sahen,
dass der kahn ins wasser gesetzt wurde, fragten sie, wer die
männer wären , die den kahn in den ocean liefsen. der spafs-
macher (Jongleur, fuirseoir) der schar erwiderte: ich kenne sie:
es sind die 3 söhne des Conall Derc O'Corra Find aus Connacht,
die plünderer und rauher, die in die fremde ziehen, um den
herrn auf dem meer und dem grofsen ocean zu suchen, über-
dies, sagte der spafsmacher, bei meinem wort, sie haben es nicht
nötiger den himmel zu suchen als ich. bei meinem worte, sagte
der führer der crosanschar, es wird lange dauern, bis du deine
Pilgerreise antrittst, rede nicht, sagte der spafsmacher, ich
werde jetzt ohne verweilen mit ihnen meine pilgerreise antreten,
wir haben dein wort, sagten die crosans, dass du unsere (dh,
die von uns erhaltenen) gewänder nicht mitnimmst, denn du hast
von deinem eigenen kein gewand um dich, das wird mich nicht
• etymologisch kann crosän nur eine person bezeichnen , die zum kreuz
oder crucifix (cross) in irgend einer beziehung steht, in dem von Stokes
veröffentlichten tractat über lat. declination aus dem ende des 15jhs. glos-
siert crosan das lat. sctirra und so bedeutet im kymr. das dem ir. crosan
entsprechende croesan 'buffoon' : es kommt schon in den gesetzen von Hywel
Da vor. die Verbindung stellt Todd (Nennius s. 182 anm. j) so her: 'the
crossans were the crossbearers in religious processions, who also com-
bined with thal occupation, the profession, if \ve may so call it, of singing
satirical poems against those who had incurred church censure, or wäre
for any other cause obnoxious.' in unserem text bezeichnet crosara jedes
einzelne mitglied der wallfahrerschar (cliar a'osan, na crosain) ;
diese mitglieder der wallfahrt hatten sich unterwegs einen spafsmacher
(Jongleur, mimen, fuirseoir) mitgenommen zu ihrer erheiterung. nimmt man
an, dass man ihm nebenbei auch noch das tragen des oder der auf Stangen
befindlichen crucifixe, die man mitführte, auftrug, so ist verständlich, wie
crosan 'crucifixträger, dh. Wallfahrer' zu 'spafsmacher' wurde und für fuirseoir
eintrat, dass in unserem text noch die bedeutung 'Wallfahrer' im allgemeinen
dem wort crosan inne wohnt und zwar ausschliefslich, ist ein zeichen hoher
altertümlichkeit.
188 KELTISCHE BEITRÄGE II
bei euch zurückhalten, er riss alle seine kleider von sich und
sie enlliefsen ihn ungestüm ganz nackend (codiscir derglomnocht
'rot nackend') zum kahn. was bist du für ein wesen? fragten
sie (die O'Corras). ein armer mann, der mit euch auf pilger-
schaft gehen will, sagte er. es wird dir nicht zu teil werden,
sagten sie. sagt das nicht, o Jünglinge, erwiderte er, um gottes
willen weist mich nicht zurück: ich werde euren sinn und natur
erfreuen (durch meine scherze), und euer glaube wird dadurch
nicht geringer, sie willigten ein, ihn um gottes willen mit zu
lassen, so waren sie nun da, nachdem sie kirche und altar für
den herrn auf ihrem erbe erbaut hatten, wir wollen nun in
unseren kahn gehen, sagte Lochan, nachdem wir die verwüsteten
kirchen widerhergeslellt und nachdem wir dem herrn eine kirche
auf unserem erbe erbaut haben. 9 mann stark war ihre zahl
und darunter war ein bischof , ein priester und ein diaconus. ein
diener (gilla) war als neunter bei ihnen. ^ sie richteten in-
brünstige gebete zu gott, dass sie günstiges weiter (coirs'me)
hätten und dass der herr abhalte von ihnen wogen und meer
sowie die vielen bestien.
2. sie giengen darauf in ihren kahn und begannen zu rudern
und beratschlagten, nach welcher richtung sie gehen sollten, die
Seite, nach welcher der wind tragen wird, sagte der bischof.
darauf nahmen sie die rüder in den kahn und überliefsen sich
gott. kurz, ein starker stürm trieb sie in den ocean des grofsen
meeres in gerader richtung nach westen und sie waren 40 tage
und 40 nachte auf dem ocean, bis ihnen gott viele von den
manigfaltigen wundern zeigte, zuerst zeigte er ihnen eine insel
von leuten in kummer und trauer. ein mann von ihnen (den
insassen des bootes) geht, erkundigung bei den inselbewohnern
einzuziehen, um was sie so wären, er begann wie alle anderen
zu heulen und trauern, sie lassen ihn dort und ruderten weiter
ins meer.
3. darauf starb ihnen der crosan und sie waren traurig
darüber, als sie so da safsen , sahen sie einen kleinen vogel auf
dem rand des kahnes. o menschen, sagt mir um gottes willen
den grund der trauer, sagte er. ein kleiner crosan war bei
uns zu unserer erheiterung und der starb vor kurzem uns; das
' also 3 UaCorras, die 3 geistlichen, der Zimmermann, spafsmacher,
diener.
KELTISCHE BEITRÄGE II 189
ist der grund. ich bin euer crosan, erwiderte der vogel ; seid
nicht länger traurig, denn ich werde jetzt zum himmel gehen.
er nimmt darauf abschied von ihnen.
4. sie ruderten darauf weiter, bis ihnen eine andere un-
bekannte insel erschien, ein eichwald, lieblich glänzend, von
saftigen fruchten, befand sich darauf j ein ström, der wein führte,
tloss durch den eichwald. wenn aber der wind die wipfel des
eichwaldes bewegte, dann war das geräusch lieblicher als jede
musik. die O'Corras afsen einiges von den äpfeln und tranken
etwas von dem weinstrom und wurden sofort satt, sodass sie
weder wunde noch krankheit an sich mehr fühlten.
5. darauf begannen sie lange zeit umher zu rudern, bis
ihnen eine andere insel erschien. 4 scharen verschiedener leute
befanden sich auf ihr. sie teilten die insel in 4 teile, in einem
teil befanden sich die bejahrten, grauhaarigen; fürsten in dem
zweiten; edle in dem dritten; diener in dem vierten teil, sie
waren alle lieblich, schön, sie spielten ohne aufhören, einer
von ihnen (den genossen der O'Corras) gieng, um erkundigung
bei ihnen einzuziehen, der war schwarz im vergleich zu den
glänzenden leuten , zu denen er kam. er begann sofort mit
ihnen zu spielen und zu lachen, sodass er fröhlich und glänzend
wie sie selbst wurde, und er blieb bei ihnen auf der insel, und
die O'Corras waren darüber betrübt.
6. sie rudern darauf weiter, es erschien ihnen eine andere
insel und ein fufs befand sich unter ihr, der sie über das meer
in die höhe hielt, und sie hörten grofses geschrei und Unter-
haltung der menschen oben auf ihr und konnten sie nicht
sehen.
7. sie verlassen darauf diese insel und beginnen auf dem
meer zu rudern, sie trafen auf einen wunderbaren ström; in
gestalt eines regenbogens (stuag nime) erhebt er sich auf zum
firmament und nicht fällt ein tropfen heraus, bis er ganz auf
einmal wider in den ocean fällt, und es war lieblich sein ge-
räusch und getös, uud nicht erhob er das haupt vom nachmittag
des samstags bis zur dritten stunde am montag und er hat honig-
gescbmack.
8. es zeigte sich ihnen darauf am anderen tage ein wunder-
bares ding im ocean, ein ding wunderbarer als jedes andere
ding war dieses, nämlich eine grofse silberne säule, die vier-
190 KELTISCHE BEITRÄGE II
eckig war (cethareochair), mitten im meere, und ein fischernetz
(77h eise) gieng von ihrem gipfel in das meer. silber und find-
ruine war das ganze netz. Lochan nahm eine masche von diesem
netz mit sich, welche wog 3 halbe unzen silbers und findruine,
und zum zeugnis für die erzählung nahm er sie mit und Mael-
(duin) sah dieselbe sache (7 roconnuic Mael . . . inni cetna).
9- sie rudern darauf weiter, bis sich ihoen zeigte eine
andere insel, und ein kleriker (eii mhac eccalsa) war aut ihr. die
insel war lieblich und ihre Schilderung wunderbar, rote blumen
waren auf ihr, die honig ausgössen [ocsilad 7 octehorsin mila);
schöne glänzende vogelscharen und sehnsuchterregende liebliche
musik bei ihrem singen, sie zogen erkundigung ein bei dem
kleriker. er sagte: ich bin Dega, ein schüler des Andreas, des
apostels, und ich vergafs mein morgengebet (iarmerge) in einer
nacht und deswegen schickten sie mich auf die pilgerschaft auf
den ocean , dass ich hier weile in erwartung des gerichts, und
die vogelschar, die ihr seht, sind die seelen heiliger menschen,
sie sagen ihm lebewol.
10. sie ruderten weiter, bis sie eine andere insel trafen:
tote menschen auf der einen hälfte derselben, lebende menschen
auf der anderen, sie erhoben grofsen lärm und gewaltiges weh-
geschrei, wenn die rotleuchtenden wogen des feurigen meeres
über sie giengen. grofs und gewaltig war die pein, in der sie
sich befanden , und eine schar von ihnen hatte eiserne füfse.
sie ruderten weiter und sahen die schweren feurigen steine und
eine schar auf ihnen, die geröstet wurde, und rote feurige spiefse
durch sie. sie stiefsen schwere grofse wehklagen aus. sie fragten
dieselben, was das bedeute, ein stein von den steinen der hülle
ist dies, sagten sie, und sagt nur jedem menschen, sich vor dem
stein in acht zu nehmen, denn wenn jemand hierher kommt,
der kommt nicht los bis zum gericht.
11. es zeigte sich ihnen darauf eine andere insel, eine
wunderbare, glänzende, und ein eherner wall war um sie und
ein ehernes netz ausgebreitet auf seinen zinken (arafiaduibh 'auf
seinen zahnen'), sie lassen ihren kahn am ufer des meeres und
gehen auf das castell zu. als sie den gesang des windes gegen
das netz hörten , fielen sie auf 3 tage und 3 nachte in schlaf,
sie erwachen darauf aus ihrem schlaf, es kam ein gewisses weih
zu ihnen aus der bürg. 2 scliulie von findruine um sie und
KELTISCHE BEITRÄGE II 191
eio ehernes gelafs in der einen band und ein silberner schöpter
in der anderen band, sie teilte ibnen nahrung zu, die sie wie
käse dünkte (amar mcßthla darleosan); sie schenkte ihnen wasser
der quelle, die sich am Strand befand, und es gab keinen ge-
schmack, den sie nicht darin fanden, und es sagte das weib
zu ihnen: geht fort, denn hier ist eure auferstehung nicht, wenn
wir auch von demselben geschleclit sind, sie nehmen von dem
weib abschied.
12. sie rudern den kahn auf das meer, bis ihnen grofse,
vielfarbige vogelscharen erscheinen, deren zahl sehr grofs war.
ein vogel liefs sich auf dem rand des kahnes nieder, es wäre
uns angenehm, sagen sie, wenn er böte vom herrn wäre, uns
künde zu bringen, der weise hebt sein angesicht aufwärts bei
diesen Worten: gott wäre dies möglich, sagte der weise, um
euch anzureden, fürwahr, bin ich gekommen, sagte der vogel.
kupferfarbig war die färbe dieses vogels, drei liebliche strahlen
glänzend wie der glänz der sonne um seine brüst, aus Irland
stamme ich, sagte der vogel, und ich bin die seele eines Weibs-
bildes und ich stehe dir anlwort (m-ati-ces duitsi me), sagte sie
zu dem weisen, sage mir nun, fragte der weise, werden wir
zur hülle gehen? ihr werdet nicht dahin kommen, sagte der
vogel. wir danken gott, sagte der weise, denn wir selbst haben
es verdient, in unseren leibern zur hülle zu gehen, ihr kommt
zu einem anderen ort, die vogelschareu zu hüren. die vogel-
scharen, die ihr seht, sind die seelen, welche zum sountag aus
der hülle kommen, wir wollen aufbrechen , sagte der weise, wir
werden den weg gehen, den du gehst, sagten sie. als sie unter-
wegs waren, sahen sie drei ungeheuere strüme, ausweichen die
vügel über sie kamen: den otterstrom (sruth doborchon), den aal-
strom (sruth doescanguib) und den ström von schwarzen schwanen,
der vogel sagte: gebt euch nicht der trauer hin um die gestalten,
die ihr seht, denn die vögel, die ihr seht, sind menschenseelen,
die gepeinigt werden wegen der missetaten , die sie begangen,
es sind dämonen, die in den gestalten dort stecken, die sie ver-
folgen , und die seelen erbeben lautes geschrei beim fliehen der
Peinigungen von den dämonen. ich selbst, ich bin dabei, sie
zu verlassen, sagte der vogel. mir ist kein grofses wissen über
euere erlebnisse anvertraut, ein anderer wird euch berichten.
sage, erwiderte der weise, was bedeuten die drei sehr schünen
192 KELTISCHE BEITRÄGE II
strahlen an deiner brüst? ich werde es euch erzählen, sagte
der vogel. der mann, bei dem ich im leben war, (dem wurde
ich untreu) und ich tat nicht seinen willen und nicht hielt ich
an gesetzlicher ehe fest (nirlenus dolanumnus dligid). er lag in
krankheit und ich war nicht um ihn; ich gieng jedoch dreimal
nach ihm sehen: einmal um ihn zu sehen, ein anderes mal mit
nahrung und das dritte mal ihn zu pflegen, und dies sind die
drei sehr schönen strahlen, welche an meiner brusl sich be-
finden, und dies wäre überhaupt meine färbe, wenn ich die ge-
setzliche ehe nicht verlassen, darauf gieng der vogel von ihnen
und nimmt abschied von ihnen.
13. eine andere insel zeigte sich ihnen, eine liebliche,
glänzende, weifses gras mit der buntheit purpurköpfiger blumen
darauf; viele vögel und sehr prächtige bienen singend von den
köpfen der blumen. ein sehr alter, weifshaariger greis war auf
der insel, der die harfe spielte; er sang einen gesang lieblicher
als die gesänge der weit, ein jeder von ihnen segnete den
anderen und der greis forderte sie auf, weiter zu ziehen.
14. sie rudern darauf eine lange zeit, bis sie einen mann
beim graben erblickten und einen feurigen spaten in seiner band.
es kam eine riesige rote woge über ihn und sie leuchtete rot.
als er aber sein haupt erhob, jammerte er traurig beim ertragen
dieser pein. wer bist du, o mensch? sagten sie. ein mann,
der am sonntag grub, und dies ist meine strafe, um gottes
willen betet mit mir, dass meine pein mir erleichtert wird, sie
beteten darauf mit ihm und brachen dann auf.
15. es zeigte sich ihnen darauf ein grofser, feuriger müller,
ungeschlacht, kammdunkel, hässlich. seine schamgegend war
unbedeckt. 1 es schien ihnen, dass es auf der sichtbaren (würk-
lichen) weit nichts an kleinoden und schätzen und heerdenbesitz
gab, was er nicht in den muüd der mühle steckte, warum tust
du dies, o mann? sagen sie. ich werde es euch sagen: jedes
ding, um welches streit entsteht auf der weit, das gebe ich in
' wörtlich ni7'ba follus doib ni foagahul 7 nifaictis ni tairis 'es war
ihnen nichts sichtbar unter seiner gabel und nichts sahen sie darüber', dieser
gebrauch von gabol — vgl. auch unter 16 oben each tened amgabal 'ein
feuriges ross zwischen (in) meiner gabel' — stützt aufs schönste die von
mir (Zs. f. vgl. sprachf. 30, 84; Zs. 32, 269) gegebene deutung von bernbröc
'kluftbröc' als bröc für die schamteiigegend (bern kluft).
KELTISCHE BEITRÄGE II 193
den mund dieser mühle und ich bin der höllenmüUer (muilleoir
ifrinn). sie brechen alsbald aul.
16. darauf zeigte sich ihnen ein riesiger reiter aut dem
meere. eine weile gieng die woge über ihn, eine weile weh-
klagte er. warum kam dies, o mann? sagten sie. ich werde es
euch sagen, ich stahl das ross des bruders und ritt darauf am
Sonntag und ich werde nun hier gestraft, indem ich auf einem
feurigen ross sitze, und dieses ist die strafe für jeden menschen,
der am sonntag reitet.
17. es zeigte sich ihnen eine insel voll von menschen, die
beim klagen und jammern und in grolser trauer waren, kamm-
dunkle Vögel mit feurigen schnäbeln und roten, feurigen krallen
zerfleischten und brannten sie und rissen Schnäbel und klauen
voll aus ihnen, wer seid ihr, o menschen? sagten sie. künstler
in metall und schmiede (cerdal goibne) , unwürdige, sagten sie;
darum flammen unsere zungen in unseren köpfen, weil wir jeden
menschen durch unsere angriffe (mit loser zunge) erröten machten.
18. darauf zeigte sich ihnen ein riesig grofser bauer (un-
hold, aitheach), schwarz an kleidern. gröfser als ein widderfell
war jede feuerflocke, die aus seinem hals kam. eine eiserne
keule hatte er in seiner band, die gröfser war als ein mühlbaum.
kohlen auf seinem nacken , eine gute last für einen lastwagen.
eine zeit lang wurde die kohle entflammt, dann wurde er gegen
die hilze unters meer gelassen, er seufzte beim erdulden der
grofsen pein , die ihn traf, wer bist du , unglücklicher mensch ?
sagten sie. ich werde es euch sagen: kohle fürs feuerholz (?cual
conmiid) trug ich jeden sonntag auf meinem nacken und dies ist
die Vergeltung, die mir auferlegt wird.
19. es zeigte sich ihnen darauf eine feurige salzsee (saili
tmtigi) und die köpfe vieler menschen darin (inti), und die ein-
zelnen köpfe stiefsen an einander, das ist grund (aba^) zum
sterben , was wir sehen , sagten die brüder zu dem weisen.
20. die beslien zernagten (rotreagdsat) die andere haut
unten am kahn. das soll euch keinen kummer bereiten, sagte
der weise, golt ist im stände, uns zu retten auch in der einen
haut, in der wir (dh. unser kahn) sind, wenn er will, dass
» 23. M. 50 (R. i. a.) hat hier (s. 198) adbur. über aba siehe Zs.
f. vgl. sprachf. 30, 6, wo das citat (Book of Fermoy foi. 108», 2) nachzu-
tragen ist.
Z. F. D. A. XXXlll. N. F. XXI. 13
194 KELTISCHE BEITRÄGE II
wir unseren tod durch sie (dh. die bestien) erleiden sollen dort,
kann man seinem willen nicht entgegentreten.
21. darauf zeigte sich ihnen eine andere insel; eine lieb-
liche, glänzende baumebene darauf und sie war voll von honig.
grasgrüne beide befand sich auf ihrer mitte, ein wolschmeckeuder,
glänzender see auf ihr. sie blieben eine woche auf dieser insel
und erholten sich von der ermUdung. als sie die insel verliefsen,
erhob sich eine bestie aus dem see und jeder glaubte, sie würde
sich auf ihn stürzen, sodass sie sehr vor ihr zitterten, sie ver-
schwand darauf wider an ihren früheren ort.
22.' sie giengen von dieser insel zu wasser und ruderten
eine zeit lang, bis sie eine insel fanden und die gefährten von
Ailbe Imlech (muinter Ailbi = familia Albei) darauf, mitten in
der nacht gelangten sie darauf, sie fanden eine quelle am Strand,
die trübe (aufgerührt, buaiderthe) war, sie fanden eine andere
quelle und diese war rein glänzend, der bursche (ingilla) ver-
langt aus der quelle zu trinken, es ist besser, erlaubnis dazu
zu haben, sagte der weise, wenn jemand auf der insel ist. sie
erblicken darauf helles licht und gehen auf den glänz zu, bis
sie 12 mann beim gebet erblickten, und es befand sich kein
licht bei ihnen, aber sie waren sonnenantlitzig. einer von diesen
kam zu ihnen, begrUfste sie und zog erkundigungen von ihnen
ein. sie erzählen ihm ihre Schilderungen und baten um trunk
aus der quelle, er sagte zu ihnen: es ist euch erlaubt, euere
gefäfse zu füllen von dem klaren (reinen) wasser, wenn der weise
es euch sagen wird, wer seid ihr? fragte der bursche. die ge-
nossen von Ailbe Imlech, sagte er, und wir sind die genossen
des zweiten kahnes von Ailbe und wir bleiben am leben hier
bis zum grofsen gericht. verlasst unser land, sagte er, vor
morgen, denn hier ist nicht euere auferstehung; und wenn ihr
es nicht tut vor morgen, wird es um so schlimmer für euch
sein , denn die trennung von ihr (der insel) wird eueren sinn er-
bittern , wenn ihr sie bei tage seht : es ist daher besser für euch,
sie bei der nacht zu verlassen, alle erfüllten das, was er ihnen
sagte, dürfen wir etwas von den steinen des Strandes mitnehmen?
fragen sie. es ist besser , wenn es erlaubt wird , sagte der weise,
der bursche erlaubt wider, um so besser ist es, dass es er-
laubt wird, sagte der weise, indessen wird der traurig sein, der
1 episode 22 und 23 fehlen in 23. M. 50 (R. i. a.).
KELTISCHE BEITRÄGE II 19&
sie mitnimmt, und es wird auch derjenige traurig sein, der nichts
mitnimmt, einige nehmen einen stein, andere zwei steine, noch
andere drei steine, als der morgen des anderen lages kam,
trinken sie von dem (mitgenommenen) wasser der insel und fallen
in tiefen schlaf, nachdem sie sich aus dem schlafe erhoben,
blicken alle ihre steine an : der eine stein war glas (krystall),
ein anderer silber und noch ein anderer gold. es wurde aber
traurig derjenige, welcher etwas mit sich nahm und traurig der-
jenige, welcher nichts mit sich nahm: jener, weil er so wenig
mit sich genommen (aralagat tue lais), sodass so die worte des
greises erfüllt wurden.
23. es zeigte sich ihnen darauf eine wunderbare insel. ein
psalmsingender, weiser greis und schöne, künstlerisch verzierte
Zellen mit lieblichen , glänzenden altären. herliches, grünes gras
auf der insel. honigtau lag auf dem gras, kleine, sehr prächtige
bienen und liebliche, purpurköplige vögel sangen auf ihr, sodass
es genügend zur erheiterung war, auf sie zu hören.
24. sie ruderten darauf weiter, bis sie eine andere schöne
insel sahen, eine abgelegene, verborgene zelle (recdes) war auf
ihr. ein kleriker (oenmac heculsa), ein sehr alter, grauhaariger
sang seine gebete darin, sie schlugen den klopfer (bascrand)
gegen die tür. ein glänzender vogel kam, um sich mit ihnen
zu unterreden, sie erzählen ihm ihre mitteilungen. der vogel
erzählt es dem weisen (greis), öffne ihnen , sagte der weise, der
vogel öffnete ihnen und sie segnen sich gegenseitig und schlafen
die nacht dort, am anderen morgen heifst der weise aufbrechen,
weil dort nicht ihre auferstehung stattfinde, und er erzählte ihnen
ihre zukünftigen erlebnisse.
25. von hier kamen sie zu einer insel, wo sich ein schüler
Christi befand, wunderbar war die insel. eine zelle und eine
kirche befand sich darauf, sie sangen das pater zu gott in der
tür der kirche. das sagte der weise, der in der kirche war;
willkommen das gebet unseres pflegevaters Jesu, sagte er. wie
so? sagte der weise, der in der tür war, an welchem orte ver-
liefsest du ihn? ich gehöre zu seinen schüleru, sagte er, und
ich mied ihn und entfloh von ihm aufs meer, bis ich zu dieser
insel gelangte, ich afs etwas von den pflanzen und der übrigen
frucht der insel, bis ein engel vom himmel zu mir kam und
mir sagte: du hast nicht recht gehandelt; nichts desto weniger
13*
196 KELTISCHE BEITRÄGE 11
wirst du, ohne zu sterben, iu diesem leben leben bis zum ge-
richt. so steht es nun bis heute und dadurch kommt nicht an
jedem abend eine mahlzeit zu mir. sie giengen darauf in ein
haus und baten um speise vom himmel für sich, da sie gebeten
hatten, dass ihnen die mahlzeit auf ein mal gebracht würde, so
kam der engel zu ihnen und liefs ihre mahlzeit (aproinn) auf
einem steinfels (arlic cloiche) vor ihnen am strande, dh. ein
brod für jeden mann und ein stück fisch dazu, welches jeden
geschmack hatte, den jeder von ihnen besonders wünschte, darauf
nahmen sie abschied und der greis erzählte ihnen ihre Wan-
derungen und die Ordnung (dh. die aufgäbe?) ihres lebens und
sagte zu ihnen: ihr werdet von mir, sagte er, jetzt kommen auf
das meer zur spitze (corind) von Spanien, und die bemanuung
eines schiffes (? lucht noenuidh) \\\rd euch auf dem meere treffen
beim fischfang und wird euch mit sich nehmen, und wenn du,
wandte er sich an den bischof, aus dem kahn wirst gegangen
sein ausländ, wirf dich dreimal nieder, und das rasenstück, auf
welches du deinen fufs wirst gesetzt haben, um das wird die
schar von jeder seite zuteilen und es wird kirche und aufent-
haltsort dort genommen werden, dein rühm wird nach Rom ge-
langen und der nachfolger von Petrus wird dich östlich nach
Rom bringen (rodbera), und du wirst den priester dort an dem
orte zurücklassen und du wirst den diakouus in seiner Sakristei
(inasacrista) zurücklassen und der ort wird bewohnt werden (?inne
gehabt werden? coimgebthur Book of Fermoy, comhedfnr 23. M.50)
bis zum gericht iu gewohnter weise (fognathugiid). du wirst den
burschen bei den Brilten (laBretnu) zurücklassen und er wird
dort bleiben, so lange er leben wird.
Sie nehmen darauf von dem greis abschied und verlassen
die iusel und es wurde ihnen alles erfüllt, wie er es zu ihnen
sagte, von anfang bis zu ende, es kam der bischof von Rom, wie
wir vorher sagten, und der bursche erzählte ihm alle diese ge-
schichten.i der bursche starb (fiel) darauf und diese geschichten
blieben bei dem bischof. der erzählte sie dem bischof Soeir-
brealhach, der zu seinem gefolge (damnintir) gehörte, dieser
erzählte sie an Mocholmuc mac Colmain auf Arran, in folge
* Tainic intescah oroim amair adubrammair rpimuind 1 roin-
dis angilla nascelasin uHe do Book of Fermo^»<*wozu 23. i\l. 50
KELTISCHE BEITRÄGE II 197
dessen derselbe die worte sagte: die O'Corras von Connacht usw '
hiermit endet die umheri'ahrt des l)otes der O'Corras.
Nach den in dem einleitenden capitel gegebenen daten
miiste diese meerfahrt der O'Corras in der ersten hälfte des 6 jhs.
staltgefunden haben, da Finden von Clonard im jähre 548 starb,
in der tat sind die Verhältnisse, wie sie in der einleitung ge-
schildert werden, von hoher altertümlichkeit: es ist die zeit der
mischung von Christentum und heidentum in Connacht, wo das
siegreiche Christentum schon vorherschte.^ diese zeit ist unter
christlichem gesichtspunct dargestellt, sodass natürlich die heid-
nischen götter zu teufein wurden; aus diesem gesichtspunct wird
denn auch der rückfall ins heidentum als eine taufe nach heid-
nischer taufe (isinhaisdeth gintlidi) bezeichnet, ohne dass wir
daraus schliefsen dürfen , dass die Iren in vorchristlicher zeit
eine art taufe gekannt hätten.
Diesen erwartungen von der altertümlichkeit der erzählung
widersprechen zwei ausschlaggebende momente: die spräche und
der inhalt der erzählung. wenn ich von vereinzelten formen
absehe, von denen ich nicht entscheiden will, ob sie in einem
im 12 jh. zum ersten mal aufgezeichneten texte als archaismen
* die Slangzeilen, aus denen sich nichts weiter ergibt, lauten:
HuaChorro doCondachtuib. Centime fritomiportuib.
Osgrian mara mongair trein. arfis anais ingantuig.
Ambircan mbuan mbennachtnach. friseol sasmhar sonartnach.
Dalotsam damoilithre. freseitiud nasiangaoithi.
Dodilgud arcimädne. dusfuil ann fath fiafraige.
Rocinsium incrabudso. aüochar donciimachtaigh.
Geratuillsium mallaehtain. nirmiUsim arnudachtain.
Rocromsat acinda. inclannsa HuaCorro. HuaC.
2 zu ende des 4 jhs. war süd- Irland christlich; im beginn der zweiten
hälfte des 5 jhs. trug das Christentum endgiltig den sieg davon über das
noch vorhandene heidentum in Leinster und ost-Ulster. ist es da wunderbar,
dass an der entlegenen Westküste in Connacht noch in der ersten hälfte
des 6 jhs. zustände herschten wie um die mitte des fünften in Leinster und
Ulster? es handelt sich um dieselben winkel, in denen heutigen tages die
reste irischer zunge mit dem siegreich vordringenden und fast überall zur
herschaft gelangenden englisch im kämpf liegen, wo der Ire mit seinen Vor-
zügen und mangeln am reinsten zu treffen ist. ich habe den Schauplatz,
einschliefslich der Arran-inseln, im jähre 1880 auf achtwöchentlicher reise
durchwandert und kenne die in den texten genannten orte aus eigener an-
schauung.
198 KELTISCHE BEITRÄGE II
eines beleseueD autors vorkommen können, so ist der ganze text
einscliliefslich der einleitung sicher nicht älter als der beginn
des 12jhs., kann sogar jünger ^ sein, die älteste quelle für
Imram UaCorra , das Book oi'Fermoy, ist so ziemlich gleichaltrig
mit den quellen c und d (Harleian 5280 und H. 2. 16 TCD) vom
Imram Maelduin, auch die Orthographie ist wesenthch dieselbe:
in der spräche unterscheiden* sich aber die letztgenannten von der
des Imram UaCorra im Book ol Fermoy um eine reihe von Jahr-
hunderten; noch in den hss. Harleian 5280 und H. 2. 16 kann
jeder mit irischer Sprachgeschichte vertraute erkennen, dass unter
der tünche des 15 jhs. eine ursprünglichere niederschriit stecken
muss, so all wie die ältesten continentalen glossen. dagegen kann
kein kundiger auf den gedanken kommen , dies von der spräche
des Imram curaig UaCorra zu behaupten, um das hohe alter
der letzteren erzählung zu retten , könnte man ja annehmen , dass
die alte erzählung von der meerlahrt der söhne des Conall Derc
UaCorra ende des 11 oder anlaug des 12 jhs. eine durch-
greifende anpassung der spräche — nicht blofs der Ortho-
graphie — an die jener zeit erlitten habe, die möglichkeit
eines solchen Vorgangs kann ich nicht bestreiten , um so mehr
aber die Wahrscheinlichkeit, da mir kein fall der art bekannt
ist, was bei der ziemlich beträchtlichen auzahl von alten texten,
die in mittelirischen hss. vorliegen , entschieden in die wag-
schale fällt.
Vollends unmöglich gemacht wird die annähme, dass der
uns überlieferte text des Imram curaig UaCorra nur eine sprach-
lich durchgreifende und consequente Umgestaltung der er-
zählung aus dem 7 oder 8jh. sei, durch den inhalt dieses textes,
besonders im vergleich mit anderen texten, aus letzterem ergibt
sich, dass der auf uns gekommene Imram UaCorra als
ganzes nicht älter ist als sein sprachliches gewand;
dass er aus mehreren z, t. erhaltenen quellen deutlich zusammen-
gearbeitet ist.
Als compilation ergibt sich die erzählung beim durchlesen
sofort durch mehrere auffallende puncte: 1. wenn man zu ende
gelesen hat, fragt man unwillkürlich, warum der text den titel
1 hierfür spricht direct der umstand, dass schon in der regel in der
3 sing. pras. nur absolute form erscheint, also coneirgid, togbuid, 7ii-
thuitid usw.
KELTISCHE BEITRÄGE II 199
Imram curaig UaCorra führt, iu der einieitung lernen wir die
3 O'Corras als tatkräftige junge männer kennen, gleich energisch
als feinde wie als anhäüger Christi, sie rüsten ein boot aus
und nehmen einige begleiter mit. mit abschnitt 2 beginnt die
erzählung und die UaCorras werden noch 2 mal erwähnt in 4
und 5: beide episoden sind, wie wir noch sehen werden, referate
aus Imram Maelduin, und nichts erforderte die nennung gerade
der UaCorras; es könnte einfach tat 'sie' stehen wie im vor-
hergehenden und nachfolgenden, in 8, einer episode, die deut-
lich gleich Imram Maelduin 26 ist, tritt an die stelle von Diuran
der quelle der älteste der UaCorras, Lochan. von hier an
(9 — 25) sind die UaCorras spurlos verschwunden: sie
sind nicht gestorben, es wird nicht gesagt, was aus ihnen ge-
worden, selbst zum schluss erinnert sich der compilator der-
selben nicht; er schildert erlebnisse eines bischofs, priesters, des
küsters und eines dieners! es ist klar: die ganze erzählung
2 — 25 ist auf die einieitung in der denkbar ungeschicktesten
weise aufgesetzt; im anfang fühlte der compilator noch einige
male das bedürfnis, den verlauf mit der einieitung lose zu ver-
knüpfen. — 2, in episode 20 (rotreaghdsat napiasta indara cho-
duil inichtarach donchurach. natabrad asnim sibsi sin arimruith;
astualang Dia arnanacul gidh isinoenchodhtiil bem arse) wird er-
zählt, dass die bestien die zweite haut um das holzwerk ab-
nagten und dass besorgnis entstand, weil nur mehr eine haut
um den kahn war. der kahn war trecoblaidi 'dreihäutig', dass
die bestien schon eine haut abgenagt, ist im vorhergehenden
nirgends erzählt, was man nach der darstellung in 20 erwartet. —
3. offenbare widerholungen wie 13 und 23 kommen vor (vgl. auch
24), wobei das irische noch deutlicher ist als eine Übersetzung
es machen kann. — 4. als die 3 UaCorras mit den bestimmten
gefährten abfahren wollten (intan tra ba mithig leo dul anacu-
rach) , da stellt sich noch nachträglich ein crosan ein, den
sie auf seine bitten mitnahmen, letzterer starb bald (3); es
kamen aber noch zwei weitere insassen des kahns ziemlich bei
beginn der fahrt (2 und 5) abhanden, erinnern wir uns, dass
im Imram Maelduin die drei nachträglich gekommenen pflege-
brüder Maelduins das ziel nicht erreichen, indem einer stirbt
und zwei abhanden kommen — was in der Navigatio Brendani
nachgeahmt ist — , so können wir verstehen, dass im Imram
200 KELTISCHE BEITRÄGE 11
curaig UaCorra der nachträglich hinzugekommene crosan
stirbt, warum aber noch zwei andere insassen des kahns ab-
handen kommen, ist an sich nicht klar, dazu kommt, dass man
nicht absehen kann, wer es gewesen sein soll: bischof, priester,
küster und bursche überstehen die fahrt; aufser den UaCorras
nahm nur noch der saer (Zimmermann) teil, nimmt man auch
an , dass dieser einer der beiden gewesen , so fragt sich : wer
war der andere? einer der UaCorras? da wäre doch wunderbar,
dass das nicht erwähnt ist. die worte in episode 5 schliefsen
zudem geradezu aus, daran zudenken, dass einer der UaCorras
abhanden gekommen ist. alle zweifei werden gelöst, wenn man
die beiden episoden 2 und 5 näher ansieht: es sind ganz klar die
abschnitte 15 (= ii 2) und 16. 31 (= ii 5) aus Imram Maelduin,
in denen die beiden letzten pflegebrüder Maelduins abhanden
kommen, dies passt in die composition von Imram Maelduin,
aber in Imram UaCorra weder zur einleitung noch zum verlauf
der erzählung.
Hiermit sind wir also zu einer quelle für die uns erhaltene
erzählung vom Imram curaig UaCorra gekommen, es entsprechen
sich, wenn wir unseren text mit ii und Imram curaig Maelduin mit
1 bezeichnen, folgende episoden: ii 2 = i 15, ii 5 = i 16. 31, n 6
= I 27 (mit I 24?), ii 7 = i 25, n 8 = i 26, ii 9 = i 19, ii U
auszug aus i 17, ii 15 = i 14. die entsprechung ist allenthalben
so, dass die kürzere darstelluug durchweg als referat der er-
zählungen in i erscheint, bei n 8 = i 26 ist das alter von Imram
Maelduin überdies in zwei characteristischen puncten durch die
Navigatio SBrendani 19 gestützt: Imram Maelduin 26 und Navi-
gatio 19 stimmen darin, dass Maelduin resp. Brendan durch die
maschen des netzes fahren, wobei Diuran eine masche aushaut;
sie stimmen ferner in den worten, die Diuran resp. Brendan
beim mitnehmen sprechen, wie oben s. 179 ausgeführt ist,
während in Imram UaCorra nur über die worte referiert wird
mit doinchomhartha tnsceoilsin dorat his anisin 'zum zeugnis für
diese erzählung nahm er es mit sich', da nun Imram UaCorra
mit Imram Maelduin in der angäbe stimmt, dass ein mocoll indltn
(i 26), mogall donUn (u 8) mitgenommen wurdet so ergänzen sich
* im Imram Maelduin wird zum schluss wider auf diese episode zuriicli-
gekommen, während in Imram UaCorra dieselbe ebenso spurlos verschwunden
ist wie Lochen und die beiden anderen O'Gorras.
KELTISCHE BEITRÄGE II 201
Navigatio SBrendani und Imram curaig UaCorra schön zu der
erzählung in der gemeinschaftlichen quelle Imram Maelduin! end-
lich sei nur darauf hingewiesen, dass der erzähler in Imram
UaCorra 8 sich geradezu auf Imram Maelduin beruft , während
doch Imram UaCorra älter sein müste als Imram Maelduin. -r-
ganz deutlich ergibt sich als referal oder kurzer auszug aus der
umfänglichen und einheitlichen episode i 17 die darstellung in
II 11, wo selbst die alten Wörter ersetzt sind. — klar liegt auch
in II 15 = 1 14 vor äugen, dass Imram UaCorra jünger ist: an
stelle des einen mythologischen hintergrund verratenden mulend
Inhir Tre Cenand (die mühle der mUndung von Tre Cenand')
trat einfach ismesse muilleoir ifirn 'ich bin der höllenmüller'.
Dass dem verf. des Imram UaCorra eine schriftliche auf-
zeichnung von Imram Maelduin vorgelegen habe, dürfen wir kaum
annehmen. es wären sonst zwei dinge schwer verständlich:
einmal warum er nur eine beschränkte auswahl getroffen und
nicht andere episoden auch benutzt hat; sodann der umstand,
dass sich keine altertümlichkeiten in der spräche der abschnitte
finden, was sicher der fall wäre, wenn er nach einer vorläge
mit solchen gearbeitet hätte, wir müssen wol annehmen, dass
er Imram Maelduin nach der erinnerung, die er von diesem
sagenstofT hatte, benutzte, dasselbe werden wir auch von anderen
quellen anzunehmen haben, die noch herbeigezogen sind.
Eine zweite quelle scheint mir mit episode 12 zu beginnen;
sie reicht wol bis 20. in dieser partie ist von den wundern
des oceans nicht die rede, sie braucht auch gar nicht aus einer
meerfahrterzählung zu stammen, vielmehr aus einem text, wie
Visio Tnugdali , Purgatorium Patricii, oder aus texten in irischer
spräche, wie Fls Adamnäiu, Scela lalhi brätha (LU 27' — 34% 24),
es werden einzelne Stationen — wenn ich so sagen daif — aus
hölle und fegfeuer vorgeführt, mehrere partien erinnern lebhaft
an die Schilderungen in Fls Adaranäin, so die ströme in 12 an
LU 31% öff, abschnitt 17 an LU30%28ff, beide an LU 33%24ff.
abschnitt 13 und 16 sind dazwischen geraten, während umge-
kehrt abschnitt 10 (vgl. LU 33% 30) dazu gehört, auch die art,
wie eine reihe von episoden nach einander eingeführt wird (tar-
fäs döib 'es zeigte sich ihnen'), lässt manchmal ganz vergessen,
* Cenand ist mir dunkel; man wird erinnert an Cenandos, den alten
namen für das heulige Keils (aus *Ken-nos, * Kenlos , *Kellos),
202 KELTISCHE BEITRÄGE II
class es sich um eine oceaufahrt handelt, sodass selbst in der
Navigatio SBreiidani und im Imram Brenaind der character der
erzählungsgattung besser gewahrt ist.
Diese neue quelle characterisiert sich noch durch andere
momente: die O'Corras sind total aus der er Zählung
verschwunden, worüber ich in anderem Zusammenhang schon
gesprochen habe, dafür tritt eine mystische persönlichkeit auf,
die mit insridth bezeichnet wird, ich habe das wort mit 'der
weise' übersetzt, es bezeichnet gewöhnlich den 'weisen alten',
wie auch in abschnitt 24 der oenmac heculsa forarsaid finnliath
'der eine sehr alte, grauhaarige Kleriker' im verlauf sruith
genannt wird (Book of Fermoy 109% 1); ebenso wird 25 der
'Schiller Christi' im anfang sruüh und gegen ende senoir ('greis')
genannt, dieser srwrtA dient von 12 an, wo er zuerst erscheint,
als berater, Sprecher und führer und erinnert aufs lebhafteste an
den vir cht in der Navigatio SBrendani. beziehungen zwischen
Imram UaCorra und Navigatio SBrendani constatierten wir schon
oben s. 200, aber so, dass beide unabhängig aus Imram Maelduin
geschöpft haben, enger sind diese beziehungen bei n 22 und
Navigatio 11; hier stehen sie aufs nächste zusammen bis in einzel-
heiten : beide kennen eine klare und eine trübe quelle (fons tur-
bidus Schröder s. 15, 36 == ttpra buaiderthe Book of Fermoy
fol. 108\ 1). in n 22 will der bursche, in Navigatio 11 wollen die
fratres trinken; darauf hindert es in n 22 der sruith, in Navi-
gatio 11 der vir dei: jener mit den worten asfearr acheatugad
maata mach isininsi 'es ist besser, dass es erlaubt wird, da
jemand auf der insel ist', dieser, indem er sagt: nolite peragere
illicitam rem sine licentia seniorum qui in hac insula commo-
rantnr (Schröder s. 14, 33). die bewohner der insel sind nach
Navigatio 11 familia Ailbei, 24 mann stark, in ii 22 mninter Ailbi,
welches die irische bezeichnung ist (vgl. Zs. f. vgl. sprachf. 30,
35—43). oben habe ich nachgewiesen (s. 177), dass die episode
Navigatio 11 aus Imram Maelduin 19 und 20 zusammengearbeitet
ist. in den eben angeführten puncten stimmen nun n 22 und
Navigatio 1 1 nicht nur zusammen, sondern sie weichen auch ge-
meinschaftlich von I 19. 20 ab. es muss also für n 22 und Na-
vigatio 11 eine gemeinsame aus i 19. 20 abgeleitete quelle an-
genommen werden — was aus vielen gründen unwahrscheinlich
ist — , oder ir 22 und Navigatio 11 müssen von einander ab-
KELTISCHE BEITRÄGE 11 203
häDgig sein, hier kann man nun keinen moment zweifeln , dass
Jmram UaCoira 22 von Navigatio 11 abhängig ist, da die Na-
vigatio 11 noch züge aus Imram Maelduin 19. 20 hat, welche in
II 22 fehlen : vor allem die ausnahmen an den festlagen (Schröder
s. 16, 4ff. LU25^15ff). wir lernen also als dritte
quelle von Imram UaCorra die Navigatio SBrendani
kennen.
Ein weiterer zug aus der Navigatio findet sich in ii 12: die
enlaühi mora ildatha 'die grofsen , vielfarbigen vogelscharen' ent-
sprechen dem paradysus avium in Navigatio 10. in letzterer er-
zählung kommt una ex Ulis avibus, setzt sich auf die yrora des
Schilfes und beginnt eine Unterhaltung mit dem vir dei (Schröder
s. 12, 5 ff), im Imram UaCojra 12 toirnes m dib forbord in-
curaig 'ein vogel liefs sich auf dem raud^ des kahnes nieder'
und beginnt eine Unterhaltung mit dem sruith!
Nachdem wir gesehen haben , wie in zwei aus Navigatio
SBrendani genonmienen zügen der S7^uith dem vir dei der quelle
gleichstellt, können wir auf diesen sruith zurückkommen, vir
dei ist in Navigatio SBrendani nur eine andere bezeich-
nung für Brendan selbst, wie sanctus pater ua. ; allerdings
tritt diese bezeichnung im verlauf der erzählung sehr häufig auf,
häufiger als ßrmrfawus selbst, sodass man bei oberflächlicher
und flüchtiger lectüre momentan vergessen kann, dass es
Brendan ist und nur sein kann, ein solcher irrtum kann noch
durch einen anderen umstand verstärkt werden : in der Navigatio 8
erscheint plötzlich ein vir habens sportam plenam panibus usw.
(Schröder s. 9, 36), den wir uns als gesandten gottes denken
müssen; derselbe ist noch öfters zur passenden zeit vorhanden,
führt im verlauf die bezeichnung ]?/ocwrafor und leistet dem Brendan
und seinen gefährten gute dieuste: er führt sie in die terra re-
promissionis (Schröder s. 35, 1 ff) und verabschiedet sich von
ihnen, als sie von dort zurückkehren (dimisso benedicto procu-
ratore et juvene Schröder s. 36, 3). vir dei und procurator
sind hinsichtlich ihrer persönlichkeit, ihres ersten auftretens und
abtretens klare persönlichkeiten in der Navigatio SBrendani, wäh-
rend von dem sruith in Imram UaCorra gerade das gegenteil
gilt, in episode 12 heifst es plötzlich togbtäd insruth aaged suas
* man beachte das erst in der vikingerzeit in die irische spräche ge-
kommene nordische lehnworl bord (siehe Zs. 32, 464).
204 KELTISCHE BEITRÄGE II
'der sruüh erhebt sein angesicht in die höhe', ohne dass man
weifs, wer er ist, noch sich denken kann, wer er sein könnte';
im anfang von 25 ist er noch da, und ist dann ebenso spurlos
verschwunden wie die O'Corras, dh. es ist nicht die rede von
ihm, ja seine anwesenheit ist am schluss ausgeschlossen, wenn
man nicht die unwahrscheinhche annähme machen will, dass
einer der 3: bischof, priester, kiister, darunter gemeint gewesen,
es kann daher in dem srnith nur eine erinnerung an den vir
dei der Navigatio stecken in Verbindung mit dem procnrator
derselben erzählung.
Wir haben also als wahrscheinliche quellen des uns er-
haltenen Imram curaig UaCorra erkannt: 1) den alten erhaltenen
Imram Maelduin, 2) eine visio ähnlich wie mehrere auf uns ge-
kommen sind, 3) die erhaltene lat. Navigatio SBrendani und —
4) den alten Imram curaig UaCorra. das einstmalige
Vorhandensein einer alten erzählung mit dem titel Imram curaig
UaCorra glaube ich aus verschiedenen gründen annehmen zu
müssen, wäre eine solche erzählung nicht vorhanden gewesen,
so ist nicht abzusehen, woher das uns vorliegende machwerk
gerade diesen titel erhalten, da ja die üaCorras gar keine rolle
spielen auf der seefahrt. eine rolle spielen sie in der einleitung
(abschnitt 1), und diese wird ihrem wesentlichen inhalt
nach aus der alten erzählung stammen, dann erklärt sich, wie in
einem jungen machwerk des 12 jhs. das colorit der weit voraus-
liegendeo zeit so schön getroffen wurde (siehe oben s. 197). diese
einleitung enthält auch noch einen ganz eigenartigen zug , der,
soweit ich sehe, nirgends entlehnt ist: ein mann findet nach-
trägliche aufnähme, der crosan. darin unterscheiden sich Imram
UaCorra und Imram Maelduin, und in diesem eigenartigen
zuge erblicke ich — abgesehen von der alten bedeutung, die das
wort crosan hat, 'Wallfahrer' im allgemeinen (siehe oben s. 187
anm.) — eine hohe altertümlichkeit, worauf ich in abschnitt D
zurückkomme, auf die alte erzählung können auch noch epi-
sode 3 und 20 zurückgehen, allerdings weder inhaltlich noch
sprachlich in der vorliegenden fassung. zweifelhaft ist mir, ob
in der alten einleitung die begleiter der O'Corras dieselben waren
wie in der umgestalteten; wenn man bedenkt, dass die erhaltene
' ebenso unverständlich ist nach dem, was vorangegangen, die erste
frage des sruitk an den vogel: 'gehen wir zur hölle?'
KELTISCHE BEITRÄGE 11 205
erzählung, so weit sie nicht gedaukenlose compilation ist, erleb-
oisse eines bischols , priesters, küsters und burschen schildert,
so ist nicht unmöglich, dass diese unter die begleiter der O'Corras
eingeschmuggelt sind, natürlich lag dem compilator unseres textes
die alte erzählung vom Imram derUaCorras nur in bruchstücken vor,
die sich aus den stürmen der vikingerzeit ins 11 jh. gerettet hatten
und die ihm die veranlassung zu seiner plumpen lälschung boten.
Ältere Zeugnisse für Imram UaCorra kenne ich 2: einmal
die erwähnung des titeis in dem sachcatalog epischer Stoffe in
LL (siehe s. 144 ff); ich halte diesen catalog für entschieden
viel älter als den uns erhaltenen text, er bietet also ein Zeugnis
für den alten Imram UaCorra. sodann werden in der oben
s. 133 ff angeführten litanei auch angerufen (LL 373^ 12 v. u.)
tri h. Chorra conamorfessiur 'die 3 O'Corras mit ihren 7 mann',
auch dies wird ein Zeugnis für die alte erzählung sein, wenig-
stens stimmt die zahl der genossen nicht mit den angaben in
unserem text, der nur 6 gefährten kennt einschliefslich des crosan,
also nur 5 ohne ihn.
So wenig uns auch vom alten Imram UaCorra erhalten
ist, so reicht dies doch hin, um zu erkennen, dass dieser
text älter war als der uns erhaltene Imram Maelduin. Finden
von Cluain Iraird , in dessen klostergemeinschaft die O'Corras
aufnähme finden und bei dessen lebzeiten sie ihre meerfahrt an-
treten (Imram UaCorra 1, oben s. 185 ff), starb im jähre 548.
Maelduin trifft mit seinen genossen auf der nieerfahrt (episode 30,
oben s. 169) einen einsiedler, welcher der letzte der 15 genossen
aus der (kloster-)familie des Brendan von Birr war, die Bren-
dans von Birr buchersack als reliquie mit sich nehmend sich
auf den ocean begeben hatten, um sich in die einsamkeit zurück-
zuziehen, dieser Brendan von Birr , auch Brendan der ältere ge-
nannt, starb 565. hieraus folgt allerdings direct blofs, dass die
meerfahrt der UaCorras als ein älteres ereignis gedacht wurde
denn Maelduins fahrt; noch nicht unbedingt, dass auch die
Schilderung der meerfahrt der O'Corras älter sein muss als der
text Imram Maelduin. dies ergibt sich erst unter vergleich der
eigeutümlichkeit des Imram UaCorra, dass ein mann nach-
trägliche aufnähme (indet, mit dem gleichen zug in Imram
Maelduin, dass drei mann nachträgliche aufnähme finden; hierauf
komme ich in anderem Zusammenhang unter D ii zurück.
206 KELTISCHE BEITRÄGE II
Die s. 198 — 204 angestellteu erörterungen werden keineu
Zweifel darüber gelassen hal)en, dass der in einer hs. des 15jhs.
auf uns gekommene, oben s. 183 — 197 gegebene text Imram
curaig UaCorra nicht die alte im 7 oder 8 jh. entstandene
Schiffererzählung repräsentiert, sondern ein relativ junges, nicht
übers 12 jh. hinausgehendes mitlelirisches und aus z.t. erhaltenen
quellen zusammengestelltes product ist. einen weitereu beweis
dafür, der zugleich eine in der irischen hagiographie noch nicht
beachtete tatsache ans licht stellt, will ich hier noch beibringen.
Über Ende, den berühmten heiligen von Aran, Brendans
des Seefahrers und Ciarans von Clonmacnois (f 548) freund,
herscht hinsichtlich seiner herkunft in verschiedenen quellen auf-
fallender Widerspruch, das inhaltlich und der Überlieferung nach
älteste denkmal, der heiligenkalender, genannt Martyrologium von
Tallaght, hat zum 21 märz: Ennoe Äirni mac Ainmire maic Ronain
de Cremthannaib 'Ende von Aran, der söhn des Ainmire, des sohns
des Ronan von den Cremthanns' (in county Meath) LL 357^ 13.
dem gegenüber bat die glosse zum Feiire 21 märz in LBr 84:
isnJ mor Enna Airne, mac Conaill Deirg Airgiallach 7 ingen Ainmire
rig fer nArda amüthair 'ein grofses ding ist Ende von Aran,
der söhn des Conall Derg der Airgiallachs, und die tochter des
Ainmire, des kOnigs der männer von Aird, war seine mutter.'
hiermit stimmen die anderen jüngeren quellen: in den genealo-
gien irischer heiligen LL 347^, 55 lesen wir: Enna Airni mac
Conaill maic Damine maic Corp(ri) Daimar(gait) maic Crimth(ain),
und im Book of Ballymote 217^, 30 heifst es: Ende Airne mac
Conaill maic Daimine maic Cairpri Daimargaid maic Crimthain
'Ende von Aran, der söhn Conalls, des sohns von Daimln, des
sohns von Caipre Damargait, des sohns von Crimlhan'; im LBr
14®, 33 ist der Stammbaum weiter geführt: Enna Airne mac Co-
naill Deirg maic Doimine maic Cairpri Doimargaid, maic Ech( ach),
maic Crimth(ainn), maic Fheic, maic Dega D(uirn), maic Roch(ad)a,
maic Colla Fochrich 'Ende von Aran , der söhn von Conall Derg,
des sohns von Doimin, des sohns von Coirpre Domargait, des
sohns von Echaid , des sohns von Crimthan , des sohns von Fiac,
des sohns von Daig Duirn, des sohns von Rochaid, des sohns
von Colla Fochrich.' — in den genealogien der mütter irischer
heiligen LL 373^ 25 und Book of Ballymote 213^ 32 finden
wir: Aebfind ingen Ainmere maic Ronain rJ nanArdda mäthair
KELTISCHE BEITRAGE II 207
Ennoe Airne^Aehünd, die tochter des Ainmire, des sohns von Ro-
nan, des köoigs (der männer) von Aird, war die multer vod Ende
vou Aran.' mit diesen irischen quellen stimmen die von Colgan,
den Bollaudisten (Acta sanctorum, märz ni 267 — 274) und O'Kelly
(Calendar of irisli saints s. 101) beigebrachten lateinischen quellen,
welche alle ebenfalls viel jünger sind als das Martyrologium
von Tallaghl: Marianus O'Gorman (1167) sagt Enda virgineus de
Arania, filius Conaill Rubei de Clochar quiescü in Arania; die
von den Bollaudisten benutzte Vita des Ende, die 1340 am Loch
Ree von Augustinus Magraidiu aus 2 älteren hss. zusammen-
geschrieben wurde, nennt Conallus cognomento Derc, id est rubeiis,
de nohilibus Ergelliensium als seinen vater und Brig filia Anme-
rini als seine multer; Cathaldus Maguir (1498) nennt Ende von
Aran filius Conalli rubei filii Dameni de Origielliis et filia An-
mirii principis FeiArdorum fuit ejus mater.
Wir haben also folgendes factum : auf der einen seile steht
die älteste quelle, der offlcielle heiligenkalender der irischen
kirche mit der bestimmten angäbe , dass Ende der söhn des
Ainmire mac Rouain gewesen sei. andererseits behaupten die
angeführten jüngeren quellen, Ende sei nur der söhn der tochter
dieses Ainmire mac Ronain gewesen und sein vater habe Co-
nall Derc geheifsen. conciliante naturen, welche die stimmen
nicht wägen sondern zählen, werden den gegensatz^ leicht ver-
kleistern durch die annähme, dass man in der ältesten quelle
nur an der band der jüngeren ein ingine zwischen mac und
Ainmire einzuschieben brauche 'söhn [der tochter] des Ainmire'.
gegen diesen lösungsversuch sprechen nun — abgesehen von
dem kritischen bedenken , dass jüngeren quellen grundlos ein
wert beigelegt wird, den ihnen eine wissenschaftliche betrach-
tung nie zugestehen kann — chronologische erwägungen. am
ausgangspunct der genealogie von Ende steht väterlicherseits Colla
Fochrich. die 3 Collas nun — Colla Uais, Colla Menn und Colla
Dach rieh oder Fochrich — entthronten nach den irischen aunalen
im jähre 323 den oberkönig von Irland, wurden 326 durch Muire-
dach Tirech nach Schottland verjagt, und kehrten 327 zurück; im
' die Bollandisten heben den Widerspruch scharf hervor (his accedit
vetustissiTnum Tamlactense inarlyvologium : sed in eo manifexte ce-
teris c antra die it omnibus, quod eurn faciat filium Anmirei, quem
omnes alii seribmit fuisse SEndei avum mateimum), machen aber keinen
versuch, ihn zu erklären.
208 KELTISCHE BEITRÄGE II
kampi'e gegen die ülsterleute tiel der zweite der brüder 331
(siehe O'Donovan, Annais of Ireland i 122 ff), wir haben also
für den ahnherrn Endes als ausgangspunct das jähr 330. von
Colla Fochrich ist Ende die zehnte generation nach dem Stamm-
baum, sodass wir — die generation zu 30 jähren gerechnet —
auf 630 für Ende von Aran kämen 1 dasselbe resullal erreichen
wir auf anderem wege. der grofsvater Endes ist nach dem ein-
stimmigen Zeugnis der jüngeren quellen Daimin mac Cairpri Dai-
inargait. es meldet nun das Chronicon Scoltorum zum jähre 566:
mors Daimine mk Coirpre Daimargaid ; dasselbe berichten die
Ulsterannalen zu 564 und die Annalen von Irland zum jähr 560.'
ferner: nach dem Zeugnis sämmtlicher jüngeren quellen
istConall üerc der söhn des genannten Daimin und vater des
heiligen Ende von Aran. den tod dieses Conall Derc überliefern
uns nun wider die annalen: Conall an ghae dheirc mac Daim-
hene do mharbhadh laUibh Meith Macha 'Conall mit dem roten
Speer, der söhn des Daimin, wurde von den O'Meilh Machas ge-
tötet' melden die 4 meister zu 605, und die Ulsterannalen zu
608 : mors Conaill mic Daimeni. wir kommen also für Ende bis
auf die zeit von 630! und von diesem berühmten Ende, der
doch zu den wenigen gehörte, die /rar^oc ocQeiovg genannt
werden können, wissen die annalen nichts 1
Kurz, die angaben der jüngeren quellen über des berühmten
Ende von Aran abstammung väterlicherseits stehen nicht nur in
Widerspruch zu der ältesten quelle, dem Martyrologium von Tal-
laght, sondern auch — von dem eben entwickelten gesichtspunct
aus betrachtet — zu der gesamm ten tradition, und nicht
zum wenigsten widersprechen sie sich selbst, die
tradition und die lat. Vita melden übereinstimmend, dass Ende
sein geliebtes Aran von dem ersten christlichen könig von Munster,
Oengus mac Nadfroich, erhielt; dieser Oengus üel nach dem
übereinstimmenden zeuguis der 4 meister und der Ulsterannalen
im jähre 489, das Chronicon Scottorum setzt die schlacht bei
Cell Osnaig und den tod des Oengus ins jähr 487. ferner
stimmen alle nachrichten, auch die Vita, darin überein, dass
1 die differierenden angaben dürfen nicht als ein schwanken der Über-
lieferung über den lod von Daimin gefasst werden; sie beruhen viehnehr
in der gesammtchronologie der einzelnen werke zu einander, die ganz be-
kannte historische ereignisse jener zeit mit denselben Schwankungen be-
richten.
KELTISCHE BEITRÄGE 11 209
der 548 am 9 September im alter von 33 jähren gestorbene be-
rühmte Ciarau von Clonmacnois als schüler Endes einige zeit in
Aran verweilte, endlich soll Brendan der Seefahrer (geb. c. 484,
t 576) den berühmten Ende vor der meerfahrt besucht haben,
dieser berühmte Ende von Aran, der sich vor 489 auf dem heid-
nisclien Aran ansiedelte, in dessen kloster der 548 gestorbene
Ciaran von Clonmaicnois als Jüngling lebte, kann doch nicht der
enkel des 566 gestorbenen Daimin, der söhn des 605 (608) ge-
töteten Conall Derc sein!
Wir werden also von allen seiten gedrängt, die angaben der
jüngeren quellen über Endes abstammung väterlicherseits als
jüngere erfindung über bord zu werfen, die zeit dieser erfindung
lässt sich annähernd bestimmen, unmöglich ist anzunehmen, dass
man im 7 und 8 jh., der blütezeit der irischen lilteratur, den
heiligen Ende von Aran, den väterlichen freund Ciarans von
Clonmacnois, zu einem söhn des 608 ermordeten Conall Derc
machen konnte, mit dem ende des 8 jhs. begann die für Irland
so verhängnisvolle 200jährige periode der vikingereinfälle: klöster
wurden aller orten verbrannt, die bücher durch feuer und wasser
vernichtet (Cogadh Gaedhel re Gallaibh s. 138) und die wissen-
schalt erhielt in Irland einen stofs, von dem sie sich nie mehr
ganz erholte, im 10 jh. war man unwissend genug, um Ende
zu einem söhne Conall Dercs machen zu können, und unwissend
genug, um so etwas zu glauben, hierzu tritt nun das zeugnis
des Martyrologiums von Tallaght. wann dasselbe angelegt wurde,
wissen wir nicht, es hat aus dem 9 jh. die eintragungen Blalh-
macc (t 823), Feidilmid mac Crimthain (f 845), Coirpre Crom
(t 899) , aber daraus schliefsen zu wollen , dass es erst nach 900
zusammengestellt sei, wäre albern, es folgt daraus blofs, dass
in die uns LL 355 ff erhaltene abschrift oder vielmehr in deren
vorläge nach 899 keine eintragungen mehr gemacht wurden, es
kann also um 900 die angäbe über Endes von Aran abstammung
von Conall Derc mac Daimin aus Clochar mac uDaimeine noch
nicht vorhanden gewesen sein oder wenigstens nicht solche geltung
erlangt haben, dass sie in das officielle document der irischen
kirche aufnähme fand.
Was war nun die Veranlassung für die erfindung des 10 jhs. ?
es ist klar , dass eine ungezwungen sich darbietende lösung dieser
frage den passenden schlussstein dieses excurses bildet, eine
Z. F. D. A. XXXllI. N. F. XXI. 14
210 KELTISCHE BEITRÄGE II
solch»! ist vorhanden und führt uns wider zu dem ausgangspunct
(s. 206): man identificierle im 10 jh. den berühmten
heiligen Ende von Aran mit dem zweiten der (Ja
Cor ras, der auch Ende heifst.i die drei O'Corras heifsen
Lochan, Ende und Silvester; ihr vater ist Conall Derc UaCorra
Find und ihre multer ist die tochter des airchinnech (kirchen-
gutsverwalters) von Clothar (ist ha bancheile du caorderg ingen
airchinnig Clothair 23. M. 50 s. 187). durch identiOcalion des
berühmten heiligen Ende von Aran mit dem zweiten der O'Corras,
Ende dem söhn des Conall Derc, welcher seineu grofs-
vater mütterlicherseits in Clothar halle, gab das 10 jh.
<iem Ende von Aran den Conall Derc (f 608) von Clothar
na mac Daimeine zum vater! war so Ende von Aran zum söhne
des Conall Derc, enkel des Damin geworden, von dem Clochar
na mac uDameine (das heutige Clogher in county Tyrone) seinen
namen hat, dann ergab sich die weitere genealogie in LBr und
Book of Ballymote von selbst, die Clochar — schlechte Ortho-
graphie Clothar — sind in Irland so zahlreich wie in Deutsch-
land die Ortsnamen Stein, Steinach, denn clochar ist collectiv zu
doch 'stein'; und das Clochar, wo der grofsvater mütterlicher-
seits von Ende O'Corra wohnte, hat mit dem Clochar, das
nach dem angeblichen grofsvater väterlicherseits von
Ende von Aran seinen namen hat, nichts zu tun. 2
Voraussetzung nun für die identificierung von Ende von Aran
* der name Ende oder Enne ist bei den Iren nicht ungewöhnlich: ein
Eada mac Gathbada fällt 456 nach den 4 meistern, 455 nach dem Chronicon
Scotorum; zur zeit Patricks war ein Ende O'Censelig könig von Leinster;
Crimthann mac Etinai Cinselig schlägt den irischen oberkönig Ailili Molt
(LL 300», 3. 392d, 16 ff und die Annalen der 4 meister 478, Ulsterannalen 483;
vgl. Chronicon Scot. 487). dieser Crimthan, söhn des Ende Censelig, ist
der Schwiegervater von Oengus Nadfroich, welcher Aran an Ende von Aran
verschenkte (siehe Chron. Scot. 487). andere persönlichkeiten des namens
Ende aus verschiedenen jhh. finden sich in den indices zu den Annalen der
4 meister und zum Chronicon Scotorum.
- für nachdenkende leser habe ich wol kaum nötig zu beweisen, dass
ebenso wenig wie Ende von Aran söhn des Conall Derc mac Daimine sei»
kann, er auch nicht Ende söhn von Conall Derc UaCorra Find sein kann.
es genügt schon der hin weis, dass die 3 O'Corras als junge männer in dem
kloster des greisen Finden von Clonard christlichen Unterricht empfiengen ;
Finden starb 548. der Ende, der bei dem greisen Finden als junger
manu aufnähme fand, kann nicht vor 489 Aran von Oengus Nadfroich er-
bitteth; da muste er schon seine meerfahrl hinter sich gehabt haben.
KELTISCHE BEITRÄGE II 211
mit Ende, dem mittleren der O'Corras, dem einen teilnehmer
an der berühmten meerfahrt — Voraussetzung ist eine
andere erzählung als die uns unter dem titel /mram
curaig UaCorra überlieferte, wir können wol so viel
mit Sicherheit schliefsen , dass im alten Imram UaCorra die
3 O'Corras heimkehrten und sich — wie nach ihrer ausbildung
in Clonard natürlich — ins kloster zurückzogen, in so fern
ist die nachgewiesene identificierung der beiden Ende im 10 jh.
ein beweis für die kenntnis vom alten Imram UaCorra in
jener zeit.
Aus der identification des Ende von Arau mit dem meer-
fahrer Ende, söhn des Conall Derc UaCorra Find, erklärt sich
noch ein zug in der Navigalio SBrendani. wir sahen oben s. 176,
dass Brendan vor der fahrt zu Ende von Aran geht in nach-
ahmung eines zuges im Imram Maelduin , wo Maelduin erst zu
dem druiden Nuca nach Corcomruadh sich begibt, ehe er sein
schiff baut, warum Brendan gerade zu Ende geht, klärt weder
die vorläge tier Navigatio auf noch der bericht in der Navigatio
selbst (Schröder s. 6, 8 — 1 1). war aber dem verf. der Navigatio
SBrendani die identification des Ende von Aran mit dem meer-
fahrer Ende im Imram UaCorra bekannt, dann wird klar, warum
er den Brendan gerade zu Ende auf 3 tage gehen lässtl
Bekannt war der Imram UaCorra, sei es unsere erzählung,
seien es fragmente der alten, dem verf. von Imram Brenaind
(oben s. 134 — 140); hieraus hat er den crosan, der auch im
beginn der fahrt umkommt, wenngleich in ganz anderer weise
als in Imram UaCorra 3. es ist wol möglich, dass Imram Bre-
naind 10 darin dem alten Imram UaCorra näher steht als das
unter diesem iiamen auf uns gekommene machwerk. auch dem
verf. des gleich zu besprechenden textes war wahrscheinlich die
alte erzählung bekannt.
III. Imrum Snedgnsa 7 Maie RJagla. dieser text,
dessen titel uns in keinem der alten sachcataloge überliefert
wird und für den ich auch kein Zeugnis aus der ütteratur kenne,
tindet sich blofs in H. 2. 16 (ICD) col. 391 — 395 in directem
anschluss an den unter i gegebenen Imram Maelduin. er teilt
mit ihm die eigentümlichkeit, dass auf die prosaerzähluug der
einzelnen abschnitte eine reimerei folgt, i
* seit diese blattet gesciirieben sind , ist der text mit Übersetzung
14*
212 KELTISCHE BEITRÄGE II
1. die männer von Boss litleu sehr unter der herschaft von
Fiacho mac Doninaill: er liefs ihnen weder vvaffen noch farbige
kleider. als er ein jähr herschte, kam er zur Boynemündung
und fordert die männer von Boss vor sich, als sie ihm erklärten,
aufser stände zu sein, mehr zu leisten, Uefs er sie auf seine
haud spucken und erst die hälfte des speicheis war blut. nun
befahl er ihnen die höhen in die täler zu bringen, bäume in
die ebenen zu pflanzen, eines tages erhebt sich ein stück rot-
wild in ihrer nähe, dem das gefolge des königs nachsetzt, die
männer von Boss bemächtigen sich ihrer vvaffen und töten Fiacho.
dafür überzog sie Dondchad, der bruder Fiachos, und trieb sie
zu paren. wegen der strafe, die er über sie verhängen sollte,
schickte er zu Columba nach Hi. der sandte 2 mönche , Snedgus
und mac Biagla, mit dem entscheid, 60 pare der schuldigen be-
völkerung auf das meer zu setzen und gott das urteil und die
strafe zu überlassen, dies wird ausgeführt.
Snedgus und mac Biagail machen sich auf die rückreise
nach Hi. unterwegs beschliefsen sie, freiwillig sich in den ocean
auf Wanderschaft zu begeben , wie die 60 pare unfreiwillig ge-
tan hatten.
2. sie drehen zur rechten und der wind trieb sie nord-
westlich in den äufseren ocea'n (dh. aufserhalb der irischen see).
nach 3tägigem fasten erfasste sie grofser durst, der unerträglich
wurde, da erbarmte sich Christus ihrer und bringt sie auf einen
Strom von geschmack wie laue milch (lemnacht); sie werden da-
von gesättigt, sie danken gott, beschliefsen, sich ihm ganz zu
überlassen, und ziehen die rüder ein.
3. sie wurden darauf zu einer anderen insel getrieben, ein
wall von Silber lief über ihre mitte; ein fischwehr war auf ihr,
welches aus einer silbernen bretterverbindung bestand, gegen
dieses wehr sprangen grofse lachse an, von denen jeder gröfser
war als ein ochsenrind. sie wurden von ihnen satt.
4. sie trieben darauf zu einer anderen insel: auf ihr be-
fanden sich viele junge männer mit katzenköpfen. ein junger
mann irischer abkunft war auf ihr, der an den Strand kam, sie
begrül'sle und sagte: ich bin ein Ire (diferaib Gaidel damsa), wir
kamen als bemannung eines botes hierher und ich bin allein
von Stokes gedruckt in Revue celUque 9, 14—26. ich habe versucht, dem
splitlerrichter Stokes wenigstens einige balken aus dem äuge zu ziehen.
KELTISCHE BEITRÄGE II 213
übrig geblieben; sie erlitten den martertod durch die fremden
bewohner dieser insel. er gibt ihnen nahrung in den kahn und
sie verabschieden sich unter gegenseitigen Segenswünschen.
5. darauf blies sie der wind zu einer insel, auf der ein
grofser bäum war mit lieblicher vogelschar, über derselben be-
fand sich ein vogel mit einem goldenen köpf und silbernen flügeln
und er erzählt die dinge vom anfang der weit und die gehurt Christi
durch Maria die Jungfrau und dessen taufe und leiden und auf-
erstehung und er erzählt die ereignisse des (jüngsten) gerichts,
und da schlügen alle vögel mit ihren flügeln an ihre seiten,
dass sie blutstropfen (blutregen) aus ihren seiten fliefsen liefsen
aus furcht vor den zeichen des (jüngsten) gerichts. comnai und
cretra (communiones und creaturae) war dies blut.i der vogel
gibt den klerikern ein blatt von den blättern dieses baumes und
dieses blatt hatte die gröfse einer grofsen ochsenhaut; er befahl
den klerikern , es auf Colum Cilles altar zu legen, es ist 'Colum
Cilles wedel' und befindet sich heutigen tags in Keils, der ge-
sang dieser vögel war lieblich — sie sangen psalmen und can-
lica zum preise des herrn — , denn es war die vogelschar des
himmlischen gefildes, und weder stamm noch blätter dieses baumes
welken.
6. sie sagten darauf den vögeln lebewol und fahren zu
einem schrecklichen land , in welchem menschen mit hundsköpfen
und mahnen von vierfüfslern waren, auf befehl gottes geht ein
kleriker von der insel zu ihnen zu ihrer hilfe, denn sie waren
ohne nahrung: er gibt ihnen fisch und wein und waizen.
7. sie fuhren darauf, bis sie ein land erreichten, wo
menschen mit schweinsköpfen sich befanden: sie waren . . .2
und viele erntearbeiter waren bei ihnen beim einernten (icbuain)
des korns in der mitte des sommers.
8. sie giengen darauf in ihren kahn und singen ihre psalmen
und beten zu gott, bis sie ein land erreichten, in welchem
generalionen von Iren waren, und die frauen der insel sangen
1 vgl. LL 279b, 2.
- hier muss in der lis. , die keine lücke zeigt, etwas ausgefallen sein,
die reimerei macht nichts klarer:
Cid bud inganto dofarfas foracoraib. meithil anguirt cocendaib muco
f'ota foraib.
Formna sine samraid rochain roithnes curpu. fir triuln talcu ba hand
tocbatnr angiirto.
214 KELTISCHE BEITRÄGE II
ihnen einen sianan sofort, welcher den klerikern lieblich klang,
singt weiter, sagte der kleriker, es ist dies ein irisclier sianan
hier (asse sianan naihrinn annso). wir wollen, o kleriker, sagten
die frauen , zum hause des königs der insel gehen, wo uns will-
kommen und erfrischung werden wird, die Trauen und klerikei-
gehen in das haus und der könig bewillkommte die kleriker
und sie ruhen aus und er fragte sie nach ihrer herkunft. wir
sind Iren, sagten die kleriker, und wir gehören zu den geführten
Colum Cilles. wie steht es in Irland, fragte er, und wie viel
söhne Domnalls leben? der kleriker erwiderte: 3 raac Domnaiü
sind am leben und Fiacha mac Domnaill fiel durch die männer
von Ross und wegen dieser tat wurden 60 pare von ihnen auf
den ocean gesetzt, das ist eine wahre erzählung von euch: ich
bin es, der den söhn des königs von Tara tötete, und wir sind es,
die auf den ocean gesetzt wurden, uns gefällt es, denn wir werden
hier sein, bis die aburteilung (am tage des gerichts) kommen wird;
und es gefällt uns, dass wir ohne siinde, ohne böses, ohne
unsere sündhafte begierde' hier sind, die insel, auf der wir
uns befinden, ist gut, denn auf ihr befinden sich Elias und Enoch
und vornehm ist der wohnorl des Elias, er bewillkommte die
kleriker herzlich und sagte: zwei seen sind in diesem lande,
ein see mit wasser und ein see mit feuer, und sie würden schon
längst Irland überflutet haben, wenn nicht Martin und Patrick
fürsprache einlegten, wir möchten gern Enoch sehen , sagten
die kleriker. er ist an einem verborgenen ort, bis wir alle (zum
kämpf) 2 gehen werden am tage des gerichts.
9. sie fuhren darauf von dieser insel weg und waren auf
dem wogengebraus des meeres lange zeit, bis ihnen grofse hilfe von
gotl kam, denn sie waren ermüdet: sie sahen nämlich eine grofse,
buhe insel, und was daraufwar, war lieblich und geheiligt, der
' in der hs. steht cenpeccad cenolc cengail arcinad: das ist in cen-
gaile ai'Cinad zu bessern, worauf auch die verse mit ihrem cenpeccad
cencol cencesad cengaile hinweisen, die bedeulung von gaile cinad wird
klar aus LBr 172'', 20, wo duine noem 7 flrin cengaile cinad von Jesus
nur bedeuten kann 'der heilige und gerechte ohne sündige begierde'. dies
gaile ist wol das gewöhnliche gaile 'der magen' (vgl. bruthgaile LU 33'',21)
in übertragener bedeutung wie iat. g7//a, engl. *<omacA.
"^ für corrisam uile illo anmessa der prosa haben die verse cotiasam
uile doncath arcind armartrai; eine solche oder ähnliche ergänzung
wird nach corrisam und bei der Zeilbestimmung (illo) erfordert.
KELTISCHE BEITRÄGE 11 215
könig auf dieser iosel war gul und heilig und gerecht und seine
schar (ashiag) war grofs und seine wohnung vornehm, denn es
waren 100 tore in dem haus und ein altar bei jedem tor und
ein priester (fergraid) bei jedem altar beschäftigt , Christi leib zu
opfern, die kleriker giengen darauf in das haus und man segnete
sich gegenseitig, und darauf giengen alle, frauen und männer,
die grofse schar, zur comraunion bei der messe, wein wird
ihnen darauf ausgeteilt und der könig sagt darauf zu den klerikern:
sagt zu den männern Irlands, grofse strafe wird über euch
kommen, es werden nordmänner (allmaraig) übers meer kommen
lind siedeln bis zur hälfte ihrer insel und sie werden belagerung
auf euch legen; und dies bringt ihnen diese strafe, nämlich die
grofse misachtung, welche sie gegen die geböte gottes und seine
lehre zeigen, ein jähr und einen monat seid ihr auf dem ocean
und ihr werdet (eure heimat) gesund i erreichen und tut kund
alle eure nachrichten den männern Irlands.
Dass diese erzähluug nicht so alt sein kann wie das er-
eignis, das sie berichtet, ist aus inneren gründen vollkommen
klar. Domnall mac Aeda maic Ainmireach starb 639. seine nach-
folger in der würde des oberkönigs, die söhne des Maelcoba,
starben 656 nach den Annalen der 4 meister. da nun die er-
raordung des Fiacho mac Domnaill ein jähr nach antritt seiner
herschaft stattgefunden haben soll, so kämen wir aufs jähr 640.2
damals war Colum CiUe fast 50 jähre tot und er
konnte das urteil nicht abgeben. O'Curry, Manuscr.
mat. s. 333 hilft sich auf eigentümliche weise; er sagt: 'Fiacha's
brother, Dounchadh, came upon them in reveoge; but he stayed
his vengeauce until he should consult bis anmchara (lit. soul's
frieud [dh. beichtiyer]), the comharba (successor) of Sai nt
Colum Ci II e, to whom he sent a message to Jona, to ask his
advice on the case. the comharba of Colum Cille sent over
two of his confidential clerics' usw. die betretfende stelle der
• da rosechim, so weit mir sein gebrauch bekannt ist, nie allein be-
deutet 'heimkehren', sondern nur 'erreichen, kommen' (vgl. LU 'iö"», 10 rose-
saidsi uli dofortir 'ihr werdet kommen alle zu eurem lande'), so ist in
rosessigh inlan etwas ausgefallen, inlaji steht vollkommen regelrecht für
i?idslän; vgl. indadbol , indlaigiu, inmär , incliian, inchomocus aus den
glossen ZE 608.
^ oder 643, wenn man den tod Domnalls mit anderen quellen 642
ansetzt.
216 KELTISCHE BEITRÄGE II
hs. lautet: Baandsin asbertsom fesin. nlcoir dam angmmso do-
denom cenchomairle frimanamcharaü friColnm Cille. Tiaghar
uadh coColum Cille. Tic Snedlighus 7 Mac Riaghla oCholum Cille
cocomairle leo rfö.'da sagte er (Dondchad) selbst: es ziemt sich
nicht für mich, diese tat zu tun ohne rat mit meinem beichtiger,
mit Colum Cille. mau geht von ihm zu Colum Cille. es kommt
Snedgus und mac Riagla von Colum Cille mit einem rat für
ihn.' von einem nachfolger Colum Cilles ist keine rede und
O'Currys angaben sind nur versländlich unter der annähme, dass
er flüchtig comairle in comarba verlesen und noch flüchtiger die
conslruction und den ganzen passus betrachtet hat.i
Der verC. unserer erzählung dachte offenbar an die grofse
reichsversammlung von Druim Ceta , zu der Colum Cille von Jona
gekommen war, um einen streit zu schlichten, der den grofs-
vater von Fiacho und Dondchad, den Aed mac Ainmirech he-
traf. eine solche confusion der tatsachen war aber sicher
erst geraume zeit nach 640 möglich, und aus diesem gründe
schon werden wir die erzählung um 200 jähre herunlerrückeu
müssen.
Innere, aus dem Inhalt der erzählung gewonnene gründe
sowie das sprachliche gewand scheinen mir darauf hinzuweisen,
dass wir in diesem Imram ein product des ausgehenden 9 oder
des 10 jhs. vor uns haben.
Die auf der fahrt von der ßoynemündung nach Jona be-
grifl'enen kleriker werden durch nordwestlichen wind in den
äufseren ocean getrieben (2) und gelangen nach 3 tagen auf
einen ström von geschmack wie laue milch, dass
hiermit der westlich von den Hebriden vorbei-
fliefsende golfstrom gemeint ist, lehrt ein blick auf die
karte, sie kommen dann zu verschiedenen inseln : (3) insel mit
dem lachswehr, (4) insel mit den hundskOpfigen menschen, unter
denen sich ein Ire befindet als rest der mannschaft eines kahnes,
während die anderen durch die fremden hewohner getötet worden
waren ; dann trieben sie zu einer insel mit grofseu vogelschareu (5).
habe ich nötig, an die fahrten irischer kleriker im 7 jh. nach
den Orkneys, Shettlandsinseln und Fseroern zu erinnern (Greith,
Altir. kirche s. 169 ff)? darf ich die in der früheren Studie (Zs.
32, 231) angeführten worte des Iren Dicuil (825) hierher setzen:
' von all dem hat Stokes Rev. cell. 9, 15 nichts gesehen.
KELTISCHE BEITRAGE II 217
sunt aliae inmlae multae in septentrionali Britanniae oceano , quae
a septentrionalibus Britanniae insulis duorum dierum ac noctium
recta navigatione plenis velis assiduo feliciter vento adiri queunt.
aliquis presbyler mihi rettulit quod in duobus aestivis diebus et
nna intercedente nocte navigans in duorum navigula transtrorum
in unam illarum introivit. illae insulae sunt aliae parvulae fere
cunctae simul angustis distantes fretis, in quibus in centum ferme
annis [also um 725] heremitae ex nostra Scottia navigantes habi-
taverunt. sed sicut a principio mundi desertae semper fuerunt,
ita nunc causa latronum Nortmannorum vacuae anachoritis, ple-
nae innumerabilibus ovibus ac diversis generibus
inultis nimis marinarum avium (Parlliey, Dicuil s. 44)?
Kanu mau zweifeln, dass uns in abschnilt2 — 5 eine poetische
Schilderung einer reise irischer kleriker gegeben ist, die durch
einen starken nordweslvviud vom curse abgetrieben in den golt-
strom gerieten und so zu den F«roern kamen? die bewohner
der Inseln in 4 sowie in 6 und 7 sind heidnische nordleute:
in den versen zu episode 4 heilst es ausdrücklich : Dochotar
martrai laheclitrando ceniris, hite trebaid cencuid cubais isinninis
'sie erlitten marter durch die ungläubigen fremden, welche
auf der insel wohnen ohne eine spur von bekenntnis (cubais
= confessio). dass dieselben als katzen-, hunds- und schweins-
köpüg geschildert werden , darf man nicht wörtlich nehmen, der
Atecollenusurpalor Cairbre führt den beinamen Cinncait (Cait-
chenn) 'katzenköpfig', und ein angesehener nordischer führer der
vikingerzeit Amiaib (Olaf) hat das epitheton CenncairecJi 'Schafs-
kopf (Annalen der 4 meister 931. 934. 935). in diesem sinne
sind die menschen mit köpfen von katzen, huuden und Schweinen
zu verstehen: es sind verächtliche vergleiche der abweichenden
gesichtsbildung einer anderen rasse.
Das Vorbild, wonach die der episode 5 zu gründe liegende
vvürklichkeit umgestaltet wurde , ist uns noch erhalten : es ist
die alte erzählung LU 17% 111= LL 280% 43 ff. hier wird be-
richtet, wie Elias unter dem bäume des lebens im paradies
(fochrund bethad hipardus) steht, umgeben von den seelen in
vogelgestalt; die evangelien hat er in seiner band; er öffnet sie
und predigt ihnen von den dingen am tage des gerichts. amal
dünas iarom inclerech (dafür hat LL Eli) alebor, doberat indeöin
angäir essib 7 tuargit anette riatüebaih cotöegat asrolha fola essib
218 KELTISCHE BEITRÄGE II
arömon lathe brätha 'wenn nun Eli das buch schliefst, stofsen
die Vögel ihren schrei aus und schlagen ihre flügel wider ihre
seilen, sodass ihre stiöme blutes aus ihnen fliefsen aus furcht
vor dem tage des gerichtes' LU 17', 33 ff = LL 281% 24 ff. dieser
salz findet sich sogar fast wörtlich in unserem texl: hahandside
notuairctis anenlaith uile conaneitib atoebo cosiltis ambrcenu fola
assataebuib aromnn airde mbratha 'da schlugen alle vogel mit
ihren flügeln an ihre seilen , sodass sie ihre blutströme aus ihren
seilen fliefsen liefsen aus furcht vor den zeichen des gerichts'
H. 2. 16 col. 392. mit dieser erzählung conlaminiert der verf.
einen anderen uns schon bekannten zug. in der einleitung zum
alten Imram UaCorra erfahren wir (siehe oben s. 185), dass Lochan
im iraum in den himmel geführt wird: gott ist umgeben von
den engein in vogelgeslalt, die durch gesang erfreuen; unter
diesen engein ragt ein glänzender hervor, nämlich der erzengel
Michael.
Der verf. von Imram Snedgusa schuf aus den diversis ge-
neribns mnltis nimis marinarum avium (Dicuil) auf den Fseroern
die erzählung in episode 5 und 8: an stelle des Eli war der en
mor cocind dir 7 conetib argait 'der grofse vogel mit dem köpf
von gold und den flügeln von silber', dh. Michael, getreten, und
,Elias und Enoch aus LU 17% 1 fl' (= LL 280% 43 ff) wurden nun
frei für ihre Verwendung in episode 8. das übrige von 8 liegt
in der composition gegeben.
Die zeit nun, in der Imram Snedgusa entstand, scheint mir
durch die letzte der zu betrachtenden episoden, durch 9 angedeutet :
allmaraig, die übers meer gekommen sind, ohne spur von glauben
(cen chuit irse), wie in den versen hinzugesetzt wird , halten Irland
zur hälfle unter ihrer botmäfsigkeit. es ist die zeit, in der
die invasion der Norweger und Dänen ihre gröste
ausdehnung erreicht hat, ende des 9jhs. oder lOjh.i
hiermit stimmt die spräche unseres texles durch-
aus: ich erinnere nur an die schönen accusalive plur. wie
lasnadeirchiu, frisnacleircho, branu folo, den voc. plur. a cliarcho,
an den freien gebrauch der infigierten pronomina.^
* 1014 wurde l>ei Clontarf die macht der nordleute gebrochen.
2 Stokes hat den wahrhaft tollen einfall (Revue celtique 9, 25), die
Weissagung in abschnitt 9 'to the anglo-norman invasion' zu beziehen,
also die Engländer, die mit einer bulle Hadrians iv vom jähre 1154 an der
KELTISCHE BEITRÄGE 11 219
Die tendenz der erzählung ist klar: es ist der mahurut eines
Iromnien, patriolischeu Ireu aü seine landsleule, gottes geböte
und seine lelire mehr zu beachten, damit die strafe gottes von
ihnen genommen werde, versteckte und doch allen hörern er-
kennbare hiebe auf die im lande sitzenden eroberer fallen in 4.
6. 7: sie sind ja die nachkommen der katzen-, hunds- und
schweinsköpfigen bewohner der Faeroer mit ihren mahnen wie
vierfüfsler; mancher von ihnen trug ein ähnliches beiwort in
irischem munde.
Dass aber der uns unbekannte verf. dieses pamphlets aus
dem 9 oder dem 10 jh. iür seinen mahnruf an die landsleule
die form des imram wählte, setzt die imrama als beliebte
lilteraturgattung in der damaligen zeit voraus, wie
wir ja auch kenntnis eines solchen oben s. 218 für ihn an-
nahmen.
IV. die übrigen Imramas. von den in den sachcatalogen
noch genannten ist, so viel bekannt, keiner auf uns gekommen,
über Imram luinge Murchertaig maic Erca wissen wir nichts;
Murchertach war von 504 — 526 oberkönig von Irland, aber die
annalen geben keinen anhält dafür, dass er einen imram unter-
nommen, auch Reating wüste nichts von einem solchen , da
er sich sonst nicht vollständig ausschweigen würde. — was wir
über die 4 aufgeführten (siehe s. 144) Longes wissen — er-
küste von Leiüster 1171 landeten, sollen altmaraig 'auf fremden meeren sich
umhertreibende Seeräuber', cenchuil irsi 'ohne spur von Christenglauben' ge-
nannt sein I für den ständigen gebrauch von allmaraig zur bezeichnung
der norwegischen piraten brauche ich nur auf meine ausführungen Zs. 32,
245 ff zu verweisen, und in welche zeit muss Stokes unseren text herab-
drücken , wenn er nicht würklich an eine reise irischer kleriker lebendigen
leibes in den himmel und an ihre Unterhaltung mit gott glauben will! doch
in den anfang des 13jhs. wie stimmt dazu die spräche unseres textes? es
wäre eher glaublich, dass Gottfrid von Strafsburg Otfrids Evangelienbuch
verfasst habe, als dass Imram Snedgusa im 13 jh. geschrieben sei. ich
weifs wol , was Stokes für sich anführen wird : die bemerkung über den
wedel Colum Gilles : andlu aCenandus ataside 'heutigen tages ist er in Keils'.
O'Curry hat nämlich nachgewiesen (Manuscr. mater. s. 334 ff), dass diese
reliijuie nebst anderen im jähr 1090 aus dem norden nach Keils kam. be-
achtet man aber, dass die worte dem text conidlii cuilefaid Col.C. nach-
hinken, dass die verse über die noliz von dem Vorhandensein der reliquie
in Keils nichts wissen, so ist klar, dass in einer älteren vorläge die worte
andlu aCenandus ataside beigeschrieben waren und erst durch einen copisten
in den text gerieten.
220 KELTISCHE BEITRÄGE II
halten ist nichts — , hat O'Curry, Manuscr. mal. s. 251 ff zu-
sammengestellt, lür unsere Untersuchung sind die notizen be-
langlos. — seeabenleuer kommen in der erzählung Eachua Thaidg
mic Cein vor (Book of Lismore fol. 159% I ff), durch Cathmann,
söhn desTabhurn, kOnig von Frieseuland (rl üre firailli Fresen),
waren Tadgs weih uud seine beiden brüder nebst beute weg-
geschleppt worden , und Tadg entschloss sich zu einer seeexpe-
(litiou ins Friesenland (cricha Fresen), das sich der erzähler in
der nähe Spaniens südöstlich dachte (ferunn sein fil icomair
Easpaine sairdes). auf dieser meerfahri treffen sie auf viele
abenteuer. leider gestattete mir meine beschränkte zeit im herbst
1880 nicht mehr als eine flüchtige durchsieht des textes nach
grammatischen und lexikalischen gesichtspuncten , und meine no-
tizen über den inhalt sind mir nach so vielen jähren nicht mehr
alle klar.
(Schluss folgt.)
Greiiswald, juli 1888. H. ZIMMER.
LESSING UND DER INEPTUS RELIGIOSUS.
Die reitung des Ineptus religiosus (Lachmauu vi 68. Mal-
zahn 69. Hempel xiv 1, 47) findet in Lessings gelehrter jugend-
schrift gewöhnlich die geringste beachtung. die biographen be-
gnügen sich mit der blofsen anführung (Danzel-Guhrauer i- 226}
oder mit kurzer beschreibung (Erich Schmidt i 221 f). gleichwoi
ist sie für die deutsche litteraturgeschichle und die Lessing-
forschung merkwürdig, es handelt sich darin um die Zurück-
weisung des Hamburger bibliophilen pastor Vogt (über ihn siehe
Mensel Lexikon 14, 277), der in seinem Verzeichnisse rarer
bücher (Catalogus librorum rariorum, Hamburgi 1732, 12** uö.,
jedoch erst in der 2 verm. auQ. von 1747 sub litt. 1) ein theo-
logisches schriftchen des 17 jhs. mit dem zusatz 'ein höchst seltenes
aber böses und gottloses büchlein' ('libellus summe rarus at
malus et impius') erwähnt, nach Lessiiig ist es 'ein sehr gutes
und rechtgläubiges bücheichen', sogar ein beitrag der ortho-
doxen zum synkretistenstreit, in diesem sinne macht er litterar-
historische conjecturen über den verf., in deren Oberflächlichkeit
er nur von seinem herausgeber bei Hempel übertroffen wird.
LESSmr. UND DER INEPTÜS RELIGIOSUS 221
durch die gütige vermittelung der Berlioer kgl. bibliothek hal)e
ich aus der kgl. seminarbibliothek zu Wittenberg das wol von
Lessing dort benutzte exemplar des Mibellus summe rarus' (an
dem willkürhch zum gipfelpunct der conlroverse gemachten
§ 45 findet sich mit roter feder ein anmerkungszeichen || ) ein-
sehen können und fand meine schon aus Lessings Übersetzung
der Schrift gewonnenen Vermutungen bestätigt, das schriftchen
ist weder 'ein sehr rechtgläubiges bücheichen' noch ein beitrag
zum synkretistenstreit. da es nun aber nicht, wie der heraus-
geber bei Ilempel meint, 'eine ziemlich plumpe satire', sondern
'ein sehr gutes bücheichen' ist, so dürfte es sich aus doppelten
gründen verlohnen, von litlerarhistorischer seile diesem sonder-
baren fall einer rettung vor den rettern trotz dem wenig an-
lockenden hintergrunde näher zu treten.
Lessing hat diese art 'satire' des 17jhs. ähnlich misver-
standen, wie seiner zeit noch Gervinus, der ein erzeugnis der-
selben auf lilterarischeni gebiete für das muster einer der zeit
überlegenen geifselung der damaligen schulpoesie ausgab, wäh-
rend es gerade aus dem grimmigsten lager derselben gekommen
war (vgl. meine Poetik der renaissance in Deutschland s. 297 ff),
da nun Lessing überdies damals den theologischen Verhältnissen
des ITjbs., wie das hier auch der nichtkenner alsbald heraus-
fühlt, so gegenübersteht, dass für diese zeit wenigstens die
äufserung Karl Schwarzs über Lessings relativ späte nähere be-
teiligung an der theologie ihr recht behält , so wurde es ihm
möglich, grundgedankeu und beziehungen der schrift ganz irrtüm-
lich zu bestimmen, ein dunkles gefühl hiervon hat er wol gehabt,
denn etwa die hälfle des büchleins hat er ausgelassen , weil er
wahrnehmen muste, dass sie gegen seine meinung, 'der (ortho-
doxe) verf. sage immer das gegenteil von dem, was er sagen
will', gar zu offenbar protestiere, die auslassungen befinden sich
nicht immer am Schlüsse der paragraphen , wie seine etc. an-
deuten, sondern in ihrer mitte verstreut, § 7 sogar am anfang.
wir lassen sie in folgendem selbst sprechen, indem wir auch
solche von Lessiug übersetzte stellen einmischen, deren original
in diesem sinne abweicht und die zugleich für das ganze be-
deutungsvoll sind. sie sind durch gesperrten druck hervor-
gehoben.
1. ... Ecmt alii per sahbras, faciant per gyros iter, f'atigent
222 LESSING UND DER INEPTUS RELIGIOSÜS
cerebri vertiginem ; miseri Uli tiesciunt quid sibi quid hodierno seculo
debeant ; etiam frugibus inventis glande vesci cupiunt et cythera
(cythara) reperta utrem amant.
2. ... Olim forte et apud seculum prius servitutem hanc
servire coacti sumus. . . .
3. ... sie multi horrent ea et metuunt quae pueriliter me-
tuenda credunt. est et haec multorum laborum causa quod me-
liorem viam ignorent.
4. ... Qtii ante nos fuerunt non Domini sed Duces nostri
fuenmt. sequendi sunt, si modo rede praecesserint , dicit alicubi
Seneca.
5. ... quisquis suos patiemur manes. doctum hodie seculum
est praesertim quia tanta tamque opportuna librorum copia est. . .
loquendi certe et respondendi promptitudine multis parasangis saepe
eos antecedunt (nämlich weltleute die schulgelehrlen). olim forte
eruditio aptid solos doctos fuit , Monachortim ventres sali sapientes
habiti, Musae in solis Academiis habitarunt , sed haec seculi
labes erat.
7. Quanto igitur satius est cum hominibus integris sensibus
integroque judidio praeditis conversari. hos dixi, iterumque dico
esse qui domi sunt educati, simplicis candidique pectoris qiii rem
cere pensitant de qua loquuntur quibus sive veritas sive falsitas
nee damno est nee lucro denique qui non didicerunt sophisticandi
et syllogizandi artes. erst hier selzl Lessings iihersetzung des
§ 7 ein.
8. ... Penetrabit in pectus quod ex penetralibus pectoris
prodiit. sed nee tarnen ex cuius quamvis eloquentissimi sapientia
omnia te discere puto. ita tuum ingenium subactius fiet, si cum
multis . . . conversaberis.
9. ... Quid est sapientia sine animo\^ optimus ille et ge-
nerosus nihil timide agit nee temere. sitae scientiae confisa mens
persuadet sibi se scire quod seit et se aestimat praebetque se aesti-
mandum. quomodo in mari stat rupes nee ad ßuctuum ventorum-
que impetum cedit ; ita ille ad hominum aliornm nutus fkcti nescit.
10. ... Magnanimitatem dico quae opponitur pusillae menti,
qua hodie premuntur quotquot se sublevare nolunt (lies : volunt). . . .
haec minutias Grammaticorum videt, Dialecticorum ineptias con-
temnit. haec ad veterum placita , praejudicata, pacta et sanctiones
non stupet.
LESSING UND DER INEPTUS RELIGIOSUS 223
11. ... ipsa etiam Scriptnra teste (nämlich: können
wir fehlen), denique nimis abjectum atqne humile est in unius
castris milüare quippe hoc jam publice et vulgo fit. a vulgi autem
studiis, qui vir est, abhorret atque abslinet.
13. . . . Est genus prudentiae alios etiam aestimare nee
prorsus despicere. ultra monles etiam habitare homines, dicunt
Germani. humiles illae mentes sunt, quae extra pomoeria nihil
sapienliae esse putant. illa anathemisatio fons et radix est bel-
lorum et discordiarum omnium.
15. ... Mira autem res est, homines putare talia ut sunt
Adiaphora , id est, quae salva ßde omitti aut teneri possunt eos-
que tarnen mordicus ea observare.
17. ... Saepe cervam putat esse Minervani et ranam üianam
(nämhch: der überstudierte), quid obstat quo minus talia apud
te ipsum conciliare possis; praesertim si animum attenderis?
18. ... Sunt Biblia animi pharmaca ut S. Pater ille ait.
0 si [ad] animo tuo imprimere possem , ut Commentatores et Glos-
satores fugeres et Scripturam solam legeres, quam esses beatusl
vere dico nemo hodie sine praejudicio ad commentandum accedit.
19. ... Habes in Bibliis omnia. . . . quicquid ex praescripto
facimus, coacti facinms: nullum autem violentum et coactum
Deo est gratum.
20. . . . Ellipses et Hiatus saepe sunt in orationibus Sancto-
rum. . . . sie vero in lalibus esse te velim, plurimum ut tibi
credas nee cuiquam satis confidas ut monuit Plinius.
21. Quis veterum talia verba somniavit? (nämlich haeccei-
tates, enteitates und ähnliche scholastische ausdrücke.) vel ex
hoc uno argumento disce quam declinemus hodie a vetustate et
veritate. . . . adeo enim vitiis innutriti sumus, ut vitia virtutes
putemus. nee quicquam se docte scribere putat nisi tenebris plus
quam Cimmeriis omnia involvat et a sui lectione simplices abs-
terreat.
23. ... Neque ego dum elegans dico, intelligo Rhetorculorum
quorundam ineptias qui nil nisi docte lascivire ut Fabius ait et
altas Metaphoras fundere nil nisi obsoleta et arguta verba dicere
queunt: sed proprium constantem et facilem intelligo stylum qui
sine offensione liquidissimi fluminis instar labitur qui periodis bene
sonantibus claudit'ur qualis veterum fuit qui Ciceronis aevo quam
convenientissimus est. hac laude excellunt Arminianorum libri. . . .
224 LESSING UND DER INEPTUS REIJGIOSÜS
hör um vestigia panci moderni piemunl. primum antem animi
constantis mdicimn est apte loqui. fit et plerumque nt qui optime
loquuntur optime sentiant. quid vero sapientiae speres ex iis qui
nequidem loqui mit scribere didicerunt? quid constantiae requiras
qui desultorio orationis genere utentes ne constantem quidem periodum
absolvere possunt? quid sunt homines qui sine delectu verborum
qnicquid in buccam venit scrihunt? qui Haecceitates et Enteitates
crepant? denique in quorum sermone ne mica quidem salis est?
24. ... Modestia certa illa bonae et compositae mentis socio.
Videos quosdam adeo immodestos ut slomachari, bilem effundere,
adversarium mendacem, truncum, asinum, vejovem appellare; adeo
inverecundos ut ad stercora et obscaeniora eum ablegare nulla sit
religio, ex hoc autem ungue leonem nosce! qui dissentientem ferre
non potest , qui protinus damnat et ad orcum detrudit, hie niger
est, hunc tu Romane caveto! tuus autem scriptor mitis sit man-
suetus et clemens qui memor Christianae charitatis, memor dicti
Salvatoris: nolite judicare, memor praecepti Paulini: si quis est
contentiosior inter vos, nos consuetudinem illam non habemus
neque Ecclesia Bei.
25. . . . Fax optima verum qua(quam) homini novisse
datum est. . . .
26. . . . Affectuum motus impedit animum ne possit cernere
verum. . . . praeceptum hoc non est Aristotelis sed majoris cujus-
dam: sit sermo vester Est Est. Non Non; quid super est, a
malo est.
27. ... Optimus liber est qui spiritu libero et stylo heroico
compositus. omnis ars suspecta res est. scriptores qui omnium
accuratissime se scribere Simulant, omnium maxime fallunt.
28. ... Vel ex hoc solo indicio constat quam minime veri-
tatem ferre mundus possit. plus quam Papistica tyrannis est, in
libera Republica prohibere libros edi et vendi. miraque seculi est
patientia, quae talia aequo animo ferre potest.
31. ... regulae breves . . . quas si observaberis scopum
quem tibi fixisti lange felicius attingas.
32. . . . Nova autem et majora fac ut aucuperis. quemad-
modum nemo vir puerilem induit togam, ita nee fas nee jus est
ut nugas pueriles immisceas virili aetate.
33. ... Semper tibi in ore sit etc. Pontificis Romani aulo-
ritas competens, potestatis civilis et Ecclesiasticae differentia et
LESSING UND DER INEPTUS RELIGIOSUS 225
similia. . . . nunquam tarnen etiam periculosissimas et profundis-
simas quaestiones fugias. qnomodo enim miles qui in praecipitio
et periculosissima acie parte solitns ad majorem fortitudinem majus-
que rohur succrescit quam is qui post principia latet: ita in ven-
tilandis operosissimis animosior et fortior evades, quam si ad quae-
stiones parvas et humiles te dimittas.
35. ... Nullius etiam conspectitm fugito, sive Abbas sit sive
Praelatus, in ejus fadem verum et rectum quod videbitur, in-
stanter eloquere. . . . nee in popin a qui dem aut caupona
consideas sine studio discendi et docendi. nulla dies
nullus locus sit sine linea.
36. . . . Aciiit etiam discursus Judicium et äuget experientiam.
frigidi hominis est ad audita omnia tacere.
37. . . . Est enim quod ingeniosissimi optimi et
doctissimi viri m.ala plurima frequenter ex invidia
patiantur. intelliges autem ex eorum sermonibus quare odio
habeantur; nimirum quod aliis hircum mulgentibus ipsi cribrum
supponere nolint , quod amarani veritatem profiteamur (! pro-
fiteantur?) quod singularem eruditionem sectentur, denique soda-
libus et amicis destituantur.
38. ... Saepe quo minime credis gurgite piscis erit , semper
itaque tibi pendeat hamus.
39. . . . Falsa plerumque sub involucris verborum praeferri
solent: contra veritas amat intelligi.
40. Hac una virtute (sc. placabilitate) omnibus iis major eris
quorum abjecta et plus quam terrestria ingenia humi serpunt et
sui ventris privata commoda publicae tranquillitati hoc tempore
praepommt: sacerdotulos dico et Theologulos qui incendia et vul-
nera publica ahmt atque augent. o ferrea pectora quae litibus
Ulis et dissidiis delectantur et modum irarum ponere nesciunt.
Theologi sunt homines morosi , dif fidles obstinati, ut jamdudum
fassus Sleidanus Historicns : si adhiberentur htiic rei homines mites
et pacifid longe felidor successus sperari posset.
41. Vetera omnia et usitata tibi sordeant. ridetur chorda
qui semper oberrat eadem.
42. ... Saepe ex imbeciUitate humana utrinque peccatum
est. ... terminis etiam scholasticis solum inter se saepenumero
pugnant.
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 15
226 LESSING UND DER INEPTUS RELIGIOSUS
50. ... Tandem si in articulis fulei perfectns jam dis-
putator fueris, in statum publicum inquirere etc.
51. ... Saepe rogare rogata teuere, retenta docere
Haec tritt discipulmn facrunt superare magistrum.
52. . . , Maledictus est qui florem aetatis Diabolo et foecem
Deo consecrat. ne suspendeas itaque Judicium de talihus ad seram
iisque senectutem, uhi aliud habes qnod agas. periculosa etiam.
mora est. vigent in juventute mens et senstis omnia: contra
in senio
Sanguis hebet frigentque effoetae in corpore vires.
Wer diese ratschlage und Warnungen eines deutschen theo-
logen des 17 jhs. getrennt liest, der wird sie sehr angebracht
finden, der autor hat Bacon gelesen und macht eine dec frühesten
anwendungen der 'instauratio magna' auf die deutsche theologie.
hält er sie mit den übrigen ausführungen zusammen, so wird er
vielleicht zu der ansieht des 'herrn Harenberg in der vermischten
Hamburgischen bibliothek' (i!i581) gelangen, von der Lessing mit
unrecht den pastor Vogt abweichen lässt: dass man nämlich nicht
wisse, ob der autor im ernst oder im spott rede, denn Vogt
hat nicht unterlassen, die siguatur des von ihm benutzten exemplares
in seine beschreibung des büchleins aufzunehmen, aus der das-
selbe erhellt, nämlich folgende worte des Erasmus: mente cares
si res tibi agitur seria: rursus fronte cares, si sie ludis amice
Faber. aus dieser nachträglichen anführung am Schlüsse seines
beweises scheint auch hervorzugehen, dass Lessing mit dem när-
rischen theologen schliefslich nicht viel mehr anzufangen gewust
hat, als die beiden Hamburger gelehrten. ^ das rätsei löst sich
aber sehr bald und sehr einfach, wenn man die schrift nicht für
sich allein, sondern litterarhistorisch betrachtet, denn sie steht
durchaus nicht allein, sondern hat in ihrem Jahrhundert viele
Schwestern, und nur das eine ist dabei rätselhaft, wie eine so
* es scheint auch nicht, als ob 'herrn Vogt' die Lessingsche Interpretation
eingeleuchtet hat. zum mindesten 'hat es ihm nicht gefallen — wie Lessing
ihn auffordert — , sich in einer neuen ausgäbe seines Verzeichnisses darüber
zu erklären.' erst in der lange nach seinem tode — von dem cand. Krucken-
burg zu Nürnberg — herausgegebenen, stark vermehrten ausgäbe findet man
nach dem unveränderten urteil die magere noliz: 'Adde Lessings kl. sehr,
p. m und 83.' dagegen hat ein Lessingverehrer in das Berliner exemplar
fast den ganzen Lessingschen beweis mit vielfachen Übertreibungen einge-
tragen.
LESSING UND DER INEPTÜS RELIGIOSUS 22/
verbreitete lilterarische mode, als die 'burleske Schreibart* um die
mitte des 17 jhs. ist, den gelehrten um die mitte des achtzehnten
schon völlig unverständlich sein konnte, um so mehr als ihre
letzten ausläufer noch fast bis an sie heranreichen, denn nach
der manier der Deutschen, fremde moden tot zu hetzen, findet
sich, hier in dem unausstehlichen Jargon der VVeiseaner noch
im 18 jh. die burleske conserviert. damals war sie neu und die
Schriftsteller, die sich ihrer bedienten , noch nicht so geschmack-
los, ganz schulmäfsigen Unterricht in diese angemessene form
zu packen, wol aber benutzte man sie zu anscheinend harmloser
Verbreitung von Wahrheiten , einfallen , ausstellungen , die sich im
nüchternen ernst nicht hervortrauten, die beziehung einiger
gelehrter dieses Zeitalters zu den früheren hofnarren hat bereits
Gervinus angemerkt, das sehr einfache mittel besteht hier wie
beim clown des theaters darin, durch fortwährende, ganz un-
vermutete einstreuung von schnurren, gemeinplätzen, sprichwört-
lichen redensarten, verkehrten ratschlagen, die sofort an der
Übertreibung oder zwecklosigkeit kenntlich sind, niemals den
gedanken aufkommen zu lassen, dass man im ernst rede, aber
man redet im ernst und derselbe bricht zur bekräftigung stellen-
weise ganz nackt durch, ein exemplar dieser gattung haben
wir nun auch in unserem Ineptus religiosus vor uns.
Seine wahre meinung ist demnach unschwer zu erkennen,
besonders im original, wo der derb zufahrende ton der Lessing-
schen Übersetzung wegfällt, seine ratschlage, die sich als ver-
kehrt geben, sind sehr oft ernst gemeint, er warnt vor schul-
knechtschaft, grillenfängerei, Scholastik, willkürlicher, endloser
und zänkischer bibelauslegung. welcher 'orthodoxe' könnte sich
damals in dieser weise blofsstellen ! andererseits trifft er secten-
wesen und ä-la-mode-theologie, jedoch gutmütig und ohne partei-
leidenschaft. seine mahnungen zu Selbständigkeit, weitverkehr,
Verständlichkeit sind damals zu selten und zu wol angebracht,
um sie nicht in obigem sinne als närrischen ernst zu nehmen.
Mit dem synkretistenstreit (vgl. zwei neuere Schriften, die
ihn von verschiedenen standpuncten darstellen, von HSchmid,
Erlangen 1846, und HGass, Breslau 1846, sowie die betr. artikel
von Henze und Tholuck in Herzog-Plitts Realencyklopädie) kann
das büchlein nichts zu tun haben, die Schriften , welche in
diesem streit gewechselt wurden, haben alle bestimmte motive,
15*
228 LESSING UND DER INEPTÜS RELIGIOSUS
von denen keines hier auch nur anklingt, unter den secten-
namen in 16 und 21 dürften die 'Sündechristen' nicht fehlen,
an ausbeute für einen 'ineplus religiosus' hätte es wahrlich nicht
gemangelt (vgl. Arnold, Kirchen- und ketzerhistorie ii 147). aber
die Schrift mit ihrer durchgehenden Zugrundelegung englischer
und holländischer religionsverhältnisse weist entschieden nach
dem nordwesten , während der synkretistenstreit in Mitteldeutsch-
land und dem äufsersten nordosten , wesentlich im damaligen
Brandenburg-Preufsen tobt, Helmstädt, Wittenberg, Königsberg
sind die herde, die länder des grofsen kurfürsten, der 'die syn-
kretisten begünstigte — den 'seelenmörder seines Volkes' nennt ihn
Calovius, Historia syncretistica s.839 — , der eigentliche Schauplatz
des kampfes, hauptargument gegen Lessings annähme sind die
manigfachen anspielungen der schrift auf wütenden antikatho-
licismus (14, 33). den synkretisten wie allen unionisten des
17 jhs. wurde von den strengen reformierten und lutheranern
gerade hinneigung zum pabsttum, ja kryptokatholicismus vor-
geworfen, trotz alle dem findet sich aber wider nicht der ge-
ringste grund, den autor auf synkretistischer seite zu suchen.
Lessings meinung, der § 21 mit seinen ausfällen gegen den
scholastischen betrieb der theologie (die nebenbei überhaupt kern
des buches sind) richte sich gegen den Helmslädter Superinten-
denten Hoffmann und dessen 'hass gegen die weltweisheit' (wäh-
rend diese tendenz damals in der zeit des aufblühenden Jansenismus
geradezu in der luft liegt), zeigt am deutlichsten seine damalige
geringe Vertrautheit mit den Verhältnissen, auch die ein wenig
lieblose hineinziehung Jacob Böhmes, von dem man erst gegen
ende des jhs. uotiz zu nehmen begann, ist ein solches parade-
stück , wie bereits Erich Schmidt aao. 222 tadelnd angemerkt hat.
die schrift ist ein ganz unschulmäfsiges, rein litterarisches er-
zeugnis. ihre abfassungszeit nach dem erscheinungsjahr bestimmen
zu wollen , wäre voreilig, gerade solche erzeugnisse waren da-
mals meist nur für einen engen kreis bestimmt und wurden ge-
legentlich wider wissen und willen der autoren gedruckt, die
idee des 1. r. stammt offenbar aus einer zeit, in der von syn-
kretisten noch gar nicht die rede war, sie wendet sich nach
Holland und England (siehe das prooemium) und handelt zumeist
von remonstranten und contraremonstranten (11.30), deren kämpfe
in das zweite und dritte Jahrzehnt des 17 jhs, fallen, unionisten
LESSING UND DER INEPTÜS RELIGIOSUS 229
(siehe Barlaeus § 13, Hugo Grotius und andere irenistische
autoren der 'religio Grotiana' § 30) gab es schon lange vor dem
synkretistenstreif. nun glaube ich aber einen chronologischen
anhaltspunct gefunden zu haben, der die abfassung des büchleins
würklich vor jenes erste kriegsjahr des synkretistenslreits rückt,
es heifst § 30 in merkwürdig persönlicher und familiärer weise
von Hugo Grotius: 'weiches buch (nämlich die Religio medici
des Thomas Brown) Hugo besonders wegen der reinheit seiner
Schreibart vielen anzupreisen pflegte.' Lessing meint, Grotius
könne dies buch gar nicht gekannt haben, da es 'eigentlich
englisch geschrieben' und die lateinische Übersetzung erst nach
Grotius tode herausgekommen sei. allein seine glänzende bücher-
kenntnis hat ihn hier im stich gelassen, er denkt off'enbar an
die Strafsburger ausgäbe dieses philosophen für die weit des
17 jhs. mit den anmerkungen von L. N. M. E. N. (Levin Nicolaus
von Moltke siehe Placcius, Theatrum anonymorum s. 26), Strafs-
burg 1652, während gerade die Leydener ausgäbe der lat. Über-
setzung von John Merry Weather mit den anmerkungen von
Kenelm Digby, welche das buch erst berühmt machte, 1644 er-
schien, dies könnte das buch sein, auf welches sich Grotius in
nr 699 der familienbriefe (s. 965 der Amsterdamer folio-ausgabe
von 1687) als eben übersendet bezieht mit dem urteil: Scribü
etiam latinius etc. admiscet dicta quaedam elegantiora . . . (vgl.
Conringii epistolae in Opp. p. vi 559). Grotius starb am 18. 8.
1645. auf jener verhängnisvollen reise nach Stockholm zur
leitung der regierung einer launischen königin, von der zurück-
kehrend er an der deutschen küste einen plötzlichen, einsamen
tod fand, hatte Grotius Hamburg berührt, dort war ihm von
dem holländischen gesandten DSchrasvius ein glänzender empfang
bereitet worden (siehe Epist. nr 1760 aao. s. 749). er war in
Deutschland gerade damals sehr populär, der autor unseres
büchleins könnte sich also sehr wol auf Hamburger aussprüche
des kürzlich verstorbenen beziehen, nun weist aber die schrift
durchaus auf Hamburg, denn 1) bezieht sie sich auf die Ver-
hältnisse einer libera respnblica (28) im gegensatz zu jeder
monarchie (50). dass dieselbe volkreich und geistig regsam ist,
erhellt aus dem ganzen, die leichtigkeit des litterarischen Ver-
kehrs wird § 30 besonders angemerkt. Hamburger gelehrte sind
es ferner, die sich um das büchlein bemühen (Harenberg und
230 LESSING UND DER INEPTÜS RELIGIOSUS
Vogt), wie wenn wir nun auch einen Hamburger Schriftsteller
als seinen verf. nachweisen könnten!
Der autor zeichnet mit M. J. S. in dem M. wird man mit
Lessing das gewöhnliche 'magister' zu sehen haben, an den
nahezu ein meuschenalter jüngeren 'atheislen' Johann Steller
aber hätte Lessing für sein 'orthodoxes bUchelchen' überhaupt
nicht denken dürfen, auch Josua Schwarz (holsteinischer general-
superintendent f 1709) hat Lessing nur aufs gerate wol auf-
gestellt, da er von den 'holsteinschen troublen' dieses ortho-
doxen declaranten, die schon ins 18 jh. fallen (vgl. Moller,
Cimbria litterata ii 825) vielleicht in seiner Jugend noch reden
gehört, tatsächlich war dieser Josua Schwarz 1652 erst 20 jähr
alt und bezog eben die Universität, gänzlich verfehlt ist es auch,
wenn von dem herausgeber Lessings bei Hempel der Witten-
berger Professor Job, Scharf herangezogen wurde, das 'scherflein'
im synkrelistenstreite — HSchmid s. 103 nennt ihn den 'unge-
schicktesten der gegner des Calixt' — , dessen geistesgaben der
studentenvvitz mit den Worten characterisierte: Schar fius interdum
Stumpßus esse solet (Arnold aao. ii 149). seine mageren Schriften
sind unter dem durchschnitt stehende ansammluugen theologischer
loci, überhaupt kommen nicht allzu viele der damaligen deutschen
autoren bei dieser mindestens durchaus individuellen schrift in
frage, unter diesen aber bietet sich bei erwägung aller um-
stände mit nahezu an gewisheit gränzender Wahrscheinlichkeit
für M. J. S. magister Johannes Schuppius dar.
Schuppius ist in Deutschland der erflnder und während des
ganzen jhs. der classische Vertreter des oben beschriebenen bur-
lesken Stiles, seine Schriften De opinione, De nihilo, De lana
caprina ua. teilen genau den oben beschriebenen character unserer
schrift. in seinem lueptus orator (Marburg 1638, bis 1642 dreimal
aufgelegt und nachgedruckt, alsdann von Kindermaon ins deutsche
übersetzt in den gesammtausgaben) liegt alsbald das directe Vor-
bild für den Ineptus religiosus vor. die schrift ist zusammen-
gesetzt aus wörtlichen und sachlichen parallelen nicht blofs mit
dieser, sondern mit allen echt Schuppischen schritten, über die
eine specialunlersuchung sehr am platze wäre, nur die haupt-
sächlichsten können wir, um diese Untersuchung nicht über
gebür auszudehnen, anführen, der Ineptus orator (siehe ed. m,
Marpurgi 1642, s. 10) stellt sich dem De oratore des Cicero
LESSING UND DER INEPTUS RELIGIOSUS 231
gegenüber (Librum hunc ad Garamantos et Indos relegate), er-
ledigt aber gleich wol ganz ernsthalt (s. 14 If) die damaligea 06-
jectiones contra Rhetoricam, gegen qiüdam solidae eloquentiae
sicarii und schildert s. 16 den vernünftigen stil bei den theo-
logen (sermonis elegantiam cum verum e limpidissimis Israelis
fontibus petüarum majestate). vgl. damit I. rel. § 23 über den
elegans sermo, qui sine offensione limpidissimi ßuminis instar la-
bitur. dagegen nun die Rhetorum scholasticorum ineptiae quibus
hodie juvenes scholis fatigantur (anhang iii zum I. or. aao. s. 33),
die haecceitates , Johanneitales (ebd. s. 16. die Spöttereien über
diese scholastische ausdrücke, die praedicamenta essentiae (Scbr.^
w 133), kehren bei Schupp lortwährend wider) im vergleich mit
den §§ 10 und 23 des I. rel. schriftsteiler, in quorum sermone
ne mica quidem salis est (1, rel. § 23), quibus salarium vix sal
suppeditavit (I. or. s. 19), qui sine delectu verborum quicquid in
buccam venit scribnnt (l. rel. § 23) , tu die quid in buccam venit
(I. or. s. 10). Ex tempore tarnen ad quaevis respondere assuesce.
omne ingenium magnum est extemporaneum (1. rel. § 41), omnia
quae profers die esse extemporanea (I. or. s. 10). der ratschlag
des I. rel. § 44: si collocutor quidam acutior erit , vide ut sal-
sum dicterium in promptu habeas , qiiod isti vulpeculae scholaslicae
in barbam injicias. poterit et haec responsio tibi prodesse, quod
(1. quam) collocutor non intelligat etc. certum est multos homines
quaedam loqui quae ipsi non intelligant usw. entspricht sachlich
genau dem des I. or. s. 10: si verborum penuria aegrotas pro-
tinus finge verba pro arbitrio tuo. si barbarismus aut soloecis-
mus exciderit confestim in promptu sit nomen poetae alicmus vel
scriptoris alius qui nee est nee fuit unquam in rerum natura,
cita . . . qui aut non sunt in omnium manu aut non in omnium
mente usw. zu dem ratschlag, sich bescheiden auszudrücken,
exempli gratia sehr fein vnd wol redet Piaton usw. I. or. s. 1 1
halte man den § 43 des I. rel. die ampullae ex Amadiso sive
ex Arcadia comitissae de Pembroek petitae I. or. s. 13 spiegeln
sich in der gleichfalls ironischen behandlung dieser lectüre I.
rel. § 20. die sorge um die äufsere ausstattung der bücher I.
or. s. 14. I. rel. § 27. zu I. rel. § 5 Loquentibus nostris pueris
Tidlius ipse si viveret tacere cogeretur vgl. I. or. s. 18, wo die
Schüler jetzt Cicero übertreffen , weil dieser das florilegium Langii
et theatrum Zwingeri et magnum illud opus Reyerlingii entbehrt
232 LESSING UND DER INEPTUS RELIGIOSUS
habe, die aus ernst und scherz zusammengesetzte erhebung der
librorum copia des Zeitalters in § 5 entspricht dem scribacissimum
seculuni uhi steriles concipiunt, ubi eunuchi gignunt et nemo ca-
caturiens se cohibere potest I. or. s. 14. auch das Dixi seines
Schlusses hat der I. rel. mit I. or. (s. 14) gemein, zeigt sich
bis hierher der I. or., was von vorn herein wahrscheinlich ist,
nur als Vorbild des I. rel., so vervollständigen die beziehungen
zu den übrigen Schriften Schupps unseren beweis, besonders
eigentümlich ist Schupp der kämpf gegen die falsche academische
erziehung, die überflüssigen disputationen, gegen den scholasti-
schen hochmut, der auch den I. rel. kennzeichnet, 'es ist nicht
alle weifsheit an Universitäten gebunden' ist das thema einer
langen ausführung im Unterrichteten Studenten (Sehr. anh. 407 f)
wie I. rel. § 5 Musae in solis Academiis habitarunt. in denselben
ausdrücken wird darüber gespottet I. rel. § 37 aliis hircum mul-
gentibus ipsi cribrum supponere nolint. De lana caprina (Volumen
orationum, Giessae 1656, i 50) cum hircum mulgenti cribrum
supponeret. I. rel. § 1 cythara reperta utrem amant, I. or. (s. 14)
utrem pro cithara gaudet habere (Midas), ego non. sub invo-
lucris verborum (1. rel. § 39) , sub involucris fabularwn (Proteus,
Vol. or. 11 109). die heilige schrift mit andacht lesen (Schr.^
II 171) und den katechismus recht verstehen , gibt einen besseren
prediger als alle gelehrsamkeit und 'subtilitäten' (Bonus Cateche-
ticns est bonns Theologus Gedenke dran Hamburg, Schr.^ i 184 f.
ein färber auf der kanzel der lutherischen gemeinde m Holland
ward von baronen, candidaten etc. verlacht, dass er kein latein
und disputiren verstünde , hat doch die bibel recht verstanden usw.
Teutsch. lehrmeister, Schr.^ ii 64). dazu I. rel. § 8. 20. 32. zu
§§ 7 und 8 vgl. Geistlicher Spaziergang aao. ii 292 und irren
sich diejenigen weit , welche durch das wort pöfel nur die gemeinen
lente verstehen: durch die weisen aber grofse herren und gelehrte,
der pöfel findet sich in allen ständen und gesellschaften , ferner
I. or. (aao. s. 10), wo ein pastor sich von einem alten weihe
rats erholt, der theologische standpunct Schupps ist demnach
genau der des I. rel. er ist durchaus gutgläubig, er eifert
(Regentenspiegel aao. i 99) gegen bücher, welche heuligen tages in
Italien und England von gottlosen spargirt werden, deren namen
ich nicht nennen mag, welche den teufel einen reuterdienst thun und
viel dubia moviren aber nicht salviren und unter andern fragen
LESSING UND DER INEPTUS RELIGIOSUS 233
ob die seel unsterblich sey? an polygamia etiam m novo testamento
Sit licita usw. (vgl. 1. rel. § 45), gegen die 'Photioianer', die
teufelskinder in Polen (Socinianer, siehe Corinna, die ehrbare
hure aao. i 455), lächelt über die kalhoUken, welche die zeit der
strafen im legefeuer mit der clepsydra messen, und über der
Calvinisten in Holland gezänk über das liberum arbitrium, quod
hämo etiam in civilibus non habet (De opinione. Vol. or. i 31
Facile crediderim maritos ibi perdidisse liberum arbitrium. sed
uxores eorum adhuc habent arbitrium non modo liberum, sed
liberrimum, wozu auch der § 8 des I. rel. zu vgl.), aber er
ist kein 'orthodoxer.' er rühmt den Calixt (Bekehrter ritter Florian,
Schr.^ n 6. 17) und stellt ihn als ein muster hin, wie man theo-
logische bildung durch den verkehr in der grofsen weit erweitern
könne, allerdings vor der exponierung des Calixt im synkretisten-
streite. er hebt die Religio medici mit den anm. des herrn
vMoltke besonders hervor (Regentsp. 132), kennt Bacon (siehe
die ganze für die geschichte der deutschen nationalükonomie nicht
unmerkwUrdige abhandlung De arte ditescendi, Vol. or. ii 13611),
Bruno (I. or. s. 14, daher Brunonistae § 16 nicht mit Lessing
durch die für den continent bedeutungslose englische quäker-
secte der Brownisten — der L rel. schreibt sonst richtig Brounius
§30 — widerzugeben wäre) und, wie es § 17 des L rel. aller-
dings den anschein hat, bereits den Cartesius: dh. der L rel.
macht den eindruck — siehe auch § 3 — , als habe sein verf.
den Discours sur la möthode, Leyden 1637, gelesen, ob er
von Descartes dabei etwas wüste, ist bei dem bekannten lebens-
incognito dieses philosophen mindestens sehr fraglich, obwol
gerade Schupps aufentbalt in Holland zu anfang der dreifsiger
jähre bereits mit der holländischen eremitage des Cartesius — seit
1629 — zusammenfällt, keinesfalls kann jedoch der L rel., wie
Lessing meint, 'die anwendung der Cartesischen philosophie in
der gottesgelahrtheit anstechen', da auch diese erscheinung erst
in die zweite hälfte des jhs. fällt, wie der l. rel. in dem von
Lessing fälschlich in seinem sinne ausgebeuteten Augustinischen
nachwort verbreitet sich Schupp öfters über den nutzen dieser
scheinbar leichtfertigen schriftstellerei (siehe besonders die nach-
schrift zum Regentsp. aao. i 144). und seinen standpunct spricht
er dabei klar und deutlich, genau in dem von uns dem L rel.
zugesprochenen sinne, aus in der Corinna (aao. i 468): ich be-
234 LESSING UND DER INEPTÜS RELIGIOSUS
kenne dass dieses secnlum solcher art zu schreiben erfordere, denn
die weit ist voll pharisäer und sadducäer, vgl. aao. i 275.
Die ioDereu gründe sprechen also überwiegend für Schupps
Verfasserschaft, aber es fehlt auch nicht an äufseren, erstens
ist, wie bereits hervorgehoben, die beslimmung von Schupps
werken überhaupt unsicher, schon bald nach seinem tode er-
hoben sich bei den edilionen derselben heftige kämpfe wegen
dieses punctes (siehe Moller, Cirabria litlerata ii 803). die mit
seinem willen herausgekommenen sind stets ohne seinen namen
(vgl. dazu 1. rel. § 28), zumeist pseudonym Antenor, Mellilambius,
Ehrenhold, Philander, siehe Placcius aao. 1829. 1858 a. 1913).
er selbst beklagt sich über unberechtigte drucker und zwar in
so heftiger weise, als sei ihm nicht blofs pecuniärer schaden
daraus erwachsen, auch die beiden Sammlungen seiner grösten-
teils in dem oben beschriebenen stile gehaltenen Marburger uni-
versitätsreden (die meist für Studenten ausgearbeitet sind oder
für paucae eruditae aures nachwort zum I. or. aao. s. 26) , Gies-
sae 1658 4^, Marpurgi 1655 12», scheinen ohne sein wissen ver-
öffentlicht, wenigstens heifst es in der ersteren ii 27 Sequentia
Äuthoris (so) Programmata qui ad scopum Orationis huius col-
liniare videbantur adjungere voluit Typ ographus. reliqua . .
non fuerunt ad manusl vgl. Der unterrichtete Student anh. zu
Sehr." 394 es hat Vulpius zu Giefsen ein volumen Orationum
drucken lassen wider meinen willen und gar vitiosissime. könnte
nicht also auch dies für paucae eruditae aures bestimmte werk (das
mit seinen unzusammenhängenden absätzen — denn es sind keine
Paragraphen wie in Lessings widergabe — und grammatischen
verstöfsen ganz den eindruck eines nachgeschriebenen auszugs
macht) in dem dafür sehr geeignet scheinenden jähre von einem
speculativen buchhändler veröffentlicht worden sein! und wie
wäre seine auffallende Seltenheit und Verborgenheit zu erklären —
da es weder für die damalige zeit so nichtig ist noch auch con-
fisciert wurde, wofür seine erhaltung in Wittenberg genugsam
spricht — , wenn es nicht aufgekauft worden ist! dies in solchen
fällen einzig würksame gegenmittel, welches Schupp bei seinen
politischen Verbindungen wol in anwendung bringen konnte,
bietet sich als erklärungsmittel von selbst dar. gerade die an-
deutung des autornamens könnte auf ein derartiges buchhändler-
stückchen weisen; sie machte den berühmten 'tractätgenverfasser'
LESSING UND DER INEPTÜS RELIGIOSUS 235
so weit keüntiich, als es die unrechtmäfsigkeit des Verfahrens
erlaubte, als drSchuppius schlechthin war der professor, rat und
spätere prediger an SJacob berufen (vgl. Calender Sehr.* 529 f) ;
er war auf seinen magistertitel (siehe Freund in der not, Schr,^
268) kaum weniger stolz als Lessing auf den seinen (Antiquarische
br. 57). dass Schupp grund hatte, in seiner Stellung als Ham-
burger prediger (seit 1649) die Veröffentlichung zu scheuen, ist
nicht blofs von selbst klar, sondern wird noch durch folgende,
für uns sehr merkwürdige umstände näher beleuchtet, den be-
rühmten 'tractätgenschreiber' empfieng nämlich in Hamburg nicht
blofs eine überfüllte kirche, sondern, wie das alsdann natürlich
ist, auch coUegiale eifersucht. dieselbe verfolgte ihn nicht blofs
bis in das innerste heiligtum seines privatlebens (sogar sein etwas
starkes tabakrauchen wurde ihm zum schwarzen verbrechen ge-
stempelt), sondern machte sich auch mit hämischen angriffen an
seine öffentliche würksamkeit. die gegen Schupp gerichteten pas-
quille gestatten den schönsten einblick in das, was man damals
in Deutschland Öffentlichkeit nannte, die söhne Schupps haben
sich die nachweit dadurch verpQichtet, dass sie als beste recht-
fertigung die beiden hauptsächlichsten der ausgäbe der Schriften
ihres vaters (Hanau 1663) beifügten, die eine, von einem pseu-
donymus, in quem itidem (identident) sed frustra inquirebatur
(Moller II 147), wurde vom Hamburgischen miuisterium confisciert,
erschien aber zu Schupps grofser erbilterung (siehe Ehrenrettung,
Sehr.* 685 f) widerum in Süddeutschland, den autor wird man
wol mit Schupp (Sehr.* 980) in einem hochtrabenden pharisäischen
mückenseiger suchen dürfen, welcher vermeinet, dass er lux mundi
sey und wenn er nicht leucht so rnüss jedermann im fmstern
sitzen, dh. (vgl. Placcius ii 147) in Schupps Hamburger coUegen,
dem ältesten des consistoriums dr Joh. Müller, ihr titel ist: Wider
Antenors Bücher -dieb empfangen und wider abgefertiget durch
Nectarium Butyrolambium Ambrosii Mellilambii Consobrinum der
Artzeneykuost Liebhabern, darin begegnet nun neben dem ab-
geschmacktesten neidkram über Schupps schriftstellerische talente
und erfolge der Vorwurf, dass er auf der cantzel und sonsten(l)
gelehrte leute die mit theologischen schritten die kirche gottes er-
bauet folgender gestalt pfleget auszuhöhnen: an jenem tage werden
viele kommen mid sagen HERR, HERR haben loir nicht in deinem
nahmen controversien geschrieben, haben wir nicht in deinem nahmen
236 LESSING UND DER INEPTUS RELIGIOSUS
wider die ketzer disputiret etc. aber wenn Antenor kommen wird
und sagen: HERR habe ich nicht in deinem nahmen satyri-
siret usw. (Sehr.* anli. s, 122 f). das andere pasquill von dem
Dresdener mag. Bernhard Schmidt (Berndl Faher) mit dem titel:
Philandersons Discurs mit drey klugen Rathgebern etc. von
Antenors neulichst begangener Thorheit (aao. s. 91ff) sagt ihm
(s. 102): ivenn du schertz treiben willst, so nimm erstlich dieses
wohl in acht, dass du nicht etwa zu deinen passen die heilige
Schrift missbrauchest und also deiner religion einen Schandflecken
anhängst, es wird dort lerner (s. 104) auf seinen historischen
leibautor Sleidanus gestichelt (vgl. I. rel. § 26) sowie auf Schupps
verkehr während seines aufenlhalts in den Niederlanden, der
junge unbekannte magister wurde nämlich von dem forsten der
Leydener Universität Daniel Heinsius sehr von oben herab auf-
genommen (was dieser später damit entschuldigte, dass er ihn
mit Caspar Scioppius verwechselt habe: Freund in der not, Schr.^
148 f), er wandte sich daher nach Amsterdam , wo er von einem
jener gelehrten ketzer, die in der remonstrantenzeit es nicht wie
Heinsius verstanden hatten, das opfer ihres gewissens zu bringen,
mehr profitiert zu haben bekennt als von der ganzen Leydener
Universität, dieser mann nun, dessen namen er nicht nennt, ist
(Moller 11 791) jener Barlaeus, von dem der L rel. § 13 ein in
der folge berühmt oder besser berüchtigt gewordenes unionisti-
sches epigramm mitteilt, es wurde Schupp ferner die abfassung
einer schrift zugeschrieben, in der jene zustände im damaligen
kirchenwesen gegeifselt werden, die sich auf die cynisch so genannte
promotio per vulvam bezogen und denen neuerdings noch Storm
in seiner novelle Aquis submersus ein dem geiste dieser zeit sehr
angemessenes motiv entlehnt hat. Schupp sagte in der öffent-
lichen ablehnung dieser schrift, dass er sie gleichwol hätte
schreiben können, es kam schliefslich zu officiellen verweisen i
und zu einer forderung vor das consistorium , bei der Schupp
kein wort sprach , was seine gegner in ihrem sinne auslegten
(vgl. Moller n 793 f). es ist wol zu glauben , dass er zu tode
geärgert worden ist, obgleich gerade die weltliche obrigkeit ihm
* vgl. das Wittenberger Judicium Ob ein dr theologiae und pastor
allerley fabeln, facetias, satyrische aufzüge und lächerliche historien zu
predigen und schreiben befugt sey und wie er könne davon abgehalten
werden: Cons. Iheol. Wittenb.n68, Frankfurt 1664.
LESSING UND DER INEPTÜS RELIGIOSUS 237
zugetan war, ihn wahrscheinlich auch auf seinem posten erhielt
(vgl. Freund in der not, Schr.^ 266) und er unter den fürsten
warme freunde halte, da sich nun unter den erhaltenen Schriften
Schupps kein anhält für diese speciellen vorwürfe findet, so
scheint es , dass sich unter den Scripta quaedam (Schuppii) contra
Adversarios apologetica ab elenchticis, alia ab haeredibus pacis
studio suppressa, von denen der pseudonyme Seladon (zugäbe
der Sehr. s. 1. et a. s. 459) berichtet, manche rein auf kirchliche
Verhältnisse bezügliche befunden haben, der Ineptus religiosus
könnte sehr wol eine derselben sein.
Dass übrigens Lessing selbst auf den ihm in mancher be-
ziehung geistesverwandten autor nicht aufmerksam geworden ist,
wird durch die tatsache erläutert, dass — mir wenigstens — im
ganzen Lessing keine erwähnung desselben bekannt ist. nur in
einem briefe Herders an Lessing (kurz vor dessen tode, bei Hempel
XX 2, 1037) wird rein quellenmäfsig Schupps Freund in der not
citiert. jedesfalls steht Schuppius Lessingen zeitlich zu nahe und
mitten in einer litterarischeu epoche, für die er als ihr über-
winder niemals interesse gehabt hat. Herder knüpft in litterari-
schen dingen viel öfter an sie an. für Schuppius möchte diese
Untersuchung gleichzeitig gern zu einer notwendigen und an-
ziehenden monographischen behandlung anregen.
Berlin. KARL BORINSKL
ALTENGLISCHE GLOSSEN.
Die am ende des 9 oder am anfang des 10 jhs. geschriebene
Vita metrica SCuthberti von Beda im Harl. 526 enthält von der
band desselben Schreibers einige wenige altenglische glossen.
eine spätere band (wol erst aus der zweiten hälfte des 11 jhs.)
hat an den rand von fol. 2' celfric wulfrices geschrieben , und
unten am rande von fol. IV liest man hu stOBp pi he. die bei-
gefügten Verweisungen beziehen sich auf Migne, Patres latini
bd. 94.
foL 4' s. 578C in obice ripe on ofre
- 15' - 586 D (dignum me tanta) subire gefaran
238 ALTENGLTSCHE GLOSSi::N
s. 587 A iubar alticomiim pone heah-hehnan leoman
lol. 15'' noihusi doc-incel
spirabat se anbleu 5
- 587 B nactus- genummen
- 587 C fastidia cemcehiessa
- 16^ - 588 B uastabat per per toeste
- 18"' - 589 C adtonito . . . timore swynsiendum^ ogan
- 19^ - 590 C supino up haftium 10
- 22' - 592 A pretristia musta pa fmrh-unrotan win
- 26^^ - 595 A ut (fuerit-«) hu
- 26"^ m[ovm\ . . AnmoxQ atelimm ge-swelle
* aus Jiolus 2 durch rasur aus nanctus ^ w über der zeile
nachgetragen ^ aus fuerat. aus per per 8 ergibt sich wol , dass der
dialect des Schreibers nicht weslsächsisch, aus loeste ebendort, dass er nicht
nordhunibrisch war. unbelegt sind bisher hea/ihelm i und docincel i; doch
haben die lexica döc, allerdings mit der bedeutung notus, allster oder gar
(Ettmüller 568) anster, notus. dieser ansatz geht wol zurück auf die glossen
in Cleopatra A in bei Wright-Wülker 456, 9 not/ms su^an wind oftlte
dooc, hornungsunu. dass aber dooc nicht synonym mit suSan wind,
sondern mit hornungsunu ist, zeigt eine glosse in Harl. 3376 bei Wright-
Wülker 194,27 bigener aworden 7cel doc, da Ingener 'bastardisch' ist. laut-
lichkönnte ae. rfdc = ahd. iiio/i, nhd. fr/cA sein; aber wie liefse sich die be-
deutung vermitteln?
Bei dieser gelegenheit erlaube ich mir die frage, ob die von Lindenbrog
angeführten zwei glossen zu derselben schrift cono helme und patroni
mundhoran (Steinmeyer und Sievers ii 45 nr dl), die zuerst HHoffmann für
deutsch erklärt hat, nicht vielmehr auch englisch sind.
II
Die hs. Bodl. 163 (NE. B. 4. 10) enthält auf fol. 250 von
einer band aus dem anfange des 11 jhs. ein 'fragmentum glossarii
cuiusdam latini, in quo voces latinae partim per alias voces la-
tinas, partim per saxonicas explicantur' (Wanley s. 83). die
glossen der letzteren art (sie zeigen westsächsischen dialect) teile
ich hier mit.
disputantes snieagende bubulcasi oxan-hjrdas
dissecabantur Ä« M;cero?t sac/enrfe bubulcus oa;««-/i*//Y/e 5
armentarius hreodar -hyrde subulcas^ swanas
* nach dem ae. verschrieben für bubulcos: oxanhyrde Wright-Wülker
91, 12 vgl. 90, 9 und 274, 28 ^ verschrieben für subulcos
ALTENGLISCHE GLOSSEN
239
subulcus swynhyrde-^
sublatum genumemie
gratis nnceapunge
10 consternate gebregede
apices stafum*
uirago fcemne
anagogen gafolic'' andgit
iüportune georuh'ce
15 oppidum hirh
reilimicula cynemddan
putamina hnilan^
sinaxis sealmsonge*
melropolis ealdorhurh
daclilorum palmceppla
conquirentes ahsiende
secessum fordgang
proselitiim el-deodigne
scorpio prowend
fiala blede
cerimoniis CBwum
affricus sudan-westan winda"^
malagma clypa^ .i. medicamen-
tum
20
3 bei Bosworth 73"" nur auf die autorität von Somner liin ohne beleg
angeführt * der casus stimmt nicht ^ gafoUc (= fiscalis s. fiscalis
reda gebellicu [so zu lesen st. -cum] wmgnfearu The oldest english texts
ed, Sweet 463'') ist gewis verschrieben für gasllic; vgl. anagogen gast-
lecvm andgite bei Wright-Wüllter 338, 10 ^ = hniglan, hnyglan
' als. schw. sb. bisher nicht belegt •* cly^a über malagma
in
Die folgenden glosseu stehen von einer band aus der ersten
hälfte des 1 1 jhs. hinter einander weg geschrieben auf der letzten
seile des codex Harl. 107, dessen hauptinhalt Älfrics grammatik
und glossar bilden (= H in meiner ausgäbe), abgesehen von
dem anfange zeigen sie die meiste ähnlichkeit mit dem Brüsseler
glossar bei W'right- Wülker 284, 1 ff und 293, 10 ff (== B) und
dem in Cleopatra A ni foj. 76 bei Wright-VVülker 258 ff (= C):
weniger nah stehen sie den Bubensschen glossen bei VVright-
Wülker 131, 6 ff. ein doppelpunct deutet einen wegradierten,
ein einfacher punct einen weggerissenen buchstaben an.
.p?' regnat Crist rixad
xps uincit oferswid, Crist ge-
weit
xps imperat Crist casere"^
impera::r casere
DE NOMINA VOLVCRP
. . ipus* ioio
aquila earn
arpa .arn-geat''
olor swan
* auch p nicht vollständig erhalten "^ das englische lautet, als
ob Imperator dastünde (vgl. 4) ^ NOMINA VOLVGRVM bei Wright-
Wülker 2S4, DE AVIBVS 25S * griphus 258, 7 und 284, 5
5 earngeat 284, 4, eargeat 258, 4
240 ALTENGLISCHE GLOSSEN
10 cicnus whietu cucuratai* hleapetvince
auca gos^ fursianns morhana^'^
anser hwitgos acega wude-cocc^^
ganta grceggos beatita stearn^"^
ancipiter" gos-hafoc ardea rahgre^^ 30
15 herodius wealh-heafoc miluus glide^^
ahetutns spearhafoc coruus hrwm
siracaricis'J tnus-hafoc cornix crawe
crusio cran grallus 7'oc-^
ciconia storc nocticorax nihtrcem 35
20 oriagratulus radumbeU^ columba cnlfre
aneta cened turtura turtle^^
uelanaxi2 cBned cuculus geac
mergus dopfugel ruscinia nihtegale'^'^
fulix ganot palumba'^3 cuscote 40
25 alcedo mcBw^^ marsopicus^* fina
^ fehlt BC, doch ist 284, 13 auca von späterer hand zu der glosse,
die nr 13 oben entspricht, zugesetzt worden ; vgl. auch 131,21 ' ac-
cipiter 259,7 und 285,2. eine seltsame widergabe des lat. accipiter scheint,
um dies gelegentlich zu bemerken, die glosse bei Wright-Wülker 356,32
accipiter pipat zu bieten : pipat ist da zu unrecht mit antiqua gedruckt
und II 355 in den anglo-saxon index aufgenommen (vgl. auch Bosworth-
ToUer 774, wo pipat allerdings mit einem fragezeichen steht), da es latei-
nisch ist. umgekehrt ist zb. 516, 20 demis nimis das zweite wort mit
antiqua zu drucken und aus dem ersten in das zweite Verzeichnis zu ver-
setzea ^ hetum 285, 5 setzt auch ahetum voraus, das für alietum
verschrieben ist, wie 259, 9 steht ^ das dritte i über unterpunctiertem
e; siricaricis 285, 6, suricaricis 259, 10; vgl. aber 47, 33 soricarius mus-
habuc 10 c mit anderer tinte zu g ; grvs 259, 14 und 285, 9
" onagratulus raradumbla pcet is pur 285,10; onocratarum raredumle
260, 1 (ursprünglich ovoxQÖraXos) ^'^ uelanax nach Wright auch 284, 11,
nachWülker aber hier uelanax, aus dem es jedesfalls entstanden ist; unter
übersehung des abkürzungsstriches durch das / ist daraus 258, 11 larax
geworden " ygi. 259, 6 und 285, 1 '^ ebenso 285, 1 1 ; blofs cucu 260, 2
" worhana 260, 4 und 285, 13; an der ersten stelle aufserdem fusianus
'8 ebenso (nur wuducoc) 258,5; dagegen acegia snite 285, 12; vgl.
aceia (so hat die hs. [vgl. Herrigs Archiv 79, 88f], "'cht aceta) snite uel
wudecocc 132, 20 " beacita stearn 260, 12; beatica tearn 286, 7
>8 hragra 287,3; die glosse fehlt 258 ff ^^ gn^ia 259, 11 und 285, 7
^° grallus (gralus) hroc 260,10 und 286,6 =^' fehlt BG; doch
vgl. 132, 1 turtur turtle 22 rusunia 260,5; luscinia 285, 14; aufser-
dem an der letzteren stelle nihtegala ^3 g^ au^h 286, 2; pudumba
260, 7 24 so auch 286, 8; mursopicus 260, 13
ALTENGLISCHE GLOSSEN 241
picus higere"^'^ passer spearewe*'^
rubisca sallhaga'^-'^ irundo^i swealewe
sigittula hkemase'^'^ bitorius^^ torcenna
45 parta spcmase'-^ noctua ule
parrula-9 cohnase gallus cocc^"^
tilaris lanwerce gallina hcBn
ficitula hcBg-sngga"^^ cocquioa ciacene*^
fiingilla ßnc'^^ pullus ciacen^^
50 sculacis ceaffinc^- structio scric^^
cardella piscel-tunga^^ osigragus herh-fong^'
turdella prostle'''^ cornicula tiope*^
sturlius^^ prysce pauo pawe^^
55
slurnus^ö stcerlinc^'' nidus ncest'"^
turdus stinl^'^ filomela nihtegale^^ 7a
birbiacaliolus39 eorplinc
25 hil^era 286,9 gegen 260, 14 ^^ rubesca selträ 260, 17 gegen
286,11 2'' sigitula frecmase 260,18 und sigatula frmcmase 286,13;
vgl. aber auch 132, 24 parrax wrenna uel hicemase ^* parrula spic-
mase 286, 15; parra cummase 260, 19 '-■' parula 260, 20; pari'a
286,14 sö hceg fehlt 286, 18; die ganze glosse fehlt C 3» vgl.
286,12; fehlt C 32 scutacus (scidalis) ragofinc 260,24 und 286, 19.
ceaffinc ist natürlich nicht als eine entstellung, sondern als ein synonym
\on?'agofinc anzusehen; es fehlt zwar in den lexicis, lebt aber noch heute
als cliafßiich; vgl. Herrigs Archiv 76, 206 ^^ statt pistellwige ver-
schrieben, wie 260,28 steht: 286,21 finden wir linece, das wahrscheinlich
für linele verschrieben ist = ne. linnet (Leo gibt ohne beleg linete f. der
flachsfinke, carduelis 336,33 und 659,2) 3* turdella scealfor (sc.
durch versehen aus der folgenden glosse) 287, 5 (gegen 260, 25)
35 trutii/s 260, 30 ; strutio 286, 24 36 gtirnus 286, 29 (gegen 260, 34)
37 «to/- 260, 34 und 286, 29 ; stwrlinc oben steht ohne zweifei (vgl. gl. 56)
für stwrling, das in den lexicis fehlt = me. starling, Sterling, ne. starling
(Herrigs Archiv 76,215) 38 verschrieben für scric, wie 260, 29 und 286, 22
steht 39 birbicariolus 260,31; birbicaliolus 286,26 "^ spearwa
260,36; spearewa 286,30 4' hirundo 287,1; hirunda 260, 39
^- litorius 260,21 (gegen 286, 16) ^3 ii^na 260,37 (gegen 286,31 coc)
*^ diese glosse fehlt BG : ciacene ist gewis für cycene oder cicene ver-
schrieben (vgl. gl. 64) •'5 verschrieben für cice7i (260, 33) oder cycen
(286, 27) *^stnitio struta 258, 6, fehlt B (doch vgl. anm. 35) " ossi-
fragus herefo7ig 258,8; ossigra gos 284,6 *^ cio 260,11; cyo 286,5
''^ diese glosse fehlt BG; vgl. aber 131,9 pauo, pauus pawe (gewöhn-
licher pawa) 50 fehlt gG ^i philomela aus -mella andere hand
287, 13; fehlt G
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 16
242 ALTENGLISCHE GLOSSEN
DE NOMINA PISCINA 52 bacharus id est^*
Cetus hiDtt'l isicus^s Uax
balliua t pina rann^^ sulio^c styria
dein mere-sivin
52 NOMINA PISCIVM 293; INCIPIT DE PISCIBVS 261 ^3 ballena
uel pilina hron 261,27; pina delfin 293,13 und ballena Ararn 293, 15
^* delfin mereswin, bacharus mereswin 261, 28. 29; pina delfin uel bacharus
mereswin 293, 13. 14. id ist gewis für idem verschrieben ^^ j^jg
261,32; ysox 293,19 «^ porcopiscis 261,31 und 293,16.
Berlin, pfingsten 1888. JULIUS ZUPITZA.
LATEINISCHE UND ALTENGLISCHE
GLOSSEN.
Unter der Signatur ms. 271 befinden sich in der Paulinischen
bibliothek zu Münster, durch deren früheren vorstand, 'pro f. Ständer,
von buchdeckein, welche sich gegenwärtig leider nicht mehr bestimmen
lassen, abgelöst, sechs pergamentbll. mit alphabetischen lateinischen
glossaren. sie entstammen der schönen und meist wolerhaltenen
Schrift nach eher dem neunten als dem zehnten jh. ihr format
war ursprünglich folio : wie sie aber jetzt vorliegen , wo ihr oberer
rand bis auf einen, ihr unterer bis auf drei cm. entfernt und
seitwärts der freie räum bis hart an die schrift abgeschnitten ist,
sodass die nunmehrige höhe etwas über 26, die breite 19 cm. be-
trägt, machen sie den eindruck von quartbll. Je zwei dieser mit
31 Zeilen auf der spalte beschriebenen Ml. hängen zusammen:
1 und 6, 2 und 5, 3 und 4. man hat sie nämlich mit rücksicht
auf die alphabetische folge zu einem ternio vereinigt und dem-
gemäfs beziffert; dass ursprünglich jedes der drei doppelbll. einer
besonderen läge angehört haben muss, wird sich aus meinen er-
örterungen ergeben.
Eine überaus sorgfältige abschrift haben die hm drr RPeter
und KKochendörffer angefertigt und mir gütigst zur Verfügung
gestellt, ich teile daraus mit, was sich mit den interessen dieser
zs. berührt.
1, das zweite doppelbl. (= bl. 2 und 5) befasst partien der
so genannten Glossae nominum. dieselben wurden bekanntlich zu-
erst, aber nicht vollständig, 1847 von FÖhler im 13 Supplement-
LATEIISISCHE UND ALTENGLISCHE GLOSSEN 243
band der Neuen jbb. f. phil. mid paed, aus der Erfurter hs. nr 42
fol, deren drittes glossar sie bilden, veröffentlicht, sodanii legte
GLoewe in seinem Prodromus (1876) s. VIS ff das eigentümliche
princip ihrer reihenfolge, welches darin besteht, dass sie nicht nur
nach den anfangssilben sondern auch nach den endbuchstaben ge-
ordnet sind, dar und konnte mit hilfe dieser beobachtung den nach-
weis führen, dass auch die acht von FDeycks im index lectionum
der Münsterer academie für 1854/5 bekannt gemachten, zur zeit
verschollenen Werdener bll. dem gleichen glossar angehören, eine
edition auf grund der Erfurter hs. und des Deycksschen abdruckes
brachten die aus Loewes nachlass herausgekommenen Glossae no-
minum (Lipsiae 1884). die altenglischen bestandteile hob HSweet
in seinen Oldest english texts (EETS 8d, London 1885) s. 109/
aus, aber ohne kenntnis von Loewes Prodromus und in folge dessen
ohne rücksicht auf Deycks bll., obwol deren ae. geholt auch Germ.
13, 479/" zu lesen stand, was man jedoch bis dahin von diesem
glossar besafs, reichte nur in den buchstaben L hinein; deshalb loar
die auffindung eines Cambridger codex wertvoll, welcher die Glossae
nominum zwar in andere glossare verarbeitet aber für das ganze
aiphabet enthält: unter benutzung dieses manuscripts sind sie von
neuem in dem kürzlich erschienenen 2 bände des von GGötz und
GGundermann bearbeiteten Corpus glossariorum latinorum (Lip-
siae 1888) s. 563 — 597 abgedruckt.
Dazu treten jetzt die Münsterer bll. 2 und 5. das zweite
gehört dem buchstaben I an, einem abschnitt also, welcher in dem
Amplonianus vorhanden ist. ich begnüge mich daher mit einer
genauen aufzählung aller abweichungen (auch der graphischen;
nur die differenzen in der worttrennung und den abbreviaturen
lasse ich unberücksichtigt) vom Corpus gloss., teile jedoch die ae.
glossen vollständig mit: 583, 6 bl. 2\ 7 qui mihi. 8 flagellatus.
10 parle. 12 cui] cü. die gl. nach der folgenden. 13 iucdmo-
dus. 14 incenatus. 16 iniucundus. 17 moriturus. 22 suspec-
tib; uus. 23 herbe. 28 ignis. 31 prex. 32 incept'o. 34 in-
cussatio efat reöf.i 36 iosparsio. 37 bl.2^. 41 g. nicro-
mantia. 42 intpunctio. 47 boni' & mali' notitia. 584, 3 cause.
9 lucta. 10 gfe. 16 6?. 2"^ iuuenalis. 17 exanimus. 18 iopo-
testis. 32 infitiaDS. (pmisa. 34 inl cisio] das letzte i sieht wie
^ dieselbe g^l. begegnet schon vorher *. 578, 31 epiphonima causa con-
tentio efat reüb == Ger?n. 13, 480''.
Ifi*
244 LATEINISCHE UND ALTENGLISCHE GLOSSEN
n ans. 35 iügiien lese a hregresi.i 37 lautet: inpuges uer-
hum 'v |-'/inmisamateries . iulroducta materia. das vericeisungs-
zeicJien bezieht sich auf ein correspondierendes , welches vor 41
^teht. 39 deauerbio. 46 hl. 1^. 47 iuba sectesporci & leouis
cabaliq; ( manu biriste.2 52 iuguuitum. 53 die gl. nach der
folgenden, questio. 55 iuniperum (so richtig mit dem Cantabrig.).
palme. 57 doclus. 585, 2 iubentas. 3 iusor. 5 iupit. 8 cessor.
9 lactantia beöst.3 13 lanna angulus auris lappa.* 14 labpsina.
mit 15 schliefst 2^
Die andere hälfte des doppelbl, bl. 5, enthält gll. aus dem
buchstaben P. hier lag bisher nur der Cantabrigensis vor; da
derselbe, wie bemerkt, die Glossae nominum verquickt mit anderen
glossaren bietet und eine Scheidung seiner verschiedenen bestandteile
nur auf grund des von.Loewe gefundenen ordnungsprincipes der
Sammlung durch die herausgeber des Corpus vorgenommen werden
konnte, so ermöglicht das Münsterer bl. in erwünschter weise die
controle. dazu kommt, dass die Cambridger hs. die ae. glossen
fortgelassen hat (ihre vorläge besafs sie, vgl. Götz im Index scho-
larum der Universität Jena für 1888/9 s. v — viii). da eine
neue ausgäbe der Gll. n. schwerlich in baldiger aussieht steht, so
lasse ich den inhalt des bl. unverkürzt folgen^, citiere bei den im
Corpus vorhandenen glossen ihren ort und suche die dort nicht
aufgenommenen , so weit sie Schwierigkeiten bereiten, mit hilfe der
so genannten Cyrillischen glossen (Corpus 2, 2\b ff), auf deren Zu-
sammenhang mit den Gll. n. Loewe (Prodromus 132 f) hinwies,
zu erklären.
(5') picens peccator [(589, 49) plaga zona celestis (589, 50)
pinguamen pinguido rieu renes plagula retiaculum (589, 51)
• beide Worte fehlen bei Bosworth - Toller, zum ei'sten vgl, Strat-
mann?>Q\^ und Franck Etym. woordenboek s. 572 s. v. lies, das zweite
entspi'iclit schwerlich dem ae. raegereosa, welchem es Stoeet s. 619* ver-
gleicht, sondern eher dem ahd. hegadruosi: meines erachtens hat daher
Kluge unrecht, wenn er noch in der iaufl. seines Etym.wb.s dem engl,
das wort' driise' abspricht. ^ aArf. mana mahne. Bosworth-Toller liO^.
3 Bosworlh-Toller 87*. * Bosworth-Toller &l(}^ f. « meist,
aber nicht immer, wird die praeposition a durch einen dariiber oder
davor gesetzten acut als selbständiges wort angedeutet : diese acute ließ
ich fort, im übrigen verfahre ich nach denselben grundsätzen wie oben
bei der collation des bl. 2.
1 picens (eiitstellt aus piceus) übersetzt Corpus gloss. lat. 2, 408, 15
das griech. niaaaiSr]?: also wird peccator als picealor oder piceatus zu
LATEINISCHE UND ALTENGLISCHE GLOSSEN 245
5 plebiscitum a populo ordinatum
plebeius publicus popularis
(589, 52) [53)
plumbarius faber plumbi (589,
plaulus graues auriculas habens
plantarius plantator
10 plagiarius qui seruum s. alterius
suadendo furatur
pluslrarius carrarius
planctio planctus (589, 54)
plangor placator (589, 55)
plauster carrum (589, 56)
15 postilena posteriora sed specia-
liter dicitur instructura caballa
popa mactator
posca acetum cum aqua mixtum
(590, 35)
portella biuium
portula porta diminutiuum
20 popula pupilla oculj (589, 57)
posticum porta minor in maiore
pomentum pomarium (589, 58)
portiorium uectigal
pocentatus potestas
25 postumus postigena (589, 59)
porcellus porcus diminutiuum
porcinus diriuatur a porco
pomarius pomarum uenditor
(589, 60)
ponderosus grauis
30 porrigio furfures (589, 62)
pollinctor mortuus mundus
(589, 63)
(5'') portitor tollinarius
propiuator propinator (589, 64)
possiter adiutor (589, 65)
pollis farina subtilissima que 35
aere spargitur ut fumus
(589, 66)
postes columne circa domum
(590, 1)
polix digitorum fortissimus
poples harn
polline subtilissima farine pars
(590, 2)
pronuba qui sponsam alio ducit 40
aut nupt'is interest
promacellaprumptuaria. hord-
ren
proxeneta negotium nuptiale
proserpina soror liberis dea
prostiluta meretrix
prohibitorium inpedimentum
promentarium. prumptuarium
promotum motio cuiuslibet in
maiorem dignitatem
probrum inputatio malj
prodigiosus festinali uuitu
probrosus uirgosus (590, 8)
procus sponsata
profectus reuersus
prodigus dapsilis largus
prognatus ante natus
propensus pensus incurbatus
(590, 13)
prolalio productio
procuratio Imperium (590, 15)
profligatio uicissitudo (590, 16)
45
50
55
verstehen sein. 5 plebi scitü, rfÄ. scitü in der reihe der erklärtingen.
17'ac&ü. \% oder porcella. vgl. aber Corpus gloss. lat. 2,396,11.
19 diminii. 26 diminü. 27 diriuä. 35 que] q;.. Z% Bos-
worth-Toller 506^. 40 dieser acut über der endung is begegnet häufig,
wo regulär iis stehen sollte. 41 Bosworth-Toller 552*'. 46 jptntariü.
246 LATEINISCHE UND ALTENGLISCHE GLOSSEN
proscriptio cuiuscunque rej
60 prorigo desiderium scalpendi
(590, 17) [19)
promulgatio legis positio (590,
proporlio analogia pars sibi si-
milis et a ceteris disiunctus
(5") prouerbo prouerbium
proximitas adfinitas
65 profetor pretor contra alterius
exercitus pretorem distinatus
profector iter agens
promulgator predictor (590, 23)
probellator pugaator
proquestor secundus a rege
(590, 26)
70 proeder adiutor (590, 27)
proneptis neptis [ciarum
prouincialis ex prima prouin-
proles natus
prorognes prigoata
75 prolubies inmunditia (590, 29)
pronepus priuiginus. steup-
suDU [titur (590, 30)
proconsul qui prouiocias mit-
protextum prouisum precuratum
pretorium domus in qua iudi-
catur
80 preclauum gangren
precinctorium caballi cingulum
(590, 5)
presorium prelum (590,6) [7?)
pressicium mals crung (590,
pretextalus purpuratus (590, 10)
presidiarius auxiliator 85
prefectio precisio membrorum
prelatio a magis elegendo
prestolatio Studium (590, 18)
preditio a preditando
prelusio a ludendo 90
precantatio diuinatio (590, 20)
pre qui exercitui preest
presignator qui aduiterum num-
misma cutit uel epistolas si-
gillauerit non accepto a rege
sigillo (590, 24)
(5*^) pregustator qui ante tem-
pus gustal
prestigiatur mimarius (590, 25)95
prefensior cupiens ditior esse
pregrandis nimis grandis
prefectus classis qui clasi preest
preiudex qui preiudicat (590, 28)
prerex precatio loo
precepsi pronus [scriptum
preduo talrainus uel mon recte
pres fideilusus
65 /. proprelor (Corpus gloss. lat. 2,230,40). 744)rognes. = nQo-
Yovrj priuigna Corpus gloss. lat. 2, 416, 47 ? 76 Ettmäller 738.
80 mit preclauum (geschrieben p clauQ) wird ursprünglich praeclaviutn
(CoT^us gloss. lat. 2,i99,2&) gemeint gewesen sein, aber der glossator scheint
an cloaca gedacht zu haben, denn Bosworth-Toller belegt 361'' gang-ern
nur in der bedeutung 'latrina'. 83 pressicium gibt Corpus gloss. lat.
2, 407, 43 TtiEaijuor wider; hier aber scheint es als prestigium misverstanden
zu sein, zu malscrung (g nicht ganz sicher, vielleicht c) vgl. Bosivoj'th-
Toller 666». 86 l. presectio. 92 pr^qui. als lemma. 96 /. pre-
pensior, fälschlich füri^ropemior'! vgl. Corpus gloss. lat. 2,310,35.
9S c\ass\s zur erklÜT^ng gezogen. lOOprex: /. prex. 101 /. preceps.
102 /. preductai (Corpus gloss. lat. 2, 156, 3 ^naoayoafos) minus uel
non recte scriptum. 103 /. fideiiussor.
LATEINISCHE UND ALTENGLISCHE GLOSSEN 247
preceps precipitium pulpita gradus ecciesiarum 115
lOSprinicula ornalusuestimentorum pulpitium puppis (590,38)
borda puerarius puerorum corruplor
primilegium. priuilegium. (590, 39}
nuiD''byfd (590,4) puderatus sapiens (590,40)
priuigenius. primogenitus pussillatus breuis statur§ (590,
primipilarius. primarius iocu- 41)
latorum pile (590,9) pugillarius pugillarum opifexl20
pridiarius hesternus (590, 1 1) (590, 42)
110primipilusprimipilarius(590,12) publicanus tollinarius
puellula puella dimiDutiuuni puerarius puerorum amator
Pustula Scabies pupus paruulus onegt (590,43)
priuigenus steupsunu puerorus puerilis (590,44)
purpurilla deorsum io terra puluinus plumarius 125
nidr?. (590,36)
Diesen 125 gll. entsprechen im Cantabrigensis 62 (589, 49
bis 590,44). nimmt man dasselbe Verhältnis von 2:1 auch für
die übrigen mir im Cantabrig. erhaltenen partien an und berechnet
darnach den umfang der lücke zwischen dem 2 und dem 5 Münsterer
bl., so würde sich ergeben: Corpus 585, 16 — 586, 26 = Q7 gll.
(weil im Amplonianus vorhanden, mit dem, wie bl. 2 erweist,
der Monaster. durchaus in der zahl stimmt, nur einfach zu
rechnen) -\- Corpus 586, 27 — 589, 48 = 211 = (mit 2 multipli-
ciert) 422, zusammen = 4S9 gll. durch 125 dividiert ergibt das
fast 4. also 4 bll. = 2 doppelbll. wären zioischen bl. 2 und 5 ver-
loren gegangen.
2. die Münsterer bll. 3 U7id 4 entsprechen aus dem zweiten
Erfurter glossar den ss. 341,28 — 80 und 346, 1 — 347,26 bei
Öhler aao. dass sie etwa dreimal so viel gll. enthalten als Öhler
hat abdrucken lassen, kann nicht wunder nehmen: denn von den
4980 gll. der Sammlung fehlen bei ihm ungefähr 2980, siehe Loewe
Prodromus s. 123. wer das Erfurter glossar neu herausgibt , wird
die Münsterer bll. berücksichtigen müssen; ich sehe von einer Ver-
öffentlichung um so mehr ab, als in dieser partie ae. bestandteile
105 Ducange s.v. pernicula (prenicula) und Corpus gloss. lat. 2,332,
17 luariov aioa prenicula vgl. 431, 49. boida = ahd.hovio oft bei Wright-
Wülcker. 106 Bosworth-Tollerl()(!i^. 107 primigenus Coi^p. gloss. lat.
2,425,15. 111 diminü. 113 quer am rande nachgetragen mit Ver-
weisung. 5.76. iUßosworth-Tollerl23K 123/. cnegt.
248 LATEINISCHE UND ALTENGLISCHE GLOSSEN
gänzlich fehlen, nur die s^altenanfänge mögen angegeben werden:
y inpubis puer inberbis, S** incestus scTmoni uexalio 1 crem -^
inpie coQilmissum cum sorore aut filia aut cognila, 3*" innoxius
solutus, 3*^ inferi^ obsequia mortuorü in quorum | honore captiui
occidebantur, 4^ iulcipit .phib& uexat, 4'' iouanti ös aperienlj,
4Matibulum defensaculum , 4** latumma custodia, dies doppelblatt
war das innerste einer läge.
3. endlich die hlL 1 und 6. auch sie sind alphabetisch nach
den ersten beiden buchstaben geordnet, aber sie weisen zahlreiche
griechische worte auf und stehen zu keiner der im Amplonianus
vertretenen Sammlungen in Verwandtschaft, vielmehr scheinen sie
aus glossaren zu einzelnen Schriftstellern hervorgegangen, die alpha-
betisch umgeordnet wurden , aus glossaren , welche zum teil in dem
Leidener codex Voss. lat. 69 4" vorliegen.^ wenigstens finde ich
* die ae. gU. dieser Leidener hs. sind bekajintlich zuletzt von HSweet
The oldest english texts s. 111 — 117 herausgegeben worden, er scheint
selbst nachträglich eingesehen zuhaben, wie ungenügend sein buch vor-
bereitet war: anders wenigstens verviag ich die wunderlichen exyecto-
rationen seiner vorrede nicht zu deuten, jedesfalls lässt die ausgäbe des
Leidend' glossars so ziemlich alles zu wünschen übrig. Sweet hat nicht
gewust, dass die Sammlung zum ersten male im vorigen jh. durch Nyerup
ediert ist: die kenntnis der Symbolae (p. 360—82, glossar le.) würde ihn
vor gar manchen auslassungen und fehlem bewahrt haben, er hat femer
zu seinem Unglück von meinen Ahd. gll. nichts geahnt, obwol deren erster
band erschienen war, ehe Sweet zu drucken begann; erst nach abschluss
seiner arbeit ist er auf sie aufmerksam geworden und hat ihnen einige er-
gänzungen und berichtigungen (einmal aiich eine misv erstandene : zu nrW)
für seine nachtrüge entnommen, jedoch in oberflächlichster weise, so fehlen
nach seiner nr 41 auch jetzt noch zwei gll., welche bei mir 1, 640, 1. 5 ver-
zeichnet sind und von denen die erste schon bei Bethmann stand, nach nr 47
^Arf.g-«. 1,496, 15, nach wr 61 Ahd. gll. 1,481,5, nach 7«7« 99 Ahd. gll. 2,
597, 37. unverbessert blieben folgende fehler : nr 39 ferri statt ferrum (ebenso
abgekürzt wie in nr 40 uö.), nr 66 purpuram statt purpura , nr 68 rube(r)
statt rubev, m* 82 urigo statt urido, nr 111 spaedum statt spaedun. aber
nicht nur diese details hätte Sweet von mir leimen können, sondern er-
kennen sollen, dass für den grasten teil des Leidener glossars noch mehr
oder minder zahlreiclie andere hss. existieren, welche den text verbessern
helfen, und dass ein wahres Verständnis so corrupter vocabulare nur der
zu erzielen aussieht hat, welcher sich die mühe nicht verdriefsen lässt,
den ursprünglichen ort und Zusammenhang der glossierten worte auf-
zuspüren: freilich hätte Sweet dann seine ausgäbe des Lugdunensis ein-
stampfen lassen müssen, nur Unheil kann ein herausgeber anstellen, der
in Variation eines bekannten memorialverscs von dem bequemen grund-
LATEINISCHE UND ALTENGLISCHE GLOSSEN 249
folgende gll. der Münster er hll. auch im Lugdunensis: 1'' de og-
duade de octaba die = Nyerup 364 de octoade de octava die;
r dorium indiculum = Nyerup 364; l** ependitea tonica 1 cocula
= Nyernp 363 ependitou tooica vel ocula; l'' erapsa dapulas
= Nyerup 362 enrusa dapulas; 6" parelhris mioisleris = Nyernp
373 parecliis ministris; 6** pessulj quo cluditur cornu. peride
(die gl. bezieht sich auf Sulpicius Severus s. 201, 7 Halm, in
peride vermute ich eine entstellung von berilli oder einem anderen
Worte, das 'flasche, glasgefäfs' bedeutet) = Nyerup 362 pessuli quo
clauditur cornu ; 6'' peculü läuiina aurea = Nyernp 364 petiilum
lumioa aurea (vgl. Ahd. gll. 2, 598, 39). dazu tritt das in der
note erklärte pro exercitu apulj, ferner, da die genannten gll. sich
sämmtlich auf die Eist, eccles. und auf Sulpicius zu beziehen
satze ausgeht "^was man nicht gleich begreifen kann, das sieht man als
altenglisck an.' zwei seiner pseudo-altenglischen Wortungeheuer hat Sweet
allerdings irn nachtrug entfernt, das eine auf meine veranlassung hin:
aber noch verschiedene sind zurückgeblieben, so liest man in nr 2 pro
exercitu appuli : liuuitabar. nun steht auf demselben bl. 22'' des Lugdu-
nensis appulli inuitabant (l. inuitabain, zu Sulp. Sev. s. 110,2 Halm) und
daraiis ergibt sich, dass huuitabar = inuitabar ist. pro exercitu aber be-
zeichnet, wie jetzt aus dem Münsterer bl. &^ hervorgeht, wo es heifst p
agerem p exercitu apulj .i. riuitabor, eine allerdings wenig glückliche
gl. zu per aggerem bei Sulp. Sev. s. 183, 3 Halm, nr 8 antoni lacuna(r):
floda, aber antoni ist ein unglossierter eigenname, siehe Sulp. Sev.
*. 169 Halm, nr 59 ancillis, animalibus :figl. zwar liest auch die Berner
hs. 258 bl. 16« ancillis animali figt , aber im Parisinus 2685 bl. 55*^ heifst
es (siehe Ge/v«. 8, 389) Ancellis. annalibus. figuli, wir haben es also mit
einem gut lateinischen ivorte zu tun. nrlO ist besondej's erbaulich:
nemias, alio nomine :atersatha. wer sich mit dem mittelaller beschäftigt,
dem schadet ein wenig bibelkenntnis wiirklich nichts: und tver diese be-
sitzt, wird sich sofort der stelle Esdrae 2, 8, 9 erinnern , ivo geschrieben
steht: Nehemias (ipse est Athersatha). nr 254 sanguessuges (sanguisugae) :
lecas. aber Nyerup, Hoffmann vFallersleben (dessen copie mir vor vielen
Jahren einmal MHaupt lieh) und ich lasen lexas. dies jedoch ist mittel-
lat., nicht das ae. loece, wie sich aus dem Schlettstädter Cassiaiiglossar,
das gar keine ae. beeinßussung bekundet , ergibt: Ahd. gll. 2, \bZ, ho san-
egila
guisuges. lexas. endlich nr 243 — um auch aus den in die Ahd. gll.
nicht aufgenommenen und nicht gehörenden partien ein beispiel beizu-
bringen — acrifolium : holera ist nicht waghalsig mit holegn in den Corpus-
gll.bd zu identificieren , so?idern der lat. plural von olus. also dies Lei-
dener glossar wenigstens wird man künftig nicht 'am besteyi nach Sweets
ausgäbe eitleren', wie ein offenbar recht unkundiger recensent der Oldest
english texts in den Engl. stud. 10, 276 den anglicisten anrät.
250 LATEINISCHE UND ALTENGLISCHE GLOSSEN
Schemen, 6^ panigericis in laudibus (siehe Ahd. gll. 2, 598, 37) und
einige der mit ae. Übersetzungen versehenen worte (s. u.).
Das glossar beginnt bl. 1" mit cratera patena, l*" mit deno-
lare iurare, V mit dolatoriü .g. ascia. läti a&sasax, 1'^ mit eli-
fantios quasimous. g. elisio nious df , Q^ mit pauigericis iulaudib ;,
Q^ mit pellicentes maculantes, 6" mit plexus iruucatus, 6*" mit
.pmuscidis alinare o et- dnt alii manu lä longam usw. wie viel bll.
zwischen den erhaltenen fehlen, Idsst sich nicht sicher ermitteln,
mindestens waren es vier, ich hebe nur die ae. gll. aus :
.8.
(1*) crates gaerd as cirographa (1*^) dolatorium .g. ascia. latine lo
cuturno criuce a&sa saxonice
(l*") defexum decliuium ^sdyni dorcus girec sax
dextralia armbages eludit saigde
5 desinteria utsynhl (6^) pala scoful sax
discarrula solue carrum .i. ond- personacia clife .i. data cla-
hlelth; tacrop;
L purgamenta
dispridulus acuaerna uel sei- peripsima superhabundans uel 15
dilaturas lybisnesax gisupop
dosmui dorne sax pegulium minte
l = ;(a^T7j£. die ae.gl. verstehe ich nicht, ebensowenig die zweite.
7iachher folgt cupellulus bula : ich sehe jedoch in bula kein deutsches
wort, sondern eine entstellung von ampulla. 3 esdyni tvage ich als
efdyni, aefdyni (subst. oder adj.) 7/üt ae. ofdüne Bosworth-Toller 729*, 7ie.
adown zusammenzustellen. 4 = earmbeägas. 5 /. utsyht. 6 vgl.
Ducange s. v. discargare = opus deponere, wo aus der lex Sal. auch discar-
ricare belegt wird. l. ondhleth (oder, wie Zupitza aus graphischen gründen
vorzieht, ondhlalh) = ahd. anthlad. 7 dispridulus (dispdulus geschrieben)
ist eine entstellung von aspriolus (Diefenbach s. 54"^). ae. acwern Bosworth-
Toller (fi. sciron aus sciurus. 8 ae. lybesn filacteria, strena, lustra-
menta Bosworth-Toller 649''. aber dilatura im sinne vo?i 'amuleV kenne
ich nicht; vielmehr hat der glossator dilaturas für ligaturas (Ducange s. v.)
geriommen. 9 handelt es sich Wright- ff'lilcker 225, 9 dosmui thorie um
dieselbe mir unverständliche gl.? 10 läti a&sasax hs. ebenso etsa
geschrieben Gll. n. 568, 22 im Amplon., too Deycks fragm. aecsa bietet.
Bosworth-Toller Ih^. 11 /. doricus grec (Bosworth-Toller 488*).
\2die änderung zwsaegde, praet. von saegan , wäre leicht, erreichte aber
keine gute widergabe des lat. wortes, welchem ae. wtegde zu entsprechen
pflegt. \2,zb.Wright-WülckerTi,l. U Diefenbach A30^. Bos-
worth-Toller lb9^. 158*. 17 P, allerdings nicht als compositum, in der hs. ist
clataclatacrop geschrieben. 15 /. gisuep, sielie Ahd. gll. 2,596 anm. 6.
16 entstellt aus pulium =pulegium. Bosworth-Toller &89^.
LATEINISCHE UND ALTENGLISCHE GLOSSEN 251
(6") platesa geüus piscis fioc proriginem bloot
sax prunus ligoum prunum fructus
polopis et crinitus .i. grona .i. pluu
.3.
preruptum haengi clif pugillum handfui
20 prassus groeni puue teaus od middil 25
(6'') Promontorium hoch
17 siehe zb. das Epinal-Erfiirter glossar nr 802 Sweet, die Corpus-
gll. nr 1602 Sweet, IVright-Wülcker 469, 16. 18 polopis verstehe ich
nicht (connimpiert aus pilosus?); zu grona (vielleicht auch grena in der
hs.) vgl. granae Corpusgll. nr 1343 Sweet, groiiae Leidener gll. nr 182
Sweet, mkd. grau. 19 Bosworth- Toller 527''. 20 /. prasius.
21 Ahd. gll. 2, 746, 14. 22 undeutlich in der hs. siehe Ahd. gll. 2,
596,10. 23 plüme Bosworth- Toller 776». 24 Bosworth - Toller
509». 25 Bosworth- Toller 685".
STEINMEYER.
ENEIT 8374 FF.
Der jugendliche Pallas, eben erst von seinem vater Evander
zum ritter geschlagen, war im kämpfe gegen Turnus gefallen und
feierhch in der heimat bestattet worden, die lampe, welche über
der gruft hieng, gab ewiges licht; sie leuchtete bis zu dem tag, da
Pallas wider gefunden wurde, das ist geschehen zu der zeit [dat
es genoegen wetenlich] , als der kaiser Friedrich nach seiner ersten
heerfahrt zu Rom gekrönt wurde, das licht der lampe brannte
noch, so wunderbar es sein mag; waren doch mehr als 2000 jähre
darüber hingegangen, als man jedoch die gruft öffnete und der
wind hineindrang [dat es wetenlich genoech] , da erlosch die flamme,
und man sah nur noch rauch, asche und kohlen.
Es ist durch APey (Jahrbuch für rom. und engl. litt, ii 24)
constatiert : ce qufl y a de certain c'est qiie Benoit de Sainte-More ne
fait pas la moindre mention de cette pretendue decoiwerte. die merk-
würdige stelle hatte das interesse Eltmüllers erregt (Behaghel ist
nicht weiter darauf eingegangen) und derselbe hatte ausg. s. xvf die
erzählung Heinrichs in Felix Fabers Evagatorium in terrae sanctae,
Arabiae et Egypli peregrinationem (ed. Hassler, litt. ver. iv, Stuttgart
1849) III 54 widergefunden, der dominicaner äufsert sich (vgl.
auch Pey aao. s. 24) : In chronica Martini recitatur, quod tempore
Heinrici u corpus Pallantis gigantis fuit Romae in specu inven-
252 ENEIT 8374 FF
tu7n hicorruptnm , cvjns vulneris hiatns, uhi fnerat vnlneratns,
quatnor pedes et semis habebat, corpus altitudimm muri vincehat,
hicernaque arden!> ad ejus caput inventa est, quae nee ßatu ex-
stingni poterat nee liquore, sed cum stilo foramtne subtus flam-
mani facto exstincta est, per illud foramen aere introducto. hutic
Turnus dicitur occidisse, et hoc ipsius epitaphium erat:
Filius Evandri Pallas quem lancea Turni
Militis occidit more sno jacet hie.
'aber wissen möchte ich, wo Martinus seine nachricht her habe,
ob die Sache bei einem itahschen geschichtschreiber des xii (kaum
eines früheren) jhs. sich finde, oder ob die ganze erzählung nicht
erst nach allgemeinerer bekanntwerdung der Eneide Heinrichs in
Deutschland aus dieser selbst entlehnt worden sei. nicht dass
Heinrich die ganze geschichte erfunden habe, will ich damit sagen;
sie wird ihm vielmehr von leuten, die damals mit in Rom waren,
erzählt worden sein, übrigens ist das epitaphium bei Heinrich
(v. 8333 ff) reicher an inhalt als das bei Felix Faber.'
Die chronica Martini ist sicher die vielverbreitete chronik
des Martin von Troppau (Oppaviensis, Polonus), die betr. stelle
findet sich denn auch daselbst vgl. MG xxii 467: 1040 Henricus ii:
Huiiis imperatoris tempore Romae cuiusdam gigantis corpus Pal-
lantis nomine inventnm est incorruptum usw. (fortsetzung wie bei
Fei. Faber), dieselbe erzählung findet sich aber auch in den
Flores temporum, die zuweilen unter dem namen 'chronica Martini'
gehen, vgl. MG xxiv 237: nur wird das ereignis unter Heinrich in
erzählt, bei Johannes de Columpna (MG xxiv 272, 37) lesen wir:
De Leone papa vm et qualiter volens Apuliam de manibus Nor-
mannorum eripere ab Ulis prelio victus atque cum mnltis aliis
captus est et de genealogia dictorum Normannorum et de corpore
Pallantis filii Evandri.
Die quelle für alle diese berichte scheint der sagenfrohe
Wilhelm von Malmesbury gewesen zu sein (ca. 1140), er erzählt
(MG xn 472, 32 fl): Tunc (vor 1070) corpus Pallantis filii Evandri,
de quo Virgilius narrat, Romae repertum est illibatum, ingenti stupore
omnium quod tot secuta incorruptione sni superavit, quod ea sit
natura conditorum corporum, ut carne tabescente cutis exterior
nervös, nervi ossa contineant. hiatus vulneris, quod in medio
pectore Turnus fecerat, quatuor pedibus et semis mensuratmn est.
epitaphium hujusmodi repertum:
ENEIT 8374 FF 253
Filius Evandri Pallas quem lancea Turnt
Mililis occidit more siio jacet hie.
qnod nontunc crediderim factum, licet Carmentis, mater Evandri,
latinas litteras dicalnr invenisse, sed ab Ennio vel alio aliqno an-
tiquo poeta compositum, ardens lucerna ad caput inventa arte
meclianica, ut nullius flatus violentia, nullius liquoris asper gine
valeret extingui. quod cum multi mirarentur, nnus, ut semper
aliqui solertius ingenium in malis hahent, stylo suhtus flammam
foramen fecit; ita introducto aere ignis evanuit. corpus muro
applicitum vastilate sm? moenium altitudinem vicit; sed proceden-
tibiis diebus stillicidiis rornlentis infusum communem mortalium
corruplionem agnovit, cule soluta et nervis fluentibus. eine allere
fassung vermag ich nicht nachzuweisea, die hisloriker haheo der
Sache anscheinend wenig heachtung geschenkt, ich habe vergebens
bei Steindorff (Jahrbücher des deutschen reichs unter Heinrich in,
Leipzig 1874. 81) und Hirsch (Jahrb. unter Heinrich u) nach-
geschlagen, auf Wilhelm gehen jedesfalls die belrefTenden stellen
bei Roger von VVendover (MG xxvin 26,22), Mattheus Parisiensis
(ebenda 110, 19) und Radulfus Niger (MG xxvn 342 f) zurück,
die vielfache Verbreitung der erzählung und deren allgemeine
belieblheit dürlte durch die von mir gegebenen und wol noch
zu vermehrenden nachweise belegt sein, man braucht dem zu
folge nicht anzunehmen , dass Heinrich von Veldeke die Gesla des
Wilhelm von Malmesbury gekannt hat, die historische tradilion
mag auch auf anderem wege zu seiner kenntnis gelangt sein.
Auffallend ist, dass Heinrich die auffinduug der leiche unter
Friedrich I (am 18juuill55 gekrönt) verlegt, wofür ich keinen
beleg aus Chroniken zu geben vermag. ^ allein die willkUrlichkeit
dieser datierung verrät sich am deutlichsten durch die berufung
auf die kenntnisse seiner hörer: dat es genoegen wetenlich S'dll ,
dat es xcetenlich genoech 8404 vgl. Behaghel s. cxxxv f. möglich
dass das Interesse, welches der dichter dem grofsen Hohenstaufen
entgegengebracht (vgl. 13221 ff), auch hier seineu namen und das
bedeutsame ereignis der kröuung hat einsetzen lassen, ich be-
merke noch, dass quod cum multi mirarentur; ingenti stupore
omnium bei Wilhelm von Malmesbury dem v, 8392 vel mekel
wonder dat loas entsprechen. — für die 'gelehrte bildung' des dich-
ters (Behaghel s. clxxiv ff) denke ich mit dem vorstehenden einen
weiteren, kleinen beitrag geliefert zu haben.
> EtlmüUer ausg. s. xv bemerkt, dass in der hs. H der name Friderich
ausgestrichen und A&im Heinrich durch eine hand des 15jhs. an den raud
gesetzt ist. Behaghel im apparat gibt zu v. 8377 heiser Frid. PEHBM.
vgl. übrigens die anm. zu der stelle.
Marburg 1. 7. 88. FRIEDRICH KAUFFMANN.
254 ZU WALTHER VON DER VOGELWEIDE
ZU WALTHER VON DER VOGELWEIDE.
8, 26 fride unde reht sint sere wunt. in auflallender weise
trifft Walther in diesem verse fast mit den Worten des Chronisten
Gerlach, ersten abtes des prämonstratenserklosters Mülilhausen
in Böhmen (vgl. WWattenbach, Deutschlands geschichtsquellen
2^ 22S) zusammen , aus dessen Annales (ed. Wattenbach MG SS
xvn 654 f) OAbel, König Philipp s. 318 den satz anführt mortuo
imperatore (Heinrich vi) mortna est simul iustüia et pax imperii.
30, 11 mit gebcerde, mit gewisser rede, mit rcBte. zu dem
ausgang des verses bemerkt Lachmann 'ich glaube, sinn und vers
fordern mit der tcete.' Wilmanns hat diese conjectur in den text
gesetzt und rechtfertigt ihre aufnähme mit den Worten 'die
Steigerung, die in den begriffen gebcerde, rede liegt, verlangt als
drittes tcete; die gewisse rede zeigt sich eben darin, dass ihr die
tat folgt, dem versprechen die erfüllung.' das alles hat für
mich sehr grofse Wahrscheinlichkeit; nur möchte ich darauf hin-
weisen , dass die erst von Haupt für Lachmanns Walther benutzte
Kolmarer liederhs. den vers so überliefert: mit worten und mit
werken und mit gerete. diese lesart aber erlaubt die annähme,
dass der vers ursprünglich mit den worten mit getoete schloss,
das, um den rührenden reim zu beseitigen, in mit gercete um-
geändert ward und weiterhin die änderung von gebcerde und rede
nach sich zog.
Liest man hiernach: mit gebcerde, mit gewisser rede, mit ge-
tcete, so scheint mir diese lesart noch dadurch empfohlen zu
werden, dass gebcerde, rede, getoete nun ohne artikel neben
einander stehen, dass Wallher den dativ getoete auch 31, 8 braucht
und endlich dass bei Konrad von Würzburg rede und getdt formel-
haft verbunden sind; im Silvester 586 heifsl es mit rede und
mit getoete wart Röme nie berihtet baz, im Troj. krieg 18530
(ir sult) si daz beste leren mit rede und mit getoete.
85, 33 ir miiezet in die Hute sehen, weit ir erkennen wol:
nieman uzen nach der varwe loben sol.
vil manic töre ist innen tugende vol:
wie wiz der biderben herze sint, der si wil umbe ke'ren!
so schreibt Lachmann mit den hss. er streicht nur das über-
lieferte we vor wie, weil das metrum dadurch verdorben wird
und ein den ausruf einleitendes wie Walthers Sprachgebrauch ge-
mäfs ist: vgl. 17, 9; 26, 3; 27, 4; 31, 11; 21; 45, 24; 46, 29;
51,37; 52,28; 59,11; 60,8; 64, 13; 82,35; 85,29; 120,11;
122,7; 37. we wie findet sich nur 49,36. seltsamer weise
haben alle späteren herausgeber nach Wackernagels Vorgang more
für tore in den text gesetzt, die meisten auch nach seinem bei-
spiel biderben gestrichen und we vor wie wider eingesetzt, ich
zu WALTHER VON DER VOGELWEIDE 255
glaube, dass Lachmanns text den besten sinn gibt, halte tore und
biderbe für gegensiitze und nehme loiz 'vveifs' (die färbe der Un-
schuld: vgl, Pass. K. 333,32 t'res herzen wize wolde si nicht
besnlen tun; 397, 36 sin tugentliche wize dem tuvele hete sich ent-
saget; Gleims Zeilg^dichte 1792 s. 74 ein mann der imschnld,
dessen haars schneeweifse färbe sich zu seinem herzen schickte)
ironisch gebraucht für 'schwarz, lasterhaft, schlecht' dh. für das
gegenteil von tugende vol.
Wie Wackernagel zu möre gekommen, ist mir unbegreiflich,
denn nach der varwe geht doch nicht nur auf die färbe , sondern
die äufsere erscheinung überhaupt und mitunter bedeutet varwe
geradezu körper, zb. Fundgr. 2, 125, 41 sie zerstiebint also garioe
sam ir I wrde kein varwe.
Der sinn obiger verse scheint mir demnach zu sein: 'ihr
müsset, um recht zu urteilen, in die leute sehen, niemand soll
aufsen nach der erscheinung einen loben, gar mancher, der uns
nach seinem äufseren als tor erscheint, ist tugendhaft und gut.
wie herlich weifs dagegen (dh. wie mangelhaft und schlecht)
werden die herzen derjenigen, die als biderbe erscheinen und
gelten , befunden werden , wenn sie einer umkehren und hinein-
blicken will.'
80, 1 1 swelh herre nieman niht versaget,
der ist an gebender kunst verschraget:
der muoz iemer notic sin ald triegen.
wenn mich Wilmanns erklärung des zweiten verses 'der ist in
bezug auf die kunst des gebens durch pallisaden eingeschlossen'
ebenso wenig wie Paul befriedigt, so befriedigt mich die in den
Reiträgen 8, 205 von ihm gegebene erklärung 'der nimmt eine
schiefe Stellung zur kunst des gebens ein' noch weniger, 'eine
schiefe Stellung zu etwas einnehmen' ist eine verzweifelt moderne
redensart, die für denjenigen, der gegenständlich zu denken,
jeden ausdruck auf seine anschaulichkeit zu prüfen, ihn sich
vors äuge zu rücken bestrebt ist, ein so seltsames, unklares
bild enthält, dass seine Verwendung einem Walther, überhaupt
seiner zeit nicht zuzutrauen ist. schwerlich könnte es den an
unserer stelle notwendigen gedanken enthalten, dass einer, der
allen geben vfill, die kunst der freigebigkeit nicht in der rechten
weise ausüben kann, sehr richtig aber, wie ich glaube, hat
Paul an die Verwandtschaft von verschragen und verschrenken , an
die Synonyma schräge und schranc erinnert, er hätte nur weiter
gehen und auch beschrenken vergleichend herbeiziehen sollen,
worüber Renecke im wb. zum Wigalois s. 532 sich eingehend
geäufsert hat. 'etJien beschrenken', sagt er ua., 'ist so viel als
den schranc bei einem anbringen, dh. ihm ein bein unterschlagen,
und dann überhaupt, ihn zu falle bringen, so beschrenken die
häscher denjenigen, dem sie eine stange zwischen die beine
werfen' usw.
256 ZU WALTÜER VON DER VOGELVVEIDE
Etwas almliches scheint auch Walthers hild vom schrägen
in dem fraglichen verse zu meinen, dessen passiven ausdruck
(wie es nicht selten lür das Verständnis des mhd. geschehen muss)
man in den activ- reflexiven, transitiven umsetzen darf, sodass
der sinn des ganzen wäre: 'wer keinem eine bit'e um Unter-
stützung abschlägt, der hat sich verschraget, hat sich in bezug
auf die kunst des gebens gleichsam einen knüppel zwischen die
beine geworfen, hat sich selbst ein hindernis in den weg gelegt,
in der rechten weise geben zu können; denn er wird immer in
not sein oder wortbrüchig werden müssen.' seine beine und der
quer dazwischen geworfene knüppel bilden ein kreuz, den schrägen,
womit er sich verschraget hat. wie man in abrede stellen kann,
dass die präp. an die bezieh ung zur kunst des gebens be-
zeichnet, verstehe ich nicht, ön hat doch oft genug diese ab-
slracte bedeutungl ich schäme mich fast, ein beispiel dafür
anzuführen, möchte aber wol wissen, wie man Walthers vers
(26, 34) dö hat ich mich an der mdze ein teil vergezzen anders
als mit Wilmanns Worten 'da halte ich mich hinsichtlich des
mafses geirrt' übersetzen könnte. will einer für 'hinsichtlich
des mafses' lieber 'in dem mafse' sagen, so ist das Wortklauberei;
denn 'in' würde doch nichts anderes als die beziehung be-
zeichnen.
Marburg, october 1888. K. LUCAE f-
ZU ZS. 32, 472.
Auf Zusendung meiner notiz über hdherjvel waren ATobler
und HSuchier so freundlich mir folgendes mitzuteilen. Tobler
machte mich darauf aufmerksam, dass die altfrz. formen hauber-
jeiil bzw. hanbregeul in FGodefroys Dictionnaire de l'aucienne
langue fran^aise 4, 437^ durch je eine stelle erwiesen sind:
hauher'z orent et hauherjeus
de fer fu couverz chascun d'eiis. Ben. Troie, Ars. 3314 f. 59'.
il porroit f orter mh haiibregeul et .1. palete et .1. machue.
1270, Reg. aux bans, Arch. SOmer AB xvni, 16, nr 119. er
fügte folgende formen und belege aus seinen eigenen reichen
schätzen hinzu:
hanbers orent et haubergex. R. de Troie 9481.
un haubergol aveit vestu. Ron ni 8142.
Suchier bemerkte zu meiner behauptung, dass wol besser haber-
jcßl, nicht hdberjoel geschrieben werde (das nl. habberguil schien
mir dafür zu sprechen): 'd köunle doch richtig sein, da auch
das Lothringische für al langes d setzt.'
Marburg, october 1888. K. LUCAE f.
KELTISCHE BEITRÄGE 11 257
KELTISCHE BEITRAGE.
II. BRENDANS MEERFAHRT.
(Fortsetzung von Zs. 33, 220.)
C. die terra repromissionis im lichte der
irischen sage.
Schröder bemerkt (Sanct Brandau s. xi): 'bei der Würdigung
der lateinischen legende dürfte es nötig sein, zwei elemente zu
unterscheiden: ein nationales mythologisches und ein allgemein
christliches legendarisches, ersteres der stamm, auf den das
zweite als reis gepfropft wurde.
Von diesem standpunct aus werden wir in der terra re-
promissionis die uralte, den Germanen wie den Kelten im wesent-
lichen gemeinsame Vorstellung vom totenreich finden, dort im
äufsersten westen liegt das eiland der seelen, dem blick durch
dichte nebel entzogen; das schiff, welches den begnadigten mann
trägt, findet seinen weg von selbst in kürzester frist durch den
nebel; dann strahlt eine leuchtende helle und vor ihm liegt das
land, bedeckt mit blumen des frühlings gleicher weise wie mit
den fruchten des herbstes; dort herscht keine nacht, und wer
in dem lande wandelt, ist aller irdischen beschwerden ledig:
kein alter drückt ihn, kein bedürfnis nach irdischer speise ver-
mag ihm zu nahen.'
In dem vorangehenden abschnitt (s. 144 — 220) habe ich ver-
sucht, das nationale, sagenhafte element, das der Schilderung von
den wundern und schrecken des oceans in der christlichen
legende von der meerfahrt des hl. Brendan zu gründe Hegt, aus
der erhaltenen profanlitteratur nachzuweisen, im folgenden soll
in kürze ein gleiches geschehen für die terra repromissionis der
christlichen legende, ich führe wider die wichtigsten erhaltenen
alten sagentexte vor; sie gehören, so weit es sich um selbständige
texte handelt und nicht um episoden gröfserer erzählungen, der
litteraturgattung der echtrai an (siehe oben s. 145 ff).
I. Echtra Brain maic Febail. zwei vollständige copien
dieses textes finden sich in den dem 14 jh. zugewiesenen hss.Rawl.B.
512 fol. 119*— 120^ 2 mitte und H. 2. 16 (TCD) col. 395—399.
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 17
258 KELTISCHE BEITRÄGE II
die Oxforder lis. hat die alten formen besser gewahrt, vermutlich,
weil der text direct und getreu aus einer hs. vom anfange des
11 jhs. copiert ist (vgl. Gott. gel. anz. 1887 s. 181—183). der
schluss der erzählung ist uns in der um 1100 geschriebeneu
sammelhs. LU erhalten, s. 121* des facsimile. in II. 2. 16 hat der
text die Überschrift Imram Bruin maic Febuil andsa 7 aeachtra
annso sls, was nach dem s. 145 ausgeführten klar ist. der text
ist auch noch in einigen jüngeren hss. erhalten (siehe D'Arbois,
Catalogue s. 105), von denen ich jedoch weder abschriften noch
coUationen besitze.
1. fünfzig Strophen saug das weib aus dem Wunderland auf
dem üur des hauses dem Bran mac Febail, als sein königshaus
voll von königen war, welche nicht wüsten, woher das weib
kam, da die bürg verschlossen war. so nun beginnt die ge-^
schichte, eines tags wandelte Bran allein in der nähe seiner
bürg und hörte gesang (musik) hinter seinem rücken, als er
hinler sich schaute (dh. sich umdrehte), war der gesang immer
noch hinter seinem rücken, er schlief ein von der musik, die
zu dem gesang ertönte, wegen ihrer lieblichkeit. als er aus
seinem schlaf erwachte, sah er einen silberzweig mit weifsen
bluten in seiner nähe und es war nicht leicht, die bluten von
dem zweig zu unterscheiden. Bran nahm den zweig in seiner
band in sein königshaus mit. als sie in dem königshaus ver-
sammelt waren , sahen sie ein weib in unbekannter (wunderbarer)
kleidung auf dem Üur des hauses. da sang das weib 50 Strophen
dem Bran, welche die schar hörte, und sie sahen alle das weib.
2.' 'einen ast von einem apfelbaum aus Emain brachte ich
ähnlich den bekannten, zweige von weifsem silber sind daran,
glänzende augeubrauen mit bluten.
Es gibt eine insel in weiter ferne (inetercein), um welche
die rosse des mecres (gabra rein) spielend auftauchen (ininia-
taitnit); eine glückliche fahrt, auf der zur seite weifse wogen
spielen, führt zu ihm, dem wohnsitz auf füfsen von 4 mann.
Wie glänz des auges ist nach überstandener reise (iarmbuaid)
ausgebreitet das gefilde, auf dem die scharen kampfspiele ab-
* die von mir benutzten alten hss. haben nur mehr 28 Strophen; der
text ist sehr verwahrlost und bedarf mancher emendation, um ihn lesbar
zu machen, ich habe jedoch in den übersetzten Strophen von jeder änderung
abgesehen.
KELTISCHE BEITRÄGE II 259
halten (clechtat). kahn kämpft gegen wagen in dem gefilde süd-
lich, dem silberweifseu.
Füfse von findruine sind unter ihr, glänzende (?taitne)
immerdar, herliche, herlich ist das land in alle ewigkeit, über
welches schneit (? förmig) die blütenfüUe.
Es befindet sich dort ein bäum mit bluten , auf welchem
Vögel zu den zelten ihre stimmen erheben, durch den bekannten
harmonischen gesang rufen sie alle jede stunde aus.
Es strahlen die glänzenden gewänder in allen färben, durch
die gefilde werden juchzer ausgestofsen. freude und gesang
ist zu hause (isgnath) in dem gefilde südlich, dem silbernebligen.
Nicht ist bekannt jammern na mbrath (vor den gerichlen?)
in dem gefilde, wenn es überhaupt bekannt ist; nicht gibt es
etwas rauhes für die kehle, sondern nur lieblichen gesang fürs ohr.
Ohne schmerz, ohne trauer, ohne tod, ohne jedwede krank-
heit fri indgas. dies gibt eine vorslellung von Emain, nicht
häufig gibt es ein ihm gleiches wunder.'
Nun werden in weiteren 17 Strophen verschiedene gefilde in
ähnlicher weise beschrieben und dann heifst es:
'Es gibt 150 ferne inseln in dem ocean westlich von uns,
jede einzelne von ihnen mehr als zweimal oder dreimal so grofs
wie Irland.'
Nach einer längeren Weissagung auf Christus — 'nach langen
Zeiten wird eine wunderbare geburt kommen, der söhn eines
weibes, dessen gemahl man nicht kennt: er wird die herschaft
über die vielen tausende ergreifen, eine herschaft ohne anfang
und ende' usw. — schliefst das weih mit der aufforderung an
Bran: 'beginn die fahrt übers klare meer, ob du vielleicht ins
land der frauen (tir namban) gelangen wirst.'
3. das weib gieng darauf von ihnen, ohne dass sie wüsten,
ob sie gegangen, und trug ihren zweig mit sich, der zweig
sprang aus der band Brans [der ihn ja hatte] in die band des
weibes, und Bran halte nicht kraft, in der band ihn festzuhalten.
am anderen tage gieng Bran zur see mit 3 mal 9 mann von seinen
pflegebrUdern und altersgenossen. als er 2 tage und 2 nachte
auf dem meere war, sah er einen mann auf einem wagen übers
meer auf sich zukommen, der mann sang 30 weitere Strophen
und tat ihm kund und sagte, er sei Manandan mac Lir (M. der
söhn des nieeres), und sagte, er komme darum nach langen
17*
260 KELTISCHE BEITRÄGE 11
Zeiten nach Irland, dass von ihm ein söhn geboren werde, näm-
lich Mongan niac Fiachnoe.
4. in ähnlicher weise, zum teil mit den gleichen Worten,
wie das unhekannte weih die ferne insel beschrieben, schildert
der meergott Manandau sein land (crJch, tlr Manandain niaic Lir),
das er auch Mag Meld (das geülde der wonnen) nennt, nach-
dem er die geburt Mongans prophezeit und ihn geschildert, teilt
er Bran mit, dass es nicht mehr fern sei zum lande der frauen,
nach Emain, dass er es vor Sonnenuntergang erreichen werde.
5. Bran gieng darauf von ihm und erblickte eine insel; er
fuhr rings um sie herum, und eine grofse schar war darauf
lachend und gelächter ausstofsend (ocgignig 7 gairechtaig). sie
erblickten alle Bran und seine gefährten, liefsen jedoch nicht
ab (vom lachen), um sie anzureden, sondern stiefsen lachgeschrei
um sie aus. Bran schickte einen von seinen genossen auf die
insel und der stiefs lachen aus unter ihnen wie die übrigen be-
wohner der insel. als Bran um die insel herumfuhr, da kam
sein gefährte an ihm vorbei (am ufer), und seine mitgefährten
redeten ihn an. er antwortete ihnen aber nicht, sondern blickte
die frauen an und stiefs gelächter (ginich) aus. der name dieser
insel ist insel der freude (inis subai). sie liefsen ihn (den ge-
fährten) dort zurück.
6. bald darauf kamen sie zu dem lande der frauen (tlr
namban) und sahen die fürstin (braine) der frauen am hafen.
die fürstin (toisech) der frauen sagte zu ihm: komm her ans land,
0 Bran mac Febal, deine ankunft ist willkommen. Bran wagte es
nicht, ans land zu gehen, es schleudert das weib dem Brau
ein knäuel zu , wonach Bran seine band ausstreckt und es fängt,
das knäuel 1 haftete in seiner band, der faden des knäuels be-
fand sich in der band des weibes und sie zog den kahn in den
hafen. sie giengen darauf in ein grofses haus , woselbst sich ein
bett für je ein ehepar (^/anamamj befand; 3 mal 9 betten waren
es. die speise, die auf jeden tisch aufgetragen wurde, nahm
nicht ab. ein jähr kam ihnen ihr aufenthalt dort vor, während
es doch viele jähre waren, heimweh erfasste einen mann von
ihnen, den Nechtan mac Colbrain. er beschwor den Bran bei
seinem geschlecht, dass er mit ihm nach Irland gienge. das
weib sagte, die reise würde sie gereuen, sie brachen nichts
* hier beginnt LU 121», 1.
KELTISCHE BEITRÄGE II 261
desto weniger auf und das weib sagte, dass keiner von ihnen
das land betreten solle (? arnatuinsed) , und sie sollten den mann
besuchen, den sie auf der insel der freude zurückgelassen,
nachdem sie ihren genossen heimgebracht, sie brachen dann
auf und kamen (in der heimat an zufällig) zu einer Versammlung
in Srub Brain ('Brans schnauze', wol name eines Vorgebirges?),
diese (in der Versammlung) fragten sie , wer da auf dem meere
käme. Bran sagte: ich bin es Bran mac Febail. wir haben
kein erkcnnungszeichen dafür, sagten seine vasallen von dort
(aus der Versammlung), wir haben unter den alten geschichten
einen Imram Brain. es wird nun der mann (nämlich Nechtan)
von ihnen aus dem kahn gesetzt, sobald er den boden Irlands
betrat, wurde er sofort zu asche, als ob er viele hundert jähre
hindurch in der erde gelegen hätte. Bran erzählt darauf (vom
kahn aus) seine erlebnisse von anfang an den leuten der Ver-
sammlung und schrieb die verse in ogam und nahm darauf ab-
schied von ihnen , und von seinen weiteren erlebnissen weifs
man nichts.
Der sagenerzähler sucht, wie aus abschnitt 2 ersichtlich, die
Vorstellung zu erwecken , als ob es sich um ein ereignis handle,
das vor Christi gehurt und vor einführung des Christentums in
Irland sich zugetragen habe, er bleibt daher vortrefflich in seiner
rolle, wenn er den Bran die verse in ogam niederschreiben
lässt, der im heroenzeitalter vor einführung des Christentums
üblichen irischen runenschrift. so alt ist freilich unser text nicht,
er gehört aber zum ältesten , was uns von irischer profanlitteratur
erhalten ist: seine spräche ist sicher so alt wie die ältesten alt-
irischen glossen; er kann also noch dem 7 jh. angehören, die
beiden hauptepisoden (abschnitt 5 und 6) sind uns schon in dem
ebenso alten Imram Maelduin begegnet; es entsprechen sich
Echtra Brain 5 und Imram Maelduin 31 sowie Echtra Brain 6
und Imram Maelduin 28. eine abhängigkeit beider erzählungen
von einander ist nicht nachzuweisen, müste aus anderen gründen
eine angenommen werden , so wäre sicher für die episode Echtra
Brain 6 == Imram Maelduin 28 der letztere die abgeleitete quelle,
wie aus den erörterungen unter D n c. 2 hervorgeht.
n. Echtra Condla chaim maic Cuind Chetcha-
tJiaig. das abenteuer von Condla dem schönen, dem söhn Cond
262 KELTISCHE BEITRAGE II
Cetchathachs , findet sich in den alten hss., welche Echtra Brain
bieten, entweder demselben vorangehend oder nachfolgend: LU
120^ Rawl. B. 512 fol. 120^ 2; H. 2. 16 (TCD) col. 399—400;
Egerton 1782 (Brit. mus.) fol. 19^ 2J es gehört nach inhalt und
spräche der gleichen zeit an wie Echtra Brain.
1. als Condla Ruad, der söhn von Conn Cetchathach, eines
tages an der seile seines vaters im oberen teile (auf der höhe)
von Usnech war, sah er ein weib in ganz unbekannter kleidung
auf sich zukommen, woher bist du herzugekommen, o weib? sagte
Condla. ich bin gekommen, sagte das weib, aus den gefilden
der lebenden (atJrib bed), einem ort, an welchem weder
tod noch Sünde noch vergehen. wir feiern an-
dauernde (ewige) feste, ohne dass wir bedienung
bedürfen; wir haben schönen Umgang, ohne dass
streit entsteht, es ist ein grofses .SFd, in welchem wir leben,
und deshalb werden wir Sldleute genannt, wen redest du, o Jüng-
ling, an? sagte Cond zu seinem söhn, denn niemand sah das weib
aufser Condla. das weib erwiderte: er spricht zu einem jungen,
schönen weib von edlem geschlecht, welches weder tod noch alter
erwartet, ich habe Condla geliebt, ich lade ihn ein nach dem gefilde
der seeligkeit, wo ßoadag der ewige könig ist, ein könig ohne klage,
ohne weh in seinem land, seit er die herschaft ergriffen, komm mit
mir, o Condla Ruad, nackeubunter, rot wie licht; ein diadem (barr
bilde) erwartet dich über dem purpurangesicht, eine ewige zier
deiner königsgeslalt. wenn du einwilligst (mit mir zu kommen),
so wird deine gestalt nicht welken , weder ihre Jugend noch
ihre Schönheit, bis zum jüngsten gericht, dem schrecklichen
(? brindach).
2. Cond sagte zu seinem druiden , Corän war sein name
— alle hörten, was das weib sagte, obwol sie dasselbe nicht
sahen — : ich beschwöre dich , o Corän, mit den vielen (zauber-)
gesängen, mit den vielen künsten; ein forbond kam über mich,
gröfser als mein rat und meine kraft, ein kämpf, wie ich ihn
nicht zu bestehen hatte, seit ich die herschaft ergriffen, eine
unsichtbare gestalt hat ein zusammentreffen mit mir, sie tut mir
1 einige jüngere hss., die ich nicht collationiert habe, zählt D'Arbois,
Catalogue s. 109 auf. der text ist nach LU herausgegeben und übersetzt
von Growe im Journal of the royal historical and archaeological association
of Ireland 1874 s. 118ff. einen textabdruck nach dem facsimile von LU gibt
Windisch, Ir. gramm. s. 118 ff.
KELTISCHE BEITRÄGE II 263
gewalt an, um mir meinen sehr scliöuen söhn zu entführen; durch
weihliche üherredung {ahwenduug, toath) , Zaubersprüche von trauen
wird er von des königs seile entführt, darauf sang der druide
(einen zauber) nach der stimme des weibes (dh. der gegend, woher
sie kam), und niemand hörte mehr die stimme des weibes, und
von da an sah auch Condia das weih nicht mehr, als aber das
weib weggieng vor dem mächtigen gesang des druiden , warf sie
dem Condia einen apfel zu. Condia verbrachte einen vollen
monat, ohne einen bissen zu sich zu nehmen, weder trank noch
speise; er afs keine andere speise aufser von dem apfel, welcher
dessen ungeachtet nicht im geringsten abnahm, sondern immer
ganz war. Sehnsucht erfasste darauf den Condia nach dem weib,
welches er gesehen hatte.
3. an dem tage, als der monat zu ende gieng, befand sich
Condia an der seile seines vaters in Mag Archommin und er
sah das weib wider auf sich zukommen und sie sagte zu ihm :
erhaben ist der sitz, auf welchem Condia unter kurzlebigen sterb-
üchen sitzt , den schrecklichen tod erwartend, die ewiglebenden
lebendigen fordern dich, sie laden dich ein, zu den menschen
von Tethra zu kommen, denn sie erblicken dich jeden tag in
den Versammlungen deiner heimat unter deinen lieben ange-
hörigen. als Coud die stimme des weibes hörte, sagte er zu
seinem gefolge: ruft mir den druiden, ich sehe, sie hat heute
wider ihre spräche gewonnen, da sagte das weih: druidenkunst
liebt man nicht, wenig wird sie geschätzt am grofsen Strand,
dem gerechten mit den vielen wunderbaren, zahlreichen familien.
wenn sein gesetz kommen wird, wird es die Zaubersprüche der
druiden vernichten, welche übergehen (tardechta 3 plur. rel. zu
tartiag) auf die lippen des schwarzen, zauberischen dämons
(teufeis), dem Cond war es auffallend, dass Condia niemand
eine antwort geben würde aufser das weib käme, liegt es
dir in deinem sinn, was das weib sagte? fragte Cond. es ist
nicht leicht (eben) mir: über alles liebe ich mein volk, aber
Sehnsucht nach dem weib erfasste mich, da antwortete das weib
und sagte: es ist dir um vieles schwerer . . . gegen die woge
deiner Sehnsucht . . .', in meinem glaskahn würden wir zum
^ Lü liest Tathut airunsiir älaib fritöind teölchaire ofadib, während
Eg. 1782 airium sur für aii'unsur bietet, mit beiden ist nichts anzufangen,
sondern airunsu 'um viel schwerer' (gegensatz irussu, aurussu, urussu) zu
264 KELTISCHE BEITRÄGE II
Sid des Boadach kommen , wenn wir es erreichen würden, es
gibt auch noch ein anderes land, das sich nicht weniger lohnt
aufgesucht zu werden; ich sehe, er lässt sinken die helle sonne,
wie fern es aber auch ist, wir werden es vor nacht erreichen,
dies ist das land, welches den sinn eines jeden erfreut, der es
durchwandert: es gibt kein anderes geschlecht dort als freuen
und Jungfrauen.
4. als die Jungfrau ihre antwort beendigt hatte, tat Condla
einen sprung von ihnen weg, dass er in dem gläsernen schiff
war. man sah sie nach und nach ferner rücken (uadib), so weit
der bUck des auges reichte, sie fuhren auf dem meere weg und
wurden nie mehr gesehen und man weifs nicht, wohin sie kamen.
III. Echtra Cormaic iTlr Tairngiri. das abenteuer,
welches dem Cormac, dem enkel Cond Cetchathachs und neffen
Condla Ruads im lande der verheifsung begegnete, ist uns in 3 hss.
des 14 undl5jhs. erhalten: Book of Ballymote s. 262*, 9— 262^
54 des facsimile, H. 2. 16 (TCD) col. 889 — 898 und Book of
Fermoy fol. 61"^, 1. aus den beiden letzten hss. besitze ich nur
excerpte des textes. der zusatz iTlr Tairngiri fehlt sowol in
den 3 hss. des den titel bietenden sachcatalogs als auch im Book
of Fermoy.
1. eines frühen morgens im mai befand sich Cormac, der
enkel von Conn auf dem grabhügel der Tea in Tara und sah
einen bejahrten, grauhaarigen ritter auf sich zukommen: ein
purpurmantel mit säum um ihn, darunter ein hemd mit gold-
fäden auf der haut, sandalen von findruine unter den füfsen,
ein silberzweig mit 3 äpfeln von gold auf seinem rücken, der
genuss war grofs, auf die musik zu hören, die der zweig machte:
es wären eingeschlafen verwundete männer, gebärende frauen
und kranke scharen von der musik, wenn der zweig geschüttelt
wurde. Cormac und der unbekannte begrüfsen sich, woher bist
du gekommen, o ritter? sagte Cormac. aus dem lande, in dem
Wahrheit herscht, in dem es kein alter oder gebrechen, weder
kummer noch trauer, neid noch eifersucht, weder hass noch
hochmut gibt, so ist es bei uns nicht, sagte Cormac. wollen
wir nicht freundschaft schliefsen? fuhr er fort, das ist mir recht,
sagte der ritler, und sie schliefsen darauf freundschaft. willst
trennen, der sinn muss sein : der kämpf gegen die woge der sehnsuciit
ist schwerer als die fahrt mit mir, darum komm.
KELTISCHE BEITRÄGE II 265
du mir den zweig geben ? fragte Cormac. ich werde ihn geben,
sagte der ritter, wenn mir die 3 bitten gewährt werden, die ich
in Tara bitten werde. Cormac sagt zu; der ritter verpflichtete
ihn zur erfüllung (naiscis), überliefs ihm den zweig und gieng
weg zugleich, ohne dass Cormac merkte, nach welcher seite
er gieng.
2. Cormac gieng in seinen palast und die hausgenossen
bewunderten den zweig. Cormac schüttelte den zweig gegen sie,
dass sie in schlaf fielen auf 3 stunden, nach verlauf eines Jahres
kam der ritter zu dem ort des Zusammentreffens und erbat sich
Ailbe, die tochter Cormacs und nahm sie mit. als ihre weibliche
dienerschaft drei laute schreie hinter der tochter des königs von
Irland erhoben, da schüttelte Cormac den zweig, wodurch sie
alle kummers ledig wurden und in schlaf verfielen, nach einem
weiteren monat kommt der ritter wider und nimmt den Cairbre,
Cormacs söhn mit sich: Jammer und wehklage hörte in Tara
nicht auf, man afs nicht und schlief nicht und war in kummer
und grofser trauer. da schüttelte Cormac den zweig gegen sie,
dass sie die trauer vergafsen. derselbe ritter kam wider, was
verlangst du heute? fragte Cormac. dein weib, erwiderte er,
Eithne Taebfata. darauf nimmt er die frau mit sich.
3. dies ertrug Cormac nicht und setzte ihnen nach; man
setzte Cormac nach jeder richtung nach, dichter nebel fiel auf
die ebene, der wälle für die begleiter Cormacs bildete. Cormac
selbst geriet allein dann auf eine grofse ebene, auf der sich eine
grofse bürg befand, ein wall von bronze führte um sie herum,
ein silberweifses haus befand sich innerhalb der burgumwallung
und 6 halbe unzen von federn weifser vögel zum decken des
hauses. ein windstofs trug alles, was gedeckt war, hinweg.
Cormac sieht einen mann in ihm (dem haus) ein feuer anzünden;
eine unten dicke eiche wurde ganz darauf gelegt, und als der
mann mit einer zweiten eiche zurückkehrte, horte das brennen
der ersten eiche auf. Cormac sieht ferner eine andere grofse,
königliche bürg und ein wall von bronze führt um sie herum,
vier häuser befinden sich innerhalb der bürg. Cormac tritt ein
und sieht ein grofses königshaus, dessen balken von bronze, das
fachwerk (cael) von silber und das dach von flügeln weifser vögel.
Cormac sieht ferner in der bürg eine glänzende quelle, aus welcher
5 ströme führen und deren wasser herliche scharen trinken, neun
266 KELTISCHE BEITRÄGE 11
(?7iai') liaselsträuche stehen über der quelle; es werfen die pur-
purnen haselslräuche ihre nüsse in die quelle, die 5 lachse,
die in der quelle sind, zerdrücken sie (die nüsse), dass ihre
schalen auf den strömen schwimmen, das getöse des wassers
der ströme ist lieblicher als jede musik.
4. darauf gieng Cormac in das königshaus. ein ehepar traf
er darinnen: die gestalt des ritters war in hohem grade be-
merkenswert wegen der Schönheit seines Wuchses, der lieblichkeit
der gestalt und des aufsergevvöhnlichen des gebahrens; ein weih
befand sich bei ihm, von blondem haar mit einem golddiadem,
hervorragend an Schönheit vor den frauen der weit, ihr baden
(waschen) geschieht ohne bemerken, ein baden auf dem getäfel
(? forsinclämd) ohne beihilfe eines menschen, nur dass die steine
hinein und heraus (gehen), darauf nimmt Cormac ein bad. als
sie nun dort waren bis zur nachmittagsstunde, sahen sie einen
mann ins haus eintreten, der einen bogen von brennholz in der
rechten band trug, eine keule in der linken und eiu schvvein
hinter sich führte, es ist zeit, die zurichtuug der mahlzeit hier
innen zu besorgen, sagte der ritter, denn ein vornehmer gast
ist da. der mann traf das schwein, dass es tot war, und spaltete
seine keule, und das schwein wird in den kessel geworfen, als
der ritter aufmerksam machte, dass es zeit wäre, dasselbe um-
zuwenden, wurde ihm erwidert, dass das schwein in alle ewig-
keit nicht gar würde, wenn nicht zu jedem seiner viertel etwas
wahres erzählt werde, auf die auffordern ug des ritters beginnt
der mann: eines tages, als ich die gegend durchstreifte, fand ich
die kühe eines anderen mannes auf meinem eigentum und ich
nahm an mich ihr gobhag(?) und der eigentümer der kühe kam
hinter mir her und sagte, er würde mir lohn geben, wenn ich
die kühe frei liefse. ich gab ihm seine kühe und er gab mir
ein schvvein, einen bogen und eine keule: das schwein, um es
jeden abend mit dem bogen zu töten, und die keule, um sie zu
zerspalten , und das brennholz reicht zum kochen des Schweines
hier hin. das schwein nun ist am anderen morgen (iarmaidin)
wider lebendig und die keule ist ganz und so steht es von da
an bis heute, die geschichte ist wahr, sagte der ritter. das
schwein wurde herumgedreht, und man fand nur ein viertel an
ihm gekocht, es muss eine andere wahre geschichte bei uns
erzählt werden, sagen sie. ich werde erzählen, sagte der ritter:
KELTISCFIE BEITRÄGE II 267
es kam die zeit der ackerbestellung bei uns. als wir das feld
draufsen bestellen wollten, da fand sich, dass es schon besäet
war, es war mit getreide (waizen) bestellt; als man wollte daran
gehen, es zu schneiden, da fand man die cruaüh auf dem felde;
als man es einbringen wollte auf jene seile draufsen , da fand
man die einzelnen cruaith bedeckt innerhalb der bürg (isinles).
man zehrt davon von jener zeit bis heute, ohne dass es mehr
oder weniger wird, das schwein wurde umgedreht und man
fand ein zweites viertel an ihm gar. an mir ist jetzt die reihe,
sagte das weib: ich habe 7 kühe und 7 schafe, sagte sie. die
milch der 7 kühe reicht hin für die bewohn er des landes
der verheifsung, und an der wolle von den 7 schafen haben sie
überfluss zur kleidung. in folge dieser erzählung war das dritte
viertel des Schweines gar. an dir ist jetzt die reihe, sagten sie
zu Cormac. der erzählte nun, wie ihm sein weib und sein söhn
und seine tochter genommen worden und wie er selbst sie suchen
gieug, bis er das haus dort traf, da war das ganze schwein gar
und wurde darauf bei ihnen zerteilt und dem Cormac sein teil
vorgesetzt, ich esse nie eine mahlzeit, sagte Cormac, ohne 50 zu
meiner portion (dh. ohne dass 50 mann zugegen sind?), der
ritter sang ihm in bass zu, bis er einschlief; er erwachte darauf,
erblickte die 50 ritter und seinen söhn und sein weib und seine
tochter in seiner nähe, da wurde sein sinn erfreut (gekräftigt),
es wurde speise und trank ihnen ausgeteilt, bis sie fröhlich und sehr
erfreut wurden, ein goldener becher wurde dem ritter überreicht.
Cormac bewunderte den becher wegen des figurenreichtums daran
und wegen der wunderbaren arbeit, es gibt etwas, was wunder-
barer an ihm ist, sagte der ritter: drei lügen worte unter ihn
gegeben und er bricht in 3 teile, drei wahre geständnisse dann
unter ihn gegeben und sie (die 3 teile) wachsen wider zusammen,
dass er die frühere form erhält, der ritter spricht 3 lügenworte
unter ihn und er bricht in 3 stücke, es ist besser, Wahrheit an
ihn zu geben, sagte der ritter, denn sie macht den becher ganz,
ich bekenne dir, o Cormac, fuhr der ritter fort, dein weib oder
deine tochter haben das augesicht eines maunsbildes nicht ge-
sehen, seit sie aus Tara von dir weggebracht wurden bis zum
heutigen tage, und dein söhn sah das angesicht eines weibsbildes
nicht, darauf war der becher wider ganz, nimm nun deine
famihe, sagte der ritter, und nimm den becher an dich zur
268 KELTISCHE BEITRAGE II
Unterscheidung von Wahrheit und lüge und auch den zweig sollst
du haben zur musik und erheiterung. alles dies wird von dir ge-
nommen werden an dem tage, an welchem du den tod finden
wirst, ich bin Manandan mac Lir, sagte er, der künig
des landes der verheifsung und darum brachte ich (dich?
sie?) hierher, dass du das land der verheifsung sehen solltest.
Nun erklärt Manandan dem Cormac noch kurz die dinge,
die er vor dem eintritt in den königspalast gesehen — die
5 flüsse aus der quelle sind die 5 sinne, die quelle ist die quelle
der Weisheit (?topur infis 'der vision'?), aus der die weisen
trinken — ; 'als aber Cormac am anderen morgen erwachte, da
befand er sich auf der wiese von Tara zu vieren, der becher
und der zweig bei ihnen.'
So alt wie die beiden ersten erzählungen ist die erzählung
von dem abenteuer des Cormac nicht, so weit die spräche ein
urteil gestattet, älter als das 14 jh. scheint der text mir auf
jeden fall zu sein, ich füge noch an zwei berichte über das
'land der frauen' und das 'land der verheifsung' aus der grofsen
rahmenerzählung des Ossiansagenkreises, die den titel Accallam
na senorach 'Unterhaltung der alten' führt, über die handschrift-
liche Überlieferung dieses umfangreichen textes habe ich Gott,
gel. anz. 1887 s. 158 und 191 ff gehandelt, dem beginnenden
15 jh. gehören mehrere hss. an und die spräche dieser erzählungen
ist das mittelirische des 14 und 15 jhs. die unter iv* gegebene
erzählung findet sich Laud 610 fol. 138^ 1 ff = Rawl. B. 487
fol, 48% 1 ende ff; die erzählung unter iv'' steht Laud 610 fol.
130% 1 ff = Rawl. B. 487 fol. 37^ ff = F. C. 12 s. 19'' z. 32 ff.
IV*. auf die frage von Eogan Leithderg. warum der rücken
den namen 'rücken des toten weibes' (Druim namnU mairbe) trage,
erzählt der alte recke Cailte mac Ronnain folgendes, eines tages
war Finn mit den 3 scharen der Fenier auf der jagd auf der
anhöhe angekommen, bald sahen sie jemand auf sie zukommen,
ein weib in überirdischer Schönheit und gröfse, das sich auf
einem hügel in ihrer nähe niedersetzte, zur rechten von Finn
safs Goll mac Morna; an ihn wandte sich Finn mit der frage,
ob er schon ein gröfseres weib gesehen. Goll verneinte dies,
die neugierde, was es mit dem weihe für eine bewandtnis habe,
bestimmt den Finn, mit seinen besleitern die sitze zu verlassen
KELTISCHE BEITRÄGE II 269
und zu dem hügel zu gehen , wo das weib safs. dasselbe hatte
sich erhoben. Finn fordert sie auf, sitzen zu bleiben und ihnen
platz am hügel zu gestatten, damit sie gegenseitig mitteilungen
austauschen könnten, sie lehnte sich an den hügel und Finn
fragte: was ist es für ein land, aus dem du gekommen bist, o
Jungfrau, und wer bist du selbst? ich komme aus dem lande
der Jungfrauen (tlr naningen) aus dem westen des
meeres, wo die sonne untergeht, und ich bin die tochter
des königs dieses landes. welches ist dein name? sagte Finn.
Bebend (weifse frau), tochter des beiden, tochter des königs des
landes der Jungfrauen (Behind ingen Treoin ingen rlg tlre nan-
ingen missi). warum heifst nun das land 'Jungfrauenland'? fragte
Finn. es gibt keine männer darin, sagte das mädchen, als
meinen vater mit seinen 3 söhnen ; aufserdem 9 tochter und
140 mädchen, die von ihnen geboren, deshalb wird dies land
'Jungfrauenland' genannt, welches land liegt euch am nächsten?
fragte Finn. das männerland (tlr nafer), sagte das mädchen.
wer ist könig in ihm? fragte Finn. Cetach Crobderg, 28 söhne
hat er und eine tochter, und ich wurde einem seiner söhne, dem
Aed alaind, gegeben, und schon 3 mal bin ich ihm (zum weibe)
gegeben und 3 mal bin ich ihm davon gelaufen und dies ist das
dritte mal. wie hast du denn künde von diesem land (dh. Irland)
erhalten ? fragte Finn. 3 fiscberleute (triur iascairidh) trug der
wind von diesem lande weg zu uns und sie gaben uns nachricht
von diesem lande und sagten, dass hier in diesem lande ein
trefflicher held lebe (öclach maith dobeith isintJr) , nämlich Finn
mac Cumaill, und wenn du der held bist, zu dir bin ich ge-
kommen, mich unter deinen schütz zu begeben, und sie zog
den handschuh aus (dobenastar allämaind di) und legte ihre band
in die band Finns. Finn wies sie bescheiden ab und verwies
sie auf den neben ihm befindlichen GoU mac Morna, in dessen
schütz sie sich begab.
Nunmehr fordert Finn mac Cumaill den Finn mac Cuain,
dessen wohnsitz in der nähe war, auf, voraus zu eilen und die
bewirtung vorzubereiten, die Jungfrau nahm nun ihren heim von
dem haupt und ihr weifses, langes, wunderschönes haar wallte
um ihren köpf und alle wunderten sich über die gröfse des
haares , sodass sich Finn zu dem ausruf hinreifsen liefs : o grofse,
verehruugswürdige götter, das wird ein grofses verwundern sein
270 KELTISCHE BEITRÄGE II
bei Cormac, dem könig Irlands, bei Eithne und bei den frauen
der Fenier, wenn sie Bebind ingen Treoin sehen, darauf bittet
das mädchen um einen trunk und Finn fordert den Saltransalfada
auf, den becher, der für 3 mal 9 Fenier reichte, an der fürt
zu füllen, der brachte ihn voll und gab ihn dem mädchen in
die band, dieses goss das wasser in die rechte hohle band und
trank 3 mundvoll (tri holguma) daraus und spritzte das übrige
über die Fenierschar. als Finn sie fragte, warum sie nicht aus
dem becher getrunken, erwiderte sie, dass sie bis dahin noch
nichts aus einem becher getrunken, der nicht mit gold oder
Silber verziert war.
Während Cailte noch ausschaute, sah er einen grofsen ritter
von ferne kommen, der noch gröfser war als das mädchen: er
war ohne kinn- und Schnurrbart, in einen grünen, einfarbigen
mantel gehüllt; eine spange von gold war im manlel, ein unter-
gewand von königlicher seide trug er auf der haut, als waffen
führte er schild, schvvert und vergiftete lanze mit sich, schrecken
und furcht ergriff alle mit ausnähme von Finn. letzterer fragte,
ob jemand den nahenden kenne, er ist mir bekannt, sagte das
mädchen, es ist der mann, um den ich auf der flucht bin; zu-
gleich erhob sie sich und setzte sich zwischen Finn und Goll
niac Morna. da kam der ritter an, und sobald er in gleicher
höhe mit Finn und Goll war, erhob er die band und senkte
seinen speer in das mädchen, dass so lang wie die band eines
beiden von dem schaft des Speeres auf der hinteren seite des
mädchens hervorstand, dann zog der ritter den speer heraus
und gieng über das beer weg.
Finn ruft seine Fenier zur räche auf, und während er und
Goll bei dem verwundeten, aber noch lebenden mädchen zurück-
bleiben, eilen die 3 scharen der Fenier dem fremdliug nach über
verschiedene sageuberühmte orte. 4 beiden vor allen waren ihm
auf den fersen: Diarmaid O'Duibne, Glas mac Aencherda Berra,
Oscur mac Oissin und Cailte selbst, so gelangte er an den
hafen von Rind Cäna ('tributspitze', name eines Vorgebirges); Cailte,
hinter ihm her in raschem lauf, warf mit dem speer nach ihm,
dass derselbe durch den schild in die linke schulter drang, der
Schild neigte sich auf die woge nieder und Cailte fieng ihn mit
der linken band auf. der unbekannte langte mit der rechten
nach dem speer (Cailtes), um ihn (aus der wunde) herauszu-
KELTISCHE BEITRÄGE H 271
ziehen. Caille tut einen raseben griff nach der anderen hand (des
unbekannten) und schlug ihm den speer aus der hand. als nun
Cailte sich eben anschickte, nachdem ritter mit dessen eigenem
speer zu werfen , da kam ein wogenberg (remor natonn) und
meerestiefe zwischen beide — sie waren vom lande abgekommen — ,
und als noch Cailte und die ihm zunächst befindlichen Fenier
hinschauten, erblickten sie ein grofses schiff von westen in gerader
richtung auf sie zukommen und 2 mann darin beim rudern, und
der unbekannte gieng in das schiff und Cailte und seine begleiler
konnten nicht erkennen, nach welcher seite die drei sich ent-
fernten, darauf kehrten die Fenier wider von westen nach dem
hügel, wo sie den Finn zurückgelassen; sie erzählten ihm den
Vorgang und zeigten den erbeuteten schild und speer vor. die
Jungfrau befiehlt darauf, ihr grab aufzuwerfen, und als die seele
vom körper schied, wurde sie unter die erde gelegt, und davon
rührt der name Druim namna mairbe für den hügelrücken her.
iv*^. Coro mac Dairine richtete an Cailte die frage, woher
die namen Tonn Chlidna und Tonn Treite ('woge der Cl., woge der
Treite') kämen; Cailte erklärte, sich dessen sehr gut zu erinnern,
und erzählte folgendes, unter den Feniern befand sich ein bei Finn
in besonderer gunst stehender krieger (dclach gräda), nämlich
Ciaban, der söhn von Eochaid Imderg, könig in nord-Ulster. wie
der Vollmond (esca inachniced dec) vor allen geslirnen des himmels
hervorragt, so übertraf dieser ritter an wuchs und schöner ge-
stalt die söhne der könige und edlen der weit, die Fenier waren
ihm nicht hold, denn alle frauen, mochten sie verheiratet oder
ledig sein, verliebten sich in Ciaban. Finn sah sich genötigt,
sich von ihm zurückzuziehen, aus furcht, dass ihn die Fenier
aus eifersucht töten würden , gieng Ciaban nach Träig inChairn
('Strand des Steinhaufens'), der jetzt (dh. zu der zeit, in der
Cailte erzählte) Trätg naTrenfer (Strand der beiden) genannt
wird, in Ulster zwischen Dün Sobairche und dem meer. er er-
blickte einen kahn, am köpf hoch, einen schwertgeraden, von
bronze dort, und zwei junge burschen waren in dem kahn; sie
trugen pudermäntel (tuignech putairle) bis zu den Schulterblättern.
Ciaban begrüfste sie und sie erwiderten ihm. wer seid ihr,
o Jünglinge? sagte Ciaban. Lodan, der söhn des königs von Indien
(mac rJg naüindia) bin ich, sagte der eine, und Eolus, der söhn
des königs von Griechenland (naGrege) ist der dort: die woge
272 KELTISCHE BEITRÄGE II
trug uns und der stürm drängte es, und wir wissen nicht, was
für ein land oder voik es ist, wo wir sind, würdet ihr den-
jenigen, der lust hat, mit euch das meer zu befahren, zu euch
nehmen? fragte Ciaban. wenn es auf dich allein aniiommt,
werden wir es tun, erwidern sie. heda, Ciaban, sagten seine
genossen, willst du Irland verlassen? so ist es, erwiderte er,
denn ich finde weder schütz noch Sicherheit in ihm. darauf
schied Ciaban von seinem gefolge, das traurig war, als ob es
ein abschied der seele vom leibe wäre, und stieg in den kahn.
es erhoben sich die weifsen, laut lachenden wogen gegen sie,
dass gleich einem berg jede grofse wogenmauer war, und dass
die schönen, flossenbunten lachse, die sonst auf der tiefe und
dem grund des meeres, an den seitenbrettern des kahnes sich
zeigten, schrecken und grofse furcht erfasste die insassen des
kahns. Ciaban bedauerte, dass man sich nicht wie am lande
verteidigen und kämpfen könnte, als sie sich nun so in dieser
grofsen bedrängnis befanden, da sahen sie einen ritter auf sie
zukommen: ein dunkelgrünes ross mit goldenem zügel war unter
ihm; neun wogen war er unterm meer, die neunte woge hob
ihn und nicht war bauch oder brüst ihm nass. der ritter fragte
sie, welchen lohn sie demjenigen geben würden, der sie aus der
gefahr errettete, wir wissen nicht, sagten sie, ob der lohn,
welcher von uns verlangt wird, in unserer band steht, er ist
es, sagte der ritter, ihr müsst ins gefolge (muinterus) dessen
treten, der euch helfen wird, sie giengen darauf ein und legten
ihre bände in die band des ritters und er nahm sie alle drei zu
sich auf das ross, und der kahn schwamm auf der seite (artceh-
snäm) neben dem ross, bis sie zum hafen und landungsplatze im
lande der verheifsung kamen, sie sprangen dort ab und
giengen bis LochLuachra, zur Stadt Manandans. ein trinkhaus war
eben errichtet worden, und die 4 ritter wurden darauf bedient
und bewirtet: die spunde wurden aus den fässern von eiben-
holz geschlagen^ becher und trinkhörner aufgestellt und schöne
burschen mit blauen augenbrauen liefen mit den blumenge-
schmückten trinkbechern ; timpana mit wolklingenden saiten und
• robenad aceindbecca dandabchaib donniubhair leo Laud 610; ro-
benad acendbeeca dodabchaib disli dundibair leo F. C. 12; robenad aceinn-
beca dodabch. dergib. leo Rawl. an spunde in unserem sinne kann bei
cennbecca wol nicht gedacht werden; es ist wol das engere köpfende des
fasses gemeint, das man abschlug, um aus ihm schöpfen zu können.
KELTISCHE BEITRÄGE II 273
harfen mit 9 saiten wurden gespielt, bis laute fröhlichkeit das
haus erfüllte.
Da erhoben sich die Jongleure im haus des Manandau und
führten folgendes kunststück auf: neun zweige spiefsreiser (bun-
sacha birgaissi) halte einer in einer band und schleuderte sie
einhandig und einfüfsig bis zu den zinken des palastes und fieng
sie auf gleiche weise auf. um die vornehmen gaste aus fernen
landen zu beschämen, wurde das kunststück aufgeführt. Ciaban,
der zuerst aufgefordert wurde, es nachzutun, vollbrachte es vor
den äugen Manandans und der edlen aus dem lande der ver-
heifsung mit leichtigkeit; auch dem Eolus und dem Lodan ge-
lang ein gleiches.
Da war auch Libra, der hauptarzt bei Manandan im lande
der verheifsung und er hatte 3 töchter: Clidna, Äifi und Etain
mit dem weifsen haar ; sie waren 3 kleinode der keuschheit. sie
verhebten sich gleichzeitig in die 3 männer und beschlossen am
nächsten günstigen tage mit ihnen durchzugehen, sie giengen
gemeinschaftlich mit den 3 jungen männern zum hafenplatz:
Lodan, der söhn des königs von Indien und Eolus, der söhn des
königs von Griechenland kamen in einen kahn (mit zwei von
den mädchen), und Ciaban, der söhn von Eochaid Imderg kam
mit Clidna, der tochter des Libra in einen anderen kahn. sie
hissten das seidene banner oben am mastbaum und fuhren von
dort bis nach Träig Threite im Süden Irlands, welcher Strand
davon seinen namen hat, dass Treite, die tochter Regamains mit
ihren 150 Jungfrauen dort ertränkt wurde, als sie mit den wogen
spielten, hier landete Ciaban mit Clidna und gieng in die be-
nachbarte gegend auf jagd. eine woge kam über den Strand zu
Clidna und sie wurde dort ertränkt, woher die bezeichnung Tonn
Chlidna. hausgenossen des Manandan, die sich in die Jungfrau
verliebt hatten, setzten den flüchtlingen nach und wurden eben-
daselbst ertränkt: Ulathach und seine beiden söhne.
Die sagen von glücklichen gefilden weit westlich im atlanti-
schen ocean sind noch heutigen tages bei der irischen be-
völkeruug an der ganzen Westküste verbreitet und beliebt, zwei
beiden der sage sind es, denen vor allem fahrten in jenes land
der frauen , ins land der verheifsung zugeschrieben werden :
Finn mac Cumhail und sein sagenberühmter söhn Ossian. ein
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 18
274 KELTISCHE BEITRÄGE II
eingehen hieraufliegt aufserhalb des rahmens dieser Untersuchung,
ich will hier nur darauf hinweisen , dass 2 erzählungen der art
nach hss. des 18 jhs. abgedruckt sind bei Joyce, Celtic romances
s. 223 — 273 und s. 385 — 399.
Ich wende mich wider zu texten, die um 1000 jähre älter
sind und die Schilderungen enthalten, welche man cum grano
salis ebenfalls herbeiziehen darf, um ein bild von den Vorstellungen
zu gewinnen, die die christianisierten Iren des 7 und 8 jhs. von
jenen gefilden der seligen gegen Sonnenuntergang fern im ocean
hegten, es sind dies Schilderungen von dem leben und treiben
der slde. wollte ich hier mit beweisen ausführen, warum diese
Schilderungen dürfen herbeigezogen werden, dann müste ich
eingehender über die rehgion der heidnischen Iren und ihre Um-
gestaltungen unter der herschaft des Christentums vom 5 — 8jh.
handeln, ich kann hier nur kurz ergebnisse von Untersuchungen
zusammenfassen und muss es meinen lesern überlassen, wie weit
sie in diesem puncte meinen andeutungen folgen wollen.
Die heidnischen Iren glaubten — wie dies auch D'Arbois
in seinem meist auf second band material aufgebauten buch Le
cycle mythologique Irlandais annimmt und andere vor ihm be-
hauptet haben — neben den gestalten der den menschen freund-
lich gesinnt gedachten götter auch an feindliche, übernatürliche
wesen, in denen die feindlichen kräfte der natur personiiiciert
waren, ebenso glaubten sie, dass neben den gefilden der seeligen
auf inseln im fernen ocean auch örter der zukünftigen strafe auf
eben solchen inseln für diejenigen vorhanden seien , die auf dieser
weit den ethischen anschauungen des Volkes zuwider handelten.
Ein durchgehender characterzug des irischen Volkes ist die
liebe zu seiner Vergangenheit und das streben, bei grofsen, neuen
ereignissen eher diese, äufserlich mit seiner Vergangenheit in
einklang zu bringen als kühn mit derselben zu brechen, sich
auf den boden der neuen tatsachen zu stellen und dieselben zu
seinem vorteil zu verwerten, noch heutigen tages ist der rechte
Ire in erster Hnie irischer patriot und dann guter katholik; mit
welcher geschicklichkeit er seine gut katholische gesinnung zu
drehen weifs, dass sie mit seinen patriotischen anschauungen
und den daraus für ihn erwachsenden pflichten nicht collidiert,
kann man ja gegenwärtig zur genüge beobachten, dieser zug
des irischen characters spielte bei der einführung des Christen-
KELTISCHE BEITRÄGE II 275
tums eine hochbedeiitsanie rolle, nicht gewaltsam, wie bei vielen
germanischen stammen, oder plötzlich fand dasselbe im allgemeinen
in Irland aufnähme, sondern es lebte sich allmählich ein. ich
habe schon früher (Zs. 32, 234) die stelle aus dem Senchas Mor
herbeigezogen, wo es heifst: 'eine sache nun, die nicht in directem
Widerspruch stand mit dem worte gottes im geschriebenen gesetz
(des alten testaments) und dem des neuen testaments und mit
den bekenntnissen der Christen, wurde in dem gesetz bewahrt
durch Patrick und die filrsten Irlands.' wir können sagen: alles,
was sich eine umdeutung oder angleichung an christliche an-
schauungen gefallen liefs, duldete die kirchfr^ in nicht geringem
grade trug dazu mit bei, dass die geistigen führer der irischen
nation in heidnischer zeit die führende rolle im Christentum über-
nahmen: bezeichnend ist dafür die alte nachricht (8 jh.), dass
Patricks genösse Dubthach oher-file von Irland war und der erste
Leinsterbischof Fiac Sleibte sein bester schüler.i so fand das
Christentum in Irland eingang.2
Wie fand es sich mit dem alten glauben ab? die feindlichen
göttergestalten wurden in der phantasie des Volkes zu riesen
und dämonen , mit denen man 3 Jahrhunderte später die drangsa-
lierenden Nordgermanen identificierte , die an denselben wilden
küsten erschienen, wo mau den sitz der Fomores dachte, die
alten götter der Iren wurden zu dei terreni, wie es im Book of
Armagh heifst: gütige gestalten, die ihren wohnsitz hatten in
den grofsen und ausgedehnten hügelgräbern, die allenthalben in
Irland anzutreffen sind, diese hügelgräber, im inneren palästen
mit vielen gemächern gleichend, stammen aus heidnischer zeit
und stehen im gegensatz zum christlichen kirchhof um die kirche,
der relic heifst. als wohnort für die zu gütigen gestalten, feen
gewordenen alten götter heifsen diese hügelgräber sld und die
bewohner derselben aes slda (sidleute) oder sJde.^ die identität
* dieser umstand macht es auch nur verständlich, dass die mit dem
Christentum nach Irland gelangte classische cultur dort so rasch zu hoher
blute gelangte: die träger dieser cullur waren schon längst vorhanden.
2 der gegensatz zwischen dieser art der Christianisierung und der vollen
hingäbe germanischer naturen tritt recht deutlich auf dem missionsfeld der
Iren im 8 jh. zu tage: bei den Hessen, Franken und Baiern. wie eiferte
der zelotische Angelsachse Bonifatius über die Christen, die er hier vorfand
und die in seinen äugen schlimmer waren als beiden! das war irisches
Christentum auf germanischem boden. ^ diese anschauung über
18*
276 KELTISCHE BEITRÄGE II
von sld 'Wohnort' der gütigen gestalten und uam 'hügelgrab'
tritt in alten texten deutlich zu tage: LL 290% 4 ist zb. uaim
Crnachna, was in anderen erzählungen sid Cruachna.
Die Vorstellungen des irischen volkes von dem leben und
treiben dieser side waren zu verschiedenen Zeiten verschiedene,
während es in neuerer zeit fast nur weibliche slde (bansldhe)
kennt, die in den hügelgräbern wohnen und die rolle von feen
gegenüber dem volke übernommen haben, waren nach den an-
schauungen des 14 und 15 jhs. — wie sie in der öfters erwähnten
grofsen rahmenerzählung des Ossiansagenkreises, Accallam na se-
uorach , vorliegen — die sTde mit den Tuatha De Danan identisch :
die einzelnen sldburgen stehen unter herschern, und wie ober-
halb der erde häuptlinge und clane mit einander in kämpf lagen,
sich überfielen und umbrachten , so dachte man die verschiedenen
sldclane in der erde ebenfalls in kämpf mit einander liegend, sie
sind im besitz wunderbarerer waffen als die fenischen beiden,
kennen heilkräuter für wunden und haben ärzte, denen auf der
erde nichts gleichkommt; ideal verschönerte irdische gelage
kommen bei ihnen vor. öfters bricht es durch, dass sie von
natur unkriegerisch sind, fenische recken geraten durch zufall
oder absichtlich in solche sldburgen, nehmen teil an den ge-
lagen, stehen den bewohnern des sid in kämpfen bei und ver-
dienen sich Waffen und heilmittel.
Eine Vermischung der Vorstellungen von diesen sidbewohnern
und von den bewohnern des landes der verheifsung lässt sich
beobachten, zwar steht fest, dass die sTde 'hügelbewohner' in
Irland sind, und dass das land der verheifsung (tJr tairngiri)
im Westen des oceans, wo die sonne untergeht, liegt, und dass
nur einzelne dorthin verschlagen werden, aber was von dem
die herkunft der side empfängt weitere stütze durch unsere zweite quelle
für die altheidnische religion der Iren, die gelehrte geschichtschreibung
(vgl. Zs. 32, 242). wie die Fomores als die dritte der colonien gelten,
die vor den Iren in Irland herschten, so kennen die gelehrten des 8 — 10 jhs.
als eine weitere colonie die Tuatha De Danan. nach ihnen kamen die
Galen, fast sämnitliche namen der führer und fürsten der
Tuatha De Danan der gelehrten quelle sind identisch mit
den namen der feenherscher in den einzelnen sids in den
ältesten sagentexten, nach dem sagentext LL 26^, 32 ziehen sich
die Tuatha De Danan icnoccaib 7 sldbrugib 'in hügel und sidburgen' zurück
und in den Ossianerzählungen von Accallam na senorach sind Tuatha De
Danan und slde identisch.
KELTISCHE BEITRÄGE II 277
leben und treiben in diesem lande der verheifsung mitgeteilt
wird, ist zum teil dasselbe, was wir von den sldbewohnern er-
fahren, in der in diesem abschnitt unter iv'' betrachteten er-
zählung heifsen die 3 töchter Libras 3 kleinode der keuschheit
(tritaisceda genais 7 centama) der Tuath De Danand in Laud 610
l'ol. 130*, 2; aber in Rawl, B. 487 und F. C. 12 steht an derselben
stelle Ttre Tairngere 'des landes der verheifsung' für Tuaithe
De D. wie schon oben bemerkt (s. 276 anm.), sind in diesen
texten Tuatha De Danan und sJde identisch, es werden also
nicht blofs die Vorstellungen von dem leben und treiben im lande
der verheifsung mit denen von den sldbewohnern vermischt,
sondern die bewohner identificiert in der einen hs.
Ein ähnliches schwanken lässt sich in sagentexten beobachten,
die ihrer ersten aufzeichnung nach wol 6 jhh. älter sind als diese
erzählungen des Ossiansagenkreises, allüberall in Irland befinden
sich in der nähe der alten herschersitze slds, wie natürlich, da
hier die grösten hügelgräber sind, in den einzelnen sTds wohnen
die slde clanweise zusammen; streit und eifersucht herscht wie
in menschlichen familien (LU 129* fl), ebenso liegen einzelne
clane der sides mit einander in krieg und ziehen berühmte beiden
zur hilfe herbei (LL 275^ 22 — 276^ 23; LU 43* ff), im
übrigen ist ihr verkehr mit den menschen meist harmloser art:
hier ist eine sTdbewohnerin geliebte eines beiden und beschenkt
ihn mit einem söhn — so ist Froechs mutter eine sTde aus dem
sid von Cruachan — , oder ein sldbewohner ist vater eines beiden
— so Lugaid mac Eithlend der vater Cuchulinns — . nur wenn
die menschen sich feindselig zeigen , ein sTd belagern und es
gar aufgraben (LU 132% 45; vgl. Zs. f. vgl. sprachf. 28, 591
anm.), dann tragen sie räche nach auf generationen hinaus (LU
99% 21 ff).
Hiermit stimmt nun eine reihe von zügen nicht, die wir
in gleich alten , z. t. denselben sagenlexten über die slde finden.
Liban setzt den Laeg in einem kahn von bronze (lungine cre~
duma) zu der insel, wo Labraid herscht; das land des letzteren
ist Mag Meli 'gefilde der seeligkeit' (LU 45% 9. 44% 35) , mit
welchem namen in Echtra Brain 4 und 6 die inseln der seehgen,
das Wunderland im fernen ocean bezeichnet wird, auch Cuchu-
linn setzt in einem kahn hierhin über. Manandan mac Lir, der
gott des oceans, dessen beziehungen zu den inseln der seeligen
278 KELTISCHE BEITRÄGE II
in mehrereu oben gegebeneu texten zur spräche kamen, ist der
frühere gatte von Fand, in demselben text heifsen nun Fand
und Liban ninä slde (sldweiber) LU 47% 2; der ganze bergang
wird LU 50^, 9 als eine für Cuchulinn verderbliche erscheinuug
des aes slde bezeichnet, hiermit stimmt auch, dass LU 48'', 9
Fauds bebausung als cnocc Miügel' bezeichnet wird.
Lehrreich für dies ineinanderfliefsen der beiden reihen von
Vorstellungen, für die gefilde der seeligen und das treiben daselbst
einerseits und das treiben der dei terreni, der slde andererseits,
ist die oben s. 262 ff mitgeteilte alte erzählung von dem abenteuer
des Condla Ruad. das weib sagt selbst, dass es aus einem sid
stammt (s. 262), weshalb sie aes slde genannt wurden; dann gibt
es eine Schilderung von dem sidleben, welche nach allem, was
wir über streit und eifersucht bei den side erfahren, auf die
Slde nicht im entferntesten passt. ebenfalls passt nicht, dass,
als sie zum zweiten mal erscheint, sie in einem gläsernen kahn
kommt, in welchem sie zum sTd des Beodach übersetzen will (s. 264).
hier fühlt nun der sagenerzähler , wie ihm zwei dinge durch
einander laufen, denn er lässt das weib unvermittelt fortfahren:
'es gibt aber noch ein anderes land, das sich nicht weniger
lohnt aufgesucht zu werden' usw. (oben s. 264), und entwirft
eine kurze Schilderung von den gefilden der seeligen im westen,
worauf auch einzig und allein die bei der ersten erscheinung
gegebene Schilderung von leben im sid des Beodach zutrifft.
Finden wir so einerseits die Vorstellungen von dem kämpf
und streit der sTdclane in dem alten lexl Serglige Conculaind
auf die geülde der seeligen übertragen, wohin der zank und
streit nicht passt, andererseits das leben in ungetrübter ruhe
und heiterkeit in einem anderen ebenso alten text (Echtra Condla
chaim) den slde zugeschrieben, was im gründe für sie nicht
passt — so werden wir kein bedenken tragen, gewisse Schil-
derungen ähnlicher art in alten texten, die für sich genommen
nur bezug auf die slde haben, cum grano salis auf die geülde
der seeligen zu beziehen, damit kehre ich zu s. 274 zurück,
eine solche schilderungi findet sich LU 131^ 29 ff in einem ge-
dieht, durch welches Midir, der herscher von sid Breg Leith —
welches! später durch Eochaid Airem aufgegraben und zerstört
• natürlich beziehen sich auch die Schilderungen von Labraids reich in
Serglige Conculaind zum teil auf die gefilde der seeligen.
KELTISCHE BEITRÄGE II 279
wurde — die Etäin , die gattin von Irlands oberkünig Eochaid
Airem zu verlocken sucht, er sagt:
'0 vveifses weib, willst du mit mir gehen in das Wunder-
land, in welchem harmonie des gesanges (?rind) herscht; blumen
von primelu bilden das haar daselbst, die färbe des schnees
tragen die kürper bis zur spitze.
Dort herscht weder müi (onomatop.? 'geheul, gebrüU'?) noch
schweigen, weifs sind die zahne dort, schwarz die augenbrauen.
glänz (freude) fürs äuge ist die zahl unserer scharen, die färbe
des fingerhuls (digitalis purpurea) fmdet sich auf jeder wange.
Purpur des angers ist jedes torfmoor (möin), glänz (färbe)
des auges haben die eier der amsel: wie schün auch der an-
blick der ebene von Irland (dich dünkt), schwerlich (wird er es
sein) , nachdem du kennen gelernt hast das grofse gefllde.
Wie berauschend euch das hier Irlands dünkt , berauschender
ist das hier (coirm) des grofsen landes. wunderbare gefilde ent-
hält das land, von dem ich rede: nicht wird ein jUngling dort
zum greise.
Ströme von süfsigkeit fliefsen durchs land, sie enthalten das
beste von met und wein, menschen mit spangen geschmückt
(Vdelgnaidi) ohne tadel (schände) sind dort, dasselbe (dh. ge-
meinschaflHches) behaben (combart) ohne Sünde und blutschande.
Wir sehen jeden auf jeder seile und niemand sieht uns:
die finsternis durch Adams Sündenfall verhüllt uns vor dem ge-
zähltwerden.
0 weih, wenn du kommen wirst zu meinem starken volk,
wird ein diadem dein haupt schmücken, frisches schwein, hier,
milch mit trank wird dir dort von mir, o weifses weib.'
Diese Schilderung stimmt nicht nur in ihrem allgemeinen
gehalt zu denen , welche wir von den gefilden der seeligen kennen
lernten, sondern auch in vielen einzelheiten. Midir spricht in
Strophe 1 von dem Tir ningnad 'Wunderland' und in Strophe 4
erfahren wir, dass wunderbare landschaften (amra tlre) in diesem
land (tlr) liegen, was vollkommen zu Echtra Brain passt, wo
das weib aTirih ingnad 'aus den wunderlandschaften' kommt,
dem Trag mör 'grofser Strand' in Echtra Condla 3 entspricht
hier Mag mör (3) , Tlr mör (4) 'grofses gefilde , grofser Strand.'
In der schlussstrophe redet wider der sldfürst , der herscher
des sid von Bri Leith. wundern dürfen wir uns nicht, dass in
280 KELTISCHE BEITRÄGE II
den alten sageutexlen des 7 und 8 jhs. die mehrfach characteri-
sierten Übertragungen stattfanden, nachdem nämlich die alten
götter vor dem christengott sich in die hügel und sldbehausungen
zurückgezogen hatten i, war ihnen mit ihrer alten Stellung auch
ein wesentlicher teil dessen genommen , womit sie früher ihre
zeit ausfüllten, sie sanken zu dei terreni herab: als solche
konnten sie ein leben führen wie die edlen dieser erde, leiden-
schaften und begierden unterworfen sein wie diese, nur alles
mit einem übernatürlichen anstrich, so erscheinen bis ins 14 jh.,
bis in die erzählungen des Ossiansagenkreises hinein, die side,
resp. Tuatha De Danan. andererseits lag es nahe, die ebenfalls
aus heidnischer vorzeit überkommenen Schilderungen von dem
leben der seeligen nunmehr auf die entthronten alten götter-
gestalten zu übertragen, dass trotzdem noch Jahrhunderte hin-
durch, noch bis ins 14 jh. hinein in der phantasie des Volkes
und seinen sagen beide reihen von gestalten immer wider aus
einander gehalten wurden , ist ein beweis sowol für die ursprüng-
liche Verschiedenheit der Vorstellungen von den sTde und von
den bewohnern der gefilde der seeligen als für das zähe festhalten
des irischen Volkes an den anschauuugen seiner vorzeit.
Suchen wir nunmehr nach dem aus den sagentexten bei-
gebrachten material uns ein allgemeines bild von den Vorstellungen
über die gefilde der seeligen zu machen. ^
Fern (inetarcein i 2) im westen des oceans, wo die sonne
untergeht (iv"), liegen 3 mal 50 inseln, von denen jede einzelne
2 mal oder 3 mal so grols ist wie Irland (i 2); meerrosse (gabra
rein I 2 , gabra lir i 4) spielen um dieselben herum, diese
gefilde (tlre) prangen in verschwenderischer blütenpracht (con-
imat scoth i 4): apfelbäume gibt es mit silberweifsen zweigen
buschig von bluten (i2), die moore sind mit huschen von jeder
färbe bewachsen (i 2) , wie purpur aussehend (v 3). ströme von
süfsigkeit fliefsen durch die gefilde, das beste an met und wein
bietend (v 5). die eier der amseln haben die färbe des auges
* die sage drückt sich so aus, dass sie sagt, die Tuatha De Danand
hätten sich vor den aus Spanien ankommenden söhnen des Miled (dh. den
Iren) icnoccaib 1 sldbrugib zurückgezogen LL 261'', 33.
2 mit I bezeichne ich Echtra Brain s. 258 — 261, mit ii Echtra Condia
chaim s. 262—264, mit iii Echtra Gormaic s. 264—268, mit iv^b die beiden
episoden aus Accallam na senorach s. 268 — 273, mit v die Schilderung in
Tochmarc Etäine s. 279.
KELTISCHE BEITRAGE II 281
(v 3). auf einer der inseln befindet sich ein bäum mit zahlreichen
vögeln, die durch besonders harmonischen gesang die tages-
zeiten ankünden (i 2). ewig lebende, seelige wesen finden sich
dort (ii 1.3): bedürfiiisse treten an sie nicht heran, weil sie an
nichts mangel leiden (ii 1), die feste dauern ewig (ii 1), Wettspiele
wunderbarer art werden veranstaltet (i 2) , zank und streit ent-
steht nicht (i 2) , die menschen sind ohne fehl und makel (v 5).
alter und tod naht ihnen nicht (ii 1. v 4).
Die allgemeinen bezeichnungen dieser gefilde sind: 'Wunder-
land' (atlrib ingnad i 1), 'gefilde der lebendigen' (afirih beö n 1),
'gefilde der wounen' (Mag Meli i 4. 6. n 1), 'der grofse Strand'
(trüg mar ii 3), 'das grofse gefilde' (mag mär v), Emain (i 1),
'land des Manandan mac Lir (i 4. ni 4. iv''). oberherscher dieser
gefilde ist nämlich Manandan mac Lir (m 4. iv"*) und sterblichen,
die auf ihren fahrten in die nähe seines reiches gelangen, er-
scheint er in slurmeswelter auf dunkelgrünem ross (iv'') oder
einem wagen (i 3), erbietet sich, sie aus der not zu erretten,
wenn sie in seinen d'ieüsl (inamuintir i\^) eintreten wollen, und
bringt sie entweder selbst auf seinem ross in sicheren hafen (iv'')
oder weist ihnen den weg (i 4). dicker nebel (ceö mür) lagert
wie ein wall um Manandans reich, und erst wenn er durchdrungen
ist (iarmbuaid), liegen die gefilde der seeligen da, eine wonne
fürs äuge (i 2) : sie erfreuen das herz eines jeden (u 3).
Unter den zahlreichen inseln dieses reiches der wonnen ist
keine, die so viel genannt und geschildert wird wie 'das gefilde
der frauen' (tir namhan i 2. 4. 6), 'gefilde der mädchen' (tlr
naningen iv'), so genannt, weil dort nur liebliche und liebe-
bedürftige weibliche wesen sind (ii 3. iv^). aufser in den texten
dieses abschnittes wird diese insel auch im Imram Maelduin 28
beschrieben analog wie in i 6. diese Vorliebe der sage für das
eiland mit verliebten weibern ist echt irisch, indem sie dem
durch das ganze irische altertum gehenden stark sinnlichen zuge
entspricht, i
' dieser ausgeprägt sinnliche zug in der irischen litteratur muss jedem
sofort auffallen, er hat zur folge, dass die frauengestalten in heldensage
i'od legende mit wenigen ausnahmen einen gemeinen character tragen, wie
er mir in der art bei meinen Studien nirgends sonst begegnet ist.
Betrachten wir die alte heldensage, den so genannten Cuchulinnsagen-
kreis. Gonchobar mac Nessa, der sagenberühmte Ulsterherscher, war eia
juDgfernsohn, indem der recke und druide Gathbad die jugendliche Ness beim
282 KELTISCHE BEITRÄGE 11
Ich fand schon mehrfach gelegenheit, darauf hinzuweisen
(Zs. 32, 242 ff; ohen s. 276 anm.), dass für die erkcnninis des
baden erwischte und schwängerte (LL 106% 19 ff), als Conchobars unver-
heiratete Schwester Dechter Schwangerschaft zeigte, glaubte man allgemein,
dass Conchobar selbst in trunkenheit der Urheber gewesen , denn er pflegte
bei der Schwester zu schlafen (LU 128"^, 19). durch Unzucht mit einem
anderen weib wurde Dechter den fötus los (LU 128'', 18 ff; vgl. Zs. f. vgl.
sprachf. 28, 421 anm.). noch schmutzigere Verhältnisse herschten am hofe
von Connacht, wo die sagenberühmle Medb königin war. mit dem Ulster-
flüchtling Fergus mac Roich liefs sie sich ein: nach der einen version er-
wischte der gälte Ailill beide am abhang von Gruachan und nahm dem
Fergus heimlich das abgeschnallte schwert aus der scheide (LL80s2ff);
nach der anderen version blieb sie mit Fergus auf dem zuge nach Ulster-
land hinter dem beer in einem walde zurück, wo Guillend, der wagenlenker
Ailills sie beschlich und das abgeschnallte schwert dem Ailill als zeichen
mitbrachte (LU 65'', 31). Ailill liefs sich ruhig hörner aufsetzen, nun erst
Findabair, die tochter dieser mutter! in der nacht trifft sie mit Froech am
flusse zusammen, wo sie noch die keusche spielt (LL 249'', 27 ff), auf den
plünderungszug (Täin bö Cüalnge) wurde sie als lockvogel mitgenommen für
Froech, für 7 Munsterhäuptlinge (LL 92^, 25 ff), als Guchulinn dem ein-
fallenden beer Ailills und der Medb hartnäckigen widerstand leistete, suchte
ihn Ailill dadurch zu gewinnen , dass er ihm Findabair anbieten liefs. er
gieng aber nicht selbst mit Findabair, sondern schickte seinen narren mit
diadem und Verkleidung, als Guchulinn den trug merkt, tötet er den narren
mit einem steinwurf, und um Findabair zu strafen, schnitt er ihr die beiden
flechten ab, zog mantel und hemd ihr aus und setzt einen Steinpfeiler
darauf; so verliefs er sie. als die rückkehr der Findabair sich verzögert,
machen sich Ailill und Medb mit gefolge auf die suche und befreien ihre
tochter aus der Situation, nichts desto weniger sprach sich die geschichte
im lager herum (LU 71^, 7— 71'', 9). —bald wollte kein held in Ailills lager
mehr den einzelkampf mit Guchulinn wagen. Medb warf ihr äuge auf Fer
Baeth: er wurde ins königszelt gerufen, vom besten wein wurde ihm vor-
gesetzt, Findabair rückte unter den äugen der königlichen eitern an seine
seile, schenkte ihm immer wider ein und 'bei jedem einzelnen trunk gab
sie ihm einen kuss.' wein und weib brachten FerBaeth dahin , dass er den
kämpf zusagte (LU 73% 37 ff = LL 74", 18 ff. 32fi). als FerBaeth gefallen,
setzte Findabair ihre künste fort: jeden abend wurde ein held ins zeit
gerufen, und wenn er in die richtige Stimmung versetzt war, wurde ihm
Findabair zugesagt (LU 73'', 37 ff. 44) für den fall, dass er den köpf Guchu-
linns bringe, als FerDiad gegen Guchulinn anrückt, ist letzterer darüber
besonders empört, dass FerDiad wegen der metze Findabair den blutbund
bricht (LL 84% 16 ff. 85'', 8. 88% 16). als Rochad mac Fathemain, ein Ulster-
held, mit seiner schar anrückt, um Guchulinn zur hilfe zu kommen, da
erinnert sich Findabair, dass er ihr geliebter und liebster freier gewesen,
und erzählt es ihrer mutter Medb. geh ihm entgegen, sagte Medb, und
schlaf bei ihm zur nacht unter der bedingung, dass er jetzt abzieht und
KELTISCHE BEITRÄGE II 283
güUerglaubens der heidnischen Iren und der sonstigen religiösen
Vorstellungen zwei wenn auch vielfach trübe quellen fliefsen:
erst am tage der grofsen schlacht wider kommt. Rochad gieng darauf eia
und Findabair schlief bei ihm (LL 92^ 5ff. vgl. LU 72% 29 fr). als die Ulster-
helden nach Cruachan kamen , um Ailiil und Medb den streit um den helden-
bissen entscheiden zu lassen, bekam jeder sein lager angewiesen und was
ihm gefiel aus den 150 mädchen des hofstaates der Medb; Gonchobar bekam
die Findabair (LU 107*, 11 ff), als nun Guchulinn, Loegaire und Conall allein
zurückblieben, wird der hofstaat unter sie geleilt: Findabair und 50 mädchen
gehen zu Guchulinn; Sadb, eine andere tochter der Medb, mit 50 mädchen
zu Conall; Gonchend, die tochter von Get mac Magach mit 50 zu Loegaire;
Medb selbst geht öfters nachsehen, ob auch Guchulinn befriedigt sei. 'so
schliefen sie dort die nacht' (LU lOS'', GIT). — ein einziger, öfters wider-
kehrender zug ist lehrreicher als 100 geschichten: Guchulinn konnte im
kämpfe, sowol im ernsten als in kampfspielen, in ein dämonisches rasen,
eine berserkerwut verfallen, in der er freund und feind bei seinem an-
stürmen gefährlich war. hiergegen hatte man ein probates mittel: man
stellte 3 fässer kalten wassers auf, männer legten sich in der nähe in den
hinterhalt, und wenn Guchulinn angerast kam, traten ihm die königin
mitdemweiblichenhofstaatentgegenmitentblöfstenbrüstea
und hochgehobenen rocken, dass die schäm sichtbar war.
wenn dann Guchulinn verschämt die äugen niederschlug, ergriffen ihn die
männer und steckten ihn zur abkühlung in die fässer mit kaltem wasser.
dies mittel wurde sowol in Cmain Macha von der gattin Gonchobars, als
in Gruachan von Medb und sonst in anwendung gebracht (LU lOG"^, 46 bis
107S1Ü; 63%20ff=LL 67^35 ff; LU20'',llff; LLUOSSlff; 119a,2ff).—
für den ton der Unterhaltung zwischen unverheirateten mädchen und Jüng-
lingen sei ein beispiel angeführt. Deirdre wurde von Gonchobar in einer
einsamen bürg auferzogen, dass sie später sein weib werden sollte, auf
die erzählungen ihrer alten amme hin verliebt sich die zum schönen weihe
heranwachsende Jungfrau in Nöisi, söhn des Usnech, ohne ihn gesehen zu
haben, als Nöisi eines tages allein auf dem wall von Emain gieng und
sang, stahl sich Deirdre hinaus und tat, als ob sie zufällig vorbei gienge.
Nöisi kannte sie nicht, 'das ist eine schöne kalbin — weibliches rind, das
noch nicht beim bullen war — , die da vorbeigeht', sagte er. 'wo keine
stiere sind, da müssen die kalbinnen grofs werden', sagte sie. 'du hast ja
den landesstier bei dir', sagte er. 'ich möchte gern die wähl haben zwischen
euch beiden, sagte sie, ich würde so ein junges stierchen wie dich nehmen.'
damit springt sie ihm an den hals, fasst seine beiden obren und zwingt
ihn durch eine Verwünschung, die ihn sonst treffen Avürde, sie zu nehmen
(LL 260», 35 ff), diese frauengestalt gehört noch zu den wenigen sittlich
hoch stehenden, weil sie dem manne ihrer wähl treu bleibt.
Was die übrigen älteren sagentexte anlangt, die nicht speciell dem
Cuchulinnsagenkreis angehören, so erinnere ich kurz an Maelduins geburt
(oben s. 151), an das gebahren seiner genossen auf einer insel (s. 162 ff),
die frau des Munsterherschers Mairid mac Gäiredo verliebt sich in ihren stief-
284 KELTISCHE BEITRAGE II
die sage und die gelehrte überlieferuDg der ältesten zeit, nament-
lich vom 8 — 10 jh. für jene zeit ist gelehrter und diener des
solin Eocliaid und geht mit ihm durch (LU 39», 23 ff); ein gleiches wird er-
zäh'i von der jungen galtin des Leinsterherschers Ronan, nur mit anderem
ausgang (LL 271», 46 fl). Irlands oberkönig Lugaid Sriabnderg entsprang
einem incest, den die 3 söhne des Eochaid Feidlech mit ihrer Schwester
Clothru begiengen (LL 23^,1. 124^,49 ff. Rawl, B. 512, 1^, 25 ff), und dieser
Lugaid zeugte mit seiner eigenen mutter den Grimlhann (LL 23'', 2ff). von
2 frauen, die zur zeit Niall Frosachs unzucht mit einander trieben, ist eine
geschichte LL 273*' erzählt, im anschluss an diese geschichte wird berichtet,
dass zur zeit Diarmait mac Cerbails ein mann auf den markt von Tailte
gieng und sich mit einem fremden weih einliefs; seine frau, die ihn auf
dem markt suchen kam, ertappt ihn; er läugnet, selbst unter eid, vor
Kiaran. zur strafe geht der köpf von seinem rümpf und er lebte noch 7 jähre
in Clonmacnois ohne köpf, einst wurde ihm ein weib gegeben, er schwängert
es und stirbt (LL 274", 10 ff). LL 300*, 20 ff wird erzählt, wie Cummascach,
der söhn des oberkönigs Aed mac Ainmerech eine gastreise durch Irland
machte, und jede nacht muste die frau eines anderen häuptlings bei ihm
schlafen, eine zotige geschichte von einer tochter eines königs von Griechen-
land wird LL 279«, 35 ff berichtet.
Betrachtet man erst gar den Munstersagenkreis, die Ossianerzählungen
im Accallam nasenorach: fast nur von entführungen , davonlaufen der weiber
ist die rede, fast bei jedem abenteuer Finns und seiner beiden ist ein weib
oder sind die weiber im spiel, man beachte die oben s. 268 ff gegebenen
beiden episoden.
Nach dieser kurzen blüteniese aus den beiden ältesten sammelhss. LU
und LL wird man sich kaum wundern, dass die alten realcataloge, die oben
s. 144 ff erwähnt sind, eine besondere litteraturgattung kennen, die 'ent-
laufungen, entführungen' (aitheda). in dem Verzeichnis der erzählungen,
die ein barde zum amusement der könige und häuptlinge auf lager haben
muste, werden LL 190*, 1 ff nicht weniger als zwölf titel solcher er-
zählungen gegeben.
Der ausgeprägt starke zug von Sinnlichkeit, welcher durch die ganze
profanlitteratur geht, beherscht auch die heiligenleben und legenden,
w^enn man die noten im LBr zum alten heiligenkalender liest (Feiire), er-
staunt man darüber, wie viele irische heilige ihr dasein fleischlicher sünde
verdanken und wie viele sich solcher mit Schwestern und anderen frauen
schuldig machen, geschwängerte nonnen laufen in den älteren legenden
nur so umher: ich erinnere an die mutter Maelduins (oben s. 151), an die
schwangere nonne (caiUech), deren bauch die heilige Brigita segnete, dass
selbige wider 'heil' wurde, ohne zu gebären (Broccans hymnus 39); an die
Schwester des hl. Molasse, die von einem mitkleriker schwanger wurde (LL
285*>, 45ff); an Cummine Fota, dessen mutter seine Schwester war (LL 286'',
4211); an den bischof, der als beichtiger des königs die königin zum ehe-
bruch verführte (LL 281'', 31 ff), die ganze reihe von erzählungen LL 271 bis
292 ist eine serie von unzucht, notzucht, hurerei usw. die Vorgänge werden
KELTISCHE BEITRÄGE II 285
clirisllichen glaubens identisch, wie ich wol kaum auszuführen
brauche (vgl. Zs. 32, 200 fl). wie nun die irischen gelehrten
jeuer zeit die Vorstellungen der heidnischen Iren von den göttern
und unholden benutzten, um daraus vorgeschichtliche geschichte
zu machen, um die kluft, die jenseits der heldensage und ge-
schichte bis zur Sintflut für Irland gähnte, auszufüllen^, so be-
nutzten sie die Vorstellungen der heidnischen vor-
fahren, umdiekluft, diezwischenhölleundhimmel
bis zum jüngsten gericht gähnte, auszufüllen.
Wenn wir den cyclus von mittelalterlichen lateinischen legen-
den betrachten , in denen unter der form einer vision himmel und
hölle geschildert werden, so lässt sich constatieren, dass diejenigen
texte, die im abendland vielfach als Vorbilder für ähnliche Schil-
derungen dienten — also zb. Visio Fursaei, Visio Tnugdali, Pnr-
gatorium SPatricii — , auf Iren zurückgehen (vgl. ThWright,
SPatricks purgatory s. 129). diesen lateinischen sowie den beiden
uns in LU 27 — 34^^ unter dem namen Fis Adamnäin (vision des
Adamnan) und Scela läi brätha (erzählungen vom tage des ge-
richts) erhaltenen irischen texten ist ein zug gemeinsam, der
vielfach als ganz gewöhnlich hingestellt , mit behagen erzählt, und nur über
die folgen bedauern ausgesprochen.
Wir dürfen uns daher nicht wundern, dass in der phantasie der männer
als der träger der litteratur 'das gefilde der frauen' (ti?' namhan, tir nanin-
gen) eine grofse rolle spielt, gefilde der seeligen und tlr namban so identifi-
cieren zu wollen, dass t\r nambaji die einzige Vorstellung von den gefilden
der seeligen sei , verrät niangel an umsieht und einsieht, hätten wir in
Irland vom 8 — 14 jh. schriftstellernde frauen, so würde in ihren werken
ilr nafer (vgl. oben s. 269) dieselbe rolle spielen.
* die gelehrte tradition besagt, wie mehrfach hervorgehoben, dass Fo-
möri und Tuatha De Danan verschiedene Völker gewesen, die vor den Galen
in Irland gewohnt hätten, wenn nun die feste Überlieferung dahin geht,
dass die söhne des Miled (Stammväter der christlichen Iren) aus Spanien
gekommen seien und vor ihnen die Tuatha De Danan sich in die hügel
und sidburgen zurückzogen, so kann das vielleicht den sinn haben, dass
die Christianisierung Irlands — besonders Munsters — von
Spanien ausgieng. dass zu Patricks Zeiten süd-Irland längst christlich
war, kann keinem zweifei unterliegen (vgl. Kelt. Studien ii 197 fr mit anm.
auf s. 197).
2 die hs. stammt aus dem ende des 11 jhs.; die texte sind ihrer spräche
nach weit älter und können sicher ins 9jh. zurückgehen (vgl. Windischs
bemerkungen zu Fis Adamnäin Ir. texte s. 167, auf die Divina comoedia
weist W. nach Stokes hin , aber von der ganzen hierher gehörigen älteren
litteratur des mittelalters hat er aao. keine ahnung).
286 KELTISCHE BEITRÄGE II
nur in den verschiedenen texten verschieden stark hervortritt,
der zug, dass sie nicht eine dreiteilung — hülle, fege-
feuer, himmel — kennen, sondern eine artvierleilung,
die ich bezeichnen möchte als vvürkliche hölle, irdische hülle
(Fegefeuer), irdisches paradies, himmel. in dem irischen text
Scela läi bratha werden ausdrücklich 4 scharen im menschen-
geschlecht (donchinud doenda) unterschieden: eine bilden anas-
mesti dondiinnd doenda 'der auswurf des menschengeschlechls',
die mali valde; sie fahren sofort zur hölle und kommen nicht
zum gericht. eine andere schar bilden die uilc nach adbul olc
'die bösen, deren böses nicht riesig ist', die mali non valde;
sie kommen zum gericht und werden am tage des gerichts zur
eigentlichen hölle verdammt, eine dritte schar sind die mathi
nach adbol maith 'die guten , deren gut nicht riesig ist', die honi
non valde; sie kommen ebenfalls zum gericht, zu ihnen aber
sagt gott am tage des gerichts: 'tretet ein, ihr gesegneten, zum
bewohnen des himmlischen reiches'; es sind diejenigen, die auf
dieser weit ihre Sünden durch tagenden und gute werke suchten
gut zu machen, die vierte schar sind diejenigen , die überhaupt
nicht zum gericht kommen, sondern deren seele sofort zum
himmel eingeht (LU 32^ 12 — 40). hiermit vergleiche man nun
die darstellungen in den lat. texten, zb. Visio Tnugdali. nachdem
die hölle und ihre strafen beschrieben sind, folgt ein capitel
über de moderata pena non valde malorum (Visio Tnugdali
ed. Wagner s. 39 ff); dann de campo letitie et fönte vite et requie
non valde bonorum (V. Tnugd. s. 41 ff); dann kommen noch
Conchobar und Cormac und darauf die freuden des himmels. so
scharf wie in dem alten irischen tractat sind in der schrift des
irischen klosterbruders von SPaul in Regensburg die 4 abteilungen
nicht gezeichnet: das erlaubte wol die kirchliche lehre des 12 jhs.
und die rUcksicht auf den deutschen leser nicht, aber lehrreich
ist doch die darstellung.
Auf diese weise fanden die altheidnischen und volkstümlichen
Vorstellungen der Iren vom leben nach dem tode räum im rahmen
der christlichen lehre, von diesem standpunct aus können diese
Visionen cum grano salis mitbenutzt werden zur reconstruction
der altheidnischen anschauungen , ebenso wie die gelehrten werke
über die vorirische besiedelung Irlands eine quelle sind für
die altirische götlerlehre.
KELTISCHE BEITRÄGE II 287
Nachdem so ein rahmen für die volkstümlichen auf alt-
heidnischem glauben beruhenden Vorstellungen geschaffen war,
lagen weitere combinationen nahe, dies irdische paradies (die
geülde der wonnen) konnte mit dem durch Adams fall verlorenen
paradies identisch sein: so finden wir in dem s. 217 ff angezogenen
alten text in irischer spräche (LU 17% lff=LL280% 43 ff) Elias
und Enoch unter dem bäum des lebens im paradies den seelen
in vogelgestalt die Vorgänge am tage des gerichts vorlesend, in
Imram Snedgusa 5 und 8 (oben s. 213 fO, wo dieser text benutzt
ist, geschieht dasselbe auf den inseln der seeligen 1 erst nachdem
Snedgus und Mac Riagla von diesen inseln weg und 'lange
zeit auf dem wogenbraus des meeres' gewesen, gelangten sie zum
himmel in episode 9. — eine combination nach einer anderen
Seite lag ebenso nahe, nächst dem paradies kennt die bibel ein
land, von dem die Israeliten auf ihrer Wanderschaft sich fast
ebenso übertriebene Vorstellungen machten, wie die anschauungen
von Mag Meli (gefilde der wonnen) waren: 'das land, wo milch
und honig fliefst' (4 Mose 13, 28). dieses land nun, Kanaan, ist
die terra repromissionts für die Israeliten; und so kommt in den
altir. glossen tir tairngiri vor für Kanaan Wb. 2% 22. Ml. 68'', 4.
Tr. 145. dieses tlr tairngiri (Übersetzung von terra repromissionis)
geistlich umgedeutet, wie schon im Hebräerbrief geschehen ist, war
Mag Meli, hier sind die so genannten Würzburger glossen dh.
der wol aus dem 8 — wenn nicht 7 — jh. stammende irische
commentar zu den Paulinischen brieten lehrreich, zu Hehr. 6, 15
Et (Abraham) longanimiter ferens adeptns est repromissionem
steht ./. tlr tairngeri vel regnurn coelorum (Wb. 33*^, 13); zu
Hebr. 4, 4 Requievit deus die septima ab omnibiis operibus lautet
der commentar cumsanad duDia iartuiste duile ciimsanad duphopul
Israel hitJr tairngeri cumsanad duphopul nuiednisi in regno coe-
lorum dh. gott fand ruhe nach der erschaffung der geschöpfe,
das Volk Israel im lande der verheifsung, das volk des neuen
bundes in regno coelorum (Wb. 33'', 6); zu Hebr. 4, 2 findet
sich bei den worten Etenim et nobis nunciatum est quemad-
modum et Ulis einfach tlr tairngeri (Wb. 33'', 1. vgl. 33% 21),
die Vereinigung der kirchlichen anschauung mit der der sage
liegt vor in einer randnote zu 1 Corinther 10, 4, wo zu den
Worten et omnes (sc. patres nostri) eumdem potum spiritualem
biberunt (bibebant autem de spirituali consequente eos petra; petra
288 KELTISCHE BEITRÄGE II
autem erat Christus) es heifst: Ceist cid ar mbad spiritalis indail?
nianse eo quod fignrat Christum lapidem angularem isiede indail
runde asatoröimed asruaim mör indforcitil spirdrddi arrodibaid
Ithit indisrahel spinrtaldi innanöib indithrub inbeotho ocascnam
tlre tairngiri innambeo dh.Quaestio cur sit spiritualis petra?
non difficile est, eo quod figurat Christum lapidem angularem:
liaec (sc. Christus) est petra mystica , ex qua erupit amnis magnus
doctrinae spiritualis, qui exstinxit sitim Israhel spiritualis sc.
sanctorum iu deserto mundi quum peterent terram promissionis
vivorum (Wb. 11*, 19). tlr beö ist in Echtra Condla chaim 1 be-
zeichnung des landes der seeligen, tlr tairngeri ist die kirch-
liche bezeichnung für das den Christen verheifsene himmlische
Kanaan; wenn der glossator nun für letzteres tir tairngiri innam-
beo sagt, so zeigt er, dass er das sagenhafte tlr innambeo mit
tlr tairngeri identificiert. hier liegt uns also ein zeugnis des
achten, wenn nicht des siebenten jhs. vor für die in der sage
von Condla chaim gegebene bezeichnung des gefildes der seeligen.
Dass diese identiücierung auch wider auf die sage zurück-
würkte, ist begreiflich: so führt das land des Manandan mac
Lir in Echtra Cormaic (s. 264 ff) und iv" (s. 271 ff) die bezeich-
nung tlr tairngeri, eine bezeichnung, die noch heutigen tages
gebräuchlich ist. lehrreich, besonders in hinsieht auf die zuletzt
angeführte note in Wb. ist folgende tatsache: in dem alten Echtra
Condla chaim (oben s. 262 ff) sagt das weih: sie komme atirib
beö, wohin sie auch den Condla mitnimmt. LL 143*, 40 — 145% 52
haben wir eine Universalgeschichte in memorialversen , die dem
um die scheide des 11 und 12 jhs. lebenden (siehe Atkinson,
introduction s. 32) Gilla inchomded Hua Cormaic zugeschrieben
wird; hier heifst es: 'nach der meerfahrt (am imrom) des
Condla Ruad, des sohns von Conn in das land der ver-
heifsung (cotlr tairngire) blieb Art 011 allein zurück' (LL 144^
24). wir können also beobachten , wie mit bezug auf dieselbe
sage an stelle von tlr beö in jüngerer zeit tlr tairngire tritt.
D. betrachtungen und Schlussfolgerungen.
I. durch das in den abschnitten B undC(s. 144 — 220; 257 bis
288) aus der irischen litteratur beigebrachte material und die an die
einzelnen texte angeknüpften erörterungen glaube ich die quellen
KELTISCHE BEITRÄGE II 289
der anonymen Navigatio sancti Brendani klar gelegt zu haben,
und zwar die quellen sowol im engeren sinne des wortes (die
specielle vorläge) als auch im weiteren sinne, nämlich den lit-
terargeschichtlichen hintergrund. es bleiben nur noch einzelne
puncte zur erörterung übrig.
a. alter von Imram Waelduin. sachliche, aus dem
inhalt beider erzählungen geschöpfte gründe erweisen unwider-
leglich, dass Imram Maelduin älter ist als die Navigatio SBrendani
(s, 176 — 181). schon s. 147 habe ich darauf hingewiesen, dass
die spräche des textes in einer sammeihs. aus dem ausgang des
1 1 jhs. dazu führe, die erste aufzeichnung des textes wie die
mancher anderer erzählungen dieser hs. spätestens ins 8 jh. zu
setzen, die unter der orthographischen tünche des 1 1 jhs. stecken-
den formen verraten eine spräche, die dem, was wir an ältestem
glossenmaterial besitzen, dem irischen commentar zu den Paulini-
schen briefen (Wb.), sich als gleichaltrig ausweist, in erster
linie steht die verbalflexion: der unterschied conjuncter und
absoluter flexion ist bewahrt, in H. 2. 16 col. 389 findet sich
eine 1 sing. präs. bim 'ich trage' (biru iarom mochois forsan-
carraig). im Präteritum ist die Verteilung noch die, dass bei den
starken verben das alte perfect mit wunderschönen formen (pu,
feotar, lil, leblaing, atgeoin, athgetiatar, arrochiair zu archrinim
LU 23% 19, gegnaü LU 23% 36) und das auf der 3 sing, medii
des alten s-aorists aufgebaute so genannte f-präteritum fungieren,
in hl (LU 24% 8) liegt eine 3 sing. ind. des activen s-aorists vor
(cd setzen dafür die jüngere form benais) und in fochiursa (H. 2.
16 col. 388) 'ich warf sogar eine 1 sing, desselben tempus von
focherdim; die schwachen präsentia bilden das s-präteritum, worin
wie in den glossen die präterita zu gaibim und dognlu ihnen
folgen, im futur ist für die starken verba das so genannte s-futur
(conjunctiv des s-aorisls) die regel mit einer fülle interessanter
beispiele (araclasaind zu claidim, mani-n-adnas zu adnacul usw.);
das ft-futur kommt nur bei schwachen verben vor. im präseus
ist keine deponentialform belegt (vgl. Zs. f. vgl. sprachf. 30,
261 — 266). der gebrauch der infigierten pronomina ist ein voll-
kommen freier und unendlich häuöger (dostascar Lü 22% 5.
nanortatar 23% 11. rodnalt 22% 16. condatarat 22% 37. msi-
thüls 23% 2. 8 usw.). bei der Üexion der o-stämme ist vielfach die
M-infection im acc. plur. gewahrt (daumu Lü 24% 7. beolu 24'', 6),
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 19
290 KELTISCHE BEITRÄGE 11
bei den yo-stämmen im dat. sing, in (diacMuchiu, oairdiu, in-
asuidm). wie vertraut der verl. mit der alten heldensage war,
geht daraus hervor, dass er das lästermaul in abschnitt 1 Bricriu
nemthetigach nennt, das \Vb. 17^ 13 und Pr. Sg. 37^ 14 vor-
kommende amc/ies (sporta, fiscina) findet sich LU 25% 11. 17 als
öenchess, aenchess mit der glosse /esia/. * kurz, alles weist darauf
hin, dass die erste niederschrift von Imram Maelduin mindestens
so alt ist wie die spräche des irischen commentars in der Würz-
burger hs.2, also dem 7 jh. angehören kann.
b. Verfasser von Imram Maelduin. der schluss der
erzählung ist, wie erinnerlich sein wird, nur in b (Egerton 1782)
und d (H. 2. 16 TCD) erhalten: Maelduin kehrt in seine heimat
zurück und Diuran Lecerd legt versprochener mafsen die masche
aus dem netz im gewicht von 5 halbunzen auf den altar von
Armagh (oben s. 176). dann fährt b (Egerton 1782 fol. 125"^) fort:
Rochörtiid immorro Aed Finn ardecnnid Heritm insgelsai amal ata
sunn, arcomad ergairdech(nd) metiman dorigh(aib) 7 dodoinib Herinn
he inadiaigh 'Aed Finn, der hochgelehrte Irlands ordnete (rocliöruid
siebt für rochdraig) diese erzählung, wie sie vorliegt, dass sie
diene, den sinn der könige und der leute Irlands zu erheitern
nach ihm (dh. wenn er tot ist).' dies fehlt in der prosa von d ;
dagegen findet sich hinter der versification des schlussabschniltes
in einem anderen metrum, als die versification von anfang bis
ende aufweist, in d die Strophe:
Imrum moltach Mwlidüin dofoirne min richigh rüin
Rogab Aed Find forbrech pal grian anecna indsi Fail
'der preiswürdige Imram des Maelduin bezeichnet (dh. enthüllt)
das geheimnis des leuchtenden himmelreiches. Aed Find sang
(wob) den sehr bunten Schleier, er die sonne an Weisheit in
Irland.'
Der gebrauch von rogab und die auf die angeführte fol-
gende allerletzte Strophe in demselben metrum, die angibt, aus
1 öenchess, ainchess besteht aus oen (unus) und cess, lehnwort aus lat.
cisia: es ist ein gefäfs mit einer abteilung.
2 ich werde eine ausgäbe des texles veranstalten in der altirischen
Orthographie derzeit, aus der er stammt, was nicht schwieriger ist als eine
mhd, hersteilung der Kudrundichtung aus der hs. von Hans Ried, in der
einleitung zu dieser ausgäbe, die natürlich in ihrem kritischen apparat das
Überlieferle handschriftliche materiai vorlegen wird, werde ich auf die sprach-
lichen erscheinungen des textes näher eingehen.
KELTISCHE BEITRAGE II 29t
wie viel Strophen der gesang (cetal caid) besteht, lassen keinen
zweifei darüber aufkommen, dass hier Aed Find ausdrückheh als
Verfasser des ge dichtes über die meerfahrt Maelduins bezeichnet
ist. gegen die annähme, dass sich wie in b die Urheberschaft
auf den verf. der prosaerzählung beziehen müsse, also die prosa-
erzähluug eine solche schlussnotiz müsse enthalten haben wie
b, sprechen gewichtige gründe, das gedieht über Maelduins
meerfahrt beginnt mit den worten Ardri uasal und die letzte
Strophe in dem metrum des gedichtes lautet:
Othiass forcel rososs fornem sech slogh nger garg
Hiflaith naingel dothach caingen aitreh erard. Airdi.
die erzählung ist zu ende, das gebet um ein seliges ende schliefst
ab; da nun auch dies die letzte Strophe in dem metrum des
übrigen gedichtes ist und da das anfangswort des gedichtes wider-
holt wird (Ardri), so kann auch nicht der geringste zweifei darüber
herschen, dass die beiden noch folgenden Strophen in anderem
metrum späterer zusatz sein müssen, hätte die nachricht über
den autor bei abfassung der verse vorgelegen, so wäre sie mit
ins ursprüngliche gedieht gekommen, hierzu stimmt nun auch,
dass eben die prosa von H. 2. 16 die notiz nicht hat. wir müssen
also annehmen, dass dem Schreiber von Egerton 1782 oder
seiner vorläge eine recension von Maelduins meerfahrt wie c
und d vorlag , dass er die versiflcation wegliefs und seine schluss-
notiz aus der angehängten Strophe nahm. dem widerspricht
der Wortlaut der notiz in Egerton 1782 nicht im geringsten,
da die bedeutung von rochdraig 'er ordnete' dehnbar ist.
Dieser zusatz nun in H. 2. 16, der also jünger sein muss
als die prosaerzählung und das gedieht von Maelduins meerfahrt,
macht seiner spräche nach den eindruck einiger altertümlichkeit:
die form Mcelidüin, die durch das metrum als dreisilbig erwiesen
wird , möchte ich nicht allzu sehr betonen , da hier das ältere
gedieht kann vorbild gewesen sein; dh&c dofoirm ist eine schöne
verbalform , wie sie in den glosseji (zb. dofoirnde Pr. Sg. 9^, 12)
sich finden.
Leider weifs ich über diesen Aed Find, den hochgelehrten
(Eg.), die sonne der Weisheit in Irland, nichts beizubringen; denn
an den Aed Finn, der als ahnherr der O'Reillys und O'Rourkes
in Leitrim in den Annalen der 4 meister und den Annalen von
Loch Ce zum jähre 1256 erwähnt wird, dürfen wir nicht denken.
19*
292 KELTISCHE BEITRÄGE II
seine genealogie ist im Book of Ballymote fol. 89 ff gegeben;
darnach stammte er iu 7 generation von Eochaid Mugmedo'n
(t365), und die 11 generation nach ihm war Riiaic mac Tiger-
näin(f 893), sodass wir für ihn das ende des 6 jhs. anzusetzen
hätten, einen anderen Aed Finn kann ich nirgends mit den mir
zu geböte stehenden hilfsmitteln auftreiben, einen hervorragenden
dichter Aed, der wegen seiner Verbindung mit Dallan Forgaill
und dem reichstag von Druim Ceta am ende des 6 jhs. geblüht
haben muss, erwähnt O'Curry, Manners and customs n 78.
c. warum und wie Brendan träger der legende
wurde. Schröder sagt s. iv: 'wie gerade Brandan dazu kam,
der träger der wunderbaren legende zu werden, ist schwer nach-
zuweisen; das wenige, was uns über sein leben und seine taten
überliefert ist, bietet keinerlei anhaltspunct.' das letztere ist nicht
ganz richtig, wie man schon aus den erörterungen s. 130 — 132
und 180 ff ersieht, eine kritische betrachtung der Vita SBren-
dani wird allerdings anhaltspuncte bieten, die erhaltene Viia
SBrendani ist von Moran (Acta sancti Brendani s. 1 — 26) nach
einer hs. des 13 jhs. herausgegeben; die Überlieferung der
Vita ist also eine bedeutend (fast 200 jähre) jüngere als die der
Navigatio. auf die frage, ob auch die entstehung der Vita
jünger sei als die der Navigatio, muss uns der inhalt selbst ant-
wort geben, wenn man bedenkt, dass die 7jährige oceanfahrt
Brendans mit ihren wundern doch das wunderbarste ist, was
das 11 — 13 jh, von einem heiligen kannte, und dass Brendan
eben nur durch diese meerfahrt der berühmteste mann jener
zeit war, so ist klar, dass eine damals verfasste Vita
des heiligen die 7jährige oceanfahrt in den mittel-
punct der composition stellen muste. liest man nun
die Vita durch, so ist man im höchsten grade erstaunt: sie hat
nach ihrer ganzen composition gar keinen räum
für eine 7jährige meerfahrt Brendans im westlichen
ocean. die Vila weifs zwar von einer see fahrt Brendans, aber
in entgegengesetzter richtung nach Britannia (Moran s. 12 — 16).
als nämlich Brendan wegen des todes eines seiner k'osterbrüder
gewissensbisse bekam, fragte er seine erzieherin Yla um rat, die
ihm sagte: fac ab'quo tempore peregrinationem quod habeas in
morte ülius culpam et praedica hominibus et ducas alias
animas deo. Postea navigavit sanctns Brendanus in peregrina-
KELTISCHE BEITRÄGE II 293
tt'otie ad Brittanniam usw. (Moran s. 13). auf dieser reise ge-
schehen durch Brendan mehrere wunder: es regnet und er wird
mit seinen gefährten nicht nass; die türen des gotteshauses
bei Gildas öffnen sich vor ihm; er liest ein mit griechischen
buchstahen geschriebenes missale ohne griechisch zu verstehen;
er zähmt liestien, nachdem er mehrere klöster in Britannia ge-
gründet, fahrt er nach Irland zurück, auf dieser rückfahrt be-
gegnet ihm das oben s. 130 — 132 besprochene abenteuer mit
den beiden bestien, das ihn jedoch an seiner rückkehr nach
Leinster nicht hinderte, sondern eher antrieb, alsbald Brigita
aufzusuchen, dies abenteuer hat der verf. der Navigatio SBren-
dani benutzt, aber so umgestaltet, dass es in die composilion
seines textes passte , da er den Brendan nicht konnte sofort nach
Irland zurückkehren lassen. ^
Es ist demnach klar, dass die zeit, in welcher die Vita
Brendani entstand, von der berühmten 7jährigen meerfahrt im
ocean auf der suche nach der terra repromissionis absolut nichts
wüste, zwischen dieser zeit und dem 13 jh. war Brendan nicht
nur ein berühmter Seefahrer geworden , sondern auch der held
jener wunderbaren erzählung. diesem factum glaubte ein ab-
schreiber der Vita rechnung tragen zu müssen, und so nimmt
denn die hs. des 13 jhs. an zwei stellen bezug auf die Navigatio.
nachdem erzählt ist, wie Brendan das mönchsgewand aus den
bänden des bischofs Erc empfangen, heifst es weiter (Moran
s. 10 z. 6): Et multi relinquentes saecuhim hinc inde venerum ad
ernn et fecit eos SBrendamis monachos. Deinde cellas et mo-
nasteria fundavit in sua propria regione, sed tunc adhuc non
plura: quod cum venit de navigio stio quaerendo ter-
ram repromissionis sanctorum tunc parrochia ejus
per diversas regiones Hyberniae dilatata est. dann
folgt der lext der Navigatio SBrendani und darauf heifst es weiter:
Postea multi plura munera SBrendano in Christi nomine obtu-
lerunt et alii relinquentes huj'us res saeculi fecit eos vir dei mo-
nachos et multa monasteria et cellas per diversas regiones Hy-
berniae fundavit, in quibus usw.
' die mittelstufe zwischen der erzählung in der Vita und der Navigatio
bilden die beiden Zeugnisse aus Liber hymnorum (oben s. 130 fl). sie er-
zählen die episode wie die Vita, verlegen sie aber auf die oceanfahrt bei
der suche nach der terra repromissionis, was ohne die Umgestaltung ein-
fach unmöglich wäre.
294 KELTISCHE BEITRÄGE II
Dass in diesen Zusammenhang die 7jährige meerfahrt Bren-
dans absolut nicht passt, sieht jeder, und Moran hat sie auch
hinausgewieseu; aber er muste weiter gehen und sowol die vor-
angehenden Worte von sed timc adhuc non plura an als auch die
Worte, mit denen wider in die Vita eingelenkt wird, von Fostea
bis fundavü als flickarbeit des compilators tilgen, denn die dem
einschub vorausgehenden (Et multi relinquentes saecuUim
hinc inde venerum ad eum et fecit eos monachos, deinde
cellas et monasteria fundavit in siia propria regione) und
die ihm nachfolgenden worte (postea multi plura munera sancto
Brendano in Christi nomine obtulerunt et alii relinquentes
hiijus res saeculi fecit eos vir dei monachos et multa
monasteria et cellas per diversas regiones Hyberniae fun-
davit) variieren denselben satz, welchen der interpolator in der
Vita an der stelle vorfand, wo er den einschnitt machte, in
der Vita stand wol Et multi relinquentes saeciilum hinc inde ve-
nerunt ad eum et fecit eos sanctus Brendanus monachos. Deinde
cellas et [multa] monasteria fundavü in sua propria regione et
patrem, suum fecit monachum usw. der interpolator schnitt multa
weg, um mit den worten sed tum adhuc non plura die Inter-
polation einzuleiten, an deren schluss er dann den schon ge-
gebenen satz mit geringer änderung wider aufnahm, i
Die zweite bezugnahme in der Vita auf die Navigatio findet
sich bei Moran s. 22, 13 — 23, 17 (cap. 25 und 26). Brendan
spielt hier bei gelegenheit auf die episode 22 (Schröder s. 29,
30—31,33) der Navigatio und in cap. 26 auf episode 19 (Schröder
s. 27, 3 — 35) desselben textes an, wenn auch weniger deutlich,
eine lücke ist nirgends vorhanden, wenn die cap. 25 und 26
' für das Ungeschick des interpolators zeugt, dass er die Navigatio an
der nach der coniposilion der Vita unmöglichsten stelle einschob, hätte
er bis zu der stelle gewartet, wo von Brendans peregrinatio nach Britannia
die rede ist (Moran s. 13,9), so hätte er ziemlich unauffällig den einschub
vornehmen können, er brauchte von der Navigatio nur die einleitenden
capitel bis Schröder s. 6 z. 36 (Habebant) , ferner episode 14 (den umge-
stalteten kämpf der meerbestien, Schröder s. 21,23 — 23,10) zu streichen
und zum schluss den Brendan zuerst zu Gildas statt direct in seine heimat
gelangen zu lassen, aber das ist ja gerade das characteristische der bona
fide unternommenen mittelalterlichen Interpolationen , dass sie selten mit
raffinement ausgeführt sind, sodass für einen modernen menschen schon
eine ziemliche dosis kritiklosigkeit den naiven glauben des mittelalters er-
setzen muss, um solche Interpolationen nicht zu sehen.
KELTISCHE BEITRÄGE II 295
fehlten; und sieht man cap. 24 und 27 näher an, so ergibt sich,
dass zwischen beiden in der Vita ursprüngHch nichts stehen konnte.
Das resultat einer kritischen betrachtung der Vita sancti
Brendani ist also, wie schon hervorgehoben, dass die zeit, in
welcher die Vita entstand, nichts wüste von jener hoch-
berühmten 7 jährigen oceanfahrt Brendans, die von der Westküste
Irlands aus in den allantischen ocean unternommen wurde, um
die fabelhafte terra reproraissionis aufzusuchen, dagegen kannte
man eine bufsfahrt Brendans nach Britannia , worunter man sowol
Britannia minor (Bretagne) als major (Wales und Cornwales) ver-
stehen kann; und auf dieser peregrinatio hatte Brendan einige
abenteuer, allerdings keine wunderbareren , als von Columba
dem älteren und anderen heiligen erzählt werden. immer-
hin liegt ein anhaltspunct in dieser älteren tradition. un-
möglich wäre es ja nicht, dass dieselbe an wissen ärmere und
mirakelsüchtigere zeit, die den Ende von Aran zu einem söhn des
608 gestorbenen Conall Derc umschuf (oben s. 206 — 211), ohne
weitere veranlassung den Brendan zu einem oceanfahrer machte,
und ein uns unbekannter aulor die erzählungen des alten Imram
Maelduin auf Brendan übertrug und so seine seefahrt nach Bri-
tannia in eine meerfahrt in den ocean umgestaltete, in majorem
gloriam dei et Brendani. ich glaube jedoch, dass aufser dem
allgemeinen anhaltspunct noch eine bestimmte veranlassung vor-
liegt, ein mis verstau dnis einer stelle in eben dem
Imram Maelduin, aus welchem der verf. der Navigatio seinen
Stoff schöpfte.
In episode 30 des Imram Maelduin (oben s. 169) wird er-
zählt, wie Maelduin mit seinen gefährten zu einer insel kam,
auf der sich eine kleine kirche befand, in letzterer träfen sie
einen alten kleriker, der von weifsem haar bedeckt war. Maelduin
fragte ihn, wer er wäre: 'ich bin der fünfzehnte mann von der
(kloster-)familie des Brendan von Birr; wir giengen auf unsere
Wanderschaft auf den ocean , bis wir zu dieser insel kamen ; es
starben alle aufser mir allein, und er zeigte ihnen darauf den
büchersack Brendans, den sie mit sich auf ihre Wanderschaft
genommen, alle verbeugten sich betend vor dem büchersack
und Maelduin küsste ihn,' i der hier erwähnte Brenaind Birra ist
^ der text nach H. 2. 16 col. 386 lautet — wobei die abweichenden
lesarten von Harleian 5280 fol. 9^ in klammern gesetzt sind — : Meisse an-
296 KELTISCHE BEITRÄGE U
eiue von dem iräger der legende total verschiedene person: dieser
ältere Brendan war abt von Birr (heute Parsonstown in Kings-
counly) und starb nach dem Chronicon Scolorum 565. der träger
der legende ist Breuaind huaAlla, der söhn des Finlocha, ein
Kerrymaun aus der nähe von Tralee, der in Clonfert (counly
Galvvay) ein kloster gründete und nach denselben annalen 576
starb, den todestag des Brenaind Birra setzt das Marlyrologium
von Tamlacht auf den 9 mai (LL 361% 10), während das Marly-
rologium von Donegal und Feiire den 29 nov. annehmen ; den von
Brenaind Cluana (Brendini Cluana Ferta) verlegen dieselben mar-
tyrologien (LL 361% 43) und Feiire auf den 16 mai. in dem Ver-
zeichnis derjenigen heiligen, welche unins moris erant , werden
hinter einander zusammengestellt: Bartholom. apostolns, Brendinus
senior und Tomas a., Bren(dinus) Cluana Ferta (LL 375'''^, 8). in der
aufzählung der heiligen Irlands, die denselben namen trugen (Co-
mainmnigud noem Brenn LL 366®), werden 17 Brenaind aufge-
zählt und zwar beginnend: Brenaind Bir(ra) , Br(enaind) m(ac)
huaAlta. — ferner ist in der erzählung des Imram Maelduin
gar nicht davon die rede, dass Brenaind Birra die reise auf den
ocean mitmachte, im gegenteil, der Zusammenhang und besonders
die bemerkung über das polaire Brendans von Birr, das sie (als
reliquie) mitnahmen, zeigt deutlich, dass nur 15 leute aus der
klostergemeinschaft des Brendan von Birr auf einer insel
sich in die einsamkeit vergraben wollten. ^
In einem misverständnis dieser stelle von Imram
Maelduin ist der grund zu suchen, warum mau in
dem 9 oder lOjh. denBrendan huaAlta zum frommen
coiced fer dhec dimutit. Brenaind Birra (Biroir) dodeachommar (dodeo-
catar) diarnailithri isinocian condotarla insanlndsi (7) adbathadar uile
(moeeile) acht messt amoermr 1 doarfaidh (tonarfaidh) doib iarsin pol-
lere (polaire) Brenaind doucsat (romicsat) leo dianailitfiri. rodoslechta-
tarsom uile (nodasensat iarom) donpollaire 7 dobert Mcelduin poie dö. —
die Strophe in dem gedieht lautet:
Can duil arMwldüin aclerigh cäi/i cohidhan.
Adbert coglan doynuntir dam Brenaind Birra,
woselbst Harleian Phirair für Birra hat.
• hierauf bezieht sich auch ungezwungen die notiz im Marlyrologium
von Tallaght zum 22 märz Egressio familie Brendini (LL 357'', 31). das coie
fer dliec di muntir Brenaind Birra dodeacliommar (dodeoeatar)
im Imram Maelduin kann ja nur durch egressio familiae Brenaind ge-
geben werden.
KELTISCHE BEITRÄGE II 297
oceaufahrer machte, vveüden wir einmal die melhode der
wechselseitigen erheilung, die in sprachlichen Untersuchungen
ältere Vorgänge durch jüngere, klar vor äugen liegende zu be-
leuchten sucht, auf unsere frage an. Joyce, ein kenntnisreicher
irischer gelehrter, fühlt sich gedrungen, in seinen Old celtic ro-
mances (London 1879) zu seiner irrigen Übersetzung ('I am
one of tbe fifteen people, who, following the example of
cur ma st er (III), Brendan of Birra, saiied on pilgrimmage' usw.
s. 158) die folgende note hinzuzufügen (s. 410): 'I have already,
in preface (page xiii) spoken of the celebrated voyage of SBrendan
of Birra (Birr, in Kings counly), undertaken in sixlh Century.
He set out from near Brandon Mountain, in Kerry, sailing west-
wards into the Atlantic ocean. He had many Imitators, who
ventured out on the great ocean in their curraghs as pilgrims;
but none were so enlerprising as himself, or met with such
a variety of stränge land, if we excepl Maildun [er war also
imitatorl] and the three sons of O'Corra, whose adventures are
quite as surprising as those of Brendan.' die worte der ein-
leitung lauten: 'Of the Imrama . . . there are only four remaining,
all very ancient. Of these the best koown is 'the voyage of
SBrendan' undertaken in the sixth Century, which was at one
time celebrated all over Europe.'
Gibt man zu, dass ein kleriker des 9 oder 10 jhs. die klare
und leicht verständliche stelle im Imram Maelduin ebenso mis-
verstehen und beide heiligen ebenso verwechseln konnte, wie
dies Joyce tut, dann ist klar, wie Brendan üaAlta der träger der
profanen schiffersage wurde, las man nämlich aus der stelle von
Imram Maelduin heraus, dass Brendan — von dem eine seefahrt
nach Britannia mit einigen abenteuern bekannt war — eine fahrt
in den atlantischen ocean gemacht habe, dann liegt der schluss
nahe, dass pia fraus ihn auch im wesentlichen dieselben abenteuer
erleben liefs, welche sein nachahmer Maelduin durchgemacht
hatte, hatte sich einmal die ansieht von einer oceanfahrt Bren-
dans festgesetzt, dann lag es im geisle jener zeit, dass man auch
eine solche fabricierte.
Es ist also Imram Maelduin in doppelter hinsieht quelle der
erhalteneu JNavigatio SBrendani.
d. alter der Navigatio SBrendani. Thomas Wright
(SBrandan s. vn) spricht die vermulung aus, dass die lat. Nävi-
298 KELTISCHE BEITRÄGE II
gatio SBrendani 'in tlie latter part of llie eleventh Century' ver-
fasst sei; bald nach 1100 wurde sie in England und Frankreich
bekannt, auch ich möchte von vorn herein vor einer Über-
schätzung des alters des lat. textes warnen. Hardy, Descrip-
tive catalogue s. 159 setzt die hs. Vatic. Reg. 217 ins 9 jh.;
Moran hat diese hs. benutzt: er sagt aber blofs 'referred by Hardy
to the 9"^ Century' und setzt sie an zweite stelle in seinem
apparat hinter die dem 12 jh. zugewiesene Vatic. hs. Reg. 481.
worauf sich Hardys angäbe gründet, ist nirgends ersichtlich, wie
leicht man das alter irischer hss. an continentalen gemessen
überschätzt, ist jedem, der auf diesem gebiet erfahruugen ge-
sammelt hat, wol bekannt, da nun die übrigen alten hss. der
Navigatio SBrendani — und zwar in stattlicher zahl — erst dem
11 und 12 jh. angehören, so muss ich die herkunft der ge-
nannten hs. aus dem 9 jh. schon aus diesem gründe so lange
in zweifei ziehen, bis würklich einmal gründe oder urteile com-
pelenter palaeographen vorliegen, jedesfalls reicht die einfache
angäbe Hardys nicht hin , um darauf mit irgend welcher Sicher-
heit den schluss zu bauen, dass die Navigatio SBrendani im 9 jh.
vorhanden war. auch andere momenle sprechen dagegen, wäre
der lat. text im 9 jh. in Irland entstanden, so würde es bei
dem regen verkehr der Iren mit dem continent ge-
rade im 9. 10 und in der ersten hälfte des 11 jhs.
völlig unverständlich sein, dass aus dieser zeit nicht zahlreiche
hss. der Navigatio sollten auf dem continent vorhanden sein;
unverständlich ferner, dass man 200— 300 jähre, bis zum beginn
des 12 jhs., teilnahmslos in England, der Normandie, Frankreich
und Deutschland diesem Stoff sollte gegenübergestanden haben,
stammt aber der lat. text aus der 2 hälfte des 11 jhs., dann ist
begreiflich, dass allenthalben hss. am ende dieses jhs. und im
12 auftauchen und dass man sich im laufe des 12 jhs. des Stoffes
für die Volkssprachen zu bemächtigen anfieng. wir haben ein
interessantes analogon an der Visio Tnugdali : der lat. text
wurde 1149 in Regensburg geschrieben, um 1160 hatte man
diesen irischen wunderstoff schon am Niederrhein sich zu eigen
und volkstümlich gemacht, und vor ende des jhs. wurde Albers
oberdeutsches gedieht verfasst (siehe Wagner, Visio Tnugdali
s. XL ff).
Sucht man nun nach Zeugnissen in der erhaltenen irischen
KELTISCHE BEITRÄGE II 299
lilteratur, um die entstehungszeit der Navigatio SBrendani näher
zu bestimmen, so muss man meines erachtens 2 puncte scharf
aus einander halten: 1) Zeugnisse dafür, dass dem Brendan eine
ocean fahrt (navigatio, imram) zugeschrieben wurde und ?) Zeug-
nisse für den text Navigatio SBrendani. nicht alle Zeugnisse der
ersten gruppe sind Zeugnisse für das Vorhandensein des bekannten
lat. textes, sie können sogar gegen dasselbe zeugen, denn
wenn Brendan würklich, wie ich im vorhergehenden (s. 292 — 297)
wahrscheinlich zu machen suchte, auf gruud eines misverständ-
nisses im Imram Maelduin zum oceanfahrer wurde, so folgt
daraus doch nicht, dass alsbald der bekannte lat. text aus Imram
Maelduin zusammengestellt wurde, es ist sogar viel wahrschein-
licher, dass zuerst seeabenteuer verschiedener art auf Brendan
gehäuft wurden und dass erst, als er unbestritten als ocean-
fahrer galt und die ältere tradition , die davon nichts
wüste, verdrängt war, ein text wie die lat. Navigatio SBren-
dani entstand.
1. weder ein zeugnis für Brendans oceanfahrt noch viel
weniger ein solches für das Vorhandensein der Navigatio SBren-
dani ist die notiz im Martyrologium von Tallaght zum 22märz:
Egressio familiq Brendini (LL 357'', 31). diese notiz bezieht sich,
wie schon s. 296 anm. angegeben, überhaupt nicht auf unseren
Brendan ÜaAlta, sondern auf den älteren Brendan von Birr. die
familia Brendini, die hier erwähnt wird, ist die muinter Bre-
naind Birra im Imram Maelduin (vgl, s. 295), und es handelt
sich nur um 15 klosterbrUder des Brendan von Birr, die offenbar
nach seinem tode die pilgerfahrt auf den ocean unternahmen
(dodeochatar diarnailithri isinocian = egressi sunt in eorum pere-
grinatione in oceanum). als Brendan UaAIta zum oceanfahrer
geworden war, mag man diese notiz des Martyrologiums auf ihn
bezogen haben. — ganz abgesehen von dem entscheidenden
Zeugnis im Imram Maelduin sollte man erwarten egressio Bren-
dini cum sua familia, wenn die notiz sich auf Brendan UaAIta
und seine berühmte oceanfahrt bezöge. ^
2. demnächst kommt die notiz in der vorrede zu ültans
hymnus in den beiden hss. des Liber hymnorum (TCD fol. Iß**
= FCD s. 39), die oben s. 130 ff betrachtet ist. die beiden hss.
1 wir haben also hier ein zweites zeugnis (vgl, s, 206 — 211) für die
hohe altertümlichkeit der angaben im Martyrologium von Tallaght.
300 KELTISCHE BEITRAGE II
stammen nach allgemeiner annähme aus dem ende des 11 oder
dem anfang des 12 jhs.; sie bielen im weseullichen dasselbe
material und zwar so, dass sie auf eine gemeinsame quelle zu-
rückgehen müssen, aber nicht direcle abschriften derselben sein
können, wir werden daher ihr einstimmiges Zeugnis als ein
Zeugnis des 11 jhs., und zwar wol der ersten hälfle desselben,
betrachten dürfen, beide Zeugnisse stimmen überein darin , dass
sie den kämpf der seeungeheuer schildern wie die Vita SBren-
dani; sie stimmen auch mit der letzteren darin überein, dass
sie Brendan alsbald landen und Brigita besuchen lassen, was
möglich war, wenn das erlebnis auf der rückfahrt von Britannia
passierte, nicht aber, wenn es auf einer grofsen oceaufahrt sich
ereignete, dies letztere setzt aber das Zeugnis in beiden hss. des
Liber hymnorum durch den eingang voraus: navigans mare et
quaerens terram repr^omissioiiis heifst es. die Übereinstimmungen
und Widersprüche der 3 quellen (Vita SBrendani, Liber hym-
norum, Navigalio SBrendani), erklären sich befriedigend unter
einer annähme: der Schreiber der gemeinsamen quelle des Liber
hymnorum (TCD und FCD) halte künde von einer meerfahrt
Brendans nach dem laude der verheifsung und er schob et quae-
rens terram repi omissionis in seine vorläge ein, um zu docu-
menlieren, dass er mit seinem wissen auf dem laufenden sich
erhalten, die consequenz, dass er dann die ganze notiz hätte
tilgen müssen, darf man von ihm nicht verlangen, die erzählung
fand er in seiner vorläge und sie stand in der Vita SBrendani:
grund genug, sie beizubehalten; dass Brendan eine oceanfahrt
nach der terra repromissionis machte, wurde zu seiner zeit ge-
glaubt und erzählt: grund genug, um letzteres in die ihm vor-
liegende notiz einzufügen. 1
Ob wir aber in der notiz der vorrede zu Ultans hymnus ein
Zeugnis für das Vorhandensein der Navigatio SBrendani suchen
dürfen , ist mir mehr als zweifelhaft, wir werden unter 4 einige
Zeugnisse des 10 oder gar 9 jhs. kennen lernen, die von Bren-
dans oceanfahrt nach der terra repromissionis wissen, aber in
allen details der Navigatio SBrendani widersprechen, die
^ ebenso harmlos lässt ja die Vita des Ende den heiligen nach den
alten quellen von Oengus mac Nadfroich die insel erhalten und Giaran seinen
Schüler sein, während sie im eingang nach der neu aufgekommenen tra-
dition ihn zu einem söhn des 608 gestorbenen Conall Derc von Glochar na
mac nDameine macht!
KELTISCHE BEITRÄGE II 301
allgemeine angäbe qiiaerens terram repromissionis beweist nicht
das geringste für kenntnis des auf uns gekommenen textes der Na-
vigatio SBrendani bei dem Schreiber des Liber hymnorum im 11 jh.
3. etwas anders steht es mit der note im Liber hymn. FCD
s. 41 oberer rand, wo die unter 2 besprochene notiz in irischer
spräche bei erklärung von Broccans hymnus 33 verwendet wird
(siehe oben s. 1 3 1 ff), hier heifst es dem navigans mare et quae-
rens terram repromissionis entsprechend 6m Brenaind vii bliad.
formuir ociarrair tire tairngire ; es kommt also noch die
Zeitbestimmung 'sieben jähre' hinzu, allein diese note
fehlt in der anderen hs. und liefert in so fern nur ein Zeugnis
für die zeit, aus der die hs. des Liber hymnorum FCD stammt,
also für das ende des 11 oder den anfang des 12 jhs.
4. die so genannte litanei des Oengus (LL 373% 13 ff=LBr
23^ 13ff). sie enthält mehrere Zeugnisse dafür, dass
ihrverf. unsere Navigatio nicht kannte, zuerst werden
angerufen (LL 373% 6 v. u. ff) indaailithrech dec dianrarnaic Bre-
naind innoenfher ininis inchnitt imhethu , trifichit [er lotar laBre-
naind dochungid tiri tairngiri per Jesum 'die zwölf pilger, von
welchen Brendan einen mann lebend traf auf der insel der
katze; die sechszig mann, welche mit Brendan giengen, das land
der verheifsung zu suchen, (rufe ich zu meiner hilfe) per Jesum'.
von der insel der katze und dem einen mann weifs die Navi-
gatio gar nichts und die angäbe der reisebegleiter Brendans steht
in directem Widerspruch zu der Navigatio, die nur die zahl 14
kennt. — nachdem noch eine weitere gruppe angerufen ist, fährt
die litanei fort (LL 373'', 3) cethrur arfichit deMumain lotar laAilbi
forfargi doathascnani tiri tarngiri ßet and imbethaid cobräth, in-
tanchara forränic Brenaind arachind ilJr thairngire cusnahuilib
noemaib torchratar inhuibb insib indociain 'die 24 mann aus
Munster, die mit Ailbe auf den ocean giengen, um das land der
verheifsung aufzusuchen; der anachoret, welcher dem Brendan
entgegenkam im lande der verheifsung, nebst allen heiligen,
welche in schiffen auf inseln des oceans umkamen.' da Brendan
nach Navigatio 11 zu Ailbe mit seinen 24 begleitern kam, ist
klar, dass der verf. der litanei unsere Navigatio nicht kannte, da
er dies sonst angegeben hätte, der anachoret, der dem Brendan
entgegenkam, passtauch nicht zu dem juyems, der Brendan und
seinen gefährten entgegenlief (Schröder s. 35, 24).
302 KELTISCHE BEITRÄGE II
Wir haben in der litanei das denkmal eines niannes, der
mit den meerl'ahrten irischer heiligen vorzüglich vertraut ist^, der
auch Brendan als einen oceanfahrer auf der suche nach der terra
repromissionis kennt: aber die Navigalio SBrendaui kennt er po-
sitiv nicht: alle angaben, die er macht, widersprechen
ihr. somit liegt uns in der litanei nur ein Zeugnis für Brendan
als oceanfahrer vor. leider sind wir nicht in der läge, das alter
dieses Zeugnisses so genau zu bestimmen, als man wünschen
möchte, für die annähme, dass die litanei von Oengus Cele De
(um 800) herrühre, liegt keine spur eines anhaltes vor. der
formelhafte character schliefst sprachliche kriterien fast aus. die
mittelirische form filet (für altir. file), die sich sicher schon ende
des lljhs. findet, kann dem Schreiber zur last fallen, nach
meinem gefühl möchte ich das denkmal eher dem frühen 10 als
dem 11 jh. zuweisen. — vielleicht lässt sich aus den oben an-
gefüb>^ten Worten cnsnahnilib noemaib torchratar inhuibb insib in-
dociain ein kriterium gewinnen, s. 134 anm. habe ich für die
unverständlichen worte inhuibb insib die besserung innnibb in-
insib 'in schiffen auf inseln' vorgeschlagen; vollständig befriedigt
sie nicht. Zs. 32, 278 ff wies ich nach, dass in der vikingerzeit
das nordische wort eyland (norw. öyland) in der form oilen ins
irische aufnähme .fand und heuligen tages noch gebräuchlich ist.
neben eyland kennt das nordische das einfache ey (norw. öy) in
gleicher bedeutung ' insel'. dies konnte ins irische nur in der
form oi aufnähme finden: 'auf inseln' müste heifsen inuib resp.
inhuib. stand ursprünglich in der litanei torchratar inhnib indo-
ciain 'welche auf inseln des oceans starben'? über dies ob-
solete in-huib schrieb ein glossator insib, das von einem ab-
schreiber in den text aufgenommen wurde.
Dann hätten wir ein zeugnis dafür, dass die litanei in der
vikingerzeit entstanden ist. die anrufung aller heiligen und
gruppen von frommen männern, die einst zur see gegangen um
gottes willen, war vielleicht ein directes Schutzmittel gegen die
Irland drangsalierenden nordischen Seeräuber.
5. LL 283% 14 — 283% 13 (siehe oben s. 132 ff J ist ein
Zeugnis für Brendan als oceanfahrer, spricht aber gegen unsere
Navigalio SBrendani.
6. gekannt und benutzt ist die Navigalio in dem unter dem
• er kennt noch eine grofse reihe.
KELTISCHE BEITUÄGE 11 303
tilel Iniram UaCorra auf uns gekommenen texte (s. 200 — 203).
nach dem, was s. 197— 211 ausgeführt ist, lässt sich daraus
kein beweis erbringen, dass die Navigatio älter sein müsse als
das unter 3 gewonnene datum.
7. das gedieht des Cumin von Connor (siehe s. 181). Colgan
macht diesen Cumin zu einem Zeitgenossen Columbas des älteren
und lässt ihn bis 656 leben, ohne jeglichen grund. schon der
umstand , dass eine beträchtliche anzahl der von ihm besungenen
heiligen Zeitgenossen gewesen (Coemgen f 617, Lachlin f 622,
Mochuda f 636, ültan -f 656, Feichin von Fobar f 664), macht
dies unmöglich, hinzu kommt, dass auch bedeutend jüngere
heilige begegnen wie der 828 gestorbene Cellach mac Conmaig
(Strophe 31). auch der geist, welcher aus dem gedieht spricht,
ist nicht der geist der irischen kirche, wie wir ihn bei den
glaubensboten des 6. 7 und 8 jhs. finden, denn was weifs Cumin
als das hervorragendste von den berühmtesten irischen heiligen
zu erzählen? Patrick fastete von fastnacht bis ostern (slrophe 1),
Columba der ältere afs auf seiner pilgerreise nicht so viel in
einer woche, als einen armen einmal sättigen würde (2), Feichin
legte sich nackt in den harten kerker (5), Coemgen stand lange
zeit in enger zelle (12), Fursa sang in einer quelle mit schnee-
kaltem Wasser seine psalmen (24), Jarlathe machte 300 genu-
flexionen jede nacht und 300 jeden abend (29) usw. ein öder
catalog von selbstpeinigungen ist das gedieht, das sollte herrühren
von einem Zeitgenossen und engeren landsmaun jener Aidan, Finan
und Colman, von deren Christentum uns kaum 80 jähre später
ßeda eine glänzende Schilderung entwirft in der Historia eccle-
siastica gentis Anglorum 1 dieser von dem der ältesten irischen
kirche abweichende geist spricht sich auch in dem bedeutuugs-
wandel aus, den ein viel gebrauchtes wort des gedichtes aufweist,
das wort crabud. dasselbe (= kymr. crefydd) bedeutet in der
altirischen glossensprache 'glaube, welcher beruht in frömmig-
keit, religiosilät.' zu den Worten quodsi invicem mordetis et com-
editis videte ne ab invicem consumamini (Gal. 5, 15) lautet der
irische commentar mabeith mtduthracht et dJgal lacäch uäib dia-
lailiu, beith formenme and arnafoircnea forcrabud and ./. hibar-
peccad cenaith'rgi 'wenn jemand von euch feindliche gesinnung
und räche gegen einen anderen hegt, so sei euer sinn darauf
gerichtet, dass euer crahud dabei nicht endige (in die brüche
304 KELTISCHE BEITRÄGE II
gehe) dli. (dass ihr bleibt) in eurer süode ohne biifse' Wb. 20\
12. 13; zu si caritatem autem non habeam f actus sunt velut
aes sonatis (1 Corinther 13,2) steht die glosse crabud cendesercc
'crabnd ohne liebe' Wb. 12'', 27; zu Hebr. 5, 12 rursus indigetis
ut vos doceamini quae sint elementa exordü sermonum dei
findet sich die lat.-irische erklärung ./. inüium fidei ./. abgitir cra-
baith 7 fidei ./. ruda documenta fidei ./. ataid inhiris (Wb. 33°, 13)
dh. das abc des crabud, welches nach der vorangehenden glosse
die gratia und nicht die lex ist: das 'aus gnaden seid ihr selig
geworden' ist abc des crabud; MI. 36*^, 24 endlich steht zu den
Worten nam sanctus David pro zelo religionis et devoto in
deo animo persequebatur simulacra die Übersetzung aret imchrabud
'aus eifer um den crabud'. dies wort crabud findet sich in dem ge-
dieht des Cumin nicht weniger als dreizehnmal in klarer und
feststehender bedeutung: dass Brigita wachte und früh aufstand,
wird crabud genannt (slrophe 3); dass Feichin sich ohne kleidung
in eine harte (steinige) zelle legte, das spricht dafür, dass sein
crabud nicht unecht war (5); dass Coemgen jähre lang in enger
zelle stand, ist crabud {\T)', Fursa bewies wahren crabud dadurch,
dass er in schneekaller quelle stehend die psalmen sang (24);
Cainnech heifst Cainnech des crabud, weil er in wilder einsamkeit
lebte (14), Mochuda aus dem gründe, weil niemand vor ihm halb
so viel tränen vergossen wie er (19). kurz, crabud ist 'tötung
des fleisches, Selbstkasteiung', 'mortification' wie Kelly übersetzt;
in Strophe 31 heifst es geradezu von Cellach mac Conmaig, dass
crabud sein fleisch peinigte (crabud rochräid acholainn).
Der verf. des gedichls kann unmöglich gleichaltrig, ge-
schweige denn älter als die urheber der angezogenen irischen
commentare zu den Paulinischen briefen und den psalmen ge-
wesen sein; und da man auch den einwand nicht erheben kann,
dass die verschiedenen Verfasser verschiedenen lebenskreisen an^
gehörten — sie waren alle kleriker — , so kann der bedeutungs-
wandel nur in dem veränderten Christentum begründet sein, wir
werden also durch äufsere gründe — Cellach mac Conmaig -{-828 —
sowie verschiedenartige innere indicien dahin geführt, dass das ge-
dieht frühestens in der zweiten hälfte des 9jhs. entstanden ist.
es kann aber auch jünger sein.
Was folgt nun aus dieser Brendan betrefTenden Strophe in
dem gedieht des Cumin von Connor für die frage nach dem alter
KELTISCHE BEITRAGE II 305
der sage von Brendans oceanfahrl ins land der verheifsung und
für die frage nach dem alter der Navigatio SBrendani? nichts und
doch sehr viel: eine genaue betrachtung der Strophe ergibt, dass
Cumin von Connor von beiden nichts weifs. die
Strophe lautet wörthch (siehe oben s. 181): 'Brendan liebte an-
dauernde abtötung (kasteiung, craftwdj gemäfs dem beschluss
der synode und Versammlung: 7 jähre war er auf dem
rücken des walfisches , es war ein schlechter (dh. mit plage ver-
bundener) vertrag die Vorschrift der kasteiung (incoir chrabaid)'.
was hat der beschluss der synode und Versammlung mit Brendans
fahrt nach der terra repromissionis zu tun? wo lesen wir, dass
diese fahrt eine bufsfahrt gewesen? brachte denn Brendan würk-
lich 7 jähre auf dem rücken des walfisches zu ? nichts von all
dem. erinnern wir uns der tatsache, dass Columba dem altern
durch die synode von Teltown die bufse auferlegt wurde , aufser-
halb Irlands zu gehen, und erinnern wir uns, was in der Vita
SBrendani (Moran s. 12, 25tf) von Brendan erzählt wird, dann
ist die Strophe in Cumins von Connor gedieht klar.
Ein junger klosterbruder Brendans war nicht ohne schuld
des letzteren gestorben. Demde sanctus Brendanns de morte ipsius
fratris timuit dominum, putans seipsum Ulms interfectorem , et
interrogavit viros sanctos inde verbum promere. Qui
dixerunt ei: vade ad sanctam dei prophetissam Ytam nutricem tuam
et ipsa dicet tibi quid te oportebit facere. Dixitque ei sancta Yta :
fac aliquo tempore peregrinationem quod habeas in morte
illius culpam et praedica hominibus et ducas alias animas
deo. Postea navigavit sanctus Brendanus in peregrinatione ad Bri-
tanniam usw. dies ist der grund von Brendans bufsfahrt nach
Britannia. könnte nicht eine version existiert haben, wonach
die sancti viri, die Brendan um ihr urteil angieng, selbst das
urteil gefällt haben ? und dass Brendan nach beschluss derselben
(doreir senuid is samuid) eine bufsfahrt unternommen und sich
7 jähre auf dem rücken eines walfisches (statt in einem kahn)
an der küste umhergetrieben habe in ausführung dieser bufsfahrt?
auf eine solche legende weist die oben s. 181 schon kurz er-
wähnte notiz aus dem Leben des heiligen David , des national-
heiligen von Wales, unter den wundern des hl. David wird
folgendes erzählt i: Alio quoque tempore, cum quidam Hybernensium
' Acta sanctorum märz i 44 note d. dasselbe wird mit geringfügigen
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 20
306 KELTISCHE BEITRÄGE 11
abbas, Barre nomine, sanctornm aposlolornm Petri et Pauli Romae
limina visitasset, peracto voto reversus, sanctnm visitat virum: ibi
aliquantnlum temporis in coUoqniis divinis moratus, praepedita
ventornm indigentia navi, qua patriam revisere paraverat, longiori
tardabatur mora. Timens vero, ne in sua congregatione absente
abbate contentiones exorirentur, sollicita perscrutatns mente, mira-
bile invenit iter. Nam equum, in quo s. pater Devvi ad ecdesiasticas
ulilitates insidere consueverat, petivit concessumque accepit : accepta-
que patris benedictione portum petit, mare intrat, ac sustentaculo
equi utitur pro navi. Equus enim tumentes fluctuum tumulos
velut planum peragebat campum. Cum autem in m,are longius
grader etur, apparuit ei SBrendanus, qui super marinum,
cetum mir am ducebat vi tarn. Sanctus autem Brendanus
hominem in mari videns equitantem stupef actus ait: Mirabilis
deus in sanctis suis. Salutantibus^ mutuo, Brendanus rogat, unde
esset et a quo venisset et quali modo in mari equitasset. Cui Barre
singula narrans, quod benedictione SDevvi munitus et quod per
ipsius eqmi?n talem ingressus sit viam ostendit. Cui Brendanus: vade,
inquit, in pace; ego veniam et videbo eum. Barre autem
illaeso gressu ad patriam rediit. da SDavids head der der süd-
ostküste Irlands nächst gelegene punct von Wales (Pembrokeshire)
ist und der heilige Barre nur der Schutzpatron gleichen namens
(Barre, Barrind) von Cork in süd-Irland oder Barrind von Drum-
cuUen in Kings county sein kann^, so ist klar, dass Brendan an
der Südküste von Irland und zwischen süd-Irland und Wales das
leben auf des walfisches rücken führte, dass es sich also
tatsächlich um eine andere version der in der Vila
erzählten bufsfahrt handelt.
Es liegt somit in dem gedieht des Cumin von Connor kein
Zeugnis für Brendans fahrt nach der terra repromissionis vor
und noch weniger ein solches für das Vorhandensein unserer
Navigatio SBrendani.
Gesammtergebnis aus punct 1 — 7 wäre also: es existiert kein
einiger mafsen sicheres zeugnis dafür, dass der text Navigatio
SBrendani vor der mitte des 11 jhs. entstanden ist; eine reihe
abweichungen auch in der Vita beati David eizälilt, die in den Lives of the
cambro- british saints s. 117 — 144 gedruckt ist, s. 132 ff.
• die hs. der Cambro-brilish saints hat vor salulaiitibus den satz: eques
appropinquabal übt erat ita ut salutare se invicem possent.
2 auf beide komme ich im weiteren verlauf.
KELTISCHE BEITRAGE 11 307
vou Zeugnissen (4 und 5) bietet so direct widersprechende an-
gaben, dass der text im 9 und 10 jh. nicht kann bekannt
gewesen sein, die Navigatio setzt die oben s. 206 — 211 nach-
gewiesene identification des Ende von Aran mit Ende, dem söhn
des Conall Derc UaCorra voraus; da nun das Martyrologium von
Tallaght (letzte eintragung Coirpre Crom t899) diese identification
nicht kennt, sondern noch den richtigen tatbestand vermerkt, so
kann dieselbe nicht vor der ersten hälfte des 10 jhs. geltung
erlangt haben : also auch von der seite würden der annähme des
Vorhandenseins der Navigatio in viel früherer zeit als eben be-
hauptet hindernisse im wege stehen.
Dagegen haben wir für die vikingerzeit, also vielleicht
schon für die zweite hälfte des 9 jhs. Zeugnisse, dass man Bren-
dan eine oceanfahrt auf der suche nach der terra repromissionis
zuschrieb.
e. composition der Navigatio Sßrendani. nur
einige der in der Untersuchung verstreuten tatsachen sind zu-
sammenzustellen, s. 176 — 181 ist gezeigt, dass sämmtliche
episoden der Navigatio mit ausnähme von 9 (Jasconius) und 14
(kämpf der beiden meerungetüme) aus dem alten Imram Maelduin
in mehr oder weniger freier weise herausgearbeitet sind, das
ganze kirchliche gepräge ist eigentum des verf.s und bedingte
auch vielfach die Umgestaltung der profanen erzählung. neben
dieser hauptquelle wurden sonstige christliche sagen der Iren
benutzt: so zb. wurde aus Imram Maelduin 19. 20 verbunden
mit der sage von Ailbes oceanfahrt nach der terra repromissionis
(LL 373^3, oben s. 301) episode 11 hergestellt (vgl. auch s. 202).
seeabenteuer, die von Brendan so gut wie von anderen irischen
heiligen erzählt wurden, erfuhren solche Umgestaltung, dass sie
Verwertung finden konnten: daher stammt episode 14, deren
ältere fassung in der Vita und in 2 hss. des Liber hymnorum vor-
Hegt (vgl. s. 130 ff. 299 ff), und episode 9 (Jasconius), deren
ältere version wir eben s. 305 (vgl. s. 181) erörterten.
Es ist klar, dass in der älteren version der episode 9 bei
dem walüsch (cetus marinus, mU mur) weder an den leviathan
noch an den midgardsormr gedacht werden darf. Brendan fährt
oder reitet eben auf einem seeungetüm wie Barre auf dem ross.
ein solches reiten auf einer bellua marina wird aber nicht allein
Brendan, sondern auch anderen heiligen Irlands zugeschrieben.
20*
308 KELTISCHE BEITRÄGE II
so vveifs die Vita des hl. David (AA SS märz i 43) zu melden,
dass ein engel den heiligen Aidan, der einst SDavids schüler ge-
wesen, aufforderte, seinen condiscipulus Scuthin ans ufer zu
schicken, um eine botschaft an SDavid zu bringen; Scuthinus
tut es: mare intrat ad genua, accipiens antem eum bellua trans-
vexit in die nähe von SDavids aufenthalt. dasselbe erzählt auch
die in den Cambro- british saints s. 102 — 116 gedruckte Buchedd
Dewi Sant: Sef aortic y sant tristem ac wylaw. Arglwyd, heb ef, pa
delw yd anuonafi gennat yno , mor vyrr yw yr oet, ac emae nyt
oes long yn harawt val y galler y chaffel. Anuon di , heb yr
agel, dy gytdysgybyl nyt amgen Scuthyn hyt y traeth, a mi abaraf
idaw vyned drwod. Sef aoruc Scuthyn yn laioen gwneuthur yd
oedit yn erchi idaw. a dynot parth artraeth a cherdet yn y
dwfyr racdaio yn y doeth y dwfyr idaw hyt y linyeu, ac yn
deissy fyt llynia aghenmul or mor yn y cymryt ar
y y^fyn , ac yn myned ac ef drwod yny vu ar y tir
arall 'der heilige (Aidan) wurde traurig und weinte, herr,
sagte er, wie soll ich einen boten dorthin senden, da die zeit
kurz ist, und kein schiff ist bereit, um es zu erlangen, sende,
sagte der engel, deinen niitschüler Scuthin zum Strand und ich
will für ihn sorgen, dass er hinüber kommt. Scuthin tat freudig,
was von ihm verlangt wurde, und gieng zum strande und gieng
in das Wasser vorwärts, bis es an seine knie reichte, und wie
auf befehl war ein ungeheuer aus der see da, um
ihn auf seinen rücken zu nehmen und mit ihm hin-
über zugehen, bis er am anderen (jenseitigen) lande
war.' hier ist die Situation derjenigen gleich, in der sich der
heihge Barre (siehe s. 306) befand : dieser setzte auf dem rücken
eines rosses von SDavids head nach Irland über, der heilige
Scuthin auf dem rücken eines meeruugetüms von Irland nach
SDavids head. andererseits ist die welsche bezeichnung der bellua
identisch mit der irischen bezeichnung des cetiis marinus, auf
dessen rücken Brendan fuhr: aghenmul = neuk^mr. anghenfil ist
das 'ungeheure füas^j mir und irisch mH mör ist das 'grofse
mU (tier)'. es ist gewis nicht unmöglich, dass die bewohner
der überall von see umgebenen grünen insel, die zu gasconna-
den neigen, in einem mirakelsüchligen Zeitalter ohne weiteren
anlass auf den gedanken kommen konnten, einzelne heilige
auf einem ross oder dem 'grofsen tier' zwischen Wales und süd-
KELTISCHE BEITRÄGE II 309
Irland verkehren zu lassen, vielleicht liegt auch eine directe ver-
anlassung zu diesen erfindungen vor. die nordische spräche ist
bekanntlich besonders reich an poetischen Umschreibungen (ken-
ningar) für alles, was eng mit dem leben, dem treiben und den an-
schauungen der Nordleute zusammenhängt, so kommt denn auch
eine erstaunliche fülle solcher poetischen ausdrücke für 'schiff'
vor (Süorra Edda i 441 — 447): es wird hestr (hengst), marr der
See genannt, dyr des sundes , hreinn usw. den tiefgreifenden
einfluss des vikingerzeitalters auf spräche und sage der Iren
habe ich Zs. 32, 196 — 334 in grofsen strichen zu zeichnen ver-
sucht; auf ein weiteres nordisches lehnwort habe ich oben
s. 302 hingewiesen, wenn nun diese Nordleute , die nicht blofs
Irlands küsteu plünderten, sondern sich an vielen platzen dauernd
niederliefsen und mit Iren in engen verkehr traten, von den
'hengsten, rossen' und 'grofsen tieren' redeten, mit denen sie
von Hördaland nach Irland kamen, konnte dies nicht einem Iren
des vikingerzeitalters anlass geben, seine heiligen des 5 und
6jhs., die ebenfalls das meer durchfuhren, mit 'rossen' und von
gott gesandten 'grofsen tieren' statt mit dem zerbrechlichen curach
auszustatten ?
Wie dem auch sei, so viel steht fest, dass die Jasconius-
geschichte in der Navigatio SBrendani eine zu bestimmtem zweck
vorgenommene Umgestaltung des älteren sagenzugs ist, wonach
man Brendan sich auf dem rücken eines walfisches an der küste
von Süd -Irland und zwischen Irland und Wales umhertreiben
liefs. dass bei dieser Umgestaltung des 11 jhs. die kirchliche
sage vom leviathan eine rolle gespielt hat, ist auch mir wahr-
scheinlich, um so mehr als der leviathan in einem sehr alten,
seiner spräche nach dem 7 oder 8 jh. angehörigeu sagentext schon
vorkommt, in Orgain brudne DaDerga (Lü 83*— 99'). als die flotte
der söhne des Dond Desai ans land stiefs, wankte die bürg des
DaDerga und die speere fielen klirrend von den wänden, 'welche
Vermutung, o Conaire, hast du über dies getöse?' 'keine, aufser
dass der Levidän, der die weit umgibt, seinen schwänz schlägt,
um die weit auf den köpf zu stellen (manid inteuidUn timchella in-
domon adchomaic aerball dothöchur inhetha tarachend), oder die barke
der söhne des Dond Desa ans land stiefs' (LU 85'', 18 — 23).
^ eine inhaltsangabe und analyse des textes habe ich Zs. f. vgl. sprachf.
28, 554 — 585 gegeben.
310 KELTISCHE BEITRÄGE II
Kein anhält liegt dafür vor, dass der verf. der Navigatio
SBrendani die Umgestaltung des älteren sagenzuges vorgefunden
habe; sie ist also sein werk ebenso wie die Umarbeitung der
aus Imram Maelduin entnommenen episoden. die schon vor-
handene combination , dass Ende von Aran identisch sei mit Ende
dem oceanfahrer (s. 206 ff), benutzte der verf. der Navigatio
geschickt, um einen zug im Imram Maelduin nachzuahmen (vgl.
s. 211).
Wenn man, wie ich glaube wahrscheinlich gemacht zu
haben, erst in der zweiten hälfte des 9 jhs. oder gar im 10 jh.
dazu kam, dem Brendan eine meerfahrt nach der terra repro-
missionis zuzuschreiben, und wenn erst in der zweiten hälfte
des 11 jhs, ein versuch entstand, diese oceanfahrt zu schildern
— unsere Navigatio SBrendani — , so ist natürlich, dass in der
Zwischenzeit einzelepisoden in diese oceanfahrt verlegt
wurden: aus ihnen darf man nicht ohne weiteres das Vorhanden-
sein einer gröfseren erzählung folgern, als teile einer solchen
dürfte man sie nur dann betrachten, wenn eine oceanfahrt
Brendans nach der terra repromissionis aus älterer zeit bezeugt
wäre und zugleich eine erzählung davon, von diesem
standpunct aus werden wir uns nicht wundern, dass uns episoden
von einer oceanfahrt Brendans überliefert sind, die der verf. der
Navigatio nicht benutzt hat: er schuf eben ein gebäude aus dem
ihm zu geböte stehenden steinen, eine solche episode ist Bren-
dans zusammentreffen mit dem einsiedler auf der insel der kalze
(in der litanei LL 373% 6 v. u. und ausführlich LL 283% 14 bis
283M3; vgl. oben s. 132 ff).
Noch einen zug der Navigatio SBrendani möchte ich hervor-
heben , in welchem der verf. z. l. in nachahmung der profan-
erzählungen von der kirchlichen anschauung abwich, der-
selbe geist, der im anfang des 4 jhs. einzelne allein oder in ge-
meinschaft mit gleichgesinnten in die egyptische wüste trieb, der
im 5 jh. in Italien und Frankreich das klosterleben hervorrief,
beherschte die älteste irische kircbe in besonders hohem grade,
was den Egyptern und Syrern die wüste, das ist den Iren das
meer. so finden wir denn schon in der ältesten zeit, im 5 und
6 Jh., neben anachoreten und klüstern auf den inseln in den
zahlreichen irischen seen einen drang in der irischen kirche,
sich zum zweck beschaulichen lebens auf die zahlreichen kleineren
KELTISCHE BEITRÄGE U 311
inseln zurückzuziehen, die Irlands küste in gröfserer oder ge-
ringerer entfernung namentlich im Südwesten, westen und nord-
westen umgeben, je mehr diese bevölkert wurden, um so mehr
wurden einzelne verlockt weiter zu ziehen •: so gelangte man im
6. 7. 8jh. nach den Hebriden, Orkneys, Schetllandsinseln , Fser-
oern und gar nach Island (vgl, Zs. 32, 230 ff und die dort ange-
gebene lilteratur; oben s. 216 ff und die zahlreichen Zeugnisse
der litanei LL 373^% 13 ff), viele werden in den gebrechlichen
cnrachs von den wogen des oceans verschlungen worden sein,
und keine künde von ihnen gelangte mehr in die heimat. diese
liefs die heidnisch -christliche anschauung jener zeit auf den
inseln der wonnen im fernen ocean angekommen sein, die man
zu einem irdischen paradies umgestaltet hatte (siehe abschnitt C
s. 257 — 288, besonders s. 280 — 288). hier erwarteten sie in
glückhchem dasein den tag des gerichts. diese pilgerfahrten in
den ocean auf nimmerwiderseheu betrachtete mau als reisen nach
dem 'lande der verheifsuug' (tlr tairngiri), wie in christlicher
umdeutung (siehe oben s. 285 ff) das 'gefilde der lebenden' (ttr
namheö) genannt wurde, so weifs denn die oft angezogene litanei
von den 24 Munsterleuten , die mit Ailbe auf den ocean (fairge)
giengen, 'um ins land der verheifsung zu gelangen' (doathas-
cnam tlre tairngeri), dass sie dort (and dh. im lande der ver-
heifsung) sind am leben (imbethaid) bis zum jüngsten gericht
(cohräth) LL 373'', 2 ff . — wurde nun Brendan am ende des
9 oder zu beginn des 10 jhs. zu einem oceanfahrer, so lag eine
doppelte möglichkeit der entwickelung vor: entweder man liefs
Brendan wie Ailbe und andere heiligen eine reise nach dem
lande der verheifsung auf nimmerwiderseheu unternehmen, oder
man schloss sich näher an die ältere Überlieferung an, indem
man an stelle der bufsfahrt eine oceanreise nach dem lande der
verheifsung treten liefs, von der Brendan heimkehrte, für beide
anschauungen liegen in der litanei und sonst Zeugnisse vor. in
directem anschluss an die anrufung Ailbes und seiner 24 ge-
nossen folgt in der litanei die bitte an den anachoreten , 'welcher
dem Brendan entgegen kam im lande der verheifsung' (LL 373^
8. 9). in der geschichte von dem einsiedler auf der insel der
^ vom heiligen Cormac, einem Zeitgenossen Golumbas des älteren, weifs
Adamnan zu melden qui tinbus non minus vieibus eremum in oceano la-
boriose quaesivit nee tavien invetiit (i 6).
312 KELTISCHE BEITRÄGE II
kalze (LL 2S3% 14— 283\ 13), die dem verf. der litanei ebenfalls
bekannt ist (LL 373% 6 v. u.), wird ausdrücklich angegeben, dass
Brendan die geschichte selbst erzählt habe (conidhe Brenaind
adfet mscelsm) ; er muss also zurückgekehrt sein, der verf. der
Navigatio schloss sich der letzteren anschauung an, und hierbei
mag mit bestimmend gewürkt haben, dass auch der held der
erzählung, die er in so ausgibiger weise benutzt, nämlich Mael-
duin, vvolbehalten heimkehrt: beide haben nur die drei nach-
träglich hinzugekommenen genossen eingebüfst.
Ohne nachgewiesenes vorbild ist in der Navigatio SBren-
dani blofs die einleitende Barrindusepisode, die den grund zu
Brendans meerfahrt angibt. Barrindus oder Barindus, wie die
hss. A und B bei Moran haben, ist ein irisches Bairrind, Bar-
rind (Bairritm, Barrinn), welches eine mehr phonetische Schreibung
repräsentiert für historisch-etymologisches Barrfind. es bedeutet
'caesarie (barr) pulcher (find), an haupthaar herlich' und ist der
bedeutung nach identisch mitFmrfftarr 'herliches haupthaar habend':
indische terminologie würde Barrind tatpurushacompositum und
Findharr ein bahuvrihi nennen.
Diese identität der namen Barrind und Findbarr spricht sich
auch darin aus, dass die träger derselben bald mit dem einen
bald mit dem anderen genannt werden, und träger dieses namens
gibt es unter den irischen heiligen viele, hierzu kommt noch
ein weiteres: für den vollnamen Barrind oder Findbarr treten
vielfach koseformen ein , die sowol von dem ersten als dem
zweiten gliede des compositums gebildet werden, so heifst Bar-
rind, der patron von Cork, dessen tag das Martyrologium von
Tallaght auf den 25 sept. ansetzt (Barrind Corcaige LL 363% 44),
in dem gedieht des Cumin von Connor mit kosenamen Barre
(O'Kelly, Calendar of saints s. 165); ebenso in der lat. Vita des
hl. David (oben s. 306) , so fern an letzterer stelle nicht an Bar-
rind von Drumcullen in Kings county zu denken ist. anderer-
seits wird in Adamnans Leben Columbas des älteren der lehrer
des letzteren bald Finnio bald Findbarrns genannt, sodass auch
unter den zahlreichen Finnio, Findän, Finden usw. ein Findbarr
oder Barrind stecken kann.
Folgende Barrind, Barrfind, Findbarr werden nun in dem
ältesten officiellen document der irischen kirche, dem Martyro-
logium von Tallaght (vgl. s. 209) aufgeführt, in der Brüsseler
KELTISCHE BEITRAGE II 313
hs.i ündei sich zum 30 Januar Barrinn Inse Domhle 'Barrinn
von Little Island' (bei Waterford) und zum 4 juli Finnbarr Ab.
/nnse Domfe 'Finnbarr , abt von Little Island.' zum 22 September
ist in der Brüsseler hs. und den SIsidoreblätteru (LL 363% 3)
ein Barrind notiert, am 25 sept. Barrind Corcaige 'Barrind
von Cork' (LL 363% 44) und am 26 sept. steht am schluss vel
hie Barrind Corcaige (LL d&Z\ bl) ; zum 21 mai hat die Brüsseler
hs. Finnbairi Corcaigi 'Finnbarr von Cork', am 3 mai ist ver-
zeichnet Barr find Dromma Cul. (LL 360% 21) und die Brüsseler
hs. nennt zum 21 mai Barrfinn Dromma Cul. 'Barrfind von Druim
Cuilinn' (DrumcuUen in der barony Fircal in Kings county, siehe
O'Donovan, Annalen s. a. 721. 740). am 1 juli hat die Brüsseler
hs. einen Barrinn, das Martyrologium von Donegal (siehe O'Kelly,
Calendar s. 31) hat noch einen Bairrfionn am 13 nov. und Bairr-
fionn mac Aedha o Achadh Cailten in Uibh Drona fri Berba aniar
in Uibh Reithe , fri Leithglinn andeas. heilige mit nämen Findbarr
finden sich noch am 25 juli (Finnbairr sacard), 9 sept. (Findharr
Cilli Cunge LL 362% 33), 10 sept. (Findbarr Maigi l. mac Buidi'^
LL 362*^, 58). der Feiire kennt blofs den Bairre oChorcaig (Barre
von Cork) zum 25 sept., der auch in Cumin von Connors ge-
dieht Strophe 18 (O'Kelly, Calendar s. 165) vorkommt, von Find-
barrs kommen im F'elire vor zum 4 juli Findbarr von Inis Doimle
(oder Teimle) und zum 10 sept. Findbar von Movilla.
Es kann hier nicht meine aufgäbe sein, alle die unbe-
stimmten , confusen und vielfach widersprechenden nachrichten
über die Barrind, Barrfind, Barre, Findbarr zu sammeln (vgl.
Acta SS sept. vii 130 ff, mai i 360 und noten zum Feiire), zu
untersuchen, was wahr sein kann und was nicht, wie weit sich
die chronologischen Widersprüche in der Vita des Barre von Cork
durch annähme zweier Barrind heben lassen: uns kommt es
darauf an, zu wissen, was glaubte und erzählte man im
mittelalter von den trägem dieser namen , und lassen sich in dem,
' die in LL aufgenommenen SIsidoreblätter enthalten verschiedene
lücken.
2 in der vorläge stand wol Findbarr m. buidi und der Schreiber von
LL wüste nicht, ob dies in F. mac Buidi (F. söhn des B.) oAex Findbarr
maigi Buidi (F. aus Mag Buidi) aufzulösen sei. O'Kelly gibt nach der
Brüsseler hs. Finnbar mac Bindi , wo also ui zu in verlesen ist. da der
Felire an demselben tag (10 sept.) einen Findbarr Maigi Bili (Findbarr
von Movilla) kennt, so wird sowol in Buidi als in Bindi ein fehler stecken.
314 KELTISCHE BEITRÄGE II
was man erzählte, anknOpfimgspuncte für die Barrindusepisode
in der Navigatio SBrendaoi autfinden. 1. von einem Barrind
weifs die Vita des heiligen David, der über die irische see
ritt und Brendan begegnete (oben s. 306). 2. von einem
Barrind erzählte man, dass er früher Lochan geheifsen und
später ob pulchram caesariem Barrind genannt sei (AA SS sept.
VII 132; Usher, Antiquitates im index chronolog. zu 590); Lo-
chan hiefs aber auch der älteste der 3 O'Corras, der
ebenso wie sein bruder Ende von der oceanfahrt nach dem alten
Imram UaCorra muste zurückgekehrt sein. 3. ein Barrind soll
abt von Drumcullen gewesen sein, quod est in confinio Mumo-
niensium et Laginensium et nepotum Neill, sed tarnen est
in terra nepotum Neill (Usher, Antiquitates, London 1687,
s. 498).
Hält man dazu die Barrindusepisode in der Navigalio SBren-
dani und beachtet, dass Barrindus nepos NeilU (also Barrind
O'Neill) genannt wird und dass ein Barrind abt eines kloslers im
gebiet nepotum Neill (im gebiet der O'Neill) in Kings counly war,
also vermutlich seiner abstammung nach ein nepos Neill (O'Neill),
— so ist mir so viel wahrscheinlich, dass der verf. der Na-
vigalio Sßrendani die Barrindusepisode nicht erfand, sondern
nur vorhandene erzählungen für seine zwecke zurechtschnitt, wie
er dies nachweislich mit allen anderen benutzten quellen tat.
f. alter, quellen und composition des Imram
Brenaind. von vorn herein will ich, um irrtümlichen an-
schauungen vorzubeugen, constatieren , dass die beiden je in
mehreren hss. vorliegenden irischen sachcataloge der epischen Stoffe
des älteren irischen mittelalters (siehe s. 144. 146) einen Imram
Brenaind nicht kennen, weder der catalog LL 189^, 44 ff noch
der abweichende, nach hss. des 15 jhs. von D'Arbois, Essai d'un
catalogue s. 260 ff gedruckte; der letztere stammt nach dem Zu-
sammenhang der erzählung (siehe O'Curry, Manners and cu-
stoms II 130 — 136) aus dem ende des 10 jhs., mag aber zusälze
erfahren haben, auch sonst ist in der irischen litteratur des
mittelalters, so weit ich weifs, eine erzählu n g Imram Brenaind
nirgends bekannt oder genannt, mit Imram Brenaind
' die von Schröder benutzte hs. hat die schlechte lesart nepos illius
statt nepos Neill, wie Jubinals und mehrere der von Moran benutzten hss.
lesen.
KELTISCHE BEITRÄGE H 315
habe ich nur der kürze wegen (vgl. s. 140 anm. 1) in dieser
Untersuchung die zweite hallte des irischen Betha Bienainn
mic Finnlocha in Book of Lismore s. 74% 2 ff und jüngeren hss.
bezeichnet, die eigentlich zwei oceanfahrten Brendans erzählt.
ihr inhalt ist oben s. 135 — 140 gegeben, um ihr alter handelt
es sich zunächst.
Allgemeine erwägungen sind bei erörterung einer solchen
frage für sich allein selten ausschlag gebend; nützlich und lehr-
reich sind sie jedoch immer, wenn sich dadurch zeigen lässt,
dass die ergebnisse der specialbetrachtungen sich in den all-
gemeinen rahmen einfügen, von dem gesichtspunct aus möchte
ich auf zwei momeute hinweisen: 1) es ist von höchstem gewicht,
dass die sachcataloge von einem text Imram Brenaind nichts
wissen, wie eben augegeben, man wird vielleicht einwenden,
dass die sachcataloge nur die prolanlilteratur umfassen , der Imram
Brenaind aber ein kirchlicher stoff ist. dem gegenüber ist darauf
hinzuweisen, dass dies nur hinsichtlich der äufserlichkeiten richtig
ist und dass hierin das mittelalter eine scharfe Unterscheidung
nicht machte, wie schon die aufnähme der Navigatio SBrendani
in die englische, französische, deutsche volkslitteratur zeigt;
dann ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher einwand ganz irrig ist,
denn in beiden catalogen in allen (5) hss. finden wir zb. den
titel fts Fnrsa 'vision des Furseus'. die cataloge enthalten offenbar
eine aufzählung aller um die wende des 10 und 11 jhs. in
irischer spräche bekannten erzählungen. wenn man bedenkt,
dass der sachcatalog in der ältesten hs. LL 189\ 29 ff unter der
rubrik Imrama sieben titel verzeichnet, dass darunter solche
sind, bei denen wir uns aus der erhalteneu litteralur weder einen
begriff von den personen noch von den erzählten dingen machen
können: ist es da denkbar, dass am ende des 10 oder im anfang
des 11 jhs. eine irische erzählung von Brendans meerfahrt
nach llr tairngiri existiert haben könnte und dass die cataloge
von ihr nichts wüsten? dies ist der eine gesichtspunct.
Von gewicht ist 2) die zeit der Überlieferung: die älteste
hs. ist das aus dem 15 jh. stammende Book of Lismore, auf
welches die hs. des 17 jhs. zurückgeht, für sich allein ist dies
factum wenig beweisend, gewinnt aber schon an bedeutung im
Zusammenhalt mit der zuerst constatierten tatsache. noch nähere
erläuterung erfährt es durch folgende beobachtung. Irlands lit-
316 KELTISCHE BEITRÄGE II
terarische tätigkeit vom 6 bis zum 16 jh. zerlälll in zwei perioden:
die zeit vom 6 jh. bis zum beginn des 11, und die zeit von
der mitte des 11 jhs. bis auf das elend der religionskämpfe. in
den 500 jähren der ersten periode bildet die zeit bis ende des
8 jhs. die blütezeit irischer litteratur und gelehrsamkeit; die
vikingerzeit brachte unsägliches elend über die klöster und die
träger der litteratur (vgl. oben s. 209) und mancher der irischen
gelehrten, die im 9 und 10 jh. auf dem continent tätig waren,
verhefs seine heimat, um dem dortigen elend zu entgehen (vgl.
Mones bemerkungen zur Vita Findani in der Quellensammlung zur
badischen landesgeschichte i 55). jedoch war diese zeit weniger
drückend für die berufsmäfsigen träger der sagenlitteratur , die
barden, als für die pfleger der Wissenschaft, die mönche in
ihren klöstern. das elend der vikingerzeit fand mit der nieder-
lage bei Clontarf (1014) ein ende und nun beginnt um die mitte
des 1 1 jhs. in den klöstern wider eine energischere pflege der
litteratur: sowol Sammlung der werke aus der älteren periode
als selbständige lilterarische production. vergleichen wir nun
mit diesem gang der litteratur (siehe Kelt. Studien i 24 — 30) deren
handschriftliche Überlieferung, aus der ersten periode,
der zeit vom 6 jh. bis zur mitte des 11, ist uns in Irland keine
einzige hs. mit einem denkmal in irischer spräche erhalten. i
mit ende des 11 jhs. beginnt eine serie von umfangreichen
sammelhss., jede eine bibliothek für sich, die bis ans ende des
14 jhs. hinabgehen, characteristisch ist diesen bibliotheken, dass,
je älter sie sind, um so geringer der räum ist, welchen die
zeitgenössische litteratur — wenn ich so sagen darf — in ihnen
einnimmt: in der ältesten Sammlung (Lebor na huidre, ende des
11 jhs.) ist sie kaum durch 20/o vertreten, in diesen bibliotheken
ist uns aufbewahrt, was die pfleger der litteratur in den klöstern
und die Schützer derselben, die bischöfe und häuptlinge, im 1 1 und
12 jh. noch von den schätzen der blütezeit irischer litteratur auf-
treiben und zusammentragen konnten, die alte spräche ist wesent-
lich unverändert und leicht von der darüber liegenden ortho-
graphischen tünche, die fast nur den vocalismus betrifft, zu
reinigen, in den grolsen sammelhss. des 14 jhs. nimmt die mit
beginn des widererwachens litterarischer tätigkeit, also um die
* (las Book of Armagh ist eine lat. hs. mit einigen irischen notizen
über Patricii.
KELTISCHE BEITRÄGE II 317
mitte des 11 jhs., entstehende neue litteralur schon den gröfseren
räum ein, um in den hss. des 15 jhs. entschieden den löwen-
anteil zu beanspruchen: der ülstersagenkreis (Cuchulinn) ist zb.
durch den Ossiansagenkreis verdrängt, mit dem 16 jh. beginnt
wider eine gewaltsame Unterbrechung in der Utterarischen tätigkeit
Irlands; und als man seit dem ausgehenden 17 jh. sich in Irland
von dem elend der durch die reformation heraufbeschworenen
kämpfe erholt hatte, da schrieb man gieichmäfsig ältere und
jüngere hss. ab.
So kommt es, dass wir texte, die wir auf sichere Zeug-
nisse hin der älteren periode vom 7— lOjh. zuweisen müssen,
gewöhnlich in einer oder mehreren der grofsen sammelhss.
vom 11 jh. an vorfinden und dann wider in abschriften des 17
und 18 jhs.; texte, die seit dem ende des 11 jhs. entstanden sein
können, finden sich gewöhnlich zuerst in den sammelhss.
des 14 und 15 jhs. und dann wider in abschriften des 17 und
18 jhs. eine feste regel ist dies selbstverständlich nicht: eines-
teils kommen, wie schon bemerkt, zeitgenössische litteraturer-
zeugnisse vereinzelt auch in den sammelhss. des 11 und 12 jhs.
vor; andererseits begegnen für die altirische litteratur bezeugte
denkmäler vereinzelt zuerst in jungen hss. des 17 jhs., was
begreiflich ist, da grofse sammelhss. des 11 und 12 jhs. nur
sehr fragmentarisch auf uns gekommen, andere, sicher vor-
handene, ganz verschwunden sind, die das 16 und 17 jh. noch
kannte, eins ist jedoch in letzterem fall nicht aufser acht zu
lassen: handelt es sich um einen angeblichen sagentext aus der
zeit vom 7 — 10 jh,, ist keine spur seines Vorhandenseins in den
sammelhss. vom ende des 11 jhs. an aufzutreiben, bietet die
jüngere hs. — sei es des 15, sei es des 17 jhs. — auch keine
sichere angäbe über ihre nächste quelle — dann haben wir allen
grund, vorsichtig zu sein, damit wir nicht betrogen werden durch
ein dem titel untergeschobenes machwerk. der oben s. 182 bis
211 betrachtete Iniram curaig UaCorra ist sehr lehrreich in dieser
hinsieht, äufsere gründe (spräche) und innere werden philo-
logisch gebildete forscher sicher vor teuschung bewahren.
Haben wir also aus den erörterungen von s. 315 an auch
keine regel gewonnen , so doch eine art directive. da , wie wir
zuerst sahen, kein zeugnis vorliegt, dass in der allirischen
periode ein irischer Imram Brenaind vorhanden war, ja kein
318 KELTISCHE BEITRÄGE II
Zeugnis dafür existiert, dass vor mitte des 11 jhs. eine zusammen-
hängende erzählung von einer oceanfahrt Brendans nach der
terra repromissionis überhaupt — sei es auch nur in lat. spräche
— bekannt war (siehe s. 306) , und da der in frage kommende
irische text zuerst in einer hs. des 15 jhs. vorliegt — so werden
wir hieraus den schluss ziehen, dass er in der zweiten
hauptperiode der irischen litteraturentwickelung
entstanden ist, also jünger ist als die erste hälfte des 11 jhs.
Wie stellt sich hierzu die spräche des textes? wenn in einer
hs. des 15 oder 17 jhs. zwei texte vorliegen, von denen der eine
in der altirischen periode entstand und der andere im 12 oder
13 jh., so ist es im allgemeinen nicht schwer, nach lectüre einer
Seite den unterschied herauszumerken. beide sprachperioden —
irisch des 7 — 9 jhs. und irisch des 12 und 13 jhs. — steheü
sich nämlich viel ferner als hochdeutsch des 8 und des
14 jhs., z. t. weil in der ersten periode alte lempora in voller
geltung sind, die die zweite als solche gar nicht mehr kennt,
zwar haben Schreiber — im 12 jh. noch seltener, häufiger im 15
— neben der änderung des colorits durch einführung der Ortho-
graphie der jüngeren sprachperiode alte formen ausgemerzt, in-
dem sie zb. für bl 'er tötete' benais, für das redupl. prät. lü
das s-präteritum lenais einsetzten, aber dies geschieht nachweis-
lich nirgends consequent und selbst in abschriften des 18 jhs.
stehen viele alte formen als Wegweiser, sehen wir uns nun die
spräche des Imram Brenaind in der ältesten hs., dem Book of
Lismore näher an, so ist klar: sie enthält alle die eigen-
lümlichkeiten, die in LL, einer hs. aus der mitte des 12 jhs.,
der Schreiber gelegentlich in die spräche der
alten texte hineinträgt, als regulären Sprach-
gebrauch, ohne die hervorstechenden characteri-
stica aus dem altirischen, wie sie andere hss. aus gleicher
zeit mit nachweislich alten texten zahlreich bieten, also zb.:
das s- Präteritum ist die reguläre präleritalbildung, wie eirgis
(3 sing.) öfters zu imp. erig, tocbais (für tocaib), beris (zu berim),
codlais; die erhaltenen perfeclformeu sind die so genannten ano-
malen präteritalbildungen des mittelirischen, von denen die meisten
in der heutigen spräche noch vorhanden sind (mala, atconnuic
für adcondairc, atconncatar, atcualatar, fuaratar, tainic, tancatar,
faccatar usw.), zum teil mit bekannten mittelirischen Umbildungen
KELTISCHE BEITRAGE II 319
wie cid diandechadais , atconncais (2 siog.)» adubramar; in der
ersten sing, conjunctivi ist mediale Qexiou auf r wie cufacar,
condigser; in der ersten futuri t wie biatsa, muinfet; in der
3 plur. perf. passivi die neubilduug auf -it wie narleicüsium ;
das herschende ö-futur hat formen wie gnifes. lehrreich ist das
verhalten des textes zum gebrauch der infigierten pronomina
beim verbum finitum : die durchgängige spräche des textes kennt
diesen gebrauch nicht; es finden sich aber infigierte pronomina
in 4 episoden: nosibeth in 7, domberiir in 10 (tod des crosan),
rotasgab, naronethad, curosbad in 13 (abenteuer bei der iusel der
kalze), fordosiadhta 14. in diesen episoden tindeu sich auch
sonst alte formen wie impoidü 'sie wenden um' 14 gegenüber
impait an anderen stellen, dogniat mehrfach, von diesen
episoden ist nun 14 gröstenteils plagiat eines alten
textes (Fis Adamuäin), wie oben s. 140 gezeigt; episode 13
enthält die durch LL 283% 14 ff und die litanei (LL 373^ 6
V. u.) als selbständige ältere erzählung bezeugte
geschichte; episode 10 benutzt die einleitung des
alten Imram UaCorra, da der crosan im Imram ßrenaind
nur aus der ausführlichen erzählung im alten Imram UaCorra
(siehe s. 187) verständlich wird.
Wir kommen also zu dem resultat: in dem Imram Bre-
naind liegt uns ein text frühestens aus dem ende
des 11 oder dem 12jh. vor, in welchen hier und dort
episoden verarbeitet wurden, die in irischer spräche
aus älterer zeit vorlagen und unsz. t. noch erhalten
sind.
Suchen wir nun aus den für jene zeit vorhandenen quellen
inhalt und composition des imram Brenaind zu verstehen, es
lagen vor:
1. die nachrichten in der Vita Brendani von einer bufs-
reise (peregrinatio) , die Brendan auf anraten der Yta zeitweilig
machte und von der er nach längerem aufenthalt an der küste
Britanniens und nach einem glücklich überstandenen abenteuer
zurückkehrte, in der vikingerzeit war aus dieser seefahrt eine
wunderbare bufsfahrt (7 jährige) auf dem rücken eines walösches
geworden (siehe s. 307 ff).
2. ende des 9 oder anfang des 10 jhs. war dem Brendan
eine oceanfahrt auf der suche nach der terra repromissionis zu-
320 KELTISCHE BEITRAGE II
geschrieben worden und einzelne erlebnisse auf derselben liefen
um (LL 283% 14 ff, 373^ 6 v. u. ff), doppelter ausgang möglich
und angenommen (siehe s. 310 ff).
3. in der mitte des 11 jhs. entstand auf grund dieses
materials die lat. erzählung Navigatio SBrendani, in der zur aus-
füllung der 7 jähre der alte Imram Maelduin geplündert wurde,
die sage von Brendans aufenthalt auf dem rücken des walfisches,
ebenso das abenteuer mit den meerbestien wurden geschickt um-
gestaltet und ein besuch bei Ende vor endgiltiger Inangriff-
nahme des Schiffbaues in nachahmung eines zuges der haupt-
quelle (Imram Maelduin) angenommen.
4. alte schiffersagenerzählungen lagen in irischer spräche
vor: Imram Maelduin, Echtra Brain und Imram UaCorra, letzterer
nur in fragmenten. die beiden der abenteuer kehrten nach
Irland zurück.
5. Schilderungen der irdischen höUe und des irdischen
himmels nebst den zuständen darin lagen in alten texten wie
Fis Adamnäin, Scela lathi brätha (LU 27' — 34) in irischer
spräche vor.
Aus diesen elementen, soweit sie ihm bekannt waren, hat
der verf. des Betha Brenaind die meerfahrt des Brendan zu-
sammengestellt, die im Book of Lismore vorliegt, er characteri-
siert sich dem verf. der lat. Navigatio SBrendani gegenüber da-
durch, dass er allen bis zu einem gewissen grade ge-
recht werden will; daher sein eigentümliches machwerk. er
lässt, um den verschiedenen traditionen gerecht zu werden, den
Brendan zweii meerfahrteu machen: eine erste 7jährige, von der
er zurückkehrt, und eine zweite, die seinen beiden ins irdische
paradies führt, mit der ersten meerfahrt wird er den älteren
nachrichten der Vita und den anschauungen, dass Brendan auch
von seiner oceanfahrt nach der terra repromissionis zurückgekehrt
sei (siehe s. 310), bis zu einem gewissen grade gerecht, darin
weicht er jedoch von der Vita ab, dass er auch die erste fahrt
zu einer oceanreise macht, unternommen aus Sehnsucht nach
gott und den himmlischen gefilden. die notiz der Vita (Moran
s. 13), dass Brendan seine bufsfahrt auf befehl der heiligen
Yta unternommen, wird dahin verwertet, dass die pflegemulter
* von dem hl. Cormac weifs Adamnan, dass er drei versuche
machte, im ocean eine einsiedlei zu finden (siehe oben s. 311 anm.).
KELTISCHE BEITRÄGE II 321
Yta (episode 8) zur zweiten endgillig io die lerra repromis-
sionis führenden fahrt die geeigneten ratschlage gibt! doch da-
mit nicht genug: auch der besuch bei Ende, den die Navigatio
hat, wird angebracht, dies ist sehr lehrreich, im Imram Mael-
duin geht Maelduin, als er zur nieerfahrt entschlossen ist, aber
ehe er seinen curach baut und die ausrüstung ins werk setzt,
zum druiden Nuca nach Corcomruadh , um die omina zu er-
fahren, in nachahmung dessen lässt der verf. der Navigatio den
ßrendan, als er zur oceanfahrt entschlossen ist, aber ehe er
seinen kahn baut und die ausrüstung ins werk setzt, zu Ende
von Aran gehen, um näheres über die fahrt zu lernen (siehe
oben s. 211). was soll aber der besuch Brendans bei Ende,
nachdem ihm Yta so ausführliche auskunft gegeben?
Ein anderes beispiel der zusammenarbeitung liegt in epi-
sode 13 vor. sie enthält das in der Vita auf die rückreise von
Britannien verlegte abenteuer mit den beiden meerbestien — das
in derselben fassung in beiden hss. des Liber hymnorum,
lateinisch in der vorrede zu Ultans hymnus und irisch im Liber
hymn. FCD in den noten zu Broccans hymnus erhalten ist, siehe
s. 299 fl" — in der Umgestaltung, welche es in der Navigatio
(episode 14) erfahren hat, verbunden mit der durch LL 283%
14 ff und LL 373', 6 v. u. ff als selbständige episode bezeugten
erzählung von dem einsiedler auf der insel der kalze! darin weicht
Imram Brenaind von der erzählung LL 283% 14 ff ab, dass die
zahl der ausziehenden genossen zu der angäbe in der litanei
stimmt und dass das abenteuer Brendan gerade auf der reise be-
gegnet, von der er nicht mehr zurückkehrt.
Ein exemplar der Navigatio SBrendani besafs der verf. des
Imram Brenaind nicht, sondern hatte nur künde von ihr. i da-
gegen war ihm so ziemlich alles bekannt, was man an einzel-
heiten über Brendans reise berichtete, also auch die episoden,
welche in der litanei erwähnt werden; endlich kannte er frag-
mente des Imram UaCorra, wahrscheinlich das, was vom alten
text erhalten war. das gab alles in allem genommen nur dürf-
' eine berufung auf schriftliche quellen findet sich nur einmal am ende
von episode 8 : lx fer imorro baseadh allin 7 batur uili icmol(ud)in-
choimdeth 7 amenmain cudia amal atberat nascribhinn '60 mann aber war
ihre zahl, und sie priesen alle gott und ihre sinne waren ihm zugewandt,
wie die Schriften melden' Book of Lismore 75'', 2.
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 21
322 KELTISCHE BEITRÄGE II
tiges material ab, um eine 7jährige seereise auszufüllen, ge-
schweige denn zwei oceanfahrten. er hat daher über lünl jähre
der ersten fahrt nichts zu sagen : Seolais tra Brenaind mac Finn-
loga annsin fortongor inmara mongrnaül 7 f'ortreathan tiatonn
toebnaine 7 forbelaib indaicemi ingantaig aduathmair agairb, airm
abfacatar Um' nambimt mbeilderg muiridi 7 fogeibdis ailena aille
inganta 7 nitairistis intib beos. Batur tra amlaid sin friare .v.
mbliag. foranaicen ningantach 'es segelte nun Brendan dort auf
dem wogengebraus des rotmähnigen meeres und auf der flut der
grünseitigen wellen und auf der Oberfläche des riesigen, schreck-
lichen, rauhen oceans, wo sie viele rotmäulige meerbestien sahen
und schöne, unbekannte inseln erreichten, und sie blieben nicht
darauf, so waren sie einen Zeitraum von 5 jähren auf dem
riesigen ocean' (Book of Lismore fol. 74% 2 ende), über die
dürftigkeit seiner erzählung weifs der verf. hinweg zu helfen
dadurch, dass er uns auf der ersten meerfahrt einen blick in die
schrecken des fegfeuers und auf der zweiten einen solchen in
die freuden des irdischen paradieses tun lässt. hier hat er red-
lich vorhandene quellen excerpiert und abgeschrieben, wie letzteres
für die Schilderung des irdischen paradieses oben s. 140 direct
nachgewiesen ist. diese beiden Schilderungen nehmen einen ganz
unverhältnismäfsigen räum in dem text ein : meine abschrift des-
selben umfasst 479 Zeilen , davon fallen auf die beiden episoden 4
und 14 nicht weniger als 194 Zeilen, also mehr als ein drittel!
mau bekommt den eindruck, dass es dem verf. des Imram Bre-
naind weniger darauf ankam, die wunder des oceans zu schildern,
welche Brendan sah, als in einem anderen rahmen die quälen
der hölle und des fegfeuers sowie die freuden des irdischen und
himmlischen paradieses seinen lesern vorzuführen.
Dürfen wir dem verf. unseres textes einige kenntnis der
volkstümlichen sagenstoffe zutrauen, dann können wir ihm ein
Vorbild für die einführung des teufeis in der ersten reise Bren-
dans nachweisen, als Bran mac Febail auf dem ocean unter-
wegs ist, da erscheint ihm Manandan mac Lir, der beherscher
der gefilde der seligen, und zeigt ihm gleichsam den eingang
zu den verschiedenen gefilden der wonne (oben s. 259 ff);
ebenso erscheint Manaudan mac Lir auf dunkelgrünem ross im
Sturmgebraus des meeres dem Ciaban und seinen gefährten und
bringt sie in sein reich (ür tairngeri, oben s. 272 ff), ist dieser
KELTISCHE BEITRÄGE 11 325
Manandan mac Lir zum teul'el geworden, der Breodan auf seiner
meerfahrt den eingang zur höUe zeigt?
Lehrreich für die beantwortung der frage nach alter, quellen
und composition des Imram Brenaind ist schliefslich auch eine
kurze betrachtung des ganzen machvverks, von dem, wie s. 134
und 315 hervorgehoben wurde, Imram Brenaind nur den schluss-
teil bildet, der text Betha Brenainn niic Finnlocha erstreckt sich
von fol. 72^ 1 — schluss 77% 1 im Book of Lismore. es ist
von anfang (72^ 1) bis 74% 1 (also 7 spalten lang) eine irische
Vita des heiligen Brendan, die sich im wesentlichen der erhaltenen
lateinischen Vita bis capitel xi bei Moran anschliefst, also bis
zu der Ordination durch bischof Erc und der annähme des mönchs-
gewandes. hier gehen nun die lat. Vita und Betha Brenainn aus
einander, indem letzterer text an stelle der capp. xiibis
XXXIX der Vita einfach den Imram Brenaind setzt, die
veranlassung zu der Sehnsucht, die Brendan ergriff (siehe oben
s. 135), war das bei der Ordination gesprochene bibelwort (Matth.
19, 29) et omnis qui reliqiierit domum vel fratres vel sorores aut
patrem mit matrem usw. dieser text weifs also nichts von Brendans
reise nach Britannien und nichts davon, dass Brendan der gründer
von Clonfert ist!
Ich denke, die composition des ganzen ist klar: eine conciliante
natur frühestens aus dem ende des 11 oder dem 12 jh. wollte
die anschauungen der älteren zeit — die von einer
bufsreise Brendans nach Britannien wüste, aber ohne dass selbige
einen besonders hervorragenden teil seines lebens bildete , die
jedoch von einer oceanreise Brendans keine ahnung hatte — mit
denen ihrer zeit vereinigen — die von Brendan von
Clonfert eigentlich fast weiter nichts als seine oceanreise nach
der terra repromissionis kannte — : sie folgte daher der
alten lat. Vita bis zum schluss von capitel 11 (bei
Moran) und vereinigte dann die Widersprüche in der
doppelten oceanfahrt.
Der gedanke, dass dieses auch sprachlich junge machwerk
die grundlage sein sollte, aus der sowol die lat. Vita und die
Navigatio SBrendaui als alles, was wir von Brendans fahrt nach
der terra repromissionis wissen, gefolgert und entstanden wäre,
ist so albern, dass auf ihn wol kein geschulter köpf des 19 jhs.
verfallen wird; um so weniger als ich hoffe, durch die erörterungen
21*
324 KELTISCHE BEITRÄGE II
von s. 314 bis hierher meinen lesern die Überzeugung bei-
gebracht zu haben, dass wir in diesem Imrani Brenaind ein pro-
duct der eigentlich mittelirischen litteratur vor uns haben und
dass ich den text mit recht in abschnitt A an die vorletzte stelle
unter den Zeugnissen für die Brendansage ;ius der irischen
litteratur verwies.
II. fassen wir nun schliefslich hnram Maelduin als den
einzigen alten repräsenlanten irischer schiffersagen noch ein-
mal näher ins äuge sowol hinsichtlich seines Inhalts als hin-
sichtlich seiner composition. inhaltlich lassen sich verschiedene
quellen erkennen:
a. tatsächliche erlebnisse irischer fischer und
anachoreten sind ins ungeheuerliche und phan-
tastische übertrieben. lehrreich ist hier der jüngere,
aber von Imram Maelduin inhaltlich unabhängige Imram Sned-
gusa (oben s. 211 — 219). er enthält, wie wir sahen (s. 216ff),
eine poetische Schilderung einer reise irischer kleriker, die durch
einen starken nordwestwind vom curse abgetrieben in den golf-
strom gerieten und zu den Faeroern kamen, wo sie heidnische
Nordmänner trafen, wie sie Dicuil im aofang des 8 jhs. dort
hausen lässt. bei vergleich mit den Übertreibungen in Imram
wSnedgusa werden wir episode 12 (insel mit den schwarzen und
weifsen schafen), episode 3 (insel mit den bäumen und unzähligen
Vögelscharen) und episode 18 (insel mit den vielen vögeln) in
Imram Maelduin auf künde von den Fgeroern: plenae mmimera-
hilihus ovibus ac diversis generibns multis nimis marinarum avium
(Dicuil ed. Parthey s. 44) beziehen, auf früheste bekanntschaft
mit den Nordmännern, ehe dieselben Irlands boden betraten,
gehen auch episode 5 (insel mit dem pferdereunen der dämonen)
und episode 9 (insel mit den sich zerfleischenden pferden) zurück,
in Irland war nur kämpf auf dem Streitwagen bekannt, reiten
war jedoch im germ. norden eine lieblingsbeschäfiigung schon
der knaben: sie führten häufig reitersclieingefechte auf. be-
liebt war ebenfalls der rosskampf (hestavig), wobei die rosse
mit bissen gegen einander kämpften (Weinhold, Altn. leben
s. 308 ff), vorzüglich ist in episode 5 der eindruck geschildert,
den die ungewohnten Wettrennen der nordischen hünengestalten
auf die furchtsam am strande liegenden Iren machen musten ;
ebenso der hestavig in episode 8. ob diese bekanntschaft der
KELTISCHE BEITRÄGE II 325|
Ihmi mit den Nordleuten auf den Hebriden oder den nördlicher
gelegenen Inselgruppen zuerst gemacht wurde, lässt sich nicht
bestimmen.
b. in der erinnerung der christianisierten Iren
noch haftende heidnische Vorstellungen, vor allem
die von den gefilden der wonne, die ja aus 150 inseln
fern im ocean bestanden, und von den gefilden der
strafe bilden eine zweite quelle. bei vergleich mit
Echtra Brain 5. 6 (oben s. 260 fl) ergeben sich als hierher ge-
hörig episode31 (insel mit den lachenden menschen, inis subai)
und 28 (insel mit der königin und ITtöchtern, inis naningen).
ferner sind aus dieser quelle geflossen episode 32 (insel mit der
feurigen mauer und seligen menschen, mag mell) , episode 29
(insel mit den lieblichen fruchten mit berauschendem saft), epi-
sode 15 (insel mit den heulenden menschen, gegensatz zu 31);
auch episode 26 (silbersäule im ocean) und episode 27 (insel auf
einem fufs) gehören wol hierher, wobei man sich an Echtra
Brain 2 erinnern mag, woselbst ebenfalls die rede ist von einer
insel mit füfsen von findmine. endlich möchte ich noch auf
diese quelle episode 22 (gläsernes meer) und episode 23 (nebel-
ähnliches meer mit land auf dem grund) zurückfuhren, in
jüngeren erzählungen spielt das tlr fathuinn 'das land unter
der woge' eine grofse rolle, wie Joyce, Old celtic romances
s. 408 note 13 nachweist; die Sammlung des dean of Lismore
enthält ebenfalls ein gedieht, in dem 'eine tochter des königs des
landes unter der woge' (Neyn may re hetr fa hwne dh. nighean
mi rlgh thlr fothnitm) sich dem Fiun anbietet und schütz er-
bittet (The book of the dean of Lismore s. 14 ff), aus der älteren
litteralur, dh. den sagentexten, die vordem 12 jh. müssen ent-
standen sein, ist mir aufser in Imram Maelduin keine erwähnung
erinnerlich.
c. classische reminiscenzen vermischen sich
mit den unter a und b genannten quellen. Schröder
(SBrandau s. xii (T) läugnet 'classische reminiscenzen oder an-
schauungen aus der orientalischen wunderweit, wie man sie in
unserer legende oft hat finden wollen' vollkommen, dass er
hierbei immer überzeugend verfährt, kann man nicht gerade be-
haupten, noch weniger lassen sich seine behauptungen aufrecht
erhalten, wenn man anstatt der abgeblassten und entstellten
326 KELTISCHE BEITRÄGE II
erzählungeQ der Navigatio SBrendani die frischen und ausführ-
licheren der quelle, des Imram Maelduin, setzt, auch auf anderer
Seite ist man principiell geneigt, die in den ältesten mittel-
irischen sammelhss. erhaltenen alten sagentexte als rein irisches
sageugut zu betrachten , das unbeeinflusst ist von fremder lit-
teratur und cultur. ich bin im gegenteil der festen Überzeugung,
dass, wie die 200jährige anwesenheit der nordischen vikiuger
auf Irlands boden nicht spurlos an dem geistesleben des irischen
Volkes vorübergegangen ist, sondern in der alten sagenlitteratur
einen niederschlag zurückliefs (siehe Zs. 32, 196 — 334) , ebenso
die den einfallen der Nordleute vorausgehende 200jährige periode
irischer geschichte (von mitte des 6 bis ende des 8 jhs,), in der
die mit dem Christentum gekommene classische bildung auf Irlands
boden eine zweite heimat und pflegeslätte fand, einflösse der
classischen litteratur aufweist, das gegenteil wäre, bei vernünf-
tiger Überlegung und betrachtung der receptiven natur der Iren
sowie ihres strebens, fremdes dem einheimischen zu assimilieren,
geradezu unbegreiflich. Vergils Aeneis und Ovids Meta-
morphosen sind die lieblingswerke der Iren jener zeit: hss.
Vergils , im 8 jh. in Irland geschrieben , haben irische gelehrte
mit nach dem continent gebracht, um junge Germanen und
Romanen in diesen erzeugnisseu des classischen altertums zu
unterrichten, gerade aber an die beiden genannten werke knüpft
das späte altertum seinen reichtum von fabeln in commentaren
und schoben an. lehrreich dafür, dass die Iren sich
dieser bemächtigten und wie sie einheimisches ver-
glichen, sind notizen in der Berner hs. nr 363, die
in Irland im 8 jh, geschrieben ist und ua. des Servius
commentar zu Vergil (fol. 1 — 142) und scholia in Metamorphos.
Ovidii (fol. 187 fl) enthält, fol. 128' heifst es im commentar zu
Aen. VI 121 — 126: si fratrem Polbix alterna. Helena 7 Pollux
de Jove nati immortales fuerunt. nam Castor Tyndareos filius
fuü. cujus mortem suo interüu fraterna pietas redemit quod ideo
fingitur quia horum stelle . . . ut occidente una oriatur altera,
arasque tenebant. rogabant enim deos ararum ansas tenentes. lege
hie librum fabularum Robartaich. discensus averni. lamm
pro inferis posuit usw. der index zu den Annalen der 4 meist er
führt nicht weniger als 20 Robartach auf von Robartach, söhn
des Cuana, abt von Athainmor an, der 757 starb, bis auf
KELTISCHE BEITRÄGE II 327
Robartach, sohü des Feardomnach, abt von Jona, der 1057
starb: alle waren äbte, bischöfe, Schreiber dh. gelehrte in jener
zeit, der zusatz lege hie usw. rührt von einem Iren her, der
damit ein uns verlorenes werk eines Iren Robartach aus dem
8jh. citierl. fol. 131'' ist zu den Worten illa Sybilla hausit
harenam in manibus et tarn longam vitam poposcit; cui Apollo
respondit id passe fieri si Eritkriam relinquerei et eam nunquam
videret auf den rand geschrieben sicut Mac Ciadäin, also
auf eine irische fabel angespielt, in welchem ansehen Vergil
in Irland zu jener zeit stand, mag man daraus entnehmen, dass
die Annalen der 4 meister neben Feirgil, abt von Cill mör
Eimire in Ulster, der 760 starb, und Fergil dem geometer, der
um 740 sein kloster Achadbo verlassen hatte und, von Pipin
dem Baiernherzog Odilo empfohlen, von 743 — 784 bischof von
Salzburg war und trotz den denunciationen des Bonifatius es
blieb — noch 6 andere bis auf Fergil, bischof von Finnabair,
der 902 starb, kennen, alle waren bischöfe, äbte, Schreiber dh.
gelehrte.
Was mit diesem ehrenden beinamen ausgedrückt werden
soll, ist an sich klar, doch schadet es nichts, wenn ich es
durch eine notiz aus einer irischen hs. beleuchte, die Ulster-
aunalen melden zum jähre 746 Ruman mac Colmain poeta opti-
mus quievit; dasselbe haben die 4 meister s. a. 742 mit den
Worten Ruman mac Colmäin saoi inecena icroinic 7 ifilidecht dec
'Ruman, söhn des Colmau, ein weiser (hervorragend) in Weisheit,
Chronik und dichtkunst starb.' die annalen des Tigernach haben
dasselbe wie die Ulsterannalen zum jähr 747 (siehe O'Curry,
Manuers and customs n 37). Ruman ist offenbar ein ehrenname
'der Römer', weil er dem berühmten römischen dichter gleich
gesetzt wurde, über ihn lesen wir im Naemseanchas (geschichte
der irischen heiligen), Book of Ballymote 225% 42 ff: Ruman mac
Colmain anfili dlata sil Rumain inAthTruim. Trlfdetha ando-
main ./. Emhar oGregaibh 7 Feirgil oLaidianaibh 7 Ruman oGcede-
laibh 'Ruman mac Colmain der dichter, von welchem die familie
Ruman in Trim. drei dichter (nar' s^oxi]v) gibt es auf der
weit: Homer von den Griechen, Vergil von den Lateinern und
Ruman von den Iren.' von diesem Vergil der Iren aus der ersten
hälfte des 8 jhs. ist uns nur eine Strophe erhalten (siehe O'Curry,
Manners and customs n 36 ff) unil ^^n den dichtem jener zeit,
328 KELTISCHE BEITRÄGE II
die den ehiennameu Fergil irugea, ist nichts auf uns gekommen,
so viel wir wissen.
Für arbeiten solcher irischen Vergile des 8 und
9jhs. halte ich die alten imrama; in ihnen — sowol
im Imram Maelduin als in dem alten Imram UaCorra — liegen
die irischen seitenstücke zur meertahrt des Aeneas
(Aen. m — v) vor, compositionen vornehmlich aus ein-
heimischem Sagenmaterial nach dem vorbilde von
Vergils hochgeschätztem werk verfasst. hierfür schei-
nen mir mehrere in der composition der irischen texte zu tage
tretende momente zu sprechen.
1. am beginn von Aeneas meerfahrt liegt die einholung des
augurium bei Anius, dem sacerdos des Phoebus Apollo (Aen.
ni 79 ff), wie Maelduin vor beginn der reise nach Corcomroo geht,
um den druiden Nuca zu befragen (oben s. 153).
2. einen haupteinschnitt in der meerfahrt des Aeneas bildet
vor beginn des letzten dritteis der aufenthalt bei der zu Aeneas
in leidenschaftlicher liebe entbrennenden Dido, die ihn auf alle
mögliche weise an sich zu fesseln sucht, sodass Juppiter den
Aeneas an das ziel seiner meerfahrt muss erinnern lassen (Aen.iv).
dem correspondiert in Imram Maelduin episode 28 (oben s. 166 ff),
das material zu dieser episode ist irisches sagengut: sie findet
sich in Echtra Brain 6 (oben s. 260), es ist tlr namban. aber
die art, wie das vorhandene material verwertet und umgestaltet
wurde, lässt die nachahmung Vergils erkennen, in tlr namban
leben nur ewig junge, liebebedürftige frauen; unter ihnen be-
findet sich zwar eine erste (taisech innamban), die aber keines-
wegs als mutter der anderen gedacht ist! der sterbliche, der in
dies gefilde kommt, bleibt ebenfalls ewig jung in ihrer liebe
(Echtra Brain und Echtra Condla s. 258 — 264). was macht nun
der verf. von Imram Maelduin daraus? eine königswittwe — Didos
verstorbener gemahl hiefs Sychaeus — mit 17 töchtern; sie herscht
über ein grofses volk und ist täglich von ihren herscherpflichten
in anspruch genommen, dem Maelduin sagt sie: 'bleibt hier,
und nicht soll alter über euch kommen als das alter, in dem
ihr seid, und ewiges leben immerdar wird euch sein.' dies ist
alte anschauung von ür namban. dann erzählt sie, dass ihr
mann, dem sie 17 töchter geboren, gestorben seil natürlich,
nur so konnte eine wittwe wie Dido herauskommen; wäre nicht
KELTISCHE BEITRÄGE 11 329
eine nachahmung beabsichtigt, so wäre der krasse Widerspruch
unerklärlich, nur die nachahmung der mächtigen künigin konnte
dazu Cühren, auf inis namban aufser den frauen noch ein grofses
Volk zu denken, ferner: Maelduin hatte ein jähr lang die königin,
die mutter von 17 erwachsenen lochte ru als bettgenossin,
während seine gefährten sich in die jungen mädchen teilten.
Bran erhält als führer natürlich auch die erste unter den frauen
(taisech namban), aber dies war keine mutter von 17 töchtern,
sondern ein ewig junges weib wie die anderen, die scenen, wie
die kOnigin den Maelduin zurückzuhalten sucht, sind aus irischem
material; es ist die Schilderung verwertet, wie Bran landet, ge-
waltsame versuche, den Bran zurückzuhalten, werden nicht
gemacht, offenbar weil der sage nur freiwilliges verweilen im
lande der frauen entspricht. auch diese Umgestaltung muss
einen zweck gehabt haben, welcher wie der aller Umgestaltungen
der alten sage in der beabsichtigten nachahmung Vergils zu
suchen ist.
3. zweimal trifft Aeneas auf seiner meerfahrt unerwartet
landsleute: einmal (vor der ankunft bei Dido) den Helenus an
der küste von Epirus (Aen. m 294 — 505), der das Schicksal ver-
kündet, und zweitens vor der landung in Italien (nach dem be-
such bei Dido) den Troer Acestes auf Sicilien (Aen. v 36 ff),
ebenso trifft Maelduin vor seinem aufenthalt bei der wittwe mit
den 17 töchtern einen landsmann, der das Schicksal verkündet
(episode 19), und vor dem ende seiner reise (ebenfalls nach dem
besuch bei der königswittwe) widerum einen landsmann auf einer
insel (episode 30).
4. zwischen den besuch bei Helenus und den aufenthalt
bei Dido fällt für Aeneas das abenteuer mit Polyphem und den
cyklopen (Aen. ni 639). so liegt in der meerfahrt des Maelduin
zwischen dem besuch bei dem ersten landsmann (episode 19) und
dem aufenthalt bei der königswittwe (episode 28) das abenteuer
bei der insel der schmiede (episode 21)! bei dieser episode der
erzählung besteht auch das material aus classischen reminiscenzen:
es liegt eine Verschmelzung vor des berichtes in der Aeneis mit
den anderweitigen erzählungen von den cyklopen als schmieden
und dem schleudern von felsblöcken hinter Odysseus her. die
erzählung in Imram Maelduin ist ganz klar, wenn man annimmt,
dass der fragende, der offenbar auch der inhaber der schmiede
330 KELTISCHE BEITRÄGE II
ist, als blind gedacht wird. — die züge in episode 13 können
ebenfalls classische reminiscenzen aus gleichen quellen sein.
5. zwischen dem besuch bei Acestes und der erreichung
des Zieles der meerfahrt durch Aeneas liegt der tod des Pali-
nurus (Aen. V 827 ff); so verliert Maelduin zwischen dem besuch
bei dem landsmaun (episode 30) und der erreichung seines Zieles,
der insel der Seeräuber (episode 34), den dritten pflegebruder
(episode 31).
Das eigentümliche Verhältnis, dass in Imram Maelduin 3 männer
nachkommen und auf der fahrt verderben, dagegen im alten Imram
UaCorra einer nachkommt und ebenfalls verdirbt (vgl. oben
s. 199 ff), lässt sich begreifen, wenn man beide compositionen
unter dem vorbild der meerfahrt des Aeneas (Aen. m — v) ent-
standen denkt, der crosan, der splitternackt die eben zur ab-
fahrt bereiten O'Corras um gottes willen (ardia) anfleht, ihn
mitzunehmen (oben s. 187), ist der unglückliche aus Odysseus
gefolge, der den abfahrenden Aeneas per sidera beschwört, ihn
mitzunehmen (Aen. ni 590 ff), freilich geschieht letzteres auf der
fahrt, während die aufnähme des crosan beim beginn stattfindet,
während der ganzen 7 jährigen fahrt stirbt von den genossen des
Aeneas nur ein mann eines unnatürlichen todes, nämlich
Palinurus: er ist das opfer, welches Neptun fordert (Aen. v
814.815). gibt man zu, dass ein irischer gelehrter die com-
bination oder Interpretation in Vergil hineintrug, dass dieser Pa-
linurus für den nachträglich aufgenommenen unglücklichen
(Aen. ni 590 ff) sterben muss, dann sind die irischen nach-
ahmungen der meerfahrt des Aeneas klar, die erwähnte combi-
nation liegt der composition des alten Imram UaCorra einfach zu
gründe und erklärt uns, wie der verf. des Imram Maelduin dazu
kam, drei manu nachträglich teil nehmen zu lassen, es ist
eine Variation des jüngeren autors (vgl. s. 205) von Imram Mael-
duin, für die er sich vielleicht einige berechligung aus Vergil
ausklügelte, nur ein mann, Palinurus, stirbt eines unnatür-
lichen todes während der fahrt und zwar gegen ende der-
selben, es stirbt gegen mitte der fahrt Anchises und im be-
ginn der fahrt steht der unglückliche Polydor, gleichsam zum
zweiten mal sterbend (Aen. m 26 ff), so kann man von drei
dem Aeneas als führer der expedition nahe stehenden toten
während der fahrt reden ; dem entsprechend musten unter der
KELTISCHE BEITRÄGE II 331
durch Imram üaCorra geschafrenen Voraussetzung von der todes-
ursache des einen begleiters von dem verf. des Imram Maelduin
drei genossen nachträglich aufgenommen werden, ist dies die
entwickelung, dann ist der alle Imram UaCorra unstreitig älter
als der uns erhaltene Imram Maelduin.
Wie man auch über die eine oder andere der vorgebrachten
einzelheiten urteilen mag, den gesammteindruck wird man aus
den erwägungen von s. 325 bis hierher — besonders aus der
Umgestaltung der episode Echtra Brain 6 zu Imram Maelduin 28,
siehe s. 328 f — hoffentlich gewonnen haben, dass Imram
Maelduin und der noch ältere Imram UaCorra als be-
stimmte gattung litterarischer coraposition nach
dem Vorbild von Vergils Aeneis buch iii — v im 7 oder
8 jh. verfasst sind, dann haben wir allerdings ein recht,
aufser in den schon erwähnten episoden 21 und 13 von Imram
Maelduin, auch sonst in dem material selbst classische remi-
niscenzen zu suchen, ohne für jetzt in einzelheiten weiter ein-
zugehen, will ich nur darauf hinweisen, dass die erzählung von
der Verjüngung des vogels in episode 30 des Imram Maelduin
(oben s. 169 ff) offenbar ein niederschlag der Phönixsage ist.
ni. skizzieren wir kurz den gang der entwickelung, wie
er sich aus der Untersuchung ergibt.
1 stufe, im 7 oder 8 jh. entstand in Irland in nachahmuug
von Aeneas meerfahrt (Vergil , Aen. iii — v) die litteraturgattung
der imrama (navigationes). das material ist im wesentlichen ein-
heimisches und fliefst als solches aus zwei quellen zusammen
(s. 324 ff), das einzige alte denkmal dieser zeit, welches voll-
ständig auf uns gekommen, ist der s. 147 ff betrachtete Imram
curaig Maelduin. — in der vikingerzeit wurde diese erzählungs-
gattung als rahmen für eine tendenzschrift benutzt, die uns unter
dem namen Imram Snedgusa 7 Maie RJagla erhalten ist (oben
s. 211— 219).
2 stufe, im 9 oder 10 jh. entstand durch misverständuis die
meinung, dass Brendan mac Finnloga UaAlta, von dem eine
bufsfahrt nach Britannien bekannt war, eine oceanfahrt nach
der terra repromissionis unternommen habe, wie man solche
dem heiligen Ailbe und anderen anachoreten des 5 und 6 jhs.
zuschrieb (s. 292 ff. 311). verschiedenartige erlebnisse wurden
von dieser bufsfahrt erzählt, resp. darauf umdeutend bezogen.
332 KELTISCHE BEITRAGE II
3 stufe, in der mitte des 1 1 jhs. uniernahm ein unbekannter
kleriker eine Schilderung dieser oceanfalirt in lat. spräche, ein
werk, das unter dem titel INavigatio SBrendani auf uns gekommen
ist: das material zu den einzelnen episoden nahm der verf. fast
ausschliefslich aus dem alten irischen Imram Maelduin, den er
ebenso wie die bekannten episoden , die von Biendan im schwänge
giengen, gewaltsam aber nicht ohne kunst zurechtschnitt (s. 174
bis 181; 307 — 314).
3a stufe, noch im 11 oder im 12 jh. stellte ein anderer,
der nicht ohne keuntnis der Navigatio SBrendani war, eine
irische erzählung von ßreudans oceanfahrt her, allerdings mit
ganz anderer tendenz und mit fernhaltung der speciflsch profanen
elemente, die der verf. der Navigatio in so bedeutendem umfang
seinen zwecken dienstbar gemacht hatte (siehe s. 314 — 324).
Das unter 3 genannte denkmal, die lat. Navigatio SBrendani,
wurde vom 12 jh. an der quell für eine reiche litteratur in eng-
lischer, französischer, deutscher und lateinischer spräche, das
nähere eingehen hierauf liegt nicht im plane dieser Studie, ist
auch um so weniger nötig, als die trefflichen Untersuchungen
von Schröder (Sanct Brandan , einleitung) und Suchier (Böhmers
Romanische Studien i 553 — 563) die Verhältnisse dieser 4 stufe
der entwickelung ziemlich klar gelegt haben, auf einen puuct
möchte ich jedoch hinweisen , der durch den gang meiner Unter-
suchung und deren ergebnisse in ein neues licht gerückt wird.
Nach den Untersuchungen von Schröder und besonders den
weiteren ausführungen Suchiers aao. teilen sich die englischen,
französischen, deutschen und lateinischen bearbeitungen, die man
auf die Navigatio SBrendani zurückführt, in zwei gruppen. die
erste, umfangreichere gruppe — der das anglonorm. gedieht
und dessen lat. Übersetzung angehört, das altfr. gedieht in der
Image du monde, das miltelengl. von Wright edierte gedieht und
eine reihe von prosabearbeitungen (siehe Suchier aao. s. 557.
558) — ist einfache bearbeitung der lateinischen
vorläge, die zweite gruppe, deren repräsentanten — das
mittelniederl. gedieht, das mitteldeutsche gedieht, das nieder-
deutsche gedieht und das Volksbuch des 15 jhs. — im letzten
gründe auf ein verlorenes mittelfränkisches gedieht des 12 jhs.
zurückgehen, weicht bedeutend von der lateinischen
Navigatio SBrendani ab. die erzählung ist consequent
KELTISCHE BEITRÄGE II 333
auf eiuer anderen grundlage aufgebaut: Brendau geht
uicht durch den bericht des Barrindus verlockt auf die fahrt, son-
dern zur strafe dafür, dass er dem buche nicht geglaubt und es
verbrannt hat. er muss zur strafe das sehen, was er nicht
•:eglaubt. in diesem vollkommen abweichenden rahmen erscheint
nun eine reihe der episoden der Navigatio Sßrendani deutlich
wider (siehe Schröder s. x fl", Suchier s. 563) ; andere sind stark
modificiert aber noch erkennbar; andere fehlen ganz, so be-
sonders der zug von der osterfeier (7 mal) auf dem rücken des
Walfisches; mehrere neue episoden sind hinzugekommen (zh.
227 — 290, 291—309, 356 — 426, 427 — 454, 455-470, 1093
bis 1110, 1456—1702, 1703 — 175S im mitteldeutschen ge-
dieht, ua.).
Alle diese abweichungen erklärt man daraus , dass dem verf,
des verlorenen miltelfränkischen gedichts 'von der legende nur
so viel bekannt war, als leicht im gedächtnis haften konnte',
'dass nicht der lat. text der Navigatio seine quelle war, sondern
seine kenntnis von Brandans abenteuern auf mündlichen berichten
beruhte' (Suchier aao. s. 563).
Dem ist zweierlei entgegenzuhalten: 1) es existiert kein
Zeugnis dafür, dass vor der Navigatio SBrendani irgend-
wie eine zusammenhängende erzählung über Brendans fahrt nach
der terra repromissionis vorhanden war. 2) die abweichungen und
Zusätze der zweiten gruppe sind zu einem beträchtlichen teil der
art, dass sie deutlich an episoden anderer irischer schift'er-
sageu erinnern, die wir in abschnitt B kennen lernten, zuweilen
viel deutlicher als manche allgemein angenommene beziehung zur
lat. Navigatio SBrendani: so treten Enoch und Elias (515 — 556
des md. ged.) auf einer insel im Imram Snedgusa auf (episode 8,
oben s. 214), und s. 217 ff habe ich gezeigt, dass wir es hinsicht-
lich dieser beiden mit anschauungen zu tun haben, die in der
irischen litteratur in alter zeit verbreitet sind, eine insel,
worauf sich weseu mit schweinsköpfen befinden , kommt in Imram
Snedgusa (episode 7) ebenfalls vor, sodass v. 1245 — 1417 des md.
gedichtes auf einer combination von Navigatio 10 mit diesem be-
richt beruhen könnte, ferner findet sich in Imram Snedgusa
(episode 6) eine insel, auf welcher menschen mit huudsköpfen
leben: solche kommen auch im deutschen gedieht vor (zii den
Uunthoubten 1651). dass Brendans meerfahrl eine biifsralni
334 KELTISCHE BEITRÄGE II
ist, schliefst sich an ältere mehrfach bezeugte irische aoschauungen
von Brendan (siehe s. 305 ff) doch näher an als die auf-
fassung der Navigatio SBrendani. das stark hervortretende be-
streben der deutschen bearbeitung, der Schilderung von fegfeuer
und hölle einen grofsen räum zu gewähren (vgl. 247 — 290,
427 — 454, 557 — 660 usw.), erinnert an Imram curaig üaCorra
episode 12 — 19 (oben s. 191 ff) und an die composition des iri-
schen Imram Brenaind (vgl. s. 322); hierher auch das meerweib
(227 — 246; vgl, Imram Brenaind episode 5); die episode 1456 ff
(insel, zu der sie nicht gelangen können) an Imram Brenaind 6
verbunden mit 12 (wo Unmöglichkeit, die anker zu lichten, und
zwerge) und Imram UaCorra 24 (wo ein vogel an stelle des
Zwergs den alten benachrichtigt). weitere berührungspuncte
werden jedem leser des mitteldeutschen gedichts, welcher das in
abschnitt B ausgebreitete material im gedächtnis hat, von selbst
auffallen.
Demnach muss man die oben angeführte ansieht Suchiers
meines erachtens wenigstens so weit modificieren, dass man
sagt: dem verf. des verlorenen mittelfränkischen gedichts standen
die mitteilungeu eines irischen klosterbruders — solche gab es ja
im 11 und anfang des 12 jhs. am Mittel- und Niederrhein zahl-
reich, siehe Preufs. jbb. 59, 48 — zu geböte, der kenntnis
von der Navigatio SBrendani hatte und mit der irischen sagen-
litteratur, der kirchlichen wie der profanen, wol vertraut war.
allein dürfen oder müssen wir einen derartigen bericht, der die
erzählung auf eine ganz andere basis stellte, ihr
einen neuen rahmen gab', und die ausfülluug des rahmens
> dass die nene basis nicht das werk des deutschen dichters sondern
irische combination ist, lässt sich nachweisen. Brendans meerfahrt ist
in der deutschen bearbeitungr eine bufs fahrt zur strafe für seinen
Unglauben, dass diese auffassung sich in ihrem einen teil (bufsfahrt als
strafe) an wolbezeugte ältere irische anschauungen eng anschliefst, habe
ich schon oben hervorgehoben, aber auch der Unglaube, die zweifelsucht
Brendans ist für Irland wol bezeugt: LL 370*= — also in einer hs. aus der
1 hälfte des 12jhs. — findet sich ein tractat Hie mcipiunt sancti qui erant
hini unius moris. er beginnt mit Johannes BapUza-Epscop Ibar und
schliefst Augustinus episcopus Angloi'um- Barre Epscop Muma. unter den
aufgezählten paren , welche u?iius moris erant, befinden sich auch : Tomas
apostolus — Brenand Chiana Ferta. das kann sich doch nur auf z w e i f e 1 -
sucht beziehen und das einzige dafür uns erhaltene zeugnis ist eben die An-
leitung zum deutschen gedieht, die deshalb irischen Ursprungs sein muss.
KELTISCHE BEITRÄGE II 335
in grofsen partien anders vornahm als in der Navigatio SBren-
dani geschehen ist — müssen wir einen solchen bericht nicht
eine besondere recension nennen? dazu kommt noch
eins, der verf. des mitteldeutschen gedichtes beruft sich au nicht
weniger als 8 stellen zur bekräftigung von einzelheiten , die auf
der meerfahrt vorfielen, auf geschriebene quellen: Dd lägen
sie mit sorgen wol kein vumfzen tagen, als uns die buch
sagen 468; uns saget daz buch ouch, daz under dem burge-
tore saz der herre Elias vore 532; sus hörten sie darnach ein
brechen, als uns die buch sprechen 574; die buch
sprechen daz di müere were al cristellingevar 1164; in so ge-
taner stunde vluzzen sie vierzen nahte zit , als uns daz buch
vergit, in des visches ringe mit not 1432; die naht wart ouch
irlühtet ddvan, als uns die buche schribe 1795; dö hette
sente Brandän besunder gesen michel wunder sint des ersten tages
zit vorwäre als uns daz buch git 1884. woher hätten wir
ein recht, dies alles für leere rederei zu hallen? sollen wir dies
blofs auf die mittelfr. vorläge beziehen? oder ist es nicht wahr-
scheinlicher, dass der verf. des mitteldeutschen gedichts (also der
überarbeiler der verlorenen mittelfr. vorläge) berufungen auf die
b^Xch vorfand? lehrreich ist hier das niederdeutsche gedieht in
seinem Verhältnisse zum mitteldeutschen: in vier fällen be-
ruft es sich an denselben stellen auf de böke: alse
uns de böke sagen 383 == 468 im mitteld. gedieht; alse uns secht
dut bök doch 446 == 532; de böke spreken, dat de mure 859
= 1164; alse uns secht de scrift däraf 1074 = 1795.
Wollen wir nicht ganz ungerechtfertigte, gewalttätige an-
nahmen machen, so müssen wir zugeben, dass in dem ältesten
deutschen (dem mittelfr.) gedieht berufungen auf diu buoch vor-
kamen, also auf eine vorläge, die nur eine lateinische
kann gewesen sein, deuten darauf nicht auch die im deut-
schen texte stehen gebliebenen lat. brocken wie deus misereatur
die inLL erhaltene Zusammenstellung mit dem ungläubigen Thomas —
die noch in einer zweiten hs. des 12jhs. vorkam, wie die Brüsseler hs. 5104
ausweist, siehe O'Kelly , Calendar s. xli — ist besonders lehrreich für das
md. gedieht 1314 — 1350, woselbst der gefallene engel Brendans zweifel-
sucht an dem buch des ausführlichen mit der zweifelsucht des apostels
Thomas vergleicht! nach all dem müssen wir den rahmen der deutschen
Brendanbearbeitung wie so manches andere, was man bisher dem deutschen
dichter zuschrieb, für echt irisch halten.
336 KELTISCHE BEITRÄGE II
nostri (783), daz heizet 'multum bona terra (\V29 = dat lant
het 'bona terra' 837 im niederd. text), sie heizet 'munda Siow
als ichz vernam^ (1152)? uud sagt uiclit der niederländische be-
arbeiter zum scliluss (2263 ff):
Nu biddic elken ende rade
dat nienien enversmade
Brandaens avontuere
die hem dicke wart te zuere,
HO ensegghe no daer over houde
dat loghene icesen soude:
want het leecht bescreven in lattyne
in meneghen cloester fine
ende in menegher goeder stede
daer men't haut in werdicheden.
Schröder meint allerdings: 'dem Niederländer steht die berufung
auf dies lat. original sehr übel an, denn das gedieht hat sich
von seiner vorläge aufs äufserste entfernt' (s. 123). ganz recht,
wenn man annimmt, dass seit Jahrhunderten eine ihrem inhalte
nach fest fixierte sage von Brendans meerfahrt in Irland existierte,
die in der auf uns gekommenen Navigatio SBrendani vorliegt, so
verzeihlich eine solche annähme für alle die ist, welche mit der
irischen litteratur nicht näher vertraut sind, so unbewiesen und
unbeweisbar ist sie, wie diese Untersuchung hoffentlich ge-
zeigt hat.
Lassen wir also alle gewalttätigkeiten bei seite, mit denen
man sich geholfen , so ergibt sich aus den erörterungen von
s. 332 an , dass die texte der zweiten gruppe — die so genannte
deutsche bearbeitung — auf eine verlorene'-^ lateinische Navi-
gatio SBrendani zurückgehen, diese lat. vorläge gab sich aus
oder wurde von dem deutschen bearbeiter angesehen als der
bericht, den Brendan selbst von seiner reise verfasst habe, über
das Verhältnis dieser verlorenen lat. Navigatio SBrendani zu
dem erhaltenen text gleichen namens lässt sich leicht ins
* Mons Syone im niederl. text (1640) nach Schröder s. 116. im prolog
zum Feiire 270 wird Christus angerufen: an Sion sluagaig 'o könig- des
scharenreichen Sion.'
2 dass dieser lat. text endgiltig verloren, ist nicht ausgemacht, in
den continenlalen bibliotheken liegen so viele hss. der Navigatio SBrendani,
die noch nicht näher untersucht sind, dass nicht ausgeschlossen ist, dass
sich unter ihnen auch die vorläge der deutschen bearbeitung findet.
KELTISCHE BEITRÄGE II 337
reine kommen, vergleicht man nämlich diejenigen episoden,
welche die erhaltene Navigatio SBrendani mit den deutschen ge-
dichten gemeinsam hat (Schröder s. x ff, Suchier s. 563) , mit
der älteren quelle, dem irischen Imram Maelduin, so weit sie
daraus geflossen sind, so ergibt sich, dass beide lat. Naviga-
liones nicht unabhängig von einander Imram Mael-
duin benutzt haben können, der verf. der erhaltenen
Navigatio SBrendani hat unmittelbar aus dieser quelle geschöpft,
der verf. der verlorenen Navigatio , also der vorläge der deutschen
bearbeitung, hat die erhaltene lat. Navigatio SBrendani benutzt,
aber er halte ebenso wenig wie der verf. des jüngeren Imram
curaig UaCorra (s, 203^ fl") oder des irischen Imram Brenaind
(siehe s. 321} eine vollständige hs. der erhaltenen Navigatio
SBrendani vor sich, ob er nur nach dem gedächtnis arbeitete
oder ob er etwa einen auszug des lextes der Navigatio SBrendani
vor sich hatte, lässt sich natürlich nicht bestimmen, den letzteren
punct möchte ich deshalb betonen, weil uns tatsächlich ein
solcher auszug aus der Navigatio — der ua. die Barrindusepisode
übergeht, deu procurator fast ganz zurücktreten lässt und die
osterfeier auf dem rücken des walfisches erwähnt aber nicht be-
schreibt — schon in einer hs, des 13 jhs. erhalten ist. derselbe
ist — e codice bibliothecae Vallicellianae saec.xni, fol. 141 — 143 —
von Moran in den Acta sancti Brendani (s. 132 ff) unter dem titel
'Legenda in festo sancli Brandani episcopi' gedruckt. ^ war der
verf. der verloreneu Navigatio SBrendani im besitz eines ähn-
lichen auszuges wie die Legenda, dann ist das Verhältnis zur er-
haltenen Navigatio SBrendani klar, klar ist die vielfache Über-
einstimmung und das Verhältnis zu Imram Maelduin, klar ist
auch , wie so characteristische merkmale der erhaltenen Navigatio
selbst, zb. die Barrindusepisode, die osterfeier auf dem rücken
des walfisches ganz fehlen können, andere, zb. der procurator so
zurücktreten (zwerg Botewart, v. 1557 des md. gedichtes). aufser
einer solchen Legenda hatte der verf. der verlorenen lat. Navigatio
auch noch kenntnis von Zügen aus Brendans leben, die mau
im 12 jh. mit seiner meerfahrt in Verbindung brachte (siehe
s. 333 und 334 mit note), sowie künde von sonstigen schifl'er-
sagen in irischer spräche (siehe s. 333). aufserdem liebte er
* ich besitze eine unabhängige abschrift des codex, welche mir dr Mac
Garlhy bei einem besuch in Macioom (ostern 18S5) schenkte.
Z. F. D. A. XXXill. N. F. XXI. 22
338 KELTISCHE BEITRÄGE II
das ehrwürdige geistliche gevvaod, in welches der verf. der er-
haltenen Navigatio SBrendaui die einzelnen episoden steckte, nicht
in dem mafse, sondern liefs sich mehr vom geist der irischen
prolänsagenlitteratur beherschen.
Dass vieles stoffliche, was man bis jetzt dem deutschen be-
arbeiter zu gute schrieb, echt irisch ist und der vorläge angehört,
darauf habe ich schon s. 333 und 334 anm. hingewiesen, ich
glaube aber, dass auch noch manches von dem 'geiste' der
deutschen bearbeitung, wie ihn Schröder s. xiv ff nach Gerviuus
characlerisiert, der von dem Iren herrührenden lat. vorläge au-
gehört, die freude an dem seltsam übertriebenen wunderbaren
kennt die irische litteratur seit den ältesten Zeiten, und schon
ein halbes Jahrtausend vor beginn der kreuzzüge war das abenteuer-
lichste und wunderbarste der phantasie des Iren das erwünsch-
teste. ^ erst die zeit der kreuzzüge machte die continentaleu
leser und hörer für diese irische litteratur empfänglich und ver-
half den Visionen und navigationen irischen Ursprungs zu ihrer
Verbreitung in der volkstümlichen litteratur coutinentaler Völker.
Wenden wir uns noch einmal zu der oben gegebenen skizze
(s. 331), so ist aufgrund der erörterungen von s. 332 bis hierher
nachzutragen:
3/? stufe, eine, anscheinend verlorene, lateinische Navigatio
SBrendani.
4 stufe, a. die unter 3 genannte erhaltene Mavigatio SBrendani
findet vom 12 jh. zahlreiche bearbeitungen in englischer, französi-
scher und deutscher zunge (Hartliep, Lübecker passional, Rollen-
hagen, Kosegarten, siehe Schröder s. xvii, Suchier s. 558).
b. die unter dß genannte lat. Navigatio SBrendani fand ende
des 12 jhs. einen mittelfränkischen bearbeiter, dessen arbeit die
vorläge abgab für ein md., nd., nl. gedieht und für das hd.
Volksbuch.
• ich habe nur nötig, auf die inhaltsangaben der wichtigsten texte des
Ulstersagenkreises hinzuweisen, die ich Zs. f. vgl. sprachf. 28,416 — 689
gegeben, auf die auszüge im ersten beitrag (Zs. 32, 196 — 334) sowie auf
das in dieser Untersuchung zur spräche gekommene.
Greifswald, juIi 1888. H. ZIMMER.
ALTDEUTSCHE FÜ?sDE AUS LNi^SBRUCK 339
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK.
Bei der in diesem jähre beendeten generalrevision der k. k.
Universitätsbibliothek zu Innsbruck sind auch die in-
cunabeln genau untersucht worden, dabei hat sich eine grofse anzahl
von bruchstücken alter handschriften gefunden, welche als falze,
am rücken, auf den deckein der einbände verwendet worden waren,
der vorstand der bibliothek, hr dr Ludwig von Hörmann hat alle
diese stücke sorgsam ablösen lassen, die altdeutschen darunter mir
zur bearbeitnng übergeben, ich veröffentliche hier eine erste partie
der funde.
Diese sieben gi^uppen von fragmenten sind aus folgenden in-
cunabeln genommen: i aus ^-^a, Hosliensis, Summa io v libros
decretalium. Veneliis. Wild. 1480; ^jja, Albericus de Rosate,
Lexicon sive dictionarium juris. Papiae. De Garaldis. 1498;
^-a, Bartholamaei Andreae de Sicilia, Partes iv consiliorum. Me-
diolani. Lavagnia. 1489 — 1500; ^-^a, Albericus de Rosate, Su-
per II partes digesti veteris cum commentariis per Jasonem de
Maino. Papiae. Jo. de Liguano. 1499. die drei letzten num-
mern stammen aus dem cisterzienserkloster Neustift bei Brixen
in Südtirol, die provenienz der ersten ist unbekannt, aber wahr-
scheinlich auch dahin zu verweisen. — ii streifen 1.3smrf entnommen
'^a, Alexander de Imola, De re judicata cum additionibus oppor-
tunis. Veneliis. Herbort de Gilgenstat. 1484. nach einem ver-
merk im buche: E bibliotheca Tzwerger. — iii ist entnommen
^-^D, Justini historiae ex Trogo Pompeio excerptae. Veneliis.
Phil. Conda. 1479. gehörte den Jesuiten in Brixen. — iv ist ent-
nommen ^^g, Rationale divinorum. Argentinae. s. t. 1493. stammt
aus der karthause Aller engelsb er g im Schnalserthal ; ferner ^E,
Baptistae Fr. Mantuani adolescentia in aeglogas divisa, Mantuae.
Vinc. Berthocus Regiensis. 1498. provenienz unbekannt. —
V ist entnommen ^-j-H, Gregorius de Arimino, Lectura senten-
tiarum. Parisiis. s. t. 1482. aus Neustift. — vi ist entnommen
^-^ E, Discipuli (Herolt) sermones de tempore et de sanclis. s. t.
1483. nach dem vermerk: E libr. fratris Martini Piscatoris. —
22*
340 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
VII ist entnommen '-^^C, Lanlraoci variorum tractaluum juridi-
corum coUectio. Veneliis. Joan. de Colonia. 1472. aus Neustift.
Die kss., mts welchen diese bruchstücke sich get^ettet haben,
loerden also icol in Südtirol vorhanden gewesen sein , der bibliothek
des klosters Neustift (welches jetzt nur eine hs. besitzt) hat ein
grofser teil derselben angehört, und so loird wahrscheinlich ein
buchbinder zu Brixen im \\\ jh. die alten Codices für die neuen
einbände aufgearbeitet haben, die zahl der Zeugnisse für Tirols
noch vielfach unterschätzte teilnähme an der altdeutschen litteratur
loächst damit um ein beträchtliches.
Herrn bibliothekar dr Luomo von üormann, dessen Sorgfalt
und eifer wir die entdeckung der altdeutschen fragmente und
noch vieler anderer zuschreiben müssen, dessen liberalität mir die
bequeme benutzung der funde ermöglicht und mich dabei in jeder
weise gefördert hat, spreche ich auch an dieser stelle meinen auf-
richtigen und herzlichen dank aus.
Graz, allerheiligen 1888. ANTON E. SCHÖNBACH.
I
Vierzehn streifen und Stückchen einer pergamejithandschrift
des Waltharius. davon gehören 7 zu doppelblättern, welche
der quere nach zerschnitten waren, 7 zu einzelnen blättern, die
gröste länge eines Streifens beträgt 29,6 cm., ein blatt also ist
14,8 cm. breit, da auf einer seite 27 zeilen standen, 3 zeilen
nicht ganz 2 cm. einnehmen, der obere rand der blätter 1,5 cm.,
der untere 2 cm. breit ist, so ergibt sich für das blatt eine höhe
von ungefähr 21,5 cm. das format der hs. war mithin ein statt-
liches grofsoctav. 161 verse sind ganz oder teilweise erhalten.
Die Schrift stammt aus dem \i Jahrhundert , ist schön, deut-
lich, sorgfältig, mit brauner tinte auf eingeritzten linien geschrieben,
die hexameter sind abgesetzt, am Schlüsse eines jeden verses steht
ein punct. die verse beginnen mit capitalbuchstaben , welche auf
der mehrzahl der seiten rot durchzogen sind, auf einigen Seiten
fehlt dieser schmuck, der Schreiber selbst hat sich bisweilen ver-
bessert, im anfange des xujhs. ist die hs. durchcorrigiert worden,
dabei sind mehrere stellen radiert, anderes ist dafür eingesetzt,
lateinische glossen sind über- oder beigeschrieben worden, etwas
später, aber auch noch etwa um die mitte des xujhs., wurden
etliche deutsche glossen eingetragen.
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS ININSBRUCK 34t
Es folgt ein möglichst genauer abdruck.
V 114 Eificiir modicQq; deest qn regnet & ipsa.
115 Nä qiiic(j.d uoluit de reb' fecit & actis.
P 141 Cplacuit sermo regi. cepitq; parare.
Wallherius uenit. cui princeps talia pandit.
l'^ 292 Heros maguam' solito q more salutans.
Duxerat ad soliü. qd byssus cöbsit & ostrv!
1' 319 Muuera. Waltheri' traxitq; redire uolentes.
320 Donec ui potus pssi sünoq; grauati.
2^ 467 Waltheri' collega iiis remeauit ab hunis.
Gunthari' princeps ex hac ratione supbus.
Vociferatr & omnis ei mox aula reclamat.
470 Cgaudete m iubeo qa talia uixi.
Gaza qua gibicho regi transmisit eoo.
•2^ 493 Sl T secessu bini montesq; ^pioqui.
Int quos licet angustü specu extat amenv.
4!i5 N telliire caua factü. s; uertice ruptü.
Apta quide statio e latronib; illa cruentis.
Angulus hie iiirides ac uescas gesserat herbas.
Hunc mox ut uidit iuuenis. hiic inqt eam'.
114 anfang der seile, ebenso 141.292.319 141 parare ist nicht
ganz sicher, der buchstab nach pa ist zerßossen. — über parare steht von
späterer hand tractare 293 über Duxerat steht m, über solium steht n,
wahrscheinlich von der hand, welche sahen über byssus gesetzt hat
320 c in Donec ist vom schreiber selbst übergesetzt , ebenso das erste s
in pssi von 466 sind noch die unterstell spitzen der balken unter
der linie sichtbar 468 zwischen ratio und ne ist ein augentoch im
pergament All über gibicho steht ms pat, über regi steht attWe, nach
eoo steht i regione, alles von späterer hand. es ist noch ein Stückchen
des N (vo/i Nunc) sichtbar, womit 472 hier wie in der Brüsseler hs. be-
ginnt 493 ist nur aus den unteren teilen der buchstaben zu erschließen,
am rande steht von der hand des ersten correctors : topographia (das p
nach a ist aus f gebessert) descriptio loci 494 nach specu ist s radiert,
ebenso vor amenv ein buchstab, wahrscheinlich h 495 zwischen
tellure iind caua ist das augenloch im pergament 496 über statio C
steht wesunge von späterer hand 498 über Hunc steht locü v. sp. h.
man sieht von 499 noch ei7ien rest des Schlusswortes (corpus) : rp'
342 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
3' 520 Waltheriü pugnasse uideres.
AU[: noua tociens quociens ego cede furente.
Nuiig: tä facile spoliandü forte putares.
Vidi paunonias acies cü bella coirent.
Ctia aquilonares sine australes regiones.
525 111 ic Waltheri' «ppa uirtute coruscus.
4' Hostibus inuisus. sociis mirandus obibat.
Quisquis ei cgressus
5* 533 Puluere sublato uenientes sensit, et ipsü.
Waltheriü placido tactu uigilare monebat.
3'' 547 Nulli' ueteri' patiar csorcia carnis.
Tu iuuenis cruor innocuus me tiuxerit inql.
Et q forte m gladius potis e inimicos.
550 Steruere. tä fide si nc ü parcit amice.
Absit qd rogitas. mtis depoüe pauore.
0 me de uariis eduxit sepe periclis.
4'' Hos ualet hie credo cfunde üros.
ffatur ad ipsä.
5" 559 Hoc heros
560 Inferi' stanti pdicens sie niulieri.
Hac corä porta uerbü ni iacto supbü.
6* Hinc redieus nullus uxori dicere franeus.
Psumet se inpune gaze q^d tollere tante.
Nee du sermone cpieuit humoten' ecce!
die streifen 2 vnd 3 sind mit deyiselöen scheerenschnitten abgelrejint
520 von Waltheriü sind mir die miieren spitzen erhalten
521 über ego steht uidi v.sp.h. 523 über bella steht in v.sp.h. von
526 sind in 4 nur die oberen hälften erhalten, 4 ist ein ganz schmales
streif chen, das sich getiau an ^schliefst von 532 sind noch die
untersten spitze7i p(cul) — (HiU)g(unt) erhalteri 534 erirfe der seile uue
561. 807. 834 548 T ist unsicher, könnte auch C sein, über iuuenis,
me, tinxerit stehe?i a v. sp. h. 553 auf der lücke ist rasur, es stand
früher ualet, darüber ist hostes geschrieben, über Hos steht Hie. sämmt-
liche änderungen sind ?ioch von der hand des ersten Schreibers selbst
554 davon nur die spitzen 559 7iur die untere?i spitzen 561 uerbü]
die blassen buchstaben sind später ?iachgezogen 561 ende, 562 an fang
der Seite bQ2über quid steht aliquid v. sp. h. 564 n?«' die oberen
hälften der buchstabeti
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK 343
6'' 589 Heros magnanim' respondit lalia dicens.
590 Sponte tua uenias. an huc te miserit ulliis.
Scire ueli. camelö ic reddidit ore supbo.
7' 616 ncipib' narral qd .ptulit atq; resupsit.
agano ad rege, porrectä suscipe gazä.
potis es decorare pat tecü comitantes.
7'' 645 Verlice fulua micat cassis de peclore lorax.
Et -pcul acclamaus. heus audi dixit amice.
Regi t'rancorü totO transmitte metallü.
8' 673 Et simul iu diclis liastä f'usmisit. at illa!
JP leuü latus umbouis t"siuit. et ecce!
675 Palma q camalo mucrone educere cepit!
9" 6ys et equiuä uertice caudä.
ut q tua spes e?
8"" 700 N ego iä gazä. nee rerü qdq; tuarü.
Appeto. s; uilä cognati quero perapti.
nie dehinc. si cuincar qd plia pm'!
Q** 725 Peius en Weriuhardus abi
Quäiibet ex longa generat
6*^ Ü uir clare tuus cognat'. & artis amalorl
589 anfang der seile 590 zwischen tua U7id uenias ist v. sp. h. über-
gesetzt si 591 von der ziveiten hälfte des verses nur die Oberteile
der buchstaben 616 anfang der seile, links abgeschnitten, rechts
am rande heftlöcher 617 7iach rege ist ait übg. v.sp.h. 618 die
zerflossene?i buchstaben von potis es sind später nachgezogen, übei- potis
es steht potes v, sp. h. die unteren teile der buchstaben sind abgesch?iilte?i
645 a?ifang der seile, die heftlöcher li?iks 646 das fehlende audi
ist vom Schreiber selbst übg. 647 nur die oberen teile, te m später
nachgezogen 673 anfang der seile 675 am rande rechts anfaJig
eines roten Ornamentes 698 das stück 9 ist die kleine untere ecke
eines blattes, am rande von 9* ist ein tier rot gezeichnet , das anspringt,
viit pfeilartigem schtoeif; links vorher der schweif eines anderen tieres.
die Stilisierung ist ganz ähnlich der vo?i tiei'eii und bäumen des Mil-
städter physiologus in vKarajans Sprachdenkjnaleii 700 anfang der
seile, bei quodque ist über die alten abkürzungen später i und u ge-
setzt 702 über Hie steht Wal, nach dehinc ist ait übg. v. sp. h.
725 davon schon die spitzen weggeschnitte?i 727 anfang der seile
344 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
' () _
Pandare. q qnda iussus cfunde fedusl
In medios telü torsisti pni' achiuos!
10' 752 Talia n dudü iactabas dicta p auras.
Hec ait. & truncü secta ceruice reliqu
B** At ü demente tria uisa cadauera tre"tl
755 Gunthariü. iubet ad morie ^perare uicissim.
En a saxonicis oris ekeurid generatus.
10" 779 & morte fugiens inciirrit eande.
780 ü iuuenis post tgü in gram abegit.
3*^ 794 Atq; uenenatas liulis sine morte sagittas.
795 Nuq.d & iste putas astu euitabif iclus?
Que <ppius stantis certo libramine mittit.
Dexl^ra man', neq; en! is teli seu uulneris auctor.
Audi csiliü. parmä deponito pictä.
Hanc raea sors querit regis qq; sponsio pslat.
4' 800 Nolo g.de ledas. oculis qiiia cplacet istis.
5' 806 De reliquis taceo. clipeü defende curo.
-P meritis m crede bonis sü debitor illi.
3'' 821 Hec ait & notü uagina diripit ense.
Int se uariis trarö partib; orti.
Ccurrunt. stupuit Wasegus hec fulmina & actus.
Olli sublimes animis ac grandib; armis.
825 Hie gladio fidens. hie acer & arduus hasta.
728 über fedus stekt pace v. sp. It. 729 nur die Oberteile der
buclistaben 753 schltiss der seile, u?iteti noch breiler rand, gegen
die mitte zu abgeschnitten 754 anfang der seile 756 nur die
Oberteile der buchslaben 779 schluss der seile, in der milte ab-
geschnitten 780 git später fiachgezogen 794 leihoeise oben ab-
geschnitten 795 über & steht u v. sp. h., das e in euitabitur ist vom
Schreiber selbst übg. — v. sp. k. steht über dem anfang desselben Wortes a
797 am rande steht erat v. sp, h, 798 vor dem verse sieht vom ersten
corrector: s; ait 799 vom anfang des ve?'ses si?id nur die Oberteile
der buchslaben erhallen SUO dabei noch die untei'e hälfte von 799
807 schluss der seile 823 us ist in einen buchslaben zusammen-
gezogen , ebenso am schluss von v. 1088 825 über Hie steht unus,
über iiic steht alter, über liasta steht fidens v.sp.h.
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS IISINSBRUCK 345
Int se multa & ualida ui plia miscent.
4'' N sie nigra sonat pcussa securib; ilex.
5** 833 Hoc ictu memoraus semet finire duellü.
'Puidus at iuuenis ferienti cuspide adactal
2' S48 Vocib; & pcib; conaf auunculus inde.
Flectert -pclamans. qnä ruis aspice morte.
850 Qualit arridet. desiste. en ultima parce.
Fila ligant. ö care nepos te mens tua fallit.
Desine Waltharii tu deniq; uirib; impar.
Inlelix tarn ille means hec omnia spernit.
ir 855 ga.
de loquelas.
habendi.
ra malorü.
allQ.
i t
2** 875 Qs t nä luror e. uude hec dementia uenit?
Sic ait. & gremiü lacrimis csparsit obortis.
Et longü formose uale singultib; edit.
Waltheri' licet alonge. sociu fore mestü.
Adtendit. clamor simul puenit ad aures.
880 Vnde incursante sie e affat' equestre.
11'' 882 Et te cseruans m
Desine. nl tua te
849 über quonam ist zuerst etwas geschriebenes ausgewischt , dann
steht <\\ctns 850 «w stelle ijo/j parce staiid ursprünglich ein wort, das
keinen buchstaben mit V7iterlünge, an erster stelle einen buclistaben mit ober-
lange hatte, dieses ist radiert worden, v. sp. h. ist übg. die schephen. a?n
rande steht v. sp. h. colü baiolat trahit. darunter vom ersten coii-eetor:
Cloto. lachesis. atropos. occa'. Tres furi^ Allecto — hand und tinte sind
dieselbe, vo?i der parce eingesetzt ist 8bb mir ein Stückchen von den
Zeilenenden, der rand rechts ist erhalten, darauf steht zunächst die untere
hälfte von Megera, rfarwwfe;- Thesiphone. zioischen 2' U7id 11» fehlt nur
ein ganz kleines streifchen 876 csparsit v. sp. h. auf rasur. das wort
da7ninter ist nicht mehr zu erkennen, gremium war es aber nicht 877 se
in formose steht auf rasur. — ti in singultibus ist nachgezogen 878 über
licet stellt dum v.sp.h. 879 über Adtendit steht alter v.sp.h. — nach
simnl ist & übg. v.sp.h. 880 nacA Vnde ist ad übg. v.sp.h. 882^
nur die anfange der Zeilen, diese beginnen nämlich auf der einen seite
346 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
Herou toi cerae
8S5 Ne suprema uide
Qd de morte mea
12' 1016 In framea tunica simul cflsus aena.
Omisit parmä primüq ; inuasit eleulhrin.
Hiiic galeä findens cerebrum diffudit & ipsä.
Ceruice reserans. pectus patefecit ad egrü.
1020 Cor pulsans animä iiquerat mox alq; calore,
Inde petit Irogunt herente in fune nefando.
12'' 1043 Contulit. ad scutü mucrone hie lollito
Tu qq; subridens uenio iä dixerat heros.
1045 El cursu aduolilans dexträ ferientis ademit.
S; cü ad letha iclü libraret ab aure secdm.
^genliq; anime ualuas aperire studeret.
Ecce tanastus adesl telis cü rege resüplis.
13* 1000 mul cesi uoluunf puluere amici.
s fedatü ferientis calcib' aruü.
rex infelix uisis suspirat. & oif i.
giens studio falerati tga caballi.
dit. & ad mestü haganona uolauit.
1065 modisq; illü pcibus flexisse sategit.
des blatles nicht an demselben puncto, wo sie auf der anderen aufhören,
sondern reichen weiter hinaus, daher beim zerschneiden der länge nach
die ungleichmäfsigkeit des erhaltenen 1016 die obere?i spitzen der
buchstaben si?id weggeschnitten, zwischen framea und tunica findet sich
ein eijischaltungszeiche?i, das übg. wort ist jedoch verloreji 1018 das
i in findens steht auf rasur eines buchstaben mit zwei strichen, wahr-
scheinlich hiefs es fundens; oder scindens? 1021 I ist etwas gröfser
als gewöhyilicli ; nur die oberen hälften der buchstaben sind erhalte?i
1043 7iur die 7mteren hälften der buchstaben und vom letzten wort sechs
striche, wenn dies nostrum war, dann ivar es ganz ungewöhnlich ge-
kürzt, nur ein schliefsendes m ist wahrscheinlich 1044 über heros
sie hfW alt v.sp.h. lOil über ualuas steht ianuas v.sp.h. 1048 wier
rege steht a und davor anscheinend em pimct 1061 aus is in fe-
rientis ist später es gemacht 1064 zwischen mestü und haganona
ist V. sp. h. supplex übg. 1065 die erhaltenen spitzen bestätigen die
gewöhnliche lesart, mir ist modis von dem alten Schreiber selbst über-
gesetzt worden
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK 347
IS"" 1086 Anlea quis fiiimus
Fraucoiy dicent exercit' omnis ab uiio.
»Ph pudor ignolu + q e inpune necatus.
CuDCtabaf adhuc hagauon. & pectore spo
1090 VValtherio plerüq; fide uoluebat. & ipsü.
Euenlü geste recolebat in ordine caus^.
12' 1178 Ipse ma
Que fuerat suspecta magis. tandeq; quieuit.
1180 Ad cui' Caput illa sedeus solito uigilauit.
Et dormitantes cantu patefecit ocellos.
Ast ubi uir primü iä expgeudo sopore.
Ruperat. absq; mora surgens. dormire puellä.
12'' 1205 pcedere iussit.
Scrinia gestaute Tpudens ipse caballii.
Audet inire uiä csueto einet' amietu.
Wille lere passus transseendit. & eece puella.
Sexus enl l'ragilis animo trepidare eoegit.
1210 Respicieus p' tga uidet descendere binos.
14* 1222 Et cieius pgens loco suceede .ppinquo.
Ast ego in aseensu monlis subsistere malo.
Euentü opperiens aduentantesq; salutans.
1225 Obsequitur dictis uirguncula elara iubenlis.
nie eeler seutu collegit. & exeutit hastä.
Iguoti mores equilis temptando sub armis.
1086 nur die 7mtersten spitzen, das wort 7iach fuimus fiat keifte
Unterlänge gehabt 1087 vor dicent ist ein buchstab radiert, am randc
steht neben uno v. sp. h. lioie. über den ersten vier u?id dem letzteJi ivort
stehen v.sp.h. die buchstaben: geffm 1088 am rande v.sp.h. sit,
das übrige weggeschnitten, über ignotum steht n, o über vel, n über ü,
1 über inpune, k, o über necatus 1089 über spo(nsam) steht (vom
ersten corrector?) 4), was wol zu promissam zu ergänzen ist
1090?V:6e/' uoluebat steht cogitabat v.sp.h. 1092 davon nur die reste
der obei'sten striche, aus denen sich die übereinstimmwig mit dem ge-
wöh?iliehen texte erkennen lässt 1178 davofi nur die untersten spitzen
1179 über suspecta steht ;^mda vom ersten corrector 11S2 über
expgendo steht sce vom ersten corrector von 1184 7iur ein par
spitzen 1205 7iur die untersten spitzen 1208 M ist grö/ser ah
gewöhnlich
348 ALTDEUTSCHE FUISDE AUS liNISSBRUCR
14'' 1249 SoUicit'q; fui quorsü tua munera l'erre.
1250 Nä p ignotas dixi pgeüs regiones.
FraiicoiTi uereor haganooe supstite nullu.
Obsecro p ludos resipiscis iä pueriles?
Vnanimes quib' assueti tuim'q; periti.
Et quorü cultu primos attriuim' annos.
1249 über quorsü steht war v. sp. Ii. 1251 über superstite
steht V. sp. h. uiuente 1252 in resipiscis steht das schliefsende is aiif
rasur v. sp. h. das fragezeichen aber ist vom schreiber selbst, über re-
sipiscis ist V. sp. h. (fast erloschen) si cogites gesetzt
Die erhaltenen trümmer gewähren einige auskunft über die
ursprüngliche beschaffenheit der handschrift. das gedieht Waltharius
muss sich im ganzen über vier lagen erstreckt haben, von der
ersten ist nur T"'' erhalten, das war aber nicht das innerste
blatt der läge, zwischen 1^ und T lag noch ein doppelblatt; doch
stimmt hier allein die rechnung nicht ganz, loenn man 21 Zeilen
auf der seile voraussetzt , wozu alle reste zwingen, es ist also
entweder der text nicht so beschaffen gewesen wie der sonst über-
lieferte, oder die blätter waren in anderer weise beschrieben, vor
der ersten zeile von 1% ü. 114, liegen 113 zeilen, icas dann
5 volle s.eiten zu 27 zeilen ergibt, loenn man die 22 zeilen des
prologes von Geraldus hinzurechnen darf, dann würde also das
gedieht auf der zweiten, der inneren seile eines blalles begonnen
haben, zur zweiten läge, einem quaternio, gehörten die streifen
2 — 11. und zwar gehörten 7*7'' — 8* 9* 8** 9"^ zu dem innersten
doppelblatt, zu dem zweiten 6' 6" — 6M0' 6*^ 10\ zu dem dritten
3" 4* 5" 3" 4" 5''— 3' 4' 5*= 3*^ 4'' 5^ zu dem vierten, also dem äufsersten
blatte die streifen 2" 2"" — 2' 11' 2'' U''. dieser quaternio schloss
mit V. 888 und fieng wahrscheinlich mit v. 457 ati. ihm folgte
eine dritte läge, wider ein quaternio, von loelchem wir einen rest
ans der zweiten hälfte des innersten blalles besitzen, nämlich den
streifen IS'**, einen stieifen aus dem nächsten blatte, nämlich \T
12*" — 12'' 12'' und einen aus dem drillen gegen aufsen hin, 14' 14''.
schloss diese drille läge mit v. 1320, so beanspruchte das gedieht
noch tmgefähr 5 seilen einer vierten läge, die Wahrscheinlichkeit,
dass auch die erste läge ein quaternio gewesen sei, ist ziemlich
grofs; doch da ist, wie gesagt, nicht alles in Ordnung.
Die neuen bruchslücke gehörten zu einer hs., welche der Über-
lieferung im Brüsseler codex B am nächsten verwandt ist. das
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INISSBRUCK 349
ergibt sich schlagend ans den stellen : 293.468.9 (tvo die Ordnung
der beiden verse gleich der von B ist). 534. 549. 618. 700. 823.
824. 1206. die nenen fragmente, welche ich vielleicht am zweck-
mäfsigsten (entsprechend dem verfahren , das Wilhelm Meyer ein-
schlug, Sitzungsher. der bayr. acad. der wissensch., philos. histor.
classe, 1873 s. 362) als 1 bezeidine, geben vermöge ihres alters
und ihrer trefflichkeit ein gewichtiges Zeugnis für die bevorzugung
der Brüsseler hs. B ab. dieser ist es ja eine zeit lang übel er-
gangen, sowol Peiper in seiner ausgäbe (mit genauen collationen,
Berlin 1873) als Holder in der von ihm mit JVvScheffel veran-
stalteten (Stuttgart 1874) haben B zurückgedrängt und ihre texte,
wenn auch nicht ohne inconsequenzen , vornehmlich auf die Karls-
ruher und Stuttgarter hss. aufgebaut, sie sahen den prolog des
Geraldus, welcher in der gruppe der Brüsseler hs. (wahrscheinlich
auch in I) erhalten war, als das Zeugnis einer durchgreifenden
Umarbeitung des ursprünglichen Werkes von Eckehard an und be-
trachteten eben darum hss. ohne diesen prolog als die besseren, ist
nun bei'eits Pannenborg in seiner recension der Peiperschen aus-
gäbe (Gott. gel. anz. 1873 s. 1121 — 1141) mit erfolg für den wert
der Brüsseler hs. eingetreten, so hat, meiner ansieht nach, Wilhelm
Meyer in der erwähnten abhandlung (vgl. auch EMüller, Zs. f. d.
ph. 9, 161 ff, dem K und S nicht imbedingte autorität zu be-
sitzen scheinen) es aufser allen zwei fei gestellt, dass die Brüsseler
hs. einem kritischen texte fortan zti gründe gelegt loerden muss,
und hat auch die vielfach behandelte stelle in Geralds prolog
lichtig gedeutet, als eine stütze dieser auffassung darf man das
Verhältnis der neuen fragmente zu der bisher bekannten Über-
lieferung ansehen.
Mit der Stuttgarter hs. stimmt 1 ein par mal in fehlem:
141.495. 1020. außerdem hat I auch eigene fehler: 494 specu,
aber erst durch tilgung des vorhandenen s entstanden. 849 Flectert
statt Flectere. 879 fehlt que nach clamor. 1019 ad für at.
1046 ad letha statt alhleta. 1064 fehlt citius. 1182 exper-
gendo statt expergiscendo. 1250 fehlt que nach Nam. — dagegen
finden sich in I folgende eigentümliche , sehr zu beachtende lesarten:
319 traxitque gegen retrahitque. 496 est nach statio haben die
anderen hss. nicht. 523 coirent für cierent teilt I nur mit der
alten Wietier hs. 725 gibt I allein die richtige namensform
Werinhardus. 754 At gegen Sed der übrigen hss. 794 hat I
350 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
nur mit der Trierer hs. morie gegen inore der übrigen hss. 795 evi-
tabitur gegen vilabitur der übrigen hss. 834 ierienti gegen lerientem
der übrigen hss. 851 ligaiU ge^en legiint der übrigen hss. 10431
allein hat hie nach mucronem. 1252 hat I allein resipiscis (gegen
lesipiscilo) tind auch allein das fragezeichen am ende des verses,
wie es Scheffel mit richtiger eingebung an der stelle seiner Über-
setzung angewandt hat.
Die lateinischen und deutschen glossen , welche in die hs. wäh-
rend des XII jhs. eingetragen wurden, scheinen mir darauf hinzu-
deuten, dass 1 einige zeit hindurch beim unterrichte gedient hat
oder loenigstens dazu vorbereitet wurde.
n
Vier streifen starkes pergament , von denen jeder die hälfte
eines der quere nach durchschnittenen doppelblattes bildet. 1 tind
3 sind 6 cm. hoch, 2 und 4 dagegen 6,6 cm., die breite eines
blattes ist bei den streifen gleich (bis auf das knapp zugeschnittene
stück 2'"^) und zwar 8,5 cm., für das doppelblatt also 17 cm. in
1 und 3 ist der obere erhaltene rand nur 1 cm. breit, in 2 und 4
hat der untere rand 2,1 cm. breite, von 5,2 bis 6 cm. schwankt die
breite der schriftzeilen. die höhe der vollständigen blätter also
beträgt nur 12,6 cm., das format ist ungewöhnlich klein, etwa dem
der Grazer hs. von Heinrichs Litanei ähnlich, trotzdem sind die
buchstaben grofs, die sieben Zeilen in 3 sind 4,5 cm. hoch, ein buch-
stab mit Unterlänge misst 0,5 cm., wenigstens 20 buchstaben füllen
die zeile, ungerechnet die abkürzungen.
Die Schrift ist gewis älter als die mitte des xii jhs. die Zeilen,
deren zahl zwischen 16 und 18 auf der seite schwankt, sind ganz
gerade geschrieben, aber von den wahrscheinlich eingeritzten linien
ist keine spur mehr wahrzunehmen, die verse des gedichtes, dessen
klägliche bruchstücke wir in diesen streifen vor uns haben, sind
nicht abgesetzt , doch folgt auf jeden vers ein punct. der anfang
eines reimpares wird durch einen capitalbuchstaben ausgezeichnet,
der mit einem roten strich oder mit roten puncten (zb. in den
füllungen eines B oder S) verziert ist. große rote geschmückte
initialen bezeichnen den anfang der abschnitte, beim schluss eines
solchen füllt zweimal den übrigen räum der zeile ein rotes oo aus.
die Schrift ist sehr schön und sorgfältig, auch die zeichen über
ALTDEUTSCHE FüiNDE AUS IiSNSBRUCK 351
den einzelnen vocalen und die abkürzungen sind mit grofser acht-
samkeit ausgeführt.
Die beiden durchschnittenen doppelbldtter gehören zusammen,
3* schliefst sich unmittelbar an 2*", V setzt A'^ fort, ich halte es
auch für fast gewis, dass zwischen 4"* und 3'^ nichts fehlt und
dass uns also in diesen fragmenten die beiden innersten blätter
einer läge erhalten sind, nach der gestalt der streifen scheint der
buchbinder das doppelblatt l. 2 sowie das verkehrt darüber gelegte
doppelblatt 3. 4 mit einem schnitte in zwei stücke getrennt zu
haben, die streifen 1 und 3 sind auf den rücken der incunabel
~» geklebt gewesen, ähnlich muss es auch 2 und 4 ergangen
sein, welche, vor langen jähren abgelöst, mir nachträglich mit-
geteilt worden sind, doch lässt sich nicht mehr angeben, in welchem
einbände sie verwendet waren, alle streifen wurden vom buch-
binder umgebogen, ihre nach auj'sen gekehrten Seiten sind sehr
stark abgerieben, sodass nur spuren von buchstaben zurückblieben,
dort, wo die streifen über die kante gelegt icaren, ist das pergament
völlig durchgescheuert und sind längliche löcher entstanden, es
bedurfte wochenlanger bemühung , um die beschädigten Seiten genau
und vollständig zu lesen.
Ich lasse nun den abdruck der bruchstücke folgen, wobei ich
die verse absetze, die Zeilen der hs. durch verticale striche unter-
scheide, f mit s vertausche, sonst jedoch alles der Überlieferung
gemäß widergebe, ergänzungen waren nicht notwendig, die ab-
kürzungen, welche ich nicht aufgelöst habe, sind durchweg sehr
einfach, in steht immer für inde wie im nrh. Albanus (Lachmann,
Kleinere Schriften 1, 523 /fj, dessen äufsere einrichtung überhaupt
der unserer fragmente sehr ähnlich ist. am häufigsten ist ' für
er, es steht 46 ma?. ein horizontaler strich, über einen vocal ge-
setzt, bedeutet a in 14, m in \b fällen (wahrscheinlich auch 132
vircigiste). über m ergänzt er dieses zu meii v. 4, zti man 62.
119. in lateinischer iceise ist qi 93 aus quit verkürzt.
(r) sunden si ioculdeu.
Dad si nit | Twolden eeren.
iren rehten | scheiifere.
Des quam si i grojze not.
5 d* cos manier den | dot.
2 f die zzveite zeile ist durchgerieben und schwer lesbar
352 ALTDELTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
Als wir id wale vvizzen. |
dad si slangeü bizzen.
In d' I igein^ genas,
d^ van in gebizjzen was,
10 Biz moyses d^ vrone | bode.
hiz niahcben na godes | (2^) geliode.
Einen erennen slan|gen.
d' wart vil ho gehangen. |
Gröz wund^ da geschach.
15 so wer I den slangen ane sach.
So wie I so er gebizzen was.
van sinre | gesihte er genas.
D^ slange | (P) beceichende den godes sun.
d^ ( vns is dad wäre arcedum. |
20 "Tjad israelische lüt.
dad leid | uil manie not.
Biz ir gesieh |te besaz.
dad lant dad T gege|ven was.
Nabuchodonosor d^ | cüninc.
25 d^ v^sante si sint.
W I ein wazzer heizet lygris. |
so missehatten si des sich.
Dad I (2'^) si vor de rven.
die vröne alle|lvia.
30 In mohten nie gesingen. |
in deme eilleinde.
Biz du sie|vencech iare.
alle vüre waren. |
In hin d^ ürlof bequä.
35 du Hede | wif iü man.
Wied^ an hir | (3^) eirve.
b ff' die lelzle7i Zeilen des Streifens stark abi^et'iebeti lAfdie zeile
ist arg' durchgerieben , der anfa7ig katmi zu lesen 16 ff von hier bis
zum ende der seite verdecken die reste des leders, auf welches der
str ei fe7i geklebt ivar, die buchstaben , dürfen aber nicht entfernt werden^
da sonst die buchstabenspuren mitgehen 19 die zeile ist durchgerieben
21 in dad steht oberhalb zwischen a und dem schlief senden d ein
zeichen , welches aussieht wie .- . i 27 die zeile ist mitten entzwei ge-
schnitten ^l f die zeile ist durchlöchej't ^\ ff teilweise verklebt
3** ist sehr stark abgej'ieben und die b7ichstabe7i sind stellenweise
imr schatten
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INISSBRUCK 353
si lieden maoie sorge. |
AI biz in qua d^ Cirlot.
du sunigen si den godes lof.
40 Die sch6| ne allelvien.
ce einen oslMichien vröeden.
Die hir vil ma|nie arbeit.
begeit noch alle | die cristeneit.
"Tiie vorcei|chen manie.
45 die sint uns | (4') lanc ce sagene.
Die da dCi ge|schieden.
in vil manien getijden.
Vau noe biz an dauid. |
is id als dad buch quit.
50 Id sa[get uns er were vveirlich. |
iii vvied^ vuele gnedich.
lii I saget och da bi.
dad er des | (3'') cunnes uad' si.
Zu de geistli|che qua.
55 de nie sunde inge|vvan.
Des d^ duvel nit !can|te.
wie in sin vad^ sanle. |
Vnd' der vroue bodeschat. |
da bedekkede die godes craht. |
60 Den angel in d^ vuna.
T mi|rabili natura.
Dad höret | (4'') m lesen schone.
T libro genial tionü.
Vns saget van | ald^e die buch,
d^ manier | wund^e genuch.
D^ sich die | heidenne diede.
vvilen genie|ten.
Bit groze vrluge.
si I stihten manie bürge. |
70 (3') Da gewan er anegeiuue.
46 nach da ein verticaler strich in halber höhe der buchsiaben
55 in sunde ist e oben an d gehängt 64 m einer falte, stark be-
schädigt, wie überhaupt der rest des Streifens 65 — 69 durch die
mitte dieser zeilen erstreckt sich eine falte im pergament , welche schon
ursprünglich vorhanden gewesen sein muss, ioeil der Schreiber ihr aus-
gewichen ist 70 zwei löcher ins pergament gerieben, welche das
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 23
N;
354 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
(lü I wuhs er \mV mannen.
Sine I cunft was so wund^licli.
wie I möhte it sin gelichl
Dad salget dad evangeliü.
(5 T pncilpio erat übü.
'u solin wir alle | schone,
loven die maget vrone. !
Die des wirdich mohte sin.
dad I (4') si vnsen drelitiu.
Sü Vnd^ iren | brüsten solde dragen.
si is beide | müd' in maget.
Na meinschllichen dingen.
si ginc bit te [ kinde.
Biz si irvulte ire cit. |
85 is id als die buch qt.
Du muste | da ce bedleem.
die lieve gehurt | (S**) also irgeen.
Id was ein michel ] wund\
dad die magit ivnge. |
90 Gebar ein kint an alle wiseit. ]
des gewalt so michel is iii breit. |
T\ü was zu d^ erden gehit. ^
-^d' I himel als die buch qt.
Du I sich irögende dad godes kint. |
95 dad loveden die eingele sTt. |
(4^) Si sungen wunnencliche, |
dad got d^ vil riche.
lemer gelo|vet were,
in (1^ ovster höhe. |
100 In hie an d' erden.
sckluss-e von anegeinne fast verschlungen haben 75 f in einer falte
und beschädigt, durch wir ist ein loch gerieben 19 f der schnitt
geht dw'chs obere drittel der buchstaben 81 f in einer falte, arg
zerstört, auch reicht von hier bis 84 ein augenloch im pe?'gament, das
früher zugenäht war. Jetzt ist der faden nicht mehr vorhanden
S^ ist bis 94 sehr schlimm zugerichtet , die tesung ist teilweise unsicher,,
zb. sind von der grofsen roten initiale 92 7iur etliche Schnörkel am rande
erhalten 87 das o von also ist fast verloren, vgl. zu 70 . 88 michel
unsicher, ebenso 89 ivnge, 90 wiseit 93 die buch qt ist fast er-
loschen 96 die zeile ist mitten entzwei geschnitten
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK • 355
vriede | muste werden.
Den livden | bit güde willen.
si loveden | got bit rainnen.
Dad er her | (T) an dise werlt qua.
105 in doch nie | sunde igewan.
lii vns ce tröste | wart gesät.
si brahteo im eijnen uven sanc.
Dad vrone lof | himelisch.
gta T excelsis. |
litt Tker eingel cunte mere. |
wie da boren were.
Ein j himelcüninc ivnge.
die hirjde hin da vnnden.
lü einer crip|(2'}pe geiaht.
115 vor de vie was er ] bedaht.
De esele in de ohseu. |
d* godes sun gewisse.
Dar na | qua d* ahte dach.
so lii des in d^ | ald^ ewen plach.
120 Du wart er | circücisus,
sine müd^ nanten ihs. |
(1*^) Dri cilninge in wiseden. |
bit beceichenlichen gaven. |
Drt leite si d^ st're.
125 si brahten | van v^re.
NYiröch mrre | in golt.
si waren im Tnen|cliche holt.
Si daden id im ce | eeren.
wauder is rex regü. |
130 In erden iü in himele.
sine I gewalt is drüve.
An de vircig|(2''Jisie dage.
107 ich habe lange gezweifelt, ob iwen (verschrieben aus niwen?)
oder uven zu lesen sei Wif die zeile ist im obereyi drittel durch-
schnitten, von dem ganzen streifen 2<=. 2'i ist der rand rechts (bezw.
links) so knapp weggeschnitten, dass überall nocli ein Stückchen des
letzten buchstaben am ende der Zeilen mitgenommen wurde 123 auf
einer falte, abgerieben und sehr schwer zu lesen, ebe?iso der gröfsere
teil V071 1^ 1 28 id ist übergesetzt tmd durch ein zeichen eingeschaltet
2^ ist stark abgerieben , die lesung stellemveise unsicher
23*
D!
356 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
bil ollere löste in | die mage.
Did Sit beceicheolliche dioc.
135 dad wäre offer was | dad godes kiot.
|ü wüs dad kint edele.
in I meinschliche bilede.
13S In was I
135 dia'c/igerieben und unsicher 138 die letzten worte sind
verklebt und ?i7tr schwer zu erkennen
Um die heiinat und entstehungszeü dieser aufzeichnung näher
zu bestimmen, wird eine grammatische analyse derselben vorgenommen
werden müssen, ich vergleiche dabei die einzelnen erscheinnngen
mit den entsprechenden des mhd. und füge aus Weinholds Mhd. gr.^
die Ziffern der paragraphen bei, in denen sie sich besprochen finden.
Bemerken will ich zunächst, dass über den vocalen verschiedene
zeichen stehen, der gewöhnliche circumflex findet sich 29 mal über
langen vocalen, Imal über contractionen : nit 2, it 73. über kurzen
vocalen steht er 12 mal, darunter Smal über u (loobei er Imal
den umlant bezeichnen könnte, vgl. tygris 26), einmal über o vor
h 73, ^mal über \ vor liquiden 93. 113. 137. ei liest man 18.
44, ie 67. ein zweifelloser acut steht in rven 28, vröue 29, ilede
35, principio 75, der wol die länge des vocals andeuten konnte,
während er in cüninc 112 auf die zweite hebung in diesem worte
weist. i6mer 98 und ni6 105 sind wol die vocale des diphthonges
getrennt worden, zu dem ganzen vergleiche man übrigens die
darlegung von Busch, Zs. f. d. ph. 10, 131 f.
Hd. ö entspricht erhaltenes germ. ä in wale 6. van 9. 17. 48.
64. 125. Weinh. 30. der umlaut von a erscheint mehrfach als
ei : scheilTere 3. eilleinde 31. eirve 36. meinschlichen 82. 137.
eingele 95. eingel 110. Weinh. 29. daher wird die annähme
von Busch aao. 291 f nicht gehalten werden können, eingel in
seinem Legendär des xu jhs. sei Schreibfehler, weil nach Braune,
Zs. f. d. ph. 4, 273 der nachschlag eines i heim umlauts-e sich
erst im xmjh. von der Kölner gegend aus verbreitet habe. —
hierher gehört wol auch begeit = heget 43. Weinh. 357. — für
hd. 1 zeigt sich ei : anegeinne 70. Weinh. 48.
Der umlaut von ä wird durch 6 bezeichnet: scheilTere 3.
were 50.98. 111. gnedich 51. mere 110. Weinh. 93. — ein-
mal erscheint ei : weirlich 50. Weinh. 95.
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK 357
Hd. 6 icird durch ee gegeben: eeren 2. 128. irgeen 87. nicht
hierher gehört bedleem 86.
Für hd. e stellt i in den prä fixen in-, int-, ir- (doch vei-
sante 25), bei in = eu, afeer in den Suffixen nur solio 76. magit 89.
Weinh.Sl. — immer in==inde = Ärf. unde WemA. 327.
Hd. I toird ie geschrieben: sievencech 32. wieder 36. 51.
lieden 37. vriede 101. Weinh. 48. dagegen erscheint i für
ie:hiz 11. ginc 83. vircigistem 132, also drei fälle gegen 31
echte ie. Weinh. 134.
Für hd. ö loird o geschrieben: österlichen 41. tröste 106.
schone 40 als adj., aber schone 62. 76 als adv. Weinh. 113.
Hd. ou bleibt: uch 52. irögende 94. wiröch 126. — vröe-
den 4 1 .
u tritt ein für hd. iu : lut 20 (aber Hvden 102), rven 28.
diivel 56. vrluge 68. (D)uwen 107. — du n. pl. neutr. des
artikels 32, sonst 44. 45. 46 die. Weinh. 132. — für hd. uo:
arcediim 19. buch 49. 64. 85. 93. genuch 65. müder 81. 121.
muste 86. 101. guden 102. wuhs71. wus 136. — gewis steht
einige male zu für hd.iuo, nicht für ze, zb. 92. Weinh. 140. —
du erscheint für hd. i\ö zehnmal. Weinh. 114. —
Consonanten der dentalgruppe : den hd. t und d (atis germ.
d und \i) entspricht d nach liquiden in 23 fällen, diesen steht t
nur in den syncopierten praeteritis der schwachen conjugation ent-
gegen: versante 25. incante 56. sante 57. irvulte 84. cunte
110. nanten 121 (vgl. missehatten 27. leite 124). nach s wird
nur t geschrieben: W fälle, nur ht: \2 fälle, im inlaute ist
nur d vorhanden, gegen hd. t, in 33 fällen. — arcedum 19. —
Weinh. 188. — aber genieten 67. — im anlaute findet sich stets d
(== germ. {)) icie im hd. Qmal und in 25 dad. gegen das hd. t
(germ. d) in dot5. duvel 56. drehtin 79. dragen 80. dach 118.
daden 128. druve 131. dage 132. Weinh. 187. — einmal steht
t gegen hd. d, aber wol nur durch assimilation : bit tem 83.
Weinh. 198. — im auslaute steht d nur: leid 21. Weinh. 190.
aber sonst überall t verschiedenen Ursprungs in mehr als 40 fällen. —
bit 68. 83. 102. 103. 123. 133. Weinh. 190. 192. — t fällt ab:
bodeschaf 58. mage = maget 133 loird dagegen wol nicht als ab-
fall von t, sondern nur als Schreibfehler aufzufassen sein, wenig-
stens führt Weinh. 200 kein beispiel ähnlicher art (nach vocal) an. —
germ. t, hd. z erscheint im auslaut als d in den 25 dad, dann in
358 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
did 134. id 6. 49. 50. 85. 12S. Weinh. 190 vgl. 197. als t:
getiden 47. Weinh. 196. aber cit 84. — dagegen wird germ. l
zu z verschoben im atislaut und inlaut: hiz 11. biz 10. 22. 32.
38. 48. 84. hesaz 22. — groze 4. grozem 68 (Weinh. 205).
wizzen 6. bizzen 7. gebizzen 9. 16. wazzer 26. beizet 26. —
z wird durch c gegeben: beceicbeude 18. arcedum 19. sieveu-
cecb 32. vorceichen 44, cit 84. beceichenliche 123. 134.
vircigistem 132 und in ce 41. 45. 86. 106. 128. Weinh.
203. 205.
Über die labialen ist nur weniges zu bemerken: einmal steht
nnverschobenes p : plach 119. Weinh. 165. Kettner, Zs. f. d. ph.
9, 311. — für hd. pf erscheint IT: scbeiflere 3. offere 133. 135.
Weinh. 175. — inlautendes hd. b zwischen vocalen erscheint durch-
aus als V : gegeven 23. uver 26. sievencech 32. eirve 36.
uvele 51. loven 77. lieve 87. loveden 95. 103. gelovet 98.
overster 99. gaven 123. Weinh. 176. — im auslaut tritt dafür
f ein: urlof 34. 38. wit 35. lol 39. 108. Weinh. 177. — für
w wird V geschrieben: vuna 60. (u)uveu 107. druve 131. — für
f findet sich b vor t : stihten 69. craht 59. Weinh. 236. 243.
Gutturale, wie hd. erscheint c im anlaut: cos 5. cuniac
24. 112. 122. cristeneit 43. cunnes 53. iocante 56. cuoft 72.
cunte HO. crippe 114. k nur in kint 83. 90. 94. 135. 136.
Weinh. 229. — kk entspricht im inlaut hd. ck : bedekkede 59.
Weinh. 231. Kellner aao. 312. — g steht im anlaut und inlaut
wie hd. — c aus tg : inculden 1. Weinh. 226. 229. — iugeiner 8.
W^einh. 222. — qu vertritt k : quameo 4. quam 38. 54. 104. 118.
Lequani 34. quit 49. 85. 93. Weitih. 229. — g fällt aus oder
wird aufgelöst in allen formen von manec : manier 5. 65. manie
21. 37. 42. 44. manieo 47. Weinh. 225. — hd. ob bleibt
im inlaut und auslaut in 20 fällen, dazu inabcben 11. vgl. Weinh.
235. Braune, Beitr. 1, 24. — es erscheint auch ch für hd. c
im auslaut: sievencech 32. gnedich51. genucb 65. vvirdich 78.
dach 118. placb 119. Weinh. 231. Braune, Beitr. 1,24 atim. —
ch fällt ab im auslaut nach langem vocal: na = hd. nach 11. 82.
ho = hd. höhe 13 (aber subst. hohe 99). Weinh. 246. — h fällt
aus vor t:nit 2.56. it 73. vor s : wus 136, aber wuhs 71.
zwischen vocalen: vie 115. in dem suffix -heit : cristeneit 43.
wiseit 90. Weinh. 244. 245. — gutturalis wird zu h vor t: gelabt,
bedaht 114. 115. Weinh. 243. 390. — h tritt ein für f vgl. oben.
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK 359
Aus der formenlehre ist folgendes zu erwähnen: voller vocal:
wunoa : natura 60 /". van aldere 64. jjZwr. wundere 65. Weinh.
454. — nom. plur. jare im reime auf waren 32. Weinh. 454. —
die feminina erde und minne, sowie bemerkenswerter weise e sind
in die schwache declination ühergegangen: zu der erdeu 92. an
der erden 100. in erden 130. bit minnen 103. in der alder
ewen 119. Weinh. 461. gewalt ist fem. (91) 131. ebenso h\xc\\
(64) 85.93. aber neiitr. 49. iremA.310. — sterre 124. Weinh.
214. — beim adjectivum erscheint e für iu in der endung: be-
ceichenliche dinc 134. Weinh. 507. dasselbe ist dmal bei sine
der fall: 72. 121. 131. Weinh. 504. — das adjectivsuffix -in
erscheint zu -eu geschwächt: erennen 12. Weinh. 274. — e m,it
dem abkürznngsslrich löse ich als em auf im dat. sing. masc. neutr.
der starken adjectiva (68. 83. 102. 132. 137), obschon dem dialecte
nach en auch möglich gewesen wäre, vgl. Heinzel, Gesch. d. nfr.
geschäftsspr. s. 363 /". Weinh. 505. — auf den bestimmten artikel
folgt vor dem Substantiv die starke form des adj.: die schöne
alleluien 40. die liir vil manie arbeit 42. der manier wun-
dere 65. in der oversler hohe 99. in der alder ewen 119.
vrone 29. 58. 77. 108 gehört natürlich nicht hierher, doch
könnte die lieidenne diede 66 metathese sein, einige fälle stehen
entgegen, so besonders das neutr. sing.: dad wäre arcedum 19.
dad israelische lut 20. dad wäre öfter 135. aber auAiih masc.
sing.: der ahte dach 118. zweifelhaft an dem vircigisten dage
132. — nach ein steht das schwache adj.: einen erennen slan-
gen 12. einen (u)uven sanc 107. nnflectiert: ein niichel wun-
der 88. — nachgesetztes attrib. adj. flectiert schwach: die raagit
junge 89. ein himelcuninc junge 112. dad kint edele 136. —
die vnrceichen manie 44. got der vil riche 97. Weinh. 253.
254. — vorangesetztes attrib. adj. ist flexionslos: groz wunder 14.
Weinh. 509. — praed. adj. druve 131. sonst flexionslos: 45. 72.
73. 78. 91. — unflectiertes alle 33. 43. Weinh. 508. — das
Personalpronomen er wird regelmäfsig gebraucht (Weinh. 476
s. 518), im dat. sing, steht im 107. 127. 128, der acc. sing, lautet
in 122. 133, aber hin 113; gen. plur. ist hir 36. 42, dat. plur.
hin 34. Weitih. 476 s. 520. Kettner aao. 317. — si ist die
alkin gebräuchliche form. — beim artikel ist der gewöhnlich, de
steht 55. Weinh. 482. die vertritt den nom. plur. überhaupt, auch
neutr. 44. 45, aber du 32; im sing, steht es auch für diu 59.
360 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
87. 89. 133. Weinh. 382. 384. — ir wird als Possessivpronomen
dediniert: acc. sing. masc. iren 3. fem. ire 84. dat. plur. fem.
iren 80. oöer ir bezieht sich auf ein neutr. sing. 22. hir a%if
einen gen. plur. 36. 42. Weinh. 481. — unsen drehtin 79.
Weinh. 480. — dat. plur. einen 41. — so wer 15. so wie so
16. — ingeiner 8. Weinh. 492.
Das praet. plur. des hd. starken verbnms geschehen lautet
geschieden im reim auf getiden 46, aber geschach steht im reim
auf sach 14. Weinh. 424. — schwache verba haben zum teil
syncopiertes praeteritum, siehe oben bei t, Weinh. 387, zum teil
volle dreisilbige formen mit d : ilede 35. bedekkede 59. loveden
95. 103. wiseden 122. Weinh. 382. 388. — missehatten 27.
Weinh. 154. 394. — geiaht : bedaht 114/". Weinh. 390. — con-
trahiert: quit 49. 85. 93. Weinh. 52. — der dat. des inf. mit
einfachem n : sagene 45. Weinh. 400. — regelmäfsig steht is für
hd. ist. Weinh. 364.
Die Präposition bit = hd. mit steht durch: 68. 83. 102. 103.
123. 133. Weinh. 161. Busch, Zs.f. d.ph. 10, 303. — kein uuz, aber
biz 10. 22. 32. 38. 48. 84. — adverbial ane 15. vure 33. die
einsilbige form als 6. 49. 85. 93. also 87. — die adverbia haben
gewöhnlich -liehen, nur -liehe 127. — syncope von ge-:gnedich
51. Weinh. 79. ge- ist ganz abgefallen : boren 111. Weinh.dld. —
sinre 17. — er ist mit vorausgehendem wände zusammengezogen:
wander 129. ferner: mohtem = mohte im 73. nanten = nante
in 121. vgl. Kettner aao. 316.
Nach alle dem gehört die aufzeichnung des Innsbrucker frag-
mentes dem dialecte an, welchen Braune, Beitr. \,^ff als mittel-
fränkisch bezeichnete, sie wäre gemäfs Heinzel, Gesch. d. nfr.
geschäftsspr. dessen mundarten iv oder vi beizuzählen, also der
Kölner gegend. die eigentümlichkeiten der declination und conju-
gation stimmen mit den angaben, in denen Heinzel s. 363 /f das
characteristische seiner mundarten iii — vi zusammen fasst. das ist
auch das allgemeine ergebnis der vergleichung mit dem durch die
citate aus Weinholds Mhd. gr. bezeichneten material. das neue
stück zeigt in seiner lautgebung zu keinem anderen denkmale
nähere Verwandtschaft als zu dem Annoliede. und zwar nicht
bloß im großen und ganzen sondern auch in wichtigen einzeln-
heiten, zb. äd für (\ö , geschieden, wander, -e für -iu usw. man
vergleiche die Zusammenstellung Kettners Zs. f. d. ph. 9, 305 ff.
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS LNiNSBRUCK 361
dadurch jedoch , dass das Annolied noch volle vocale in den endungen
aufweist, auch i /"»?• e in den Suffixen hat, erhält das Innsbrucker
stück im vergleich dazu ein erheblich jüngeres aussehen, ebenso
ist die Schreibung unseres denkmals sehr verwandt mit der des
späteren niederrheinischen brückst ückes einer Albanuslegende, Lach-
mann , Kl. sehr. 1 , 523 ff, und in entsprechendem abstände mit den
Kölner Marienliedern der hannoverschen hs. Zs. 10, Iff.
Durch den reim gescliieden : getidea wird bestimmt enoiesen
(vgl. auch bedalil: geiaht), dass der dichter des Stückes dieselbe
mundart sprach wie der schreiber; so weit ich sehe, ist nichts da-
gegen anzuführen, auch nicht der reim bodeschal: craht. unter
68 erhaltenen reimparen sind 29, also etwas mehr als ein drittel
genau, ich gehe nun die reime gruppenweise durch.
Es reimt das betonte e der endung: alleluien.-vroeden 40.
\vere:höhe 98. wiseden :gäveü 122. hiinele:drilve 130.
Unter den klingenden reimen weisen verschiedene vocale und
teilweise verschiedene consonanten der Wurzelsilbe auf: weiiiich:
gn^dich 50. eirve: sorge 36. wuuua: ualüra 60. urlüge: bürge
68. anegeinne: manuen 70. ohsen:gevvisse 116. — geschieden:
geliden 46. — in eeren : scheiffere 2 wird nur das überschüssige
ü ungenau sein, ebenso in rüen:allelüja 28. järe: wären 32. —
consonantisch ungenau sind: willen: minneu 102. dingen :kinde
82. wunder : junge 88. junge: vunden 1 12. dazu gehören noch:
schöne :generatiönum 62. eeren: regum 128 und wol auch ge-
singen:eilleinde 30. Weinh. 29. dagegen wird fte« diede:genieteu
66 nur das überschüssige n ungenau sein, genaue klingende reime
sind: wizzen : bizzen 6. slangeu: gehangen 12. incante :sante 56.
schöne :vröne 76. wunnencliche: riebe 96. erden:werden 100.
möre:were 110. sterre:verre 124. also sind unter ^0 klingenden
reimen 8 genau, 22 ungenau.
Zwei tribrachysche reime sind ungenau: manie:sagene 44.
edele:bilede 136.
Unter den einsilbigen stumpfen reimen sind genau: nöt:döt 4.
genas: was 8. 16. geschach : sach 14. uriof:lot'38 halte ich für
rührend (ohne fehler), aber für genau, vgl. Weitih. 1 1 2. 1 27 . arbei i :
cristeneit 42. bi:si 52. biich:genüch 64. wunderlich :gelich 72
(rührend und fehlerhaft), evangelium : verbum 74. sin:drehtin
78. cit:quit84. wiseit: breit 90. gehit:quit 92. kint:sint94.
geiaht : bedaht 114. dach:plach 118. circumcisus: Jh^sus 120.
362 ALTDELTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
golt:liolt 126 und loahrschetnlich David :quit 48. also 20 gegen
13 ungenaue, unter diesen sind consonant und vocal ungleich
in: sun:arcedum 18. consonanten sind ungleich: cunincrsint 24.
besaz:\vas 22. Tygris:sich 26. bequam:man 34. qiiam:gewan
54.104. bodeschaf : craht 58. Bedk^6m:irgeu 86. gesant:sanc
106. bimelisch: excelsis 108. diiic:kiut 134. vocal ist ungleich
in Iüt:nöl20. — voti den drei zweisilbigen stumpfen reimen ist
einer genau: bodergebode 10, zugleich rührend, aber nicht fehler-
haft, zwei sind ungenau: dragen:magel 80. dagennaget 132.
jedes falls ist es merkwürdig , dass drei rührende reime unter den
stumpfen auftreten; zwei davon (10. 38) sind erlaubt, einer (72)
entsdiieden fehlerhaft.
Bei dem geringen umfange des materials kann ich über den
Versbau nur loenig sagen, denn es ist nicht immer möglich, zu
entscheiden, icie ein vers gelesen werden muss. zweisilbiger auf-
tact, meistens nicht schwer, findet statt: 2. 3. 8. 12. 19. 34. 47.
52. 56. 59. 70. 72. 80. 81. 91. 100. 104. 105. 119. 121. 123.
dreisilbiger : 24. 26. 4 1 . 50. 66. zweisilbige unverschleifbare Senkung :
43. 62. 92. 102. 107. 119. 127. 128. dreisilbige: 18. 94. die
Senkung fehlt nach dem bestimmten artikel: 5. 21. 59? 64? nach
dem pronomen si 25. nach is 91. nach van 125. versetzte he-
tonung findet sich: iemer 98. under 58. cuning wird mit zwei
hebungen gelesen 24. 122. hiattis 17. 84. 105. 133. fünf hebungen
stumpf sind wahrscheinlich \S f. 90 f. 135. daraus ergibt sich,
dass in dem vorliegenden stück mindestens zwei drittel der verse
nach mhd. regel gebaut sind.
Abschnitte icerden durch grofse initialen bezeichnet, treten je-
doch nicht in regebnäfsigen abständen ein. so ist der erste un-
bestimmbar, hat aber mindestens 20 verse. dann folgen sie mit
24. 20. 12 (wofern man keine lücke zwischen 69 und 70 annimmt).
16. 18. 26 Versen auf einander, der schluss der abschnitte scheint
durch verse oder verspare von h hebungen angedeutet : 18 f. 90/'.
135, vielleicht auch 43, durch lateinische verse 63. 75. 109.
Nimmt man alles zusammen, spräche, reime und versbau,
so wird man, glaube ich, vermalten dürfen, dass dieses gedieht
in der gegend von Köln während des dritten oder vierten decen-
niums des xujhs. verfasst und bald darnach aufgezeichnet wor-
den ist.
Einige besserungen schlage ich zu dem texte vor: l l. der
ALTDEUTSCHE FUJNDE AUS IMSSBHUCK 363
Sunden si inculden. 60 l. wuuna. 85 l. id is als die buch quit.
107 ?. uCiwen. 1 26 /. mirren. 133 /. maget.
Was den inhalt betrifft, so ivird es wol nicht zu kühn sein,
wenn ich meine, dass schon ans dem format der hs. auf den ge-
ringen umfang des vollständigen gedichtes geschlossen toerden darf,
damit stimmt anderes, das gedieht behandelte im eingange bedeut-
same momente der wiirksamkeit gottes in der geschichte des Volkes
Israel, um dann eingehender bei Christi leben (und icerken?) zu
verweilen, also ein inhalt ähnlich dem des Ezzoleiches. da jedoch
in den erhaltenen fragmenten nur Christi geburt ausführlich er-
zählt wird, so schickt es sich vielleicht, darnach das stück Von
Christi geburt zu benennen.
Die gaben des neuen namenlosen dichters, der sich mit diesem
denkmal in die litter alur geschichte einführt, sind nicht grofs ge-
wesen, zwar empfindet man slellemoeise , und besonders bei der
Schilderung des haupt gegenständes , eine gewisse naive frische, aber
auch da hat die überkommene ältere technik für den Verfasser
gearbeitet, diese zeigt sich in den verschiedenen stilistischen mittein.
das epitheton steht nach dem pronomen 17 (vgl. Heinzel, Über
den Stil der alt germanischen poesie s. 3 ff), auf den bestimmten
ausdruck am ende der aussage folgt noch die Opposition: 40. 48.
61. 108 /". 116. ein satz steht statt des namens: öö ff. 10 ff. ein
substantivum statt des pronomens 15. 136. das substantivnm loird
noch durch ein demonstratives pronomen aufgenommen: 21. 45. 95.
paralleler satzbau wird bevorzugt, die bildung gröfserer sätze
geht sehr unbehilflich von statten, so muss du ^= mhd. dö ^mal
einleiten: 35. 39. 71. 86. 92. 94. 120. 124. 136. biz verknüpft
bmal: 10. 22. 32. 38. 84. ungewöhnlich ist die Verwendung von
so in der bedeutung 'so sehr' an der spitze des satzes 27. — alles
strebt dem reim zu , der offenbar nicht leicht zu finden ist, wie die
rührenden reime zeigen, darum begreift sich, dass der dichter
eine phrase, die er einmal in seine gewalt bekommen hat, gerne
von neuem anwendet, die zahl der loiderholungen ist ganz auf-
fällig, sowol einzelner worte und phrasen als ganzer verse. ich
führe an: 8 f und 16 f auch 15 und 17. — 27, 37. — 29, 40. —
29, 108. — 34, 38. — 54 ^ 104/". — 71, 136. — 82, 137. —
95, 98, 103. — 96, 107.
Es entspräche also vollständig der art dieses dichters, wenn
er vorhandene loerke ausgibig benutzt hätte, er weist selbst darauf
364 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INiNSBRUCK
hin, indem er nicht weniger als 1 mal in 137 versen eine quelle
oder vorläge citiert: 6. 49. 62/'. 64. 74. 85. 93.
Ich vermerke zuvörderst etliche einstimmungen zwischen Ch r i s l i
gehurt und dem Annoliede, welche zwar nicht auf unmittelbare
beziehungen zu schliefsen gestatten, aber doch zeigen, dass dem
jüngeren Kölner die spräche des älteren geläufig war. zu Chr. g.
6 vgl. Anno 303/", wo der reim wizzen : bizzen in demselben Ver-
hältnis gebraucht wird. — Chr. g. 8 ingeiner vgl. Anno 304. —
Chr. g. 18, die Verwendung von beceichenen findet ebenso statt
Anno 183. 189. 197. 205. 241. 255. — Chr. g. 18. 117 godis
sun vgl. Anno 62.521. — Chr. g. 22 besitzen wird in derselben
weise gebraticht Anno 376. zu gesiebte vgl. Anno 307. 365. —
Chr. g. 28 vor rüen vgl. ci rüvvin == schmerz Anno 808. — Chr.
g. 39. 107 vgl. A^mo 104. 106. — Chr. g. 45 vgl. Anno 88: so
iz witin ist ci sagine. — Chr. g. 49. 85. 93 vgl. Anno 444 : also
diz buch quit. — Chr. g. 59 vgl. Anno 850. — Chr. g. 65 ff
vgl. Anno 233 : mauigis wunderis genihte sich der selbe man und
Anno QQd f. — Chr. g. 69 vgl. Anno 143: da stiphte er eine
bürg Sit und 150. 381. 386. 483. — Chr. g. 70 vgl. Anno 19.
118. — Chr. g.l2 wunderlich vgl. Anno 324. 713. 863. — Chr.
g. 91. 131, Verwendung von gewalt so im Anno 9 mal. — Chr.
g. 94 vgl. Anno 745. — Chr. g. lll vgl. Anno 519 /f. — Chr.
^.119 vgl. Anno 851. — Chr. g. 128 ce eeren ist auch im Annol.
beliebt: 468. 471 und mehrfach. — zu dem reim 126/ vgl. Anno
475 /". — Chr. g. 135 vgl. Anno 63.
Würden es nicht schon einzelne bekannte verse nahe legen,
so müste man auch sonst unter den möglichen Vorbildern unseres
dichters zunächst — seiner bedeutnng und seines einflusses wegen —
an den Ezzoleich denken, ich verzeichne im folgenden die
stellen, an denen worte, phrasen und ganze verse zwischen Chr. g.
und dem Ezzoleich übereinstimmen, icobei ich von letzterem Müllen-
hoffs text (Dkm.'^ xxxi) citiere.
Chr. g. 10 vröne bode vgl. Ezzo 21, 4: Möyses dervröne böte
guot. 6, 7 von Johannes baptista: der vröne verböte. — Chr.
g. 10 — 13 vgl. Ezzo 20, 1 f: unt Möyses hiez den slangen in
der vvuostunge hangen. — Chr. g. 16/" vgl. Ezzo 20,9/": daz
die da lachen nämen die der eiterbiszic waren. — Chr. g. 18.
117 godes sun, vgl Ezzo 1,2: daz was der wäre gotes sun.
7, 10: do irscein uns der gotes sun. — Chr. g. 18/" vgl. Ezzo
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK 365
20, \\ f: er gehiez uqs näh den wiiutou an dem crüce wärez
lächenduom. — Chi\ g. 48 — 51 vgl. Ezzo 5, 7 — 12: öz der archä
gab uns Nöe duo lört unsih Abraham Aer
vil guote David wider ubele sin genädich. Strafsburger hs. 76. —
C%r. g. 50 weirlich w^?. £220 6, 5: der vil wärliche was. ist
in Chr. g. adj., bei Ezzo adverb, aber an einer stelle, die un-
mittelbar auf eine gröfsere Übereinstimmung folgt. — Chr. g. 52
vgl. Ezzo 22, 1 : daz was allez geistlich. — Chr. g. 55. 104
vgl. Ezzo 9, 9 f: daz was der ^reste man der sih in sunden
niene bewal. 11, 1\ f: er wuosch ab unser missetätrneheiue er
selbe niene hat. — Chr. g. 59 bedekkede vgl. Ezzo 8, 10: si
bedachte wibes missetät. — Chr. g. 58 — 61 vgl. Ezzo 15, 11:
der tievel ginite an daz fleisc:der angel was diu golheit. und
25, 1 ff. vgl. Diemer, Beitr. 6, 45 ff. — Chr. g. 63 in libro ge-
nerationum, vgl. Ezzo 19: üzzer genesi. — Chr. g. 70 aneginne.
so vermutet MüUenhoff s. 372 des reimes wegen Ezzo 16. allein
die Strafsburger hs. zeigt durch ihr angenge 3, vgl. anegenge 18.
anagenge 19. anegenge 27, bei MüUenhoff 1, 34. 35. 43, dass die
form der Vorauer hs. beizubehalten ist. — Chr. g. 1\ vgl. wahsen
in der bedeutnng 'erwachsen' Ezzo 3, 11 = Strafsburger hs. 51. —
Chr. g. 12 f = Ezzo 8, 11/; diu geburt was wuuterlich:demo
chinde ist nieht gelich. — Chr. g. 75 = Ezzo 1, 1. Strafsb. hs. 13:
in principio erat verbum, — Chr. g. IG f vgl. EzzoS,ß: des
scol si iemer lop haben. — Chr. g. 81 vgl. Ezzo 8, 7: wante
si was muoler unte maget. — Chj\ g. 90 vgl. Ezzo 8, 9: si
was muoter äne mannes rät. 8, 5: den sanctä Maria gebar. —
Chr. g. 91 ^^ Ezzo 9, 11 f: (daz chint was gotes wisheit,) sin
gewalt ist michel unte breit, vgl. 19,9/"; über die helle ist
sin gewalt, michel unte manicvalt. 24, 11: vil michel ist der
sin gewalt. vgl. Diemer, Beitr. 6, 40. — Chr. g. 92 /" = Ezzo
9, 2: der himel was ze der erde gehit. gleich darauf in beiden
gedachten das lob der engel. vgl. Diemer, Beitr. 6, 39. Dkm."
s. 436. — Chr. g. 94 vgl. Ezzo 7, 10: do irscein uns der gotes
sun. — Chr. g. 100 ff vgl. Ezzo 9, 7: wie tiure guot wille si. —
Chr. g. 104 s. 55. — Chr. g. 104 ff vgl. Ezzo 1, 4: bequam tröst
al der werlte. — Chr. g. lOS f = Ezzo 9, b f: duo sanch daz
here himelisch gloria in excelsis, — Chr. g. 110 vgl. Ezzo 10, 3:
der engel meldöt in da. vgl. Diemer, Beitr. 6, 40. — Chr. g.
113 = Ezzo 10, 4: die hirte funden in sä. — Chr. g.XM s. 18.—
366 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS IlNiNSBRUCK
Chr. g. 119 vgl. Ezzo 10, 6: do begieüg er ebr6iscen site. das
deutsche wort 'beschneiden' ist in Chr. g. nicht gebraucht, aber Ezzo
10,5. — Chr. g. 120 f = Ezzo 10, 1 f: duo wart er circum-
cisus, duo uaDteo si in Jesus. — Chr. g. 128/ der reim eren :
regum steht auch, obgleich in ganz anderem zusammenhange beim
Ezzo der Strafsb. hs. 1 f. — Chr. g. V29 f vgl. Ezzo 8, iff:
Duo wart geboren ein chint, des elliu disiu lant sint, demo dienet
erde unde niere unte elliu himelisciu here. 19,11/; in be-
chennent elliu chunue hie in erde joch in himele. vgl. Diemer,
Beitr. 6,38. — Chr. g. 1dl vgl. Ezzo 1,8. Strafsb. hs. 12:
neheiner unlriwe düne phligist. — Chr. g. 133 == Ezzo 10, 9:
mit opphere lost in diu maget. vgl. Diemer, Beitr. 6, 41. —
Chr. g. 136 = Ezzo 11, 5: duo wuohs daz chint edila. — Chr.
y. IZl = Ezzo 7,11: in mennisclichemo bilde, vgl. 2, 3/".
Strafsb. hs. 31 f.
Am klarsten wird das Verhältnis zwischen beiden gedichten
durch eine kleine tabelle, welche das eben vorgebrachte material
zusammenstellt.
Christi geburt
Ezzo
Christi geburt
Ezzo
10
6, 7.21,4.
91
=
dM f. vgl. 19,9 f.
10—13
20, 7 /.
24, 11.
16/
20, 9/.
92/
=
9, 2.
18. 117
1, 2. 7, 10
94
7,10.
18/
20,11/.
100//
9, 7.
48—51
5, 7—12.
105.55
9, 9/.
11,11/.
50
6, 5.
104/f
1, 4.
51 =
5,12.
108/
=
9, 5/.
54
22, 1.
HO
10, 3.
55 s. 105
113
=
10, 4.
59
8,10.
117 s.
18
59—61
15,11//. 25,1
ff-
119
10, 6.
63
19.
120/
^=
10, 7/.
70
16. 1,34.35.'
43.
128/
Strafsb. hs. 1 f.
71
3,11.
129/
8, Iff.
19,11//.
72/ =
S, 1 1 /.
131
1, 8.
75 =
1, 1.
133
=
10, 9.
76/
8, 6.
136
=
11, 5.
81
8, 7.
137
=
7,11. vgl.2,Sf.
90
8, 9. 8,5.
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK 367
laicht weniger als 15 verse unter 137, also ein gutes zehntel
seines bestandes, hat Chr. geb. wörtlich aus dem Ezzoleich entlehnt,
da nun auch, wie ich schon bemerkte, der aufbau des inhaltes beider
gedichte grofse ähnlichkeiten zeigt , so xoird man Chr. geb. geradezu
als eine nachdichtung , ich will nicht sagen 'freie bearbeitung' , des
Ezzoleiches bezeichnen dürfen, es erhellt daraus, dass auch in
rheinischen landen das canticum Ezzonis eine mächtige würkung
ausgeübt hat (vgl. Scherers behauptung QF 12,33). die folgerungen,
welche sich aus diesem Verhältnis für die kritik des Ezzoleiches
ergeben , stelle ich in einem besonderen aufsatze dar, der auch die
quellen beider gedichte erörtert.
Sehr merkiDürdig ist der Zusammenhang, in welchem Chr.
geb. mit dem gedichte steht, welches Müllenhoff und Scherer den
Friedberger Christ und Antichrist genannt haben, Dkm.'-
xxxiii. prüft man nämlich dort den streifen A^ der trümmerhaften
Überlieferung (aao. s. 76), so zeigt sich, dass einige der kargen
reste aus unserem gedieht zioeifellos ergänzt werden, ich gebe
zuerst mir das ganz sichere, indem ich das fragment des Friedb.
Chr. antiqua, die ergänzungen aus Chr. geb. 11 — 81 cursiv drucke.
du xouhs
14 er uuder mannen. Sine cunft was so wun
15 derlich. loie mohte im iht sin gelich. Dad sa
16 get uns darf eicangehum. in principio erat verbum.
17 IM u sole wir alle schone, loven die maget vrone (die gotj
18 'ivv/e\(te)
19 do gol \\(olde) — tcirdich mohte sin. dad si unsen dreh-
tin. under
20 ir brüsten solde dragen. si is beide müder
21 vii maget (so ist für mageu zu lesen).
matt sieht, die ergänzungen von 17 und 19 können nicht den ge-
nauen Wortlaut treffen , schon weil sie mehr buchstaben auf der zeile
voraussetzen, als dies 13 — 16 und 20 geschieht, besonders lehr-
reich ist, dass der an fang des neuen abschnittes il so schöti in
beiden gedichten übereinstimmt, wahrscheinlich ist auch die er-
gänzung von
9 (daz was der ereste)
10 man. der noch nie sunde ingewan.
368 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
wobei die von 10 aus Chr. geb. 105 (= 55), die von 9 aus Ezzo
9, 9 entnommen ist. vielleicht denkt man aber auch für 10 besser
an Ezzo 9, 10: der sih iii sunden niene bewal. — ist 13 nach
megede zu ergänzen: io meauisciichemo bilede Ezzo 7, 11. Chr.
geb. 137? — und kann man 11 ane alle durch wiseit ergänzen,
wie Chr. geb. 90 hat, oder (ane alle)ii mauues rät, loie Ezzo 8,9
an die hand gibt? — nebenbei: vielleicht ist Q f so zu ergänzen:
6 Nu scribe? uns von Christe. ewangeli
7 sta.
Sehr nahe liegt die Versuchung, den anfang des streifen A^
(aao. s. 75) aus Chr. geb. 58—61. Ezzo 15, W ff. 25, 1 ff zu
vervollständigen, aber ich komme über raten nicht hinaus, so
möchte ich lesen
A^2 des waren.
3 godes craht. daz querder was du menwescheit. der
4 angel was diu gotheit.
und ist 5 mit vielleicht der anfang von in mirabili natura Chr.
geb. 61?
Aber auch sonst noch finden berührtmgen zwischen dem Friedb.
Chr. und Chr. geb. statt, ich stelle sie zusammen: Chr. geb. 27
vgl. Friedb. Chr. P 54: daz si sihc missehebeden. — der aus-
druck dragen Chr. geb. 80 wird Friedb, Chr. P 2 auch vom
Antichrist gebraucht: in sal dragen ein wib. — Chr. geb. 55. 105
vgl. Friedb. Chr. C^ 1 ff: noch sunda enkeine nine häd neweder
6rre mal noch sint, necheinü so suntlichü dinc. — Chr. geb.
110 ist fast = Friedb. Chr. P 5: daz m6re cunten si dö. —
Chr. geb. 117, die Verwendung von gewisse, vgl. Friedb. Chr.
P 3. (ja 95_ _ ^/,^_ ^gj_ 122 vgl. Friedb. Chr. £"21. — Chr.
geb. 129/" vgl. Friedb. Chr. A^ 1: der dö weidet alles, der erdun
joch des himeles.
Jedesfalls also — so muss man die zuerst dargelegten er-
gänznngen wol deuten — ist auch der Friedberger Christ und
Antichrist durch den verf. von Chr. geb. reichlich benutzt worden,
da überdies an den genannten stellen Chr. geb. widerum starke
entlehnungen aus dem Ezzoleich aufweist, so sind auch dieser und
der Friedberger Chr. und Antichr. viel enger mit einander ver-
bunden gewesen, als Müllenhoff bisher (Dkm.'^ s. 385) hatte an-
nehmen dürfen.
Teilweise beruhen die vergleichungen, welche ich nun vorbringe.
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK 369
ebenfalls auf der vermittelung des Ezzoleiches. aber sie ergeben
auch einzelne unmittelbare berührungen und zeigen ferner min-
destens, dass Chr. geb. durchaus dem gedankenkreise der geist-
lichen dichtung des xii jhs., besonders aus dessen erster hälfte,
entstammt und über denselben wort- und phrasenschatz verfügt.
Chr. geb. 1 — 19. mit den Vorauer büchern Mosis 62, 3 /f'
findet keine berührung statt, trotzdem der reim Chr. geb. 14/"
geschach: sach auch dort \1 ff sich findet und ebenso der hinweis
auf Christus, hier ISf, dort 10 f vgl. Wernhers vom Nieder-
rhein Vier scheiten 60, 3 ff. Sfeculum ecclesiae ed. Kelle s. 112/'.
— 1 Sünde engelten Parz. 473, 18. — 5 den löt kiesen als eine
phrase der älteren volkstümlichen epik Mhd. wb. 1, 824''. vgl. Vröne
botsch. 580. 608. — 18. 117 vgl. Leben Jesu, Fundgr. 1, 141, 28.32.
147, 19 /f. — 20 — 43 vgl. über die babylonische gefangenschaft
das alte gedieht bei Mone, Anz. 1839 s. bbff; in den warten ist
gar keine Verwandtschaft mit Chr. geb. icahrzunehmen , wenngleich
zb. die beziehung auf die fasten hier 42 f, dort 43 ff" aus-
führlich verhandelt wird. — 25 vgl. Himml. Jerusalem, Diemer
361, 16 vom evangelisten Johannes: Domicius habet in versant
in ein ellentez lanl, in eine iselen, diu heizet Palhmos. Johannes
des priesters Adelbreht 202 f: si wurden drumbe versendet fer
in eilende bei Mone, Anz. 1839 s. 52. — 28 vgl. die Marien-
lieder der Hannoverschen hs. Zs. 10, 3, 30. — 33 vure vvesen
= 'vorbei sein' scheint nicht häufig. Wiener Gen., Fundgr. 1, 27,
d^f (= Milst. 28, 26 /"j: da chüs er sä bi daz diu flüt füre was.
schon anders Vorauer Gen., Diemer 13, 5 f: daz er irae sagete
märe, obe deu unde noh vure wäre. — 34 bekumen m diesem sinne
und gefüge gehört dem älteren mhd. und dem ahd. an, vgl. Mhd.
wb. 1, 904'' f. — 42 /■ diese Verbindung von hegen mit arbeit in
dem sinne: 'als erinnerung, als fest begehn' ist höchst seltsam und
kommt nur noch in der predigtprosa , als marler begßn, vor. auch
das DWB 1, 1284/" kennt die phrase nicht. — 47 gezit in diesem
allgemeinen sinne scheint für die ältere spräche mitteldeutsch zu
sein, Mhd. wb. 3, 913'. Lexer 1, 1004. — 52 /" da bi:si auch
Vorauer Gen., Diemer 4, 3. — 54 vgl. Summa theol, MSD^ xxxiv
17,9/": so bat er den geisllichi gebilidöt, der uusculdig durch
in wart gicrücigöl. Leben Jesu, Fundgr. 141, 11 ff: Do der da
geherbsergte der si h6te gebildete. Also geistlich, so si enphie,
so wizzet daz diu gebürd ergie. — 55. 105 de nie sunden bigau,
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 24
370 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
Der wilde mann, WGrimms Wernher 9,23. — bQ ff derselbe 7, 34/f,
besonders 8, 15/"; hie mit was der tuvil giblant unde hatten wirs
dan e bikant. 10, 3 f: want der duvil so danne was giwant,
dat he sin nit hatti irkant. — 58 — 61 vgl. Wiener Gen., Fundgr.
78, 20 ff: Du diu gotheil an sih nam die rtienoiskheit, du was
der lichname sin wal scöne; unter daz lachan giröhte er sine
gotheit dekchen. vgl Milst. Gen. 109, ]4ff. Scherer, QF 1, 53.
vgl. Summa theol, MSD^ xxxiv 13, 3 ff: er was von suadin
reini dö ächti (l. do enächli?) der viant di meinnischeit
da dir niiddi was virborgin du gotheit. daz chordir vrumit er
irhangin, mit dem angili wart er givaugin. dazu anm. s. 407.
vgl. Melker Marienlied, MSD^ xxxix 5: Ein angelsuuor geflohtin
ist, dannen du geborn bist: daz was diu din chünnescaft. der
angel was diu gotes chraft da der t6t wart ane irworgen: der von
dir wart verborgen, Sancta Maria, die ähnlichkeit umfasst also
Chr. geb. 53 — 60 und ist gröfser als mit der entsprechenden stelle
des Ezzoleichs. vgl. Wernhers Vier Scheiben *5'S, 18 — 66,12. der
ausdruck gotes kraft scheint volkstümlich. Mhd. wb. 1,871" führt
nur Parzivalstellen an. vgl. Barlaam 233, 29 f: der himel hat
bedaht mit siner kraft der geschepbede meisterschaft. Mhd. wb.
1, 295^ — 64 van aldere, dafür hat das Mhd. wb. 1, 26" nur
drei stellen aus Parz. — 65 ist sehr stark ausgedrückt , weil
aufser genüch hier noch manier beim gen. steht, dafür weifs ich
kein beispiel. von genuoc mit wunders gibt das Mhd. wb. 2',
358" f zwei fälle an aus Iwein und Pass. K. vgl. Johannes des
priesters Adelbreht bei Mone, Anz. 1839 s. bOff: der vil manigen
wunder 100. die manige genade unde wunder 122. diu manegen
grozen wunder 170. — 69 vgl. Vor. Gen., Diemer 3, 5/: vvi er
von erest began daz hymelriche stiften. Mhd. wb. 2^ 629":
stiften da z'6ren sines nameu eine burch ist das cilat 'Diemer
291, 27' in 201, 27 zu ändern. Lexer 2, 1192 hat nur ein par
späte stellen von burc stiften. — 70 vgl. Marienlieder Zs. 10, 2, 30.
Wilder mann 3, 4. Walther 78, 24: der anegenge macheu kan
und anegenge nie gewan. Barlaam 1, 9. 14: daz angenge und
daz ende — doch gewunne du sie nie. — 11 f vgl. Wiener Exod.,
Fundgr. 1, 86, 23 = Milst. Exod. 120, 13. vgl. Milst. Gen. 1,4:
dem gotes wundir ist niht geiich. Kaiserchr. Diemer 74, 15.
305, 21 = Vor. Marienlob, MSD^ xl 9 /". — 75 = Kindh. Jesu
1022. — IS ff vgl. Vorauer sfmdenklage. Diemer 298, \'S ff: Frow
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK 371
über allez daz dir ist, dich der heilige Crist des vvirdich hat be-
daht, daz du lop hast braht über alle dise erde. — 84 vgl.
Johannes des priesters Adelbreht hei Mone, Anz. 1839 s. 49 w. 61 r
Do Elisabeth eil'ulte ir eil. — Sßf ist fast = Leben Jesu, Fundgr. 1,
142,^1 ff (Diemer 232, b ff): Joseph der guete diu maget danne
fürte In di burch ze Bethlehem da deu geburde solde ergöo. zu
der phrase vgl. Wiener Gen., Ftindgr. 2, 53, 40: daz möse so
ergen über siner (Josephs) brfldere willen. — 89. 112 junc ist
als episches beiwort hier nachgesetzt wie im volksepos, besonders in
den Nibelungen. — 92 /" = Melker Marienlied , MSD- xxxix 7, 1 f
= Wahrheit , Diemer 85, 26 f. vgl. Scherer, QF 7, 54 = Leben
Jesu, Fundgr. 1, 141, 38 (Diemer 231, 'If). es ist wol ein nach-
klang davon, wenn es Kindh. Jesu 1027 ff im zusammenhange
mit der erzählung von der geburt Christi heifst: Diz was 6 lange
bedäht, daz sin lop wurde volbrälit, ze volieclichem werde von
dem himel und von der erde, jedesfalls zeigt sich, dass Konrad
von Fufsesbrunnen die älteren deutschen darstellungen noch im
ohr hatte, vgl. auch Wernhers Maria (Berliner hs.) , Fundgr. 2,
179, 16 ff: da wart der himel genseiget, als uns diu scrift zseiget,
zu der erde: daz ergie, do in unser fröe umbevie mit mEßitwesen-
dem libe, diu nie wart ze wibe:sie ist mit der erde gemeinte,
zu der sih alsus vereinte der himel joh des himels wirt. — 94
vgl. Melker Marienlied, MSD^ xxxix 8, \f gotes chint, beide male
im reime auf siai und nach einer unmittelbar vorhergehenden , so-
wie vor einer folgenden Übereinstimmung : Chr. geb. 92 = 7, 1 f;
97 vgl. 8,5. — 96/". 101 ff vgl. die engele sungen einen vro-
lichen lof, Marienlieder Zs. 10, 37, 33. — 97 / vgl. Melker Marien-
lied, MSD^ XXXIX 8, 5: des scol er iemmer globet sin. — 9Sf vgl.
du gelovet bis in deme oversteme hove. Marienlieder Zs. 10, 1, 6.
— 99= Vor. Gen., Diemer 3, 10: (do geschftf er dri chore) in
der oberisten hohe. — 103 mit minuen häufig in Milst. Gen.
und Exod. — 104. 55 vgl. die stelle der Summa theol., die zu
58 — 61 citiert ist. Deutung der messgebräuche Zs. 1, 271, 47/":
er ist och ein vil salic man daz er ie an dise werk bequam. —
107 vgl. Vor. Moses, Diemer 60, Wff von den Jungfrauen: gotes
müter ist ein mait, diu hat di andern dare geladet, ein nuwez
sanch si singen, vgl. Deutung der messgebräuche Zs. 1, 280, 395 /f;
so helfent ime denne die heiligen engele vile gewislicben singen
und daz lob vur got bringen. — \0S f ^ Leben Jesu, Fundgr.
24*
372 ALTDEUTSCHE FUWDE AUS INNSBRUCK
1, 143, l^f (Diemer 233, 7 f): do sanch daz her himlisch Gloria
in excelsisl — 109 vgl. Vor. Gen., Diemer 3, 9 von den engein:
daz 5i in siner gagenwurt heten hymeliszez lob. — HO ff vgl.
Kaiserchr. (Silvester) Diemer 296, 3 ff: di engel iz den hirlen
chunteu, in der chrippe si in also vündeo. drie cliunige h6re
ir oplere brähten si verre, mirren und wiröch (di urchunlen
iz Öch) golt brähten si im ze 6ren , daz bezaichenet daz er ist
aller cbuuige hßrre. vgl. Leben Jesu, Fundgr. 1, 143, 21 f
(Diemer 233, 2 /'j: Daz da geborne waere der weerlde hailsere.
wozu man nehme Kindh. Jesu 10A2 ff : da von gunden die liute
jeheu ze J6rusal6m und audersvvä daz sicherlichen da der werlde
heilsere Christ geboren wsere. und Fundgr. 1, 144, 29 f (Diemer
234, 8): (Si begunden vragen die wisen die da waren,) ob daz
chint msere da gebörne wsere. Kindh. Jesu 994 ff: (nu erschein)
ein engel der in sagete daz Christ geboren waere. der wunnic-
Uchen msere wart gröz fröude under in. — 112 himilchunich
Vom recht, Karajan 15, 10. — 113/f vgl. Di hirden — in einer
cribben, bewunden bit duchen si vunden, alse en was gesät,
dat kint in windelen in di cribbe gelat. Marienlieder Zs. 10,
39, 9 ff. dat howe machede ou (nämlich dem esel und dem ochsen)
gelust inde macht dar up unse Jhesus was geiaht, ebenda 41,
37 ^ — 114/" vgl. Leben Jesu, Fundgr. 1, 143, b ff (Diemer
232, 21 ff): do wart geboren daz chint, Mit den tüchen umb hebet,
in di chrippe geleget: Do entwaich der esel unde daz rint, da
mit orten si daz Iröue chint. zu diesem widerum vgl. die aus-
führung in der Kindh. Jesu 1104 /f, die es, ebenso wie die er-
zdhlung von den hl. drei königen , erklärt , weshalb Konrad v.9[ ff
älterer gedichte gedetikt. — 119 vgl. Deutung der messgebräuche
Zs. 1,279,360: die alten e er uns bringet. — 122/f, bes. 124 f vgl.
Leben Jesu, Fundgr. 1, 144, 11 ff (Diemer 234, 1 ff): Sich hüben
drie chunige her zu Jherusaleme Jeuneu ostert verre, di wiste
der selbe stßrne. vgl. Marienlieder Zs. 10, 38, 33/"; Di dri kunige
si ileden so verre alse si leide de nue sterre. — 129 vgl. Leben
Jesu, Fundgr. 1, 146, 6 (Diemer 235, 14): wan er ist chunich
aller horste. — 131 vgl. Vor. Sündenklage, Diemer 303, 16:
Wärer got der getrüwe. — 134 f vgl. Mihi. Exod. 157, 5/"; der
sol niht enbizzen der bizzeichinlichen dinge, das Mhd. wb. 3,
865^ citiert: dö er messe wolle singen under bezeichenlichen
dingen, Ulrichs leben bll . ausgeführt ist das Leben Jesu , Fundgr.
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK 373
1, 146, 4 ff (Diemer 235, 13 ff und anm. dazu). — 137 = Kindh.
Jesu 1003. Kaiserchr. Diemer 62, 28.
Wahrscheinlich findet darnach — wofern nicht noch andere
mittelglieder anzusetzen sind — würklicher Zusammenhang wenig-
stens zwischen Chr. geb., dem Melker Marienlied und dem alten
Leben Jesu statt, welcher art aber dieser Zusammenhang gewesen
ist, das erlaubt das jetzige material nicht festzustellen.
Wir blicken hier in eine weitreichende verknotung der deut-
schen geistlichen poesie des xi und xii jhs. noch scheint der Ezzo-
leich den mittelpunct aller dieser beziehungen zu bilden, tcelche
sich doch wol nur aus mündlicher Überlieferung erklären lassen,
nicht aus benutzung auf schriftlichem wege. nach der ansieht
vieler fachgenossen gewähren uns neue beobachtungen über engere
Verhältnisse zwischen den gedichten dieser gruppe und zeit nur
ausblicke darauf, wie grofs die menge dessen ist, was für uns
verloren bleibt, ich kann nicht umhin, mich zu einer fast ent-
gegengesetzten meiymng zu bekennen: wenn wir bei einem funde,
wie der des Innsbrucker fragmentes von Chr. geb. ist, mit einem
schlage so viele bezüge und Verbindungen wahrnehmen, dann sehe
ich dies als ein zeugnis dafür an, dass viel weniger litterarische
denkmäler, als wir gewöhnlich glauben, aus dem \i und xii jh.
durch die Ungunst von zeit und Schicksal unserer kenntnis ent-
rückt wurden, und das ist immerhin tröstlich.
III
Zwei an einander schliefsende streifen eines der quere nach
durchschnittenen doppelblattes aus pergament, welches im anfange des
14: jhs. beschrieben worden ist und ein bruchstück der Kindheit Jesu
des Konrad von Fufsesbrunnen enthält, ein blatt ist etwas
über 11 cm. breit und wahrscheinlich 24 — 2ß cm. hoch, dietinten-
linien jeder spalte sind durch verticale striche abgegränzt. die
anfangsbuchst aben der abgesetzten verse sind rot durchzogen , grofse
rote initialen bezeichnen die abschnitte, hier und da stehen puncte
nach den versen, dann aber auch wider nicht, und nur bisweilen
scheint es, als ob dieser unterschied die interpunction ausdrücken
sollte, der buchbinder hat die beiden streifen ungleich behandelt,
indem er von 1 das blatt rechts, von 2 links beschnitt, ein par
winzige von 1 abgerissene Stückchen können zur ergänzung etlicher
374
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
vei^se dienen. — dem anscheine nach sind auf den spalten, deren
reste vorliegen, 37 — AO zeilen gestanden, das gestattet nur un-
gefähr zu erschliefsen , dass zwischen 2^ und 1® zwei doppel-
blätter sich befunden haben, bestand die hs. aus quaternionen , so
würde unser Matt das zweite einer läge gewesen sein und 8 — 9 doppel-
blätter würden das ganze gedieht enthalten haben.
Aus dieser beschreibung erhellt, dass das neue bruchstück zu
keiner der bisher bekannt gewordenen hss. oder fragmente gehört
hat. ich drucke es im folgenden ab, wobei die abkürzungeu un-
aufgelöst bleiben.
482(1^) Sich hat
Engels
Der uns
485Gefrumt mit seinem liste hat
Ich geloub wol daz ewer rat
Dar an uil vnschuldig sey
In ain' chamer dz stünt da pey
D^ vloch der chlagend man
49oVntz er den vrawen enlran
Da anspart er sich inne
Vnd trachte in seinem sinne
Was er ze worte mochte han
Er wolt sew taugenleichen lan.
495(2^) Nach rat er hintz ze himel
rieff
Vntz er in den sorgen entslieff
Vor got wart sein gepet v^nomen
Gahes was do ain engel chome
Er sprach iosep dauides parn.
521(1'') den ivden m r
chomen war
trug chint
Do warens als heut sint
525 Vntrew vnd neides vol
Si spräche vns' meist^schaft sol.
An disem alten mann ervarn.
Dem da durch bewarn
Disew vraw beuolhen wart.
Wie er sich also hab bewart 530
Man sal in nöten das er sage
Die warheit pei wem sy trage
Wan dez dem alten nicht zimt
(2**) Sein zucht ein böz
Ir pischolff hiez ab 535
Der sant nach ir r
Vnd hiez in bald f
Er sprach iosep wir
(T) Der vnv^zagete s 559
Ich enfürcht 560
Nicht t als
Wan w^ disew rede war
So soll irs richten vber mich
Wie du ee eu gebut so wil ich
Dar an nicht schulde han 565
Nu solt ir mich mit ere lan
In meinen eren genesen
Heizzet ewer decret lesen
Swas mir ze tünd geschieht
Das ich mich dirre vnzicht 570
Vnschulde mit der warheit
(2") ich hie bereit
da pei
559 D
521 reste eines grofsen roten buchstaben sind vorhanden
^rofs und rot
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
375
domini
575 daz so heilig was
gen den mä drob las
596(1'') Dez Ireit sein zeswe daz
swert
Das merchen wir an sant susaü
Dew von zwein alte manne
Vrei gen
eooVnd für gericht gezogen
Wir wissen wol wie ez ir ergie
Sv Cham hin vnd man vie
Die vngetrewen alten
Wan sew selber valleu
605 Mit valschem urchiind
do sew die gelogen sund
Auf sy erzuget wollen han.
Also mag es mir ergan
(2*^) Tut mir ieman durch hazz.
610 Den weis got das er sich pazz
Bedench vnd es nicht tä
Doch wil ich weiz got hie zu
Sorgen doch ze mazzeu.
1232(1®) Als man in dez zu gewück
Vnd er sie nomen
Daz in sein laut wäre chomen
1235 Geste also reiche
Nu bat er sew heimleiche
Zu im chomen durch mare
Was ir geuerte wäre
Daz pat im der h^re sagen.
1240 Dez wellen wir ew nicht v^dagen
Sprachen die reichen beiden
Wir solen euchs bescheiden
Es ist geporn ain bailant
(2®) Dez Stern scheint in vnser
laut
Dem hab wir h^ geuolgt syderl245
Vnd chomen nimm^ mer wider
Wir miissen vinden wa er sey.
Nu pat der chünig die hVen drey
(V) Hie begunden sich 1270
Haupt herlze vnd
Dem chind opferte
Drev gab golt da mi
Dz er über allew r
Vnd wirauch ze er 1275
Die mirre. daz sein
Dez todes nicht üb
Der engstleichen 1280
Sew betten sich se
Do dew opher wrd
E sew von dann ch
Die vrawen si dan
(2^) Mit solher gab als ich es las 1285
Dew reich vnd chiinigleicb wz.
Nu wolten sy heim zu ir landen
Den weg den sy bechanden
(IS)
cht er vinden 1309
vnder den chiuden I3i0
er da was geporn
er valanl seine zorn
s vuschuldig plät
daz was wolbeböl
ort erhaben wart 1315
sepe ein vart
vnd auch slieff
m also zu rieff
rawen vnd ir suu
in Egyptun 1320
t zornig worden
(2?) er heizt dew chind ellew
morde
599 der vers ist fast ganz abgerieben 1 233 das übrige ist abgeriel
376 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
Vnd varet es mit dem slage Vnd erchomen sere da von
Nu wis dort vntz ich dir sage. Das chint gepot den trachen
1325 Als ioseph die red v^nam Das sew mit deheine Sachen
Die frawn er zu im nam Vieh noch leute serten. 1355
Die Irachen von dann chHen
1346(1^) Seu sahen da ain kreftig Vnd fören wider an ir gemach
luok Das sew niemä mer sach
Vinster vnd grüleich (2^) Do sprach das chindelein
Dar aus trachen vreisleich Nicht zweifelt an d^ iuget mein 1360
Spiln gegen dem chinde Dz ich so iunch ze sehen pin
1350 Joseph vnd sein gesinde Gedenchet an meine gantze sin
Waren der tagalt vngewon Vnd fürchtet euch nicht
1359 D grofs und rot
Da während der letzten zeit die Überlieferung der Kindheit
Jesu von Sprenger Germania 30, 153 /f tind von Kocheniörffer
Zs. 30, 280 /f kritisch erörtert uwrden ist, so scheint es nicht un-
angemessen, hier einige bemerkungen beizufügen, durch welche
festgestellt werden soll, in wie fern das neue bruchstück H ztir
klärung der Sachlage beiträgt.
Kochendörffer hat die hs. B seinem texte (QF 43) zii gründe
gelegt und die lesarten derselben meistens auch dann vorgezogen,
wenn A und C, beziehungsweise die bruchstücke D und E, über-
einstimmend dagegen waren ; F hält sich ja zu B, G steht in der
mitte, die richtigkeit dieser auffassung ist durch Sprenger be-
stritten worden, der die lesarten von AC, auch von C alkin, zur
geltung zu bringen sucht.
Darüber, dass H mit B nächst verwandt ist, kann schon eine
oberflächliche prüfung keinen zweifei bestehen lassen, ich mache
daher auch die stelle7i nicht besonders namhaft, welche dies be-
weisen, müste ich doch fast vers um vers anführen, aber H ist
trotzdem nicht aus B abgeschrieben , das bezeugen entscheidend die
verse: 485.487. 499. 500. 531. 532. 568. (576?) 602. 607. (610?)
1282. 1287/". 1326. 1352. 1356. gewis finden sich auch in H
corruptelen, aber sie sind teils aus misverständnissen zu erklären,
teils wurden veraltete Wörter geändert, und zwar in einer so ein-
fachen, ich möchte sagen, naiven weise, dass gerade dadurch die
sonstige Überlieferung in H, besonders die einstimmung mit B,
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK 377
mehr gewicht bekommt, ich rechne hierher die fälle: 488. '565/".
609.611.613. 1247. pronotnina sind verdetitlichend hinzugefügt
worden: 564. 601. 1233. (1242? 1281?) 1287. dieser gute ein-
druck von H wird auch durch die Schreibung überhaupt bestätigt,
welche neben den durchgesetzten neuen bairisch - österreichischen
lauten eine anzahl alter bezeichnungen unberührt erhalten hat.
Ich gehe mm die lesarteu von H einzeln durch , mit rücksicht
auf die sonst vorhandene Überlieferung und auf die vorschlage
der kritiker.
485 ist mit seinem liste H besser als der plural mit sinen
listen BC. — 487 geht H mit dem vil von C gegen genuoc B. —
488 das gadem BC ist in H zu cliamer geändert worden, aber
so achtlos, dass daz stehen blieb, obgleich es zu chamer nicht
passt. gerade dadurch wird freilich die echtheit dieses daz bekundet,
iDclches Kochendörffer mit recht gegen Sprenger hält. — 489 be-
stätigt H das von Kochendörffer vermutete dar. — 494 wolt H
(wolde B) bestätigt die von Kochendörffer gewählte form. — 498 vil
fehlt gegen BC, aber in BC fehlt das do von H. der vers ist in
BC glatter, zu entscheiden wage ich nicht, ähnliche fälle stehen
528. 572. — 524 si fehlt U gegen B, aber erklärlich, da es auf
als folgt und in dem schliefsenden s dieses wortes stecken bleiben
konnte. — 525 iinlrew H steht gegen den plural untriuwen B. —
526 sprachen teilt H mit CD gegen sprach B, doch ist diese dif-
ferenz unbedeutend, weil in B blofs die abbreviatur ausgefallen
zu sein braucht. — 527 alten H mit C gegen altem BD. —
530 sich H mit B, was Kochendörffer gegen si CD verwirft, aber
sich kßnn verteidigt werden, da Joseph durch seine schlechte auf-
sieht über Maria eben sich selbst compromittiert. mit 528 wäre
das vereinbar. — 531 nöten sagen in B ist falsch, vvaz er in C
kann als die stütze von daz er H gegen die durch Kochendörffer
aufgenommene lesart man sol in noeten er sage D angesehen
werden, ich glaube nicht, dass aus D sich die drei anderen les-
arten erklären. — 532 rehten vor warheit fehlt HD gegen BC
und ist auch von Kochendörffer mit fug nicht in den text gesetzt
worden. — 535 ir H gegen der BCD. — 561 nicht t(iurer) H
entscheidet mit B gegen CD. — 562 jetzt führen also BH , ebenso
die änderung in CD, auf wan des archetypus zurück, welches
daher in den text aufgenommen werden muss. damit ist teil-
weise Sprengers änderung gesichert, die sich auf den vergleich mit
378 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
Gottfrieds Tristan 112 ff stützt, desgleichen ist Kochendörffers
emendation ilit aus ist aufzugeben. — 564 wird ebenfalls um-
zugestalten sein, soll 563 ist schon von CD als praeteritum auf-
gefasst worden , demgemäfs kann dann 564 ebenfalls der conjnnctiv
praet. stehen, welchen H mit CD gegen B teilt, hinwider weist
H darauf, dass die lesart von B so vvil ab ich (mit Sprenger)
in den text aufgenommen werde, die interpunction kann die
Kochendörffers bleiben. — 566 das falsche ere in H ist wol aus
eu verlesen. — 576 enthält auch H das segeo von CD gegen
salai B; ich bin würklich zweifelhaft, welches von beiden das wahr-
scheinlichere ist. — 597 das sant vor Susanneu in H ist ganz
wider Konrads gebrauch. — 602 wol fehlt H und ist vielleicht
trotz B zu tilgen, da es eben im verse vorher auch schon vor-
kommt. — 604 sich fehlt H wie B, also ein alter gemeinschaft-
licher fehler. — 607 wollen H ist unbedingt dem sollen BC vor-
zuziehen. — 610 es ist schwer zu entscheiden, ob wise H oder
bekere B besser ist. aus wise könnte ich mir die lesart von C
gebüle leichter erklären. — 612 die falsche lesart von H kann
doch für die interpunction nutzbar gemacht werden, ich setze
611 nach luo punct, 613 nach niazen komma, 614 5iac/t erlazen
punct. diese auffassung scheint auch von dem zusatz in C vor-
ausgesetzt zu werden. — 1242 vielleicht ist doch mit H (C) suln
iuchs zu schreiben. — 1270 H gibt ein starkes zeugnis für die
lesart hie in B. man könnte zur not auf das sich von H ver-
zichten, wenn man nach 1269 blofs komma setzte, aber besser
wäre es beizubehalten. — 1281 se nach sich in H deutet auf
sein = sin. — 1282 wurden CH kann nicht gegen waren B ent-
scheiden, ebenso wenig 1287 wollen CH gegen hugten B. d. w.
den si CH 12S8 ist nur die consequenz von wollen. — \2S1 wird
das von Kochendörffer mit recht gegen Sprenger verteidigte heim
ze landen auch durch H gestützt. — 1314 ß jenez eine was vil
wol behuol, H (jenez eine) daz was wol behuoi; zwischen diesen
lesarten kann man schwanken. — 1323 es H stützt zum min-
desten des in B gegen dises C, welches Sprenger aufnimmt. —
1326 dass Kochendörffer im aus A dem sih in B vorgezogen hat,
rechtfertigt sich durch im H. ganz ebenso steht es 1352. 1356. —
1349 wird spilen B gegen spülen AC (und Sprenger) durch H
schön bestätigt. — 1360jugende teilt H mit AB. ich glaube doch,
dass dies gegen Sprenger, dem Strauch Anz. viii 220 zustimmt, ge-
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
379
halten werden muss. — 1361 soll jiinc mit BH in den text
gesetzt icerden? vielleicht ist es nur ein gemeinschaftlicher fehler
wie 604.
Daraus ergibt sich mir, dass durch das zeugnis von H Kochen-
dörffers auffassung des handschriftenverhdltnisses gegen die ein-
würfe von Sprenger sicher gestellt wird.
IV
Zwei pergamentstreifen , je 18,5 cm. breit, zweispaltig be-
schrieben, ende des xiii oder anfang des xiv jhs., aus des Strickers
Karl dem grofsen. die zeilen stehen auf tintenlinien , die
spalten, welche durchschnittlich 'ilverse enthielten, sind durch ver-
ticale striche eingerahmt, beide streifen gehören den unteren hälft en
Je eines blattes an; der erste enthält nur die letzte zeile der vier
spalten nebst dem unteren rand von 4 cm., der andere jedesmal
7 Zeilen.
V Dar quam d^ kvog von Iruse 3131 l** Daz laot ist mit
nebele bedacht 3165 T Vü sprach vil dicke vvis gemant 3197
l"* Als irosl' en do 3229
6759 (2") Wil ich gar zv brechen
6760 Vn wil mich also rechen
Daz die cristeheit zurgat
Vn d^ geloube den sie hat
Od' ich w'de so wid^ slage
Daz ez alle beide' muze clage.
6765 Wie arm ich si ich han iedoch
(2=) chte
Zu dem köre sie gachte
D^ de mH^eren gelobt ist
Sie wäre ane valse list
Alse die reine kindelin
Den d^ch vnsirn trechlin
ffodes de toi hat getan.
6825
6791 (2") Vü sin brud'
Nv was d^ bischof turpin
Gerite uf eine warte
Do sach' gaben harte
6795 Mangen belt wol gar
Vü mange schilt golt var
Vü mange beim schine
(2^) Hier machen sulcbe m'e 6855
D^ got vnsir schephe^
Vö schulden ere mvz han
Swem ez kuut wirt getan.
Vnsir w^c vü vnsir arbeit
Da von wirt die cristeheit 6860
Gebezze't vii geeret
6791 abgeschnitten 6792 vor dem grofsen roten N ist ein kleines
für den miniator schwarz angemerkt 6823 oben abgeschnitten
6826 nach valse ist n radiert
380 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
Die hs. hat geiois zu den besten des loerkes gehört nnd stimmt
im allgemeinen mit dem texte von Bartsch, beachtenswert scheint
folgendes: auf l^ fehlten die nur in FH vorhandenen verse
3135. 36, wie sich aus der berechnung des spaltenumfangs ergibt.
6791 macht das fragment ühereinstimmend mit der Wiener hs. B
einen absatz , der in den übrigen hss. — weniger passend — mit
6789 beginnt. 6825 liest unser fragment übereinstimmend mit
H, der Münchner papierhs., gelobil gegen geheizea der übrigen.
6858 hat imser fragment die gute lesart Sweme mit GH gegen
Swenoe der übrigen, zudem steht nach der zeile auch der punct
(welcher in dieser hs. sparsam venwendet wird und darum von ge-
wicht ist), während in den übrigen hss. und in dem texte von
Bartsch der satz schon 6857 schliefst.
Zwei schief zerschnittene querstreifen eines pergamentdoppel-
blattes, 26 cm. breit, 6 — 8 cm. hoch, an einander anschliefsend. sie siiid
zweispaltig im xi\jh. klein, aber sehr sorgfältig mit abgesetzten versen
beschrieben, jeder zweite vers ist eingerückt und beginnt mit einer
minuskel, jeder erste vers mit einem rot durchzogenen capitalbuch-
staben. die abschnitte werden durch schöne rote initialen ausge-
zeichnet, die Symmetrie in der Stellung der versanfänge trachtete der
Schreiber auch bei den Schlüssen festzuhalten, zu diesem zwecke rückte
er die worte der längeren verse eng an einander, zwischen den worten
der zu kurzen verse jedoch liefs er Zwischenräume, die er durch
horizontale Verlängerung der anfangs- oder endbnchstaben ausfüllte.
Die bruchstücke gehören der sogenannten jüngeren be-
arbeitung der Kaiserchronik an, über welche man besonders
vergleiche Mafsmann, Kaiserchronik 3, 227 ff. darnach lässt sich
bemessen, dass auf der spalte der hs., aus welcher die Innsbrucker
fragmente stammen, 51 zeilen geschrieben waren, nnd dass zwi-
schen den beiden blättern, das ist zwischen 2"* und 1®, drei doppel-
blätter zu 8 spalten gelegen haben werden, die bruchstücke sind
durch den leim, mit welchem sie aufgeklebt waren, durch brück
und abnützung arg zugerichtet, ich gebe beim folgenden abdruck
nur wider, was ich lesen kann.
8265 (1') chainer inne wart Sine boten er sande
waz wser der boten vart ze livschem lande 8270
8267. 8 fehlen hier wie in den anderen hss. der jüngeren hearbeitung
ALTDEUTSCHE FÜISDE AUS INNSBRUCK
381
Da was div chvnigin Elena
di boten fvnden si da
lEr enbot der vrowen h^
chintlich^ triuwen 1er
8275 Si het als groz
so in der werlt imen mere
(2*) EUiv Roraischiv lant
stünden gar in ir hant
Swaz ir wsere genseme
8280 vvol in
Vil liebiv mül^ min
nv la dir nicht lait sin
Daz ich dir chlagen wil
miner nute was so vil
8285 Daz dir niem gesagen mac
vnz mir chom der tac
Daz mein got gervchte
mit boten er mich svchte
Do ich ervollet ir gebot
8290 do wart ich gesunt von got
8315 (l*') trechtein
svi dv wil so wil ich dann sin
Als Elena di brief gelas
ir hertz vil trowric was
, Brief si schriben hiez
8320 ir botschaft si nicht liez
Rom si wolle stören
daz lie si sei alle boren
Vnt elliv Romischiv riebe
er mvse selb schantliche
8325 Leben immer mere
chais^ here
Constantino nicht dochte
(2^) ze hsellen nich enmochte
Er enbot ez sinem maist^ da
dem gvten sant Silvest^ sa
Als der heilige man
di botschaft vernan
Er antwrt im sus
te deiim Laudam'
Lob dir herre trechtiu
der grozen genaden din
Wan dv den dinen gehieze
swer sich an dich vHieze
Daz der gwisseliche
bowte in himelriche
Der pabest sprach zu de böte do
(r) H 8359
mit recht an dich minne 836ti
Daz laz si danne schin
daz enbivt der mvt^ din
Der rat dovcht den chvnic gvt
sin trowriger mvt
Im so entslifeu began 83(iö
er hiez gewinne sine man
Er enbot der chvniginne
dienst vnt minne
Daz svn der mvt^ enbielen solt
ob si ir zorn lazen wolt 837(i
Ob si r ainen sent wolt han
liezen ze samen gan
(2") Der haiden wise schribere
vü sw^ d^ 6 vnd^ den Juden
beere
Vernem di red manik valt 8375
swem dan d^ sig w\l gezalt
Der solt sin geniezen
vnt di anderen swigen hiezen
Div botschaft chom d^ chvnigin
dan
8275 das ende der zeile durckgerieben 8279 davon sind nur die
spitzen zu erkennen 8280 grofsenteils durchgerieben 8326 durch-
gerieben 8359 das übrige abgeschnitten
382
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
8380 ir wisiste man
Hiez si ir gewinnen
mit michelen vnminnen
Beriet si sich san
si spchen si solt den sent han
8385 Der cliristenhait ze vare
si solchen ze wäre
8405 (l"") D
brief
Den Jvden vnt den
si enbot in vil beschaiden
Di des wistvmes pblagen
8410 der chunst nicht betragen
Sw' daz swert vvol lait
si chomen gein der christehait
Mocht si ez gezechen
si wolt ir laster rechen
S415 Des meeres vrewten si sich
Ue ge lieh
Der pabest was spat vnt vrv
8420 (2*^) dehain mvde irret in da zv
Siner rve Ivtzel was
vnz daz div Christen gen
Sine boten er do sande
von Lande ze Lande
8425 Allen gelerten livten
daz gotes wort tivten
Di alten vnt di ivnge
chomen an di samenvnge
Ze helfe der chrisleuhait
8430 michel was ir arbait
DEr chaiser gebot gemainlich
vber elliv div rieh
Sw^ daz swert wol lait
(P) Od wil dv in stören 9547
daz laz vns alle hören
Do sprach Silvesl^ san
er mvz gwisselich stan 9550
Elicher heirat
als in got geboten hat
Daz baidiv man
sin als ain lip
Ane svnde chinden wol 9555
(2®) got vurchle vnt minne wol
So ist der heirat staetic
vnt heilic
Der sprach do
herre wi chom daz so 9560
Sit elich heirat ist recht gnvc
daz in ain maget in di werlt
trvc [wolt han
Daz er nicht val^ noch mvt^
daz soltv mich wizzeu lan
Der pabest spch ze hant 9565
di red tvn ich dir bechant
Di wissagen hant alle gesagt
vns vrowe h
(10 Vnz vns 9593
der vns her wid^ erlost
An dem bvch ich daz gezaigen 9595
chan
der Jude schiel an vrloup dan
Ain Jude hiez tara
der gienc dar vur sa
en choiii
von den ist vnv^nvmen 9600
Daz si ie gewvnnen wissagen
(2*) ir weit nach vnserem
rechte iagen
8405 — 7 das übi'ige abgeschnitten Silb ff vier verse sind hier in
zwei zusammengezogen 8416. 21 dui'chgerieben 9553 durchgerieben
\)bbHf durchgerieben 9593 abgeschnitten 9b99.960idu7'c/igerieben
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
383
Div e wart vns gegeben
svllen wir den haiden leben
9605 Di e nie gewvnnen
ist vns der bvch zervnnen
Vnser e wolt ir vns brechen
daz sollen wir an iv rechen
An den heren samztagen
9610 weit ich dehaine rve tragen
Noch in dehaime rechte lehn
wir sollen ev chain antwrt
gebn
9637 (1?) ten
ir svlt vns nicht antwrten
Got sit ir entrvnnen
9640 gotes hvide han wir gewvnnen
Grot hat vns gehallt
9645 (2s) An dem svnnentage wart
er geboren
da von daz liail ist vns er-
choren
An dem svnnentage stvut er
von de grabe
dv waist wol daz ich
An dem svnnentage
daz ist ain wariv sage
Sant er vns den heiligen gaist
9650 den vben wir billich aller maist
Den svunentac svl wir eren
dvrch vnseren schepher heren
Ich sag dir w?erlich tara
der svnnentac ist div recht
octaua
Der 9655
(1^) in der chrippe vant man 9680
den fvnt
Dri chvnige von verren
brachten ir oph^ dem herren
Golt mirre vnt wirowch
di vrchvnten ez ovch
Svver im dienen wil
9690
Arm vnt riebe
enphahet er algeliche
(2^) Do fvr der chvnic edel
ze iervsalem vf ainem esel
Di jvden gein im
mit sang si in enphiengen
Div wenigen chindelin
erfvlden och daz lop sin
Si svngen im gwis
gloria in excelsis
Von aller ordenvnge
alt vnt ivnge
Die megde lobten sine macht
wen erten in tag vnd nacht
man 9705
9695
9700
9641 darnach sind drei Zeilen ganz abgerieben und erloschen
9648 durchgerieben 9690 durchgerieben und erloschen 9695 durch-
gerieben 9704. 5 abgeschnitlen
VI
Zw^i vollst äudige doppelbldtter einer pergamenths. in klein
folio, 30 cm. hoch, etwas über 21 cm. breit, im anfange des \ivjhs.
zweispaltig beschrieben, 39 zeilen anf der spalte, die schr'ft ist
384 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
sehr schön und sorgfältig , die beiden spalten sind durch verticale,
die Zeilen durch horizontale tintenlinien geregelt, wechselnd rote
und blaue initialen bezeichnen die abschnitte.
Die hs. enthielt einen text der Weltchronik des Rudolf
von Ems, welcher, so weit ich zu sehen vermag, ohne Zusätze oder
weglassungen, überhaupt ohne den einßuss eines bearbeiters geblieben
war. die fragmente gehören nämlich gerade der partie im Buche
der richter an, welche die darstellung heidnischer profangeschichte
an die der biblischen er Zählung knüpft und von Vilmar in seiner
noch immer mafsgebenden schrift Die zwei recensionen und die
handschriftenfamilien der Weltchronik Rudolfs von Ems s. 13. 39 ff
als charact er istisch für die echte gestalt des Rudolfischen Werkes
bezeichnet worden ist.
Dies wird durch die loahrnehmung bestätigt, dass sich die
Innsbrucker blätter als teile einer hs. erweisen , von welcher bruch-
stücke durch IVZingerle im kloster Stams (Oberinntal) sowie auf
der k. k. Universitätsbibliothek zu Innsbruck gefunden und in den
Sitzungsberichten der Wiener academie, philos.-histor. classe, bd. 55
s. 615/". 640 /f veröffentlicht worden sind, dort aber ist die ein-
leitung des echten Werkes von Rudolf erhalten, die mit dem verse
Rihter got herre über alle kralt und dem akrostichon beginnt, aus
Stams rührt auch ein doppelblatt derselben hs. her, welches Oswald
Zingerle Zs. 23, 394 ff abgedruckt hat.
Ein teil des in den neuen blättern überlieferten' ist schon
aus anderen hss. gedruckt, und zwar 1*-"^ bei Schütze, Die histori-
schen bücher des alten testamentes 1, 61 — 65 und Germania 30,
184yf aus bruchstücken Birlingers. zu einer anderen Überlieferung,
also wol auch nicht zu Rudolfs Weltchronik , gehören die Wiener
bruchstücke, toelche denselben abschnitt des Buches der richter be-
handeln und von Zupitza Zs. 18, 110 /f veröffentlicht wurden.
2**~^ ist aus Stuttgarter bruchstücken bekannt gemacht von H Fischer,
Germania 30, 176 ff, vgl. noch die mitteilungen RMWerners,
Zs. 20, 421. 437/'. das übrige ist ungedruckt, doch nicht um
dessentwillen allein lohnt es sich , die_ Innsbrucker fragmente zu
veröffentlichen, sondern auch weil sie einen jo reinen, guten text
geben, wie er in der weitverzweigten Überlieferung des Werkes
selten ist. so mag diese publication insbesondere demjenigen lang-
ersehnten forscher dienen, der es auf sich nimmt, von einem der
tvichtigsten hilfsmittel altdeutscher bildung endlich eine kritische
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
385
und voltständige ausgäbe zu veranstalten, der abdruck ist , denke
ich, genau; nur das häkchen, welches an d und w gelehnt flaz,
was, vvaz darstellt, habe ich aufgelöst und nicht, wie Zingerle tat,
durch c widergegeben.
(V) da von er sinin zorn lie
vn wart erbermic vb^ sie
Nv saminde sich mit rich^ wer
bereit daz israhelsche her
5 In Masphat bi den ziten
gein den Amonitin
Die haiin in den selben tagin
ir gezelt vf geslagin
gein israhel in masphat
10 als vns div schritt bewisit hat
nv lagin wMiche gein in
Mit w' vf ir vngewin
vil wol bereit vf einin strit
nv was in d^ selben zit
15 Jepte ein wiser wigant
ein degin was also genant
Bi dem israhelschin her
d^ was an manheit vFi an w\
vri an sterke vollekomin
20 vü an den allen uz genomin
Div von im hie gesprochin sint
D^ selbe was ein kebskint
von kebislich^ missetat
D^ hate ein wip von galaad
25 bi d^ hat er sivne vil
Die stiezin in zem seibin zil
mit craft von sinim göte do
vü spchin zira also
Du solt div erbe habin niht
30 D' man vnsern vetirn gibt
Die von art geboru sint
Wan du bist ein kebskint
Do floch iepte d^ wigant
In ein laut was thot genant
35 Da saminde sich zu zim aldar
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI.
Notigis volchis michil Schar
Daz waren schachere
Jepte d^ Degin mere
Wart des volchis herre do
(l*") Nv do si volgitin im also
Daz si leistin sin gebot
getrivliche vü ane spot
als vns div schrift bewisit hat
Die hohstin von galaad
Zu dem beide kamin
Do si sine craft v^namin
vTi manheit vil die er begie
Wis h^re vb^ vns sus spchin sie
vn strit vns gein amone vor
Des craft ist ob vns hohe enbor
nv hilf vns daz si zerge
gedenkint ir niht Sprach Jepte
Waz ir mir leidis habt getan
Daz ich ofle erlitin han
Von iv ir wissit wol daz ich
Sit ie trügint has ze mir
vn ane schulde vertribint mich
Wir habin niht gehassit dich
noch v^riben wir sin die dir
Volgin wellin nach dinir gir
er spch des swert mir einin eit
Do swiiren si im Sicherheit
ze helfinne. d^ wise man
für mit in in Masphat von dan 25
Da wart im hulde gesworn
zi rihter wart er da erkorn
Vbir israhel nach gotis geböte
do si gedemvtin sich gote
Jepte sande an den zitin 30
Zu den amoniten
25
10
15
20
386
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
vii hiez dem kvnige sagin also
In Masphat sine botin do
Daz d^ v\üste uiht sin lant
35 vn daz erz rumde zehaut
Do iach vnzwiülliche
Amon. daz kvnicriche
Wör sin. vn siuir kvnneschaft
6 daz ez israhel mit ciaft
(r) Sinen vordhi hete genomen
In der zit do si waren komen
von egypte. uv w6r daz lant
wid^ komin I sin hant
5 als ez were sinir vordem 6
Daz vvid^ redite do Jepte
vü iach ez w^e mit mannis siteu
an siniu vord'n e erstriten
als ez gebot div golis craft
10 Amon div starke heidenschaft
wolde von dem lande niht
von der seibin geschiht
Sp^ch iepte nv erzeige got
noch hivte hie wie sin gebot
15 welle erzeigin sinen Ion
zwischen Israel vn amon
Dv kam mit richir volleist
vf iepte der gotis geist
Er bereite sich ze wer
20 mit dem israhelschin her
gein amon vf einin strit
In d^ stvnt vii in d^ zit
Do si zem st rite gahtin
vü den viendin nahtin
25 vTi beid^ komin zein and' stiez
Jepte dem hohstin gote gehiez
hvlfer im daz er alda
gesigte. daz er im sa
mit reiniclichin dingen
30 ze opfir wolde bringen
Daz erste daz im bekäme
So d' strit ein ende neme
Des er gewaltic were
Der freche degin mere
Jepte d' Rfise hovbilman 35
hvbt den strit mit creftin an
vn slvc mit gotis vü sinir craft
Amon die starkin heidenschaft
So gar daz er mit manheit
(1*^) Den siginden sig mit wün-
sche erstreit
Des den heidin wart verzigen
Die mvstin sigelos geligen
vü erslagin in d' wal
ir wart ein mort ein solich val 5
Daz ir wenic iht genas
D' da mit amöne waz
Do Jepte den sig genam
vn von dem strite wider kam
ER hate als vns div warheit gibt 10
ein dochter mere kinde niht
Wan si eine div kan
Do si sine kunft v'nan
vii do ir wart von im geseit
wie lobelich er den sig erstreit 15
vn ir diz mere wart erkant
Si trüc eine h'pfin an d^ hant
vü mähte vf dem seitspil
von frovden siizir leiche vii
vü grüzte ir vatir schone mite 20
Dch die fröde riehen site
Daz im dort so wol gelanc
Ir harpfe in süziu duuin cla*ic
Dur daz heil daz ir vatir kunft
Do was. vn durch die signvnft 25
Die er hate dort genomin
als er sach sine dohtir komen
er erschrac so sere
nach senendis iamirs lere
Daz er zarte sa zehant 3ö
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
387
Vor iamer här vü daz gewant
Dvrch den anlheiz den er getan
hate als ich e gesprochiu han
35 Daz im des sigis hvlfe got
mit warheit vü ane spot
sagter mit warheit ir zestunt
vii tet ir mit iamir kvnt
Daz si daz opfir solde vvesio
vi) des mohte si niht genesin
(2^) Beidiv mit namen vn mit
craft
Diegevvaltigisten Td^heideuschalt
Waren als ich mit warheit
von den rihterin han geseit
5 ze athene trüc die crone
Mit gewalte schone
der kivnic evricteus
Vo'n dem die fabil sagint alsus
Daz im bi sinen ziten
10 Sine tohter oriten
Neme der snelle boreas
d^ so snel vü so behende waz
Daz div tumbe diet in nande
Ze Griechin in dem lande
15 des windis got. vri einin wint
der winde noch zwelfe sint
nach im geheizin Boreas
Von dem er geborn was
Der was astreus genant
20 Tracia hiez sin lant
als vns der fabil schritt gewüc
In sycionie crone trflc
Bi der zit Eppopius
Bi den argivin lingeus
25 in egypte menopes
In assyria pellespares
gewalticliche schone
zu 2% 1 — 4 vgl. JVerner Zs. 20,
trngin der laude crone
Do d^ herzöge Ottoniel
herzöge was in israhel 30
Ovch sagint die fabil alsus
daz Bachus Dyonisius
Were bi d^ zit i atica
Des landes ein teil in india
Reit er an mit grozir w^ 35
vü twanc ez vil mit sinim her
ercules der wigant
des lant was fenix genant
Daz im was diöstis vndertan
(2'') ovch was als ich gelesin han
Bi disen ziten archas
Des vatir Jiipit^ da was
Der twanc div mer mit sinir craft
Daz si im wurden zinshaft 5
vü stifte archadyam daz lant
Daz nach im wart alsus genant
Do otoniel waz tot
vü T israhel aöt
vü der edil degin samgar lo
waren rihler d^ gotis schar
lamprides I assyria was
kVnic bi d^ zit als ich ez las
Den daz buch uns nennit sus
ze Griechin gab tryptolem' 15
zem erstin bi d^ zit daz körn
Daz in vil vbel wer verborn
vn lerte si da buwen daz
Die selben lere er in da maz
als ovch in vndHviste des 20
Div kvnsteriche Ceres
Die man T dem lande
Des kornis golinne nande
Daz si mit körne erwarb alda
ovch waz do «pserpina 25
von d^ div fabil wunder sagit
437/-
25*
388
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
Si zuhte ein degin vuv'zagit
D' moloseo kvuic oreus
Des rvde d^ hiez Cerberus
30 Der was so starc vii also groz
Daz nie möre hundes genoz
so Stare wart noch so groz ge-
sehin
Des hören wir die fabil ieliiu
Div schrifl tut daz von im noch
kvnt
35 ez si d^ tobinde belieb vnt
Der erbeiz uf d' flvbt alda
Do genonain wart rpserpina
einin degin biez partorus
Der iagte nach vii tbeseus
(2'} Den betir ovcb erbissen
als wir div spei noch wissen
Wan daz im half daz er genas
ercules der och da was
5 Sinir liebir her geselle
Daz er in von der belle
hate erlost vii brahtin hin
Daz seit der fabel böcb von in
Wan er in do ze stunde
10 erloste von dem hunde
Frixus vii elles waren
ovch bi den selben iaren
von den div fabel mere seit
mit wie grozir manheit
15 Frixus der Degin snel
Mit im brahte ein gvlden vel
In colcos insvlam daz laut
daz mit manlicher beldis baut
Sit gewau Jason alda
20 Dar zu gebar latboua
ein kint bi disen ziten do
Daz was der valsche apollo
Den die heidine sit Ovr got
an bettin d^cb des tiefiis spot
als vns div warheit seit genüc 25
Bi disen ziten crone trvc
In Egypte Setus
Bi den argivin rjjetbus
ovch sach man I den selben tagin
In sycionie crone tragin 30
ein kvnic was Sycion genant
nach dem genennit wart daz laut
Pelops nach im och nande
ze Griechin in dem lande
Bi d^ selben zit ein lant 35
daz wart pelopenens genant
Pandyon des vatir hiez
als vns div warheit wissen liez
ovch richsite in Dardania
(2*^) ein kvnic der trvc crone da
Des name was gebeizin tros
gemeinis prisis lob in kos
gelobt in bobir w^decheit
Von dem div schrift d' warheit 5
seit
daz troye div stat Ivte vn lant
wurden sit nach im genant
Div Ilvus als ich ez las
vnz an in e gebeizin was
MElamp' was och in den lagen 10
Den man fivr einin wissagen
hate. vfi einis gotis stat
Da in hate ane gesät
Tantalvs ein frechir degin
lebte ovcb do den sach man 15
pflegin
eins livtis hiezin Minoes
als ich bin vnderwisit des
Die wurden frigye genant
vn nach in frigya daz lant
Do ez besas sit frygias 20
D' ovch ein wMir troyer was
Tautalus der selbe man
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
389
mit creftin vrlivgin began
mit tros al vientliche do
25 nv gefügtis sich also
Daz uf einis geiegdis vart
gevangen ganimedes wart
Der was ze sune trose erkant
hie von dulde ir beid^ lant
30 von vrlivgen vil manigen pin
Do si gevech begvnden sin
Si hertin vfi branden sich
Beide ein ander durch gerich
Pelops den ich e han genant
35 tet sine beste helfe erkant
wider trose von Dardania
wan sin wip ypotamia
geriet im daz er im d'ch si
mit siuir helfe stvnde bi
(2®) Daz tet er mit grozir craft
hie von hob sich ein vientschaft
div iemir mere werte sit
vnd^ ir gesiebte unz uf die zit
5 vn vf die scbedelichen vart
Daz troye von in zerstöret wart
Ovch lebtin bi d^ seibin zit
als vns div fabil vrkivude git
ze cnechin d' starche Elhiocles
10 vü der freche polinices
Die beide ein ander sivgin
Richeit vn ein si trvgin
In hohir w'decheit so vil
Daz man gedenchit noch ir zil
15 vn d^ tage in den iaren
Do si beide lebinde waren
-Pseus ein hohir man
von kriechin bi d^ zit entran
wan er da einin kvnic slvc
20 Der d^ argivin cröne trvc
2^, 1 über dem v voji vnreinde
11 des scheint in der gebessert
Der was genant acrisius
Der ellinthafte pseus
lie sich do nidir in asya
vTi twanc so vil des landis da
Daz des betwuginin teilis lant 25
nach im wart psia genant
Dar sit gewalticliche
al div kvnicriche
In asia wurden vndHan
Die fabil sagint ane wan 30
Daz im div heidinische diet
jach do er von der werkle schiet
Daz er ze himile fvre sa
vfi sin wip andromeda
vn zwene sternin hoch erkant 35
wurden d^ch daz nach in gesant
Daz si ze himil soldin komen
sin. als ir nv habt v^nomen
Edyppus der vermeinde
(2^) den sin schulde also vnreinde
Daz ich von im vvil spchin niht
so wandelber was sin geschiht
Daz got sit an im sere räch
Der lebte ovch do diz geschach 5
ovch geschach in chriechin vil
Wunder disiv selben zil
Div hie belibint vngesagt
Cecrops ein helt vil vnv^zagt
sach man ze athene crone pflegin 10
des was von art ein hovbit degin
sin brvder was euricteus
Bi den argivin acrisius
bi dem zergie daz riebe da
Lampes in assyria 15
des landes crone sach man tragin
ovch wart acrisius erslagin
den pseus d^ wigant
steht doch noch die abbreviatur ^
390
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
slvc. d^ argivin lant
20 an kvniclichem namin zergie
daz lant do kvnigis namen lie
Daz was geslandin daz ist war
zwei vfi fivnfthalp hvud't iar
ob vierzeiiinin kvnigin w^t
25 Der da ze kvnigm wart geg^t
Des was d^ erste Inachus
Der and^ phoroneus
Der drite d' hiez apis
Des vns div warheit tut gewis
30 Der vierde d' hier arg'
Der fivnfte hiez creaus'
Der sehste hiez forliaz
Der sibinde hiez tryopas
Der ahtode hiez Crotopus
35 vii d^ nivnde Steneleus
der zehinde hiez Danavs
Div fabil vns daz kvndit sus
daz die criechin lange sit
Danai vil manige zit
(2s) Nach sinim namin hiezin gar
Daz seit von im div schritt fivr
war
lingeus der einlifte was
vn der zwelfte archas
5 der drizehinde hiez »pethus
der vierzehinde hiez acrisius
Bi dem daz riche ein ende nam
ze Micene ez darnach kam
da d^ erste kivnic was
10 Eristeus als ich ez las
Atreus vn tiestes
Agamenon vn Orestes
Egist' vn tysamenus
Pentilus vn Comet'
15 die in Micene schone
trvgin des landis crone
Mit kvniclicher kvngis craft
Biz ende ham div herschaft
vn in dem selben lande hie
ovch kivniclich gewalt zergie 20
Do debora div wise
Mit wislichim prise
von israhel des kvnnis pflac
vfi d^ gotis degin Barac
was in and^n riehen do 25
geschehe, do daz was also
daz wil ich ovch h^ vnd^ sagin
Man sach in egypte tragin
Crone einin degin wite erkant
der was lameses genant 3o
In Sicionie polipus
ein kvnic was genant alsus
mit kvnigis w\lecheit genüc
Bi der zit do cröne trüc
Pandion ze athene 35
Euricteus ze micene
Des landis erstir kvnic was
vn T assyria Pannias
ovch lebte bi den zitin do
(2^) Der kvnste riche Anphio
der mit so wisen sachin
vf der herpfin machin
So süze leiche künde
Daz ze etilichir stunde 5
sich die steine regtin
Gein sinin dönin sich wegtin
als ich die fabil horte iehin
Daz mohte niht also geschehin
als ich hie gesprochin han 10
Bezeichinlich ez müste ergau
als ich nv wil betivtin
Steinherten livten
Begunde von sinen leichin
Ir hertir mvt so weichin 15
26,3 ist was aus ursprünglichem hiez gebessert
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
391
Uaz elliv trvricheit vil gar
In ir heizen si verbar
Swa si sin gedone
in sinin leicliin schone
20 von sinir haut solden v^nemin
Da müste frovde si gezemin
In disen selben zitin was
als ich an den hystorien las
ze laurente mit craft
25 so creftirichiv herschaft
Daz div lant algeliche gar
hovbtin bi den ziten dar
Div noch ytalia sint genant
Diz sint elHv div lant
30 Div sus ir vnd^ marche hant
Daz si von den gebirgen gant
vnz an des niitiln merz zil
Der lande ich ein teil nennin wil
als ich ir namen gelesin han
35 lantparten vn Thuscan
Romania vn Maritima
Ancun. vii Spolit sint ovch da
Dar zu Sicilia vii al div lant
div dar ze dienste sint benant
(1®) ovch baten in disen ziten
Centavren vü die laphiten
vrlivge vü grozeu strit
ein mestir vns vrkvnde git
5 Der hiez palephatus
vü seit von den laphitin sus
In were in gehch^ wis bereit
also dretiv snelheit
so den bestin Rossen div ieman
10 Bi den ziten do gewan
da von waren si mit craft
vorhsam vn sigehaft
wan si den viendin elliv zil
2'', 2ü sinir ans sinin gebessert
mit snelheit fügtin leidis vil
Ovch lebte ein listvvurch' do 15
von dem div fabil seit also
daz er alle slvnde
vil wol gemachin künde
von holze swaz er wolde
od' ieman machin solde 20
Der was dedalus genant
Im waren solhe liste erkant
Daz ist ein warheit ane spot
daz er machite abgot
div sich seibin wegitin 25
von eiginin crelliu regitin
ein hus hiez laborint'
Daz worhte d' selbe Dedalus
mit also grozir liste craft
vn mit alsolhir meisterschaft 30
Daz nieman als ich han v'nomin
Drin noch druzwol mohte komin
wan mit vil wiser lere
Dar inne beslöz er sere
mit listen al besvnd* 35
ein egislichs merwund'
Daz hiez Minotaurus
von dem div fabel seit alsus
Ez w6r halp man vn halp ein
rint
(1^) Der selbe tievil vü des kiut
So Stare was vn als egislich
Daz im niht künde erw^n sich
Swer vber al daz lant sin lebin
v'worhte d' wart im gegebin 5
ze verderbinne den verslaut
vü gaz der selbe valant
Disen selben tievil slvc
Theseus des ich 6 gewüc
Der in Athene crone pflac 10
vn sich des stritis bewac
392
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
Den er mit disem wund' tet
Dur einir w\liu frowen bet
Div hiez adriagna
15 Si werte in ze lone da
Ir libis vü ir minne
nach dienstiichim gewinne
Minnite in daz schone wip
Daz er dem tievil nam den lip
20 Diz was aliiz in den tagen
als ich die warheit horte sagin
Do abymalech erstarp
vn in israhel verdarp
als ich iv tet hie vor bekant
25 Inos ein wisir wigant
von erst ovch bi den ziten gab
L vn einvnge vrhab
ze Crite dem Riebe
v5 lerte si wisliche
30 wie si sich solden halden
Rehte vn einvnge walden
Inos der helt vil wis erkant
Den ich nv han alhie genant
hate einin svn ovch bi den tagen
35 Der da ze athene wart erslagen
Dur and's niht wan d~ch den nit
^az er gesigte zallir zit
Swa mit hovelicheu siten
Die jvncherren mit prise striten
(IS) Daz er mit wiser Manheit
Si dar an ie vber streit
Diz was ir zorn si hatins schäme
Androgens was sin name
5 vn lac vmbe dise schvkie tot
Des kam daz laut in groze not
wan d~ch den selben ivngen man
griffen mit vrlivgen an
Die von Grite sa ze hant
10 Athener ir livte vü ir lant
wüstins al gelich
vbir als ir kvnicriche
Si so gewalticliche riten
Si vil veste au in erstriten
vn herlins in ir lande 15
mit Rovbe vn ovch mit brande
ane w' vnz an die zit
Daz ez gedech vf einin strit
da die hohstin al geliche
vber athenischiv riche 20
Beideuthalp den lip vMvrn
Da si werlich ende kvrn
In disem selben strite
gesigten die von Crite
als vns div mere gewissen sint 25
vil viengin da d' hohsten kint
vü gabins al besvnder
Des tievils merwunder
daz Minotaur' was genant
daz gaz vü slaut si sa zehant 30
da von vil iamers wflhs alda
Theseus d' saminde sa
ze samine alhener schar
In eine stat saster si gar
daz si da wühsen abir widir 35
doch v'stiezin si in sider
vn gaben im vil swachin Ion
Bi dirre zit was ovch Jason
Der von art ein ßvrste was
(1^) Sin vetir d' hiez Pelias
edil rieh vn hob geborn
Jason der was als uz erkorn
als wert vü als ellinthaft
Daz sine deginliche craft 5
sin vetir an im vorhte do
Der in mauige wis dahte also
wie er in so von im vertribe
daz er ane angest belibe
daz er in iht verstieze 10
ob er in bi im lieze
ALTDEUTSCHE FUNDE AUS IINNSBRUCK 393
wan er an tnanheit was so wis vf riliiiichim prise erstrite
daz er trüc den hohsten pris Dem moste iemir volgen mite
Den ieman da mohte han Gut. wahsinde ere vö w^decheit
15 Dur den vorhtlichin wan so vil were s61den dran geleit
gedahlir wan er in entsaz mit d^ gotis heilicheit 30
in sinin listen ettiwaz Div ir fliz hete dran geleit
Da mit er von im k6me vS w^e mit grozir hüte
vn im sin lant niht nßme Jason der höh gemute
20 Do sagler vn tet im erkaot Besaminde sich mit richir w^
ein ysil were Colcos genant von der argonauten her 35
Dar inne wer ein guldin vel vn fvr nach dem velle dan
hehalden. vü sw^ also suel Mit solhir not er daz gewan
were. vn also manhaft Daz er were tot beliben da
25 daz erz mit manlich^ craft wan daz div wise Medea
VII
Zwei zusammengehörige streifen eines der quere nach durch-
schnittenen pergamentzettels , der nur auf einer seite im xv jh. be-
schrieben icorden ist, 21,5 cm. breit, 9 cm. hoch, das stück ent-
hält einen kreuzsegen (vgl. MSD^ s. 481 f) und ist wol auch dadurch
interessant, dass es selbst ein solcher brief war, wie man ihn als
amulet bei sich zu tragen pflegte.
1 . . . . v^bend. Vater Ich eupfilch min gaist in din hend f
Jhesus vü Nazareth j rex iudeorü f Caspar baltusser melchor
vü . . . I ... er vfi ain aue maria f Ich enpfilch mich In die
v^borge tögenhait da sich die hoch gothait in v'barg in die be-
5 wollen mes . . . | . . . die hoch gothait vberget In des priesters
hend vn wärlich da bist mit din^ hailige meschait mit diner sei
vn mit di . . . I . . . ilige flaisch vü mit dine balligen pliit Die
haihg dryfältikait sy mir ain mantel für all min fiend vn sy mich
behiett ... | ... f Das hailig criitz sy min schilt für alles vnglick
10 vn sprich ain pat^ nr vn aue maria j Johannes Verla Ich en
... I ... got sin ewigen sun enpfalch vnd du im sin sei enpfalchst
in sin hend do du vö disem eilend wollest faren zu den e . . . |
... der brief den baubst leo küng Karlo sant Vn ist dick vii offt
1 die kreuze smd alle rot und erst später eingefügt 4. 5 bewollen
ist sehr zweifelhaft , da die stelle abgerieben und durch lUcher ver-
derbt ist
394 ALTDEUTSCHE FUNDE AUS INNSBRUCK
bewert worden Wer den brief alltag list oder hört lesen d . . .
15 . . . ntlas Vü mag Im kain hertzlaid nymer wider fare vn mag
in kainö fiir verbrinen noch in kaine wasser ertrincken noch
, . , I . . . verschnillen werden Vü welchu in by ir hat der mag
uit misselingen au ir geburt Noch kain mensch mag nit vu-
recht ... I
20 2 . . . t Cristus crütz ist ain wärs hail f Cristus crutz vber
wind die schvvert f Crisl*^ crütz behiet mich allweg wa . . . | ...
s her^n crütz sy ob mir f vnsers her'n crütz sy vnder mir f vnsers
her^n crütz sy for mir f vnsers her'n crütz sy hiuder . . . | . . herre crütz
sy an baide sytten neben mir f Crist^ crütz sy mir ain schilt für all
25 min feind sy sye sichtig oder vusichtig. Min got...|.,. in künf-
tiger richter f Min erlöser ich ermane dich durch dines vfs va-
lende blfltz dz vfs diner sytten flofs f Vch f enoch . . . | ...
kait t crist^ sy min feind vber winden f crJs^^ sy nniQ ^ünd f
crist^ crütz sy mich behiette vor alle dem dz mir schädlich, sy
30 ... I ... b an gut vü an er vü alle dinge die nit nutzlich syen
zu dem ewige lebe caspar f baltusser f melchor f lucas f
marcus . . . | . . . Johanes t ''l'^s himelisch hör behiet mich
hüt vü alltag f In dem name des vaters des svns vü des hailigen
. . . t a . . .
18 nit vor m ist übergeschrieben 20 in 2 sind die zeilenenden voll-
ständig, dafür fehlt mehr am an fang, zwischen vber und wind steht
mich, ist aber vom Schreiber selbst getilgt 23 zwischen sy und for
steht ob mir, vo?n Schreiber selbst getilgt 33 hüt übergeschrieben
NEUE BRUCHSTÜCKE DER TRIERER
MARGARETENLEGENDE.
Die zahl der jüngst von herrn Stadtbibliothekar dr Max Keuffer
aus der Trierer hs. 91 (siehe jetzt sein Beschreibendes Verzeichnis
der hss. der Stadtbibliothek zu Trier s. G6) abgelösten und von mir
Zs. 32, 423 ff veröffentlichten fragmente einer bisher unbekannten
Margaretenlegende ist jetzt dadurch vermehrt worden, dass derselbe
gelehrte in der Trierer hs. 104 (Verzeichnis s. 73) weitere bruch-
stücke entdeckte, auch dieses mal hat er mir in freundlichster und
mich zu herzlichem danke verpflichteiider weise die Veröffentlichung
gestattet, der neue fund ist freilich noch weniger ausgibig als der
TRIERER MARGARETENLEGENDE 395
frühere, jn so fern die schriftzüge des unten folgenden textes
sich zum teil nur in einem stark beschädigten zustande erhalten
haben, im rücken der hs, fand sich das fragment eines doppel-
blattes (C) mit je sieben zeilen auf der seite, also gerade einem
drittel der ursprünglichen seite, auf der 21 zeilen stehen (Zs. 32,
423). in seiner ganzen breite misst C 14,3 cm., in seiner höhe
3,2 cm.; während das erste blatt von C fCC^j in seiner breite
(9,3 cm.) unversehrt blieb, zeigt das zweite blatt ^((?C^) nur noch
die halbe breite (5,0 cm.), aufserdem sind abdrücke weiterer bruch-
stücke auf beiden innendecken der hs. 104 teihoeise noch im Spiegel
lesbar und zwar in der Oberdecke, ihre ßäche zu einem drittel
füllend, hart am rücken und in der reihen folge von oben nach
unten, von den fragmenten AFB, in der unterdecke von den frag-
menten ED (von einem dritten bruchstück ist iiichts mehr zu er-
kennen), mit ausnähme von B, dessen zeilen mit der breitseite
des deckeis parallel laufen, geht die schrift der abdrücke mit der
längenseite desselben parallel.
Die quelle, Mombritius, gestattete die richtige gruppierung
auch dieser fragmente, so traurig es immerhin mit der Überlieferung,
insbesondere von C^D bestellt ist. es darf sodann versucht werden
aus der nun gröfser gewordenen fragmentenzahl die ursprüngliche
beschaffenheit der hs. genauer zu ermitteln, als das früher bei ge-
ringerem material angänglich war. da wo wir die Trierer Mar-
gareta mit der von Stejskal herausgegebenen, nach gleicher quelle
verfassten und auch gleicher gegend utid zeit angehörenden behand-
lung vergleichen können, zeigt sich ungefähr gleicher umfang der
die gleichen partien zur darstellung bringenden abschnitte, nehmen
wir also an , dass im allgemeinen beide bearbeitungen gleich lang
waren, so würde sich etwa folgende berechnung ergeben. Stejskals
Margareta umfasst 776 verse. es ist wahrscheinlich, dass die
Trierer Margareta aus zwei lagen von je fünf doppelblättern be-
stand und zwar dürfte der Schreiber entgegen dem sonst üblichen
brauche, das erste blatt oder die erste seite der ersten läge frei
zu lassen, bereits auf der ersten seite die abschrift begonnen haben,
das würde dann, da die seite 21 verse zeigt, im ganzen 840 aus-
machen. die letzten 1 V2 blätter (= 63 + einer zeile mehr im
vergleich mit Stejskals text) mochten, falls man nicht annehmen
will, dass sie unbeschrieben blieben, den vom autor der legende
berichtenden schlusspassus bei Mombritius enthalten, vielleicht auch
396 NEUE BRUCHSTÜCKE
einen umfangreicheren epilog, als loir ihn bei Stejskal ü. J59 — 76
lesen, dass die Trierer bearbeitung der quelle strenger folgte als
der andere text, der oft kürzte, wird jetzt namentlich aus den
fragmenten CDE deutlich , denen eine kleinere zahl von versen bei
Stejskal (vgl. ISbff) entspricht.
Die früher mitgeteilten fragmente gehörten zur zweiten läge,
und zwar standen dort die verse 1 — 11. 13 — 43 auf 6/. 4*^
44— 50 auf bl. 6"
51— 57 - - 6"
58— 99 - - 7^"
100—107 - - 8^
108-114 - - S^
Dagegen sind die neuen fragmente der ersten läge entnommen:
A stand auf bl. 2^
B - - - 4\
CDE sind fragmente des fünften doppelblattes : es verteilen
sich C" auf bl. ö\ DC- auf bl. 5^ EC auf bl. 6^ und C auf bl. 6\
die je sieben Zeilen auf C machten nicht genau das letzte drittel der
Seite aus, gehören aber jedesfalls deren unterer hälfte an.
F stand auf bl. 9% das zusammen mit bl. 2 (vgl. fragment A)
das zweite doppelblatt der ersten läge bildete.
Bemerkt sei dass, loährend sonst vom Schreiber der erste vers
eines reimpars vorgerückt wurde, in den fragmenten C^OF dies
beim zweiten verse desselben geschehen ist.
Von dem lautstand dieser neuen fragmente wäre im anschluss an
die Zs. 32, 424 ff gegebene Übersicht etwa folgendes zu verzeichnen,
ich berücksichtige nur das sicher überlieferte.
Vocale. a für oiader, adyr B 3. C^ 4. ab A 12. — salt tu
C' 6. a aus ahe:han:slan C^l. slan Dl. C' 1. der umlaut
von a (megelyn B 1. Ol. Fl), ä hat einerseits sein gebiet er-
weitert: erbeyt Eb, während ihm andererseits widerstand geleistet
wird: iamerclichen C^ 6. syncope des e:nach (= nackel) C^ 5.
iamerclichen C^ 6. e für i:breugit A 10. betallyn C"* 4. e aus
ehe:se C^ 5. i für e: iz J5 2. F 10, in dem präfix ir- :irwerbe
C 4, in ableitungs- und endungssilben : adyr, bereytir, magyl,
vbyr, selbyr, geloubyn, breogil, hilfit, beytit, gotis, betallyn.
i:i siehe bei m. ye für i:ich byen ß 5. i für ie:riffen D 4.
nymande D 9. ymant E 4. wy B 4. — pron. der 3 person:
sy, pron. demonstr. dy. o für e im präfix vor- C 3. F 4.1. o
DER TRIERER MARGARETENLEGENDE 397
für ou nur in gelobe B 4 neben sonstigem ou. oi für o : heregoit
El. II für iu in tuvelicheo B 2, uch, uwer, criice, für uo in
zcu, musten, tut, gute; wutrich. ai aus age:clait Fb. mait
F 5. ei für e : beytit C^ 5. ei für i in der 3 sm^'. con/. sey
A 12. ß 4 fm rem auf vry) «eften sy C^ 4.
Consonanten. liquidae. em 1 «s^^es^jarf; tu velichen ß 2. r /"«r
rr: heregoit El. r «'s? abgefallen in nymme Dl. n : Margaretan acc.
A 9 yp/. Zs. 32 v. 27 Margaretan : getau. auslautendes n «sf geschwun-
den im infinitiv: Margareta : sla(n) Dl und durch coM/ec^wr Margareta:
\vydersta(n) 5 10. crone:lone(n) C 6 vgl. Zs.d2 ü. 26. ve = vve:
se(n) C^ 5. m : n im reim : quam : an jB 2 und dtirch conjectur pin : im
C^l. labiale, b /ttr m:betallyn CM. — schade C^ 2. fürw.v
in ve C- 4. dentale, t für d : vorterbe C 3, fp/. a»c/t (sah) tu
C^ 6. anfügung von trymant E 4. apokope des t:uach für
nacht, Dachet = nacket C'- 5. tt : mitte C 4. 6. epenthetisches d :
nymande D 9. z, zch für s, sch:waz, hymelizche C 5. c /"rtr
z : cruce F 9, gutturale: nach = »lÄd. nacket C^ 5. |)rou. f/er
3pers. her A 9. (^4 — 8.
Erwähnt seien noch: san 4 9. wyderstan c. acc. B 10?
vnse heregoit E 7. zcu grozzen solden F 11 ?
Ich lasse nun den abdruck der fragmente folgen und habe
nur noch zu bemerken, dass mit ausnähme von CM. Dl. C^ 1.
C^ 1. C* 6, wo die puncte lediglich den räum einer verszeile an-
deuten sollen, spuren einzelner buchstaben durch je einen punct
kenntlich gemacht worden sind, sonstige lücken im abdruck be-
sagen, dass an den betreffende7i stellen nichts mehr sichtbar war,
doch gilt letzteres nur von jenen fragmenten, von denen sich
allein abdrücke auf den innendecken erhalten haben (ABDEF); die
lücken in Q sind durch die schere des biichbinders hervorgerufen,
bei den gelegentlichen versuchen, die lücken im text zu ergänzen,
hatte ich mich Steinmeyers gütiger mithilfe zu erfreuen.
der waz olibrius genant (Stejskal Qi ff)
Zu A vgl. in diebus illis Olibeiius praefectus ex Asia Antiochiam civi-
tateni profectus est. veniebat autem peisequi chrislianos et deos vanos
mutlos suadebat adorare et ubi audiebat quempiam Christum nominare, sta-
tim eum ferreis nexibus constringebat. forte vidit beatissimam Margaritam
398 NEUE BRUCHSTÜCKE
vnd quam von Asm dem laut
vnd waz zcv aiitioch
5 de cristeheyl
rfy uiclit geloubyn
dy muslew werden
Tvo der richter sach
margaretan san her sprach [ame]
10 brengit myr dy ma^yt ....
daz ich selbyr an ir . r
ab sy sey ledic an der
B
do das megetY vor in quam
er sach iz tuvelichü an
er sprach bistu eyn dirn ad' vry (131 /fj
nv sage wy dy gelobe sey
5 sy sprach ich byen vry und geloube
.. .11.. dy.h vnd nyt wart g (144?)
oves nutricis pascenteni slalimque eam concupivit dixitque ministris suis:
ite festinanter, comprehendite puellam illam et interrogate: si libera sit,
accipiam eam mihi uxorem, si ancilla, dabo ei pretium et erit mihi concu-
\i\n& Mombritius. bnach cristeheyt vielleicht er; lies der er. er volgte
noch? vgl. SteJskal&Q u. la. 6 lies dy n. g. wolden synem got? vgl.
C^ 1. 7 lies w. gemarterot? vgl. in dem. von Phff'egener edierten
mnd. gedickte des \b j'hs. v. il vnde leet se (die Christen) sere marteren
vnde slaen. 8 die jnajnskel D rot. 10 m und y in magyt defect;
nach magyt glaubte ich bei anwendung von reagens tzart oder zart zu
erkenne7i. . 11 vielleicht vor dem letzten r ein f oder i 7ind daimach
.c. ar? die nahe liegende reimbindung dar : irvar ist ausgeschlossen.
12 an der stunt?
Zu B vgl. Oliberius vero mutans vultum iussit eam ante se adduci et
dixit ad eam: ex quo genere es tu? enarra mihi, libera es an ancilla? Beata
Margarita respondit: libera sum ego et christiana. cui praefectus: cuius fide
regeris vel quomodo nuncuparis? respondit: nomen meum: Margarila dicor.
praefectus: quem deum colis vel quem deum adoras? ad quem illa : ego
invoco deum omnipotentem et eins filium dominum Jesum Christum, qui
meam virginitatem usque in praesentem diem illesam alque inviolatam cu-
stodivit. praefectus dixit: ergo invocas domini Jesu Christi nomen, quem
patres mei crucifixerunt? sancta Margarita respondit: patres tui Christum
crueifixerunt. ipse autem permanet in aeternum et regni eius non erit finis
Mombritius. 1 die abbreviatur für n in megetyn ist nicht inehr zu er-
kennen. 4 jetzt ist nur noch dy zu erkennen. 6 11] vielleicht
atich st, der buchstabe darauf ^1 zwischen iy und h standen möglicher
DER TRIERER MARGARETENLEGENDE 399
er sprach wi hystu genant
bekant
margareta
10 vnd . . . . en vngelouben^wydersfa
teil vvil ^eZoubyn an iesü crist i"
der dyr und oper ist
mor. vnd
her an mych
C«
{185/f;
daz mych der wulrich
also icht vor terbe
vnd daz ich do mitte kwerbe
5 dy hymelizche crone
do sali tu myr mytte lone
waz daz megetyn gebat
D
do . . irt g
weise zwei buchstaben; aller dynch? ny\] vielleicht stand myt, aber nicht
nye orfer myr. nach g vielleicht ein m ode?' w? 8 von be nur noch
spuren vorhanden , lies tu mir dinen gelouben bekant? 9 lies ich heize
Margareta? 10 vor en vielleicht der rest eines d, lies vnd sol oder
vnd wil den? 12 vnd myr ein sdioper = schepher IT*. 32, 429 v. 101??
13 mor] möglicher weise auch mer; lies hiute morn vnd alle tach?
14 es sieht so aus, als habe nach mych: er sprach gestanden.
Zu C^ vgl. et iterum oravit bealissima Margarita et dicebat: respice
in me et miserere mei, domine, et libera me de manibus impiorum et de
manu carnificis, ne forte percussa formidet cor meuni. sed mitte ros sani-
talis ut mitigentur plagae meae et dolor meus requiescat et convertatur in
gaudium. haec ipsa orabat Mombritius. 2 wutrich, vgl. C'^ 2; auch
in der Marter der hl. Margareta (Zs. 1,152/7) heifst Olibrius so v. 133.9
usw., desgleichen in Sante Margareten niarter (Germ. 4,440/7) ^- 291.
4 vor ich rasur von nochmaligem ich.
Zu D vgl. in unmittelbarem anschluss an das zu C^ ausgehobene :
et quaestionarii caedebant virgis corpus tenerum et sanguis eius lamquam
aqua de fönte purissimo decurrebat. praeco autem clamabat: crede, Mar-
garita, crede et bene tibi erit super omnes \)ae\\as Mombritius. 2 irt] r
könnte auch als y gelesen werden, und dann tvird auch i unsicher, mit
s beginnt ein neues wort.
400 NEUE BRUCHSTÜCKE
blu 11
riffe alle
5 grozze
lonb. mar gär et a
dich nyme sla
all' . y . . werden
so nymäde uf der erden
vnd wtricA algemeyne
bistv groz vnd cleyne
ach margareta vns tut ve (190 /fj
5 daz vvyr dich suUen nach se
also iamerclichen han
beyde stozzen vnd slan
got
dynen .
wib V
nv uch ymant geza . . .
3 vor blu stand vielleicht zu ; es handelt sich wol um reste von (zu)
bluwen und zart. 4 lies do r. dy knechte a.? 5 lies mit grozzeme
schalle? 6 nach b vielleicht e, lies nv geloube? 7 lies sone
wellen wir dich? 8 vor y vielleicht b, Jiach y vielleicht st, lies aller
byst (= beyst = best, vgl. Zs. 32, 427 v, 32) sol dir w.? doch erscheint
freilich der Zwischenraum zwischen . y . . und werden für sechs huch-
stahen fast zu klein.
Zu C^ vgl. in unmittelbarem anschluss an das zu D ausgehobene : nam
pro multa sanguinis effusione illic astantes omnes super eam amarissimae
flaebant et dicebant quidam ex iis: o Margarita, vere dolemus te, quia te
nudam laniari conspicimus Mombritius. 5 nach : nudam.
Zu E vgl. in unmittelbarem anschluss an das zu C^ ausgehobene :
oh, qualem decorem propter incredibilitatem tuam perdidisli. praefectus iste
iracundus est et perdere te festinat et delere de terra memoriam tuam.
crede illi et vives. beata Margarita ita respondit: o mali consuUores, ite
viri ac mulieres ad opera vestra. mihi autem deus adiutor est Mombritius.
2 nach dynen vielleicht b. 3 lies wib vnde man ? 4 nv ?iicht
absolut sicher, nach geza rauin für einen buchstaben, dann vielleicht
ein ü(?), worauf abermals ein buchstabe folgte, am rande von v. 4.5
steht in drei Zeilen, wol von gleicher hand: Tue manus ) tuo i\o(mine?) |
DER TRIERER MARGARETENLEGENDE 401
5 kert an uvver erbeyt
dy vch do heyme ist hereyl
myr MIHI vnse heregoit
durch den . .
gelovbyt got all eyne (207 ff)
der ist starc vnd her gemeyne
her sy iunc adyr ah
5 beytit her in e>ner gevva?^
her wrt vry in syn' piw
her ist bereytir vil zcu im
sine knechte Sjjch
scharfe nagele hart
spart
all' betallyn
vnd slan
F
rin wyzzen. v
.sva tua...^(?). 8 ?iach den erkennt man noch spuren zweier buch-
staben (er?); lies etwa durch den erlide ich dise noit? vgl. Marter der hl.
Margareta v. 312.
Zu C^ vgl. credite vos in dominum nieum, qui fortis est in veritate
et petentes se exaudit, pulsanlibus aperit portas paradisi Mombritius.
1 zeigt den unteren bis zur ziveiten zeile hinabreichenden teil eine ini-
tiale in rot, die vielleicht E oder I war. 2 die zeile ist rot unter-
strichen, g in got xinsicher. 6 es ist nur noch syn zu erkennen.
Zti C* vgl. tunc praefectus iratus iussit eam in aere suspendi et cum
virgulis acerbissimis carnes eius disrumpi Mombintius. 1 nur die
untere hälfte der buchstaben ist noch lesbar; lies do zcu s. kn. spr. ?
2 vom h m scharfe ist nur der zweite strich noch sichtbar; lies brengit
oder nemit seh. ? in der Marter der hl. Margareta (358. 60) sind es ise-
nine krüle, scharfe und herte, 7nit denen M. das fleisch vom leibe gezerrt
wird. SaJite Margareteji niarter v. 256 desgleichen mit chreulen.
Zu F vgl. quare adversum me pugiiat ignoro. quid illi nocui ignoro,
absorbere me festinat et in caveam suam deducere quaerit. dum haec di-
ceret beata lAIargarita , draco ore aperto posuit os suum super caput beatis-
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XX[. 26
402 TRIERER MARGARETENLEGENDE
.in ge
der wyl mich xhyjrwynden
vü(\ wil mich vorsZyuden
5 daz clait dy mait czn stüt
der drache tet vf syne mvni (333)
vnd vor slanc das gute megetyo (334. 337)
in den vnreynen buch syn.
daz cruce daz iz tet daz gotis kynt (338)
10 daz quam zcu frumen synt
vnd zcu grozzen soldeu
simae Margarilae et linguam suam porrexit super calcaneum eius et suspi-
lans deglutivit eam in ventrem suum. sed crux Christi quam sibi fecerat
beata Margarita creuit in ore draconis et in duas partes eum divisit Mom-
brilius. 1 r unsichej\ zwischen wyzzen uyid v räum für zwei buch-
Stäben, aber nur von dem. ei'steti ist noc/i eine spur sichtbar. 2 der
buchstabe vor i vielleicht ei?i e, doch könnte das ivoi't allenfalls auch zcu
gelautet haben, e in ge unsicher. 10 lies ir. 11 o in solden
gaiiz deutlich, andernfalls möchte man seiden vermuten.
Tübingen. PHILIPP STRAUCH.
EINE ERGÄNZUNG DER WARNUNG.
Zwischen den versen 3490 und 3491 von Haupts ausgäbe der
Warnung (Zs. 1,533) ist der inhalt zweier blätter der hs. (Wiener
hofbibliothek nr 2696) übersprungen: es fehlt s. 297" z. 7 von
oben bis s. 301* z. 6 von oben, im ganzen 296 vv., die ich unten
in normalisierter Schreibung mitteile, bei der natur des gedichtes
komite die lücke an dieser stelle völlig unbemerkt bleiben, offenbar
lag Haupt eine abschrift vor, deren seilen genau denen der hs.
entsprachen, aber nicht einzeln paginiert waren , sodass er von der
anfangsseite 251" beginnend einfach fortzählte und, um die differenz
zwischen seinen schliefslichen Ziffern und den angaben Hoffmanns
und Graffs zu erklären, zu einer Vermutung seine Zuflucht nahm
(s. V. 3636). das geht auch daraus hervor, dass die bll. 281. 82
mit 279. 80 ihren platz vertauscht haben: es gehören nämlich
i;y. 2273 — 2424 vor 2121, wo Haupt eine Störung des sinnes
notierte, also rührte die copie entweder nicht von Haupts hand
her oder sie war geraume zeit vor der herausgäbe genommen worden,
ersleres ist das wahrscheinlichere , denn eine nochmalige vergleichung
EINE ERGÄNZUNG DER WARNUNG 405
der hs. ergab folgende irrtümer, die Haupt allerdings z. t. bereits
durch conjectur entfernt hat:
15 hör. hör zefuzzen trseit. 40 des friundes des ist ver-
gezzen. 99 riebet, nicht richtet. 126chiesen, W2cA? schiesen.
142 fiuchtelos, nicht fiuchteles. 173 als der da. 314 hat dem.
456 der tut, nicht daz tut. 627 würzen, mcÄMvintzen. 692 er
fehlt nicht. 745 oder ir verlieset. 817 hinder sich. 841 im.
884 die weile. 914 meiner, nicht in einer. 1 134 christenlichen.
1221 da, nicht dar. 1274 bejage. 1348 in. 1444 er fehlt nicht.
1726 rüden. 1753 riebet. 1887 friut. 1998 div inzsiget.
2071 sein, nicht ein. 2118 niemen. 2392 selbes. 2173 war
fehlt nicht. 2182 etvvenne, nicht chvenne. 2233 daz sint gce-
tinne. 2615 Thumber (sie). 2643 nimmer, nicht immer.
2645 mochtet irs. 2792 wa sol sein holde beleiben. 3067 de-
hseiner. 3090 tot, nicht not. 3092 was, nicht uns. 3204 si
des erwant. 3295 alsan. 3320 ir in soll wol ir iu heifsen.
3445 niöcht in. 3463 svlen. 3492 daz c . . .
[Vorstehende dankenswerte collation, welche den text an fol-
genden stellen bessert: 15 (bor hör ze pfützen ireit). 40. 173.
1274. 1887 (freut). 1998. 2182.. 2233 7?. daz sint sin götinne,
den). 2645. 2792. 3295 (l. alzan , vgl. zu Erec 4178). 3320.
3445 (mohte in), gibt mir anlass, noch weitere berichtigungen,
darunter mehrere graphischer natur, vorzuschlagen. 7 1 not. 1 1 4 so
der. l2&komma, 127 punct. ]M kolon. 148 dar. 185 nach.
197 findet, vgl. 1132. 200 dienst, vgl. 2158. 2650. 3271.
282 geslende, zu Neidh. 68, 30. 288 das überlieferte bönchust
zu verwerfen liegt kein grund vor. 294 punct. 334 wan si
werdeut selten gar verlorn: si mit Haupt auf diejenigen zu
deuten, die sich an die mäie halten , geht nicht an , da vorher und
nachher die zweite person angewendet wird; ich schreibe daher
verhorn und beziehe si auf Sünden 331. 358 unt die werlt
vliusel. 576 in kann hier ebenso gut beibehalten werden wie Haupt
1381. 2280 den accusativ conservierte. Qbi punct. 691 kein punct.
802 guottsete. 846 entlibe, denn 'leihen' hätte in dem zusammen-
hange keinen bezug. 850 ähte vgl. 861. 878 das überlieferte
um kann bleiben. 1127 sine. 1149 waz. 1155 an. 1277 diu.
1300 ir ieglichem er nähe g6t, wie Haupt schreibt, kann nicht
richtig sein , denn es ist immer nur von einem spieler oder sünder
die rede, die hs. bietet ir ieglicber naher get , ebenfalls unrichtig.
26*
404 EINE ERGÄNZUNG DER WARNUNG
es stand irrecliclie (zornig) er näher göt. 1323 keine interpum-
tion, \Z1Apinct. 1453 dar, 1679 enruochet. 1778 erde /(S., 6re
Haupt: l. erge. 1808 enwage. 1836 valsche war beizubehalten,
denn tougen wird in dem gedickte als fem. gebraucht, vgl. 3443.
*90. 1854 da. 1922 diu. 1926 froste. 1930 diu. 1945 daz.
1968 punct. 1989 ist %ool nach unt einzusetzen kumt. 2004 irz.
2042 könnt, vgl. 218. 2073 pmcf. 2120 vorkomen scheint ein
schwaches masc. = 'vorbote' zu sein. 2211 das hsliche ez ailez
mtiss beibehalten werden. 2328 eideu natürlich = egeden , vgl.
auch Zs. 2,bl\. 2357 war. 2421 dar. 2121 /" entwichet: er-
blichet. 2145 enruochet. 2150 Iröuden (geschrieben friuden),
vgl. 3260 und 3250 f. 2229 das überlieferte diget ist untadelUch,
vgl. betet 2223, anbetet 2235. 2243. 2269 der punct muss hinter
dem folgenden verse stehen. 2632 punct. 2805 vielleicht der es.
3123 ungewärhch. 3308 gebrouchen nach der hs. wider eingesetzt
vom Mhd. wb. 1, 265\ 3334 punct. 3388 ende. 3424 swaz.
3524enrach, vgl. 3536. ST.]
*1 Nu sol iu jämer dar tragen
unt solt got iemer klagen
daz ir im noch so verre sit
da aller wünne wünne lit.
*5 diu ergangen missetät
unt dirre werli unrät
unt des urteiles freise
sol iu machen eise,
daz ir schulde iu versinnet
* 10 unt riuwe gewinnet.
so sol iu jämer dar tragen
da ir 6 hörtet von sagen,
wie wünneclich da vvsere
an aller sorgen swaere:
*15 daz ist daz himelriche
dem ich niemer geliche
dise werltliche ere
diu endet sich mit sere.
so sol der mensche ahten
*20 unt alle sache trabten,
wie ez da unt da st6,
*2 nimer *17 wertliche
EINE ERGÄNZUNG DER WARNUNG 405
wie ieglich dinc zergö
unt wie ez ende nemen sol,
daz eine übel, daz ander wol,
* 25 waz süeze oder siure si,
waz eigen si oder frl,
waz wol luo oder we,
waz lange wert oder schien . j:g6,
waz wünne si oder leit,
*30 waz ze himel oder ze helle Ireit.
waz schcene si oder unschcene,
waz 6re si oder hoene
dem menschen an der jungisten zit, 297^
s6 man uns allen lön git,
* 35 ieglichem als er gedienet hat,
des ist deheiner slahte rät.
daz sult ir nu besorgen
den äbent unt den morgen,
die naht dar umbe wachen.
* 40 sus sult ir riuwe machen,
6 iu der tot begrife
unt iu daz leben entshfe.
weit ir als ein blinder man
der des weges niht erkennen kan
* 45 äne Stab ungeverte varn,
daz mac niemen bewarn,
in die gruobe müezt ir vallen,
weit ir alle wege wallen.
Sult ir iurem herren gelten
* 50 unt sehet in doch selten,
weit ir da mit biten
unz ir in sehet riten,
niemen daz bewarn kan,
er kom iu zornechchen an.
*55 der gelt ist dannoch ungereht:
so vsehet der herre den kneht,
in den karkser er in leit,
dö den gelt daune niemen treit.
*25 wa *26 «igen oder fri sei *29 war *45 un-
gewerte *49 ivren *54 iu] in *58 da
406 EINE ERGÄNZUNG DER WARNUNG
ir Sit ze grözer schulde komen,
*60 üf die s6le habt ir vil entnomen.
iwer fraise erkenne ich wol
unt räle iu als ein vriunt sol,
daz ir äne vancnüsse bant
e der scherge dar nach werde gesant
*65 geltet ot enzit.
diu zit iu üf dem rükke lit.
6 ir sin war habt genomen,
so ist der jungiste tac komen,
s6 habt ir niht langer frist, 298*
*70 wan des herren zorn komen ist.
der scheidet iu von dem guote
unt von aller fröuden muote,
von wibe unt von kinde.
6 daz er danne erwinde,
*75 so leit er iu dar
da iwer niemen nimt war.
daz fürhte wip unde man
daz die zit niemen wizzen kan.
Ein man der hüs bewarn sol
*80 der mac wizzen niht wol,
wenne der diep dar durch graben wil,
der hilt siner werke zil.
durch daz schaffet er huote
dem hüse unt dem guote
*85 mit gewarheit alle zit.
der wise wirt swä er lit
sine warnunge er hat,
wan ez an sinen schaden gät.
daz leget für iuriu ougen
*90 unt fürhtet die gotes tougen,
wan niemen mac wizzen wol,
wenne sin böte komen sol.
niemen mac so witzic wesen,
in swelher aht er wil genesen,
*95 ern müeze haben der liute rät
ob er lobes 6re gerne hat.
*64 were *66 v^l. 180
EINE ERGÄNZUNG DER WARNUNG 407
wil ieglichen dunkeo guot
swes in bewisl siq eines muot,
da mag wol im an missegöu
*100 oder küme äne lop gesten.
swer durch fröude iht tuot
oder durch zorneclichen muot
oder durch des Hbes gelust
ob er strebe hin ze der äkust
*105 oder durch debeines friundes bet, 298''
6 er kome hin ze der stet
da erz wil verenden,
sine friunt sol er besendeo,
einen zwöne oder dri,
*110 der sin ze guolem lobe si.
rätent si ez geliche,
sinem willen er niht entwiche,
gedenke aber er ez si boese,
sin herze er da zerloese
*115 von unnülzem muote,
daz kumt im ze guote.
weit ir nach iurem willen varn
sone muget ir niemer bewarn,
irn missetuol vil s6re
* 120 unt swachet iwer 6re.
Swaz Sache iu ze muote si,
da lät rät wesen bi
eines mannes der tugende minne
mit wolgelobtem sione.
*125 sone mag iu niemer missegön
unt muoz iwer 6re wol stön.
swaz iu dar umbe geschiht
s6 volget ir doch dem libe niht.
swer alle zit im einen lebt
*130 unt nach des libes gir strebt
unt enruochet wen ez dunket guot
oder wem ez trüebe sinen muot,
*101 frivnde *103 durch ... bes gelust, das punctierle unleser-
lich * 104 streb hinre *106 hinre * HO sein * 129 einem
* 132 wen
408 EINE ERGÄNZUNG DER WARNUNG
wer ez hazze oder mione
oder zorn dar zuo gewinne
*135 (daz gct im allez ze einer hant),
dem ist schänden schade unerkant,
des mag got niht ruochen,
genäde wil er niht suochen.
üf anders niht er sich lAt
* 140 wan swaz ie der tac gemachet hat.
dem ist frömde frumer Hute rät,
gerne er sich eine begAt.
der ist an sinem löde verlorn, 299"
diu helle hat in erkorn.
*i45 nu tuot iwer friheit hin
si en
daz himelrich si vliuhet,
in die helle si ziuhet.
swer im einen früude wil geben
*150unt ander niemen kan geleben
unt tuot ane guoten rät
allez des er willen hat,
des enruochet diu werlt noch got
unde ist des tiuvels spot.
* 155 des warne ich iu , wip unde man,
wan ich iu allen guotes gan,
daz ir sölhes lebenes äue sit,
wan der lange tot dar inne lit.
nu werfet iuren willen hin,
*160 daz wirt iu ein grözer gewin,
da wähset langer fröuden fruht
unt stseter 6ren genuht,
tüsentvalten wuocher ez git
an der nötdurfle zit.
*165 da füllet denne iuren sac
swaz langer fröuden dar in mac.
Nu merket um den armen man
der guotes niht gewinnen kan
wan einen metzen kornes,
*135 ze fehlt *146 etwa si engit iu keinen gewin *149 eine
*157 leben
EINE ERGÄNZUNG DER WARNUNG 409
*no des fürhlet er verlornes
bßdiu späte unde fruo.
niht weiz der arme waz er tuo.
er gedenket: gizze ich daz körn,
so ist ez öwicliche verlorn,
*175 stelent ez aber die diebe,
elliu diu liebe
die ich dar an gewendet hän
die muoz ich ab dem herzen lan.
nu im diu angest zuo gel
*180 unt er in grözem zwifel stet,
s6 koment sine sinne 299*^
unt rätent nach gewinne.
so beginnt er denken an die stat
da sie gewinnent allen rät:
* 185 die den sumer habent ze sniden
die muoz der hunger miden.
nu siuftet der arme genöte,
in jämert nach dem bröte.
doch gevaet er ze jungist einen muot
*190 also der wise mau tuot
unt vindet daz michel bezzer ist
ein ncetlichiu kurze frist,
denne iemermer übelleben.
sinem zwifel beginnt er ende geben.
*195 einen acker er im suochet
des doch niemen enruochet.
sin körn säet er dar an
so er aller beste kan,
des er eine wlle solde leben.
*200 der erde hat erz gegeben,
daz der säme sterbe
unt grözen frum erwerbe,
als ez an daz snit g6,
daz er dar nach vroeliche st6
*205 ob manegem mutte kornes
des er da wände verlornes.
*173g3ezze *\%0\m^r ...n, das punctierte unleserlich *183ge-
dencchen *189gevaehet *194 er ein ende *203sint *206daz
410 EINE ERGÄNZUNG DER WARNUNG
habt ir daz rehte vernomeD,
waz dem armen ist komeu
von einem metzen guotes?
*210 nu ist er fröes muotes.
den selben metzen miiezt ir säen,
weit ir sniden unde msen
daz (^wige riebe
mit den engelen gelicbe.
*215 der metze ist iwer iegliches lip,
daz wizze man unde vvip,
den müezet ir dar umbe geben, 300"
weit ir in dem himelriche leben.
nu änet iu kurzer fröude hie
*220 diu doch mit riuwen ie üz gie.
swie harte sie iu ze herzen llt
si Iset iu an der liebsten zit.
Nu kiuse ich jämer aller meist,
daz iu volgel der geist
*225 nach allem iurem muote
unt hat iu uiht in huote,
daz er niht widerstrebet,
so ir üf sinen schaden lebet.
daz machet diu gröze minue
*230 die er mit allem sinne
her ze dem lichnamen hat,
wan er sin hüs ist unt sin wät.
er ist dicke aller fröuden blöz,
wan sin angest diu ist gröz.
*235 sä ze der selben vrist
der mensche swseres muotes ist
unt gehabt sich undäre
unfroelicher gebäre
unt vsehet sich harte träge.
*240 nach maneger liute vräge
kan er niemen gesagen
waz leides sine sinne tragen.
sin gemüet daz ist ot swaere
*210 höes, k tmdeuüich *222 liebisten. vgL3'2ia *226 niht
fehlt *231 leichname *239 scheint verderbt
EINE ERGÄNZUNG DER WARNUNG 411
unt fröude unmaere.
*245 die wile sihet der geist wol,
waz iu beiden geschehen sol. '
mag ez iu ze hoeren gezemen
unt weit ir gerne vernemen,
ich sage iu rehte waz ez ist:
*250 daz der geist sihet die frist
der helle ungebaere
unt maneger wize swaere
unt aller unsenfte not 300^
unt den ewigen tot.
*255 daz strenge gerihte
stöt im ze gesihte
unt der gotes vorhllich zorn
da von die selben werdent vlorn,
der, lichname hie tuot
*260 allez daz in dunket guot.
so erz allez ersehen hat
ein gröziu angest in bestät.
vor forhten er sich enphnüttet,
.den lip er danne schüttet:
*265 geschözet ist daz genant.
so hat der geist den tot erkant.
Welt ir nu iemer genesen,
s6 sol daz iwer sorge wesen
bödiu späte unde fruo,
*270 wenne diu freise sliche zuo
die der geist hat ersehen
unt iu beiden mag geschehen.
ob irz niht underkomen weit,
so Sit ir nämliche gezeit
*275 der helle ze ingesinde
unt dem tiuvel ze einem kinde.
die helle hungert s^re,
gerne het si liute möre.
daz ist ein vorhtlichiu not.
*280 si durstet üf iuren tot.
weit ir daz niht entsitzen,
252 vn *258 /. seien? verlorn *280 sei
412 EINE ERGÄNZUNG DER WARNUNG
so lebt ir niht mit vvitzen,
got hat iwer vergezzen.
üf die Sünde sit ir gesezzen
*2Sd diu vil hoele füeze hat,
ir sole gegen der helle gut
als üf einem giaten ise.
irn Sit niht sselden wise,
wan ir da trovvet üf vvesen
*290 da der tiuvel selbe niht mag genesen.
er wsere vil gerne anderswä, 30 T
er wonet vil ungerne da.
weit ir von der helle keren,
einen rät vvil ich iu Ißren
*295 der iu gevvisliche nert
unt iu den vvec dar wert.
3491 unser herre daz vil wol siht usw.
*287 glat *289 wa.. bowel *290 niht mag] enmag?
Berlin. K. BORINSKI.
BEMERKUNGEN ZU DEN DENKMALERN.
1. Zum Hildebrandslied.
Hildebrand fragt den Hadubrand v. 8ff, wer sein vater sei
und aus welcher familie er stamme, zwischen den beiden fragen
ist, wie die fehlende allilteration lehrt, eine lücke. sie enthielt
kaum etwas anderes als eine dritte frage, wer Hadubrand selbst
sei, wie er selbst heifse. so liefse sich etwa ergänzen
huer sin fater wart
fireo in folche: 'mi is des firiuuit mikil.
chüdi mi dinan namun' eddo huelihhes cmiosles
du sis.
im gründe ist es nur eine und dieselbe frage, denn fährt der
alte fort ibu du mi enan sages , ik mi de ödre uuet : chiid ist mi
al irmindeot, so ergibt sich, dass er dem gegner die auswahl
lassen kann, weil er, sofern jener nur überhaupt antwortet,
BEMERKUNGEN ZU DEN DENKMÄLERN 413
doch zum ziele gelaugt, zur ergäuzung der ersten zeile habe
ich mich einer im Heliand mehrfach gebrauchten formel bedient.
Sowol nach 22 als auch nach 48 schlägt Müllenhoff Um-
stellungen vor. die erste nur mit vorsieht, und sie ist auch
entbehrlich, sollte 25 die begrUndung für Hildebrands abzug
enthalten, so miiste der vers nicht lauten er was Otachre ummett
irrt, sondern imo was Otachar ummett irrt, auch bei der über-
lieferten Stellung konnte der scbreiber durch Deotrichhe in v. 26
auf 23 zurückgeführt ^verden. ebenso möchte ich an der zweiten
stelle die tradition verleidigen. nach Müllenhoff schreitet die
Unterredung folgender mafsen fort.
Hadubrand sagt 38 — 44 'du willst mich teuschen, du bist
nicht mein vater, denn der starb in der ferne'. 45 — 48 Hilde-
brand erwidert 'du siehst stattlich aus und bist noch nie ver-
trieben worden. 55 — 57 bist du aber tapfer genug, dann kannst
du jetzt von einem ebenso vornehmen mann beute gewinnen.
49 — 54 wehe, mich wird nun mein eigner söhn erschlagen oder
ich ihn. 58 ff denn der sei der ärgste feigling, der jetzt nicht
kämpfen will', der beginn von Hildebrands antwort ist sonderbar,
schliefst Hadubrand seine rede 'du bist nicht mein vater', so
muss Hildebrand zunächst antworten 'der bin ich doch!' sowol
nach der hs. als auch nach Müllenboffs anordnung weicht er
aber geradezu aus , macht sich erst recht verdächtig und be-
schleunigt damit den kämpf, den er doch vermeiden will, das
hineinziehen der stattlichen ausrüslung knüpft Müllenhoff an das
verschmähen der ringe und lässt von diesem gedanken auch das
folgende noch beherscht sein : 'wol sehe ich dass du einen guten
herrn daheim hast und meiner gäbe nicht bedarfst; aber
wenn du so streitlustig bist und gut nur durch Waffen-
gewalt gewinnen willst...', die gesperrten worte sind
hineingelegt, es steht nichts von ihnen im text und ohne sie
fehlt die von Müllenhoff gesuchte Verbindung zwischen den Sätzen
und gedanken. auch wie Müllenhoff weiter erklärt 'suche dir
einen andern gegner, du findest noch ebenso vornehme
wie ich bin', ist, abgesehen von der unrichtigen auffassung des
in sus heremo man, worüber Edzardi Beitr. 8, 484 ff, nicht die
einzig mögliche auffassung der verse 55 ff, welche auch bei der
hslichen reihenfolge einen andern, guten sinn haben können.
Nach der hs. nämlich hat sich Hildebrand Hadubrauds vater
414 BEMERKUNGEN ZU DEN DENKMÄLERN
genannt — das muss in der lUcke nach 32 gestanden haben —
und bietet ihm goldene armringe an, welche er von Etzel erhielt.
Hadubrand lehnt sie ab und schilt den alten einen betrilger, denn
sein vater sei tot. darauf beteuert, was fehlt, Hildebrand seine
Vaterschaft, Hadubrand aber hält ihm entgegen 'deutlich sehe
ich an deiner riistung dass du in der heimat einen guten
herrn hast und so lauge er herschte noch nicht vertrieben
Avurdest'. das heifst 'du kannst schon deshalb nicht mein vater
sein, weil du viel zu gut für einen recken aussiehst, und das
war mein vater'. 46 — 48 gehören also dem söhne, nicht dem
vater, und seine antwort ist nach der einleitenden formel 45 Hilti-
braht gimahalta, Heribrantes suno ausgefallen, nach 48 dagegen
fehlt nichts, wie daraus erhellt, dass Hildebrand auf die bemerkung,
er sei kein recke, sofort seine 30 wanderjahre hervorhebt, er
bleibt aber nicht bis zum beginn des kampfes der redende,
sondern seinen worten 53 f 'jetzt wird mich mein eigner söhn
erschlagen oder ich sein mörder werden' setzt Hadubrand 55 — 58
den höhn entgegen 'und doch vermagst du jetzt leicht (darauf liegt
der ton) bei einem so vornehmen manne (nämlich wie ich bin; vor-
nehm, und ZAvar ohne jede rücUsicht auf das alter, heifst aber her
doch auch) spolien davon zu tragen, wenn du nämlich (erneuter
höhn) darauf — dar, nicht dar — irgend ein recht hast', und nun
Hildebrand 58 — 62 im höchsten zorn der si doh nü argösto östar-
liuto, der dir nü wiges warne, jetzt nach dieser beleidigung.
Erschiene meine interpretation annehmbar, so würde der für
das lied characterislische dialog weiter ausgesponnen und zur
höchsten dramatischen Steigerung geführt, und man ersparte sich,
was gevvis bei einem so ehrwürdigen denkmal willkommen sein
wird, mehrere änderungen am überlieferten.
2. Zum Wiener hundsegen.
Der Segen besteht aus versen von vier hebungen , wovon
nur die beiden geleite dero zohöno und ode heido eine ausnähme
machen und der erste halbvers. die drei hebungen der geleite
sind erklärlich, nicht die der anfangszeile, doch ist da leicht zu
helfen, denn zweimal noch hat Christ das epitheton der heiligo,
und setzen wir der heiligo Christ an die stelle des kahlen namens,
so ist die fehlende hebung gewonnen, ob im folgenden halbvers.
BEMERKUNGEN ZU DEN DENKMÄLERN 415
die ergäüzung mias notwendig ist, dünkt mich zweifelhaft, da
man zu dem elhptischen satze er uuolf ode deob (oder vielmehr
dioh , Braune Beilr. 4, 561 anm.) gaboran uuart aus den ersten
Worten entnehmen kann.
3. Zu Contra vermes.
Wie im Wiener hundsegen mischen sich auch in diesem auf
sonderbare weise Zeilen von drei und vier hebungen. von den
11 halbversen des Spruches haben 8 vier, der 4. 6. 8 aber nur
drei hebungen, und diese auch blofs dann, wenn man die drei
einsilbigen Wörter, aus welchen jeder besteht, drei tacte bilden
lässt; wo nicht, ergeben sie gar nur zwei hebungen mit da-
zwischen stehender Senkung, indes kann man bequem die 2 bis
5 langzeile als kurzzeilen fassen:
nt fäna themq mdrge an that hm, fdn themp bene
an that flesg,
nt fdn themq flesge dn thia hüd, [nt] fan therq hud
an thesa strdla.
die ersten halbzeilen beginnen mit, die zweiten ohne iit. die Stel-
lung der allitterierenden Wörter ist durch den Inhalt bedingt, es
ist aber wenigstens Stabreim vorhanden , welcher nach der auf-
fassung in den Denkmälern fehlt, die form B lässt sich ent-
sprechend gestalten, sobald man nur statt fonna vonna das übliche
fona vona schreibt.
4. Zum Lud wigsliede.
Im anschluss an die note zu v. 42 halte ich bereits Anz.
IV 273 bemerkt, dass die bewaffuung lediglich mit schild und sper
keineswegs immer auf eile deute, und belege dafür gegeben, ich
kann noch Otfr. iv 17, 9 hinzufügen ther ana seilt inti ana
sper so fram firliafi in thaz giwer. auch au Tacitus Germ. 6
sei erinnert et eques quidem scnto frameaque contentus est und
an die Heruler, welche nach Prokop BP 2, 25 nur mit schild und
sper und nackt kämpften (DAK ii 78 anm,). schild und sper sind
die notwendigsten schütz- und trutzwaffen und die repräsentanten
aller, — zu v. 45 ist bemerkt, das praesens historicum sei 'aus
unsern alten quellen' nur durch diese stelle des Ludwigsliedes
zu belegen, und auf Gr, 4, 145. 142 f verwiesen, wo von dem
besonderen, auch hier zutreffenden fall der vergegenwärtigung
416 BEMERKUNGEN ZU DEN DENKMÄLERN
durch den erzähler die rede ist. dieser gebrauch wird am meisten
deutlich durch die auch von JGrimm angeführten stellen aus dem
Salman und Morolt, an welchen der leser ein trinken fordert,
indem er recapitulierend sagt nu ist verraten kiinic Sahndn udgl.:
'meine erzählung ist jetzt an den punct gelangt wo. . . '. für
ein würklich erzählendes, nicht blofs urteilendes praesens wüste
ich aus älteren mhd. denkmälern nur zwei belege anzuführen.
Wiener Gen. 75, 23 steht neben lauter praeleritis im praesens
daz gesiine ime tunchelöt. daz tet iz durch not: er was ein
altman, er ni mähte nieht heitere chiesan. tunchelöt ist den be-
schreibenden praeleritis was mähte durchaus gleichwertig und
wird obenein durch das praeteritum tet wider aufgenommen,
doch spielt hier der reimzwang mit und es wäre vielleicht sogar
ein tunchelote mit kurzem o möglich, wiewol auch die Milslätter
hs. 105, 31 das praesens hat. nicht einmal voll erzählend mehr
ist das praesens im Rother 3495 vB.: Der zit it nahen began.
sich vazzede manich man in die grözen herevart die Röther ge-
lovet hat. das praesens oder perfectum gelovet hat steht hier in
einem relativsatze , kann sowol die fortdauer des gelobnisses be-
zeichnen als auch ein hineinziehen der hürer bezwecken, in so
fern der dichter nicht erzählt, sondern die bereits bekannte tat-
sache nur constatiert. so braucht man an die mögliche änderung
die Röthere gelovet wart gar nicht zu denken, vielleicht achten
oder achteten auch andere auf die erscheinung. Erdmann gibt
in seiner Syntax § 140 nicht eben m.ehr und anderes als JGrimm,
Paul brauchte in seiner knappen darstellung diesen punct nicht
zu berühren.
V. 57 geben die Denkmäler Knning uuigsdlig, ein sonst nicht
belegtes, aber sehr wol denkbares adjeclivum. von einem g
fanden aber sowol Arndt als Holder keine spur, vielmehr lasen
beide kuninge (oder Kimige) ui salig, das e muss also ver-
wertet werden, wenn es auch nicht zu Kuning gehören kann,
möglich ist wol nur Kiining euuin sälig.*
5. Zu Psalm cxxxviii.
Weshalb ist v. 16
ih uueiz daz din naht mach sin so Höht also lach
[*= dieselbe conjectur hat mir auch EMarliii für die neubearbeituug der
Dkm. mitgeteilt. ST.]
BEMERKUNGEN ZU DEN DENKMÄLERN 417
der reim mach : lach verschmäht? er ist reiner als naht: lach und
aufserdem wird die erste halbzeile glatter, wenn man das hilfs-
verbum von seinem inflnitiv trennt, bedenken kann das nicht
erregen.
6. Zum Georgslied.
Der verderbten stelle v. 49 hat auch Zarncke nicht auf-
zuhelfen vermocht, ich wage einen Vorschlag, welcher der hslichen
la. nahe zu bleiben strebt, sie lautet Do seGita : : kobet • ihz ■ ih
betamo • Gelnobet ehz. in kobet ihz und Geluobet ehz scheint mir
dasselbe, nur falsch widerholt zu stecken, nämlich geloubet iz,
wogegen der schluss des verses wegfiel. Tacianus heifst Georg
sagen, wodurch er seine wunder verrichte — denn so wird man
doch hiez en sdr spreckan auslegen müssen, darauf kann nicht
wol ein gebet die antwort sein, vielmehr Georg nur erwidern
'durch Christus': dö segita er 'geloubet iz, ih bet an den hei-
legen Crist. dagegen seit ihr dem teufel verfallen'.
In den Zeilen 59. 60 hat Zarncke mit recht die reihenfolge
der hs. beibehalten, denn Hautps reim nfihellehunt ist bedenk-
lich, natürlich können Gorjo huob dia haut nf, erbibinöta
Abollin nicht reimen und Zarncke nimmt daher ausfall zweier
letzter halbzeilen an. da heben aber an sich schon aufheben be-
deutet, liegt sehr nahe huob dia hant sin.
7. Zu Herig6r.
Das gedieht, dessen schlusswort fehlt, klang vielleicht mit
einem doppelreim aus: cave ne furtum facias spur cum.
8. Zu Meregarto.
1, 21 f las HofTmann fon . ... ist , Kelle fonne meres stad . . .
MüUenhoff schrieb als 'notbehelf Nu sage uuir zerist fonnemo
mere so iz ist. für so wäre jedesfalls wie (Schade, vgl. Germ.
9, 60) oder wielch zu setzen, stad kann nicht richtig gelesen
sein , da nicht von den gestaden , sondern den wassern der meere
berichtet wird, das wort mere muss notwendig in der zeile vor-
gekommen sein , das lehrt die beischrift De Maris Diuersitate,
und das reimwort muss auf ist ausgegangen sein, entweder
wurde dies oder mere durch fon regiert und in fonne steckt fon
Z. F. D. A. XXXIII. N. F. XXI. 27
418 BEMERKUNGEN ZU DEN DENKMÄLERN
mit dem genetiv oder dativ des arlikels. ist der gen. meres
sicher, so könnte man denken an fon des meres sunderwist. stad
wäre aus sud verlesen und das nach den Wörterbüchern aller-
dings nicht belegbare sunderwist 'eigenartiges wesen' liefse sich
zu mitewist stellen, wahrscheinlicher aber dünkt mich fon demo
mere stmderlist oder noch besser starken list, 'erstaunliche kennt-
nisse'.
[Durch eine anfrage Steinmeyers werde ich darauf aufmerk-
sam , wie viele kleine änderungen Müllenhoff an dem überheferten
text des Meregarto vorgenommen hat. sie sind keineswegs alle
notwendig, eine anzahl wird Steinmeyer beseitigen, auf andere
sei hier hingewiesen.
1, 5 schreibt Müllenhoff manic michiler se, die hs. mayiic
michil se\ dass beide atlribute unflectiert sind, kommt vor und
der vers genügt für die Übergangszeit vom ahd. zum mhd. man
vgl. Wiener Exod. 88, 14 scelten grözze. 94, 13 den selben man.
Milst. Exod. 155, 5 aller mittir naht. 160, 17 manich zeichen
rot. nicht einmal positiou durch auslaut und anlaut, welche
Scherer QF i 73 für solche knappen Zeilen verlangt, ist erforder-
lich: Milst. Exod. 142, 10 lautet ir hruodir ir. 152, 32 hindir
uns bestdt usw. und sie sind so wenig anzufechten wie bei
Olfrid ubar sunnnn Höht, was allerdings von all den beispielen,
die Wilmanns, Altd. reimvers § 78 im anschluss an Hügel zu-
sammenstellt, das einzige ganz sichere ist. doch brauchen wir
deswegen an der richtigkeit der überUeferung bei diesen frühmhd.
denkn)älern nicht zu zweifeln: sie kennen noch nicht den
klingenden reim, sodass michü zeichen bruodir im versausgange
zwei icten trügen, und für das innere genügt schon eine ge-
schlossene kurze flexionssilbe zur füllung eines ganzen tactes.
daher darf man auch 1, 7 mit der hs. icazzer gnuogtu statt
Müllenhoffs ginuogiu beibehalten, während 2, 47 über chnrze
stunt bedenken erregt, die sich freilich durch einschub von vil
besser beseitigen liefsen als, woran Steinmeyer mit recht anstofs
nimmt, durch Müllenhoffs stunt e : gesunte als ntr. plur. auch
2, 112 mit ih sag iu und 115 der onh ieht firstilit zwingt uns
das metrum nicht die längeren formen imte sage iewiht mit
Müllenhoff einzuführen, weshalb sollen ferner einige dreisilbige
auflacte in diesen ungelenken versen getilgt werden? 1, 65
er wäre uuilen (hs. uuile) givarn in Islant ergibt die auf-
BEMERKUNGEN ZU DEN DENKMÄLERN 419
nähme von uuüen allerdings leichte zweisilbige Senkung, doch
liefse ich sie durchgehen, denn 2, 79 zuene prunnen sint in
Sicilia ist sie auch vorhanden, wenn man nicht mit Müllenhoff
sint streicht. Lachmann hätte vielleicht prunn oder prunnn ge-
schrieben, wie analoge fälle in seinem Walther und Wolfram zu
vermuten erlauben, und dadurch zwar einsilbigkeit für das äuge,
aber nicht für die spräche hergestellt. 2, 73 haben wir synärese
anzunehmen: ein icazzer si in Campdnia, daz nieman si so
umhdra. Müllenhoff tilgt daz und zerstört dadurch die echt
altertümliche weise, in welcher dem consecutiveu daz kein 'so
beschaffen' vorangeht und schliefslich, weil noch zwei bedingungs-
sätze nachgeholt werden, die begonnene construclion verlassen
wird. 2, 43 Müllenhoff Ein prunno wiz pi Röme statt des hslichen
Ein wizzer prunno. 2, 77 die gihalten miellent iro gibnrt, hs. die
ouh gih.: es wird noch etwas hinzugefügt, deshalb ouh.
1, 35 braucht get:röt nicht verändert zu werden. 44 hs.
zi des meris parm, woraus Müllenhoff um des verses willen wnz
in d. m. p. macht, näher läge nider zi. sollte nicht ze einen
ictus tragen dürfen , wenn der dem satzton nach doch schwächer
betonte artikel darauf folgt? die Lachmannschen zuo für ze (zb.
Nib. 22, 4. 127,4, vgl. zum Iw. 5873) scheinen mir mindestens
zum teil \insicher.
1, 66 hs. michiln, Müllenholf unnötig michilin. 74 hs. si,
Müllenhoff sie. vgl. aber 1, 43. 46. 47 usw. 75 fon diu wirf
daz IS da zi christallan so herta. so man fiur dar uhera machöt
unzi diu christalla irgluot. so herta unzi? doch wol daz.* 91 in
der hs. uuerdent dei uuazzer zisamine gimiscit. Müllenhoff uuer-
dent st gimiscit. man kann sich enger an das überlieferte halten:
uuerdent dei zisamine gimiscit. 10. 2. 89.]
9. Zum Friedberger Christ und Antichrist.
Nach den zum anfang gegebenen parallelen kann kaum
zweifelhaft sein, dass auf daz querder was dv mennescheit. der
folgte angel was dv gotheit. dem reiniworte here muss das dazu
gehörige voran gegangen sein, da die herstellung der schlussreime
[* ich teile Roedigers bedenken, glaube jedoch, dass ihm auch ohne
conjectur abgeholfen werden kann , wenn man Schades interpunction (Decas
s. 20) acceptiert: punct (oder kolon) nach v. 76, komma nach v. 78. ST.]
27*
420 BEMERKUNGEN ZU DEN DENKMÄLERN
des abschnittes gevangan : Leviathan sicher ist. Weigand las ich
(i zweifelhaft) der in daz m. m bezeichnet er allerdings auch
als zweifelhaft , aber was sollte darin stecken, als der anfang des
auf here reimenden mereV in das meer wird daz querder ge-
worfen: der ist erhalten, das unsichere ich dürfte der rest von
daz sein, wobei an die bekannte ähnlichkeit von z und h zu
denken, es folgte nun etwa daz (nämlich querder) hild daz
himelisca here — die beiden letzten worte sind fast ganz unver-
sehrt, darnach mit / m ; wart gevangan der nidigo leviathan.
'mit m', sagt Weigand, 'weifs ich hier nichts anzufangen, wenn
nicht zu ende der zeile 5 [der vorhergehenden] die erste silbe
von deme ausgefallen ist', eher mag das angebliche m ein i mit
den zwei ersten grundstrichen eines folgenden m sein, also mit
imo zu ergänzen.
In den nächsten Zeilen steht sowol nach dem text der
Denkmäler als auch nach Bartschs Vorschlag Germ. 9, 61 zweimal,
dass Johannes kam :
Denkm. Do qtiam der man
der vns was geheizan,
den di prophelun
gewissaget Äaduu.
do irskein der mau
der prophetiam 1 : ewau,
Johan7ies baptista,
er luthet vns wer Christo.
Bartsch D6 kom der heiligo man
der uns was geheizan,
den di prophetun
gewissaget hddun.
dö irskein der fröno man
der prophetiam verwan,
Johannes baptista.
er h'ihtet uns vor Krista.
'die ergänzung ist wol 'leicht', sagt Müllenhoif in der anmerkung,
auf Bartschs worte anspielend , 'aber darum keineswegs so ganz
sicher', ich fasse die beiden dö als correlativa. dann muss das
erste eine Zeitbestimmung einleiten, und diese kann der satz
auch enthalten , wenn man das noch vorhandene D nicht zu Do
ergänzt. Matth. 3, 1 lautet: in diebus autem Ulis venit Johannes
Baptista, wonach ich vermute
BEMERKUNGEN ZU DEN DENKMÄLERN 421
(Dö) daz zit nahen (oder nehen) began
oder (Dö) daz zit begunde ndhan (oder nehan)
daz uns was geheizan,
daz dt prophetun
gewissaget hädun,
nun eine überaus liäulige lormel
dö irskein der heriste man
der prophe'tiam i gewan.
das überlieferte Christo : baptista mit Bartsch in Krista zu ver-
wandeln ist unnötig, denn D** 4 reimt were : Jndeönim , F^ 6
he'rren : Galyleam, 28 herro : Magdale'ne, G' 82 döde : vöbis, W 151
gebrddan : kdritdte, 161 Oliveliihdlta, H'' 19 Galilei ihimile.
Auf xpö. folgt g. dazu Weigand 'der zweite buchstab scheint
e gewesen zu sein, der dritte und vierte giengen aufwärts', es
mag etwa gelautet haben
Johannes baptista
er lülhel vns vor Christo
geliche dem morgenstern^w
der dA geil vor^ dem snnnen.
dö quad er 'icesed frö,
daz himeh?cÄe ist ndho.
man vgl. Ezzo 6 do irscein ze jungiste
Johannes Baptista,
demo Morgensternen gelich:
der zeigöte uns daz wdre lieht;
5 der der vil wdrliche was
über alle prophetds;
der was der vröne vorbote
von (vor?) dem geweitigen gote.
dno rief des boten stimme
10 in dise werltwuostinne :
in spiritu Eli^
er ebenöt uns den gotes wech.
10 hat die hs. werlt w'^stunge, ebenso im Friedberger Christ
14 wvstenunga, sodass bei der nahen berührung der beiden
dichtungen, die wol über eine stoffliche hinausgeht, mit Wacker-
nagel zu ändern bedenklich scheint (vgl. Germ. 9, 59). im Fried-
' Weigand wa, wie er auch voi' bei xpö (oder eher xpo) verlas.
422 BEMERKUNGEN Zu DEN DENKMÄLERN
berger Christ reimte aber kaum wmtenungaistimma, sondern auf
ersteres wort folgte etwa
do irskein der wäre suüuo^
und Wtheda ober alle di laut:
de« gibrälh uns der heilant.
Der vereinzelte dreireim G^ 90 fl" wird in der anm. auf ein
versehen zurückgeführt; weder 90 noch 92 könne entbehrt
werden, aber mit 88 ir scouwet mine wundun iässt sich auch
ohne 92 als ir nn gesehan habent auskommen.
10. Zu den Drei jü nglingeu im feuerofen.
In Strophe 7 hat den aufzeichner des liedes sein gedächtnis
verlassen, vom gesange der drei männer wird dreimal geredet,
dazu noch von ihrem lob Christi , und das reimwort ovini kommt
gleichfalls dreimal vor. Müllenhoff hat vier verse ausgeschieden,
wodurch das singen zweimal weniger erwähnt wird, das loben
wegfällt und zwei auf ovini ausgehende Zeilen, die Strophe hat
bei ihm folgenden Inhalt, der könig hiefs sie zum ofen schleppen,
aber denen, welche sie hineinwarfen, bekam das schlecht: das
feuer schlug ihnen entgegen,
iz virhranti ir michil menigi.
got mid sinir giwalt
machit in den ovin kalt.
[di uzzirin brunnin,
10 di imiirin sungin.]
dö sungin si dar inni
mid süzziri stimmi
[dö sungin sin den ovini]
'gloria tibi, domine.
15 deus mens, laudamus te'.
[si lobitin Crist in dem ovini.]
in z. 8 hat keine rechte grammatische beziehung: es geht genau
genommen auf die zuletzt behandelten schergen des königs, nicht
auf die drei Jünglinge, auch entsprechen 7. 8 fast wörtlich 8, 7. 8
und solche widerholungen kennt das lied sonst nicht, viel besser
schliefsen sich an 6 die von Müllenhoff verworfenen, einen vor-
treffhchen, knapp ausgedrückten gegensatz enthaltenden verse 9
' statt nno Weigand 'ano verblasst'.
BEMERKUNGEN ZU DEN DENKMÄLERN 423
und 10. darauf muss der iohalt des gesanges folgen, 14. 15,
woran sich für die des lateins unkundigen nach weit verbreiteter
mode die Übersetzung oder inhaltsangabe der lateinischen worte
schliefst, 12 und 16. letztere zeile enthält wie 6, 3 den un-
historischen, durch die legenden von märtyrern veranlassten aus-
druck Crist als bezeichnung goltes und ist wie die übrigen schluss-
verse der 12- und 10 zeiligen Strophen auf 5 hebungen verlängert.
11. Zum Pater noster.
19, 8 ist eine ergänzung schon durch die anmerkung ge-
geben: 'der fehlende gedanke ist natürlich 'da brachte er uns
ins verderben', also dö virlös er unsich.
12. Zum Traugemundslied.
Das lied ist von formelhaften widerholungen durchzogen,
die Strophen 3. 5. 7. 9. 11 heben in der gleichen weise an und
die ersten vier gehen auch auf dieselben Zeilen
kanstu mir des iht gesagen,
so wil ick dich für einen wcetlichen knappen haben
aus. die 5 aber hatte doch wol den gleichen schluss. Trau-
gemunds antworten beginnen sämmtlich mit einer Zurückweisung
auf die vorhergegangene frage und der Zusicherung guter aus-
kunft: Daz hdste gefrdget einen man
der dir ez wol gesagen kan.
nur in der letzten Strophe fehlt die Zurückweisung und die Zu-
sicherung ist etwas anders gestaltet:
Daz habe ich balde gesaget dir.
dem verse fehlt eine reimzeile, sie wird aber da gewesen sein
und gelautet haben
Daz du gefrdget hast an mir.
Berlin 8. 4. 87. MAX ROEDIGER.
424 DIE FLEXION DER VERBA TUON, GAN, STAN IM AHD.
DIE FLEXION DER VERBA TUON, GAN, STAN
IM AHD.
Die ahd. flexion des verbums tuon führt maa bekaontlich
auf ein paradigma zurück, das in sämmtlichen formen den vocal
6 aufweist: ind. präs. töm, tös, tot usw.; opt. tö, tös, tö usw.;
Inf. tön usw. die formen, die wir in unseren älteren denkmälern
würklich finden , sind mit dieser annähme schwer zu vereinen,
am wenigsten die, welche uns die sorgfältigen hss. Otfrids
bieten, in ihnen werden gewöhnlich folgende formen gebraucht
(Kelle 2, 116):
präs. ind. duan duas(t) duat duen duet duent
opt. dne duest due duen (duet) (duen)
imp. dua dnemes duet
inf. duan duanne.
abweichende formen weisen häufiger nur die 2 und 3 pers. sing,
ind. auf. dnas(t) steht an 5 stellen, duat an 61; daneben ist
duis(t) 2 mal, duit 30mal belegt, aufserdem findet sich in der
2 p. pl. imp. neben 11 duet Imal in VP duat (H 156). die
1 p. sg. opt. war S 42 in V, m 1, 14 in P dua geschrieben,
die 2 p. pl. imp. i 17, 45 in V giduat, aber an diesen stellen hat
der correclor gebessert. — nur die verhältnismäfsig wenigen
formen mit dem diphthongen ua entsprechen dem vorausgesetzten
paradigma mit 6, die übrigen: der pl. präs. und imp., der opt.
präs. und die nebenformen in der 2 und 3 p. sg. ind. präs.
verbinden einen stamm du- mit den gewöhnlichen endungen des
stv. auch den inf. könnte man so auffassen, doch nehme ich
an, dass sein ua nicht aus u -{- a sondern aus ö entstanden ist.
Man erklärt diese formen so, dass die endungen des stv.
an den stamm dö, dua angetreten seien, und dann vor ihnen
der diphthong seinen zweiten bestandteil eingebüfst habe (Braune,
Ahd. grammatik § 40 a. 4). die erscheinungen jedoch, auf
welche diese annähme sich stützt, sind nur äufserlich ähnlich.
Paul (Beitr. 8, 215 f) macht darauf aufmerksam, dass wir in ahd.
hss. nicht selten statt eines germ. ö vor folgendem vocal u ge-
schrieben finden, nicht wie sonst uo oder ua; zb. im d. sg. hue
von huah, 3 p. pl. bluent für hluojent, irmtdt für irmuoit udgl.
DIE FLEXION DER VERBA TUON, GAN, STAN IM AHD. 425
ob wir diese formen zweisilbig mit ü oder einsilbig mit ü auf-
zufassen hätten , sei nicht ganz sicher, denn Notker gebe dem ?t
auch als erstem componenten eines diphthongen den circumflex.
aber wenn N. keine Unterscheidung gibt, so gibt sie doch 0. sein
Versbau zeigt, dass er in Wörtern wie hue, blnent, irmuit langen
vocal sprach, denn die zweite silbe ist hebungsfähig; es ist also
in ihnen nicht ü sondern ü an die stelle von ö getreten (vielleicht
ohne vermittelung des diphthongen na), dagegen formen wie
duit, duen, dnet braucht er stets einsilbig; das n muss also kurz
gewesen 1 und auf andere weise entstanden sein.
Das verbum tuon entspricht bekanntlich dem ai. dd-dhä-mi,
gr, TL-d^rj-^i. die wurzel dhe bewegt sich in der ablautreihe
e, ö, d, germ. e, ö, a, ahd. d, uo, a. da die 1 p. sg. im ai. ä, im
gr. e zeigt, sollten wir im germ. e erwarten: a\. dddhämi, gr.
ti&rjfxi, germ. (mit Verlust der reduplication) dem, ahd. *tdm.
statt dessen finden wir im hd. und überhaupt im westgerm. 6.
Bremer (Beitr. 11, 271) sucht diese abweichung dadurch zu er-
klären, dass im idg. nicht nur zwischen den formen des sg. und
pl., sondern auch im sg. selbst eine stammabstufung statt gefunden
habe: dhe-dho-mi, dhd-dhe-si, dhd-dhe-ti, pl. dhddh(m)mes. andere
wollen diese ansprechende Vermutung nicht gelten lassen (vgl.
Burghauser, Indogermanische präsensbildung, Wien 1887, s. 10
anm.). wie es sich damit verhalten mag, jedesfalls muss das
deutsche sein ö schon aus der idg. zeit haben, auf ihm be-
ruhen die formen, denen 0. na gibt. 2
Der pl. zeigt im ai. die schwächste Stammform mit er-
loschenem vocal: dadkmds, dhatthd, dddhali. wenn wir die gleiche
bildungsweise für das germanische voraussetzen und annehmen,
dass die enlwickelung der formen ebenso verlief wie im pl. perf.
der stv., in dem die personalsuffixe gleichfalls ohne vermittelung
eines vocales an den consonantischen auslaut des Stammes traten,
so ergeben sich die formen dum, dnp , dun. in ihnen sehe ich
den Ursprung des Stammes dn-, der sich in O.s mundart mit den
endungen der stv. verband, die singulären formen wurden unter
dem einfluss der thematischen verba umgebildet, aus dem plural
* wie bereits Holtzmann in seiner Grammatik s. 248 bemerkte, unterlag
es vielleicht sogar consonantischer ausspräche; vgl. Zs. 16, 122 anm.
2 der stamm dhe liegt, wenn ich mich auf deutsches gebiet beschränke,
im part. gitdn vor und im ripuarischen deis, deit, die man doch nicht woJ
als analogiebildungen zu geis, geit auffassen kann.
426 DIE FLEXION DER VERBA TUON, GAN, STAN IM AHD.
drang der stamm du- auch in den optativ, aus dessen ursprüng-
lichen formen das ü sich in keiner weise gewinnen lässt. in der
2 und '6 p. sg. konnte er gegenüber den älteren formen mit ö,
na nicht zur herschaft kommen, aber er erzeugte die gern ge-
brauchten nebenformen dtiis und duit.
Andere formen finden wir in den oberdeutschen denkmälern.
aus der Benedict i nerregel und den Murbacher hymnen
stellt Braune s. 256 folgendes paradigma zusammen (vgl. Seiler,
Beitr. 1, 459 und Sievers, Hymnen s. 88).
präs. iud. tuam (tuas) tuat tuames tuat tuant
opt. tue tue's tuet tuen
imp. tua, tuames tuat
inf. ttian tuanne
part. tuanti.
die formen des ind. lassen sich hier alle auf 6 zurückführen,
aber, da in diesen denkmälern die pluralendungen des stv. nicht
wie bei 0. den vocal e sondern a haben (Seiler s. 451. Sievers
s. 26), kann man ihr ua ebenso wie O.s ue auf die Verbindung
des Stammes tu- mit den endungen der thematischen verba zurück-
führen, und dass man es muss, zeigen die optativformen, denn
diese lassen wie bei 0. deutlich den stamm tu- erkennen, der,
wie bemerkt, nur aus dem pl. ind. entnommen sein kann, das
ua des sg. und das ua des pl. sind also ganz verschiedenen
Ursprungs, jenes ist diphthongierung von ö, dieses eine Ver-
bindung aus einem dem stamme ang'ehörigen ü mit dem a der
endung.
Man könnte gegen diese auffassung einwenden, dass, wenn
würklich die endungen -ames, -at, -ant an den stamm tu- ge-
treten wären, brechung hätte eintreten müssen, es ist auch
wol möglich , dass die formen einmal toanies, toat, toant lauteten
— es fehlt nicht an spuren dafür — , aber sehr begreiflich, dass
sie sich nicht hielten, denn auch das Ö gieng über oa in ua
über; sg. und pl. stimmten also in ihrem vocal überein, und
daraus ergab sich mit notwendigkeit, dass beide in ihrer späteren
entwickelung gleichen schritt hielten, es trat also auch, als die
endungen des stv. zu -en, -et, -ent abgeschwächt wurden, im
pl. nicht ue ein, sondern uoituon, tuot, tuont.
Auf dieser stufe finden wir die spräche in den Schriften
Notkers. im opt. braucht er noch häufig die alten formen: tue.
DIE FLEXION DER VERBA TUON, GAN, STAN IM AHD. 427
Uie'st, tuen, turnt, tuen; ebenso in der 1 p. pl. ind., die bei ihm
überhaupt durch die optativform ersetzt ist (tuen, mit langem e).
dagegen in der 2 und 3 p. pl. ind. und in der 2 p. pl. imp. schreibt
er tuont, entsprechend den formen des sg. : tuon, tuost, tuot. eine
weitere folge ist, dass dieses uo nun aus dem ind. in den opt.
dringt, neben den vorhin angeführten formen braucht N. auch
tuoe, tuoest, tuoen, tuoent, tuoe'n.
Bei N. sind die erweiterten formen gewis als junge Um-
bildungen anzusehen (Braune § 380 a. 2); daraus folgt aber nicht,
dass in anderen teilen des Sprachgebietes nicht viel früher der
nur im sg. ind. berechtigte lange vocal, resp. seine diphthon-
gierung, in den plural und optativ eingetreten sein können, der
Tatian belegt uns diesen Vorgang, zwar die 2 p. sg. opt. heifst
bei ihm noch tues, in der 1 p. sg. opt. findet sich vereinzelt tue,
sogar in der 2 sg. ind. ein analogisch gebildetes tuis; aber im
allgemeinen herschen die formen mit uo im pl. (tuomes tuon,
tuot, tuont) und im opt. (tuo tuoe tuoa, tuot, tuon), in der regel
ohne den themavocal des stv.
Das resultat also ist, dass die präsensflexion des ahd. verbums
tuon auf zwei verschiedene stamme zurückzuführen ist, der eine,
unthematisch flectierte mit d galt zunächst im sg. ind.; der andere
thematisch flectierte mit u war aus den formen des pl. gewonnen
und wurde in den opt. übertragen, daneben aber drang die
bildungsweise des sg. auch in den pl. und opt. ein. auch für
die formen der verwandten mundarten kommen diese verschie-
denen Stämme in betracht, doch sollen sie hier nicht weiter
erörtert werden.
2. das verbum gdn hat sowol durch seine etymologie als
durch seine flexion der wissenschaftlichen forschung ungewöhn-
liche Schwierigkeiten gemacht, früher stellte man es zu skr.
jigdmi, gr. *ßlßr]ixi, ßißäg, eßrjv; da aber die lautverschiebung
fehlt, liefs diese erklärung sich nicht halten. Grassmann (Zs. f.
vgl. sprachf. 12, 131 f) wies auf die sanskrit-wurzel hd, präs.
ßhdmi, gr. yd^rißt, -Kixävu). Scherer, zGDS ^320 suchte beide
annahmen zu vereinen, indem er annahm, dass vorgermanisch
gigdmi der form nach in ghighdmi aufgieng, seine bedeutung aber
festhielt, eine ganz abweichende etymologie stellten Oslhoff Perf.
s. 123 anm. und Kluge im Etymol. wb. auf; sie vermuten in
gdn eine Verschmelzung der partikel ga- mit der verbalwurzel ei,
428 DIE FLEXION DER VERBA TUON, GAN, STAN IM AHD.
der skr. emi, gr. elfii, \al. ire, g. iddja entsprossen sind; ver-
anlasst wurde diese auffallende erklärung wol durch eine von
Mahlow (Die langen vocale ü, e, ö s. 139 anm.) kurz hingeworfene,
von Kugel (Beitr. 9, 544) aufgenommene Vermutung, dass mhd.
gie mit g. iddja, ags. eode in Verbindung gebracht werden könne,
aber die form gie, die im ahd. erst spät vorkommt (Braune § 382
a. 3), ist sicher eine junge bildung; das bestreben, den präsens-
und perfectstamm in ihrer consonautischen form auszugleichen,
welches das germanische verbum von anfang an beherscht, hat
sie hervorgerufen, mit recht scheint mir Bremer (Beitr. 11,272)
zu Grassmanns etymologie zurückgekehrt zu sein.
Die flexion ist vielfach behandelt, zuletzt von Bremer (aao.
s. 41 — 45); aber was er als die hauptschwierigkeit bezeichnet,
die erklärung des e im ahd., ist auch ihm nicht gelungen.
Das verbum wurde ebenso wie tuon stammabstufend flec-
tiert; aber während dieses in den formen mit starker ablautstufe
ö, in denen mit schwacher schwund des vocales aufwies, hatte
gdn auf starker stufe germ. e, auf schwacher a, wie in g. gatvo.
hiernach sind die formen der ahd. denkmäler unschwer zu be-
greifen.
Otfrid bietet uns folgendes paradigma (Kelle 2, 15. 9):
präs. ind. gdn geist geit gen get gent
opf. (ge) (ges) ge (gm) (get) gen
inf. gdn, gdnne
part. präs. gdnti.
die 1 p. sg. gdn und das part. gdnti sind nicht belegt, aber nach
stdn, stdnti mit Sicherheit vorauszusetzen, in der 3 p. sg. findet
sich neben den gewöhnlichen geit, steit einige mal gdt m7,49
(:stdt), IV 7, 8 (:scalt), stdt m 26", 6 (:ddt), v 12, 18. 41 (:ddt)J
die formen sind nun folgender mafsen aufzufassen, die 1 p. sg.,
der inf. und das part. haben rf = germ. e, wie die entsprechenden
formen von tnon na = germ. ö haben, die 2. 3 p. geist, geit sind
aufzufassen wie duis, duit; die schwache Stammform des pl. ist
in den sg. eingedrungen und mit den endungen des thematischen
verbums versehen; aber während duis und duit nur als häufige
nebenformen erscheinen, haben geist, geit in O.s spräche die
' aufserdem finden sich formen von gang'-, stant-: ind. stantu, gengist,
gengil stentit, gangenl stantent. opt. gange, gange stante, gangen, ganget,
gangen, inf. gangan stantan. part. gangenti stantenti. imp. gang.
DIE FLEXION DER VERBA TUON, GAN, STAN IM AHD. 429
herschaft gewonoen ; die formen mit d sind nur einige mal in
der 3 p. sg. belegt, auch der pl. ist ganz ebenso gebildet wie
bei duan. die schwache Stammform gä- verband sich mit den
in O.s mundart üblichen endungen -en, -et, -ent und ä -{- e
wurde zu e contrahiert. — diese contraction geschah nach einer
bestimmten lautregel. es ist bekannt, dass in gewissen fällen
germ. au über ao zu ö, germ, ai über ae zu e wurde, der ver-
mittelnde diphthong ao findet sich oft (Gr. 1^104.98), seltner, aber
doch häufig genug ae (Gr. IS 95. Braune § 43 a. 1. § 45 a. 2).
ob der Übergang von au zu ao und von ai zu ae erfolgte, hieng
von der natur des folgenden consonanten ab, die weitere zu-
sammenziehung zum einfachen laute geschah ohne äufsere ein-
flösse; wie laeris zu leris wurde gaen zu gen. auf dieselbe weise
ergab sich im opt. ge aus gae; ob das a-\- e der übrigen formen
auch laulgesetzlich oder nach dem niuster der anderen einsilbigen
formen zu e contrahiert wurde, lässt sich nicht entscheiden,
jedesfalls sind die optativformen ebenso wie due dne's due usw.
analogiebildungeu, die vom pl. ind. ausgegangen sind; ein regel-
mäfsig entwickelter opt. würde ge, gais, ge', gaim, gait , gain
lauten (vgl. unten nr 4).
Der alemannische dialect nimmt an dieser neubildung des
opt. zwar in dem vb. tnon teil, nicht aber bei gdn und stdn.
die Benedictinerregel, die Hymnen und Notker bilden
die optativformen immer von gangan und stantan, deren gebrauch
sie auch sonst vorziehen (Seiler, Beitr. 1,460. Sievers s. 70.86.
Piper, Litteraturgeschichte und grammatik s. 340 f). von gdn
und stdn belegen sie folgende formen:
präs. ind. gdn gdst gdt gdnt gdnt
inf. gdn, gdnne
imp. 2pl. gdnt
pari. präs. gdtiti.
das d im sg. präs. ind., inf., part. präs. ist als altes d= germ. e an-
zusehen, das d des pl. darf man nach der analogie von tu-an usw.
als contraction aus a-\- a auffassen.
Andere Verhältnisse zeigt auch bei diesem verbum der Tatiau
(Bremer 11, 43). 1. im pl. und opt. braucht er wie 0. die formen
mit e. belegt sind 2 p. pl. get, geet , 2 p. sg. opt. ges, 3 p. ste\
pl. gemes, get, geen; ebenso 2 p. pl. imp. get, geet, die bei 0.
nicht vorkommt, hier beruht das e also auf contraction von
a + e. — 2. d = germ. e ist erhalten in der 1 p. sg. und im inf.
430 DIE FLEXION DER VERBA TUON, GAN, STAN IM AHD.
gdn. — 3. in der 3 p. sg. begegnet d nur einmal, sonst hat sie
und die 2 p. sg. e:ges(t), gel. die formen sind wie in O.s mundart
unter dem einfluss des pl. gebildet; aber bei 0. erfolgte die Über-
tragung, ehe die contraction stattgefunden hatte (ga-en, ga-ist
> gen, geist), bei T. nachher, ebenso wird das part. präs. gmti
zu erklären sein. — 4. ä finden wir aufserhalb seiner natürlichen
gränzen einmal in der 1 p. pl. gdmes; denn die annähme, dass
sich hier etwa ein a erhalten habe, würde jeder Wahrschein-
lichkeit entbehren. — in der mundart des Tatian ist also die
ursprüngliche bildung der verba tuon, gdn, stdn Jurch formüber-
tragungen am meisten gestört; seine paradigmen stehen der
späteren spräche am nächsten.
3. stdn wird ebenso flectiert wie gdn; doch kann nach all-
gemeiner annähme diese Übereinstimmung nicht ursprünglich
sein, denn die wurzel stä folgt nicht der ablautreihe e, o, d
sondern ä, ö, d germ. ö, ö, a, wir sollten also im ind. sg. präs.
ahd. stnom, stuos, stnot erwarten (Bremer 11, 42. vFierlinger, Zs.
f. vgl. sprachf. 27, 432 f). die ausgleichung konnte am leichtesten
vor sich gehen, wenn etwa in der 1 p. sg. ind. neben oder für
germ. gern mit anderer ablautstufe göm stand (vgl. oben dhe-dho-
mi); doch ist diese annähme kaum nötig, da in der schwachen
stufe des plurals die verba von anfang an zusammenfielen (gä-,
stä-) und ihre bedeutung den ausgleich begünstigen muste (vgl.
Osthoff, Perf. 625). dass in diesem ausgleich dem verbum gdn
die führende rolle zufiel, erscheint ganz natürlich, denn gdn
ist häufiger als stdn, und die neigung zur erweiterten Stammform
stant- in der älteren zeit stärker als zu gang-.
4. die Stämme gd- und stä- müssen aus sehr alter zeit
stammen, die contraction mit den endungen kann nicht früher
erfolgt sein, als bis in O.s mundart der vocal dieser endungen
zu e geworden war. wer bezweifelt, dass während eines so
langen Zeitraumes die benachbarten vocale der Verschmelzung
widerstanden haben , wird annehmen müssen , dass sie ehedem
durch einen consonanteu getrennt waren, und das könnte kein
anderer als j gewesen sein, wir kämen also zu der hypothese,
dass wenigstens für den plural der verba gdn, stdn, tuon jod-
präsentien existierten, wie Mahlow s. 136 f allgemein ange-
nommen hatte, die bedingungen, unter denen der consonant
schwand, blieben zu untersuchen, er müste ausgefallen sein,
DIE FLEXION DER VERBA TUON, GAN, ST AN IM AHD. 431
ehe er iimlaut würkte, also früher als in den langstämmigeD puris
s(een, blüen.
Den ausgangspunct dieser jod-bildungen könnte man für gdn
und stdn im oplativ suchen, denn wie aus idg. s-ie-m, s-ie-s,
s-ie-t g. sijau sijais sij'ai wurde, so hätte sich zu dem stamme gä-
ein opt. g. gajau gaj'ais gajai ergeben , dem im ahd. gaje gaje's gaje
entsprechen würde; und wenn man weiter annimmt, dass dieser
stamm gaj- gerade wie in dem got. verbum subst. aus dem sg.
opt. in den plur. und in den ind. pl. übertragen wäre, so er-
gäben sich genau die formen, auf welche wir die in den ahd.
denkmälern überlieferten zurückführen musten. doch trage ich
bedenken, diese entwickelung, obwol sie durch die analogie von
sijum siJHp sijaima usw. empfohlen wird, anzunehmen, denn
erstens finden wir die Verallgemeinerung des Stammes, der sich
im sing. opt. ergab, nur im got.; im ahd. ist umgekehrt die
pluralform verallgemeinert, was die oben angeführten formen ge,
gais , ge usw. ergeben würde; sodann ist es bedenklich, den ind.
aus dem opt. abzuleiten, da im alemannischen dieser optativ fehlt;
und vor allem: die flexion von hwn lässt sich auf diese weise
nicht erklären, die gerade in den ältesten denkmälern fest
stehenden formen dne dues due usw. können ihr u, so viel ich
sehe, nur aus dem pl. ind. haben; der optativ setzt also die bil-
dung des ind. voraus, nicht umgekehrt, und hiernach würde
es sehr bedenklich sein, die formen von gdn und stdn aus dem
opt. abzuleiten.
Bonn. W. WILMANNS.
ÜBER DEN GEBRAUCH DER MHD. CONJUNC-
TION ABER IN DER FRAGE.
Die frage, mit der ein lied Walthers beginnt:
Wil ab lernen wesen frö?
übersetzt Pfeiffer (18, 1) 'will denn niemand wider fröhlich sein?',
Wilmanns (1 aufl. 32, 17) 'will denn niemand wider froh sein?',
(2 aufl. 42, 31) 'will nicht mal wider jemand fröhlich sein?',
beide erklärer scheinen demnach ab für das adverbium 'abermals,
widerum' gehalten und 'denn' nur zur stärkeren hervorhebung
der frage hinzugefügt zu haben; in der 2 aufläge lässt es Wil-
432 ÜBER DEN GEBRAUCH DER MHD. CONJÜNCTION ABER
manns auch fort, derselbe verweist ferner auf die frage Rein-
mars (183,3), die Wallher vielleicht vorschwebte:
Wil ab ieman guoter lachen?,
in welcher er das ab natürlich ebenso wie bei Walther verstanden
haben wird, allein beide mal ist es nicht das adverb, sondern
die conjunction 'aber, jedoch', schon die Stellung der partikel
in der Senkung spricht dafür, denn man braucht nur eine reihe
mittelhochdeutscher dichtungen in dieser hinsieht durchzugehen,
um sich davon zu überzeugen, dass das adverb 'abermals, widerum'
fast nur in der hebung des verses vorkommt, während die con-
junction 'aber, jedoch' gleich häufig in der hebung wie (in ver-
kürzter form) in der Senkung sich findet, offenbar vermieden
sorgfältige dichter das erstere deshalb in der Senkung, weil auf
der bezeichnung der vviderholung stets der accent im satz ruht,
dahingegen die conjunction nur leicht oder gar nicht betont ist.
Reinmar gebraucht das adverb niemals, Walther nur einmal 60, 33
(wenn es nämlich hier das adverb ist i) an unbetonter versstelle, sie
würden also, um die widerholung auszudrücken, höchst wahr-
scheinlich gesagt haben: wil aber iemen wesen frö? ivil aber
ieman guoter lachen? so steht allerdings in den hss., es wider-
streitet aber dem versmafs.
Doch abgesehen von diesen erwägungen, die ja nicht aus-
' Bite die alten ere,
daz si ivider kere
und ab dvi gesinde lere.
ich möchte nicht mit Sicherheit hier ab für das adverb erklären; in der
Verbindung und ab ist es gewöhnlich conjunction, die nicht immer einen
eigentlichen gegensatz, sondern bisweilen nur eine einschränkung andeutet,
darf man hier 'und zwar' übersetzen?
Was die Stellung des adverbs im verse betrifft, so gebrauchen die
Nibelungen dasselbe nach Bartschs Wörterbuch niemals in der Senkung;
Wolfram von Eschenbach in fast 40000 versen ebenfalls nicht, aufser Parz.
628,14, wo mir das abe im auftact nicht ganz klar ist. Wh. 113,25 daz
iwert muos et üb her für ist ohne not nach K die gekürzte form gesetzt;
die übrigen hss. lesen aber, aver. Hartmann von Aue hat dreimal im
Iwein 767. 1599. 5037 (doch s. laa. — bei Bech nur 767 und 5037) das
adverb in der Senkung, in den früheren werken, wenn ich nichts über-
sehen habe, niemals, für Gottfried von Slrafsburg fehlt noch eine kritische
ausgäbe; in Bechsteins text steht dasselbe allerdings mehrmals unbetont,
am häufigsten finde ich es bei Ulrich von Lichtenstein in der Senkung:
Frauend. 62, 9. 203, 1. 247, 10. 250, 1. 253, 8 usw., im ganzen zwölf mal im
Frauendienst.
IN DER FRAGE 433
schlag gebend sind, glaube ich zeigen zu können, dass in den
beiden angeiuhrten fragen die conjunclion abei' nach einem be-
stimmten mhd. sprachgebrauche steht, der ganz dem heuligen
gleicht, wonach wir gewisse fragen mit 'aber' einleiten, ohne
dass ein ausdrücklicher gegensatz vorhergegangen wäre. Jacob
Grimm beschreibt (DWR i 31) in ihnen die conjunction als 'ein
verwunderndes, aufforderndes oder schmälendes bedenkliches aber'.
Verwunderung zb. ist ausgedrückt: da fragt ich: aber sind sie
das, sind das die knaben alle? — er selbst ist tot. ich kam erst
mit der letzten Verstärkung nnsers ordens. aber, aber, ^oas hat
mit diesem allen Rechas brnder zu schaffen? die gebende wird
aufgefordert: aber morgen nacht bist du wider da? aber ist das
recht? fragen wir misbilligend (schmälend bedenklich) jemanden,
der unrecht tut. die conjunction erklärt sich in diesen fällen
daher, dass ein gegensatz gedacht ist zwischen dem inhalt der
frage und einer bestimmten tatsache, an die sie angeknüpft ist.^
Dieselben drei arten von fragen mit aber (der Verwunderung,
aufforderung und misbilliguug) besitzt auch das mittelhochdeutsche,
und der gegensatz, auf den sich das aber bezieht, muss aus dem
zusammenhange oder der Situation, in welcher die fragen ge-
stellt wurden , ergänzt werden.
Halten wir uns zunächst an die beiden auffordernden fragen
Reinmars und Walthers, so ist der gegensatz, den die conjunction
andeutet, aus den Zeitverhältnissen zu entnehmen, welche eben
die aufforderungen veranlassten: 'alle weit ist traurig, ich aber
wünschte, dass jemand lachte, jemand froh wäre.' oder auf-
fordernd fragend: 'aber will niemand lachen? niemand froh sein?'
117, 30 widerholt Walther die alte frage:
A'j( sing ich als ich e sanc
'wil abe iemen wesen frö?'
Wenn in diesen fragen die meines erachtens unrichtige
Übersetzung der partikel durch 'widerum' dem sinne nach dennoch
möglich wäre, so ist das bei den meisten der folgenden beispiele
nicht der fall, und man wird erkennen, dass in derartigen
fragen in der tat die conjunction und nicht das adverb vorliegt.
' dasselbe ist der fall bei 'aber' als interjection, vgl. Schweizerisches
Idiotikon i 41. Benecke zu Iw. 6200: 'dass sich abe?' bisweilen auf einen
gegensatz bezieht, der ausgelassen und aus dem zusammenhange der rede
zu verstehen ist, leidet keinen zweifei.'
Z. F. D. A. XXXllI. x\. F. XXI. 28
434 ÜBKR DEN GEBRAUCH DER MHD. CONJUNCTION ABER
Mit einer verwunderten frage beginnt ebenfalls ein lied
Reinmars 185, 27:
Sold ab ich mit sorgen kmer leben,
swenn ander Hute wceren frö?
hier ist die Übersetzung durcb 'widerum' völlig ausgeschlossen,
der frage geht in dem liede nichts vorher, folglich ist der gegen-
satz, auf welchen das ab hinweist, aufserhalb zu suchen, näm-
lich in der tatsache, die den zuhörern bekannt ist: 'ich bin
sorgenvoll, sollte ich aber immer in sorgen leben?' in der
frage ist die meinung enthalten: 'aber ich sollte nicht immer
grund zu sorgen haben,'
Ein Spruch des Meifsners (HMS ni 102*') fängt an:
Weiz aber ein man, ob ich noch rehte milte müge erwecken?
Voraussetzung ist: 'ihr wisst, dass rehtiu milte sloefet. — weifs
aber jemand, ob ich sie noch einmal werde erwecken können?'
der dichter meint wol 'niemand weifs es'.
Ähnlicher art ist die frage Sigunens Tit. 69, 3:
weiz abe iemen waz diu minne richet
an Hüten die ir schaden nie gewurben, daz si den fröude
zerbrichet?
Ulrich von Lichtenstein klagt Krauend. 399, 9 f :
Owe daz ich bi den wol gemuoten also lange muoz beliben
ungemuot,
und ich doch der grözen swcere bin ze kranc.
Sol ab ich si minnen diu mich hazzet ? sol mir lieben diu mir
also leide tuot?
ja, so wil daz herze und aller min gedanc.
vor der frage ist der zwischengedanke ausgelassen : 'diesen
kummer verursacht mir der hass der geliebten. — soll ich aber
sie lieben, die mich hasst?' als antvvort erwartet man auch hier
eine Verneinung, aber Ulrich erklärt: ja, so wil daz herze usw.
Auch die beiden fragen in Morungens tagelied (143, 22 ITj
möchte ich hierher ziehen:
Owe, sol aber mir iemer me
geliuhten dur die naht
noch wizer danne ein sne
ir Up vil wol geslaht?
Owe, sol aber er iemer me
den morgen hie betagen ?
IN DER FRAGE 435
der begrifl' der widerholung 'abermals, ferner' ist ja schon durch
temer me ausgedrückt, aber wird also, obvvol es betont ist, wie
in dem sprucbe des Meifsners, nicht das adverb, sondern die con-
junction sein , wodurch die frage in gegensatz gestellt wird zu
der tatsache, dass jetzt eben die scheidestunde angebrochen ist.
'werde ich die geliebte aber nie mehr wider sehen? — wird er aber
nie mehr den morgen bei mir erwarten?' die hoffnung, oder
wenigstens der wünsch der liebenden liegt darin : 'es wird (es
möge) noch geschehen.' vielleicht hätte ich diese fragen daher
besser oben unter die auffordernden fragen gesetzt.'
Noch auf eine stelle im Gregor 1131 (1303) möchte ich
aufmerksam machen , die bereits Benecke zu Iw. 6200 angeführt
hat: 'war umbe hat er dich geslagen'?'
'muoter, ich kan diis niht gesagen.'
'sich her, tcBte du im iht?'
so lautet die frage in A, während E liest: lest dw im aber iht?
'aber tatst du ihm nichts?' die frage, welche eine bejahende
antwort erwartet, steht im gegensatz zu der aussage des kindes,
das von einer veranlassung zum streit nichts wissen will, es
ist interessant zu sehen, wie die hss. hier schwanken: I hat als
dritte lesart: du hattest im villicht getan, ebenso wenig wie
die Schreiber von A und I hat der herausgeber Paul die stelle
verstanden, der — mit Bartsch — schreibt: tcete du ime iht?
also E folgend, nur das unbequeme aber einfach fortlassend.
Die dritte art von fragen mit aber sind solche der mis-
billigung. ich möchte hierher eine form der revocatio rechnen,
wie sie Trist. 1015 f vorliegt:
Was wize ich aber dem guoten man?
er ist hie lihte unschuldec an.
die frage steht im gegensatz dazu , dass eben beschuldigungen
ausgesprochen wurden, wie die neuhochdeutsche frage 'aber ist
das recht?' voraussetzt, dass der gefragte eben unrecht getan
hat. mir sind augenblicklich nicht mehr beispiele solcher revo-
cierenden fragen zur band, doch zweifle ich nicht, dass sich
noch weitere belege werden finden lassen,
* in fragen, auf die wir eine bejahende antwort erwarten, brauchen
wir heute die negativen worte 'nicht, nie mehr, niemand', während die-
selben im mhd. positiv ausgedrückt wurden: iht, iemer, ieman. man ver-
gleiche oben die auffordernden fragen Reinmars und Walthers, ebenso einige
der noch folgenden beispiele.
28*
436 ÜBER DEN GEBRAUCH DER MHD. CONJUNCTION ABER
Eine misbilligende frage aüderer art sehe ich Parz. 651, 7ff,
obvvol Lachmann und Bartsch die stelle nicht als frage ge-
fasst haben: Keie sprach in shne zorn
'wart abe ie so loerder man geborn,
getorsl ich des gelonben hdn,
lü so von NorwcBge Gdiodn,
zin dar naher! holt in da!
so ist er lihte anderswd.
wil er icenken als ein eichorn,
ir mngt in schiere hdn verlorn.
Bartsch bemerkt hierzu (xiii 728): 'der sinn ist: da Gawan der
werteste mann auf erden ist; aber in Keies ironischer weise
ausgedrückt: wenn ich glauben dürfte, dass es noch einen so
werten mann wie Gawan gibt, so riefe ich euch zu — '. dann
würde der folgende zuruf und der Vorwurf, dass der gesuchte
sich doch nicht finden lasse, nicht auf Gawan, sondern auf den-
jenigen, den sich Keie als gleich wacker vorstellt, zu beziehen sein,
was soll aber gegen diese nur gedachte persönlichkeit der angriff?
zeile 11 — 14 geifselt Keie die unstätigkeit Gawans, der unver-
mutet bald hier bald dort auftaucht und seinen freunden wie ein
eichhorn immer wider entschlüpft. die vorhergehenden verse
8 — 10 stehen mit dieser anschuldigung in keinem Zusammen-
hang, sie sind vielmehr eine ärgerliche frage Keies, den die
grofsen zurüstungen, die Gawans wegen au Artus hof getroffen
werden , verdriefsen. 'gibt es denn keinen so werten mann mehr
in der weit wie Gawan, dass ihr seinetwegen so viele umstände
macht?' oder wörtlich übersetzt, eine vorwurfsvolle frage: 'aber
ward nie ein so werter mann geboren (dürfte ich das glauben?)
wie Gawan von Norwegen?' das abe deutet auch hier einen gegen-
satz an, der nach Keies nieinung zwischen dem wert des mannes
und den anstalten, die zu seinem empfang getroffen werden, be-
steht. V. 10 ist also das komma in ein fragezeichen umzuändern. ^
' Wolfram hat noch zwei fragen mit aöei; die jedoch hier nicht in
betracht kommen, weil der gegensatz, auf den sich die conjunction bezieht,
im vorhergehenden bestimmt angegeben ist. Parz. 500, 11 f fragt Trevrizent,
nachdem er erfahren hat, dass sein gast sein pferd einem gralritter im
kämpfe abgewonnen hat:
ist ab de?' genesen,
des ez von relite solde wesen?
der gegensatz ist hier: der ritter ist vom pferde herabgestochen (wie eben
erzählt wurde), aber er ist mit dem leben davon gekommen, und ferner
Wh. 238,5 ff: Gyburg beobachtet mit ihrem galten das heranrücken der ver-
schiedenen ihr zu hilfe eilenden heerhaufeii der Franzosen, auch Heim-
rich, Willehalms vater, bleibt nicht zurück:
Gyburc sah ir sweher komji.
si sprach 'hdstu ivar genovm,
wer ab jene kumende sin?'
die frage 'wer sind aber jene?' stellt die neu ankommenden in gegensatz
zu den von ihrem gatten ihr schon genannten fremden.
IN DER FRAGE 437
Die angeführten beispiele werden genügen, um den gebrauch
der coDJunction aber in der frage, so wie er uns heute geläufig
ist, auch fürs mittelhochdeutsche zu bestätigen, die fälle, in
denen er statt hat, sind auf beiden sprachstufen verwunderte,
auffordernde oder misbi lügende fragen, nur eins möchte
ich zum schluss noch hervorheben : wir verwenden heute die par-
tikel 'denn', um die frage dringlicher zu machen (DWB ii 951).
ich habe dieses wörtchen vorhin in der rede Keies eingeschoben
('gibt es denn keinen so werten mann mehr . . .?'), und man
kann es ohne fehler auch iu den übrigen fragen zwischen-
fügen (will denn niemand fröhlich sein? sollte ich denn immer
in sorgen leben? usw.), nur glaube man nicht, damit den sinn
des mhd. aber widergegeben zu haben, denn nicht die dringlich-
keit bezeichnet dasselbe in der frage, sondern ebenso wie im
neuhochdeutschen einen gegeusatz, der zwischen dem Inhalt der
frage und einer bestimmten sie veranlassenden tatsache ge-
dacht ist.
Marburg 1888. JOHANNES STOSCH.
DIE VERSE VOM EBER IN DER SANGALLER
RHETORIK.
In der Geschichte der deutschen litt. s. 61 f schreibt Scherer:
'aus der Schilderung einer jagd haben wir die beschreibung eines
angeschossenen ebers, worin komische Übertreibung waltet.'
damit scheint mir die eigentümlichkeit der Saogaller verse sehr
richtig bezeichnet, zugleich aber Scherers frühere Vermutung,
wonach sie einem liede von der gründung der bürg Ebersberg
in Oberbaieru angehörten, fortzufallen, denn es ist nicht anzu-
nehmen, dass die sage, welche die wunderbare vorherverkündigung
des einbruchs der Hunnen durch einen in jener gegend sich
zeigenden gewaltigen eher enthielt, in komischem tone sollte er-
zählt worden sein, 'das älteste deutsche beispiel von Jägerlatein'
nennt Baechtold die verse ganz treffend in seiner Geschichte der
deutschen litt, in der Schweiz s. 15.
Schade dachte (Germ, xiv 46) daran, dass die in rede
stehenden zeilen vielleicht stellen aus einem lügenmärchen wären,
es ist das möglich, aber es lässt sich auch kein sicherer anhält
dafür gewinnen, denn obwol Übertreibungen sich vielfach in
lügendichtungen finden, bilden sie doch nicht das entscheidende
kennzeichen für diese dichtungsgattung, deren kecke art sich
vielmehr darin gefällt, die Ordnung der dinge umzukehren, die
weit auf den köpf zu stellen, eher möchte ich die beiden Strophen
438 DIE VERSE VOM EBER IN DER SANGALLER RHETORIK
der Rhetorik lür die Überreste eines Spottgedichtes halten , das
ein jagdahenteiier darstellte, bei welchem es dem schützen nicht
gelungen war, den angeschossenen eher zu töten» der un-
geschickte oder teige Jäger sollte verspottet werden, der ge-
i)rauch des praesens in der erzählung lässt sich mit Müllenhoff
so erklären , dass wir die erhaltenen Zeilen als teile einer bot-
schaft nehmen; vielleicht sprach sie der schütze selbst, der vor
dem Untier eben geflohen war und 'in schrecken und aul'regung
über das, was er gesehen', die gewaltige hyperbel anwandte,
also ein spottlied über eine verunglückte eberjagd.i
Dieses spottlied muss in SGallon wol bekannt gewesen sein,
da Notker stellen daraus neben geläufigen classischen citaten an-
führt, auch den titel scheint er uns noch (z. 24 der Denkmäler)
aulbewahrt zu haben: sicnt et teutonice de apro.
Ich mochte nun auf eine stelle in den Casus SGalli auf-
merksam machen, worin von Jagden, in Sonderheit auch von
eberjagden, erzählt wird, welche die mönche mit grofsem ärger
ansahen. 2 zur zeit des abtes Hartmann, heifst es cap. 48, der
ein frommer und gelehrter herr, aber kein guter Verwalter der
klosterländereien gewesen, seien die meier der örtlichkeiten
(maiores locorum) so ausschweifend geworden , dass sie begonnen
hätten, glänzende Schilde und waffen zu führen; sie hätten ge-
lernt, mit anderem klänge, als die übrigen leute der ansiedelungen,
in die hörner zu blasen, und Jagdhunde gehalten, anfangs für
hasen, zuletzt auch nicht für wölfe, sondern um baren und
tuskische(?)3 eher zu bedrohen, 'die keller', hätten sie
gesagt, 'mögen höfe und äcker bebauen; wir wollen unsere
leheugüter besorgen und der jagd, wie es männern geziemt,
nachgehen.' — maiores locorum .... scuta et arma polita
gestare incoeperant; tubas alio, quam caeteri villani, clanctu in-
flare didicerant; canes prima ad lepores, postremo wtiam non ad
lupos , sed ad ursos , et ad Tuscos , ut quidam ait , minandos alu-
erant apros. 'cellararii', aiunt, 'curtes et agros excolant; nos be-
lle ficia nostra curemus et venatui , ut viros decet, indulgeamus ! '
Abt Hartmann starb im jähr 925. er hinterliefs nach Ecke-
harts Zeugnis (cap. 47) ein buch über die geschichte seiner zeit,
' ich gehe auf. die abweichenden ansichten anderer hier der kürze
halber nicht ein und verweise nur auf den aufsatz von Schädel (Zs. f. d.
phil. IX 93 ff), wo die litteratur über die verse aus der Sangaller Rhetorik
zusammengestellt ist. vgl. auch Baechtold aao. anm. zu s. 15.
2 ich benutze die Übersetzung von Meyer von Knonau in den Geschicht-
schreibern der deutschen vorzeit. den text eitlere ich nach der ausgäbe
desselben gelehrten in den Mitteilungen zur vaterländischen geschichte, neue
folge v und VI. auch sind die anmerkungen Meyers einzusehen, der aufser-
dem auf Nitzsch Minislerialilät und bürgertum s. 44 und Waitz DVG v 292
a. 2 verweist.
[3 Tuscus aper Statins Silv. 4, 6, 10.]
DIE VERSE VOM EBER IN HEK SANGALLER RHETORIK 439
das uns leider verloren ist. möglicher weise enthielt es genaueres
über die ausschreitungen der meier.
Sollte das spottlied vom eher, dessen reste wir in den versen
der Sangaller Rhetorik zu finden glaubten, mit diesen den
mönchen anmafslich scheinenden bäuerlichen jagdvergniigungen
im Zusammenhang stehen? irgend ein nicht ganz rühmlicher
Vorfall, der sich auf einer eberjagd zugetragen, wäre von den
brüdern zum gegenständ eines schmähgedichtes gemacht worden?
man weifs ja aus Eckehart, dass die Sangaller unter umständen
böse Zungen hatten, besonders wenn es galt, interessen ihres
klosters zu verteidigen, es scheint mir nichts im wege, dass die
bruchstücke, die wirbesitzen, noch im anfang des lOjhs. entstanden
sind, auch dauerte der streit mit den meiern, wie cap. 49 be-
richtet wird, unter Hartmanns nachlülger fort, wenn ein solches
Spottgedicht damals vorhanden war, so konnte es recht wol zu
Notkers zeit noch bekannt sein: betraf es doch eine angelegen-
heit, welche die mönche einige Jahrzehnte früher sehr lebhaft
beschäftigt hatte.
Falls meine deutung das richtige trifft, so würden die
drei ältesten spottlieder, die wir besitzen, uns sämmtlich aus
SGallen überliefert sein ; denn auch die verse auf Liubene und
der von MüUenhoff Zs. 18, 261 f besprochene vers, wahrschein-
lich der anfang eines spottliedchens, finden sich in Sangaller hss.
Marburg, november 1888. JOHANNES STOSCH.
ZU HELBLING.
in den Studien Wiener sitzungsber. cn 568 und in der aus-
gäbe des Helbling s. xx habe ich, Karajan folgend, die abfassung
des 5 gedichtes in das jähr 1286 gesetzt, als in welchem jener
zug herzog Albrechts gegen den grafen Iwan vGüssing statt-
gefunden habe, bei dem der jüngere Lengenbacher und Alber
vBucheim gefangen wurden, Helbl, v 67 ff. jene fehde fällt aber
nicht ins jähr 1286 — wie die steirische Reimchronik 25815
= cap. ccLxxvni angibt — sondern 1285: zu diesem jähr wird
sie von den Ann. SRudperti Salisburg. MG SS ix 809 z. 46 ff
berichtet, die Ann. sind die einzige gleichzeitige quelle, welche
von dem ereignis notiz nimmt, auf sie geht in der hauplsache
der berichl der Rchr. zurück und ihrer datierung hat sich Huber
Gesch. Österr. n 19 f angeschlossen.
Übrigens auch sonst lässt sich das datum 1285 wahrschein-
lich machen, in jener fehde zog, heilst es in der Rchr. 25137
== cap. ccLXix, das beer Albrechts gegen die von Iwan besetzte
440 ZU IIKLBLING
vesle Bernstein. 'Otlokar allein hat diese nachricht. wenn wir
ihm glauben schenken , so stellt sich der nächste Zusammenhang
mit der Cont. Vindoh. SS ix 712 her: denn hier wird zum
jähr 1284 angemerkt, dass der Ungernkönig Ladislaus Bernstein
belagerte, von den seinen jedoch schlecht unterstützt es nicht
erobern konnte, und Ottokar erzählt 24978 ff, dass Ladislaus
den herzog um seine hilfe bat, damit er bürgen, die ihm Iwan
vorenthalte, zurückgewinne, schon jäuner 1284 hatten die Ungarn
die belagerung von Bernstein begonnen (siehe Huber im Archiv
für österr. gesch. lxv 202) und die anspielung in der Urkunde
vom 28. vn. 1284 (ebenda) lässt wol schliefsen, dass sie damals
bereits aufgehoben war. es ist kein grund vorhanden, an der
nachricht Ottokars, dass Albrechts zug 1285 sich gegen Bern-
stein richtete , zu zweifeln.
Um nun die obere gränze für die zeit der abfassung des
5 Helblinggedichtes zu gewinnen, möchte man ja zunächst die
erzähluug vom friedensschluss benutzen, die Ottokar 25816 ff
= cap. ccLXXix gibt: sie setzt voraus, dass der vertrag nicht
allzu lange nach der niederlage des herzoglichen aufgebots ge-
schlossen wurde, seine bedingungen selbst — wir sind hierüber
ohne jede urkundliche nachricht — erwecken in so ferne mis-
trauen, als sie das seit 1278 andauernde bündnis zwischen
Albrecht und Ladislaus unterbrechen und wir doch schon 1287
den herzog wider im kriege gegen Iwan finden, andererseits
sind sie in der Rchr. so deutlich gehalten, wie wir es sonst be-
obachten, wenn Ottokar urkundliche bestimmungen näher kennen
zu lernen gelegenheit hatte.
Wie dem aber auch sei, wir vermögen Ottokars angäbe, dass
der vertrag die freilassung jener, die noch in Iwans bänden sich
befanden, erwürkte, wenigstens für einen derselben. Alber von
Bucheim , urkundlich zu unterstützen: am 12. xn. 1285 ist Alber
wider in Wien, denn er bezeugt und besiegelt die Urkunde
gleiches datums Fontes rer. Austr. dipl. x 33. da Helbl. v den
ßucheimer noch in der gefangenschaft Iwans weifs, so muss das
gedieht noch 1285 verfasst worden sein.
Dann aber empfiehlt es sich, in der deutung der Zeilen 7f
wider zur auffassung Karajans zurückzukehren , der in ihnen eine
anspielung auf die jähre 1276 — 81 sah: 4 jähre in runder zahl,
genauer 4 jähre und etwa 8 monate hatte könig Rudolf seinen
hauptwohnsitz in Wien, oder sollte der dichter die längeren
abwesenheiten, als der könig von Wien aus nach Böhmen und
nach der Steiermark zog, abgerechnet haben?
Wien, april 1889. JOSEPH SEEMÜLLER.
Druck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.
ANZEIGER
FÜR
DEUTSCHES ALTERTHUM
UND
DEUTSCHE LITTERATUR
HERAUSGEGEBEN
ELIAS STEINMEYER
FÜNFZEHNTER BAND
BERLIN
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG
1889
INHALT.
Seite
ßaumgart, Handbuch der poetik, von Werner 249
Biltz, Zur deutschen spräche und lilteratur, von Steinmeyer . . . 363
Binz, Augustin Lercheimer, von Steinmeyer 149
vBorries, Das erste Stadium des «-umiautes im germ.,-von Francii . 364
ten Brink, Beowulf, von Heinzei 153
Bruchmann , Psychologische Studien zur sprachgesch., von Seemüiier 285
ßurghauser, Germanische endsiibenvocale, von Franck 365
, Germanische nominalfiexion, von Franck 365
, Indogermanische praesensbiidung, von Franck . . . 365
Deutsches wb. s. vLexer
Franz, Mythologische Studien ii , von Meyer 209
Fulda, Meier Helmbrecht, von Elias 213
Güdemann , Gesch. des erziehungswesens und der cultur der Juden in
Deutschland, von Mayer 213
Heyne -Socin, BeowulP, von Heinzei 189
Jostes, Daniel von Soest, von Strauch 299
Kluge, Von Luther bis Lessing, von Luther 324
Kraus , Johann von Michelsberg , von Toischer 291
vLexer, Deutsches wb. vii 11, von Gombert ......... 10
Manitius, Sextus Amarcius, von Traube 195
Martin, Neue fragmente des gedichts Van den vos Reinaerde, von
Steinmeyer 214
Mayer, Über die Ortsnamen im Ries, von Bachmann 150
Monumenta Germaniae paedagogica iv, von Seemüller 366
Müller, Die deutschen katechismen der böhm. brüder s. Monumenta
Germaniae paedagogica
Naue, Die hügelgräber zwischen Ammer- und Staffelsee , von Laistner 211
Neubaur, Jugendgedichte von ChWernigke, von Elias 341
Nutt, Studies on the legend of the holy grail, von Martin .... 207
Paris, La litterature fran^aise, von Martin 369
Petit, Bibliographie der middelnederlandsche taal- en letterkunde , von
Martin 370
Poestion, Einleitung in das Studium des altn. ii, von Burg. . . . 357
Pogatscher, Zur lautlehre der lehnworte im ae., von Holthausen . . 288
Sarrazin, Beowulfstudien , von Heinzei 182
Schaub, Nd. Übertragungen des Lutherschen Neuen testaments, von
Unruh 370
Scherer, Poetik, von Werner 275
Schmidt, Gudrun, von Stosch 151
Schönbach, Altd. predigten ii, von Schröder 202
Schröder, Vom papiernen stil, von Steinmeyer ........ 370
Schultz, Die bestrebungen der Sprachgesellschaften des xvii jhs., von
Borinski 372
Seeliger, JESchlegel, von Rentsch 356
Seuffert s. Vierteljahrschrift
Socin s. Heyne
Steyrer, Die urspr. einheit des vocalismus der Germanen, von Bach-
mann 215
IV ' INHALT
Seite
Thommen, Schriftproben aus hss. des xiv — xvijhs., von Wattenbach 373
Trautmann, Die sprachlaute, von Kräuter (f) 1
Verwijs- Verdam , Mnl. woordenboek, von Francii 375
Vierteljahrschrift für litteraturgesch. i, von Steinmeyer 375
vWeilen, Der ägyptische Joseph, von Werner 40
Welciier, Diaiektgedichte , von Martin 377
Wolff, JESchiegel, von Rentsch 347
Zu Anz. XV 176, von Martin 379
Kilian Brustfleck 248
Zur gesch. des Wortes deutsch, von Luick 135. 248
Zum Ernst D, von Steinmeyer 220
Hans Folz in Würzburg, von Herrmann 145
Glossen, ahd 380
Zu Ulrich von Lichtenstein, von Schönbach 378
Zu Heinrich von Melk, von Herzog 217
Miscellen aus Tirol , von Prem 143
Mhd. miscellen , von Meier 217
Zur mittellateinischen dichtung, von Werner 140
Mönch von Salzburg 248
Altdeutsche monatsnamen , von Werner 377
Personalnotizen 152. 380
Die Pilatuslegende im 17 jh., von Borinski 222
Aus dem nachlasse Rudolfs von Raumer, von Steinmeyer .... 227
Romantisch, von Hirzel 223
Im Schwerte sehen, von Baechtold .' . . 216. 380
Segen: Ein blutsegen, von Leitschuh 216
Segen gegen zahnweh, von vFleischhacker 145
Verzeichnis der auf dem gebiete der neueren deutschen litteratur im
j. 1887 erschienenen wissenschaftlichen publicationen, von Strauch 70
Die deutschen hss. in der bibliothek der Wiltheims, von Meier . . 148
ANZEIGER
FÜR
DEUTSCHES ALTERTHUM UND DEUTSCHE LITTERATUR
XV, 1 JANUAR 1889
Die sprachlaute im allgemeinen und die laute des englischen, französischen
und deutschen im besondern, von dr Moritz Trautmaxn, oid. professor
an der Universität Bonn. Leipzig, GFock, 1884—86. vin und 330 ss.
80. — 7 m.
Die Trautmannsclie darstellung der sprachphysiologie strebt
nach wissenschaftlicher geslallung des massenhaften Stoffes und
ist klar, bestimmt, kurz und übersichtlich bei grofser reichhaltig-
keit. sie spricht noch von lauten, nicht von Sprachelementen,
gegen die wir hoffentlich schon durch die ellenlange des wortes
hinreichend geschützt, sind, sicherlich wird die physiologie noch
ungeahnte triumphe feiern; man wird dereinst die Würdigung der
kunst eines Ralfael nicht mehr auf die betrachtung und prüfung
seiner gemälde, sondern auf eine geniale theorie der mechanik
seiner ünger- und armmuskeln gründen, am ersten wird sie
auf dem gebiet der menschlichen rede ein derartiges herliches
ziel erreichen, sodass sich die eigentümliche gestaltung der spräche
eines volkes zu einer gegebenen zeit auf den bau seiner sprach-
werkzeuge und insbesondere auf die hervorragende entwickehmg
bestimmter muskeln wird zurückführen lassen, es ist schon jetzt
ein gewinn , dass man schärfer zwischen sprachphysiologie und
Sprachakustik scheiden lernt, aber letztere, weiche Trantmann
durch genauere bestimmung der tonhöhe der stimmlosen laute
zu fördern sucht, wird auf das recht des daseius nicht verzichten,
sondern sich aus den höchst bescheidenen anfangen , bei welchen
sie jetzt noch steht, zu hoher blute entwickeln, die spräche
pflanzt sich durch begucken nur in geringem mafse und durch
betasten gar nicht, sondern eben durch abhören von geschlecht
zu geschlecht fort; und eine Verständigung überfremde, nie ge-
hörte laute ist, ebenso wie deren erlernuug, mittelst der physio-
logischen beschreibung allein , ohne von bekannten gegebenen
lauten auszugehen, eine sache der reinen Unmöglichkeit, die zu-
versichtlichkeit, mit welcher oft das gegenteil behauptet wird,
erinnert an diejenige, mit welcher DuBois-Reymond der ältere
(Kadmus, Berlin 1862, s. 214) lehrt, das lispeln müsse sofort
aufhören, wenn man die untere zahnreihe dicht an die obere an-
schhefse, und ö, p würden dann unfehlbar zu /; s.
Von anderen Systemen unterscheidet sich das Trautmannsche,
welches sonst im grofsen ganzen der überlieferten Schablone folgt,
rch die fremder
A. F. D. A. XV.
2 TRAUTMAN.N DIE SPRACHLAUTE
dies, trefl usw., wobei übrigens zu beachten, dass sie meistens
nur in Vorschlag gebracht werden und im texte weiter nicht er-
scheinen, der veri'. nennt sie 'deutsch', was doch nur im histo-
rischen, gelehrten, nicht aber im natürlichen, volkstümlichen sinne
gemeint ist, wonach komödie, locomotive, gensdarm ua.
als allgemein verständlich und üblich jetzt durchaus deutsch sind,
unbedingt zu billigen sind die sprachreiniger, wenn sie die in
beiderlei sinne fremden Wörter bekämpfen, mit denen gering-
schätzung des einheimischen , faulheit und dunkel die spräche der
gebildeten und halbgebildeten überschwemmt haben, wer aber
wie T. weiter gehen und auch die blofs historisch fremden Wörter
verdrängen will, vergisst, dass unsere gymnasien wol latein- und
griechischschulen, aber keine deutschschulen sind, dass entgegen
dem vorbilde der Griechen und Römer, welche man in der theorie
überschwenglich lobt, um in der praxis so ziemlich das gegenteil
von ihnen zu tuq, die muttersprache das aschenbrödel unseres
höhereu Unterrichtes ist und vorwiegend von nichtgermanisten
gelehrt wird, dass in folge dessen die gebildeten bei uns nicht
blofs sich viel mehr und weit häufiger als in anderen culturländern
einen erbärmlichen stil zu schulden kommen lassen , sondern auch
trotz ihrer Vertrautheit mit lateinischen und griechischen tifteleien
fast aller theoretischen einsieht in die nhd. grammatik, nament-
lich in bezug auf schrift-, laut- und formenlehre entbehren, so
lange unsere Schulbildung nicht eine ganz andere ist, wird die
menge die unbekanntesten, abgeschmacktesten und schwerfällig-
sten benennungen aus fremden sprachen mit behagen aufnehmen,
hingegen neubildungen aus dem deutschen vornehm belächeln und
mit schalen witzen abtun.
Fremdartig und schwer lernbar ist ferner T.s lautbezeich-
nung, obgleich das lateinische aiphabet deren grundlage bildet;
bedenkhcher noch ist deren kostspieligkeit für den druck: von
den 64 buchstaben (s. 120 f; bei dem obersten vocalzeichen auf
s. 120 hat sich der setzer versehen), welche sich in den zu-
sammenhängenden Zügen nicht etwa blofs durch aufserhalb der-
selben befindliche puncte oder beistriche von einander unter-
scheiden, müssen 46 neu geschnitten werden, darunter auch die
zeichen für die laute, die man sonst mit w v l m n s r k dar-
zustellen pflegt; nicht als neu gerechnet sind hier y b d g j,
obgleich sie nicht ganz ohne Veränderung geblieben, ich be-
dauere in des verf.s eigenem Interesse lebhaft, dass er den Wider-
spruch nicht hat aufgeben können, den er schon vor 11 jähren
brieflich gegen den fünften meiner 'zwölf Sätze' erhoben hat, und
fürchte, dass der hohe preis des trefl"lichen buches durch die
misachtung meines wolgemeinten rates verschuldet ist und im
verein mit den vielen ungewohnten buchstaben viele käufer ab-
schreckt. — dass T. sich nicht darüber ausspricht, warum die
laute und ihre eigenschaften in der weise bezeichnet werden
TRAÜTMAN'N DIE SPRACHLAUTE 3
sollen, wie er es will, halte ich zwar für unwissenschaftlich, so
allgemein beliebt dieses verfahren bei den gelehrten ist, aber
immerhin für verständiger als gründe anzugeben, zu welchen die
gemachten vorschlage wie die faust aufs äuge passen, so zb.
schrieb mir ein bekannter lautphysiologe und professor, für rein
wissenschaftliche zwecke sei mein aiphabet 'unübertrefflich', aber
mit rücksicht auf das gröfsere publicum, an das er sich wende,
müsse er sich in einigen puncten enger an das hergebrachte an-
schliefsen. und was verlangt er nun, um das ungewöhnte äuge
des laien nicht durch fremdartiges zu verletzen? statt mit mir ro/e,
ko/e zu schreiben, schreibt er rose, kose! ähnlich verhält es sich
mit seinen übrigen abweichungen. da lobe ich mir doch die klarheit
und folgerichtigkeit eines anderen bekannten iautphysiologen und
Professors, welcher den grundsatz aufgestellt hat und in seinen er-
örterungen über Orthographie mit unerbittlicher strenge befolgt,
dass man in orthographischen dingen überhaupt nicht denken
solle, da in folge unserer herschenden gymnasiaibildung diese denk-
scheu nicht zu den grösten Seltenheiten gehört und der Wirrwarr
in der wissenschaftlichen Schreibung nicht blofs weit gröfser ist
als in der volkstümlichen, sondern täglich unleidlicher wird, so
wäre das beste, ein zweiter Puttkamer würde für alle werke,
welche mit staatsunterstülzung gedruckt oder von staatsbesoldeten
geschrieben werden, ein bis in alle einzelheiten unbedingt bin-
dendes physiologisches aiphabet decretieren.
Der hauplwert des buches liegt in dem zweiten, practischen
teile, welcher eine vorzügliche, auf eingehender und scharfer
beobachtung beruhende darstelluug der elementarlehre (phonetik
und das wichtigste aus prosodie und dynamik) des englischen,
französischen und deutschen gibt. verf. betritt den einzig rich-
tigen weg und geht nicht von den lauten, sondern von der
herschenden Orthographie aus; er beeinträchtigt die Übersicht-
lichkeit und brauchbarkeit allerdings dadurch, dass er seinem
einleilungsgrund nicht treu bleibt, bedauerlich ist ferner, dass
er laut und buchstaben nicht scharf genug aus einander hält, die
nächste aufgäbe der sprachphysiologiscben lehrbücher ist nicht
etwa, alle möglichen feinheiten aufzuzählen, deren menge den
anfänger verwirrt und entmutigt, sondern nachdrücklichst die
herschende Verwechselung von spräche und schrift zu bekämpfen,
mit welcher zb. die übliche Orthographie der fremdwörter sowie
die nfrz. Verslehre mit all ihren albernheiten steht und fällt, und
welche sowol die besserung der hergebrachten Schreibung als die
richtige auffassung der spräche in empfindlicher weise erschwert;
diese pflicht ist um so dringender, da die Wahrheit nicht etwa
blofs unerkannt bleibt, sondern bewust bestritten wird, nachdem
in Vietors Zeitschrift gezeigt worden, wie ganz anders sich die
ffmininbildung der frz. adjcctive darstellt, wenn man die spräche
zu gründe legt, statt mit sämmllichen grammatiken an den buch-
4 TRAUTMAKN DIE SPRACHLAÜTE
Stäben zu kleben, nabm Herrigs Archiv denselben gegenständ
wider auf, um die Unmöglichkeit einer streng wissenschaftlichen
Schreibung und die notwendigkeit des leslhaltens an den alten
irrtümern für das nfrz. zu erweisen! wieso? gehe man vom wort-
bild aus, so habe man eine einfache regel: fem.=msc.+E-zeichen.
halte man sich an die Wörter, so versinke man ins chaos: fyi'.fyi;
Jiyi :ki/ü; pfi :pflf; dw.düs; boihbn usw. aber von den zahl-
reichen ausnahmen abgesehen, woher weifs denn der schüler, dass
er fui, cuit, pris usw. schreiben soll? gibt es dafür auch
eine 'einfache' regel? der lehrer muss ihn vielmehr gerade auf
das femininum verweisen , um die Orthographie des masculinums
zu finden (zb. Noel et Chapsal, Gramm, franc. 1866 § 224),
ferner: genau so leicht, wie man lernt, dass man pris schreibt
und pH spricht, prägt man sich auch ein, dass pr// das fem. zu
ffi ist. das köstlichste ist aber, dass der Orthographie zu lieb
eine sprachgeschichtliche abgeschmacktheit und eine lautliche Un-
möglichkeit gelehrt wird : das fr^. fem. ist gar nicht aus dem msc.
entstanden, zb. bonne, fine nicht aus hon, fin, und die
lautfolgen bn, in können sich nicht aus den einzelnen vocallauten
p, a entwickeln, sondern hon, fin sind aus dem lat. bona(m),
finita(m) hervorgegangen wie hg, fa aus bonu(m), finitu(m). —
einer solchen hartnäckigen Überschätzung der Orthographie gegen-
über darf die Sprachphysiologie nie im zweifei lassen, ob sie von
lauten oder von buchstaben spricht, und keine ausdrücke ver-
wenden, welche die hergebrachte vermengung begünstigen, aber
T. redet fort und fort von doppelconsonanten , wo er verdoppelte
consonanten zeichen meint; er hebt dies zwar in einer an-
merkung zu §348 ausdrücklich hervor und sagt fast bei jedem
consonantenzeichen in endlosen widerholungen, dass dessen Ver-
doppelung in der deutschen , französischen und englischen Ortho-
graphie für den eulsprechenden consonantlaut durchaus nichts
anderes bedeutet als die einfache Schreibung, gleichwol muss
dieser ebenfalls unzählig oft widerkehrende ausdruck 'doppelcon-
souant' den anfäuger verwirren; der wahu, die einzelnen S- und
N-zeichen in firnis, hindernis, kaiserin, wirtin usw.
bedeuten etwas anderes als die Verdoppelung in firnisse,
kaiserinnen usw., ist weit verbreitet und hat noch die jüngste
reglementierung unserer Orthographie beeinflusst, sodass man ihm
durchaus keinen Vorschub leisten darf, meint man einen laut,
so spreche man denselben unter beifügung von 'laut' und schreibe
zb. /"-laut, /"-laut, s-laut, a-laut usw.; meint man einen buch-
staben, so nenne man ihn mit seinem üblichen namen (af, as, tse,
d, hä usw.) unter beifügung von 'zeichen' und schreibe F-zeichen,
S-zeichen, C-zeichen, A-zeichen usw\ dies mag lästig und schul-
meisterlich scheinen , ist aber das einzige mittel , dem greulichen
durcheinander ein ende zu machen.
Je mehr man die würklich gesprochenen laute lebender
TRAUTMANM DIE SPRACHLAUTE t)
sprachen zum gegenständ selbständiger Untersuchung macht , statt
kritiklos althergebrachte fabeln nachzuschreiben, desto unange-
nehmer wird die Unzulänglichkeit unserer beobachtungsmethoden
fühlbar in der grofsartigen Zersplitterung der meinungen; wer
über die sache kein eigenes urteil hat, kann angesichts der masse
der widersprechenden angaben leicht den mut verlieren, sich
weiter mit so verworrenem zeug zu befassen, und ohne zweifei
wird, sowie die menschen einmal sind, die in manchen kreisen
beliebte Überschätzung der bisherigen bescheidenen leistungen
der Sprachphysiologie und sprachakustik früher oder später einer
tüchtigen ernüchterung weichen; von anderen Wissenschaften, in
denen auch keine übermäfsige einheit herscht, namentlich wenn
sie an fragen rühren , welche unseren jetzigen hiifsmitteln un-
zugänglich sind, denkt zwar kein verständiger deshalb gering;
aber es sind durch altes herkommen geheihgte stattliche bäume,
während unser schössling noch jung ist und mit dem unkraut
des buchstabencultus um luft und licht kämpfen muss.
Der mangel an Übereinstimmung beruht z. t. darauf, dass den
verschiedenen forschem eben nicht ein und derselbe gegenständ
der beobachtung vorlag; es herscht die gewohnheit, den Sprach-
gebrauch eines landes nach dem eines einzelnen individuums oder
eines engen kreises zu bestimmen, auch in dieser hinsieht
unterscheidet sich T. vorteilhaft von den landläuügen Orthoepien,
obgleich die Schwankungen in der gebildeten, 'mustergiltigen'
redeweise noch weit stärker sind, als er sie angibt, zb. in Deutsch-
land und in Frankreich zwischen e- und «-laut, wenn man eine
eingehende und zuverlässige sprachstatistik trotz den ungeheueren
Schwierigkeiten als durchaus nötig fordern muss, so soll damit
natürlich nicht etwa behauptet werden, dass sie ausreiche; wer
eine spräche schulmäfsig lernt oder lehrt, muss sich dem schwanken
gegenüber bestimmt entscheiden; der französischlehrer kann un-
möglich einer classe deutscher schüler freistellen , ob jeder nach
belieben 6tait als eta, oder als ete, oder als ete, 6te als ete,
oder als ete, oder als ete sprechen will, ebenso wenig wie der
Sprachforscher, der auf wissenschaftlichkeit anspruch macht, sich
mit einer toten anhäufung von tatsachen begnügen kann, ohne
nach den treibenden gründen zu suchen; die lautregeln ^ welche
dieser aus der gröfseren oder geringeren mehrzahl der fälle und
aus allgemeinen betrachtungen ableitet, muss der lehrende jedes-
falls zur festen richtschnur nehmen; eine solche lässt T. bis-
weilen vermissen, zb. bei den prosodischen und phonetischen
Schwankungen der vocalischen selbstlauter des nhd. und bei der
G- frage, seine erörterung über letztere bedarf keiner Wider-
legung, denn nachdem er auf 'völlig unanfechtbarer historischer [?]
grundlage' eine 'sichere' lösung gefunden (s. 318), steigt ihm
1 absichtlich vermeide ich den ausdruck 'lautgesetz', welcher in vielen
köpfen Verwirrung angerichtet hat.
b TRAUTMANN DIE SPRACHLAÜTE
(s. 319) ein sehr gewichtiger zweifei auf, welcher unlerdessen
für die kgl. preufsischen hühnen zum geselz geworden, während
die gelehrten sich ergebnislos herumzankten, hat widerum das
Schwert der gewalt den knoten zerhauen und zwar diesmal in
befriedigender weise; trotzdem graf Hochhergs entscheidung in
fassung und begründung ebenso befremdlich und mangelhaft i ist
wie die regeln der preufsischen schulorthographie , trifTt sie doch
in der sache wesentlich das richtige. — leitende grundsätze werden
immer nötiger, je feiner man unterscheiden lernt; schliefslich wird
man zu dem ergebnis gelangen, dass es kein einziges wort gibt,
welches von mehreren menschen zu gleicher zeit oder von einem
und demselben menschen zu verschiedenen zelten genau gleich
gesprochen würde, so wenig sich in einem walde zwei völlig
gleiche blätter finden; schon vor jähren habe ich mich durch
messungen vermittelst physicalischer apparate überzeugt, dass in
fällen, wo man genau dasselbe zu sprechen und zu hören glaubt,
in würklichkeit riesige Schwankungen statthaben.
Dies führt uns zu dem zweiten gründe, weshalb die meinungen
so stark von einander abweichen: die beobachtungsmittel der
Sprachphysiologie sind bis jetzt ganz kindliche, ähnlich wie wenn
die astronomie etwa parallaxen und bahnen von fixsterneu mit
dem blofsen augenmafs feststellen wollte, es fehlt ganz und gar
an Vorrichtungen, welche, ohne dass der sprechende sich be-
obachtet glaubt, die unbefangene rede selbsttätig registrieren mit
allen phonetischen, prosodischen, dynamischen und tonischen ab-
stufungen, die auch dem schärfsten gehör entgehen; wir sind
weit davon entfernt, für jedes kleinste zeitteilchen eines satzes
die genaue gleichung der luftschwingungen, sowie der gestalt und
des Verhallens der organe geben zu können, nicht nur entbehren
wir der controle für dinge, die sich mit dem blofsen gehör deutlich
erkennen lassen, sondern vieles bleibt uns völlig dunkel; beides
ist um so bedauerlicher, als vorgefasste meinungen leider nirgends
eine so gewaltige macht ausüben wie in der Sprachphysiologie;
in manchen fällen ist eine und dieselbe erscheinung von ver-
schiedenen beobachtern ganz verschieden wahrgenommen worden
und gerade da, wo die würkliche beobachtung aufhört, treibt die
ausschweifendste phantasterei die üppigsten bluten, so hiefs es
einmal, in einem tönenden reibelaut wie v, f, f,j könne das
luftgeräusch einen mittleren stärkegrad nicht übersteigen; aber
man hatte nicht daran gedacht, zum manometer zu greifen und
* sie fordert zb. das für einen deutschen mund unerhörte B erg-, Berg-s,
sorg-t; graf Hochberg und seine gepriesenen autoritäten wissen nicht, dass
die nhd. spräche vor pausen und stimmlosen keine b-, d-, g-, sondern statt
deren nur jy-, t-, A- laute kennt; wunderlich ist es, dass der herr general-
intendant den niederdeutschen j- und den mitteldeutschen ch-laut in
Melliig-e, mollige, stämmigen usw. verbietet und für dieselben Wörter,
wenn deren selbstlauter i schwindet, die lautungen welche, moiche,
stiJnimchen vorschreibt.
TRAUTMA^^• DIE SPRACHLAÜTE 7
ZU sehen, dass zu dem allerstärksten möglichen, bei 44 mm. queck-
silber- Überdruck erzeugten /"-laut gleichzeitig die stimme stark
oder schwach hinzuzutreten vermag; ja noch mehr; ein haupt-
verlechter jener ansieht, der um Verbreitung lautphysiologischer
kenntnisse hochverdiente RvRaumer erwiderte 1870 auf die mit-
teilung eines ihn gründlich widerlegenden Versuches: derselbe
beweise blofs, dass der beobachtende eben nicht im stände war,
stark und schwach zu unterscheiden; 'denn die hervorbringuug
eines singtons bei würklich harten lauten ist rein unmöglich,
wie ich aus langjährigen und tausendfach widerholten versuchen
weifs.' — Jahrzehnte lang wurde von geflüsterten medien gefabelt;
aber kein anhänger dieses glaubenssatzes hatte das angeblich be-
gleitende flüstergeräusch würklich gehört, keinem war es bei-
gekommen, dasselbe mildern Stethoskop zu untersuchen. — seit
mehr als einem halben Jahrhundert war es eine ausgemachte
Sache, dass wir im deutschen keine den indischen teuuesaspiraten
ähnlichen laulfolgen besitzen, und diesem wahne zu lieb haben
gelehrte die hergebrachte deutsche Orthographie gemafsregelt;
aber keinem von denen , welche ihren eigenen Sprachgebrauch
als nicht vorhanden bezeichneten, war es eingefallen, die band
oder einen papierstreifen vor den mund zu halten und sich zu
überzeugen, dass bei hd, xd ein lufislofs fühlbar wird, der sich
ebenso bei tasse (= thasd) , k a h 1 ('= A-j;ä/ ' , k a s s e ('= A-jjasaj
einstellt, aber bei dem kräftigsten d, jd, tasd, kdl, kasd fehlt. — heute
noch werden behauptungen aufgestellt und nachgebetet, ohne dass
man auch nur den versuch gemacht hätte, einen schatten von
beweis zu erbringen, häufig liegt einfach die ewige Verwechselung
von spräche und Orthographie zu gründe, so zb. soll die silben-
scheide in ahle, aale, alarm vor, in alle, allein, allee
aber mitten in den Maut fcfllen; natürlich: beim abbrechen der zeile
schreibt man ja ah-le, al-le usw. andere finden ihr ideal in
willkürlich ersonneneu, läppisch begründeten und kritiklos hin-
genommenen lateinischen schreibregeln und entdecken in folge
dessen, dass der Franzose san-ctuaire spreche, wider andere
gönnen ihrer phantasie freieren schwung und hören demgemäfs
kar-pfen, klop-fen, pfos-ten, o-stern, gei-ster,
fen-ster, weise-ste. schon allein die fassung der officiellen
regel beweist, welch grofse Verworrenheit herscht; im 'langsamen
sprechen', das zur entscheidung angerufen wird , sjilabiert man
überhaupt nicht, sondern dehnt die laute, bei tenues die stets
begleitenden pausen: kammmelll, alllt — te, klllop — pfffe,
kämmmp — pfffessst — t, fff^ht — t ihnnn (oder nach beliebter
schuUmart: — t 'ihnnn); und beim syllabieren trennt man eben,
wenn man überhaupt zur Sicherheit darin gelangt ist, genau so
wie man es zufällig Inder schule für die buchstaben gelernt,
ohne jede rücksicht auf die spräche, ohne eine spur von conse-
quenz, welche entweder: ap-pel-lant, cap-pit-tel, gram-mat-tik-ker,
8 TRAUTMA>N DIE SPRACHLAÜTE
bat-tal-jon, fam-niil-jär, räl-sel, geit-sen, füch-se, liek-se, la/j-?;e,
ras-se, sa.i5-.ro, met-laf-fer usw., oder aber: a-pe-lant, ca-pi-tel,
ba-la-li-on, rä-lsel, tii-chse, la-nge, ra-sche, usw. verlangen würde;
die regel dreht sich einfach im kreise, selbst wenn es sich mit
der Silbentrennung sprachlich würklich so verhielte, wie gelehrt
wird, und wenn die Forschung der zukunt't volle bestätigung
brächte, so wären die jetzigen bekenner des dogmas nicht im
mindesten entschuldigt; die menschliche Wissenschaft hat es nun
einmal nicht mit der Wahrheit, sondern mit der Wahrscheinlich-
keit zu tun, sie fragt nicht nach Offenbarungen, sondern nach
beweisen, sie kann die glänzendste erratungsgabe nur als au-
regung, niemals aber als ersatz für die mühsam nachrechnende
methode gellen lassen , sonst hätten die Schwärmer recht , welche
durch spiritistische medien sicheres über die bewohner des sirius
oder den rückzug der zehntausend feststellen wollen, es freut
mich sehr, dass auch ein so scharfer beobachter und klarer denker
wie T. die von mir geforderten physiologischen und akustischen
beweise für die stelle der silbenscheide nicht beizubringen ver-
mag, dass er manches in dem dogma als zweifelhaft anerkennt
und dass er für das übrige keinen anderen ausweg findet als
die nicht einmal dem Sachverhalt entsprechende wendung: all-
gemein zugegeben scheinen blofs folgende zwei fälle zu werden
(s. 131). ich will noch bemerken, dass für die lieblingssätze der
hochtheoretischen atemhubspeculalion bis jetzt nicht einmal eine
bestätigung in der lautgeschichte gefunden worden, man sagt zb.,
im frz. verstumme der mitlauter am ende der Sprechsilbe (gra
|)flr = grand-pere, aber: gfa ?6m = grand homme); wäre das
wahr, so könnte man sich trotz allerlei bedenken diese mechanische
regel wegen ihrer kürze gefallen lassen , nur würde sich niemand
einbilden dürfen, damit eine erklärung für den lautlichen Vorgang
geliefert zu haben; aber die regel ist falsch: d-laut zu beginn
der silbe wird nicht zu ?-laut; ferner gilt sonst im frz. wie z. t.
im lat. muta- oder f- oder ic- mit folgendem r- oder ?-laut als
Silbenanfang; nun heifst es aber nicht gi^a tröl, (grand röle),
sondern gfa föl, nicht ne wlu (neuf loups) wie ne wer (neuf
heures) , sondern ne lu usw. ein gedehnter mitlauter gehört an-
geblich halb zum vorhergehenden, halb zum folgenden selbstlauter;
es ist aber nirgends nachweisbar, dass, wo die an, am zu a und die
al zu au werden, die angeblichen an-na, am-ma, al-la in a-na,
a-ma, au-la übergehen im gegensatz zu unverändert bleibenden
a-na, a-ma, a-la usw.; altes mür-we, mil-we wird nhd.
mür-be, mil-be, aber aus ou-we (= ow-we) wird nicht
au-be; Paul, der auch an ax-xa glaubt, hat das 'lautgeselz' ent-
deckt, der palatale reibelaut x im silbenanlaut werde nhd. zu
fc-laut, ohne aber ein beispiel dafür auftreiben zu können, dass
ein angebliches ax-xa zu ax-ka geworden (was er über fälle wie
kein, -keit, -kofeu, -kon vorbringt, wird durch das schwei-
TRAUTMANN DIE SPRACHLAÜTE y
zerische widerlegt), um mittelchen, die lücher der Iheorie zu
verkleistern , ist man natürlich nie verlegen ; auch die bekenner
der Ptolemäischen planetenlehre häuften unbedenklich epicykel
auf epicykel. — die allgemein herschende Verwirrung zwischen
vocal und selbstlauter, zwischen consonant und millauter bewiirkt,
dass man in den unsilbigen vocalen mit aller gewalt entschiedene
reibelaute entdecken will und an der verkehrten diphthongen-
Iheorie festhält; auch T. spricht (s. 119) von 'vocalen', wo er
selbstlauter meint, und findet in den vocalischen mitlautern fast
überall tönende reibelaute, während er nirgends erwähnt, dass
letztere auch silbig vorkommen, zb. in entrüstetem dx', dj" für
du, die; vgl. ferner Sweet , Phonelics s. 123; gibt es überhaupt
vocallaute ohne das leiseste begleitende luftgeräusch ? — über-
mäfsige theoretische Vorliebe für sandhierscheinungen ist es jedes-
falls, wenn er 'fast überall' in Deutschland k feile, zfei, schfur
usw. für quelle, zwei, schwur (s. 305), und in Frankreich
s/ar, s/if, s^el usw. für soir, suif, ciel (s. 213,216, 211 usw.)
n y
hört. — historische Voreingenommenheit, welche s. 204 (zeile 17)
nackt hervortritt, ist es, wenn er trotz dem Widerspruch von
geborenen Franzosen und von Rapp, Ellis, Sweet, Techmer ua.
im französischen die letzte silbe für stark hält.
Alle derartigen meinungsverschiedenheiten werden unmöglich
sein, wenn wir einmal eine genaue beobachtungsmethode haben,
sollte T., durch meinen Widerspruch veranlasst, eine solche suchen
und finden, so würde mich das ebenso herzlich freuen wie seine
freundliche gesinnung gegen mich, welcher er so oft ausdruck
gegeben; ich würde auf diesen erfolg meiner einspräche nicht
weniger stolz sein, selbst wenn die vereinzelten einwände, die
ich gegen seine ausgezeichneten und umfassenden beobachtungen
glaube erheben zu müssen, sich als unberechtigt erweisen würden.
An zwei stellen , welche der oberflächlich herumnaschende
und den gebrauch des papiermessers scheuende leser übersieht,
da sie sich auf der ßten seile eines halben , bezw. ganzen bogens
(s. VI und 134) verbergen, stellt verf. ein werk in aussieht über
'die Wörter und Sätze im allgemeinen und die engl., frz. und
deutschen Wörter und Sätze im besonderen'; mögen sich also
diejenigen beruhigen , welche in seinem vorliegenden buche die
dynamik, prosodie und tonik nicht ausreichend behandelt fanden,
und so schliefsen wir mit herzHchem dank für seine treffliche
leistung und sehen der baldigen einlösung seines Versprechens
mit Spannung entgegen.
Saargemtind. Kräuter.
fzu Bern am 2sept.l888.
10 DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII 11
DEUTSCHES WÖRTERBUCH, siebenten bandes elfte lieferung. PLATZ-
BAUM — PRESSVERGEHEN, bearbeitet von dr ä1.\tthus Lexer.
Leipzig, SHirzel, 1S88. — 2 m.
Es sind jähre vergangen , seitdem zum letzten male in diesem
Anzeiger des Grimmschen Wörterbuches gedacht ist; darum scheint
eine neue erinnerung an das grofse werk berechtigt, wenn auch
schwerlich jemand eine allgemeine besprechung und Würdigung
der 94sten lieferung des ganzen, der Uten von Lexers arbeit
hier erwartet, weifs man doch, dass dieser in rastloser tätigkeit
ein heft nach dem anderen, während der letzten jähre in den
kurzen Zwischenräumen von etwa 6 — 7 monaten, zu stände bringt,
und dass die leistung des seit Jahrzehnten bewährten wörler-
buchmannes der höchsten anerkennung wert ist. die ausfuhr-
lichkeit in den letzten lieferungen ist sich gleich geblieben , so-
dass die neuesten drei etwa 50, 47, 48 selten des wb.s von
Heinsius entsprechen, während das letzte heft aus Hildebrands
feder (gemüt — genug) die auf etwa 51/2 selten bei Heinsius
verzeichneten Wörter umfasst. freilich wird Heinsius in der
zweiten hälfte der buchstabenreihe viel reichhaltiger als in der
ersten, und deshalb stellt sich das Verhältnis zwischen Lexers
und Hildebrands ausführlichkeit erheblich anders als es nach den
eben mitgeteilten Seitenzahlen scheint: immerhin aber bleibt es
ein Verhältnis von 1 zu reichlich 4. das hat man einfach, wie
auch schon in diesen blättern ausgesprochen ist, als tatsache
hinzunehmen, ohne den doch vergeblichen versuch guter auf
änderung dieses Verhältnisses abzielender ratschlage zu machen,
wir begnügen uns vielmehr, den bearbeitern des DWB.s gute
gesundheit und unverdrossenheit, dem Verleger aber viel geduld
und recht viele neue abnehmer des schönen Werkes zu wünschen,
welches ja nun so weit vorgerückt ist, dass, wer noch eine
mandel jähre zu leben hat, die Vollendung desselben wol sehen
kann, wenn ich trotzdem auf den folgenden blättern eine reihe
von kleinen nachtragen zu Lexers jüngstem hefte bringe, so tue
ich dies einmal dem bei bücheranzeigen hergebrachten brauche
zu liebe, dann aber auch, weil ich solche erinnerungen nicht
für völlig überflüssig halte, hiermit trete ich in Widerspruch
zu MHeynes im vorwort zum 6 bände des DWB.s ausgedrückter
Verwerfung solcher nachtrage, der bearbeiter des wb.s allerdings
kann nach dem drucke eines heftcs etwa ausgelassene und ihm
nachträglich mitgeteilte belege nicht mehr einfügen , aber dies
misgeschick teilt er mit dem herausgeber jedes anderen Werkes,
von dem in absehbarer zeit keine zweite aufläge zu erwarten steht,
soll darum bei solchen werken keine lücke, kein versehen nam-
haft gemacht werden? es wird doch genügen, wenn die aus-
stellungen in sachlicher weise, ohne überhebung und in an-
DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII 11 11
släüdigem tone erfolgen, ferner geben dieselben mehrfach einen
hinweis auf diese oder jene bisher übersehene oder nicht genügend
ausgenutzte quelle, die dann wenigstens in den folgenden heften
verwertet werden kann, es gibt endlich auch benutzer des DWB.s,
welche solche nachtrage recht genau lesen und, wie mich manche
Zuschrift lehrt, selbst winzige mitteilungen mit teilnehmender auf-
merksamkeit weiter verfolgen, wünschenswerter wäre es ja, wenn
die einzelnen stillen sammler sich unmittelbar für das DWß nütz-
lich machen könnten; aber man weifs ja nicht im voraus, ob
man mit seineu funden den bearbeitern des grofsen Werkes im
einzelnen falle noch etwas neues zu bieten hat. sobald ein heft
des DWB.s erscheint, pflege ich meine Sammlungen vergleichend
zu mustern, und das gewöhnliche ergebnis ist, dass der bei weitem
gröste teil des von mir zusammengelesenen sich mit denselben
belegen im DWB sauber und übersichtlich geordnet findet, dass
hingegen (äufserst selten allerdings bei Hildebraud) einiges über-
gangen oder übersehen ist, dessen aufnähme ich mit Sicherheit
vorausgesetzt hatte, unter solchen umständen wird die nun
folgende Zusammenstellung kleiner bemerkungen nicht unbe-
rechtigt erscheinen, und von Lexer insbesondere weifs ich, dass
er in denselben nicht müfsige krittelei, sondern aufmerksame
nachprüfung seiner vortrefflichen arbeit sieht, dass die be-
merkungen ganz überwiegend auf Zusammensetzungen und ab-
leitungen hinweisen, wird man natürlich finden, es ist ja kaum
denkbar, dass, nachdem seit mehr als 300 jähren deutsche Wörter-
bücher und seit dem beginne der althochdeutschen spräche deutsche
Wortsammlungen vorliegen, noch ein Stammwort fehlen sollte;
ja auch die Übergebung einer besonderen nicht eben häufigen
und vielleicht landschaftlich beschränkten bedeutung eines auf-
genommenen Wortes ist bei der sorgfälligen Vorbereitung des
grofs angelegten werkes eine Seltenheit, verständige werden mir
zutrauen, dass ich in dieser beziehung kenne und beherzige, was
JFrisch im vorbericht zu seinem Wörterbuch bl. 3'' und JGrimm
in der vorrede zum 1 bde des DWB.s sp. xxiv bei der erwähnung
Campes über die unzeitige anschwellung des Wörterbuches durch
viele zusammengeraffte und nichts neues lehrende Zusammen-
setzungen und ableitungen gesagt haben, fallen denn nun meine
nachtrage nicht unter denselben tadel? nicht ganz, wie mir
scheint, ich habe mich angesichts vieler von Lexer tatsächlich
gegebenen belege gefragt, ob der verf. nicht dafür andere auf-
genommen haben würde, wenn sie ihm zur band oder im ge-
dächtnis gewesen wären; in dieser hinsieht aber finde ich, dass
Lexer einiges übergangen hat, was man wol gern verzeichnet
sähe, und dass mancher beleg nicht wegen seiner vortrefflichkeit
gesetzt ist, sondern weil eben kein besserer zur Verfügung stand,
diese letztere entschuldigung muss ich auch für manche meiner
belege geltend machen, keiner besonderen entschuldigung wird
12 DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII 11
es bedürfen , dass sich vei hälmismäfsig viele bemerkungen auf
fremdwörter bezieheu. ich folge dariu nur den grundsätzen der
jetzigen bearbeiter des DWB.s, die abweichend von JGrimm mehr
und mehr auch solche fremdwörter beachten, welche ohne be-
rechtigung sich einzunisten versucht haben, eine feste gränze
hierin zu ziehen, wird nicht gut möglich sein.
Zu p lätzchen vermisst man neben farbloseren beispielen
die bekannte stelle aus Göthes hochzeillied:
so rennet nun alles in vollem galopp
und kürt sich im saale sein plätzchen,
vollends anstatt des wenig bezeichnenden beispiels aus Geibel
würde aus demselben dichter etwa folgendes einzusetzen sein:
tce7ins irgend auf dem erdenrund
ein unentiveihtes plätzchen gieht,
so ists ein junges menschenherz,
das fromm zum ersten male liebt. Ged. 64277.
platzeifernde kampfhähne nennt FLJahn 2, 535 (hg. von
KEuler = Merke zum deutschen Volkstum 78) die um den Vor-
rang bei der abstimmung heftig streitenden abgesandten auf dem
Regensburger reichstage. für sie gab es also nach heutigem
deutsch eine wichtige platz frage; dies letztere wort hätte bei
seiner heut zu tage häufigen Verwendung wol aufnähme verdient,
womit übrigens dem überflüssigen gebrauch desselben und anderen
vielfach grofsspurig auftretenden Zusammensetzungen mit -frage
nicht das wort geredet werden soll, platz wart für komman-
dant gebraucht Jahn 1, 515 (= Denknisse 208 und 209). Müller
im Verteutschungswörterbuch der kriegssprache (1814) hat das
wort nicht, dafür aber platzhauptman n in gleichem sinne
und platzoberst für gouverneur. — plan der in. sollte
die verkürzte wortform besonders belegt werden, so könnte man
über Stieler hinaufgehen zu Rebhuns Susanna 3, 3, 25: du plau-
derin, loas darfstu fragn? plaudersp räche gebraucht Scherer
Gesch. d. d. litt. M02 mit beziehung auf Geliert: sein leichter ge-
wandter Vortrag scheint nur die ylaudersf räche des täglichen
lehens zu idealisieren. plauderstübchen und Plauder-
stündchen sollten nicht fehlen; weniger vermisst man die
entsprechenden ebenfalls übergangenen unverkleinerten formen,
plaudertasche kommt, wie Lexers hinweis auf den sp. mhd.
namen Plodertasch zeigt, lange vor Stieler vor; die form
plautertasche bietet Harsdörffer Frauenzimmergespr. 5,260
(1645). plauderweib bei Günther 463:
du sammlest, hörst und liebst die mährchen aus der Stadt,
weil jedes plauderweib erlaubten zutritt hat.
plauderkunst wird nur aus Jean Paul belegt, doch vgl.
Rachel 50 (in der ausgäbe von 1743), wo das wort im sinne
von Zanksucht steht:
DELTSCHES WÖRTERBUCH VII 11 13
hat aber jemand gar der plauder-kunst geschworen
und ist wie von natnr zmn streiten nur geboren.
— plauel als imumgelaulete nebenlorm von pleuel sehen wir
auch bei Schottehus 1376: planel, ein schlegel, damit man das
esterich ebenet. — plauschen wird nur aus wbb. belegt, wäh-
rend es doch neuerdings auch aufserhalb des bairisch-öslreichi-
schen Sprachgebiets nicht gerade selten vorkommt, besonders
aber in lebenserinnerungen von schauspielern und Sängern, die
ja im ausdruck gerne wienern. dem in den letzten beiden
Jahrzehnten zu beobachtenden vordringen des wortes entspricht
es, dass Sanders es in seinem gröfseren wb. (1863) übergeht,
aber im Verdeutschungswörterbuch (1883) verzeichnet. Jahn 1,444
(Denknisse 32) glaubt es noch erläutern zu müssen: der post-
meister würde geiois noch eine weile so fort geplauscht haben,
%Die die Öslreicher vertrauliches plaudern nennen. — plau-
sibel steht mehr als 100 jähre vor Aler in Londorps Acta publica
2, 134' (vor 1618): wird von vielen, sonderlich von den fried-
hessigen Jesuiten und ihren creaturen, als plausibel gelehret. —
p lau Stern. Lexer verweist mit recht auf das nd. plustern,
das besonders in der Zusammensetzung aufplustern (sich) vor-
kommt, der im DWB 1,700 für aufplaustern gegebene beleg
aus Tiecks novelien zeigt wol nur, dass der Berliner Tieck das
ihm geläufige plustern glaubte hochdeutscher machen zu müssen,
später, wo, insbesondere seit der anerkennung Groths und Reuters,
nd. formen weniger ängstlich gemieden werden, lesen wir bei
Geibel Spätherbstbl. 118:
und als sich der nun wie ein puterhahn
aufplustert. —
plebej kommt, wenn auch vereinzelt, neben plebejisch vor:
scherzhafte und plebej e formen lasse man nicht zur gewohnheit
werden. JNiemeyer Grunds, d. erziehung 3^, 121 (1819). dass die
Popularität des chtistentums oft zu plebej em geschmack aus-
artete. Herder Schulreden bd. 16, 169 der Hempelschen aus-
gäbe (1797). piebs für pöbel gebraucht nimmt regelmäfsig
von diesem letzteren worte das geschlecht an; vgl. Schwetschke
Venu. sehr. 2,69: der deutsche gefühlsplebs. — pleite gehen
und auch das jüngere pleite machen sollten verzeichnet sein,
seitdem wori und sache so häufig vorkommen. Weigands er-
kläruug 1^,553 ist gt'gen DWB 3, 1824 als richtig anzunehmen. —
plempe. man hat besonders die Verbindung blanke pl. dass
das wort auch in spöttischem sinne gebraucht wird, ist bekannt;
aber Vilmar, auf den sich Lexer hier bezieht, engt mit unrecht
die bedeutuug des worles auf diesen sinn ein. es ist eben ein
kraftwori, das in Wendungen wie mit der blanken pl. ein-
hauen, einem die blanke pl. zu kosten geben gar nicht spöttisch
gesetzt wird, unter den belegen vermisse ich die zeilen aus
ThFontanes frischem liede auf Seidlitz:
14 DEUTSCHES WÜRTEBBUCH VII 11
schwarz glänzen hut und krempe
im Sonnenschein zumal,
und gar die blanke plempe
blitzt selbst wie Sonnenstrahl. —
Plenarbeschluss, -sitzung, -Versammlung scheinen erst
im 19jh. üblich zu werden, wenigstens werden sie beiCarape(180l)
nicht erwähnt. — pli = schli ff, äufserlich feines und ge-
wandtes benehmen, ist gewöhnlich m., als n. steht es bei
Hermes Sophiens reise 4, 309 (1718): unsere ganze dorfschaft
hat ein ganz anderes pli gekrigt. übrigens hört man in Nord-
deutschland häufig mit unrichtiger ausspräche dafür plii. — pling
steht als lautmalendes wort zur bezeichnung des tones der beim
stimmen der geige gekneipten darmsaite: pling — tioing — twang
— prut — trut. 's ist ein altes brett von einer geige, wissen
Sie, ob meine geige stimmt oder nicht? trut — prut — prut.
Bodes übers, von Tristr. Schandy 5, 77. — pliete als nd. neben-
form zu plante wird vor Stieler von Scholtelius 1377 verzeichnet
(gladii genus apud Germanos). — p I i n z e (als gebäck) aus Räd-
lein belegt findet sich ebenfalls bei Schottelius 1377! — ploton,
zweisilbig nach der ausspräche des frz. peloton, sei hier nur
erwähnt, weil es gelegentlich auch mit deutscher mehrheitsendung
vorkommt:
und grenadiere, starke leute
die schweren beutel an der seile,
sah man mit zündstrick und mit heilen
längs den plo tonen sich verteilen. Annette von Droste-
Hülshoff Ges. Schriften 2, 172 (schlacht im Loener bruch). —
plotz als adv, finden wir auch in der wenduüg platz (=plotz)
unde Tisch bei Martin von Bolkenhain Scr. rer. Sil. 12, 10 zum
jähre 1430: sie brachen platz unde risch uff unde czogen do
von. das zeitwort plotzen wird auch vom stofsen, schlagen
und rütteln der zu mischenden Stoffe gebraucht im Neuen distil-
lierbuch210'' (1597): er schütte oder plo tze es wol durch einander.
entsprechend dem später behandelten plump(s) weise gibt es
auch ein plotzweise: bißweilen hebet er plotzweise oder
auff einen stutz an. Comenius Güld. spr. ih. s. 204 nr 752
(1639). — plumprian (aus Stieler) und plumpstolz (aus
Rädlein) finden sich beide schon bei Schottel 1377. — plumpen,
die Wendung in (den) sinn plumpen wird zweimal aus Fischart
belegt, findet sich aber schon im Tacitus des Micyllus 420'' (1535):
die Teutschen liefsen jnen nichts sagen, liefsen sich weder regieren
noch fi'iren, sondern lieffen hinan on vermin fft vnd thatten alle
ding alleyn wie es Jnen gefiel oder inn sinn p lumpt (cuncta ex
libidine agere Tac). aus Fischart und einem liederbuch des 18 jhs.
werden die volksmäfsigen reime angeführt:
es war ein mönch vom bäum (bauer in brunn) gefallen,
ich hab ihn hören plumpen.
DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII 11 15
aus meiner heimat und Jugend kenne ich in den versen weder
mönch noch bauer, sondern habe immer gehört:
't was en jud in't water falln
hebh en höan plumpen;
wer ik nich da tö gekäni,
wer he mi verdrimken.
die erste zeile war und ist noch heute ukerm. die allgemein ver-
standene bezeichnung einer bestimmten (sog. schottischen) tanz-
weise. — neben plumpisch gibt es auch ein mehr verhoch-
deutschtes p 1 u m p f i s c h : so treibet dich je der allerunhescheidenste
und plump fischte geist , so in der hölle mag sem Dungerfsheim
gegen Luther in der neuen Frankfurter Sammlung von Luthers
reformationshistor. Schriften 3, 347 (aus dem jähre 1 528). plump-
sen wird richtig als verstärkende form zu plumpen gefasst;
es gehört dem entsprechend mehr dem hausdeutsch an, vgl. Raabes
Horacker 90 : muss es denn stets gerade unsereiner sein, der alle
halbe stunde einmal in derlei verdriefslichkeiten hineinplump st? —
plunder. den umlaut in der mehrzahl hat auch Micyllus aao.
421"^ (1535): die gezält und die plünder und die rustwägen. zu
plu ndrig sei hier beiläufig der plundrige hund erwähnt als ge-
wöhnliche bezeichnung eines kurzen preufsischen trommelwirbels,
in dessen klang und tonfall der dichtende unteroffiziersgeist jene
schmeichelhafte anrede fand, es fehlt der plundermatz, obvvol
schon von Frisch 2, 64^ als verächtlicher ausdruck für plunder-
mann verzeichnet, das wort ist in der städtischen brandenburgi-
schen spräche (auch Berlins, so weit es dort noch Berliner gibt) üb-
licher als das gleichbedeutende 1 u m p e n m a l z. vgl. FLJahn 2, 602
(Merke 180): durch das erpichtsein auf fremde sprachen behelligen
wir die kinder mit so vieler lapperei, dass ihr wissen wie ein
plundermatz umherfährt, auf dem lande nennt man die
leule lumpenfahrer, was erwähnt sei, da dies wort im 6 bde
des DWB.s fehlt. — plunschig. den aus Sebaldus Nothanker
belegten ausdruck d ick pl ii nschi g halte Nicolai vielleicht aus
Zimmermanns Nationalstülz ^56 (1768): alle nationen von Europa
werden von einem mit dickplütit schigten pudding und starkem
biere wolgefilllten Engländer verachtet, vorher schon bietet Ludwig
im Engl. -teutsch- franz. lexicon 517^ (1706) unter plump und
plumpness: dickblünschig und dickblünschigkeit. —
pluralität, ein jetzt kaum gebrauchtes wort, scheint am ende
des 18 jhs. häufiger gewesen zu sein; vgl. aufser dem in Kehreins
Fremdwörterbuch angeführten belege aus Schillers briefwechsel
auch JGMüller Emmerich 7, 152 (1789): sollte eine pluralität
von 1999 gegen 1 durch ganz Deutschland nicht bei sinnen sein?
ferner Hippel Über die ehe 111 (Brockh. 1872): wäre es mög-
lich, dass die stimmen des gesitteten menschenalls gesammelt würden,
die pluralität würde sichtbarlich für die ehe sein, pluralistisch
bei Kant Anthropologie ^9: wie ist es zugegangen, dass die Wechsel-
16 DEUTSCHES WÖRTERBUCH YII 11
seitige anrede, welche in den alten classischen sprachen durch Du,
mithin iinitarisch ausgedruckt wurde, von verschiedenen , vornehm-
lich germanischen Völkern, pluralistisch durch Ihr bezeichnet
iDorden? — plus eh hat eine nebenform plufs bei Erasmus
Franciscus Ost- uud westind. lust- und Staats - garten 3, 1450''
(1668): die allesamt mit plufs oder gxdden stuck bekleidet waren. —
plusmach er uud plusmach er ei werden zwar verzeichnet,
doch fehlt die angäbe der bedeutung dieser früher häufig ge-
brauchten Wörter, dass sie in bestimmtem sinne die rücksichts-
losen vermehrer und die gleiche Vermehrung der einkünfte des
landesherren durch drückende abgaben bezeichnen, lehren die
bei Sanders beigebrachten beispiele. plusmäfsig kommt wol
nur vereinzelt vor, so in dem schlechten roman Veit Rosenstock
1, 162 (1776): sobald sie nun des herrn kommercienrathes plns-
mäfsiges ansehen und seine vollgestopften waden bemerkte, hatte
sie ihn in affection genommen. — pnaff als lautnachahmendes
wort öfters bei Kopisch:
der burgemeister ritt gar stolz,
pnaff! platzte da der sattel. .
puff! lag er unten wie ein holz,
paff! hatt' er eine dattel. Ges. werke 2, 264.
fährt der knecht hinaus mit schall,
ruft er [der hausgeist] pnaff! zum peitschenknall.
ebd. 267.
— pneumatisch fehlt, ist auch wol im DWB entbehrlich.
Kant gebraucht es im jähre 1766 mit einer gewissen Zurück-
haltung: ich bin mit meiner art wesen durch vermittelung körper-
licher gesetze in Verknüpfung ; ob ich aber auch sonst nach anderen
gesetzen, loelche ich pneumatisch nennen loill, ohne die ver-
mittelung der materie in Verbindung stehe oder jemals stehen werde,
kann ich auf keinerlei weise schliefsen. Träume eines geisters. 65
(Kehrbach); ebd. 17: man wird sich von dem dasein immaterieller
loesen überredet finden, deren besondei^e wirkungsgeselze pneuma-
tisch . . . genannt werden, auch Campe (1801) verdeutscht das
wort nur durch geistig, zur geisterlehre gehörig, pneu-
matik als geister lehre oder band- und lehrbuch der geister-
lehre steht 1703 in den anmerkungen zu der Gewissensrüge an
ChrThomasius s. 6: hr Thomasius redet hier offenba^-lich nur von
der Unzulänglichkeit der pneumaticken; ebd. 7: wer regulas
honae interpretationis versteht, wird leicht begreifen können, dass
der hr Thomasius die falschen glaub ensarticul aus den pneuma-
ticken meine, dass der teufel könne leiblich erscheinen, welter und
pacta machen, pneumatik und pneumatologie sind auch
bei Moerbeek (1787) 335'' nur geestkunde, desgl. pneu-
matologisch tot de geestkund e behoerend. vgl. Kant
aao. 43: auf diesen fufs kann die pneumatologie der menschen
ein lehrbegriff ihrer notwendigen Unwissenheit in absieht auf eine
DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII IL 17
vertmitete art icesen genannt icerden. ferner Kritik d. urteilskr. 443
(:= Kehrb. 360) : wie die theologie für %ins niemals theosophie, so
kann die rationale psychologie niemals pneumatologie werden;
vgl. ebd. 469 (= Kehrb. 383). pneumatism us steht Kr. d.
reinen vern. 379 (= Kehrb. 320) als gegensatz zu materialis-
mus. pueumatist gebraucht Schmid Wörlerb. zum leichteren
gebrauch der Kantischen schritten 152 (1798). in unserer zeit
sind diese ausdrücke kaum noch üblich, und pneumatisch
dient uns als bezeichnung von geraten, deren herstellung und
Verwendung auf der benulzung der zusammengedrückten Infi be-
ruht. — pnüsel und pnüselicht seien hier als md. und nd.
nebenformen zu pfnüsel erwähnt, da sie sp. 1786 unter pfnüsel
fehlen; vgl. Veneroni-Castelli 3, 127" (1714): pnüsel le rhu-
niatisme, il catarro, pnüselicht qui a une pesanteur
de töte, catarroso; pnüsel catarrus hat auch Schottelius
1377. — pöbel. auch die form püfel war zu erwähnen aus
Nicias vWyle 320, 321 uü. unter den belegen wird die zum ge-
flügelten Worte gewordene wendung süfser pöbel vermisst:
platz l Junker Yoland kommt, platz! süfser pöhel, platz!
Goethe 12, 129 (Hempel).
auch der vornehme pö bei sollte nicht fehlen; belege hüten Liscow
484 (1736), Eberhard Handbuch der ästhetik 3, 1G9 (1800) und
Schiller in der bekannten vorrede zu den Räubern: der pöbel,
worunter ich keineswegs die gassenkehrer allein will verstanden
wissen, der pöbel icurzelt (unter uns gesagt) weit um und giebt zum
nnglück den ton an. vgl. auch Bohlau Poet. Jugendfrüchte 410
(aus einem gedieht vom jähre 1732):
der pöbel fähret oft mit sechsen in carossen.
• diese gedanken finden sich von den verschiedensten Schriftstellern
aufs manigfaltigste und oft in überraschenden Wendungen aus-
gedrückt; doch da Lexer in der mitteiluug solcher stellen offenbar
fntsagung geübt hat, so will ich seinem beispiele folgen und in
dieser beziehuug nur die von HLeo im monatsbericht zu bd. 13
des Volksblatles für Stadt und land (sp. 1656 vom 27 dec. 1856)
gegebene begriffsbestimmung von pöbel anführen: pöbel nennen
wir alles, was kein inneres maß hält, mag es in Scharlach ein-
hergehen oder in lumpen, unter den Zusammensetzungen, deren
zweiter teil pöbel ist und die an anderen stellen des DVVB.s
zu suchen wären, mögen einige, eben weil sie an jenen stellen
fehlen, hier angeführt werden, bildungspöbel Lassalle Herr
Julian 79 (ausg. Lpz. 1872): an Ihren werken wahrscheinlich hat
sich Heinrich Leo den ausdruck bildungspöbel erfunden, den
Urheber des ausdrucks gibt Lassalle wol richtig an, die weitere
Unterstellung ist boshafter scherz; denn Leo redet aao. sp. 978
<2 aug. 1856) vom bildungspöbel mit beziehung auf solche
Spanier, die in der napoleonischen zeit entweder englisches oder
französisches wesen an die stelle spanischer Verhältnisse zu bringen
A. F. ü. A. XV. 2
18 DEUTSCHES WÖRTERBUCH VH 11
bemülil waren: weder echte Spanier noch echte EnxjUinder noch
echte Franzosen, sondern ein charakterloses bildungsgesindel wie
die modernen bildungsjuden. . . . seitdem hat sich dieser bil-
dnngspobel in Spanien gemehrt, und ebd. sp. OSO mit be-
ziehuBg auf deutscbe verhältuisse: in den unteren schichten haben
sich katholische und lutherische bestimmtheit noch so lange erhalten,
dass der bildungspöbelbrei nur langsam hat zur geistigen
herrschaft gelangen können, auf derselbea seile kirchenpübel:
gro/se gesellschaften . . . machen es sich zum geschäfte, bloß auf
negativer grundlage des gegensatzes gegen die römische kirche allen
möglichen kirchenpöbel in christlicher brüderlichkeit zu einem
grofsen religiösen bildungsdrecke zusammenzurühren. kunst-
pöbel Riehl Kulturst. 376 (1862): eine gefeierte echt moderne
Sängerin . . . sang die scene mit einer solchen gewaltthat des ent-
fesselten pathos, dass der ganze kunstpöbel ihren gefühlssturm
durch seinen beifallssturm noch überstürmte (künstle rpobel
briugt Sanders aus Forsters Briefen über Italien), lesepöbel
bei Jabn 2,731 (Briefe an auswanderer 1833): der grofse holz-
dichter [FW Guh'ilz, früher holzschneider] in der hauptstadt seines
Staates vom lesepöbel angestaunt {lese rpöhel bei Sanders aus
Wielands übers, des Luciau). nachbeterpöbel der kunstrichter
Jahn 2, 628 (Merke 219). pöbelei, aus HPSturz belegt, findet
sich schon bei Büblau aao. 410 (aus dem jähre 1732):
die, da der himmel sie zur grofsmut angewöhnt,
dergleichen pöbelei mit billigkeit verhöhnt.
übergangen sind pöbe Ige sieht (Seume 4, 198 ausg. v. 1853
bei Harlknochj, pübelslallen (Schottelius 987 :
was nimt mir das pöbelslallen
und des neiders misgefallen?);
pöbelluin scheint von dem erfinder des Volkstums gebildet,
vgl. Jahn 2, 813 (Leuwagen 49): ohnehin erwächst jetzt in den
haupt- und grofsstädten eine nebenbevölkerung zuchtlosen gesindels,
was mit einer noch furchtbareren nachzucht droht , seitdem bilder-
läden und bühnen sich wetteifernd abmühen, einen pöbelgemein-
sinn, einen pöbelgeist, ja ein absonderliches pöbeltum zu
erschaffen, pöbelherschaft wird aus Hoffmeisters Weltan-
schauung des Tacitus (1831) und aus Pialeu beigebracht; Campe
(1807) führt das wort als ein neues ein und belegt es aus Ewald
(Jördens 1, 489 ff) und seinen eigenen Schriften, da er es 1794
und 1801 als Übersetzung von Ochlokratie gegeben hat. das
wort wird wol nicht so ganz neu sein, da Lexer für das nahe-
liegende pofelsherschung schon auf Stieler verweisen kann. —
podagraisch (HSachs) findet sich auch bei Albertiuus, Guevara
Güld. sendschr. 1,98'' (1598). neben podagränisch auchpo-
dagränig bei Dasyp. 187' und 395^ ebd. 395"^ das poda-
gran, — podex schon vor Günther in Neukirchs Sammlung
2,264 (1697): wann der podex wird erkalten, eine bei Grim-
DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII 11 19
melshausen mehrfach mit dem noch unfeinereQ gleichbed. worle
auftretende wendung bietet im jähre 1700 Zeidler Sieben böse
geister, so die küster regieren s. 44 (ausg. v. Israel): das morgen-
läuten kömmt den schulmeistern am allerverdriefslichsteti an, sonder-
lich des montages, wenn sie am sonntag abend haben einen dichten
rausch gehabt und den faulen podex nicht wohl aus dem bette heben
können, eine andere volkstümliche wendung bietet Edelmann
Lebensbeschr. 264 bei der Schilderung des in andacht und an-
spräche hin- und herruckenden wetterauischen Schwärmers Rock:
der heilige podex hatte von glück zu sagen, dass er nicht von
glase war; sonst würde es gewis scherbel gegeben haben. — poesie-
ibedürfnis. WvUumboldt, der in naiv egoistischem poesie-
hedürfnis Rom am liebsten ganz und gar mittelalterlich un-
berührt gesehen hätte. Grenzboten 1888 2quart. 343 (vom 10 mai).
poesieberauscht steht widerbolt bei Iletlner Gesch. d. litt. d.
18 jhs. 3, 3, 2, 417: echte jünger der stürm- ujid drangperiode,
poesieberauscht in krankhafter phantastik schwelgend; ebd. 436 :
diese poesieberauschten Jünglinge, zu poesielos gehört
auch Poesielosigkeit; siehe VVieubarg Zur neuesten litt. 4
(Mannheim 1835) : man kann die Poesielosigkeit eines Wil-
helm Meister, der Wahlvericandtschaflen usw. ebenso thatsächlich
nennen als die poesielosigke it Jener sozialen zustände, denen diese
dichtungen entkeimten, poesie reich fehlt ; siehe Riehl Kulturst.
41 (1862): der uralte poesiereiche volksaberglaube. poesie-
voll wird ohne beleg verzeichnet; ein solcher steht bei Herder
16, 249 Suph.: die poesievollsten nationen. poete wird
im wesentl. richtig als älterneuhochd. bezeichnet; doch hat die
form mehrfach bei Goethe neben dem alterlümlichen etwas ge-
mütlich volksmäfsiges (vgl. bei demselben prophete, fan-
tasle uä.), wie im Divau:
sag poete, sag prophete,
was bedeutet dieser trau7n'?
vgl. auch Ungl. hausgenossen 1,1 (9, 245 Hempel) : der baronesse
günstling ist ein poete; an dieser stelle freilich haben (siehe die
anm. seile 320) die anderen ausgaben poet. wenn poetchen
und poetlein aufnähme fanden, so konnte auch des poe-
tasterchens gedacht werden, das ich in meinen Dem. und erg.
zu Weigand 5,16 (1882) aus GNeumark nachgewiesen habe, von
übergangenen Zusammensetzungen seien genannt poetengang
bei Menantes Allern. art 3(1707): andere können nicht eine zeile
ausbrüten, wenn sie nicht in einsamer gelassenheit sind oder sich
an einem lustigen orte eines gartens oder aue befinden, daher
man auch einen anmuhtigen spatzierweg einen poeten-gang zu
nennen pfleget, in derselben bedeutung steht noch häufiger
poetensteig; vgl. Kehrberg Chronol. abriss der Stadt Königs-
berg i. d. Neumark -11 (1724): bey der Stadt neben dem äufsersten
icalle und poeten-steige, welcher a. 1719 auf beiden seilen mit
2*
20 DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII 11
loetden besetzet ward, wo zur frühlings- und Sommerzeit, zu-
mahlen wegen der nachtigallen und anderer gesangvögel . . . ein an-
genehmer spatziergang. dieser Köüigsberger poetensteig hat
übrigens nocli heute seinen alten naraen. etwas zu eng wird
der begrifl' des Wortes von Fontane Wanderungen 4,9 begränzt:
jeder kennt die langgestreckten laubgänge, die sich unter dem
namen der poetensteige in allen alt französischen parkanlagen
vorfinden, poetengaul steht Günther 1110 in demselben sinne
wie das ebenfalls aus Günther belegte poetenpferd. ebd. 1123
t i c h te rga u 1 : da muss mein lichter gaul bisweilen kraftlos schäumen.
poetengedicht (= erfindung von dichte rn) : in fabeln und
poetengedichten Burkh. Waklis 4, 57, 4 = bd. 2, 291 Tittm.
poetenkasten wird im 17 jh. und in der 1 hälfte des 18 mehr-
lach gebraucht, um den Vorrat an dichterischem Stoffe zu be-
zeichnen, zb. Zesen Helik. hechel 101: ich bitte ihn mich zu be-
richten, welche schwanen- und rabenfeder ihm solche stünkende
lügen in seinen ungehobelten p o et enk asten gewehet. Hunold
liebt den ausdruck und gebraucht ihn in der Allern. art s. 508.
510. 532. 555 (1707); desgl. Günther, zb. 1106: ich zog sogleich
meinen poetenkasten aus dem winkd, worinnen er seit denen
academischen Jahren gelegen; vgl. auch Neukirchs Sammlung 3, 318:
0 schleufs bei Zeiten zu den kunstgefüllten kästen.
gleichbedeutend mit poetenkasten steht poetenfass in Gün-
thers Lebensbeschr. 36 (1732):
doch eh ich gänzlich zieh und Pleifs-Athen verlasse,
so fliefst mir noch was zu aus dem poeten- fasse.
ebenso poetenschrank ebd. 48:
weil mich nun ort und zeit so sonderbar erquickte
und den poetenschrank zur rechten stelle rückte,
so wollte geist und sinn nicht faul und müfsig sein.
poetenkrahm Günther 1156:
die verse gehn zwar etwas lahm,
mit hinken kommt man auch zu rechte;
wer weifs, ob manch poetenkram
auch so ein redlich herz wie hier mein stümpern brächte.
poetenorde n :
ich schleiche wie ein dachs aus dem poetenorden. B. N. in
den Auserles. ged. Hoffmannswaldaus 6, 102 (1700).
poetensattel:
steig in den poetensattel, reit den Pegasum scharf an,
dass kein schulpferd deinem pferde in dem drabe folgen kann.
Stoppe Ged. 1,22 (1728).
poeten wagen:
so dass, ob unsre quasi-stadt
gleich manchen starken Vorspann hat,
doch keiner den poetenwagen
nur eine spanne fortgetragen. Poesie der Franken 1,241 (1730).
DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII 11 21
poetenwerk: es ist poetenwerk, mit fremden namen spielen
und also mit gelimpf auf wahre laster zielen.
Rachel 92 (ausg. von I743j.
poetenzunft: verwirft Demokritus die regeln der Vernunft,
utid lobt er nur den geist an der poetenzunft.
Gottsched Krit. dichtk. 246.
vgl. auch Fabarius im vorbericht zu Böhlaus Poet, jugeodfrüchten
(1740): oh sich die hochadeliche Böhlauische muse mit getroster
Zuversicht zu der menge anderer geschickter musen gegenwärtiger
poetenfruchtbarer zeit gesellen dörfte. poetik wird erst aus
Klopstock belegt, findet sich jedoch schon bei Schuppius 914
(Teutscher lehrmeister): rumpelt oft wider die grammatic und
poetic; später bei Gottsched Krit. dichtk. 219 : man sehe Scaligers
poetik nach, neben poetisieren auch poeticieren zb.
VVackernagel Kirchenl. 1, 871" (1604). — pol, in übertr. bed.
erst seit der 2 liälfle des 18jhs. belegt, steht 1728 in Stoppes
Gedichten 1,41:
icenn ich mich mit sorgen kränke,
bist d%i meiner fr ende pol.
polar-, wenn zahlreiche Zusammensetzungen mit polar- ge-
geben werden, so müge auch auf polar mensch hingewiesen
werden: von der hitze, die mohren sengt, bis zum frost, der polar-
men sehen einschrumpft. FLJahn 1, 235 = Volkst. 182. Jean
Paul im Siebenkäs 2, 6 (Hempel s. 169) sagt dafür der polar-
1 an der. polarschiff hat Fontane Wanderungen 4,76 (Spree-
land), neben polarisation konnte auch polarisierung
platz finden, das schon Novalis 2, 237 in übertr. bed. gebraucht:
aus der polarisierung der stände müsste am ende eine grofse
weit entstehen, so wie ein pöbel. — zu polack wäre zu bemerken,
dass das wort im munde des seiner bildung (gleichviel mit welchem
rechte) sich bewusten Deutschen zur bezeichuung des ungebildeten
und rohen gebraucht wird. vgl. Gottsched Krit. dichtk. 2290:
wer wider die natur unserer mundart alle regeln der sprachkunst
aus den äugen setzt, der verdient ein Pohl oder Wende genannt
zu icerden, der nicht einmal deutsch kann, geschweige, dass er ein
poet zu heifsen verdienen sollte, polackei wird nur durch eine
bekannte stelle aus Heine belegt; vgl. jedoch die aus dem j. 1781
stammende vorrede zur 2 aufl. von JGMüUers Siegfr. vLinden-
berg: in Polen (obgleich der böse scrihent dieses land ärgerlicher
weise die polackei nennet). Müller hat demnach das wort schon
in der 1 aufl. (1779) gebraucht, besonders häufig ist die Zu-
sammensetzung wasser polakei zur bezeichnung der polnisch
redenden landschaft im regierungsbezirk Oppeln. — zu pol der
in der 1 bed. (eingedeichtes land) füge man poldertorf aus
Schwerz Prakt. ackerb. 31,81 : die asche, welche aus dem polder-
oder mineraltorfe hervorgeht, ist als dungmittel durchaus un-
tauglich, polder kommt mittelmärkisch im sinne von kamin
22 DEITSCHES WÖRTERBUCH VII 11
widerholt vor bei FZiegler Ges. nov. und briefe, zb. 1, 324
(Landwehrmaon Krille): während der kiehn ganz ausgegangen ist
und man dahin gelangen wird , statt seiner im i^older das theiire
Öl in der lampe zu brennen; ebd. 2, 19 (Nach 1815): auch ist der
ßlte Lncke schon auf, er steht bereits am polder, auf dessen
feuer ich mich freue; ebd. 2, 28: Lücke stand jetzt lauernd und
in gebückter Stellung, loährend Abraham sich am kamin oder
vielmehr polder loärmte. hier wird zwischeu polder und
kamin noch ein unterschied gemacht, aber sogleich ebd. 29 heifst
es: Abraham verliefs den kamin und wider 33: als der wirt
abgetreten war, las er noch einige briefe und übergab sie sodann
der flamme im polder. — poleu(n)isch , polinisch und
polonisch sind mhd. und älternbd. uebenformen für pol-
nisch, natürlich am häufigsten in ostdeutschen quellen, vgl.
Cod. dipl. Sil. 10, 238 (1393): eilf marg Pregischir groschen
polennischer czal; ebd. 66: polinischer zale; 61 (1351),
70 (1385), 38 (1416): polonischer czal; 65: polenscher
czal. das heute übliche polnisch ebd. 48 (1429) und 49
(1433). polichen steht wie das aufgenommene pölichen zur
bezeichuung einer kleinen cig. polnischen münze schon im 16 jh.,
zb. Cod. dipl. Sil. 12, 33 (1528). für polack als polnisches
kleid verweist Lexer auf Frisch, der 2,65' nach dem vorgange
von Erasmus Alher in p olle rock (veslis ad pedes usque pro-
missa) das lauge kinderkleid sieht, das an die tracht der gewöhn-
lichen Polen erinnerte, mir ist das wort in der form pölrock
(oder pohlrock) aus meiner Jugend und heimat sehr geläufig,
es begegnet mehrfach in nd. gegend, zb. JGMüller Waldheime
1, 17: Junker Walther war gerade um die zeit aus dem pohl-
rocke in die ersten hosen geschlüpft; derselbe Emmerich 8, 397
(1789): ein kleines bübchen im pohlrocke hatte einlöwenhündchen
vor einen rollwagen gespannt; derselbe Herr Thomas 1,243 (1790) :
innerhalb eilf jähren sah er ein feines häuflein von 9 munteren
kindern um sich her krabbeln, die ihm an haschen und schuhen
und pohlröcken und anderen unaufhörlichen bedürfnissen
einen unermesslichen aufioand verursachten, deutlicher noch ist
FWASchmidt Gedichte 13 (1796):
beim backofen des bauern, geschwärzt am dampfenden rauchloch,
spielten fröhliche kinder im sand' am rücken den pohlrock
zugeknöpft.
hierzu gibt Schmidt s. 17 die erklärung: pohlrock ein nach
polnischer art bis auf die füfse gerade herangehender leibrock, ein
neglige für kinder. FLJahu 2, 2, 568 (= Merke 130): die windeln
des Säuglings und den pohlrock der kinderzeit. Sanders, der
diesen beleg für das wort hat, leitet es von pohl ab, welches
entsprechend dem franz. poil in besonderer anvvendung bei den
sammtwebern das haar des sammtes bedeutet s. Adelung 3,1112.
diese herleitung des polrocks lasse ich dahingestellt; aber
DEUTSCHES WÖRTERBUCH VIl U 23
ganz unrichtig ist es, wenn Euler bei Jahn aao. den pol rock
erklärt als einen rock von haaren, aus tuchstreifen geflochten, ich
habe den polrock selber getragen und damals au manchem
anderen kleinen jungen gesehen, aber aus tuchstreifen geflochten
war er nicht. — politik. an das miifsige schwatzen von politik
erinnert das beispiel aus Arnim ; besser aber stünde das lebendigere
und wenigstens für alte Berliner so anschauliche aus der Polit.
wochenstube von Prutz:
politik allein! so schnattern sie laut und fressen baisers hei
Stehely.
Politiker wird nicht recht in seiner höheren bedeutung
= Staatsmann belegt, vielleicht weil die belege zu wolfeil waren;
trotzdem sei verwiesen auf Geibel Spätherbstbl. 263 :
nicht wer staatstheorieen doziert — ein politik er ist nur,
wer im gegebenen fall richtig das mögliche schafft.
zu den bezeichnend neben einander gestellten auslassungen über
das politische lied wäre als ausdruck vermittelnder meinung
zu fügen Geibel Ged. und gedenkbl. ^259:
wo der politische ström sich ergiefst in den ström der ge-
schichte,
dort erst, tieferen betts, trägt er das schiff des gesangs. —
politur, aus dem Chemnitzer bergmäun. Wörterbuch v. 1743
[1 aufl. 1730] belegt, findet sich schon 1699 bei Leibnitz 2, 101
(Guhrauer) in iibertr. sinne: seine letzte politur erhalten; also
gewis im eig, sinne noch früher. — polizei hat auch die aller-
dings wol nur seltene nebenform politei Scr. rer. Sil. 4, 171
(1557): gutte politei vnd Ordnung im land. Zusammensetzungen
sind reichlich (mehr als 60) gegeben; um so eher hätte man in
der stattlichen zahl auch den polizeibe rieht, -hauptmann,
-oberst, -rat nebst -gebäude und -wache erwartet, abgesehen
vom polizeipräfecten, -Präsidenten und -secretär. auch
polizeispion und das aus der Wiener spräche nach Nord-
deutschland verpflanzte und bes. von den socialdemokraten häufig
im munde geführte Polizeispitzel konnten aufnähme finden;
am meisten aber vermisst man das gewöhnliche wort polizist,
mit dem man bekanntlich einen untergeordneten polizei-
beamten bezeichnet, das aber nach Wolff Berliner revolutions-
chronik 1, 30 in den märztageu des Jahres 1848 der damalige
Polizeipräsident von Minutoli von sich selber gebrauchte,
unter polizeiwidrig würde der hinweis am platze sein, dass
das wort häufig halb oder ganz scherzhaft gebraucht wird, zb.
polizeiwidriger gestank, er ist polizeiwidrig dumm udgl. —
polka. sobald in den vierziger jähren der polkatanz allgemein
in Deutschland verbreitet war, wurden alle möglichen Zusammen-
setzungen mit polka gebildet, die längst wider verdienter ver-
gessenheitanheimgefallen sind; wol am dauerhaftesten erwies sich
die polkajacke, jene eng anliegende frauenjacke mit kurzem
^i DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII 11
festem schofse, der hinten zahlreiche falten zeigte, endlich un-
üblich geworden, ist sie doch seit einer reihe von jähren wider
aufgetaucht und erfreut sich jetzt als polenjäckchen, bes.
bei den Schlittschuhläuferinnen , einer nicht unverdienten beliebt-
heit. weil ferner der polkatanz als besonderes vergnügen galt,
so bezeichnete man etwas anscheinend überflüssiges und nur
•zum vergnügen' vorhandenes durch die vorsetzung von polka.
in diesem sinne bekam auch der vierte major der infauterieregi-
menter (dienstlich rieht- oder richtungsmajor) in der
kaseruen- und Volkssprache den namen polkamajor. — poll
= spitze, insbesondere wipfelende der bäume (Schotlei
1327) konnte, wenn auch nd., aufgeführt werden, da das wort
seil Adelung in den hochdeutschen wbb. erscheint und gelegent-
lich von Norddeutschen auch in hochdeutscher rede gebraucht
wird zb. in der Zusammensetzung pollsauer = vvip feidürr
von FLJahn 2,824: hier nagt er als borkwurm in den poll-
sauern bäumen. — polnischer bock wird nur in der bed»
dudelsack verzeichnet; dass man aber unter dem ausdruck
auch eine bestimmte art schmerzhafter oder wenigstens unbehilflich
und wehrlos machender zusammenschnüruug der arme über den
knieen verstand, lehren Adelung und Campe; vgl. auch Jahn
1,584 (Volkstum 153): [ein volk] m^iss seine wehrarme frei haben
und sich nicht in den polnischen bock spannen lassen. —
po Ister ist heute wol überwiegend sächlich, polstern bed.
auch bequem machen bei Stoppe Parnass im Sattler 455
(1735): Christen haben viel beschwerden ;
denn es giebt hier auf der erden
kein gepolstert Christentum.
polstermach er steht auch im übertr, sinne = beschöniger
bei G Arnold Kirchen- und kelzerhistorien 2, 107^ (Schaffh. ausg.):
es wären in dieser bösen zeit solche placentiner und 'polster-
mach er, welche menschentage suchten und ohne, ja wohl wider
gottes wort die gewissen befriedigen wollten. — polterer (aus
Luther belegt) steht schon 1486 im Vocab. pred. k 4'': furiosns
ein dobender, ein rumorischer, zornlicher bollderer. zu polter-
abend wären auch hinzuzufügen die Weiterbildungen polter-
abend gedieht, -scherz, -spafs (Jahn 1,454) uä. polter-
abend machen ist im hausdeutsch auch so viel wie geschirr
(aus glas, porzellan, Ihon) zerschlagen, polterkammer
im übertr. sinne (belege aus Goethes später zeit) steht schon
1774 bei Bode Tristram Schandy 4, 58: in den polterkammern
der gelehrsamkeit. polte r werk = gepolte r. Gottsched Rrit.
dichtk. -307 führt aus Heraus beschreibung der Lappländer an:
der kutschen ewiges rollen
des haufens polt er werk, das im gedräng erschollen. —
dass Lexer darauf verzichtet hat, eine auswahl aus den vielen
gröstenteils entbehrlichen Zusammensetzungen mit poly- zu geben,
DEUTSCHES WÜRTERBUCH VII 11 25
ist nur anzuerkennen; einzig aufgeführt ist polyp, zu dem man
wider die Zusammensetzung polypenarm verzeichnet sehen
mochte, da sie schon im übertr. sinne uns aus Schiller geläufig
geworden ist:
seine handelsßotten streckt der Brüte
gierig wie polypeuarme ans.
vgl. auch Jean Paul Quintus Fixlein 130 (Hempel): alle polypen-
arme seiner seele zuckten schwimmend auf dem freudenmeer. —
die pomeranze wird wegen ihres feinen und zugleich streng
bitteren geschmackes von Weckherlin 2, 135 (Goedeke) sprich-
wörtlich genannt:
zu köstlich und zu rein und frisch
für euren tisch
und magen seind die trachten meiner Schriften;
den bauren taugt ein hafenkäs,
die pomeranzen seind zu räfs,
damit sie sich wol förchten zu vergiften.
Zusammensetzungen sind reichlich beigebracht, pomeranzen-
saft aber war nicht erst aus Kortums Jobsiade, sondern schon
aus Fries Spiegel der arznei lOS'' (1532) und aus vielen alten
arznei- und pQanzenbiichern zu belegen; so auch pomeranzen-
wasser nicht erst aus Zedlers lexikon , sondern ebenfalls aus
dem 16 jh., zb. aus Sebiz Vom feldbau 424 und 425 (1580).
erwähnt sei nebenher die landpomeranze (das von der sonne
verbrannte landmädcheu, überhaupt mädchen vom lande mit dem
nebenbegriff der derbheit und des mangels an städtischer gewandt-
heit und feinheit), weil das worl im 6 bände des DWB.s fehlt. —
pompen im sinne von prangen und prunken wird erst aus
Stieler (1691) und Erberg (1710) belegt, findet sich jedoch schon
1520 bei Luther Gute werke B iiij'': das ist die vrsach war umh
ich szo offt wider solcher werck pompen, pracht, menige geret
vnd sie furworffen hab. pompös statt des früheren pompös
steht schon bei GArnold aao. 1, 182'': pompöse eimceihung.
daneben kommt bei Londorp Acta publica 2, 690 (1619) ein
später wider verlorenes pomposisch vor: mit grofsen pom-
posischen solenniteten. pomposisch bei Schottel 1377 (1663).
ein beispiel für pompös vor 1650 wäre Philander vSittewald
7, 558 (Frankft. 1647): wollet mein leichnam nicht zwar pom-
pös, sondern ehrlich nach niönchsgebrauch begraben lassen. —
pontifex ist als ungeändertes lateinisches wort wol mit recht
übergangen, weil es, wenn auch in einem gedichte Schülers
(Deutsche treue) gebraucht, doch nicht in so weite kreise ge-
drungen ist wie der ebenfalls in classischer form auftretende
podex; pontificat aber hätte schon aufnähme verdient, desgl.
pontificalien, die beide in SFrancks Chronik der Teutschen
vorkommen, ersteres zb. 40' und 101^ das zweite ebd. 53'': man
sagt bapst Leo sei im in seinen pontificalien begegnet; daneben
26 DEUTSCHES WÖRTERBUCH VlI It
ponlificalen ebd. 142'': da der bapst in sein pontificalen
ob [dem] altar stund. — popelsie. Lexer verweist für das wort
aut Dielenbach; doch finden wir dasselbe noch gegen ende des
16 jhs. I)ei Sebiz aao. 70 (1580): wider den schlag oder die po-
pelsie auch sehr nutz, das man ein conserff von lavendelblumen
mit zucker brauche. — popo. die verhüllende form poppe
habe ich mehrfach auch aufserhalb Leipzigs, zb. in Berlin ge-
hört, hierbei muss ich allgemein bemerken , dass Lexer häufig
ausdrücke oder formen nach Albrechls verdienstlichem buche
über die Leipziger mundart als leipzigerisch bezeichnet, die in
weiten kreisen Mittel- oder Norddeutschlands üblich sind, noch
entschiedener aber muss ich das ausschliefslich preufsische ge-
präge sehr vieler als preufsisch angegebener Wendungen in Frisch-
biers Wörterbuch bestreiten , da mir dieselben auch aus der ukerm.
spräche geläufig sind, sodass man sie auch dem verbindenden
pommerschen lande wird zusprechen müssen, den popo selbst
anlangend möge daran erinnert werden, dass WGrimm DWB
2, 199 bobo aufstellt und über Campes und Heyses Schreibung
popo (er konnte ebenso gut Heinsius hinzufügen) tadelnd be-
merkt: niemand spricht so. WGrimm zeigt also, wie fremd ihm
trotz langem aufenthalt in Berlin die nord(ost)deutsche haus-
sprache war. zu dieser derberen haussprache gehört auch die
Wendung sich den popo (hintern) toörme» = untätig im zimmer
am warmen ofen weilen; ein beispiel in malerischer ausführlich-
keit gibt Bahrdt Lebensbeschr. 2,328 (1791): [die Graubündner]
arbeiten im sommer gerade nur so viel als sie brauchen um nicht
hungers zu sterben, und den winter über sizzet die werte familie
auf ihren grofsen breiten Öfen, welche aus einer steinernen platte
bestehen, wärmt sich den popo und erzählt sich von der geschieht e
der landtage und den abschlüssen, die da gemacht sind. — p o p u -
larisch (Goethe, Wieland, Bürger) findet sich schon 1619 bei
Londorp 2, 69 T: in ein ander form des populari sehen regi-
ments versetzet; ebd. 2, 688": dem popularischen regiment
zugewandt; vgl. auch Verh. und actenst. zur gesch. des grofsen
kurf. 9, 524 (1661): die popularischen stimmen zu sammeln.
eine Seite der begriffe populär und populari tat gibt FLJahn
1, 341 f (Volkstum 385) durch volksfasslich und volks-
fasslichkeit (heute gemein fasslich oder gemeinver-
ständlich): alle grofse wichtige weltbücher sind volksfasslich,
die biicher der hörsäle strotzen voll schulwitz. ebd.: die volks-
fasslichkeit will auch ihre muse haben und bedarf jetzt mehr
wie sonst einer sorgfältigen wissenschaftlichen Sichtung, popu-
larphilosoph Goethe 34, 97 Hempel (Zur naturvvissenschaft
im allg. 1820): da wir andern vorher uns von den popnlar-
philosophen und von einer andern art philosophen, der ich keinen
namen zu geben weifs, gar iinwürdig mussten behandeln lassen.
populärphilosophisch wird auch wol schon aus dem beginne
DEUTSCHES WÖRTERBUCH VI[ 11 27
des Jahrhunderts herrühren, ich habe es aber nur aus Lassalle
Herr JuHan 3 4.42.43.46 angemerkt, populär philosophie
(Hettner) schon bei Herder Kalligone 2, 107 (1800); doch deutet
das hinzugefügte sogenannt darauf, dass der ausdruck damals
noch wenig eingebürgert war. auch Goethe leitet 1813 in der
gedächtnisrede auf Wieland bd. 27, 60 (Hempel) das wort noch
ein und gibt eine erklärung desselben: damit wir uns bei unserm
gedrängten vortrage eines kurzen , aber allgemein verständlichen
xoortes bedienen, jene pojjularphilosophie, wodurch ein prak-
tisch geübter sinn zum urteil über den moralischen wert der dinge
so wie über ihren ästhetischen zum richter bestellt wird, popu-
larisieren (-ung) konnte aufgenommen werden. — porös
wird lediglich aus Goethes später zeit (1820) belegt, findet sich
jedoch schon 1727 als geläufiges wort bei Fleming Teutscher
Jäger 2, 299' : [esche] ist ein sehr zähes holtz, daher den wagnern
nicht unbrauchbar, hat grobe gahre, ist ungemein porös. — por-
tion ist nicht erst, wie mit Weigand behauptet wird, im 17jh.
entlehnt, sondern steht schon 1538 bei SFranck Chronik d.
T. 118': musst dem künig nit ein kleine portion seiner dörffer
in Beyern geben. — portnerin übertr. bei Fries Spiegel der
arznei 97'' (1532): will dir sagen von der schlundrören, welche
ein portnerin des magens ist. — porto. vor Hermes (1776)
war Sperander (1728) in betrachi zu ziehen, der 485' das wort
in der Zusammensetzung brief -porto schon als deutsch einge-
bürgert aufweist. — portrait steht 1703 in den anm. zur Ge-
wissensrüge an Thomasius s. 209: das ist kein raisonnabler
methodus disputandi, sondern das portrait eines offenbaren ca-
lumnianten. der pl. portraite vor Leasings Em. Gal. bei
Menautes Altern, art vorrede 7^* (1703). unter den compositionen
wäre noch porträtbild anzuführen aus Hegel Ästhetik 23, 519.
ein beispiel für das häufige wort por trätmalerei konnte
leicht vor Heine gefunden werden, zb. bei Goethe 32, 47 und
28, 170 Hempel. — porzellau minulich auch bei Stoppe
Neue fabeln 2, 221 (1741):
der teure por cell an, den man so kostbar schätzt,
der jedes Deutschen aug' ergötzt.
an die zerbrechlichkeil des porzellans erinnern manche Wendungen ;
vgl. Jahn 1, 442 (üenknisse 28): aber draufsen recht langsam ge-
fahren wie ein trauergeleit oder was man in Wien porzellan nennt.
auch in Berlin redet man in ähnlichem sinne von einer porzel-
lanfuhre. porzellanen (Voss, Goethe, Jean Paul) steht in
Wurffbains Reisebeschreibung 156 (1686): die porcellanene
geschirr. dass porzellanfabrik nicht erst aus H Heine be-
legt zu werden brauchte, war nach Lexers mitteilungen auf
sp. 2007 von vorne herein klar; die Berliner porzellanfabrik
wurde im jähre 1761 errichtet, und Stoppe Parnass im Sattler 496
lässt schon 1735 einen schlesischen bauern sagen: zu Drefsden
28 DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII II
Jiab ich in der porcellaiyifabric einen galanter iedegen von
porcellain mit indianischen figuren vor uns zu verfertigen beordert.
porzel lange wölbe in derselben bed. bei Geliert Lustspiele
(Betschwester) 193 (1747): ich will in das porcellangeioölbe
und einen anfsatz von gutem porcellan ausnehmen und ihn der
mama herschicken, zu porzellantisch wird ein belehrendes
beispiel aus GFreytags Bildern gegeben, in dem dieser die üblich-
keit des porzellantisches in der späteren zeit des ISjhs.
bezeugt, dazu wäre denn ein beispiel aus jener zeit selbst zu
lügen, etwa Hermes Sophie 5, 622 (1778): ein günstiger zufall
wollte, dass die magd im Vorzimmer den porcellaintisch um-
werfen musste, — posaunerei Jahn 1, 330 (Volkstum 366);
eine französische inschrift [auf einem denkmale Kleists] ist un-
schicklich, die lateinische verrät posaunerei der errichter. —
posen. die nd. aus Dähnert angeführte Wendung ist hochdeutsch
im brandenburgischen ganz gewöhnlich: in den posen sein oder
liegen, in die posen gehen oder scherzend: nach Posen ab-
marschieren.— zu Position in der heeressprache gehört posi-
tionsgeschütz im gegensalze zu feldgeschutz. — positiv als
eigenschaflwort erscheint zunächst im sinne von bestimmt
nicht ausreichend belegt, aufnähme verdiente der ausdruck po-
sitive kenntnisse, ferner Lessings berühmtes abschreckend und
positiv gegen den stümper aus dem 57 antiq, briefe. in der
theologie und in beziehung auf die glaubenslehre bezeichnet man
als positiv die richtung und auch die menschen, welche die
überlieferten glaubenssätze vollständig oder im wesentlichen als
ausgemacht annehmen, also bejahen; man spricht von posi-
tiver und natürlicher religion, von positivem und natür-
lichem recht, innerhalb der preufsischen kirchenunion unter-
scheiden sich anhänger einer sogenannten positiven union
gegenüber solchen, welche auf die bekenntnisse selbst weniger
wert legen, so bildete man wider das wort positivismus;
vgl. Hagenbach, Theologische encyclop. ^84 (1869): eine neue
gestaltung des supranaturalismus ist der wieder mit macht sich er-
hebende positivismus und confessionalismus. in schneidendem
gegensatze dazu steht der begriff, den man in der geschichte
der Philosophie seit Aug. Comte mit dem worte positivismus
verbindet, indem dasselbe eine Weltanschauung und lehre be-
zeichnet, welche unter Verwerfung von theologie und metaphysik
sich mit der erkenulnis der die erscheinungen regelnden gesetze
genügen lässt. auch diese lehre nennt sich positiv oder zur
Unterscheidung von ihrem gegenteil positivistisch, das haupt-
wort positiv (= stubenorgel) bildet in der mehrheit auch po-
sitiffen, zb. Faustbuchl38 (neudruck, anhang aus dem j. 1590):
lauten, positiffen, zwerchpfeiffen, zincken, posaunen usw. an
das positiv als orgel der dorfUirche erinnern des küsters be-
hagliche worte bei FWASchmidt Ged. 284 (1797):
DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII U 29
ich dien' ihm (dem bauein) mit gevatterbrief
und mit der schneidernadel,
und spiel ihm auch sein positiv
des sonntags ohne tadeh —
positur in der bed. fechlerstellu ng sollte nicht erst aus
dem Schelmufsky (1696) belegt werden, sondern lieber durch
die bekannte stelle aus dem Horribilicribrifax 78 (neudr.), auf
die schon im Anzeiger iv 181 hingewiesen wurde, die stelle
aus Gryphius empfiehlt sich um so mehr, als ihr wahrscheinliches,
wenn auch nur mittelbares vorbild bei Shakespeare uns in Schlegels
Übersetzung (so lag ich und so führte ich meine klinge) zum ge-
flügelten Worte geworden ist. in der verkürzten form postur
■wird das wort wol schon im 16 jh. vorkommen, doch kann ich
es erst 1624 in Zincgrefs Auserles. ged. 65 nachweisen:
ein jeder sei bedacht , wie er das lob erwerbe,
dass er in mannlicher postur und Stellung sterbe. —
p 0 s s e n h a f t i g muss aus possenhaftigkeit geschlossen
werden, wird aber nicht verzeichnet; es steht bei Zesen Ibrahim
1,358: possenhaftige schimpf- und Scherzgedichte, possen-
welt bei Hettner 3,3,2,435 (1870): wer je in glücklichen stunden
den blaubart und den gestiefelten kater gelesen, der möchte doch
wohl geneigt sein, sich dieser tollen phantastischen possenweit
herzlich zu freuen, possig (BAuerbach) wäre auch aus Musäus
Straufsfedern 1, 89 zu belegen: possige abenteuer. das wort
wird schon viel früher vorkommen, da das gleichbed. bossig
DV\B 2, 267 bereits aus Dasypodius nachgewiesen wird, pos-
sierig (übergangen) kommt, wenn auch wol selten, neben dem
bd. 2, 266 beigebrachten bossierig vor: mit possierigen
textlein gemehret Erasm. Widmann (1618) bei Pfudel Bibliotheca
Rudolfina 3, 104. freunde nachdenklicher sprüche vermissen
hier vielleicht den alten satz, dass
der äffe gar possierlich ist,
zumal wenyi er vom apfel frisst.
— possession ist nicht erst bei Luther, sondern schon 1478
bei Niclas von W'yle 292 zu finden. — post. häufig ist im
17 und 18 jh. die Wendung auf der post = in gröster Schnel-
ligkeit oder auch Übereilung, zb. Stoppe Ged. 1, 80
(1728): heilte frein tmd übermorgen
auf der post Verlobung machen
schlägt nicht selten übel ein:
bei der wähl so schwerer Sachen
will nichts übereiltes sein.
die Zusammensetzungen wären leicht zu häufen ohne ersicht-
lichen vorteil für das Wörterbuch; doch sei auf einiges hin-
gewiesen, für postdampfer wird nur auf den weltpostvertrag
vom j. 1878 hingewiesen, während es doch schon ein menschen-
alter früher postdampfer und zwar unter diesem namen gab.
30 DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII 11
posulorf bei Jahn 1, 447 (Denknisse): das waren die aus dem
postdorfe, wo die umspanne ist; ebd. 448: das postdorf,
das zum pferdeicechsel bestimmt icar. postfahr er (vgl. post-
reiter) wird von Jahn neben dem häufigeren postknecht ge-
braucht aao. 442 und 452. postgeleiter anstatt des ganz
ausländischen pos tconducteur ist mir nur aus Stifters Stu-
dien 3, 172 (ausg. V. 1870) bekannt: unter dem vordach des
Wagens safs neben dem postgeleiter ein Student, die deutsche
Postordnung sagt dafür, wie Lexer anführt, postbegleite r.
post halterei (Börne und spätere) steht schon bei Adelung,
posthorn. es werden gute belege gegeben zur bezeichnung
der durch das posthorn angeregten gefühle der freude und der
Wehmut, da aber inzwischen mit der postreise auch das post-
horn stark zurückgedrängt ist, so wäre zum ausdruck der ver-
änderten Verhältnisse jetzt hinzuzufügen:
Sehnsüchtig wuchs das herz, wenn seine weisen
das posthorn sang im nächtgen Waldrevier;
jetzt pfeift der dampf und lässt im stürm uns reisen.
Geibel Gedichte und gedenkbl. 693.
postkasten wird nur aus dem anfange des 17 jhs. (engl, ko-
mödianten) und im eigentlichen sinne (kästen zur beför-
derung von postgut) beigebracht; das wort ist aber noch
heute gewöhnlich als unwillige bezeichnung eines engen und un-
bequemen Postwagens, postkibitke Seume 3,74: das fuhr-
werk gilt zwar für eine postkibitke, ist aber blofs ein offener
sehr massiver backtrogähnlicher karren, telege genannt, fest auf
der achse liegend und hei jedem stofs durch alle sehnen dröhnend.
vgl. ebd. 58: der regen stürzte stürmend bis zum erstarren kalt
auf meine offene posttelege herab, postleute (postbe-
diente, heute in dienstlicher spräche postunterbeamte)
Jahn 1, 447: ich weifs, dass der herr im wagen ein richtiger mann
ist, der den postleuten gern etwas zuwendet, postnation
(vgl. nation im DWB) Seume 1, 216 (Spaziergang nach Syr.):
zu der postnation habe ich in ganz Deutschland nicht das beste
zutrauen in rücksicht der humanität und hößichkeit. von einem
postraube (dh. der beraubung einer post) liest man mehrfach
in Zeitungen, so im Reichsboten vom 26juli 1888. posträuber
bei Jean Paul jus de tablette hinter Quintus Fixlein (Hempel
3, 217): auch wollt' ich einen gehenkten posträuber in augen-
schein nehmen, weil ich einige moralen aus ihm für die meinigen
ziehen wollte, postreiser gebraucht Jahn 1, 412 (Neue ru-
nenbll. 22) nicht übel von demjenigen, welcher viel umherfährt
und wenig sieht: jener postreiser , der weit und breit umher-
gestuckert worden, hatte so unrecht nicht, auf die frage, dass er
doch sehr in der geographie bewandert sein müsse, zu antworten:
nein! da bin ich nie hineingekommen, sondern immer vorbei gereist.
postschäse (postchaise) verdiente aufnähme, nicht weil das
DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII 11 31
w'ort unentbehrlich oder auch nur schön wäre, sondern weil es
talsächhch lange üblich war, zum teil noch heute ist. post-
schäse JGiMüller Emmerich 5, 145 und 148; postchaise
Hermes Für luchter edler herk. 3, 248 und Heinsius 3, 932\
postSprache Jahn 1,446: kunstansdrücke der post spräche.
postStatt ebd. 451, offenbar zur Vermeidung des üblicheren,
aber fremd klingenden poststatiou. das gewöhnl. wort post-
tasche fehlt wol nur aus versehen; auch den neuigkeitskrämer
bezeichnet man wol als alte posttasche vgl. postträger,
postübel Jahn 1, 136: alle post übel vom strafsenkot bis zur
kotseele. — dass poslen in der bed. von aml, Stellung erst
im 18 jh. vorkomme, kann ich durch einen bestimmten nachweis
aus früherer zeit allerdings nicht widerlegen; doch meldet Adelung
3,1126, dass bei der röm. königswahl vom j. 1658 der kurbranden-
burgische gesandte die unzulässigkeit der in einem amilichen
Schriftstücke gebrauchten Wörter posten und rang behauptet
und deren änderung in stelle erreicht habe, woher aber Adelung
seine nachricht schöpfte, vermag ich nicht zu sagen, poslen
als zeitw. findet sich auch in der bed. von postieren = in
eine stelle bringen, anstellen bei Neukirch 2, 126 (1697):
itzt dünkt er sich viel zu sein und vor andern wol gepostet,
weil er das iimsonst genüfst, welches andern geld gekostet,
— postillenreiter und postillant werden allerdings von
Rädlein beide mit poslillante übersetzt, doch unterscheidet
dieser sehr deutlich den predicateiir qui pille les livres oü les
evangiles sont expliquez (predicateur pilleur) von dem faiseur des
livres OH usw. das wort postillenreiter (- reute r) wird
übrigens schon lange vor Rädlein, vielleicht schon im 16 jh. ge-
braucht sein. Weises von Lexer angeführter ausdruck postillen
reiten (1673) deutet wenigstens auf bekanntschaft mit dem
hauptwort. entstanden ist dies augenscheinlich aus einer scherzen-
den vermengung von postreiter, postillon und po stille,
da die postille mehrfach als bild einer eintönigen und geistlosen
predigt erscheint, so enthält auch pos tillenhaft und postil-
lenhaftig den gleichen tadel. vgl. Gewissensrüge an ChrTho-
masius s. 3 anmerkung (1703): der herr Thomasins hat nicht nur
in dem collegio die wunder Mosis contra atheos raisonnabel und
nicht so postillenhaftig wie ihr defendieret. ebd. s.61 postil-
lantisch und 63: das sind so postillen -streiche. — posto
soll erst im 18 jh. aufgenommen sein und wird in der wendung
posto fassen zuerst aus Rädlein (1711) belegt, vgl. darum
Leibnitz 1, 170 (1670): wenn er einmal am Rhein posto ge-
fasset, — potenz im allg. sinne (= macht, vermögen) wird aus
Leibnitz belegt, dürfte aber schon weit früher vorkommen, da
wenigstens die Zusammensetzung Pienipotenz mehrfach bei
Londorp Ada publica erscheint, zb. 1, 166': vermag ertheilter
plenipotentz vnd vollmacht (IQH) und ebd.48P (1619) sechs-
32 DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII II
mal. — pottasclie. die bei Campe verzeichneten Zusammen-
setzungen mit -sieder und -sie der ei wird man kaum ver-
missen; zu erwähnen aber ist, dass für das letztere wort auch
.pottascherei gebraucht wird, zb. Schwerz Prakt. ackerbau
^1, 78: m sichern gehirgsgegenden , wo der holzbestand die pott-
aschereien begünstiget, spielt der daraus hervorgehende ascher
(äscherich) eine wesentliche rolle; ebd. 79: auf wiesen hält die
Wirkung derasche der pottaschereien 10 — \2 jähre an. — prä in
den Wendungen das prä haben (lassen, erhalten) findet sich schon
vor Grimmeishausen um 1622 bei Londorp 2, 413'': dass der cal-
vinische geist niemand neben sich leiden könne und überall das
prae haben wolle. — p rachern, aus wbb. seitKilian, aus Schrift-
stellern erst seit Voss und Bürger belegt, wäre auch aus dem
j. 1660 beizubringen: wie pr acher tstu um einen kussl
Schwieger Geh. Venus neudr. 41. — p rächt, erwünscht wäre
ein hinweis darauf, dass das wort nicht selten für sich oder in
Zusammensetzungen (wie Prachtausgabe, prachtexemplar
in übertr. sinne) mit spöttischer färbung auftritt, vgl. das fast
zum geflügelten worte gewordene original, fahr hin in deiner
pracht! Goethe 13, 68 (Hempel). prachtaufwand, ein schwer-
fälliges wort, wird von Campe im Verdeutschungswörterbuch zum
ersatz für iuxus vorgeschlagen und dann 1809 in das Allg.
Wörterbuch als angeblich eigene eründung aufgenommen, das
wort steht aber schon 1788 bei Hermes Manch hermäon 1, 30,
wo dieser Rousseaus entretien du luxe durch aufrechterhaltung des
pracht aufwände s übersetzt; ebd. 1,32: die auflagen seien nur
da, damit prachtaufwand sein könne, prachtausdruck :
die zahlreiche Masse ästhetischer prachtausdrücke, die jedem
gebildeten geläufig und keinem denkenden deutlich sind. JBernays
Aristoteles über die wUrkung der tragödie, einleitung. pracht-
stelle erwähne ich lediglich darum, weil das wort bei Goethe
11, 1, 138 Hempel (theaterprogramm zum Epimenides) vorkommt:
alles loas im hintergrunde steht, das tempelartige wohngebäude , die
hallen itnd sonstigen prachtstellen, stürzen ivirklich zusammen.
aus demselben gründe weise ich auf prachtmasse hin. siehe
Goethe 27, 261 (Hempel), wo er mit dem worte ein ihm zu grofs-
artig scheinendes für ihn in aussieht genommenes denkmal be-
zeichnet: als anmutige Verzierung einer idyllischen gartenscene
war' es dankbar anzuerkennen gewesen, aber als grofse architek-
tonische selbständige prachtmasse icar es wol geziemender, sie
bescheiden zu verbitten. als prachtstrom bezeichnet Jahn
1, 498 (Denknisse 167) den Rhein: marschall Vorwärts hatte mit
der nachjagd auf pechleinwandenen pramen den prachtstrom
überschritten, prachtvoll (1780 aus Stilling) zeigt sich schon
1759 auf dem titel eines damals zu Hamburg erschienenen hohn-
liedes auf Friedrich den grofsen: relation von dem grofsen und
pracht-vollen solennen siegesfeste , so zu Ludwigsburg im
DEUTSCHES WÜRTERBUCH villi 33
Wiirtemherger lande über den russischen sieg zu Frankfurt a. 0.
[Kunersdorf] gefeyret worden, siehe OHarrassowitz antiq. catalog
144 nr 1687 (188S). bei Adeluug steht das wort noch nicht,
bei Campe (1807) wird es mit einem O versehen als eins der
neugebildeten Wörter, welche teils von guten Schriftstellern bereits
angenommen, teils von achtungswürdigen Sprachforschern geprüft
und gebilligt worden sind. — practicierer im sinne von-
practicus wird aus Diefenbach, im sinne von ambitor aus
Aler (1727) belegt, diese letztere bedeutung gieng längst in die
von ranke Schmied über, vgl. Hedio Joseph, antiq. 11,6 bl. 203*
(ausg. von 1550): vmb des lasters willen so hanget dieser prac-
ticierer [der Judenfeind Haman] sanipt allen seinen verwandten
vor der porten dieser statt Susis am galgen. practikabel vor
Aler bei Leibnitz D. sehr. 2, 156(1700): dieses könnte dermaleins
neben andern guten anstallen practicabel werden; desgl. 1697
in GAruolds vorrede zu seinen Kirchen- und ketzerhistorien
§20: dieses und jenes aus der allerersten kirchen sei nicht mehr
practicabel oder den zeiten gemäfs. practikant (Fischart)
steht bei Fries Spiegel der arznei (1532) mehrfach, zu pratic
als nebenf. für practik wird auf Schmeller verwiesen; da aber
auch dort kein beispiel gegeben wird, so vgl. Poesie der Franken
1,208 (1730), wo pratic im sinne des heutigen praxis als
gegensalz zur theorie auftritt:
icann ich an reguln nichts vermisse,
ist doch die pratic umgekehrt. —
präge als weibl. hauptwort = ge präge ist nicht aufgeführt,
steht aber in der deutschen ausgäbe von Napoleons Geschichte
Julius Cäsars 2, 520 : die Untersuchung der münzen von gallischer
präge ist von nicht geringerer bedeutung. unklar ist das ge-
schlecht bei Görres Teutschland und die revol. ^20: der drei-
zehnte artikel [der bundesacte] , anfangs in ziemlicher Währung
ausgeprägt, dann täglich durch kipper- und wipperkünste beschnitten,
ausgeschabt und abgenagt , war endlich in seiner gegenwärtigen ge-
stalt ohne präge in den Umlauf eingetreten. das sächliche
präg, nur aus der Zimmerschen chronik belegt, findet sich auch
später 1714 bei Veneroni-Caslelli 3, 128^*: präg le coin de la
monnaye. prägezeichen fehlt, vgl. AStahr übers, von Aristo-
teles Politik 1, 3, 14 s. 16": denn das prägezeichen ward ge-
setzt als zeichen des werts (6 yäg xapo(><^»J? kxid^r] tot Ttoaov
or](A.üov). prägung im übertr. sinne wird durch eine wenig
bezeichnende stelle Rückerts belegt; ich würde vorziehen Scherer
Gesch. d. d. litt.^ 551: Goethe [in seiner späteren zeit] strebte nach
den typischen prägungen, die zwischen dem Individuum und
der gattung liegen. — pragmatisch soll im 17 jh. gebildet sein,
findet sich jedoch schon inStamlers übers. desSleidanus 6^ (1557):
vermog einer alten pragmatischen sanction. — prahl, das
A. F. D. A. XV. 3
34 DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII 11
nd. wort wird von Jahn gern gebraucht, zb. 2, 526: sie hielten
starken prahl nnd prafs (angetührt als äiifserung des schwedi-
schen reichsdrosten Pehr Brahe über den biindestag der evangeli-
schen zu Frankfurt a/M. im j. 1634; ich weifs aber nicht, ob hier
Jahn aus dem lat. oder schwed. übersetzt oder ob sein gewährs-
mann deutsch geschrieben hat), ausdrücklich aber beruft sich
Jahn ebd. 615 auf die Verwendung des wortes durch Balthasar
Russow in der Livländ. chronik, wo es heifse: ivelcher könig sie
mit einem grofsen prahle gar herrlich empfangen hat. die Ver-
bindung von prahl und pracht belegt Jahn ebd. aus WeudeHn
Schildknechts Beschreibung festungen zu bauen, Stettin 1652.
die Übertragung des wortes prahl vom schall auf den anblick
kennt Jahn recht gut, da er aao. äufsert: mag auch ursprüng-
lich, wie Adelung wahrscheinlich macht, prahlen ein schallwort
fürs ohr geivesen sein, so ist es gewiss sehr bald ein glanzwort
fürs äuge geworden, und in dieser bedeutung ist es in unserer
spräche reich an ahleilungen zur bezeichnung von dem, was augen-
fällig erscheint, wie in prahl salat, den beide, Adelung und Campe,
kennen, und in prahlbohne, prahlkorn, was pachter und
gutsbesitzer an den wegen durch bessere bearbeitung des bodens an
den wegen hervorbringen ; und prahlgelb, prahl grün, prahl-
rot. von diesen Zusammensetzungen hat das wb. nur prahl-
salat. Jahn fährt fort: für alle bezeichnungen , die mit parade
gegeben werden, hilft prahl aus (nun folgen eine reihe von
Wörtern), bis in die aschgraue möglichkeit. von den hier als
zweckmäfsig empfohlenen bilduugen finde ich übrigens bei Jahn
nur prahldegen bd. 2, 710: die rittergeschichten neuerer zeit
verhalten sich zum alten rittertum wie der alten schlachtschwert
ztim heutigen prahldegen, wie der hämisch zur wattenen brtist.
von anderen Zusammensetzungen mit prahl gebraucht Jahn
folgende, die nicht bei Lexer verzeichnet sind: prahlessen
2, 604; prahlgesellschaft 2, 710 (für liebe und herzlichkeit
passt keine prahlgesellschaft); prahlmensch und prahl-
mann (mit dem man prahlen kann) 2, 749 (verehren wie Frank-
reichs aberwitzige freiheitler, blutlüsterne ungeheuer als prahl-
menschen und prahlmänner) ; prahlseite 2, 553 (ihre
[der Jesuiten] prahlseite sollte die gründliche kenntnis vom
altertum sein, was sie als schau-ende überall aushiengen) ; prahl-
slube 2, 828 (unsere schrifthelden der kirchenreinigung arbeiteten
in zimmern, wo die wiege neben dem Schreibtische stand, wenn
nur prahl st üben zu geisteswerkstätten passten, möchte der geist
längst verflüchtiget sein); prahlstück 2, 553 (sie [die Jesuiten]
wollten nach eigenem geständnis gelehrte männer als lockschilder
und prahlstücke, um dadurch mehr ansehn bei färsten, grofsen
und Volk zu erhalten), prahlsucht endlich, von Lexer seit
Stilling (1780) belegt, haben wir schon 1732 in Günthers Lebens-
beschr. 63:
DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII II 35
grofse Wörterzierde,
die mancher sansewind aus seiner gnrgel stöfst,
dem prahlsucht mehrentheils die falsche zunge löst.
prahl er. neben oder vielmehr vor mehreren wenig bedeut-
samen belegen muste Lessings bekannte Vorschrift aus dem 57sten
antiq. briefe aufnähme finden: höhnisch gegen den prahl er!
nebenbei möge hier an Hans Prahler erinnert werden, da
unter den mit Hans gebildeten spöttischen bezeichnungen diese
bei Heyne im DVVB fehlt und auch in meinen Bemerkungen
5, 12 (1882) übersehen ist:
genug, schaff ich sie nicht, die achtzig bare thaler,
so nennet mich pik-as, mann von papier, Hans Prahler.
Goethe 8, 65 (Hempel),
von Strehlke zu den Mitschuldigen 3, 3 unter dem texte aus der
hs. mitgeleiU. p r a h 1 e r e i. anstatt einiger wenig hervortretenden
belege sähe ich lieber die schöne stelle aus dem frischen kampf-
rufe von Abschalz (1704):
lasst lerch' und falken [namen von geschützarten] fliegen,
setzt alle kräfte bei,
mit ihnen zu besiegen
des hahnes [Frankreichs] pr ahler ei!
ferner die noch bekanntere Chlands:
steht vor mir der sich gerühmet in vermessner prahlerei,
dass ihm nie mehr als die hülfte seines geistes nötig sei?
— das eigenschaftswort prall wird nicht blol's von den ge-
drungenen gliedern, sondern auch von der straff und faltenlos
über sie gezogenen bekleidung gebraucht, vgl. in dem schon
zu plempe angeführten gedichte Fontanes:
noch weit sind die Franzosen,
doch Seidlilz will sw ball;
die gelben lederhosen
sie sitzen drum so prall.
im nd. Sprachgebiet wird das woit auch zur bezeichuung der
grellen ungemilderten licht würkiing gebraucht; siehe Fontane
Wanderungen 4, 43: ich hab es gern, uenn er [der mond] mir
so prall avfs deckbett scheint; vgl. auch den beleg aus Wieland
zu prallen, ebenso redet man von der prallen sonne oder
auch der prallsonne; Frischbier Pr. wb. 2, 176' bringt pra 11-
auge als grofses starr schauendes äuge, der begriff des zurück-
prallen s wird hier in der norddeutschen spräche wol kaum
noch gefühlt, bei anderen Schriftstellern gelegentlich geflissent-
lich ausgedrückt, vgl. Jean Paul Quintus Fixlein 98 (Hempel):
weil das silberlicht des mondes schon am kupfernen tnrmknopf
widerprallte (in märkischem bausdeutsch etwa: prall auf den
turmknopf schien), zum hauptworte prall vermisse ich ühlands
bekannte vcrse:
36 DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII 11
stofst an! mit diesem kraft' gen lirall
versuch' ich das glück von Edenhall.
prallkralt uud prallkrätlig als ein von Campe gebotener
ersatz für elasticilät und elastisch hat wol nur wenig an-
klang gefunden; Campe selbst bringt prallkraft aus seinem
eigenen Theophron und prallkräftig finde ich im zusammen-
hange der rede nur bei Jahn 2, 547 (Merke 97 aus dem j. 1833)
aufgenommen : das ganze [des Jesuitenordens] hesafs einen kunst-
vollen, gelenken , prallkrä ftigen gliederbau, unter den fremd-
und Verdeutschungswörterbüchern haben die von Heyne, Dobel
und Sarrazin prallkraft aufgenommen; Kehrein und HDunger
lassen wol mit absieht das klotzige wort unerwähnt. — p ram-
meln (auch brämmelu oder bremmeln) = rasch und ein-
dringlich oder summend reden hat Jahn 1,482 (Denkuisse 129)
aus dem nd. aufgenommen: lange genug ist ihnen in die ehren
geprämmelt, dass die Franzosen das richtvolk des erdkreises
sind und die thatriesen der zeit. — prampieren (mit ungestüm
etwas fordern oder auch mit ungeschliffenheit sein misfallen aus-
sprechen) ist nach dem nd. (prampern bei Danneil 160'') von
Ziegler 1,355 (Landwehrmann Krille) gebraucht: ich wollte pram-
■piren, unverschämt fordern und das beste und schönste zum
essen verlangen. Frischbier im Pr. wb. und Sauders im Er-
gänzungsworterbuch bringen p ramstieren, wofür man ukm.
b ramstieren sagt. — prang(m.), für das 16jli. aus Pauli,
Kirchhof und Fischart belegt, findet sich auch bei Luther Von
guten werken kiiif (1520): dz tzeichen meines prangs. —
pranger. Lexer beschränkt die wendung an (den) prang er
schlagen auf Sachen; vgl. jedoch Luther Abendmahl 9*" (1528):
das heiß mit vrlaub sich wol bethan und den teuffei nackt an den
pranger geschlagen. — pras für prasem wird erst aus Lessing
helegt und auf das engl, und frz. prase zurückgeführt; vgl.
jedoch Albinus Meifsnische bergchronik 113 (Drefsdeu 1590):
Stella schreibt auch, das man den pras (loelcher des smaragden
mutter ist, als darinnen derselbe wechst . . .) hei uns finde, und
ebd. am rande: pras wird in Meisen gefunden, pras des sma-
ragden mutter. — prasser. der begriff des unersättlich ge-
niefsenden wird von dem gebiete des essens und trinkens auch
5uf das anderer sinnlicher Vergnügungen übertragen, in dieser
anwendung vermisst man die bekannte stelle aus Schillers Don
Karlos 2, 8: des weibes hohe majestät,
der gottheit grofses meisterstück, verstümmeln,
den abend eines pr assers zu versüfsen.
neben prasserkost (Grün) konnte auch prassergericht bei-
gebracht werden aus Neubeck Gesundbrunnen 75 (1798):
gleich einsiedlern zu fasten, zu darben am reichen naturmahl
ist nicht der göttin befehl, nur prasser gerichte versagt sie. —
<3as ausgelassene präser vativ steht bei Sebiz Feldbau mit
DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII II 37
wechselndem geschlecht; vgl. dort 418: difs wasser ist ein treff-
lich gute preservatiff für den fallenden siechtag. ebd. 64:
SM einer preservatif oder zur venoarnng für dieser plag;
ebd. 65: zu eirn praeservatif wider die pest; ebd. 243: an-
statt eines preservatifs oder vorbewarung wider alle gifft zu
gebrauchen, das überflüssige zwitterwort präservativmi ttel
hat Hippel Ehe 176 (Brockh. 1872). — präses, wol schon früh
aufgenommen, bezeichnet jetzt vorzugsweise den Vorsteher eines
studentischen Vereins oder trinkgelages (kneippräses), doch
auch, und zwar in amtlicher spräche, den leiter einer preufs. pro-
vinzialsynode. der pl. heifst heute durchweg die präsiden. —
prästieren vor Bürster in Hainhofers von ThSchlegel (beilage
zu den schulnachrichten der städt. real-lehranstalt zu Stettin,
1878) herausgegebenen brieten aus dem j. 1610 s. 12, ferner
1598 bei Albertinus in der übers, von Guevaras Güld. sendschr.
1, 128*^: die officia prastirt. — präsumption (nicht auf-
genommen) steht bei Albertinus aao, 3, 41'' (1599): die prä-
sumption und einbildung, dass er viel gelte. — prätendent
(Günther) bei Londorp ^Sl** (1628). prätension (1706 aus
Ludwig) ebd. 2, 1130'^ (1622); 2, 1205'^ (1624); 1, 164^ (1616)
und Hainhofer aao. 4 (1610). — zu p ratschen wird nach
Albrecht brätschen als leipzigerisch für weitschweifig, breit
reden verzeichnet, das wort ist in weiten strecken Norddeutsch-
lands üblich, doch fast mehr in der bedeutung des vorher sp. 2070
als nebeuform zu p raschen aus Vilmar angeführten pratschen.
— das wort predigertochter würde ich nicht vermissen, wenn
nicht predigersohu aufgenommen wäre; und weil dieses von
Lexer aus Hermes belegt wird , so sei auch für jenes auf Manch
hermäon 1,38 (1788) verwiesen; bekannter noch sind aus Heine
die blonden predigerstöchter. — preis, zu preisgeben
-machen, -lassen, -haben, -stellen, -füh len füge mau
auch preis erkennen, dh. durch einen richterspruch
für gemeingut erklären, aus Galeazzo Capeila 104(1536):
darumb was zu letst nit anders da, dann das man die flüchtigen ins
eilend und ir gut preifs erkennet, neben preisgeben findet sich
gelegentlich älternhd. zu preis geben, vgl. Hedio Übersetzung v.
Baptista Piatina 126'^ (1546) : als ietzund schon Rom erobert und ein-
genommen war, vnnd der burger guter dem kriegsvokk zu preifs
geben, isttienricus für Hadriani bürg gezogen. Zusammensetzungen
mit preis sind in genügender fülle gegeben; nachzutragen wären
etwa preisantwort Hippel Ehe 95 (Brockh. 1872), Preis-
ausschreiben und Preisausschreibung (letzteres bei Hett-
ner Gesch. der litt, des 18jhs. 3,3,2,269), preisdruck^
Preislage, Preisliste, preismedaille (diese vier sehr ge-
wöhnlich in der heutigen geschäftssprache), preissuche (neues
bei den Vertretern der höheren hundezucht beliebtes wort für eine
neue sache), preist yrannei Leo im Volksbl.f. stadt und land 185'2
38 DEUTSCHES WÖRTERBUCH VII 11
sp. 824: es ist eine vollkommen alberne klage, iiher die alte
Zunfttyrannei zu schreien, während man jetzt nur so lange
vor preistyrannei sicher ist, als concurrenz stattfindet, auf-
fallend ist das lehleu des in den letzten Jahrzehnten der öffent-
lichen ausstellungen so häufig gebrauchten vvortes preisgekrönt,
einen beleg habe ich mir nur aus Riehl Kulturst. 354 (1862) an-
gemerkt, der älteste mitgeteilte beleg für pr eisschrift (aus
Hermes) wird ausdrücklich mit der Jahreszahl 1776 versehen;
darum sei auf Lessings brief an Mendelssohn vom 18 febr. 1755
hingewiesen, wo die von beiden gemeinschaftlich verfasste ab-
handlung Pope ein metaphysiker! schon als die beivusste preis-
schrift bezeichnet wird, ebenso findet sich das aus Goethe im
Briefwechsel mit Schiller und aus Iffland (1798) belegte preis-
stück in Lessings brief au Nicolai vom 25 nov. 1757: Sie dürfen
nur hinten mit einfliefsen lassen, dass die preisstücke ehestens
gedruckt werden sollen, die preiscourante anstatt des heute
üblichen preisco uran t (m.) wird unter Preisverzeichnis
aus Ludwig (1706) angeführt, steht auch noch gegen ende des
18jhs. bei JGMüller Emmerich 5,47 (1788): mit der preis-
kurante der Schmiederschen diebswaare hausieren gegangen. —
prellkissen (fehlt) ein ledernes oder leinenes (mit werg oder
dergl. gestopftes) kissen, welches die kraft des zusammenstofses
zweier harten körper mindert, also in anderem sinne als die von
L. angeführte prellplatte, vor etwa zehn jähren wurde mehr-
fach in öffentlichen blättern (ua. in der Berliner Nationalzeitung)
Afghanistan als das einstweilen zwischen Russland und dem briti-
schen Indien befestigte prellkissen bezeichnet. — preppeln
== brabbeln, dh. rasch und undeutlich reden: tzu grossem
schaden und Verblendung der seelen, darinnen sie hyngeen und
preppeln vil mit dem mundt Luther Von guten werken G l""
(1520). — preschen ist nicht, wie man aus dem hinweis auf
Weinhold und Albrecht schliefsen könnte, auf Schlesien und
Sachsen beschränkt, anpreschen, angeprescht kommen,
vorbeipreschen sind in Norddeutschlaud, wenigstens von Mek-
lenburg bis Ostpreufsen ganz übliche ausdrücke, siehe auch Frisch-
bier Preufs. wb. 2, 179\ hinein preschen gebraucht FLJahn
in einem von Euler (Jahns Ges. werke 2, 658) mitgeteilten briefe
aus dem j. 1832; er nennt hier die Polen eine mamelukkenhorde,
eine zwingherr- und sklavenbande , die einst von Allila in die ger-
manischen marken hineingeprescht, erst nach den Hohenzollern
bedeutend geworden. — presse, es fehlt die seit etwa 30 bis
40 Jahren übliche und heute sehr gewöhnliche anwenduug des
Wortes auf nicht öffentliche lehranstalten , in denen junge leute
zur ablegung einer prüfung vorbereitet werden. Sanders hat 1863
das wort noch nicht, wol aber im Ergänzungswörterbuch, dazu
die üblichen Zusammensetzungen wie fähnrichs-, Offizierspresse uä.
die weiteste Verwendung findet das wort presse begreiflicher
DEUTSCHES WÖRTERBUCH VH 11 39
weise in dem sinne von druckerpresse, insbesondere von zeitungs-
presse. Lexers ältestes beispiel für pressfreiheit ist aus dem
j. 1781 (2 aufl. von JGMüllers Siegfr. vLindenberg), und ich weifs
für den augenblick das wort auch nur aus dem j. 1774 zu belegen
bei Bode Tristram Schandy 2, 114: das kommt von der leidigen
pressfreiheit! irrig ist es, wenn Lexer behauptet, dass das
wort pressfrechheit zuerst in dem preufsischen censuredict
vom j. 1788 an den grofskanzler von Carmer (nicht Cramer,
wie verdruckt ist) gebraucht sei. auffallender weise steht das
wort mit derselben wendung in der vorrede JGMüllers zur 2 aufl.
seines Siegfr. vLindenberg s. 24 (Leipzig, Reclam): was die
pressfreiheit betrifft, so lass sie nicht in pressfrechheit
ausarten, sondern ziehe die grenzen derselben hübsch eng zusammen
in Sachen, die die sitten angehen, vgl. im censuredict: da ich ver-
nehme, dass die pressfreiheit in pressfrechheit ausartet.
demnach könnte es fast scheinen, als habe dem Verfasser des
pressedicts die augeführte stelle des Müllerschen buches vorge-
schwebt, welches ja damals sich eines grofsen ansehens und
einer noch gröfseren Verbreitung erfreute; man vgl. nur die
urteile und die nachweisungeu über auflagen und nachdrucke
bei Jördens. allen Zusammensetzungen mit press- nachzugehen,
wäre verlorene arbeit, mag es auch belehrend sein, oft schon aus
dem gebrauchten wort den slaudpunct des jedes mal schreibenden
zu erkennen, ich denke hierbei an Wörter wie press flegel
und pressflegelei, pressjude und pressj udentum (beide
im Berliner Reichsboten vom 29juni 1888), presslümmel und
presslümmelei; pressmacht (Reichsbote 1888 nrr27: die
Überzeugung, dass gegen die internationale press- und kapital-
macht nirgends mehr regiert werden kann); press husar und
press kosak, pressknebelung (wofür GSchwetschke Ges.
sehr. 2,108 pressunter drückung sagt); pressverbrechen
gebraucht HLeo Gedankenspäne 74 (solche pressverbrechen
die an hochverral streifen), während unser pressgesetz wol nur
press vergehen kennt, pressgesetzgebung wird von L.
erst aus HoUzendorfs Rechlslexikon belegt, während es doch
schon vor 1848 eine bundespressgesetzgebung gab und
könig Friedrich Wilhelm iv in einer cabinetsordre vom 8 märz
1848 erklärt: ich würde mit einer auf censurfreiheit begründeten
durchgehenden reform der pressgesetzgebung interimistisch
vorgehen.
Der druck ist mit der am DWB gewohnten ausgezeichneten
genauigkeit und Sorgfalt ausgeführt und überwacht, wenigstens
ist mir aufser dem zu pressfrechheit (sp. 2110) erwähnten
Cramer nur noch ein statt kein in dem aus Heines Buch der
lieder entnommenen beispiele zu pöbelwahn aufgestofsen.
A. GOMBERT.
40 WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH
Der ägyptische Joseph im draina des xvijhs. ein beitrag zur A-ergleichenden
litteraturgescliiclite von Alexander vox Weilen. Wien, Holder, 18S7.
VIII und 19C SS. S". dazu eine tafel. — 4 m.
'Die geschichte Josephs ist einer der wichtigsten dramen-
stoffe des sechszehnteu Jahrhunderts; oft und oft behandelt; fast
der einzige, in welchem iiehesleidenschaft zum ausdruck kommt.'
diese worte leiten bei Scherer (D. st. 3, 29) einen kurzen über-
bUck über die Josephsdramen des 16jhs. ein; mit sicherer band
zog er dabei die linien, auf welchen sich eine spätere Unter-
suchung bewegen müsse, er selbst halte die absieht, dieses
fruchtbare ihema in einer monographie abzuhandeln, bis er, von
gröfseren fragen gefangen genommen, von der ausführung zurück-
trat und seine vorarbeiten einem jüngeren forscher überliefs,
welcher durch seine hübsche schrift Shakespeares Vorspiel zu
Der widerspänstigen Zähmung (Frankfurt a/M. 1884) seine be-
fähigung für solche aufgaben bewiesen hatte, wer die art von
Scherers vorläuGgen aufzeichnungen kennt, der weifs auch, dass
AvWeilen in ihnen viel und wenig erhielt: viel, denn es steckten
Scherers ideen darin; wenig, denn abgerissene nolizen, kurze
bemerkungen , flüchtige einfalle sind hieroglyphen, zu denen nur
der Schreiber selbst den Schlüssel besitzt, aber vWeilen erhielt
auch diesen Schlüssel zu den blättern: jeder schüler Scherers
wird es dem verf. nachfühlen, dass er sich am meisten durch
Scherers 'lange, unvergessliche besprechungen' in seiner arbeit
unterstützt sah, und in vielen abschnitten 'mitgeteiltes und selbst-
erworbenes' nicht trennen konnte.
Das vorliegende buch beweist, dass vW. der ihm gewordenen
Unterstützung in vollem mafse würdig war. es enthält nicht nur
die ausführlichste und eingehendste monographie eines drameu-
stoffes, sondern zeigt eine Sicherheit der methode, welche durchaus
erfreulich ist. vW. verfolgt ein doppeltes ziel: einmal sucht er
Streng chronologisch die nachrichten über Josephsdramen zu
ordnen, und zweitens innerhalb dieses chronologischen rahmens
die filiatiou der uns erhaltenen Josephsdramen auizudecken. diese
beiden aufgaben zu vereinigen und dabei doch klar zu bleiben,
war nicht leicht; das gelingen niuss um so mehr anerkannt
werden, die brauchbarkeit des buches hätte aber gewonnen, wenn
uns der verf. ein kurzes Schema, etwa nach art des Brahmschen
entworfen und durch seilen- oder capitelüberschriften die Über-
sicht hergestellt hätte ; freilich gab er ein sehr sorgfälliges register,
in welches nur leider dramatis yersonae nicht aufgenommen wurden,
und einen graphischen Stammbaum der stücke bei, aber sie reichen
nicht aus, um zb. die einordnung eines neuen Stückes ohne ge-
naues Studium vorzunehmen, wie Scherer die Josephsdramen
nach den namen von Potiphars frau ordnete, so liefsen sie sich
auch nach anderen moliven übersichtlich gruppieren, und dies
WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH 41
Aväre ein besserer abschluss gewesen, als die kurzen bemerkungen
s. 187 f. ich meine zb, das moliv: Joseph entfernt sich nach
der Vorstellung Benjamins, oder Ruhen weifs nichts vom verkaufe
Josephs, oder einführung der Assenath, des Morio. alles das
steht im buche selbst, muss aber vom benutzer zusammengesucht
werden, und der satz des buches ist so klein, dass niemand seinen
äugen eine allzu häufige lectüre desselben zumuten darf.
vW. beginnt mit den ausführungen, welche die biblische er-
zählung im laufe der zeit erfuhr, vornehmlich characterisiert er
die Haggada und das Sepher Hajaschar, sowie den Koran; nach-
würkung derselben im deutschen drama vermochte er nicht auf-
zuweisen, wir werden sehen, dass Sepher Hajaschar die grund-
lage des jüdisch-deutschen purimspieles war, welches aber aufserdem
noch von den abendländischen gestaltungen beeinflusst erscheint,
die gattin Potiphars heifst im Sepher Hajaschar: Zalicha, im Koran
Zuleicha. dann bespricht vW. die Testameuta duodecim patriar-
charum des englischen bischofs Robertus Groslhead, bekanntschaft
derselben begegnet bei Zyrl (1572), die Agyptiaca, frau des Pho-
timar oder Pethefri , führt keinen namen, die Historia Assenath^,
welche dem Speculum historiale des Vincentius Bellovacensis ent-
nommen ist, hinterlässt im drama keine spur, wol aber im romane
des 17 jhs.
Zusammenhängend betrachtet vW. auch 'die romanischen
Josephsspiele' (s. 7 — 21), welche nicht in die Chronologie ein-
gereiht wurden, da sie eine weit für sich bilden, im französi-
schen mistere hat die frau (la dame) keinen namen, ähnlich
einzelnen deutschen dramen (so von Rute, RuelT, Zyrl, Hunnius,
Frischlin , Schlayfs) ist nur die Zweiteilung, auf mehrere schein-
bare anklänge an das mistere bei Hans von Rute (1538) und
bei Thiebolt Gart (1540) macht vW. gelegentlich aufmerksam, bei
Micael da Carvajal (1546) treffen wir bekanntschaft mit dem Sepher
Hajaschar, oder, was für Spanien noch näher liegt, mit dem
Koran. Poliphars frau heifst Zenobia; bei Lope de Vega wird
sie Nicela genannt, dieser führt auch ihre reue vor, was im
deutschen bei Macropedius begegnet, in der italienischen rap-
presentatione (ende des 15 jhs.) kein name, bei Pandolfo Col-
lenucio (1527) Beronica.
Im zweiten fast das ganze buch füllenden abschnitt bespricht
der verf. der reihe nach ausführlicher 19 deutsche und 8 lateinische
dramen aus den jähren 1534 — 1625, während Scherer aao. 3,29
im ganzen nur 20 aufgezählt hatte, dazu kommen zahlreiche
nachrichten über aufführungen von dramen des Stoffes, ferner
kurze angaben über ein polnisches drama, über ein lateinisches
von Simonius, über Rochotius (vgl. Bolte in der DLZ 1887 s. 1515)
und über Bidermann. eine betrachtung der jesuilendramen wird
1 aus ihr hat wol auch die polnische Istorya o swyetym Jozefye Pa-
tryarsse, Krakau 1530 geschöpft, vgl. ßruchnalski (s.u.) s. 4.
42 WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH
in aussieht gestellt, das jähr 1625 bildet den abschluss, weil
mit den dramen des Voidius und Rhodius die bedeutung des
biblischen Stoffes — man muss hinzusetzen: die litlerarische be-
deutung — erlischt, auf zwei selten orientiert vVV. endlich über
die weiteren Schicksale des themas, auch hier aus der fülle des
materials schöpfend , wodurch unser wünsch nach gröfserer breite
der darstellung um so erklärlicher wird.
Die kurzen characteristiken, welche den einzelnen dramen
beigegehen sind, nehmen auf alles wichtige, auch auf spräche
und metrik rücksicht und ziehen, wo es nötig, andere werke der
einzelnen dramatiker zum vergleiche herbei, ein umstand aber
fällt in dem ganzen buche auf, das ist die geringe ausnutzung
der bibel. natürlich durfte die biblische erzählung durchaus als
bekannt vorausgesetzt werden, allein widerholt hätten züge ein-
zelner dramen aus ihr erklärt und das, wie wir annehmen müssen,
absichtliche zurückkehren zu dem einfachen biblischen texte her-
vorgehoben werden sollen, es ist nicht einerlei, so sagt einmal
vW., dem verf. fehlten die ausdrücke für liebe ganz, weil er bei
dem biblischen 'schlafe bei mir' bleibt, so muste als gemeinsame»
zug verschiedener dramen das fortlassen des motives der bibel
41, 14 'und er liefs sich bescheeren, und zog andere kleider an'
aufgezeigt werden; s. 131 wird Hunnius mit recht getadelt, dass
er von Benjamins aller und seinen 10 kindern sprechen lässt,
was freilich geringen dramatischen sinn, dafür umso treuere bibel-
kenntnis verrät, vgl. 46,21 der Genesis. Hunnius verwertet ja
auch im genauen anschluss an die bibel das cap. 38 der Ge-
nesis vgl. vW. s. 125. schon Scherer hat aao. s. 25 den namen
von Potiphars frau bei Greff- Major und darnach bei Leschke
und Gasmann: Media als moecha gedeutet, doch darf nicht
vergessen werden, dass die bibel 1 Chron. 8, 15 f eine Maecha
kennt, das weih Machirs, welcher ein söhn des Manasses, also
ein enkel Josephs ist. s. 156 rühmt vVV. die characteristische
scene bei Gasmann v 4, wo sich die brüder wegen ihrer schwel-
gerei bei der tafel aufziehen, er sagt: 'wieviel naturgemäfser ist
dieser dialog als die gespreizte unwahre reserviertheit bei Hun-
nius.' Gasmann hat aber nur dramatisiert, was in der Genesis
43, 34 angedeutet ist: und sie tranken, und wurden trunken. . . .
Gleich bei dem ältesten deutschen drama gibt die eröffnende
scene die erste abweichung von der bibel. Greff-Major beginnen
mit einem danke Jacobs für die ihm erwiesene gnade des himmels;
das ist im 37 cap. der Genesis nicht vorgebildet, kehrt dann aber
wider bei Dielher, dessen abhängigkeit (vgl. auch s. 77) auf dem
Stammbaum hätte ersichtlich werden sollen, denn dieser zug kann
nur auf Greff-Major direct zurückgehen, ferner bei Leschke, der
auch den namen Mecha aufweist, bei Schonaeus (vielleicht unter
vermittelung Diethers) und bei Gasmann, was vVV. angibt, auch
das purimspiel beginnt wie Greff-Major.
WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH 43
Wenn dann Voidius mit Jacobs trauer über 'die schlimmen
nachrichten, die Joseph ihm von seinen brüdern gebracht', an-
hebt, so kehrt er zur Genesis 37, 2 zurück, treuer als Zyrl, der
daiür dramatischer die klagen des erfundenen uachbars Joab vor-
anstellt, auch Rueff weicht nur wenig von der bibel ab.
Rute und nach ihm Gart, Jordann, (Balticus) und Brunner
setzen mit Genesis 37, 4 ein, sind also auch treuer als Greff-
Major der biblischen Überlieferung gefolgt.
Crocus, Betuhus, Macropedius, Frischlin (und Rochotius)
fangen erst mit dem 39 capitel der Genesis an, um die ganze
handlung zu concentrieren. im gegensatz zu ihnen hat Pusch-
man auf die Vorgeschichte Jacobs zurückgegriffen.
Huunius nimmt 37, 12 voraus und recapiluliert dann das
frühere, seiner weise folgen Schlayfs, Goeze, Rhodius.
Das volksdrama zeigt also die gröste freiheit gegenüber der
bibel , was die exposilion belrifl't. dies ist interessant genug , um
erwähnt zu werden, es hätte zudem so nahe gelegen, die dra-
matisieruugen gerade mit der quelle des Stoffes immerwälirend
zu vergleichen, aber freilich bot dies bei vVV.s chronologischer
betrachtung schwierigkeilen und drohte reiche widerholungen.
noch oft können wir bei Greff- Major ein solches abweichen
von der bibel aufdecken, so ii 1 die beratung der brüder, ii 2
wird Joseph an sie abgeschickt, während die Genesis die richtige
reihenfolge bietet, wider folgt getreulich Diether i 2 und Leschke
I 4, wogegen Schouaeus(?} und Gasmann den biblischen text
haben, wie Rute, Gart, Rueff, Zyrl, Hunnius und seine gruppe,
Voidius. bei Jordann i 3, Brunner 1 1 ist die exposilion anders und
daher die Übereinstimmung mit Greff- Major vielleicht zufall, aber
Balticus I 3 erinnert stark an Greffs Ordnung, ebenso Puschman i 4.
Die bibel erzälill 37, 15 ff von dem zusammentreffen des ver-
irrten Joseph mit einem manne, der ihn zurecht weist, auch
dieser zug scheint bei Greff- Major i2 zu fehlen; sogleich Rute
lässt den landmann auftreten, Hueff nennt ihn Bootz Meyer, Gart
und nach ihm Leschke Beria, Jordann nur Agricola (sein stück
ist deutsch!), Diether Xenus, Balticus Viator, ßrunner Sichimita
und ihm folgend Voidius Sichemites; Zyrl, Schlayfs und Goeze
Peretz, Hunnius und Gasmann Sychar, Puschman nur Pawer;
bei Schonaeus ist die sache zweifelhaft, hier stehen also Greff-
Major ganz allein, selbst Leschke weicht von ihnen ab und er-
gänzt aus Gart; interessant ist Goeze, welcher vor der scene mit
Peretz, die er aus Zyrl schöpft , teufel Joseph angreifen und engel
ihn verteidigen lässt; im Sepher Hajaschar weist ihn ein engel
zurecht, ebenso im purimspiel der Malach (engel).
Eine weitere änderung von Greff-Major zeigt das benehmen
Josephs II 3: er bittet und klagt, wovon die bibel 37, 23 nichts
weifs. auch bei Rute, der sonst keinen einfluss von Greff-Major
aufweist, dieselbe erweiterung, ferner bei Rueff, Jordann, Diether,
44 WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH
Balticus, Briinaer, Zyii, Hiinnius und seiner gruppe, Gasmann,
Voidius, anders endlich bei Rhodius; der bibel nach ändert da-
gegen Gart, und ihm folgend Leschke, Puschman(!) und Scho-
uaeus, bei ihnen spricht Joseph in dieser scene nichts.
Ich wollte an diesen beispielen , welche sich sehr leicht ver-
mehren liefsen , nur darlun , wie der vergleich mit der bibel nütz-
lich gewesen wäre und wie ich mir die oben geforderte tabelle
vorstelle, natürlich will ich damit keinen tadel aussprechen, aber
da dramenfiliation mit hssverhällnis die gröste ähnlichkeit hat,
glaube ich auch von solchen Untersuchungen das zurückgehen
auf den stoff verlangen zu sollen, und die bibel gab für alle die
grundlage; finden wir nun eine abweichung von ihr, wie im
letzten falle, so erscheint eine Übereinstimmung der einzelnen
repräsenlanten wie zwischen Greff-Major und Rute jedesfalls be-
achtenswert, dies ist auch das einzige methodische bedenken,
welches mir vW.s arbeit eingeflöfst hat.
vW. konnte sich für das sehr merkwürdige drama des Polen
Mikolai Rej nur auf den aufsatz von YVlNehring im Archiv für
slav. phil. IX 392 ff berufen, gleichzeitig mit Nehring hat das-
selbe thema eingehend auch WABruchnalski im Lemberger Mu-
zeum (darnach selbständig: Studya nad pisami Mikotaja Reja i
Zyvvot Jözefa w stosunku do literatury obcej. we Lwowie 1886.
39 ss. 8^) behandelt, das buch vW.s macht es möglich, die
Untersuchung weiterzuführen und auf einzelne puncte näher hin-
zuweisen, ich ciliere das drama nach dem neudruck bei KWlWoj-
cicki Biblioteka starozytna pisarzy polskicb, Warschau 1854, bd. iv
273 — 435 zweite aufläge, die abhängigkeit Rejs von Crocus
haben Nehring und Bruchnalski unzweifelhaft nachgewiesen, beide
haben auch Grell- Majors einfluss aufgedeckt.
Rejs drama führt den litel : Zywot Jozepha z pokoleuia zy-
dowskiego sina Jakobowego rozdzielony w rozmowach person,
klöry w sobie wiele cznot y dobrych obyczajöw zamyka (Leben
Josephs aus jüdischem stamme, des sohnes Jacobs, eingeteilt in
dialoge , welches viele tugenden und gute sittensprüche enthält),
das klingt an Thiebolt Garts litel an: Joseph, ein schone vn
fruchtbare comedia ... in rheimen bracht ... in welcher vil christ-
licher zucht vnnd gottsforcht gelernet wirt. das drama beginnt
mit einem dankgebete Jacobs, das wir als eigentum Greff-Majors
(s. 0.) erkannt haben, es wäre freilich denkbar, dass Rejs quelle
Diether gewesen sei, und das glaubt Bruchnalski s. 18, weil ihm
der eingang von Greff-Major nur aus Scherers scenarium bekannt
war. der Wortlaut lässl aber keinen zweifei , dass Rej dem Magde-
burger drama folgte, gleich das erste wort Ach wszechmoczny
panie (o allmächtiger herr!) erinnert an: o herr goU (vW. s. 22).
ferner Baies dzialki pocciwe, ku moieij radosci
(du gabst mir rechtschall'ene kinder zu meiner freude):
Du hast mir so viel kinder bscherti
WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH 45
Das ist vorwar die höchste gab /
Mein gipste freudt die ich ytzt hah /. .
weder die von Bruchnalski cilierle stelle Diethers:
Quibns tibi verbis Deus dignas agam
Snppj^eme gratias pro inexhausta tua in
Me liberalitate? . . .
Crescere me f'ecit ac multiplicavit . . .
noch Rueffs monolog (Weiler Das alte volkstlieater der Schweiz
s. 155) stehen so nahe wie Greif- Major. Rej lässt dann einen
monolog der Rachel folgen, hierauf erzählt ihr Joseph seinen
träum von den garben (nur diesen) und Rachel legt ihm den-
selben aus. das ist, wie es scheint, zusalz Rejs, aber Rachels
monolog hat ähnlichkeit mit den worten in HvRütes Joseph, welche
Lya, Jacobs gemachele, spricht (vW. 31); es wäre denkbar, dass
Rej, durch dieselben angeregt, die mutter Josephs eingeführt
hätte, sie preist Joseph sehr, als ihren liebling, am auffallend-
sten sind aber die verse:
Zwtaszcza Jozeph dzieci^ ticoie,
Dziivnie cieszy sercze moie . . .
(zumal Joseph dein kind erfreut niein herz besonders), das gibt
in Rachels munde keinen guten sinn, während Lya sehr wol von
ihrem Stiefsohne sagen kann , sie liebe ihn , als wenn er ihr leib-
licher söhn wäre, wir hätten also hier einflus Rütes auf Rej zu
vermuten; höchstens könnte Jordann (s. 63) vermittelt haben,
das liefse sich denken, weil Rej dann fortfährt: Jakob sie Jo-
zepha do braciey na pole (J. schickt Joseph zu den brUdern
aufs feld):
Juz tho kilka dni themu, iako nie nie wiemy,
Czo si^ dzieie na polu, thez y z drugiemi siny . . .
(es ist schon einige tage, dass wir nichts wissen, was auf dem
feld geschieht, und was mit den anderen söhnen), das entspricht
II 1 bei Jordann : Jacob ist schon unruhig icegen der söhne . . .
(vW. s. 63) , sonst nirgends die ähnlichkeit. Joseph macht sich
auf, er begegnet keinem landmann, in dieser abweichung von der
bibel folgt Rej unzweifelhaft Greff-Major. mit diesem stimmt auch
Josephs schweigen von der begrüfsung der brüder an, Judas be-
schwert sich über Joseph, er rät ihn zu verkaufen (Greff-Major),
er ruft den kaufmann Corobon izmaelita, der name scheint Rejs
erfindung zu sein.i wider stimmt mit Rute, dass Joseph die
brüder gott empfiehlt, wie bei Diether und im purimspiel über-
bringt Ruhen die trauernachricht dem vater, es folgt eine grofse
trostscene, an welcher sich neben Ruhen und Judas auch Rachel
beteiligt, auch hier wandelt Rej eigene wege.
Die erste scene in Ägypten stammt unzweifelhaft aus Betu-
leius, Potyfar verhandelt mit Corobon, zahlt bereitwillig, fragt
dann Joseph um geburt und rehgion (Potyfar übergibt ihm die
* CoUenucio führt (vgl. vW. s. 20) einen diener Cabasan ein.
46 WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH
Schlüssel), Joseph verspricht treuen dienst, endlich gebet Josephs
(Greff- Major?).
In der lojgeuden dritten scene tritt zuerst Magon hausknecht
sfuga niewolny Potyfaröw auf; der name Magon stammt aus Crocus,
aber Rej hat unzvveilelhaft nicht aus Crocus sondern aus Birk
geschöpft, das beweist das sonderbare fremdwort: Mago, haus-
knecht Potifarow. bei Birk gibt der hausknecht Gnato seiner
erbitterung über Joseph ausdruck; das muss die quelle sein,
denn wie wäre Rej dazu gekommen , den servus Mago zu einem
hausknecht zu machen? andererseits stimmt der name mit Crocus,
und wir haben das gefühl, Rej gebe eine contamination von
Crocus und Birk, darum die merkwürdige Überschrift Magon
hausknecht sluga niewolny Potyfaröw dh. 'Magon hausknecht
sclave des Potyfar', also hausknecht wie bei Birk, servus wie bei
Crocus. oder haben wir hier wie sonst bei den freiheiten Rejs
eine weitere spur des von Scherer (D. st. 3, 37) als verloren an-
genommenen ältesten dramas? die Schwierigkeit geht weiter. Ze-
phira die gattin stammt aus Crocus, doch wird sie widerholt
auch nur Pam' ==frau genannt, als flössen auch hier Crocus und
Birk (Rute) in einander. Rej führt dann eine vertraute der Ze-
phira, die Achiza ein, welchen namen wir sonst nicht finden,
auch weicht Rej in der scenenfolge einiger mafsen ab; es folgen
bei ihm Zephira und Mago, Zephira und Achiza, Joseph und
Achiza, Zephira (welche aber in dieser scene immer nur Pani
heifst) und Joseph, Joseph allein, Zephira um hilfe rufend, Achiza
kommt, wird zuerst ins vertrauen gezogen, dann erst schreit Ze-
phira laut weiter; Josephs monolog; Potyphars monolog über
frau und diener; Achiza lobt die frau; Potyphar und Joseph;
Potyphar fragt den hausknecht, welcher nichts weifs, da ihn früher
Zephira aus dem hause gejagt hatte; dann kommt Pani, klage,
Achiza unterstüzt sie, Joseph verteidigt sich; die häscher (czeklarze)
holen ihn. diese scenen zeigen wider buntes gemisch des ein-
flusses: Crocus, Rute (grofsweibel), Birk, Jordann hören wir heraus
und könnten die frage wider am einfachsten durch die annähme
eines verlorenen archetypus lösen.
Die vierte scene i führt uns in den kerker; Hano heifst der
podczaszy kröla Faraonow, das ist der mundschenk Hanno aus
Crocus. wie bei Crocus zuerst ein monolog Josephs, zum teil
wörtlich übersetzt, dann preist wie bei Crocus Hano Josephs Un-
schuld, darauf ähnlichkeit mit Jordann (und Rute), erst nach
dem schlaf erzählt Hano, hierauf Zophar der bäcker die träume
und Joseph legt sie aus. der gefangen Wärter fTT^'/einj/j lässt den
mundschenken frei, der häscher holt den bäcker zum galgen,
eine Übereinstimmung mehr mit Jordann als mit Rute.
Die nächste scene folgt wider Rute von dem moment, wo
* bei Wojcicki s. 370 trzecia wol druckfehler für czwarta; der fehler
in der Zählung geht dann bis zu ende durch.
WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH 47
die weisen bereits ihr unwissen eingestanden haben; der mund-
schenk erinnert sich Josephs und wird um ihn geschickt, sein
monolog, er rult den kerkermeisler, welcher den an Crocus Gii-
Inssa gemahnenden namen Gulofer führt, ohne den pwer, also
nach Rute, dann Josephs vorwürfe nach Crocus. — es folgt die
auslegung, ohne dass der könig seine träume wider erzählt, der
schrecken des königs, Josephs ratschlage, alles nach Rute, Josephs
ernennung ohne vorgehende beratung, Joseph dankt.
Die sechste (fünfte gedruckt) scene erinnert am meisten an
Birk, ohne jedoch zu stimmen, auch an Rute konnte man denken,
da der mundschenk Josephs gesinnung gegen Potyfar ergründet,
den schluss macht eine Unterredung zwischen dem könig und
Joseph (?Diether iv 1).
Rute ist jedesfalls die vorläge für das folgende: Jacob weh-
klagt um Joseph , sendet die söhne nach Ägypten (Rubens rede
fehlt), sie kommen dahin usw., alles am ähnlichsten Rute, ohne
dass volle Übereinstimmung herschte; einmal werden wir an
Diether iv 4 erinnert, woher der schluss: widersehen zwischen
Joseph und Jacob, Jacob bei Farao stammt, vermag ich nicht
festzustellen, aus Ruelf, an welchen man denken könnte, keines-
falls, da Rej Aseneth vollständig fortliefs.
Nach dem gesagten scheint es, dass Rej vor allem Rute
folgte, daneben Crocus, Diether und Greff-Major benutzte, wenn
ihm nicht das von Scberer vermutete nicht erhaltene drama vor-
lag, auch bekannlschaft mit Birk ist nicht abzulehnen, sogar
Jordann klingt an. wir können nicht glauben, dass Rej, mit
dessen bilduug es freilich nach Brucbnalskis Untersuchung besser
aussah, als man bisher allgemein angenommen hatte, würklich
sein drama aus den angegebenen sechs quellen geschöpft habe,
das ist auch im 16 jb. ganz unwahrscheinlich, am leichtesten
wären alle Schwierigkeiten durch annähme eines verlorenen ar-
chetypus zu heben, davon aber will vW. nichts wissen.
Er schreibt s. 132: '1587 verfasste der Jesuit Simon Simo-
nius (Symonowicz) einen lateinischen Castus Joseph' und citiert
zu dieser notiz 'Nitschmann Geschichte der polnischen lileraturSl.*
dieses citat ist falsch und die notiz selbst enthält mehrere Un-
richtigkeiten. Nitschmann spricht überhaupt nicht vom Castus
Joseph, dafür hat er aber den richtigen namen des dichters. es
muss an unserer stelle beifsen: '1587 veröffentlichte der polnische
dichter Simon Simonides (Szymonowicz) einen lateinischen Castus
Joseph'. Szymonowicz nannte sich in seinen lateinischen dich-
tungen immer Simonides und war niemals Jesuit; er ist am
24 october 1558 [nach anderen 1557] zu Lemberg geboren und
am 5 mai 1629 gestorben, hatte in Krakau studiert und war dann
wahrscheinlich durch Belgien und Frankreich gereist, befreundet
war er mit Scaliger, aufser dem Joseph hat er noch einen Joel
und 1618 eine Penthesilea veröffentlicht, der Joseph ist sein
48 WEILE.N DEn ÄGYPTISCHE JOSEPH
erstes drama. das litelblalt verzeichnet neben dem titel auch
die Persona', auf seiner rilckseite steht die vvidmung: D. Sta-
nislao Socolovio: j Theologo Regio: Venera- fhiU miracvlo ingenii
et j h'lterarvm: venerabilio- 1 vi virtvte et moribvs : patri j svo in
Christo : Simon Simoni- j des Leopoliensis Hb : mer : j de. dicavit.
zum schkiss die angäbe: Cracoviae j In Officina Lazari: j Anno
D. I M.D.LXXXVIl. 39 bll. unpag. 4». dieses drama zeigt,
so viel ich sehe, keinen einfluss westlicher Fassungen, es be-
wegt sich in den formen der antiken tragödie, ein Chorus ex
imellis Aegijptijs und ein semichorus wird breit verwertet, er-
öffnet wird es durch einen langen monolog des Mahis Dcemon.
auch Schlayfs stellt nach Wickrams Tobias in seinem Joseph von
1593 einen komischen monolog des teufeis voran (vW. s. 144).
seine macht will der Dfemon in iuuene zeigen.
men! que Senatus, qne aula, que
Rex, quem popuhis, et purpurati omnes pauent!
überall hersche er:
vnicus puer,
Hebrcea pessima soboles, foex seruuli
C'ontempserit! inultum id ei abierit peruicol
Dabitnr opera, ne scilicet abeat; et quidem
Pridem, sciens peperceram; quum commodiim
Necare, fratrnm inter mamis poßem ; ratus
Doclum periclo, miliorem posted
Nobis futurum, sed video, non in loco
Me misericordia vsuni; acerbioreni etiim
Inuenio; ....
er steht in alter feindschaft mit der stirps Hebraica wegen der
Prophezeiung, dass einst eine frau aus diesem stamme pedibns . .
swuiret super caput meum. nun versucht er es durch ein weih,
Joseph zu verderben, denn
Mulier, mulier, inquam, iunentm maxima
Siren . . . i
Joseph dient bei Fcetifer,
Summo loco vir, summa apud Regem fide:
lempsar Uli vxor, supra humanum modum
Pulcherrima; eins ex animo ego sustuli
Mariti amorem, et seruuli huius intuli ....
da er Joseph kommen sieht, ego me aufero. bei dieser eingangs-
scene wird man an die Invidia des Carvajal (vW. s. 13) erinnert.
Es folgt eine scene zwischen Joseph und FamvH. er bedauert,
dass alle zum fest wollen und niemand zurückbleibe, wenn die
herrin etwas benötige, aber die Famvli wurden von der herrin
selbst fortgeschickt; es entwickelt sich ein gespräch über die
götter und gott, die Famvli wundern sich, dass Joseph die götter
' bei Bedekovics (s. u.) sagt Joseph selbst (s. 21): Fuge, Joseph, /ce-
minam: Sijren est forsitan.
WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH 49
nicht ehre und dass trotzdem seit seinem eintritt ins haus alles
so wol gedeihe, er spricht von gott, wodurch sie sich bewegt
fühlen, aber Joseph entlässt sie und hält einen monolog, es ahnt
ihm ein schreckliches, aber gott lebt; kurzer rückblick auf sein
leben , er verlässt sich auf gott. chor ägyptischer mädchen , sie
sehen endlich, wie Nutrix die herrin herausführt:
Heu me, quam viepallida Dominae
Facies; quam illum primum ßorem
Formae penitus amisisti!
Nutrix Schilden den zustand der herrin:
Respuis omnia; nil tibi volupe est:
Quod adest damnas: quod abest poscis;
Mox quoq. id ipsum, horres et refugis:
Quid faciam tibi! vel quid non
Faciam !
man fühlt sich lebhaft an Rhodius gemahnt (vW, s. 185), es ist wol
Seneca die gemeinsame quelle, wie sich unten noch zeigen wird,
lempsarsi zustand ist furchtbar, ach me, ach me klagt sie,
vergebens sucht Nutrix zu trösten: Seruo cupio, serua locari.
der chor fragt, was das bedeute. Nutrix weifs es selbst nicht,
tres dies cibo abstinens. sie dringt in lempsar, ob sie liebe, viel-
leicht sei Josippus schuld an ihrem zustand.
IE: Ach me. NV: pungit hie te scilicet.
IE: Perij; occidis me mater, vudiq. occidis;
De iuuene eo, sit obsecro silentium.
in einem gespräch ganz nach art der dialoge Senecas kommt es
endlich heraus:
NV: Quis isl vel vndel crimini qui te appetit!
IE: Cuiatem eum tu dixeris iuuenem exterum?
NV: Nostrumne Josippum! IE: loquente te audio;
Non ipsa narro. NV: Proch DiJ Deceq; , quid
Ego audio! nosterne Josip! illene
Josippus! illud vnicum delicium Heri!
nie oculus alter! lux, fides, columeu domus!
auch der chor äufsert sich über Joseph:
Et me non mediocris impetiuit
Admiratio; talibus repertum
In malis, iuuenem hunc; prcBire cunctos
Qui Visus mihi moribus modestis:
Ignosco sedenim ; acer Imperator
Est amor; senibus quoq; egelatis
Cit incendia; nee viros remittit;
Quantö perniciosior iuuentce est;
Cui cor feruet, et ipsa adurit cetas.'^
Non amem: vel amem pudico amore.
* dieser name ist wol erfindung des dichters.
2 man vgl. bei Seneca Phaedra v. 296 ff den chor über Amor:
A. F. D. A. XV. 4
50 WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH
h'mpsar erwidert niil einer philosophischen ervv;ij,uing; volnptatum
genera sunt yluria. . . .
Fudor eliam ceßationis mel fouet.
Geminus quidem ille; ornamen aller, et color
Virtutis; alter pestis, et Scabies domus.
sie war sich ihrer coiistuntia' bewust, da Amors pf'eil sie traf,
kämpfte sie (v<^l. Rliodius). gedanke des Selbstmords; sie scliliefst:
Omne meam culpam eße; iuuenem hüc criminis
Nihil dediße; proiler eximia qnod est
Forma; meam quin sednlö cupidinem
Prauam refuyere; quod ne sitis nesciw.
der chor bestärkt sie in ihrem verzieht; auch die anime sagt:
Nihil supra humaiimn modum ; nihil stipra
Perpessa naturam es: polens in te Dea
Irruit. amas: quid tum! quid hinc miraculi!
Volgarium hoc est plurimis morlalibus: . . .
mitte Inbricam meutern tuam :
lucundius periculum est euadere;
auch sie rät ihr: Obfirma, et obdura . . .
Amans, amorem frange cum prudentia:
Morbo icta; morbum vince cum patientia.
Vel verba quoq. sunt dia; sunt magicm notw;
Sunt fortia indigitationum carmina;
aber vergebens alles reden und so bietet Nutrix liilie:
Euince, perfer, laudo criminis fugam:
Sin minus; obedi mihi; secunda erit hci'C salus.
Sunt philtra delenifica quoq. amoris mihi;
Quam modo in mentem quam oportnne venit;
Ea, eis pudoris, eis animae periculum,
Morbum leuasint; tuipsa modo non obfuas.
lempsar willigt ein', doch niiiss alles geheim bleiben; Nutrix ab,
um zu bereiten , was sie weifs. der chor singt ein lied gegen
Amor, bis ihm die herrin schweigen gebietet, ein langes gespräch
zwischen ihr und dem chor, sie gerät immer mehr in eifer. wo
ist die amme? ruit sie klagend; der chor tröstet: perbreuem tolera
moram, aber lempsar meint: Amor moram non tolerat . . . Nutrix
kehrt zurück und nun gibt lempsar einen rückblick aul ihr Ver-
hältnis zu Joseph:
Ego cum primiim in hunc imiem- oculos
Conieci, et haust amoris ignem; rem rata
Sum facilem, et in manu mea sitam aggredi ;
Qua, vhi libitum animo foret, passem frui;
.... iuuenum feroces
concitat flammas senibusqtie f'essis
rursus extinctos reuocat calores. . . .
* das erinnert wider an Rhodius vgl. vW. s. 185; die einteilung ist
nach Seneca.
WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH 51
Ipsumq. iuuenem, sicubi id rescisceret,
In parte non parna bealitudims
Dnciurum; umari ab Hera, et rogari: tempore
Itaq. aucupato; adorla solum; detnli
Cupidinis mew voluntatem ; paläni-
Qne fassa postulani: At ille, ferreus,
An f'atnus incertum, an ratm fidem suam
A me experiri, vel peti in periculum;
Repulit volentem : quin senerioribus
Hortatns ad modestiam est sermonibns.
Qua nie f'uisse menle tum putabitis!
Aul quid animo volutasse!
vviderholt habe er sie zurückgewiesen
quasi innocens,
Quasiq; mulieris insciens sit; qui alicubi
Diabolarias apud lupas, suam
Obscoenitatem prostituit: ach me: illene
Mihi hoc negdritl vhi melius, et tut ins
Potuit locare: seruulon' ego improbo
Preces meas obtruseriml cuius preces.
Nee vir, nee hominü quispiä vnquä inaudijt.
Veriim eslo: petij ; sed Domina; sed peiij Hera^;
Neq; potui forsan adeö demitlere
Animum; utq; seruilis animus deposceret.
Ramm est; amore d femina virnm appeti;
Neq. prostitutas inter, hoc inueneris;
Quantö profecta d Domina, inerte in seruolum
Insuelum, inauditumq. habebitur magisl ....
nun hat sie das fest benutzt, die ganze familiam fortgeschickt
und fleht darum die anime an, ihr beizustehen. die ent-
scheidende scene geht wider nicht auf der bühne vor, sondern
Nutrix erzählt sie als augenzeugin (!) dem chor^, wobei sie die
reden der frau und Josephs getreu widergibt; Joseph hat den
mantel verloren , da sie ihn heftig umarmte. 3 man glaubt einen
bericht über die scene zwischen Phaedra und Hippolyt aus Se-
uecas iragödie zu lesen, nun kommt lempsar, das gewand Josephs
in der band, trotz ihrer Stellung sei sie
Heu, spreta, despicata, serno peßimo,
Ludibrium, iocusq ;
die Steigerung ist nun schön ausgeführt, wie ihr die schmach
den gedanken der räche erzeugt: memento me eße feminam, ruft
^ erinnert an Rhodius.
^ auch bei Seneca muss die Nutrix zeugin der entscheidenden scene
zwischen Phaedra und Hippolytus sein.
^ et Collum eripere nodo appetens: Beneftcio donec fluentis pallij
Elapsus. das gemahnt an die Situation des Hippolytus v. 712 f Procul in-
pudicos corpore a casto amoue tactus. quid hoc est? etiam in amplexus
mit? dann wirft er das schwert fort.
52 WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH
sie endlich, während ihrer klagen und drohungen erscheint plötz-
lich F.Tliit'r.
Quid est! quid hie tnrbcB est! q.d wgrimomw!
Quid ante Urnen statio! quid turhatio!
er spricht also ähnlich wie Theseus v. 858:
Quis fremitus aures ßehilis pepulit meas?
expromat aliquis. luctus et lacrimae et dolor
in limine ipso maesta lamentatio ...
lempsar will nicht mit der rede heraus (Rhodius), mit halben
Worten spricht sie und klagt an, sodass Fsetifer ruft:
Quis is ! quis ausus ! clariüs fare, loquere.
und noch einmal
Vxor Deos obtestor, ede quisquis est.
IE: Quem tu nisi omnihus modis vlcisceris; ....
noch einmal die frage, da endlich sagt lempsar:
Haec vestis expediat; quam adulter territus
Clamore nostro, liquit elabens fuga.
F(b: 0 Dij, Deceque; quod facinus ego video!
diese worte sind ein unzweifelhafter beweis, dass Szymouowicz
Seneca benutzte, denn an der entsprechenden stelle heifst es
V. 902 f:
Thes. Quis ede nostri decoris euersor fuit?
Ph. quem vere minime
Ph. Hie dicit ensis quem twmultu territus
liquit stuprator eiuiwn accursum timens.
Thes. quod faeinus heu me cerno? quod monstrum intuor?
Fsetifer kann nicht glauben, was er sieht und hört, worüber
lempsar sich gekränkt stellt. Faetifer fragt: quo euasit? aut
Quo erupit? aut vbi sit? (Theseus v. 909: sed ipse quonam evasit?),
lempsar antwortet: Quid ego misera id sciam! sie sei glücklich
gewesen: qudd fugerit; quod territus me liquerit. Fsetifer sendet
alle aus, Joseph zu suchen, dann klagt er ähnlich wie Theseus;
der muste ihn so teuschen, der ihm der liebste war. aber com-
munio In rebus alijs eße, in vxore haud potest. Joseph kommt
von einem diener herbeigeholt; Fsetifer begrüfst ihn mit harten
Worten: 0 perfide; aut, quibus imprecationibus Tandem vtar in
te. warum schweigst du ? was sollte ich antworten, meint Joseph.
Fffitifer lässt ihn in den kerker werfen. lempsar sähe ihn lieber
geköpft: Sed experiar tuam Meo in pudore vindicando instantiam.
der chor spricht mit anderen worten dasselbe aus, was der chor
bei Seneca im anschluss an unsere scene singt: in der natur ist
strenge Ordnung, nur im menschenleben herschl das glück blind,
dann spricht Chorus und Semichorus über die Schuldlosigkeit und
beklagt Josephs geschick. Nuntius meldet, dass er mit wider-
streben Joseph einkerkerte, dieser habe sich ruhig gefügt, ihnen
gute lehren gegeben, sodass sie von seiner Unschuld über-
zeugt seien, nun wolle er (Nuntius) mit dem herrn reden.
WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH 53
Chorus bestärkt ilm darin, es folgen noch abschliefsende Sep-
tenarii i — v.
Der aufbau, die spräche, manche Vorstellungen und Wendungen
in den churen, alles nach Seneca, dessen eiofluss auf Szymono-
wicz bisher nicht nachgewiesen wurde, merkwürdig erscheint
unser drama, weil es ganz ähnlich wie der zweite teil bei Rho-
dius nur ein stück der geschichte gibt, als hätte Szymonowicz
auch die absieht gehabt, in einem stücke Josephs verkauf, im
zweiten den keuschen Joseph und im dritten Joseph in seiner glorie
vorzuführen, das sind freilich nur Vermutungen, auch die ein-
leitung zu Stanislaus Goslawskis Übersetzung gibt keinen auf-
schlussi; aber das drama mit seinem abbrechen führt uns un-
willkürlich darauf. Rejs Zywot Jozepha repräsentiert mehr die
volkstümliche richtung, Szymonowicz setzt dieser volkstümlichen
seine nach antiker weise gebaute tragödie entgegen, da neben
diesen beiden dramen nur noch Kochanowskis Abfertigung der
griechischen gesandten aus dem 16 jh. stammt, Rejs werk das
älteste polnische drama überhaupt ist, so beweist die zweimalige
behandlung, wie beliebt der stolT des ägyptischen Joseph gewesen
sein muss.2
Ganz flüchtig gedenkt vW. s. 189 auch des jüdisch-deutschen
purimspieles über den ägyptischen Joseph, es hätte jedoch eine
besondere beachtung verdient, da es uns den interessantesten
nachweis für die grofse würkung der deutschen dramen aus dem
16 jh. liefert, in seinem stoffreichen buche Jüdischer merkwürdig-
keiten, welches Heine zu seinem Rabbi von Bacharach benutzte
(vgl. Briefe 1, 168 f), hat Johann Jacob Schudt auch über das
purimspiel gehandelt, er erzählt (Franckfurt und Leipzig anno
MDccxiv) im 'zweiten teil' zweite hälfte s. 314 ff (vi buch 35 cap.
§ 19 f) von den purimbelustigungen: Dass nun auch unsere Franck-
furter Juden an ihrem Purini und Hamans-Fest sich wacker herumb
tummeln / essen und trincken / frölich sind und allerhand Lustbar-
keit treiben , ist ausser allen Zweiffei j und wollen wir dessen eine
sonderliche und merckwürdige Probe anführen j dafs sie ein paar
Jahr vor dem Brand [der grofse brand, welcher die ganze
' sie führt den titel: Gastvs Jozeph , Przekladania Stanislawa Goslaw-
skiego. . . . W Kräkowie | W Drukärni Läzärzowey | Roku panskiego | 1597.
4». 76 SS.
2 NGogol schildert in seiner novelle Der könig der erdgeister (Collection
Spemann s. 180) das leben der Kiewer Seminaristen und erzählt: an fest-
lagen giengen Seminaristen und convictoren in die hüuser der stadt mit
Puppentheatern, zuweilen führten sie auch 2Vol selbst eine comoedie
auf, und in diesem falle machte stets ein theolog den helden. er hatte
eine höhe wie der kirchturm von Kiew, und spielte die Herodias und
die fratcPotiphar ztim verwundern, zum dank erhielten sie ei?i stück
leinwand, einen sack mais, eine halbe gebratene gans, oder sonst etwas
derartiges, hier hätten wir also eine spur des Josephdramas auf klein-
russischem boden. leider scheint sich, gütiger mitteiiung meines coliegen
EOgonowski zu folge, kein stück in ruthenischer spräche erhalten zu haben.
54 WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH
judengasse in Fraiikturl einäscherte, am 14 jauuar 1711] auf
ihrem Pun'm aUJiier im Hanfs zur weissen oder silbernen Kand
[es belaiid sich nach iii s. 197 au! der liuken seile der gasse
und halte '2 haul's- gesäfs', das 65 haus in der reihe neben der
Gülden kann] / so damahls David Ulff (der jetzo Rabbiner zu
Mannheimb ist) eigentimmblich zustünde und von Low Worms
umb Zins bewohnet wurde j anjetzo dem Wertheim er von Wien
zuständig ist / in ihrer Gasse ein Theatrnm auffgeschlagen und eine
Comcedie von der Verkauf fung Josephs gespielet j und die
bey dergleichen Schau-Spielen gewöhnliche machinen verfertiget / in
Verkleidung allerhand Auffzüge vorgestellet j auch so gar einen Pickel-
häring in lächerlicher bundfarbiger Kleidung dabey auffgeführet /
welches dann einige Prager und Hamburger Juden- Studenten sollen
verfertiget und prwsentiret haben / davon der Verfertiger und Haupt-
Director, wie mich ein Jud berichtet j Beermann von Lim-
burg seyn soll, der sich zu Friedberg verheurathet und wohnhafft
niedergelassen; die Juden j so es mit selber angesehen j können der
Wtmder nicht gnug erzehlen j wie Feuer j Himmel / Donner \ind
allerley wunderliche Sachen darbey seyen zu sehen gewesen , und
bedaure ich / dafs mir solches nicht voihero kund worden j damit
ich meiner curiosilät j solches selbst mit anzusehen l hätte ein Gnügenj
und dem geneigten Leser eine so viel genauere umbständlichere
Nachricht j geben können; sie haben zwey solcher Comoedien damahls
agirt Wechselweise j eine von David und Goliath j so nicht in Druck
kommen I die andere von Verkauffung Josephs J und das 14. Tag vor
und 14. Tag nach dem Purim, haben auch umb den grofsen Zulauff ab-
zuhalten j zwey Soldaten an die Thür des Hauses j worin sie agirt /
gestellet j und da sich endlich auch Christen als Zuschauer angemeldet /
haben die Baumeister das fernere agiren bey 20. Thaler Straffe ver-
boten. Dafs die Juden ein gar grofs Vergnügen müssen daran ge-
habt haben , ist dahero wohl abzunehmen , dafs sie nicht nur diese
Comoedie auch so gar mit Hebräisch-Teutscher Schrifft in 8. (doch
ohne Benennung Zeit und Orts) trucken lassen i so aber Joh. W\ist
zu Franckfurt gedruckt ; sondern auch / da durch den grossen Brand
die Exemplaria im Feuer verzehret worden j dieselbe An. 1713. all-
hier wieder aufflegen lassen / da dan beyde Editionen in der Sache
selber gantz genau miteinander übereinkommen; der Unterscheid
ist I dafs in der ersten Edition , wie gedacht j weder Jahr noch Ort j
sondern nur auff dem letzten Blat stehet: rm^irr:; aib "innr;
'bD£D ■'"172'n U-nDp:N^E7: d. i. gedruckt durch den jungen
Low Gintz bürg von Franckfurt am Mayn; in der zweyten
Edition stehet nur -:;• End; auf dem Titul-Blal der zweyten Edition
stehet oben ricr m-i"i3"3 [Mchiras Josipli] wwf/ unten v^izn 'ci^fpziD
Franckfurt am M a y n i •^,:-:yp tnh^ «■'■«a üpi-ira gedruckt
bey Johann Keiner , icelches alles in der ersten Edition nicht
ist. Die zweyte Edition ist etwas grösser im Format , weisser Papier
und sauberer Druck / auch viel correcter und accurater als die
WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH 55
e/'s/e. Eben diese Comoedie haben die Juden auch vor ein paar
Jahr zu Metz in Lothringen agiret I indem ein paar Juden / von
denen so selbige vormahls zu Franckfurt gespielet j mit dem Büch-
lein rjOT' mTina [Mchiras Josiph] dahinkommen / icie mich ein
gelehrter Jud j so es zu Metz gesehen j versichert hat; Ein ver-
trauter Jude versicherte mich j es loürde so bald keine Comoedie,
ob sie auch gleich alle toieder in guten Zustand kämen / wieder bey
ihnen gespielet werden j es seyen kurtz nach solcher Comoedie Agi-
rung ungewöhnlich mehr Leuthe / als sonsten j gestorben j welches sie
als eine Straffe und Zeichen Göttlichen Missfallens auffgenommen /
dann zu GOtles Wort müsse man nichts zusetzen / und es j als
etwas kurtzweiliges / auff dem Theatro vorstellen / dabey ein Pickel-
hüring seine Narrenpossen miteinmische j das könne GOtt nicht ge-
fallen; GOttes Wort solle man mit Furcht in Ehren halten.
§ 20. Es findet sich in solchem Mist zuweilen ein Perlgen
guter Einfälle und nützlicher Erinnerung / wie dan der -üan?:
[mechaber] oder auctor aus dem ^^^2 [medrascli = buche] und
D-^iaiTD [phiroischimj der Gelehrten vieles entlehnet hat I obwohl
im exterieur ziemlich Verstössen j indem die Sache weder in actus
noch scenas, als sonst in einer Comödie nöthig ist j eingetheilet j
sondern una continua serie so aneinander fortlaufft; und da alles
soll carminice und Vers-weise abgefasst seyn / so binden sich die
Juden an das metrum und accurate Abmässung der Syllaben nicht /
loie die alten Heyden und Christen thun / es hat xcohl ein vers 4. 5.
auch 1 0. U7id mehr Sylben als der andere j das nehmen sie so ge-
nau nicht I wan es nur gute Knippelharden^ sind I die sich hinden
beym Aufsgang ulcunque reimen; sie mischen auch gewöhnlich
einige Hebräische Brocken mit unter (und brauchen Teutsche Wörter j
loelche bey keinen Teutschen j ohne den Juden allein j im Gebrauch
sind I dan theils sind aufs dem Hebräischen gemacht j andere aufs
gutem Teutsch verdorben I einige gantz von ihnen erfunden I
Wan die Hebräische und gantz schwere Wörter nur erkläret werden!
die leichtere verstehet der Leser schon aufs dem context selber. Weil
nun I unser s Wissens j dergleichen Juden- Comödie noch nie unter
Christen zum Vorschein kommen j und es doch zur Franckfurter
Juden-Historie mit gehör et j so wolle er sie mit hochdeutscher Über-
setzung mitteileo Sonsten haben sie auch die Comödie vom
Ahasverus und der Königin Esther gemeiniglich auf das Purim allhier
gespielet / so aber nachmals von ihren Vorstehern verbotten j und /
wie mich ein Jude versicherte / die Exemplaria verbrandt worden /
dahe/ro selbige jetzt rar und nicht wohl zu bekommen sind / Doch
habe ich eins von anno nc"n d. i. 1708. gedruckt bekommen j soll
mir vor Kinder seyn j gar alber und abgeschmackt / werden auch
keine Personen j als der König Ahasverus I Esther j Haman j Mar-
dochai I Hassag und Schreiber ange führet j zu geschweigen der Gott-
* diese form fehlt im DWB, wo nur knütelhardi und knüppelvers
angegeben sind 5, 1536, s. v. knüUelvers 6.
56 WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH
losigkeit / dass sie den frommen MardocJiai als einen garstigen
unzüchtigen Un/ldther aufführen j der selbst zu der Esther un-
ziemliche Lust bekommen / und garstige grobe Worte darin zu
finden : da sich nun die Juden selber dieser Hamans-Co-
mödie / oder sogenannten Ahasverus-Spiel schämen / auch solche
gern untertrucken wolten j so wollen wir hingegen solche suchen
zu erhalten / doch / ein Aergernufs der unschuldigen Hertzen zu ver-
meiden I nicht übersetzen.
Im dritten teil seines Werkes steht s. 202 — 225 das Ahas-
verusspiel, von s. 226 — 327 die Verkaufung Josephs.
Diese zwei paragraphen geben uns aus dem beginne des
18 jhs. interessante und wichtige aufschlüsse. wir sehen ein leb-
haftes schauspielerisches treiben unter den Juden von Frankfurt
am Main. Studenten von Prag und Hamburg sollen die verfertiger
und darsteller gewesen sein, ßeermann von Limburg ist der ver-
fertiger und hauptdirector; der zudrang zu ihren Vorstellungen
ist ungeheuer, und da man ihnen in Frankfurt zu spielen ver-
bietet, ziehen sie nach Metz, wir werden lebhaft an die eng-
lischen comödianten erinnert und haben in unserer zeit eine
parallele an den jüdischen schmieren, welche, freilich ohne
grofsen erfolg , von ort zu ort ziehen , um stücke im judendeutsch
darzustellen, auch hier in Lemberg hörte ich widerholt von
solchen aufführungen. wenn Schudt von Studenten spricht, so
meint er natürlich bocher, Talmudschüler, welche auch heute
noch die purimspiele aufführen und aus ihrem repertoire weder
den Joseph noch den Ahasverus haben verschwinden lassen.
Wir finden bei Schudt also das zeugnis, dass ein spiel Die
verkaufung Josephs um das jähr 1700 in Frankfurt mit grofsem
beifall dargestellt wurde, er verzeichnet auch die nachricht, dass
es damals soll verfertigt worden sein, womit freilich nicht ge-
sagt ist, dass die Prager und Hamburger Studenten, unter ihnen
Beermann von Limburg, keine alte grundlage könnten benutzt
haben, denn betrachten wir seinen text, so wird wahrschein-
lich, dass Beermann nur bearbeiter war und ein zu erschliefsendes
älteres drama, vielleicht des 16 jhs., blofs dem Zeitgeschmack an-
passte. die rolle des pickelhärings ist gewis spätere zutat, die
anderen mir vorliegenden fassungen wissen nichts von ihr. frei-
lich ist die komische figur der jüdisch- deutschen bühne nicht
mehr der pickelhäring sondern der schmendrig, welcher zb. in
einem Achaschwajryschspiel auftritt, das ich in einem volks-
drucke besitze'; er ist die hauptperson eines dreiactigen lust-
' dieses Stoffes gedenkt auch Wagenseil De civitate Norimbergensi s. 166:
etiamnum Judcei, apud nos, in H'dariis Purim, Ahasveri Sc Eslheris liisto-
riam more comico reprcesentant , vocantque das Acliasverus- Spiel. Ave-
Lallemant Das deutsche gaunertum 1862 in s. 491 — 511 gibt nach Schudt
eine probe des Josephspieles und spricht s. 492 die Vermutung aus, die sich
mir unabhängig von ihm aufgedrängt hat, dass dem text bei Schudt ein
älteres stücii zu gründe liegen müsse. iii417 anm. 1 gibt er ein Verzeichnis
WEILEiN DER ÄGYPTrSCHE JOSEPH 57
Spiels: ti3inri ^^''aNp «"^"i [Die komische chassune (hochzeit)] |
-,Ns [van] I p-'Snry?:^ [schmendrig] j nbs n-^t ü-its [mit die kalle
(braut)], auch dieses lustspiel, dessen Zusammenhang mit Hans-
wursts hochzeit zu vermuten ist, befindet sich in meinem besitze
(gedruckt in Lemberg 1875).
Schudts Frankfurter fassung wimmelt von französischen Wör-
tern , welche dem Stile des 17 jhs. entsprechen und unmöglich
alt sein können; der ganze ton, die anläge des dramas usw.
weisen aufs 17 jh. und wenn wir dann hören, dass bei der
aufführung ein grofser scenisch- technischer apparat aufgeboten
wurde, so fühlen wir uns gleichfalls an das drama des 17 jhs.,
zumal die oper gemahnt, alles das ist nicht abzuläugnen, es
kann nur die frage aufgeworfen werden , ob dem drama eine
ältere fassung zu gründe liegt, welche dem damaligen Zeitge-
schmack angepasst wurde, auch dies scheint mir nicht zweifel-
haft und schon Steinschneider hat im Serapeum 1848 stück 23
nr 146 Beermann von Limburg nur als angeblichen Verfasser an-
geführt (Av6-Lallemant m 491). diese frage müssen wir ins äuge
fassen.
Mir liegt das Josephspiel in drei verschiedenen fassungen
vor. A bei Schudt, der nicht sagt, welche von den beiden ihm
bekannten ausgaben seinem drucke zu gründe gelegt wurde; die
unterschiede der beiden ausgaben sind oben mit seinen Worten
angegeben. B, ein neuerer Lemberger druck, welchen mein
ehemaliger zuhörer herr Meier Weifsberg, gegenwärtig director
einer bürgerschule in Stanislau, für mich kaufte; er halte die
gute, mir eine Umschrift anzufertigen, das original aber gieng bei
dem brande von Strij mit den übrigen Sachen des herrn Weifsberg
zu gründe, jähr und ort des druckes waren nicht angegeben.
C, ein druck Bi H)3o$ob'Ji Op^nnai^KÜi 1876 Bt Tunorpa^iii
t. aeueppa: so steht auf dem titelblalte, auf der rückseite ist zu
lesen /I,oBBO.ieHo J^eHaypoio KicBi. 12 Iiohh 1875r. i
A führt den titel Mechirus Joseph [r]OT' niT'r)?:] 'die ver-
kauffung Josephs.'
B: Seder mchiras Jossif spil [spiel vom verkauf Josephs nach
der reihe].
Mlizuh jkurim bcharisim toschürim
Lsimchas ßsruel hojim hapürim
[köstliche gedichte in reimen und liedern, zur freud Israels am
purimtage].
Di bagebünhait vün Jojsef mit di brüder.
mit sijse weiter iin herliche lieder.
der 'bis jetzt bekannt gewordenen purimspiele', nennt aber nur das Ahas-
verusspiel, die action von könig David und Goliath dem philister und das
Josephspiel und setzt ausdrücklich hinzu: diese purimspiele sind äufserst
selten getvorden.
* In Jozeföw Ordinacki 1876 in der druckerei von ASezerr. zugelassen
von der censur Kiew 12. G. 75.
58 WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH
ZU singen im pnrim mit dem hecher in der hant
in jejder schtiil Und in jeden lant.
C [auf dem Umschlag]: Mchiras Joseph i ügdülas Joseph I Joseph
mit diebrüder, [auf ilem eigentlichen litelblallc ausführlich:] Gi-
schechte fiin wjc/j?ras Jose/ [verkauf Josephs] cheilek rischon [erster
teil] ügdülas Josef [und grofse Josephs] cheilek scheini [zweiler
teil] In dem werd verzeilt wie die schwutrin [stamme] hohen (er-
hofft seier hrüder Josef in dernnch senen sei zi ihm gekimmen
tioin [gelraide] kojfen. hot er sich fin sei farfremt in hot gesugt
sei senen gekimmen aussehen dns land in hohen gehat grojse leid,
in as er hot sich zy sei hakent is gihoen grojs di frajd
lEIllIJXTE 31EXMPACI> 1()CE(|>'L [Geschichte mechiras Jo-
seph], dann folgt die obige angäbe des druckortes.
A ist trotz dem alter des druckes kaum Vertreter der ältesten
fassung, B, obwol ein junger druck, vertritt uns die ursprüng-
liche form genauer, während C auf eine neubearbeitung hindeutet,
allen drei dramen liegt das Sepher Ilajaschar zu gründe, das
ich leider nur aus der inhaltsangabe bei vW. s. l ff kenne: hier
war mir keine der ausgaben zugänglich, doch genügt der aus-
zug, um die abhängigkeit des purimspieles nachzuweisen. A hat
in so fern einen altertümlichen zug, als das Verhältnis Josephs
zu Selicha dargestellt wird (der name Selicha stammt aus dem
Sepher Hajaschar). in B deutet wenigstens einiges darauf hin,
dass dieses Verhältnis dramatisiert war, doch hat unsere fassung
nichts davon erhalten, vielleicht ist dies ein zeichen , dass wir
eine bearbeitung für kinderi (vgl. Schudts worte über das Ahas-
verusspiel) vor uns haben. C zerfällt in zwei teile, die erleb-
nisse Josephs im hause Potiphars fallen zwischen beide, als
fehlte uns zwischen dem verkauf und der gröfse Josephs ein teil
Josephns servus.
Der deutlichste beweis, dass unser purimspiel — ich will
es mit P bezeichnen — aus dem Sepher Hajaschar schöpfte , sind
drei momente, welche .4BC gemeinsam sind und nur im Sepher
Hajaschar begegnen : 1) Joseph wird in der grübe von den Media-
nitern entdeckt, herausgezogen und dann erst an sie verkauft (vW.
s. 2 betont ausdrücklich, dass sich dadurch das Sepher Hajaschar
von der Haggada unterscheide); 2) Joseph verrichtet am grabmal
seiner mutter ein gebet und Rachel tröstet den als sclaven ver-
kauften söhn (ebenso im spanischen, wol nach dem Koran); 3) der
• diese Vermutung wud mir von kennern des jüdischen lebens be-
stätigt, darnacli sind diejenigen, welche gegenwärtig die spiele darstellen,
hauptsächlich die sogenannten belfer d. i. behelfer, die man als männliche
bonnen bezeichnen könnte; sie erteilen den ersten Unterricht, begleiten dann
die kinder zur schule, leiten und erhalten sie, wobei den purimspielen eine
grofse rolle zufällt, sie müssen natürlich aus pädagogischen gründen alles
fortlassen, was für ihr kleines publicum nicht passt, und daraus erklärt sich
der umstand, dass die scenen zwischen Joseph und der frau Potiphars in
unserem texte fehlen.
WEILEiN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH 59
woU, welcher nach der augabe der brüder Joseph zerrissen
haben soll, tritt auf und spricht; dadurch bilden ABC eine gruppe
für sich allen anderen dramen gegenüber, trotzdem sehen wir
besonders in B einzelnes, was wir in den anderen Josephdrameu
des 16jhs. belegen können.
A, B und C gehen zum teil weit aus einander, doch ver-
mögen wir nicht nur die gemeinsame quelle zur erklärung ge-
meinsamer eigentümlichkeiten heranzuziehen , es zeigen sich Über-
einstimmungen in den werten, welche nicht zufällig sein können
und auf eine verloren gegangene grundlage P hinweisen, ich
will nur einzelnes anführen, da ich die absieht habe, über die
purimspiele selbständig zu handeln, wie ich schon Anz. xiii 90
andeutete. ^
A s. 228 sagt Joseph zu Jacob:
Zweitens kan ich nit var gut erkenen
als sie etliche van nnsre brider knecht soln nenen.
B Deine älteren söhne nennen die kinder Bilhas und Silfas
knechte und mägde (so sagt Joseph hebräisch).
C is den asoj recht
as di bnei Bilhu ywnei Sylpu rifen sej knecht [die söhne
Bilhas und die söhne Silphas].
Diese Übereinstimmung kann der quelle entstammen vgl. die
bibel (Gen. 37, 2), aber das ist bei folgender stelle nicht möglich.
Jacob hat Joseph den auftrag gegeben, nach seinen lang aus-
bleibenden brüdern zu sehen, Joseph antwortet:
A s. 236:
Alirliebster vater sein dienst j tvelchi sie mir habn gigebn,
dem wil ich gihorsam nachlebn.
B dich will ich folgen mit dem ganzin leb(i)n
ün got soll mir sdn hilf geb(i)n.
C äufsert er seine bereilwilligkeit anders:
Einziger futer ich bin ungebreit
zi hören dani reit
asoj wie ddn kind.
zi lojßn gejch in geschwind,
futerlebin blöb mir gisind.
dasselbe bemerken wir in der scene zu Doson.
A s. 241 [Levi sagt]:
Lieber bruder ich befinde nit vor gut j
zu vergiefsen menschen blut.
in specie er ist unser fleisch %md bein.
und Joseph sagt s. 242:
Libi brider bit eich sämtlich um farzeien.
auf mein nerische red hob ich reien [reue].
» die lirn Reinhold Köhler und dr Johannes Bolte hatten die gute, mich in
meinen forschungen zu unterstützen, für weitere nachweise wäre ich sehr
dankbar.
60 WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH
auch ist der weit bekant.
als bei einm jnngn kiml nit gros ist der far stand.
in B saj,'t Joseph:
Wen ich hob gisindigt ün bin nicht gut,
müst ir mir doch far gebin den ich bin euer fleisch ün
blilt
ans man lebin het ich mir gur nicht gimacht,
nur auf dem altin vuter bin ich badacht.
in C halb mit A, halb mit, B stimmend:
hot rachmunis [erbarmen] iber mir in inser tatyn dem altin
in Vit ajer kaas [zorn] ajnhalten.
(A*: Drum bit ich ir salt barmherzikeit mitteiln
un Salt in aier zarn nit eiln)
hot rachmunis [erbarmen] iber mir in seit mir mojchajl
[verzeiht] mir mdne sind,
in gidenkt in lebediken gott ich bin doch bei inser futer
dus jüngste kind.
wir hören hier das gemeinsame heraus, ohne dass es gelingen
würde, das ursprüngliche zu reconstruieren. auch die erwideruug
der brüder zeigt denselben character:
A s. 242 t :
Joseph mir habn abservirt.
was du var lengst hast spargirt.
un waln dir zaln dein var dintn Ion.
dein seidn hemit salstu aus ton.
un waln dich werfn in disr grub anein.
du saht nimr krign zo sehn kein licht nach schein.
nun werdn mir sich gwis nit var dir tun bukn.
den die schlangn ader sonst ungizifr werdn dich ver zukn . . .
es hilft niks dein ver defendirn.
mir sein schon biwust als du kanst flatirn.
wie vil arlei seist du spargirn
wan mir dich widrum zu unsrm vatr saltn fihrn.
drum auch Simeon werf im in der grub anein.
dar mit mir seinr las sein.
B du meinst du host var fürt dem vuter dem klugen,
wilst du auch uns mit ddn falsclikeit batrügen
imis nüzin dir die ölisachin [hohen sachen?]
wir müsin mit dir ein end machin
brüder brüder thüt euch bamihin,
im dus stolzi hemdil üb zi zihin ...
du solst endigen bald loi a wind,
warft im tif bis zürn gründ.
kimt brüder essin ün trinken
1 ich habe hier wie überall den text nach dem hebräischen druck um-
geschrieben, da Schudt die Schreibung durchaus modernisierte.
WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH 61
ün er sol du inter sinkin.
er sol fressen dus Schlangengift,
hert nit wer euch ruft.
C brider, brider lit ihm nit zi hörin
wurim falsch is sän giwein.
brider lost ihm nit aheim gein . . .
brider brider tit ihm nit zi hörin in schleit nit trib,
zit ihm arnp dns sadine hemdl, in warft ihm aran in
fmstern grib . . .
losen mir sich setzen essen
un Josefin losin mir vergessen.
in der grübe betet Joseph ua.:
A s. 243:
Bischerm mich, als das ungizifr nit sol zu reifsn,
und du ihn die mailr bandn,
da mit sie mich nit kenn machen zu schandn.
B Got du weifst doch wi ich bin mit erlichkeit um gigangin,
d'rüm var schli'ss die mdler vin die schlangin.
dir is bekant wi 'ich hob min vnter erlich gihaltin,
d'rum sollin die schlangin man kop nit spaltin.
C (Got) er soll die maier fin die schlangin in egdisen far-
schlisen.
ich könnte noch vieles zur bestäligung meiner ansieht anführen,
doch glaube ich, diese proben geniigen, um den schluss auf eine
vorläge P zu begründen, ich teile noch die stelle mit, durch
welche sich P am stärksten von allen anderen dramen unter-
scheidet, das auftreten und sprechen des wolfes. diese probe zeigt
auch deutlich die art der drei fassungen unseres purimspieles:
A s. 272fl": (sagt Ascher)
Libr vatr in seini bifelich habn mir sich bißeist.
un loal ein wald aus gereist.
so habn mir disn wolf atapirt.
abr Josephs tot kerpr habn mir nit gespirt.
weiln uns disr wolf selstn (I. selbstn) in hendn
gilofn.
so habn mir ohni zweifl den selbn an gitrofn.^
der mit unsrm brudr so on erbärmlich und misrabl ist tim
gigangn.
drum habn im die himl uns zu gischikt zu fangn.
mm kan der her vatr an im kihln sein mut.
un rechen'^ misrs brudrs blut.
(sagt Jekub]
Ir habt mich nit winig erschrekt.
mit dem als ir habt endekt.
• ich liebe das wörtlicii in allen oder wenigstens zwei fassungen stim-
mende hervor.
^ bei Schudt ist gedruclvt l^bV) (rechnen), was wol für ^J^Syn steht.
62 WEILEN DER ÄGYPTISCBE JOSEPH
als ir meinm libn son sein totn kerpr nit habt angitrofn.
worauf ich hab tun hofn.
den ich hab ver meint da durch mein trost zu erlangn.
abr leidr es ist nit vun statin gigangn.
ich mus mich gidultig drein gebn.
abr doch wil ich mein stim erhebn.
disn xDolf zu exsaminirn.
nn mein son an im pretendirn.
beslia sag mir bald.
den ich hab dich aniezo in meint giwalt.
aus was ursach du dich solchn frefil hast untr standn.
un hast mir mein alrlibstn son so miserabl gimacht zu
schandn.
un hast im ver zukt un zu risn.
das hab ich gispirt an seinm hemd den es ist vol blut un
ganz zu schlisn.
warum hastu solchis gitan meinm kind um sunst.
un hat bei dir nit kenn erlangn eini ginad odr gunst.
wie hastu mein son erschlagn.
un hast kein furcht gitragn:
vor dem vatr ibr himl un erd.
odr vor meinm scharfn schwert.
drum wil ich iezundr an dir suchn rachn
un dirs der gleichn machn.
den di himl habn mir dich des wegn zu gisend.
als ich sal machn dein end.
(Antwort der wolf)
Mensch mensch er sei in sein zorn nit gischwind.
den ich hab nit gisehn sein kind.
vil wenigr als ich in solt habn gesn.
das tu ich mich bei got ver mesn.
mein her ich gib im noch recht repart [rapportj.
als mir auch geht der ragard [regard].
ich hab mein son schon ver lorn zehn tag.
woribr ich auch grosi ungidult trag.
un bin des loegn in lendr gilofn.
abr ich hab im leidr noch nit an gitrofn.
nun ich bin komn on weit von hir.
habn sich deini kindr gistelt kign [gegen] mir.
un bigirig giwesn mich zu fangn.
da bin ich gut wiligr weis zu in'n gigangn.
den ich weis ich hab niks ver schult,
auch aus grosr un gidult.
ich bin in seinr hand.
er kan mit mir ver farn nach seinm wolgifaln
un verstand,
abr ich sagi im auf mein giwisn.
WEFLEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH 63
als in mein inund ist nit komn ein bisn.
es mag sein von ein menschn teer er will,
hir mit schlis ich meini wort un schweigi stil.
(sagt Jekub)
Her zu du loilds Uhr.
ich bit du solst ver zeihn mir.
den kwal den ich dir hab ver ursacht,
mit dem als man dich hat zu mir gibracht.
nun winsch ich dir ans herzngrund.
als du dein(e)n son magst seht gisund.
nu tuh dich in namn gots auf dein loeg kehrn.
die himl soln uns unsri kindr bischern.
abr ich kan leidr nit auf dem fundament un grund kumn.
durch welchs mein libs kind Jusef ist wordn vun der weit
ginumn.
damit endet in A der erste teil, es tritt der pickelliäriog auf,
um auf den menschenmarkt (menschen marik) zu gehen , wir
sind bereits in Ägypten.
B stellt die scene so dar: m andern tug kirnen saj zurück,
brengin ein wolf mit sich, (die briider sagen:)
Vutir Hb, gut morgin,
hör schon of zu sorgin,
wir sind liberal herum gilofin
ün hob in dem wolf zürn er st in gitrofin.
Jakow (spricht zuerst hebräisch und fährt dann deutsch fort):
wus hot dich of man kind vor drossin,
dus du host un schuldig blüt var gossin.
Der wolf (ebenso):
Ich iceis nit wurini men hot mich gibünden,
gros senin majni schmerzin ün windin.
ich bin im schuldig ün rein,
dus weist nör got alein
ich schwer dir baj gott
dus ich hob ddn sihin [söhn] Josef nischt bärirt [1. getojt?]
ich hob im nit gisehin in man lebin,
asö sol mir got vi'l güts gebin,
mir hot sich gitrofin dus selbi tcus dir,
du konst tun wus du wilst mit mir.
schlug mich tojt, dus is mir recht,
den es geht mir sehr schlecht.
Jakow:
Du bist ginüg zu badöirin,
ddn harz müs stark trören.
var gib mdni kindir, wus si höbin dich gibünden,
si hobin gimeint zu heilin majni wündin.
64 WEILEIS DER ÄGYPTISCHE JOSEPH
geh im fri'din nuch ddnini bagerin,
ün got soll ddn schmerz vin dir üb werin.
auch in ß sclilielst damit die eine scenenreihe und gleich die
nächsten worte hringen die rede Pharohs.
In C hat die scene folgenden Wortlaut, sie bringen das tief
und NaftaH sagt:
dl chaju [das tier] geben mir in dein hend
iln Josefs beiner hoben mir nit der kent.
die chaju [das tier] is uns gikümen akegen.
willst megstü sie fregen.
Jakow (sugt zu dem thier):
Ich wel dich nit losen zu rih [ruh].
sug mir madia uchalt es Josef bni [weshalb hast du gefressen
meinen söhn Joseph?].
mit biteri zurojs [leiden] hostü mich der driikt,
far iDus hostü mein sün far zükt.
mit zurojs [leiden] wel dich plagin.
solst mir dem emes [Wahrheit] sagin.
Hachajuch (dis thier sagt zu Jakow mit abiiter harz):
Wei is mir wus ich tu vün dir aseliche werter heren.
of meinü curojs [leid] tust du noch meren.
fün aweit land bin ich aher gikimmin gech ün gischwind.
wurin es is mir far lorin giworin azütrüg kind.
fin deini curojs [leid] los mich zu ri [ruh].
kaascher kurnh loch kein knruh li [was dich traf, das hat
auch mich getroffen].
asuruh jumim loj nchalti wloj schusisi [zehn tage habe ich
nicht gegessen und nicht getrunken].
binchu Josef loj ruisi [deinen söhn Joseph habe ich
nicht gesehen].
zehn tag hab ich nit gegesen im gitnmkin nur arüm
gilofin.
haben mich deini künder gitrofin.
ich bin iezt in dein hand.
wilst mir awek nemen mein leben,
nur west müsin din wcheschbojm [rechenschaft] im himel
ich sol gech fün mein kind wisin.
as ich hab dein sün Joseph nit zu risin.
dein tfiluh [gebet] wet hascheim [gott] bwadei [gewis]
zu heren.
ün wet dein sün zu dir ümkeren.^
Endedi erste teil.
Auffallend ist A wegen des völligen mangels an hebräischen
Worten und versen, während in BC die rede fortwährend zwi-
' dass alle drei fassungen denselben reim am Schlüsse des ersten teils
aufweisen, kann unmöglich zufall sein.
WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH 65
sehen hebräisch und judendeulsch wechselt, ich kann nicht
glauben, dass A darin altertümlich ist, weil übereinstimmend in
den anderen mir vorliegenden purimspielen derselbe Wechsel be-
gegnet, höchstens liefse sich für die altertümlichkeit von A in
diesem punct anführen, dass C mehr einzelüe hebräische worte
als B einmischt, dabei aber gewis die jüngste Fassung ist; man
könnte demnach annehmen, dass die hebräischen worte erst all-
mählich in den ursprünglich reinen text eindrangen, doch ist
mir dies sehr zweifelhaft. B soll jüdisch -deutsche Wörter ent-
halten, welche gegenwärtig nicht mehr gebraucht werden: so
behauptet herr M Weifsberg, ich vermag das nicht zu verfolgen,
aber so viel sieht man augenbhcklich, dass B das beste bild des
alten dramas gewährt, auf diesen punct möchte ich schon jetzt
die aufmerksamkeit lenken, um die obige behauptung zu be-
weisen, dass wir Zusammenhang des purimspieles mit den deut-
schen dramen des 16 jhs. annehmen müssen, ich beschränke
mich auf die züge, welche der vergleich von B mit den ana-
lysen in vVV.s buch ergibt.
P wurde durch einen prolog eröffnet, welcher nur in AB
vorliegt, in beiden verschieden, aber doch ähnlich. B beginnt
mit einer hebräischen anspräche : Zur freud mid Inst der herzen
am pnrimtage , zur wonne von alt und jung, liebe und theuere
herren, höret zu. verleiht ein geneigtes ohr diesen dingen, dann
wird deutsch fortgefahren:
Unsere eitern hob'ti giliten fiel leit.
ober zu letzt hot sai got gigebin frait.
ein zeichen far uns im unsere kinder
dus got Wirt uns tihn winder.
mir mach'n mit unser futer Jakew dem, anfang.
insere werter wein nit dohrn lang.
das auch ziemlich entsprechend in A. die aufforderung zuzuhören
finden wir auch in deutschen dramen zb. bei Rute (s. 30), bei
Diether (s. 72), besonders bei Brunner, welcher ausdrücklich
betont, der kurz nachgangen zu sein (s. 92).
Auf den prolog folgt Jacobs rede, der sich glücklich preist
und besonders seinen söhn Joseph hervorhebt (vgl. Greff- Major,
Diether s. 72). an das spanische drama (s. 13) und die worte:
Ea hermanos atencion
He vos aqui el senador
erinnert die stelle:
der baal chulom (traumdeuter) kirnt, ich höh im d'r'kent,
schlugin wir im tojt ün machin mit im ein end.
und auch ein zweiter zug gemahnt an das spanische (vgl. vW.
s. 16): 'eigentümHch ist, dass die berufung Josephs erfolgt, bevor
noch die weisen ihre Unwissenheit eingestanden.' ebenso in B:
Pharoh.^ Ruft mir her gischwind ün gleich
» auch Macropedius (s. 82) braucht die hebr. form vgl. DLZ 1887 sp. 1515.
A. F. D. A. XV. 5
66 UEILF.N DER ÄGYPTISCHE JOSEPH
all gileni im zoberir in mdnim königreich.
ich will hörin
wf si' man trom erklerin,
si solin mir sugin baj zajtin,
wus der trom. tit batajten.
Potifer loift zii Josef.
Pharoh. Loift im brengt im gischwind her,
den man herz is mir schwer.
ich wil im nit bazuhlin im balönin,
of sdn köpf sezin kronin,
ich wil im balonen [mit] dem ring vin mdner hand,
er sol herschin iibir dem ganzin land.
und dieser zug begegnet nicht minder in A, wenn auch die
reden dabei länger sind, hier zuerst Pharohs anspräche an die
weisen und Wahrsager verbunden mit einer drohuug, wenn sie
die träume innerhalb acht tagen nicht deuten; dann erzählt der
mundschenk von Joseph und dieser wird gerufen, iu C fehlt
dieser teil, wir sehen Joseph gleich in seiner vollsten glorie, aber
die Übereinstimmung zwischen A und B deutet auf P und die
ähnlichkeil mit dem spanischen ist sehr auffallend.
Wenn es in ß dann wie bei Birk, Gart, Jordann, Macro-
pedius heifst:
Zofnos Paneiach is sein numin of ewig zaj'ten,
sajne herlichkeit sol sich in der ganzin weit ös breitin,
so darf darauf kein gewicht gelegt werden, das entstammt wol
der gemeinsamen quelle, wie bei Diether (s. 75 f) werden Josephs
briider von ihm als spinne erklärt, wie bei Gart unterhält er
sich mit ihnen durch den mund des dolmetsch, wenn Jakow
seine Weigerung, Binjumin ziehen zu lassen, ähnlich wie Gart
ausdrückt, konnte wider die bibel vermittelt haben, wie bei
Schonaeus (s. 143) findet der ausgeschickte diener den becher
sogleich bei Binjumin.
Wenn auch nicht dies alles notwendig auf einen Zusammen-
hang des purimspieles mit dem drama des 16 jhs. hindeutet, so
bleibt doch noch genug, was ihn höchst wahrscheinlich macht,
und der abdruck des ganzen purimspiels in der fassung B wird
dies unzweifelhaft erhärten, ich will durch längere proben nicht
ermüden, zumal die angeführten genügen dürften.
In A tritt der pickelhäring erst auf, da die scene nach Ägypten
verlegt wird , er entspricht dem Morio zb. bei Birk , übernimmt
aber auch die rolle von Selichas vertrauter kammerfrau oder
amme und Gnatos. seine witze sind unflätig, oft nicht zur sache
gehörig, werden auch, wie seine traumauslegung, gar nicht be-
achtet, in B und C findet sich keine spur des pickelhärings
oder- des schmendrig. Potiphars frau heifst in A entsprechend
dem Sepher Hajaschar: Selicha, bei Crocus zuerst wird der name
Sephirach eingeführt, man niochLe fast glauben, dass er sich
WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH 67
dabei an das hebräische anlehnte, fand er vielleicht in seiner
quelle einen druckfehler? nsb; heifstSelichah und msT Sephirah:
nehmen wir an, es wären in Crocus quelle die hebräischen buch-
staben etwas undeutlich gedruckt oder gar kaph und lamed ver-
setzt gewesen, dann ist ein verlesen sehr leicht möglich und die
nament'orm bei Crocus erklärt: nbsT -ist. natürlich ist diese
Vermutung nur ein versuch, die auttallende namenf'orm bei Crocus
zu erklären, zufällig kann er nicht auf eine Sephirach gekommen
sein entsprechend der Selichah des Sepher Hajaschar. mir scheint
mein einfall näher zu liegen, als die ansieht vW.s (s. 25 anm, 3).
Wo das purimspiel entstanden ist, vermag ich nicht zu sagen,
man könnte nach den angaben bei Schudt an Prag denken , von
wo die Studenten das stück nach Frankfurt brachten, doch reicht
zur entscheidung dieses punctes das mir vorliegende material noch
lange nicht aus. jedesfalls aber ist das purimspiel ein interes-
santer beweis für die würkung des deutschen dramas. bis nach
Kiew, und bis in unsere tage können wir die spur des alten
Josepbspieles verfolgen, gewis ein zeichen fruchtbarsten nach-
lebens.
Der curiosität halber erwähne ich zum schluss ein werk,
welches wie ein atavismus sich ausnimmt: JOSEPH. | DRAMMAj
CASliMIRI BEDEIvOVlCS. | Vindobon», | Typis Joan. Thom. Nob.
de Trattnern, i Typographi et Bibliopol« avlici. ( 1778. (58 ss. S").
also zu einer zeit, da bereits der höhepunct des sturms und
drangs erreicht ist, erscheint in Wien ein biblisches drama, latei-
nisch, abgefasst in einem längst überholten geiste. und doch
scheint sich die neue zeit darin zu äufsern , dass der dialog in
lateinischer prosa, nicht in versen sich abspielt, wir haben ein
inlriguenstück vor uns, welches nur leicht an die bibel erinnernd
im wesentlichen frei erfunden ist. Joseph hat die träume ge-
deutet, Pharao will ihn zum Pro- Rex ernennen, nun hat il
Aseneth ihrem vater Putiphar Sacerdos, der längere zeit von Mem-
phis lern war, ihre liebe zu Joseph gestanden, ohne seine Zu-
stimmung zu einem bunde mit Joseph zu erlangen. Putiphar
Dux fürchtet die räche des von ihm drei jähre im kerker ge-
haltenen Joseph, und so tun sich die beiden brüder zu einer
gegenaction zusammen. Pharao befiehlt (i 3), das beer solle Joseph
huldigen, Putiphar Sacerdos äufsert ohne erfolg seine bedenken
gegen Josephs traumdeutung. Aseneth will dem könige ihre liebe
gestehen, wird aber von ihrem vater daran verhindert; sie will
nicht verzichten (i 6), streicht sich Joseph gegenüber heraus, der
jedoch sehr zurückhaltend und kalt erscheint, im zweiten acte
kommt es zu einem religiösen conflict, Joseph will den ägypti-
schen göttern nicht opfern, das henulzi Putiphar Sacerdos, aber
Joseph findet einen ausweg (ii2): habeo repertum, sagt er zu
Pharao, unde tibi quies, mihi securitas. Putiphar Dux legt seine
steile als heerführer nieder, weil das beer von Joseph nichts
68 WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH
wissen wolle, Putiphar Sacerdos bittet im namen des adels und
aller anhänger, Pharao möge nicht um eines einzigen willen alles
gefährden, da erscheint Joseph (ii 5) wider veste indutus viatoria
und nimmt abschied, er will in sein Vaterland zu seinem greisen
vater zurückkehren. Pharao muss endlich widerstrebend nach-
geben und Joseph eilt davon. Putiphar Sacerdos triumphiert,
seine tochter Aseneth will Joseph nachfolgen , ihr vater hält sie
durch die Vorspiegelung zurück, er werde einwilligen, wenn
Joseph Pro-Rex sei; der chor beklagt das scheiden Josephs, im
dritten act enthüllt sich natürlich die intrigue der beiden Puti-
phare, sie haben den könig absichtlich über die Stimmung im
lande geteuscht; Joseph wird zurückgeholt: Revocate, reducite,
aut, si opus, etiam retrahite. Pharao lässt den adel abstimmen,
ob Joseph zu halten oder zu vertreiben sei. die abslimmung er-
folgt in abwesenheit des königs geheim. Joseph kehrt zurück,
erfährt den Umschwung, nun wird die urne aufgesperrt, alle
kugeln sind weifs , also für Josephs bleiben (in 5). die beiden
Putiphare werden gebracht, es kommt heraus, dass Putiphar Dux
Joseph , weil er ihn fälschlich mit seiner (namenlosen) frau ver-
dächtigte, hatte einsperren lassen, aber Joseph verzeiht ihm und
dem Sacerdos grofsmütig. da stürzt sich (iii 7) Aseneth zu
Pharaos füfsen: Rex! vitam mihi dona. sie gesteht ihre liebe
zu Joseph , der ihr auch zugetan ist, aber von der heidin nichts
wissen will, da bekennt sie sich zu seinem gotte und Pharao
vereint sie, nachdem er auf bitten Josephs allen schuldigen ver-
geben hat.
Pharao. .. . Joseph Aegypti Pro-Rex
0 m n e s. Vivat !
Pharao. Et novus cum Sponsa Sponsus
Omnes. Vivat!
Pharao. Aegypti amor, gaudium, felicitas
Omnes. Vivat !
ein Jubelgesang des Chorus Aegyptiorum macht den beschluss.
Die intrigue ist plump, Joseph Uberfliefst von edelmut, die
characteristik entbehrt jeder Wahrheit, nur Aseneth erscheint
etwas lebensvoller; einheit des ortes und der zeit wurde, nicht
zum vorteil des ganzen, gewahrt, die darstellung ist überaus
schmucklos und schlicht.
Der dichter hat sein werk mit folgender widmuug (s. 2) ver-
sehen: Dicatum Honorihus j Excellentissimi , lllustrissimi , et Re-
verendissimi Domini / Josephi Gallyuff, j dum Zagrabiensi Ecclesiae /
per Episcopalem Consecrationem j xvi Kai Mariias, Anno 1773. |
jungerelur. er war, wie schon sein name zeigt, ein Kroate.
Wurzbach ii 221 gibt an, er sei in Szigeth am 1 märz 1728 ge-
boren und in Wien als director des kroatischen collegiums ani
4 mai 1781 plötzlich gestorben, er war Jesuit, professor der Phi-
losophie und theologie in Agram und Raab, der geschichte in
WEILEN DER ÄGYPTISCHE JOSEPH 69
Tyrnau; nach aufhebung des Jesuitenordens (1773) wurde er ca-
nonicus an der domkirclie zu Agram. Wurzbach citiert das Joseph-
drama in der ausgäbe: Hilaria Collegn Croatict ante cineres seu
drammata de Josepho , S. Bernardo et Justino. Viennae 1778
und 1780.
Auch in neuester zeit wird die geschichte Josephs noch für
katholische gesellenvereine in der weise des 16jhs. verarbeitet, mir
liegt ein heJt vor: Joseph in Ägypten oder die verfolgte Unschuld
in ihrem triumphe. Schauspiel in fünf aufziigen. von Johannes
Clericus (Paderborn 1887). es ist die zweite (verbesserte) aufläge,
die erste erschien vor 10 jähren, in der vorrede s. 3 gedenkt
der Pseudonyme Verfasser eines anderen dramas 'vom pfarrer
Behrle', welches aber 'nur die letzten, entscheidenden momente
der geschichte Josephs ins äuge fasst, während unser spiel sein
ganzes leben vorführt, zudem ist jene arbeit sehr frei, während
unser stück sich möglichst genau an den text der hl. schrift hält.'
ich begnüge mich mit der inhaltsangabe, welche der verf. selbst
s. 3 f entwirft, wir sehen: 'im ersten aufzuge den groll der
brüder Josephs deutlich hervortreten' (aus anlass des neuen rocks
und der träume, Jacob tadelt Joseph vor den brüdero) . . . 'im
zweiten aufzuge steigert sich der hass zur gottlosen tat: Joseph
wird unschuldig verkauft' (der kaufmann heifst Ben Ali), 'im
dritten aufzuge treffen wir ihn in noch gröfserem elende, im
tiefsten kerker' (mit Ganymed dem mundschenk und Ophni dem
bäcker, Potiphar ist nicht genannt, von dessen frau sagt Joseph
s. 28 nur die ranke eines schlechten weibes). 'im vierten aufzuge . . .
legt Joseph dem Pharao seine träume aus und wird erhoben zum
vice-könig von Ägypten, im fünften ... vollzieht sich die Ver-
söhnung mit seinen brüdern.' das drama würde man dem 19 jh.
kaum zutrauen, besonders die liedeinlagen verraten einen kind-
lichen geschmack. Issachar spricht 'im jüdischen dialect', sonst
ist seine rolle nicht komisch, ich glaubte das stück erwähnen
zu sollen, da es zeigt, dass die entwickelung des dramas für ge-
wisse kreise seit Jahrhunderten still steht, der 'anhang' s. 55
gibt Weisungen für die costüme, wobei in der köstlichsten weise
das gegenbild zum modernen ausstattungsluxus geliefert wird.
Die von mir zuletzt besprochenen dramen greifen, wie man
sieht, nur dem scheine, nicht dem wesen nach übers 16 jh.
hinaus; ich führte sie als interessante ergänzung des vW.schen
buches an, ohne ihm deren auslassung irgendwie zum Vorwurf
machen zu wollen.
Lemberg im Januar 1888. R. M. Werner.
70 BIBLIOGRAPHIE FÜr. 1887 lA
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Äneis travestiert. 189 (nr 166. 7). — Geliert, Fabeln u. erzählungen. voll-
ständige mit der ältesten verglichene ausg. viii, 168 (nr 99. 100). — Goethe,
Clavigo. ein trauerspiel. 46 (nr 113). Die natürliche tochter, trauerspiel.
Jery u. Rälely, Singspiel. 100 (nr 151). Reineke fuchs, episches gedieht.
115 (nr 130). Stella, trauerspiel. Die geschwister, Schauspiel. 57 (nr 155). —
Hauff, Das bild des kaisers. 85 (nr 124). Die letzten ritter von Marienburg.
Othello. 102 (nr 159). iMitteilungen aus den memoiren des satans. vi, 255
(nr 122. 3). Die Sängerin. Jud Süfs. 2 novellen. 113 (nr 154). — H ebel,
Alem. gedichte. vni, 131 (nr 121). — Heine, Atta Troll, ein sommernachts-
traum. 68 (nr 72). Das buch der üeder. xiv, 186 (nr 70. 1). Deutsch land.
ein Wintermärchen. 64 (nr 83). Zur gesrb. der religion u. philos. in Deutsch-
land. 132 (nr 104. 5). Die Harzreise [1824]. 59 (nr 139). Letzte gedichte.
VIII, 118 (nr 78). Neue gedichte. Zeitgedichte, xii, 108 (nr 75). Reisebilder
I Memoiren, ii Engl, fragmente. iv, 274. 266 (nr 73. 4. 81. 2). Romancero.
IV, 147 (nr 76. 7). Die romantische schule [1833]. 127 (nr 106. 7). —
Immermann, AusMünchhausen. Deroberhof. 316 (nr 118— 20). — HvKleist,
Das Käthchen von Heilbronn oder die feuerprobe. grofses bist, ritterschau-
spiel. 94 (nr 108). Prinz Friedrich von Homburg. Schauspiel. 64 (nr 127). —
Körner, Die braut. Der grüne domino. Der vetter aus Bremen. 3 lustspiele,
59 (nr 138). Erzählungen, iv, 40 (nr 125). Hedwig, ein drama. 49 (nr 147).
Toni, ein drama. Der nachtwächter, ein lustspiel. 59 (nr 137). — Lessing,
Laokoon oder über die gränzen der maierei u. der poesie. mit erläut. ver-
schiedener puncle der alten kunstgesch. 1 teil. 1766. 161 (nr 103. 4). —
Elaten, Gedichte, gesammtausg. viii, 398 (nr 90 — 2). — FRaimund, Der
Verschwender, zaubermärchen. 77 (nr 128). — MvSchenkendorf, Gedichte,
mit einl. u. anm. xn, 232 (nr 168. 9). — Schiller, Die braut von Messina
* mit frcundL untersiützung von JBolte, AChuouet, FMichel, JMimor, ENeulinc,
OPniower, ThReismann. MRiess, MRoediger, ASaleb, PSchlentuer, ESchhidi, KSchob-
BACH, SScHWARZ, ThSiebs, EStkinmeter, R.MWerner, HSWhite, AWohlwill, GWolfi?,
BVVirss u. des germ. Seminars zu Wien.
BIBLIOGRAPHIE. SAMMELWERKE- 71
oder die feindlichen bröder. ein trauerspiel mit chören. iv, 98(nr79). Die Ver-
schwörung des Fiesco zu Genua, ein republicanisches trauerspiel. 100 (nr 146).
Kabale u. liebe, ein bürgerliches trauerspiel. 98 (nr 162). Phädra. trauer-
spiel von Racine, ins deutsche übertragen. 57 (nr 158). Die räuber. ein
Schauspiel. 126 (nr 101). — Voss, Homers Ilias. 390 (nr 85— 7). Verwand-
lungen nach P. Ovidius Naso übers. 144 (nr 88. 9). — KJWeber, Demo-
kritos oder hinterlassene papiere eines lachenden philosopben. 2 bdchen.
76. 84 (nr 160. 5). — Wieland, Oberon. ein gedieht. 212 (nr 102. 3). [8
D. nationallitt. Ifg. 345 — 94. — Bll. f. litt, unterh. nr. 19. 37. 49 (Boxberger)
vgl. auch Zs. f. deutsche spr. i heft 9 (Mohr). [9
*Deutsch-österr. nationalbibl. hg. von HWeichelt. heft 16—21. Prag,
Weichelt, 1885. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 878 (Löhner). [10
Kleine hausbibl. f. die Jugend, hg. von ThWeyler. Leipzig, Gressner &
Schramm. 8. Campe, Robinson der jüngere, erzählung f. die Jugend nach
JHC. 87 (nr 13). — ChAGEberhard, Hannchen u. die küchlein. 64 (nr 8). —
vGaudy, Venetian, novellen. 56 (nr 14). — Hauff, Ausgew. märchen. 56
(nr 12). — Heine, Die Harzreise, f. die reifere Jugend beerb. 50 (nr 22). —
JKerner, Die heimatlosen, erzählung. 31 (nr 30). — Musäus, Noch
3 legenden von Rübezahl. 52 (nr23).— ChvSchmid, Die Ostereier, erzählung.
45 (nr 10). Der Weihnachtsabend. 40 (nr 29). — GSchwab, Die schöne
Magelone. 43 (nr 15). [11
Meyers Volksbücher nr 1 — 50. Leipzig, Bibliogr. inst. 16. — Zs. f. d. österr.
gymn. 38, 155 (Schachinger), vgl. auch ebenda 38, 953 (Schmidt) und Taal-
studie viii 6. [12
Dieselben. LAvArnim, Die ehenschmiede. Der tolle invalide. Fürst Ganz-
gott u. Sänger Halbgott. 3 novellen. 100 (nr 349. 50)... — MBeer, Struensee.
ein trauerspiel. 126 (nr 343.4). — Blumauer, VirgilsÄneis. 164 (nr 368— 70),
— Börne, Aus meinem ta^ebuche. 66 (nr 234). Vermischte aufsätze [aus-
wahl]. 59 (nr 467). — Brentano, Gesch. vom braven Casperl u. dem schö-
nen Annerl. 34 (nr 460). Gockel, Hinkel u. Gackeleia. ein märchen. 83
(nr 235. 6). — Bürger, Gedichte. 118 (nr 272. 3), Wunderbare reisen u,
abenteuer des frhrn vMünchhausen. deutsch. 84 (nr 300. 1). — Cha-
misso, Gedichte. 427 (nr 263—8). — AvDros te-Hü Ishoff, Die juden-
buche. ein sittengemälde aus dem gebirgigten Westfalen. 47 (nr 323).
Lyrische gedichte. 327 (nr 479—83). Die schlacht im Loener bruch. erzäh-
lendes gedieht. 62 (nr 439). — Fichte, Reden an die deutsche nation. 208
(nr 453 — 5). — Fouque, Undine. eine erzählung. 78 (nr 285). — vGaudy,
Venezianische novellen. 197 (nr 494—6). — Geliert, Fabeln u. erzählungen,
176 (nr 231 — 3). — Goethe, Clavigo. ein trauerspiel hg. von HKurz. 47
(nr 224), Ausgew, gedichte hg. von HKurz, 160 (nr 216.7). Italienischereise.
348 (nr 258—62). Die laune des verliebten. Die geschwister. 42 (nr 434).
Wilhelm Meisters lehrjahre. ein roman hg. von HKurz. 547 (nr 201 — 7).
Die mitschuldigen, ein lustspiel in versen. 42 (nr 431). Die natürliche
tocbter. ein trauerspiel. 86 (nr 432. 3), Reineke fuchs, ein gedieht hg,
von HKurz. 119 (nr 186. 7), Stella, ein Schauspiel f. liebende. 44 (nr 394).
Xenien von G. u. Schiller. 48 (nr 208). — Grabbe, Napoleon oder die
100 tage, ein Schauspiel. 131 (nr 338. 9). — Grim m e Ish a usen , Der
abenteuerliche Simplicissimus. eine lebensbeschreibung. 448 (nr 278 — 83). —
FvHa gedorn, Fabeln u. erzählungen. 162 (nr 425—7). — Hauff, Der mann
im mond nebst controverspredigt, 222 (nr415 — 7). — Hebel, Schatzkästlein
des rhein, hausfreundes. 207 (nr 286 — 8). — Heine, Atta Troll, ein sommer-
nachtstraum. 74 (nr 410). Buch der lieder. 174 (nr 243—5). Deutschland,
ein Wintermärchen. 70(nr411). Neue gedichte. 110 (nr 246. 7). Die nord-
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in Laublingen. in diesem laschenformate ausgefertigt. Berlin 1754. 44(nr348).
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(auswahl). 171 (nr 422 — 4). — Musäus, Volksmärchen. 132. 102. 132
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Sentimentalische dichtung. 86 (nr 346. 7). Der neffe als onkeL ein lustspiel
aus dem frz. des Picard. 48 (nr 456). Phädra. ein trauerspiel von Racine,
übers. 56 (nr 440). — AWvSchlegel, Engl. u. span. theater. 176 (nr356— 8).
Griech. u. röm. theater. 188 (nr 353— 5). — Schleiermacher, Monologe,
eine ntnjahrsgabe. 60 (nr 468). — Schubart, Leben u. gesinnungen. von
ihm selbst im kerker aufgesetzt. 232 (nr 491 — 3). — GSch wab, DrFaustus.
72 (nr 405). Fortunat u. seine söhne. 103 (nr 401. 2). Der gehörnte Sieg-
fried. Die schöne Magelone. Der arme Heinrich. 82 (nr 445. 6). Griseldis.
Robert der teufel. Die Schildbürger 84 (nr 447. 8). Hirlanda. Genovefa. Das
schloss an der höhle Xa Xa. 96 (nr 449. 50). Kaiser Octavianus. Herzog
Ernst. 120 (nr 406. 7). Kleine sagen des altertums. 72 (nr 309). Die schöne
Melusina. 83 (nr 284). Die vier Heymonskinder 108 (nr 403. 4). — Seume,
Mein leben. 107 (nr 359. 60). Mein sommer 1805. 154 (nr 499. 500). —
Tieck, Der alte vom berge, eine novelle. 88 (nr 290. 1). Die gemälde. eine
novelle. 72 (nr 289). Shakespeare-novellen. 120 (nr 332. 3). — JAvTörring,
Agnes Bernauer. ein trauerspiel. 56 (nr 393). — Voss, Luise, eine länd-
liche gesch. in 3 Idyllen. 75 (nr 271). — Wieland, Clelia u. Sinibald oder
die bevölkerung von Lampeduse. ein gedieht in 10 büchern. 104 (nr 457. 8).
Gandalin oder liebe um liebe, ein gedieht. 84 (nr 182. 3). Pervonte oder
die wünsche, ein gedieht in 3 teilen. 46 (nr 459). — Zschokke, Der
feldweibel. Die Walpurgisnacht. Das bein. 3 novellen. 103 (nr 366. 7).
Kleine Ursachen, eine novelle. 90 (nr 363. 4). Kriegerische abenteuer eines
friedfertigen, eine novelle. 42 (nr 365). Der tote gast, eine novelle. 95
(nr 361. 2). [13
Universalbibl. Leipzig, Reclam. 16. G h am isso, Gedichte, mit biogr. einl.
von OFLachmann. xvi, 431 (nr 314 — 7). — vGaudy, Schülerliebe u.
andere erzählungen u. humoresken. 131 (nr 2319). — Heine, Atta Troll,
ein Sommernachtstraum. Deutschland, ein wintermärchen. hg. von OFLach-
mann. 148 (nr 2261). Buch der lieder. vervollständigt hg. von OFLach-
mann. 258 (nr 2231. 2). Die Harzreise, nach AStrodtmanns handexeniplar
berichtigt u. hg. von OFLachmann. 86 (nr 2221). Memoiren, eingel. u.
hg. von OFLachmann. 84 (nr 2301). iNeue gedichte hg. von OFLach-
BIBLIOGRAPHIE. SAMMELWERKE. LITTERATURGESCHICIITE 73
mann. 112 (nr 2241). Roinanceio. hg. von OFLachmann. 179 (nr 2251).
— HvKleist, Der zerbrochene krug. luslspiel. bühnenbearb. nach
FLSchniidt mit dem vollständigen scenarium von CFWitlmann. 44 (nr 2304).
— Kopisch, Gedichte, ausgew. u. eingel. von FBrümmer. 382 (nr 2281 — 3).
— Lessing, Der hausvaler. ein Schauspiel von Diderot, ausdemfrz. übers.
97 (nr 2336). — JvPlötz, Der verwunschene prinz. schwank, durchges.
u. hg. von CF Wittmann, bühneneinrichtung mit regieanm. u. den extempores.
59 (nr 2228). — Voss, Ausgew. idyllen u. lieder. hg. u. eingel. von OFLach-
mann. 123 (nr 2332). Vergils Äneide. neu hg. von OGüthling. 293 (nr 461. 2).
— Zschokke, Abellino. Schauspiel. 157 (nr 2259). [14
Volksbibl. des Lahrer hinkenden boten. Lahr, Schauenburg. 12. Campe,
Robinson s. 1886 [43ü. 208 (nr 325— 32). — Ghamisso, Peter Schlemihls
wundersame gesch. 66 (nr 408—13). — Goethe, Die geschwister. Die laune
des verliebten. 55 (nr 417— 21). — Körner, Leier u. schwert. 50 (nr422— 6).
— Musäus, Die bücher der chron. der 3 Schwestern. 46 (nr 340—4).
Richilde. Volksmärchen. 39 (nr 345—8). Rolands knappen. Volksmärchen.
42 (nr 429— 32). — ChvSch mid, Rosa von Tannenburg. 140 (nr 349— 58).
Der Weihnachtsabend. 68 (nr 359 — 64). Heinrich von Eichenfels. 42 (nr
365—9). Das verlorene kind. 23 (nr 433. 4). Das täubchen. 32 (nr 435-8).
Das lämmchen. 56 (nr 439— 43). — GSchwab, Die erschalTung des men-
schen. 98 (nr 371— 7). Meleager u. die eberjagd. Niobe. Orpheus u. Eury-
dice. 16 (nr 378. 9). Die argonaulen. 72(nr380— 5). Heracles. 58 (nr386— 90).
Theseus u. Ödipus. 56 (nr 391 — 5). Die nachkommen des Ödipus u. Heracles.
56 (nr 396—400). Die schöne Magelone. 44 (nr 451—5). Der arme Heinrich.
17 (nr 456-60). Der trojan. krieg i-iv, 73. 123. 94. 68 (nr 461 — 86). —
Zschokke, Der tote gast. 116 (nr 492— 500). [15
Zs. f. vgl. litleralurgesch. hg. von MKoch. bd. 1. — Frzewodnik nauliowy
i literacki xv 86 (vAntoniewicz). [16
Chron. des wiener Goelhe-ver. [hg. von KJSchröer]. — Arch. f. litteratur-
gesch. 15, 203 (vBiedermann). Goethe-jb. 9, 310. [17
*Kurze besprechungen deutscher u. österr. gymnasialprogr. von 1886: Gymn.
v 423 (Hellinghaus). 685 (Saliger). [18
iB. LiTTERATüRGESCHICUTE. GESAMMTDARSTELLUISGEN.
Abriss der deutschen litteraturgesch. zum practischen gebrauche f. buchhändler
von LA u b. mit einem von FHK I e i n bearb. anh. Leipzig - Reudnitz , Rühle.
IV, 173. 8. [19
Leitfaden zur deutschen litteraturgesch. f. mehrclass. bürgerschulen von
HDamm. 5 aufl. Berlin, Müller. 40. 8. [20
♦Egelhaaf s. [24. 2 aufl. Heilbronn, Henninger, 1882. — Arch. L d. slud.
d. neueren spr. 77, 417. [31
Egelhaaf 1886 [17. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 78,335. [22
Egelhaaf 1886 [18. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 79, 470. [23
Grundzüge der deutschen litteraturgesch. ein hilfsbuch f. schulen u. zum
privatgebrauch von GEgelhaaf. 5 aufl. Heilbronn, Henninger. viii, 160. 8.
— Zs. f. d. deutschen Unterricht i 277 (Klee). [24
Goedeke s. 1886 [20. heft 7 [schluss des 3 bdes. bog. 11—24]. viii,
161-364. 8. — Gegenwart nr 16 s. 255. nr 47 s. 335. DLZ nr 52 (SeufTert).
Xalionalztg. nr 128 (EUinger). [25
Kurzgefassie gesch. der deutschen dichtkunst. ein hb. f. d. deutschen Unter-
richt in den oberclassen höherer mädchenschulen von AGoerth. Leipzig,
Klinkhardt. viii, 160. 8. [26
Zurrepetition der deutschen litteraturgesch. von RHagen. Nürnberg, Korn.
32. 8. [27
Hedge 1886 [21. — Christian register (Boston) 66,42. [28
Hirsch 1885 [17. 1886 [23. — unsere zeit i 72 (vGottschall). [29
Kurzer abriss d. deutschen litteraturgesch. von KHoffba uer. 2 wesentlich
veränderte aufl. Frankfurt a/0., Harnecker & cie. iii, 44. 8. [30
74 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 IBC
Hilfsbuch beim Unterricht in der litteralurgesch. zum gebrauch in präparan-
denanst. u. oberen classeti der bürgerschule von GWHorn (nach mafs^abe
des normal-lehrplans f. präparandenanst. v. j. 1878). 3 verm. u. verb. aufl.
Langensalza, schulbnchhandi. viii, 158. 8. [31
Kirchner 1SS6 [24. — Litteraturbl. f.germ. u. rem. phil. nr 10 (Lambel). [32
Gesell, der deutschen nationallitt. zum gebrauche an höheren unterrichtsanst.
u. zum selbststud. bearb. von HKluge. 18 verb. aufl. Allenburg, Bonde.
VIII. 248. S. [33
♦Deutsche litteraturgesch. von RKönig. 17 aufl. Bielefeld u. Leipzig, \ ei-
hageii & Klasing, 1886. — Unsere zeit i 76 (vGottschall). [34
Abriss der deutschen litteraturgesch. ein hilfsbuch f. schule u. haus bearb.
von RKönig mit 13 beil. u. 67 abbildungen im texte. Bielefeld u. Leipzig,
Velhagen & Klasing. ix, 202. 8. — N. evang. kirchenztg. 1886 sp. 733.
Theol. litteraturbl. 1886 nr 49 s. 470. Balt. monatsschr. 1886 s. 731. Litt,
merkur vii 146 (Bode). D. litteraturbl. ix nr 37 (Keck). Zs. f. d. österr.
gymn, 38, 153 (Minor). N. jbb. f. phil. u. päd. 136, 366 (Bötticher). Zs. f. d.
realschulwesen s. 501. Centralorgan 14 (48), 859. [35
Könnecke 1886 [27. Ifg. 9 u. 10 (schluss). Marburg, Elwert, fol. — Arch.
f. litteraturgesch. 15, 101. 204 (vBiedermann). Nord u. süd 40, 120. BU.
f. litt, unlerh. nr 3 (Schlossar). AZ nr 75 B vgl. nr 79 B Verschiedenes (Loh-
naeyer). D, litteraturbl. ix nr 47 (Keck). Litt, centralbl. nr 19 (Creizenach).
Zs. f. d. österr. gymn. 38, 298 (Wastler). Litteraturbl. f. germ. u. rom. phil.
nrlO (Koch). Litt, rundschau 13,92 (Hellinghaus). [36
WLindenianns Gesch. der deutschen litt. 6 aufl. erste abt. von den ältesten
Zeiten bis zum anf. des 17jtis. hg. unter mitwirkung von FBrül I. Freiburg
i/Br., Herder, vni, 371. 8. — Bll. f. litt, unterh. nr 19 (Boxberger). [37
JTLublin, Primer of german literature. based on Kluge. London,
Sonnenschein. [38
Menge 1885 [24. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 77, 420. [39
Müller- Lichtenstein 1886 [30. — Revue critique nr 1 (Chuquet). Modern
language notes 2, 166 (Gübel). DLZ nr 32 sp. 1155. New-York nalion
44, 477. [40
Leitfaden zur gesch. der deutschen litt, von FAP i sc hon. 15 aufl. bearb.
von ÜZernial, Leipzig, Reichardt. vi, 303. 8. — Bll. f. litt, unterh. nr 37
(Boxberger). [41
Posnett 1886 [33. — DLZ nr 44 (Meyer). Dial 7, 21. [42
Gesch. der deutschen nationallitt, des 19 jhs. von LSalomon. mit 30 portr.
2 aufl. Stuttgart, Levy 6c Müller, viii, 663. 8. — Litt, merkur vn 97. D.
litteraturbl. ix nr 52 (Pfleiderer). [43
Sanders 1886 [35. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 153 (Minor). Bll. f.d. bayr.
gymnasialschuivvesen 23, 397 (Bauer). Zs. f. d. gymnasialwesen 41,367 (Jonas).
Zs. f. d. realschulwesen s. 629. [44
Deutsche litleraturkunde f. die weibl. Jugend in schule u. haus von HSaure.
Berlin, Herbig. xxiii, 690. 8. [45
Scherer 1886 [36. — Unsere zeit i 66 (vGottschall). [46
Gesch. der deutscheu litt, von WScherer. 4 aufl. Berlin, Weidmann.
XII, 816. 8. [47
Scherr 1886 [38. — Litt, merkur vii 185. [48
Bildersaal der deutschen litt, von JScherr [aus: Bildersaal der weltlitt.].
Stuttgart, Kr.iner. 592. 8. [49
Allg. gesch. der litt, ein hb. in 2 bden, umfassend die nationallitt, ent-
wickelung sämmtl. Völker des erdkreises von JScherr. 7 verb., ergänzten,
verm. aufl. Ifg. 1—10. Stuttgart, Conradi. viii, 488. 1—320. 8. [50
Schmidt 1886 [39. — Unsere zeit i 81 (vGottschall). Westermanns monats-
hefte 62, 406. D. rundschau 52, 151 (Dillhey). AZ nr 156 B (Muncker).
Nationalztg. nr 192. [51
Stern 1886 [40. — Unsere zeit i 77 (vGottschall). [52
Stern, anh. zu 1886 [42. — DLZ nr 11 (.Minor). [53
Gesch. der weltlitt, in übersichtl. darstellung von AStern. Ifg. 1—7. Stutt-
LITTERATURGESCHICHTE /O
gart, Rieger. 592. 8. — Litt, merkur vii 78 (Pfleiderer). Westermanns mo-
natshefte 62,544. AZ nr 156 B (Muncker). [5i
♦Widerlioluiigeii au» der deutschen iitteraturgesch. in kalecliet. form — von
einem schulmanne. 3 verb. aufl. Leipzig, Lesimple, 1883. — Zs. f. d. österr.
gymn. 38, 233 (Schmidt). [55
iC. LlTTERATÜRGESCHICHTE. MONOGRAPHIEN.
La poesie, ctudes sur les chefs-d'oeuvre des poetes de tous les temps et de
tous les pays par PAlbert. 8 ed. Paris, Hachette. 402. 18. [56
Meister-Bäumker 1886 [45. — Litt, centralbl. nr 9. [57
Lebensbilder aus der gesch. der kirche u. des Vaterlandes von WBaur.
Bremen u. Leipzig, Müller, viii, 447. 8 [behandelt ua. Arndt, Gerhardt,
Schenkendorf u. Spee]. — Theol. litteraturztg. nr 21 (Härtung), AZ nr 250 B.
Theol. litteraturbl. s. 307 (Gussmann). [58
Musikal. discurse [neudr. einer um 1700 erschienenen Schrift] von JBeer.
Kirclienmusikal. jb. 2, 82. [59
Belling 1886 [48. — Bll. f. litt, unterli. nr 17 (Schranka). [60
Gymnasialreden, nebst beitr. zur gesch. des humanismus u. der päd. von
HBender. Tübingen, Laupp. vii, 275. 8 [berührt JBSchupp u. JVAndreä].—
Litt, merkur vm 63 (vSallwürk). [61
Am eigrenen herd. ein deutsches hausbuch hg. von iMBern. Leipzig, Titze.
xxiv, 459. 12. — AZ 1886 nr 350 Verschiedenes. D. rundschau 51, 158. [62
Declamatorium. eine mustersamml. ernster u. heiterer Vortragsdichtungen
aus der weltlitt. hg. von iMBern (Universalbibl. nr 2291 — 5). Leipzig,
Reclam. 636, 16. [63
Zur gesch. des romant. von ABiese. Zs. f. vgl. Iitteraturgesch. u. renais-
sancelitt, n. f. I 259. [64
Findlinge aus schwäb.-augsb. hochzeit- u. leichencarmina von ABirlinger.
Alem, 15, 64. [65
Findlinge [zur Iitteraturgesch. des 17 u. 18 jhs., ua. zu Schillers Gang nach
dem eisenhammer] von ABirlinger. Alem. 15, 111. [66
Zur Sittenkunde von ABirlinger. Alem. 15, 112 [aus Schriften des 17 u.
18 jhs.]. [67
Alle gute Sprüche [18 Jh.] von ABirlinger. Alem. 15,125. [68
Bleib treu s. 1SS6 [55. neue [3] verb. u. verm. aufl. Leipzig, Friedrich.
XXIII, 101. 8. [69
Frau vStael, ihre freunde u. ihre bedeutung in pol. u. litt, von Gh. lady
Blennerhassett, geb. gräfin Leyden. mit einem portr. der frau vSt. Berlin,
Paetel. viii, 521. 8 [berührt deutsche litt.]. — Grenzboten 46, 2, 550. Weser-
ztg. nr 14740. Köln. ztg. nr 159. 257. [70
Begehrte bücher [zur hymnol.] von WBode. Bll.f.hymnol. s.2.20.45. 171. [71
Das Rebenleinsche gesangbuch. Der anh. zum Rebenleinschen gesangbuch,
Hamburgl674. von WBode u. AFischer. Bll. f. hymnol. s. 28. 62. [72
Ratsmüdelgeschichten von HBöhlau. D. rundschau 50,453. 51,119. 438.
52, 291. 445 [berührt die class. Weimarer zeit]. [73
Ein lied auf die bernauer Wolfsjagd (16091 [von MBracht u. JBerend] mit-
geteilt von JBolte. Arch. f. Iitteraturgesch. 15,225. [74
Aus den briefen der herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans von JBolte.
Alem. 15, 50. [75
Nürmberg. quodlibet. zu Hebels Marktweiber in der stadt von JBolte.
Alem. 15, 7S. [76
Variarum nationum proprietates iii von JBolte. Alem. 15, 120 [aus Schriften
des 17 u. 18 jhs.]. [77
Eine reise zweier württemb. prinzen nach Berlin im j. 1613. mitgeteilt von
JBolte. Mark, forschungen xx 13. auch sep. 19. 8 [s. 20 (10) spuren
der Faustsage in Wittenberg]. [78
Aus der wittenberger Universitätsmatrikel 1560 — 1660. von JBolte. Zs.
f. d. phil. 20,-SO. [79
76 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 IC
Das märchen von Hans Pfriem von JBolte. Zs. f. d. phil. 20, 325 [berührt
einschlägiges]. [80
Idealisni in lilerature by Bradford. The Andover review nov. [81
Die litt, des 19 jhs. in ihren hauptströmungen dargest. von GBraiides.
2 bd. Die romant. schule in Deutschland. Leipzig, Veit & de. v, 400. 8.
— Mag. f. d. litt. d. in- u. ausl. nr 4. Litt, centralbl. nr 17. BU. f. litt,
unlerh. nr 19 (Boxberger). [82
Weimar von GBrandes. N. fr, presse nr 8314 morgenbl. vgl. auch Basler
nachr. nr 289. [83
Brandl 1886 [62. — Litteraturbl. f. germ. u. rom. phil. nr 3 u. Litt, merkur
VII 205 (Pröscholdl). DLZ nr 40 (Mosen). Engl. stud. xi 139 (Koch). AZ nr 329
Verschiedenes. [84
Schiller, Goethe, Ghamisso et HdeKleist. les auteurs du programme (extraits
relies par des analyses). La fiancee de Messine, tragedie de Seh. classe de
rhetorique. suivi de: Hermann et Dorothee, Idylle epique de G. ; Marie Stuart,
dranie de Seh.; Pierre Schlemihl par Gh.; MKohlhaas par HdK., et oeuvres
historiques de Seh., avec notices et notes par Oßriois. classe de seconde.
Paris, Delagrave. lv, 373. 18. [85
A look round literalure by RBuchanan. London, Ward & Downey.
New-York, Scribner & WelfoVd. 386. 12 [s. 54-95 Goethe, s. 210— 7 Heine,
s. 239 — 302 die moderne biilme]. — Litt, merkur vii 178. Acad. nr 773
(Gaine), vgl. nr 774 s. 165. Literary world 18, 148. [86
Eine gereimte augsb. confession (1630) von GBuchwald. BU. f. hymnol.
s. 92. [87
11 libro deH'amore. poesie italiane e straniere raccolte e tradotte da MACanini.
Venezia, Coen & figlio [ua. sind Goethe u. Heine reich vertreten in guter
übers.]. — Gegenwart nr 22 s. 351. [88
Die geisll. liederdichter Schleswig-Holsteins [nachtr. u. forts. von 1886 [67]
von CECarstens. Zs. der gesellsch. f. Schleswig -holstein-lauenb. gesch.
bd. 17. [89
Lettres autographes composant la collection de Mr ABovet, decriles par
ECharavay. Paris, Charavay freres [bietet viel einschlägiges, ua. brief
Goethes an Schiller vom 13 oct. 1795]. [90
Poesias liricas alemanas de Heine, ühlaud, Zedlitz, Rückert, Hoflmann, Platen,
Hartmann y otros autores, vertidas en castellano por JClark. Paris, Bouret.
158. 32. [91
Württemb. väter. bd. 1. Von Bengel bis Burk. bilder aus dem christl. leben
Württembergs von WGIaus. Stuttgart, Calwer vereinsbuchhandl. 326. 8
[behandelt ua. JJ Moser, den liederdichter FGHiller]. — Litt, merkur
VI! 257. [92
Deutsche bailaden u. bilder. aus den quellen von ThColshorn. 2 aufl.
Halle, Gesenius. 358. 8. [93
ßConstants lagebücher. Revue internationale heft 1. 2 [der erste abschnitt
behandelt Constants u. der frau vStael aufenthalt in Weimar]. — AZ nr 65 B.
vgl. auch Litt, merkur vii 123. [94
Heinrich von Villena, ein span. dichter u. zauberer, von EDorer. Arch. f.
d. stud. d. neueren spr. 77, 129 [berührt JLimberg, Denkwürdige reisebe-
schreibung 1690, Ghamissos Schlemihl, Körners Der teufel in Salamanca]. [95
Reden von Edu Bois- Rey mond. 2 folge, biogr. wissensch. ansprachen.
Leipzig, Veit & cie. viii, 589. 8 [berührt mehrfach unsere class.]. [96
Hamburg im vorigen jh. von FEy fsen ha rdt in: Mitteil, aus der stadtbibl.
zu Hamburg iv. dr. von Meifsner, s. 3—38 [forts. von 1886 [77, aus AvHen-
nings hss., berührt litt. Verhältnisse]. [97
Mme de Stael par EFaguet. Revue des deux mondes 83,357 [berührt
deutsche litt.]. [98
Figures de l'Allemagne conlemporaine par JFastenrath. Paris, Savine.
xviii, 350. 8 [behandelt ua. Raimunds Verschwender. Karl Laroche. Schiller-
u. Uhland-feiei]. — Ell. f. litt, unlerh. nr 48 (Friedmann). Schwab, chron.
9, 1462. [99
LITTERATURGESCHICHTE 77
Die allg. lilteraturgesch, vor dem richterstuhle der unfehlbaren kirche von
CFey. D.-evang.bll. 12,811 [mit bezug auf das 1884 [17 verzeichnete werk]. [100
Ein wort über das lüneb. gesangbuch von 1625 von AFischer. Bll. f.
hymnol. s. 49. [101
Das lied 0 gott, du liebster gott u. dessen Umbildung von AFischer.
Bll. f. hymnol. s. 145. [102
iMach dich aufl", du Christen hertze (1657) von AFischer. Bll. f, hymnol.
s, 177. [103
Ein Zittau, dialectgedicht aus dem j. 1659 von LHFi scher. N. lausitz.
mag. 62, 292 (Jahresber. 9, 24). [104
ThCarlyles reiig. u. silti. entwickelung u. Weltanschauung, stud. von EFlügel.
Leipzig, Grunow. xii, 280. 8 [behandelt einschlägiges, ua. Goethe, s. Goethe-
jb. 9, 336]. — Engl. stud. xi 304 (Krummacher). [105
Aus der Jugendzeit von EFörster. Berlin u. Stuttgart, Spemann. xii, 391.
8 [berührt Goethe, vgl. Goethe-jb. 9, 337]. [106
Mysticismus u. pietismus im 19 jh. von GFranck. Bist, taschenbuch vi folge.
6 jg. s. 195. [107
Die bearbeitungen der gesch. von dem bergmann von Fahlun von GFried-
mann. berliner diss. Berlin, dr. der Berl. börsenztg. 61. 8 [behandelt Nüb-
ling (1810), Hebel, Rückert, CBTrinius, GTAHoffmann u. Öhlenschläger]. —
Zs. f. vgl. lilteraturgesch. u. renaissancelitt. n. f. i 298. [108
Das leben ThCarlyles von JAFroude. aus dem engl, übers., bearb. u. mit
anm. vers. von ThAFischer. 2 bde. Gotha, Perthes, vi, 370. xii, 408. S
[berührt Goethe u. Schiller]. — Bll. f. litt, unterh. nr 14. 5 (Waldmüllei).
Engl. stud. X 467 (Krummacher). Litt, centralbl. nr 45. DLZ nr 50
(vWeilen). [109
ThCarlyle. life by RGarnett (Great writers ed. by Robertson). London,
Scott. xxviH, 178. 12 [mit rücksicht auf Goethe u. Schiller notiert]. — Litt,
centralbl. nr 45. Acad. nr 799. Engl. stud. xi 304 (Krummacher). [110
Ein Prediger aus dem 17 jh. mitgeteilt von GGeilfus. Zürcher taschen-
buch n. f. 10 jg. [111
Mutlerlieb in lust u. leid, eine festgabe, den deutschen müttern geweiht
von AGeorge. Würzburg, Stahel. xiv, 343 mit einer lichtdr.-tafel [enthält
auch älteres]. — AZ 1886 nr 350 Verschiedenes. [112
Glässer 1886 [91. — Grenzbolen 46, 1, 45. Zs. f. d. gymnasialwesen 41,
676 (Wezel). [113
Die legende von der pfalzgräfin Genovefa von FGörres. Westdeutsche zs.
f. gesch. u. kunst vi 218. [114
D. -Schweiz, dichter u. das moderne naturgefühl. zur feier des lOOjähr.
kultus der Schweizerreisen von WGötz. Stuttgart, Schröter & Meyer, 25.
8. — Litt, merkur vii 33 (Dippel). Bll. f. litt, unterh. nr 4 (Weitbrechl). [115
Des Schweizerlandes kultur u. weltstellung im Spiegel der dichtung. ein
Vaterland, lesebuch f. die Schweizerjugend zur pflege nationaler gesinnung
hg, von WGötz. Davos, Richter, xi, 185. 8. [116
Grand-Carteret 1886 [93. — D, rundschau 51, 478. Revue critique
nr 26 (Joret). [117
Grisebach 1886 [97. — Saturday review nr 1657. [118
Die lilleraturwissensch., ihr ziel u. ihr weg von EG rosse, hallenser diss.
Halle, iii, 71. 8. [119
Kaiserin Maria Ludovica von Österreich von EGuglia. Zs. f. allg. gesch.,
kultur-, litt.- u. kunstgescb. 4, 264 [berührt ihre beziehungen zur deutschen
litt., vgl. 1886 [749. 782. 783]. [120
Samml. zeitgemäfser broschüren von PLHaff ner. Frankfurt a/M. u. Luzern,
Fösser nachf. 362. 8 [enth. s. 33 Goethes Faust als Wahrzeichen moderner
kultur. s. 74 Goethes dichtungen auf sittl. gehalt geprüft, s. 301 Voltaires
epigonen in Deutschland]. [121
The Hayward letlers, being a seleclion from the correspondence of the late
AHayward (translator of Goethes Faust) 1834—1884. 2 vols. New-York.
Scribner & Welford [briefwechsel mit frau vGoethe, Tieck usw.]. [122
78 BIBLIOGBAPHiE FCB 1887 IC
Deutsches lesebuch aus den besten dichtem u. Schriftstellern zum gebrauch
beim Unterricht im deutschen zusammengest. von CHebbel u. PdeMont.
3 teil. Die deutsche litt, von 1720 bis zur gegenwart. mit biogr. u. anm.
Lierre, Van In i- cie. 582. 8. [123
FH ebb eis tagebncher. mit einem vorw. hg. von FBamberg. bd. 2.
Berlin, Grote. 592. 8. vgl. auch 1886 [101. — Grenzboten 46, 1, 22.
Gegenwart nr 18 (Zolling). Litt, centralbl. nr 22. ßU. f. litt, unterb. nr 22
(Conrad!). Beil. zur Bohemia nr 159. 63. Nord u. süd 42,304. Wissensch.
beil. d. Leipz. ztg. nr63 (Prölfs). AZ nr ti. 8 B, Westermanns monatshefte 62,
801 u. Unsere zeit n 354. 471 (Lemniermayer). Wiener ztg. nr 14—7 (Werner).
Presse nr 17 (Karpeles). N. fr. presse nr 8181. 2 (Königsberg). [124
Briefe von u. an Hegel, hg. von KHegel. 2 bde (H.s werke xix 1. 2).
Leipzig, Duncker & Humblot. xii, 430. 399. 8 [bietet manches einschlägige].
— Revue des deux mondes 82, 213 (Valbert). D. rundschau 52, 478. Litt,
centralbl. nr 38. Grenzboten 46, 4, 25 (Borinski). Saturday review nr 1657,
Philos. monatshefte 23, 598 (Schaarschmidt). Mind 12, 474. Litt, merkur
vm 61 (Klüpfel). AZ nr 125. 6 B (Carriere). vgl. auch Goethe-jb. 9, 301 . [125
Kulturgesch. des deutschen volkes von OHenne am Rhyn. 5 (schluss-) abt.
bd.2. Berlin, Grole. 241— 412. 4 [berührt ua. Goethe] (Goethe-jb. 8,323). [126
Hense 1886 [102. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 78,463. [127
Deutsches lesebuch f. die oberen classen höherer lehranst. ausw. deutscher
poesie u. prosa mit litterarhist. Übersichten u, darsteliungen von JHense.
2 teil. Dichtung der neuzeit. Freiburg i/B., Herder, mi, 438. 8. [128
RdeCarbonnieres, ein beitr. zur gesch. der stürm- und drangperiode von
FHeymach. progr. d. gymn. zu Corbach. Mengeringhausen, dr. der Wei-
gelschen hofbuchdr. 20. 4. [129
Zur gesch. des Arminiuskultus in der deutschen litt. 1 u. 2 teil von PvHof-
mann-Wellenhof. progr. der landesoberrealschule zu Graz. 52. 8.
vgl. 1886 [107. [130
Dichter u. dichterinnen aus dem hause der Ascanier von WHosäus. forts.
Mitteil, des ver. f. anhält, gesch. u. altertumskunde v 114. [131
Luise, königin von Preufsen. nach Hudsons Life and time of Louisa, queen
of Prussia unter niitwirkung von WW agner selbständig bearb. von RCarl
u. KFPfau. rechtmäfsige deutsche ausg. 1 u. 2 unveränderte aufl. Leipzig,
Pfau. X, 460. 8 [berührt ua. ihre beziehungen zu Goethe, Schiller, Jean Paul].
— Gegenwart nr 52 s. 414. [132
Karpeles 1886 [113. — Litt, centralbl. nr 17. [133
Kawerau 1886 [114. — Litt, centralbl. nr 28. DLZ nr 49 (Schmidt). [134
Das bergwerk in der litt, von WKirchbach. Nationalztg. nr 214.6. [135
Von deutscher dichtung in Böhmen von AKlaar. Österr.-ungar. revue
III 312. IV 66. [136
Ausw. deutscher gedichte. im anschluss an die Gesch. d. d. nationallitt, von
HKluge. 3verb.u.verm. aufl.mit66 portr. Altenburg, Bonde. vin,619. 8. [137
Ausw. deutscher gedichte f. d. schulgebrauch zusammengest. u, hg. von
FKnaulh. mit einem litterargeschichtl. überblicke, den biogr. der dichter
u. einem abrisse der poetik. 9 aufl. Halle, Hendel, vm, 350. 8. [138
Preufs. hilderbuch von KKoberstein. Leipzig, Duncker & Humblot. vii,
243. S [darin Der dichter des Frühlings (EvKleist), Lützows wilde verwegene
jagd (Körner u. Jahn)].— Litt, centralbl. nr 31. DLZ nr 38 (Wiegand). Gegen-
wart nr 43 s. 271. Westermanns monatshefte 63, 270. [139
Die deutsche dichtung u. die befreiungskriege von KKoberstein. Wester-
manns monatshefte 62, 465. [140
*[Über vgl. litteraturgesch, von MKoch. Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 1.
vgl. DLZ nr 14 (Burdach)]. [141
Lebensbilder deutscher dichterinnen von MKoch. Zs. f. vgl. litteraturgesch.
u. renaissancelitt. n. f. i 282 [behandelt 1885 [249. 1887 [402. 470. 474. 731.
856. 1022]. [142
Kohn 1886 [117. — Zs. f. deutsche spr. i 47. Revue critique nr 6 s. 119
(Joret). Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 78, 469 (Arnheim). [143
LITTERATURGESCHICHTE 79
Ragende gipfel. beitr. zur litteraturgesch. der letzten 2 jhh. essays u.
Skizzen von AK oh ut. Minden, ßruns. viii, 332. 8 [behandelt einschlägiges,
ua. s. 60 Goethe u. Manzoni]. [144
Materiaux pour servir a l'histoire des etudes allemandes en France au 18*
siecle par Kont. Revue de l'enseignement des langues Vivantes nr 9 nov.
[auszüge aus dem Journal etranger u. der Gazette litt, de l'Europe]. [145
Landeiiberger 1SS6 [123. — Litt, centralbl. nr 24. [146
Leimbach 1886 [128. bd. 7 Ifg. 3 (schluss). 321—475. S. — Ell. f. litt,
unterh. nr 48 s. 766. [147
L'influence de JJRousseau en Alleniagne par Levy-Brühl. Annales de
l'ecole iibre des sciences politiques 1887 ni. [148
Histoire des idees religieuses en Allemagne, depuis le inilieu du 18* siecle
jusqu'ä nos jours par JLi ch ten berger. 3 vols. Paris, Fischbacher.
370. 402. 404. 18. [149
EGeibel. aus erinnerungen, briefen u. tagebüchern von CGTLitzmann. Berlin,
Hertz. VII, 255. 8 [berührt einschlägiges, vgl. Goelhe-jb. 9, 338]. — Sonntags-
beil, zur Voss. Ztg. nr 27 (Preufs). [150
Der kämpf um den hist. roman von HLöbner. Gegenwart nr 34. [151
Weimar u. seine kunstschätze von WLübke. Nord u. süd 41,22 [berührt
die Goethe-Schiller-zeit]. [152
Mayr 1886 [136. — Bll. f. litt, unterh. nr 4 (Weilbrecht). Litt, merkur
VII 105. Zs. f. d. österr. gymn, 38, 154 (Minor). Litt, centralbl. nr 50. Österr.
litt, centralbl. nr 7 (Gassiier). [153
Mays 1886 [137. — Westermanns monatshefte 61,564. [154
HMeyer 1886 [139. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 77,228. [155
Die deutschen class. u. das kirchenlied von ÜTMeyer. Bll. f. hvninol.
s. 104. 19. 36. 49. 62. " [156
Meyer Gohn 1886 [140. — N. fr. presse nr 8178 abendbl. (vWeilen). [157
Quellenstud. zur litteraturgesch. des 18 jhs. von JMinor. i Zu WieJHnd
[Der unzufriedene. Selim u. Selima. Nadine. Musarion. Die W.schen Sing-
spiele u. Goethes Iphigenie]. ii Zu Lessing [L.s urteil über den Goetheschen
Werlher. Zum Philolas]. Zs. f. d. phil. 19, 219. [158
Quellenstud. zur litteraturgesch. des 18 jhs. von JMinor. 1. Zur hamb,
preisaussclireibung [1775, behandelt Schinks Gianetla Montaldi, vergleicht
Schillers Cosmus von Medici mit Brandes Die Mediceer u. Edinhards Ver-
schwörung der Pazzi zu Florenz]. 2. Schiller u. Leisewitz. 3. Die rauher
u. Goethes Götz. 4. Schiller u. Shakespeare. 5. Zu Schillers Spaziergang
u. Tiecks Gestiefeltem kater. 6. Zum Venuswagen [bekanntschaft Schillers
mit ÄAlbertinus, Lucifers seelengejaidt u. dem Simplicissimus (?)]. 7. Zu
Goethe [Götz, Faust, Unterhaltungen deutscher ausgewanderten, Erwin u.
Elmire, briefe an frau vStein]. 8. Zu Goethes naturwissensch. schriften.
Zs. f. d. phil. 20, 55. 128. [159
Schleswig-Holsteins anteil am deutschen evang. kirchenliede von Möller.
Zs. der gesellsch. f. schleswig-holstein-lauenb. gesch. bd 17. [160
GMonti, Studi critici. Firenze, Münster. 295. 16 [behandelt ua. Schiller
u. Goethe]. [161
Moser 1886 [142. — Anz. xiii 125 (Steinmeyer). Bll. f. litt, unterh. nr 5
(Schröter). Litt, merkur vii 178. [162
Diejüd.kanzelberedsamkeit im ISjh. vortr.von JMüller. Populär-wissensch.
monatsbll. zur belehrung über das Judentum hg. von Brüll vii nr 3 ff. [163
Dichterbilder u, dichterstud. aus der neueren u. neuesten litt, von FAMuth
I. Frankfurt a/M,, Fösser. vn, 357. 8. — Bll. f. litt, unterh. nr 19 (Box-
berger). Stimmen aus Maria-Laach 32, 119. [164
Neil ring, Mickiewicz w literaturze niemieckiej [Mickiewicz in der deutschen
litt.]. — Pamietnik towarzystwa literackiego imienia AMickiewicza pod re-
dakcya Romana' Pilata (Lemberg) s. 234 (Zipper). [165
Das evang. kirchenlied f. schule, seminar u. confirmandenunterricht ausgew.,
erklärt u. disponiert nebst einem anh.: Kurzer abriss der gesch. des kirchen-
liedes von LNesemann! Gütersloh, Bertelsmann, iv, 416. 8. [166
80 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 IC
Wie man litteraturgesdi. u. derartige biicher macht von ENestle. Korrespon-
denzbl. f. d. gelehrten- u. realschulen Württembergs 34, 108. [167
Norton 1886 LTT4. — Litt, cenlralbl. nr 13. D. rundschau 51, 155. [168
ThCarlyle, Reminiscences, ed. by ChENorton. 2 vols. London, Macmillan Sc
cie. VII, 277.325. 8 [aufgenommen mit rücksicht auf Goethe u. Schiller]. — Litt,
centralbl. nr 45. Acad, nr 792 (Wallace). [169
Von deutscher art. gedichte zur förderung deutscher gesinnung hg.vonAOhorn.
Leipzig, Renger. xvi, 242. mit 5 photozinkogr. 8 [berührt ua. Arndt]. [170
Die genesung des Idealismus der Deutschen von WOncken in: Das Zeitalter
der revolution, des kaiserreiches u. der befreiungskriege. Berlin, Grote.
bd. 2 s. 377 [berührt Kant, Goethe, Schiller, Fichte]. [171
Oesterlen 1886 [144. — Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 339 (Weyman). [172
Pape 1886 [146. — D. revue xii 1, 125. [173
La legende du mari aux 2 femmes par GParis. Revue pol. et litt. 21. [174
Pommersche lebens- u. landesbilder. nach gedr. u. ungedr. quellen entworfen
vonHPetrich. 2 teil. Aus dem Zeitalter der befreiung. 2 halbbd. Stettin,
Saunier, x, 364. 8 [behandelt ua. EMArndt, KGLappe]. — DLZ nr 33 (Lorenz).
Litt, centralbl. nr 33. Monalsbll. hg. von der gesellsch. f. pommersche gesch.
u. altertumskunde s. 95 (Wehrmann). Litt, merkur vii 136 u. Theol. litteraturbl.
s, 61 (Strehle). [175
Pf äff 1886 [148. — Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 360 (Weifsenfeis). Zs. f.
d. österr. gymn. 38, 152 (Minor), vgl. ebenda s. 325. 7. Litteraturbl. f.
germ. u. rom. phil. nr 1 (Muncker), vgl. ebenda nr 3 sp. 150. Nationalztg.
nr 452 (Ellinger). Litt, rundschau 13, 249. 284. [176
Dichterfreundinnen von FPfalz. 2. Karoline vWolzogen. 3. Die Titanide
[ChvKalb]. 4. Madame Lucifer [Karoline Schlegel]. Grenzboten 46, 1, 529.
83. 3, 179. 220. 76. 4, 128. 75. 223. [177
Pisanski 1886 [150. — Litt. centralbL nr 38. [178
La letteratura tedesca in Italia. vortr. von prof. Pizzo. N. Zürcher ztg.
nr 20. [179
* Festkalender in bildern u. liedern, geistl. u. weltl. von FvPocci,
GGörres u. ihren freunden, neue ausg. 2 teil. Freiburg i/Br., Herder,
1886. — AZ nr 24 Verschiedenes. Stimmen aus Maria -Laach 32, 111. Litt,
rundschau 13, 27. [180
Pol.lieder aus dem 30 jähr, kriege veröffentlicht von CPöhlmann. Arch. des
bist. ver. von Unterfranken u. Aschaffenburg bd. 30. [181
Aus LvRankes lebenserinnerungen mitgeteilt von ADove. D. rundschau
51, 38 [berührt Goethe, Klopstock, Schiller]. [182
Rathgeber 1886 [153. — Litt, centralbl. nr 6. [183
vReinhardstöttner 1886 [154. — Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 342 (Francke).
DLZ nr 37 (vWeilen). Litt, centralbl, nr 49. [184
Aufsätze u. abhandiungen, vornehml. zur litteraturgesch. von KvRein ha rd-
stöttner. Berlin, Oppenheim. 310. 8 [s. 63 Rückerts Herodes der grofse.
s. 71 Napoleon i in der zeitgenössischen dichtung. s. 250 Goethes Faust in
Portugal (vgl. Goethe-jb. 9, 333)]. — Gegenwart nr 22 s. 350. Zs. f. vgl.
ntteraturgesch. u. renaissancelitt. n. f. i 92 (Storck). [185
Über die beziehungen der ital. litt, zum bayr. hofe u. ihre pflege an dem-
selben von KvReinhardstöttner. Jb. f. münchner gesch. i 93 [bietet einiges
wenige einschlägige]. [186
Renner 1886 [155. — Theol. litteraturbl. s. 116 (Wilhelmi). [187
Ritschi 1886 [159. — Bist. zs. 57, 476 (Gottschick). [188
Bilder aus dem berliner leben von JRodenberg. n. f. 1 u. 2 ausg. Berlin,
Paetel. viii, 283. 8. s. 1886 [160. — Bll. f. litt, unterh. nr 37. [189
Über litt.-stud. als mittel der erziehung von JRodenberg. D. rundschau
52, 474 [im anschluss an JMorley On the study of literature. the annual
address to the students of the London society for the extension of univer-
sity teaching. delivered at the Mansion house, febr. 26, 1887. London, Mac-
millan & cie]. [190
Roeber 1886 [161. — DLZ nr 31 (Sauer). [191
LITTERATURGESCHICUTE 81
Grofse u. kleine leute in Alt-Weimar, novellen von ORoquette. Breslau,
Schottländer, vin, 460, 8 [behandelt die Goethe-Schiller- zeit]. — AZ 1886
nr 344 B (Lang). D. dichtung ii 303 (Börnes). Schwab, chron. s. 1633. [192
Künstlerbriefe aus den jj. 1760—1830. aus dem nachlass von WRossmann
I— IX. Wissensch. beil. d. Leipz. ztg. nr 52. 4. 6. 8. 64. 6. 76. 8. 88 [i— iii
enth. briefe von u. an Friderike Oeser]. [193
Ruge-Nerrlich 1886 [163. — Bist. zs. 57, 106. [194
Über die neuere deutsche prosa. rede von GRümelin. referat in Schwab,
chron. s. 2010. Staatsanz. f. Württemberg nr 262 beil. vgl. auch Litt, mer-
kur VIII 54. [195
*Fürs deutsche haus, blüteniese aus der bibel u. den mustergiltigen griech.
u. röm. Schriftstellern, als der grundlage unserer volks- u. gelehrtenbildung.
von DSanders. mit einem titelbild von OWisnieski. Berlin, Rosenbaum,
] 886 [bietet einschlägiges]. — Gegenwart nr 28 s. 30. [196
Zum 100 jähr, andenken an JF. frhrn vCotta [von ASchäffle]. AZ nr 333.
42. 3. 53. 4. 9. 60 B. [197
*Gesch. der Deutschen in England von KHSchaible. Strafsburg, Trübner,
1885. — Engl. Studien x 438 (Hager). [198
Schieiden 1886 [167.— Nationalztg. nr 416 (Ellinger). [199
Schmidt 1886 [168. — Grenzboten 46, 1, 129. Bes. beil. des Staatsanz, f.
Württemberg nr 7 s, 109 (Fischer). Bll. f. litt, unterh, nr 20 (Schlossar),
Saturday review nr 1657. New-York nation nr 1053. Anz. xiii 388 (Werner).
Litteraturbl. f, germ, u. rom. phil. nr 11 (Koch). DLZ nr 51 (Minor). Revue
critique nr 51 (Chuquet), Weser-ztg. nr 14593. Ztg. f, litt., kunst u, wissensch.
des Hamb. corresp, nr 2. [200
Ein deutscher Don Quixote, lustige streiche des frhrn vKyau, weil, comman-
dant der festung Köiiigstein. bearb. von FSc hmid t-H ennigker (Humorist,
bücherei 8 bdclien). Leipzig, Leiner, 80. 12, [201
Gesch. der nl. litt, mit benutzung der hinterlassenen arbeit von FvHellwald
verf. u, durch proben veranschaulicht von LSchneider (Gesch. der weltlitt,
in einzeldarsteilungen bd. 9). Leipzig, Friedrich, xvi, 868. 8 [berührt auch
einschlägige deutsche litt.]. [202
Lichtgedanken, aus deutschen dichtem ausgew. von RSchramm. Leipzig,
Wigand. iii, 234. 8. — Bil. f. liü, unterh, nr 44 (Ziel). [203
Das land der Bajuvaren in iiedern verherlicht, gesamm. u. zusammengest,
von GvSchulpe. mit einem vorw. von KZettel, Leipzig, Friedrich, vn,
195, 8 [berührt ua. Chamisso, Platen, Simrock]. [204
Die pflege der poesie in der Volksschule, volkstüml. u. class. gedichte,
f. den gebrauch in volks- u. mittelschulen erläut. u. methodisch behandelt,
nebst kurzen biogr. der dichter von LESeidel. Langensalza, schulbuch-
handl. xii, 508. 8. [205
Perlen der pessimistischen Weltanschauung, in meisterwerken der litt, ge-
funden von .MSeiling. München, Ackermann, x, 140, 8. — Litt, merkur
VII 265, * [206
Switzerland. literature. Encycl, britannica 9 ed, 22, 796 (JSime), [207
Söderhjelm 1886 [182. — Litt, centralbl. nr 23 (Greizenach). Litteraturbl.
f. germ. u. rom. phil. nr 6 (Koch). [208
Springer 1SS6 [184. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 79, 112. [209
Springer 1886 [185. — Litt, merkur vii 121 (Koch). [210
Die grofse Stufenleiter, ein cap. aus der gesch, der ideen von GSterne.
2, Von Leibniz bis auf Kant u. Goethe. Sonntagsbeil, zur Voss. ztg. nr 31. [211
Strackerjan 1S86 [187. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 77, 231. [212
S ü p f 1 e 1886 [189. — DLZ nr 4 (vWaldberg). Litt, centralbl. nr 9. Wester-
manns monatshefte 62, 134. Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 334 (.Meyer). D.
rundschau 53, 478. Revue de l'enseignement des langues Vivantes nr 7/8
sept.-oct. (Veyssier). [213
Frz. stud. über die deutsche litt, vor frau vStael von ThSüpfle. Zs. f.
vgl. litteiaturgesch. u. renaissancelitt. n. f. i 221. [214
Über kriegspoesie. ein beitr. zur betrachtung des krieges von der idealen
A. F. D. A. XV. 6
82 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 ICD
Seite von FT ei eher. München, Ackermann, iv, 122. 8. — Grenzboten 46,
3, 247. [216
Thiemann 1886 [190. — Bli. f. litt, unterh. nr 2 (Henne Am-Rliyn). D.
revue xii 1, 254. DLZ nr 10 (v Waldberg). Westermaniis monatshefte 62,
134. Litt, centralbl. nr 14 (Greizenach) u. nr 28 (Koch). Litt, merkur viii 20.
D. litteraturbl. x nr 4 (Gast). [216
AUg. bist, porträtwerk, eine samml. von über 600 portr. der berühmtesten
personen aller nationen von ca. 1300 bis ca. 1840. mit biogr. daten von
HTillmann u. HALier. nach ausw. von WvSeidlitz. phototypien nach den
besten gleichzeitigen originalen. [5 seiie: Dichter, Schriftsteller, Verleger]
Ifg. 47 — 60. [7 Serie: Dichter u. schriftsteiler] Ifg. 61 — 70. München, Ver-
lagsanst. f. kunst u. wissensch. ä 5 bl. mit je 5 bl. text. fol. — AZ nr 196 B
(Beiger). Gegenwart nr 49 s. 366. [217
Eines meistersingers hinrichtung zu Ulm 1608. von KTrautmann. Alem.
15, 68. [218
Trinius 1886 [192. — D. rundschau 51,479. Litt, centralbl. nr 45. [219
Von der Spree bis zum Main, eine eisenbahnfahrt von der deutschen reichs-
hauptstadt zur deutschen krönungsstadt von ATrinius. 3 aufl. (Europ.
Wanderungen ii). Berlin, Laverrenz. vii, 167. 8 [berührt ua. class. dichter-
stätlen]. — Bll. f. litt, unterh. nr 48. [220
Die anfange neuzeitl. dichtung im württemb. Schwaben von KTrost. Zs.
f. allg. gesch., kultur-, litt.- u. kunstgesch. 4, 594. [221
Zur altenb. hymnopoeogr. von WTümpel. Bll. f. hymnol. s. 12. 76. 159. [222
Was haben die deutschen dichter nach den befreiungskriegen getan, um das
deutsche nationalbewustsein zu heben u. zu stärken? von WUlrich in:
Bilder aus der gesch., der kullurgesch. u. dem litt, leben der Völker. Leipzig,
Unflad [VI, 318. 8], s. 193. [223
Eginhard u. Emma, eine deutsche sage u. ihre gesch. ein vortr. von HVarn-
h a ge n. Arch. f. litteraturgesch. 15, 1. 449 [berührt JLipsius, Zincgref, Omeis,
Hofmannswaldau, Langbein, BNaubert, FKratter, Fouque, HvChezy, Haus-
wald]. [224
Der Spectator als quelle der Discurse der maier von ThVetter. Frauenfeld,
Huber. i u. 34. 4. — Litt, centralbl. nrl7. [225
Chron. der gesellsch. der mahler. 1721—2. nach dem ms. der Zürcher
stadtbibl. hg. von ThVetter (Bibl. älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz
2 Serie, 1 hefl). Frauenfeld, Huber. viii, 117. S. — Litt, centralbl. nr 46. [226
Die bedeutungsentwicklung des Wortes roman von PVölker. Zs. f. rom.
phil. 10, 485. auch hallenser diss. 41. 8. [227
Wagner 1886 [195. — Zs. f. vgl. litteraturgesch. 1 483 (Luber). [228
vWaldberg 1886 [196. — Revue critique nr 2 (Chuquet). [229
Verschollene dichter, biogr.-krit. aphorismen von HWa 1 ter. Berlin, Nauck
in comm. vi, 28. 8 [behandelt AFresenius, JGWetzel u. den frhrn vSonnen-
berg]. [230
Jugendeindrücke u. erlebnisse. ein bist, zeitbild von GW eher. Leipzig,
Engelmann, viii, 295. 8 [behandelt die romant. schule]. [231
Wehl 1886 [202. — Unsere zeit i 90 (vGottschall). AZ nr 193. 4 B (Bor-
mann). [232
Wehl 1886 [203. — Litt. centralbL nr 3. [233
Weitbrecht 1S86 [207. — Grenzboten 46,4,351. Bll. f. litt, unterh. nr 19
(Boxberger). Litt, merkur vii 216 (Geiger). D. evang. kirchenztg. nr 22. [234
Weitbrecht-Seuffer 1886 [208. — Litt, merkur Mii 51 (Geiger). [235
Deutschland vor 100 jj. pol. meinungen u. Stimmungen bei anbruch der
revolutionszeit von WWenck. Leipzig, Grunow. viii, 276. 8 [berührt litterar-
geschichtl.]. — Bll. 1. litt, unterh. nr 32 (Müller). Litt, centralbl. nr 35.
Litt, merkur vii 279. DLZ nr 42 (Wohlwill). AZ nr 127. 9 B (Blum). [236
Wetz 1886 [210. — Arch. f. litteraturgesch. 15,323 (Werner). Litteraturbl.
f. germ. u. rom. phil. nr 7 (Stiefel). Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 484 (Bober-
lag). Zs. f. nfrz. spr. ix 108 (Mahrenholtz). [237
Litt, kastentum von SWollerner. Litt, merkur vii 133. 42. [238
LITTERATDRGESCHICHTE. DRAMA UND THEATER 85
Wustmann s. 1886 [213. 2 verra. u. verb. aufl. Leipzig, Grunow. xvi,
608. 8. — Grenzboten 45, 4, 385 (Pfalz). DLZ nr 52. Litt, merkur vii 90.
D. litteraturbl. ixnr51 (Weitbrecht). AZ nr 165 B Verschiedenes. Litt, rund-
schau 13, 188 (Hellinghaus). [239
Das liircheniied, im anschluss an biblische lebensbilder behandelt von OZuck.
mit einem anh. : Kurze gesch. des Kirchenliedes. 2 aufl. Bernburg, Bac-
meister. viii, 267. 8. [240
Ähren u. bluten, vgl. 1886 [219. 4 bdchen (Volksbibl, d. Lahrer hinken-
den boten nr 301—20). Lahr, Schauenburg. 52. 64. 62. 56. 12. [241
Berlin im j. 1786 1886 [220. — Litt, merkur vii 120. DLZ nr 11 (Erman). [242
Blüten u. perlen deutscher dichtung. f. frauen ausgew. von frauenhand.
neue miniaturausg. mit 10 illustr. 29 aufl. Halle, Gesenius. xvi, 464. 16. [243
Bilder aus vergangener zeit nach mitteil, aus grofsenteils ungedr. fami-
lienpapieren, als ms. gedr. 2 teil. Bilder aus KSievekings leben. Ham-
burg, agentur des rauhen hauses. xi, 367. 8. vgl. Goethe-jb. 8, 320, auch
1884 [62. [244
Berichte des fr. d. hochstiftes zu Frankfurt a/M, hg. vom acad. gesammt-
ausschuss. n. f. 3 bd. jg. 1886/7. Frankfurt a/M., Knauer. vii, 175 u. 313
u. 80. 8 [darin s. 4 LGeiger, Goethe im j. 1786. eine säcularerinnerung;
s. 47 TliZiegler, Schiller u. das sittliche ideal; s. 172 JNo ver, LUhland;
in den berichten aus den acad. fachabt. s. 11 MZiegert, Wieland u. seine
Verleger; zu s. 65 JCLavater nach dem originalgemälde (lichtdr.); s. 131
MZiegert, Der musiker KEberwein u. Goethe; s... 145 FR e hörn, Das Ver-
hältnis Shaftesburys zu Lessings Laokoon; s. 164 RÖsten, Deutsche balladen-
poesie; s. 254 KReinhardt, Goethes Egmont u. Schillers rec.]. [246
Aus der tageslitt. des 30 jähr, krieges. Belletrist.-litt. sonntagsbeil. der Hamb.
nachr. nr 35. [246
Politische verse vom j. 1812. Hamb. nachr. nr 212 feuill. [247
.\us u. über Hamburg, mitleil. aus dem briefwechsel des Schwab, dichter-
kreises. Belletrist.-litt. sonntagsbeil. der Hamb. nachr. nr21. [248
Wer nicht liebt wein, weib u. gesang [zeugnis aus d. j, 1797]. Arch. f.
litteraturgesch. 15, 210. [249
Allerlei vom kirchenliede. Bll. f. hymnol. nr 8. 11. 2. [250
Aus dem Karlsbade. Nationalztg. nr 432. 8. [251
[Autogr., in verschiedenen catalogen angeboten, insbes. Goethe betr.: Goethe-
jb. 9, 302—4]. [252
iD. Geschichte des dramäs xtsd des theaters.
Der Schwab, dialect auf der bühne von JBolte. Alem. 15, 97. [253
Der verirrte soldat, ein drama des 17 jhs. von JBolte. Zs. f. d. phil.
19, 86. [254
Schulcomödien in Goslar, auch zu Blankenburg a/Harz von JBolte. Zs. des
Harzver. 20, 553. [255
Jesuitencomödien in Posen ums j. 1600 von JBolte. Zs. der bist, gesellsch.
f, die provinz Posen 3, 230. [256
[Über dramatisierungen der Bandelloschen novelle, welche Shakespeare in Viel
lärm um nickts verarbeitete, durch DBärholtz (1644 — 92), Kongehl (1683) von
JBolte. Jb. d, d. Shakespearegesellsch. 22, 273]. [257
Hans unter den Soldaten, eine posse des 17 jhs, von JBolte. Jb. f. nd.
sprachf. 12, 130. vgl. Korrespondenzbl. d. ver. f. nd. sprachf. xii 44
(Sprenger). [258
Zur Kunst über alle künsle (1672) von JB o 1 1 e. Arch. f. litteraturgesch.
15, 446. [259
Zur stettiner theatergesch. (1724) von JBolte. MonatsblL hg. von der
gesellsch. f. pommersche gesch. u. altertumskunde s. 57. 112. [260
Le theätre en Allemagne, son origine et ses lüttes (1200—1760) par JBrü-
ning avec preface de HLapommeraye. ouvrage accompagne de gravures.
Paris, Plön, Nourrit & cie. xii, 300. 18. — DLZ nr 50. Athen, nr 3125.
6*
84 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 ID
Zs. f. vgl. litteraturgesch. u. renaissaiicelitt. n. f. i 299 (Creizenach). Die
natiou iv 586 (Duboc). [261
Dramaturgie der oper von HBulthaupt. 2 bde. Leipzig, Breitkopf & Härtei.
VI, 404. 322. S [berülirt gelegentlich auch die dichterische behandlung der
einschlägigen Stoffe]. [262
Stud. zur gesch. der dram. poesie im 17 jh. von WCreizenach. 2. Die
tragödie Der bestrafte brudermord oder prinz Hamlet aus Dänemark u. ihre
bedeutung für die kritik des Shakespeareschen Hamlet. Ber. der kgl.
sächs. gesellsch. der wissensch. phil.-hist. cl. 39, 1. — Engl. stud. xi 141
u. Zs. f. vgl. litteraturgesch. u. renaissancelitt. n. f. i 107 (Pröscholdt),
vgl. [291. [263
Engl, comödianten in Strafsburg i/E. von JC rüger. Arch. f. litteraturgesch.
15, 113. [264
Dehlen 1886 [233. — Philos. monatshefte 23,622 (Schaarschmidt). [265
Das Stadttheater in Coblenz, eine festschr. zum 100 jähr. Jubiläum am 23 nov.
1887 von CDommershausen. mit einer ansieht des Innern des theaters,
einem plane der numerierten sitze u. 2 theaterzetteln von 1788 u. 91. Coblenz,
Groos in comm. 40. 16. [266
Ellinger 1886 [236. — D. dichtung ii 124 (Boxberger). Zs. f. d. österr.
gymn. 38, 205 (Werner). [267
Zur Wechselwirkung des volks- u. kunstdramas im ausgehenden 17 u. be-
ginnenden 18 jh. von GE Hingen Zs. f. d. phil. 19, 119 [behandelt eine
scene aus ChReuters Singspiel Des harlequins hochzeitschmaufs]. [268
Die Don Juan-sage auf der bühne von KEngel. zur 100 jähr, feier der
ersten aufführung von Mozarts Don Juan am 29 oct. 1787. mit einem anh.
[darin ua. Don Juan, gedieht von ARudolf (mit Zugrundelegung des Schiller-
schen bruchstückes). Zusammenstellung von Don Juan-schriflen]. Dresden
u. Leipzig, Pierson. 265. 8 [2 capitel auch Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 392
mitgeteilt]. — Berl. tagebl. nr 547 (Ehrlich), s. auch [272. 292. 815. [269
Zur gesch. des liebhabertheaters. ein kulturhist. beitr. von RFalck. Berlin,
Brachvogel & Boas, vi, 168. 12 [berülirt ua. die aufführungen des Goethe-
schen kreises in Weimar u. die ersten Faustaufführungen durch fürst Radziwill
in Berlin]. — Wissensch. beil. d. Leipz. ztg. 18S.6 nr 92 (Riffert). Litt, centralbl.
nr 10. DLZ nr 17 (vWeilen). Westermanns „monatshefte 63, 272. [270
Das wiener volkstheater von SFeldmann. Über land u. meer nr 43. [271
Mozarts Don Juan 1787 — 1887. ein beitr. zur gesch. dieser oper. von
RvFreisauff. hg. von der internationalen Stiftung Mozarteum in Salzburg,
mit 9 kunstbeil. Salzburg, Kerber. viii, 188. 8. — Berl. tagebl. nr 547
(Ehrlich), s. auch [269. 292. 815. [272
Gaedertz 1885 [166. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 77,456, [273
*100 jj. des kgl. Schauspiels in Berlin nach den quellen geschildert von
RGenee. Berlin, Hofmann & cie, 1886. — Die post 1886 nr 308 1 beil.
feuill. Berl. tagebl. 1886 nr 618 (Blumenthal). Bazar 1886 nr 46 (vPederzani-
Weber). D. wochenschr. 1886 nr 28 (Lindenberg). D. ztg. 1886 nr 5371.
Nord u. Süd 40, 268. Litt, merkur vii 130 (George). [274
Die natürlichkeit u. die bist, treue in den theatralischen Vorstellungen, von
RGenee. AZ nr 161. 4B. [275
Über dram. Schüleraufführungen von GHauber. Korrespondenzbl. f. d. ge-
lehrten- u. realschulen Württembergs 34, 120. auch sep. Tübingen, Fues.
26. 8 [berührt im eingang die geschichll. enlwicklung des schuldramas]. [276
JVelten. ein beitr. zur gesch. des deutschen theaters im 17 jh. von KHeine.
hallenser diss. Halle a/S., Niemeyer in comm. 63. 8. [277
Die narrenweltder bühne von FHelbig. Westermanns monatshefte 62, 654. [278
Hermann 1886 [239. — DLZ nr 3 (Minor). [279
Jonas 1886 [241. — Zs. f. vgl. litteraturgesch. u. renaissancelitt. n. f. i 280
(Werner). Litteraturbl. f. germ. u. rom. phil. nr 4 (Koch). [280
Kern 1886 [242. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 78, 327. [281
Klaue ke 1886 [243. — Zs. f. d. gymnasialwesen 41, 150 (Müller). Litt,
merkur vii 201. Bll. f. d. bayr. gymnasialschulwesen 23, 396 (Bauer). [282
DRAMA Ui>D THEATER 85
Neue beitr. zur gesch. der engl, comödianten von GKön necke. Zs. f. vgl.
)itteraturg:esch. u. renaissancelitt. n. f. i 85. [28S
Kralik- Winter 1SS6 [246. — Anz. xiii 53 (Werner). [284
* Gesch. der Karl-Franzensuniv. in Graz von FvKrones. Graz, Leuschner &
Lubensky, 1886. darin: s. 333 das acad. theater (der Jesuiten). — Litt,
centralbl. nr 30 (Jahresber. 9, 193). [285
ChWOpitz. ADB 24, 368 (JKür sehne r). [286
LFPauli. ADB25, 266 (JKürschner). [287
ThPeche. ADB 25, 305 (JKürschner). [288
Passionsspiele in Fürstenfeld von HLange. Mitteil. des bist. ver. f. Steier-
mark 35, 131 (Jahresber. 9, 122). [289
KBLOels. ADB 24, 319 (HALier). [290
Die entstehungszeit [2 hälfte des 17 jhs.] des ersten deutschen Hamlet von
BLitzmann. Zs. f. vgl. litteraturgesch. u. renaissancelitt. n. f. i 6.
vgl. [263. [291
Zum Don Juan-jubiläum von PMarsop. Gegenwart nr 44.5 [berührt auch
die fabel]. s. auch [269. 272. 815. [292
Berl. theater von AMeyer. Die nation iv 85 [bist, reminiscenzen über Voss,
Angely, Kaiisch]. [293
Beitr. zur gesch. des hamb. theaters. mitgeteilt von FXMoestl. Hamb.
corresp. nr 176—8. 80. 1. 3. 4 feuill. [294
Die deutsche theaterstadt Prag von AMüIler-Guttenbrunn. D. ztg.
nr 5660. [295
Deutsche volksbühnenspiele von HPöhnl. 2 bde. Wien, Konegen. 359. 472.
8. — Grenzboten 46, 3, 531 (Necker). AZ nr 288 (Schlossar). Gegenwart
nr48 (Ebner). Wiener ztg. nr 121 (Ehrlich). [296
Pro 1 fs 1884 [87. — Arch. f. d. slud. d. neueren spr. 78, 119 (Hölscher). [297
Das hgl. meiningsche hoftheater, seine entwickelung, seine bestrebungen
u. die bedeutung seiner gastspiele. ein führer durch das repert. der Meininger
von RPrölfs. Leipzig, Conrad. 72. 8. [298
ARezek, Eine jesuitencomödie zur verherlichung des kaisers Matthias vom
j. 1717, Casopis musea krälovstvi ceskeho 60, 388 [czechisch] (Jahresber.
9, 193). [299
Schäffer-Hartmann 1886 [280. vgl. Goethe-jb. 9, 287. [300
Die univ. Göttingen im 7 jähr, kriege, aus der hslichen chron. des prof.
SChHollmannn (1696 — 1787) mit erläut. u. beil. hg. von ASchöne. Leipzig,
Hirzel. xii, 82. 8 [enth. s. 26 eine interessante notiz über die anfange des
göttinger theaters]. [301
Eine nachricht über engl, comödianten in Mähren von ESoffe. Anglia
X 289. [302
Spengler 1886 [25S. — Osterr. litt, centralbl. nr 2. 4 (Nagele). Arch. f. d.
stud. d. neueren spr. 79, 118. Zs. f. d. realschulwesen s. 315 (Khull). [303
Ein Franzose [Beaunoir] als originalverf. eines deutschen theaterstückes [Les
libellistes 1807, aufgeführt in Berlin 1792 in der deutschen übers, der frau
Unger]. von ThSüpfle. Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 327, vgl. ebenda 477
(Litzmann). [304
Teuber 1886 [260. — AZ nr 307. 10. 24. 5 B (Gundling). [305
Aus dem tagebuche des Niklastheaters [prager dilettantentheater seit anf.
des jhs.] von OTeuber. Beil. zur Bohemia nr275. [306
Die Schauspieler des Hotel de Bourgogne in Basel (1604) von KTrautmann.
Arch. f. litteraturgesch. 15, 102. [307
Engl, comödianten in Stuttgart (1600. 9. 13. 4), Tübingen (1597) u. Ulm
(1602) von KTrautmann. Arch. f. litteraturgesch. 15, 211. 6. [308
Frz. comödianten in Stuttgart. Stuttgarter ausgaben von dramen PCorneilles
(1698 u. 1706), Eine deutsche Polyeucle-übers. vom j. 1698 von KTraut-
mann. Arch. f. litteraturgesch. 15,218. [309
Ital. Schauspieler am bayr. hofe von KTrautmann. Jb. f. münchner gesch.
1 193 [behandelt überhaupt die gesch. des münchner Schauspiels seit anf.
des 16 jhs.]. — AZ nr 229 B. [310
86 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 IDE
Das geistl. weihnachtsspiel unter den zipser Deutschen von SWeber. Ethnol.
mitteil, aus Ungarn i 1. [311
Preisausscliieibungen für bülmenstücke in Deutsclilajid von FWe hl. Unsere
zeit I 763. [312
Der blaue stein, von CFWittmann [geheimbund deutscher Schauspieler,
der seit dem 2 decenuium dieses jhs. bis 1840 bestand]. Der Zeitgeist (beibl.
zum Berl. tagebl.) nr41. [313
Die Sturm- u. drangcomödie u. ihre fremden Vorbilder von EWolff. Zs.
f. vgl. litteraturgesch. u. renaissancelitt. n. f. i 192. [314
Puppenspiel im früheren Strafsburg. Landesztg.f,Elsass-Lothringennrl09. [315
Das deutsche theater vor 100 jj., beurteilt von einem Franzosen. D. lese-
halle (beibl. zum Bed. tagebl.) nr 11— 26. [316
Leipzig u. sein theater vor 60 jähren, aus dem reisetagebuch eines Parisers
vom j. 1827. Wissensch. beil. d. Leipz. ztg. nr 19. [317
Unter fahrenden leuten. Grenzboten 46, 3, 155. 88 [über herumziehende
Puppenspieler] (Jahresber. 9, 123). [318
Theaterzettel zur ersten aufführung im alten wiener burgtheater (8 april
1776): Die Schwiegermutter. Die indianische witwe oder der Scheiterhaufen.
Wiener allg, ztg. 17 sept. abendbl. [319
s. auch [86. 426.
iE. Geschichte der poetischen und metrischen form.
*Der Stil, zum gebrauche f. mittelschulen u. zum Selbstunterricht von
LAuspitz. Wien u. Teschen, Prochaska, 1886. — Zs. f. d. gymnasialwesen
41, 565 (Jonas). Zs. f. d. österr. gymn. 38, 771 (Schmidt). [320
Hb. der poetik. eine krit.-hist. darstellung der theorie der dichtkunst von
HB a um gart. Stuttgart, Gotta. xii, 735. 8. — Litt, centralbl. nr 33. AZ
nr 246 B (Dahn). Bll. f. litt, unterh. nr 42 (Hermann). Wissensch. beil. d.
Leipz. Ztg. nrSl. [321
Theorie der prosa u. poesie. ein leitfaden f. den Unterricht in der Stilistik
[rhetorik] u. poetik an gymn. u. verwandten lehranst., wie auch zum pri-
vatgebrauche von FBeck [= Lehrbuch des deutschen prosaslils f. höhere
unterrichtsanst. wie auch zum privatgebrauche. 7 verb. u. verm. auf!.]. 1 abt.
München, MerhofT. xii, 266. 8. — Bll. f. d. bayr. gymnasialschulwesen 24,
317 (Baldi). [322
Becker-Lyon 1886 [286. — Päd. bU. 16,591. [323
Über das schöne, analytische u. hist.-krit. Untersuchungen von JBergmann.
Berlin, Mittler & söhn. 201. 8. — DLZ nr41 (Glogau). Mind 12,629. [324
PBertini, Dell' accompagnamento della natura col soggetto principale del
dramma. in: Atti e mem. d. r. accad. in Padova. n. s. vol. ni disp.
1—2. [325
Deutsche poetik. theoretisch-practisches hb. der deutschen dichtkunst. nach
den anforderungen der gegenwart von CBeyer. 2 aufl. 3 bde. Stuttgart,
Göschen, v, xxn, 765. xiv, 576. xiii, 276. 8. [326
Die ästhetische naturbeseelung in antiker u. moderner poesie von ABiese.
Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 197. 407. s. 1886 [287. [327
Das erwachen des gefühls f. das romant. in der natur am ende des 18 jhs.
von ABiese. Ztg. f. litt., kunst u. wissensch. des Hamb. corresp. nr 7. 8. [328
Die naturanschauung in der zeit der perücke u. des zopfes von ABiese.
Ztg. f. litt., kunst u. wissensch. des Hamb. corresp. nr 14. 5. [329
Die naturwissenschaftl. grundlagen der poesie. prolegomena einer reali-
stischen ästhetik von WB öl sehe. Leipzig, Reifsner. iv, 93. 8. — Nord
u. Süd 42, 445. D. rundschau 52, 159. Litt, merkur vii 242 (Löbner). Gegen-
wart nr 33. Grenzboten 46, 3, 372. Bll. f. litt, unterh. nr 35 s. 558. Der
kunstwart i stück 3 (Bölsche). [330
Vischer u. Fechner als ästhetiker von WBö Ische. Gegenwart nr 40. [331
Borinski 1886 [289. — Unsere zeit i 85 (vGottschall). DLZ nr 19 (SeufTert).
Bist. zs. 58, 124. Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 482 (Meyer). [332
Calmberg 1885 [205. — Päd. bll. 16,590. [333
DRAMA U.ND THEATER. POETISCHE UND METRISCHE FORM 87
Poesie u. philos. von HGonradi. Bll. f. litt, unterh. nr 17. [334
♦Dichterische einbildungskraft u. Wahnsinn, rede geh. — von WDiltliey.
Leipzig, Duncker & Humblot, 1886. — Grenzboten 46, 4, 198. [335
Das schafl'en des dichters, bausteine zu einer poetik von WDiithey in:
Philos. aufsätze. EZeller zu seinem 50 jähr, doctorjubiläum gewidmet.
Leipzig, Fues. 14, 482. 8. — DLZ nr 40 (Ziegler). Die nation iv 536 (Lass-
witz). [336
Zur geschichtschreibung der ästhetik von ADöring. Preufs. jbb. 60, 123.
229 [im anschluss an [332.350.360.383]. [337
Duboc 1886 [295. — DLZ nr 16 (Minor). Revue philos. 23, 83 (Arreat).
Philos. monatshefte 23, 445 (Schaarschmidt). [338
Flögei-Ebeling 18S6 [297. — Österr. litt. centralbL nr 1 (vFalke). [339
Übersetzen u. Übersetzungskunst von LFreytag. Zs. f. d. deutschen unter-
rjcht I 172. 248. [340
Über tragische schuld u. poet. gerechtigkeit mit bes. berücksichtigung auf die
frage nach der zulässigkeit schuldloser beiden von JGassner. progr. des
real- u. obergymn. zu Ungar.-Hradisch. 20. 8. [341
Bemerkungen über wert u. Wirkung der kunstkritik von HGrimm. D. rund-
schau 51, 398 [berührt Goethe]. [342
Die litteraturwissensch., ihr ziel u. ihr weg von EG rosse, hallenser diss.
Halle. 111,71. 8. [343
Gude vgl. 1886 [304. 2 reihe. 8 umgearb. u. verm. auf]. 3 reihe. 7 umgearb.
u. verm. aufl. Leipzig, Brandstetter. viii, 385. vi, 377. 8. [344
Günther 1886 [306. — Philos. monatshefte 23,454 (vKleist). [345
Zeugnisse u. proteste. gesamm. aufsätze über tragische kunst von GGün-
ther, 1 reihe. Plauen, Neupert. vm, 127. 8. — Grenzboten 46, 4, 199. [346
Das Verhältnis der Sittlichkeit zur kunst, insbes. zur poesie von PGyulay.
Ungar, revue 7 jg. heft 3. [347
Elemente der philos. i Logik u. poetik. ein leitfaden f. acad. Vorlesungen
sowie zum Selbstunterrichte von GHagemann. 5 durcbges. u. verm. aufl.
Freiburg i/Br., Herder, ix, 213. 8. [348
Zur repetition der dichtungsarten u. der Verslehre vonRHagen. Nürnberg-,
Korn. 16. 8. [349
Hartmann vgl. 1886 [307. 2 — 5 Ifg. (Ausgew. werke, wolfeile ausg.
heft 8—12. bd. 3). xii, 113—584. 8. — Bll. f. litt, unterh. nr 12 (Portig).
AZ nr 172 B (vGoeler-Ravensburg). Philos. monatshefte 23, 465 (Melzer).
DLZ nr 43 (Lehmann). Acad. nr 790 (Sully). D. rundschau 53, 316. iMind
12, 308. Arch. f. gesch. der philos. i 122 (Dilthey). [350
Philos. der Schönheit. 2 systematischer teil der Ästhetik von EvHartmann.
8 Ifgen (Ausgew. werke, wolfeile ausg. 13 — 20 heft). Berlin, Duncker.
XV, 836. 8. [351
Der blankvers Shakespeares im drama Lessings, Goethes u. Schillers von
HHenkel. Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 321. [352
Über das naturgefühl in alter u. neuer poesie von KKHense. Zs. f. vgL
litteraturgesch. u. renaissancelitt. n. f. i 182. [353
Von der kunst des ästhetischen geniefsens von MHoff mann. Mähr.-Ostrau,
Wattolik. 48. 8. [354
Humperdinck 1886 [310. — Gymn. v 197 (Kern). [355
Jungmann 1S85 [218. — Grenzbolen 46, 1, 77. 120 (Borinski). [356
Das kunstideal u. die Schillerkrit. OLudwigs von Keim, progr. des real-
u. obergymn. zu SPölten. [357
Kern 1886 [315. — Korrespondenzbl. f. die gelehrten- u. realschulen Würt-
tembergs 34, 557 (Ehemann), [358
Deutsche Stilistik f. schulen von KKiesel. Freiburg i/Br., Herder. 256. 8.
— Gymn. v 869 (Matthias). Stimmen aus Maria-Laach 33, 542. [359
Kögel 1886 [316. — DLZ nr 21. Arch. f. gesch. der philos. i 122 (Dilthey).
Theol. litteraturbl. s. 107. [360
Die Phantasie in der erzählung von JKohler. D. revue xii 3, 359. [361
Die deutsche dichtkunst. leitfaden zum unterrichte in der metrik u. poetik
88 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 IE. II
an höheren lehranst., seminarien u. höheren löchterschulen , wie auch zum
selbststud. von WKrause. Berlin, Öhmigke. vi, 100, 8. [362
Eine vernachlässigte aufgäbe der litteraturgesch. von MLandau. Zs. f. vgl.
litteralurgesch. i 470. [363
Die poet. u. wissensch. betrachtung der natur von KLasswitz. Nord u.
Süd 41,270. [364
* Grundzüge der ästhelik. dictate aus den Vorlesungen von HLotze. Leipzig,
Hirzel, 1884. — Philos. monatshefte 22,427. [365
Über das phonetische element in der poesie von WLutosla wski. Zs. f.
völkerpsychol. 17, 215. [366
Lyon 1886 [323. — Zs. f. d. österr. gymn. 38,209 (Löhner). [367
Etüde bist, et crit. sur le realisme dans la poesie et dans l'art per CMartha.
Seances et travaux de l'acad. des sciences mor. et poi. n. s. 28, 5. [368
Poesie u. prosa, ihre arten u. formen. 4teil:prosa. von JMethner. progr.
d. gymn. zu Gnesen. 26. 4. [369
Metz 1886 [327. — Mag. f. d. litt. d. in- u. ausl. 56 jg. nrl5 (Cristaller).
Gymn. v 380 (Buschmann). [370
Mommsen 1886 [330. — DLZ nr 43 (Brandl). Engl. stud. xi 306
(Koch). [371
Der vortr. von gedichten als bildungsmittel u. seine bedeutung f. d. deutschen
Unterricht von WParow. Berlin, Gärtner. 84. 8. — Zs. f. d. gymnasial-
wesen 41, 462 (Schultz). Gymn, v 197 (Kern). Zs. f. d. deutschen Unter-
richt I 281 (Lyon). [372
Subjective u. objective dichtkunst von KPinn. Litt, merkur vii 285. [373
Sanders 1886 [337. — The educational times 1 febr. Revue critique nr 18
(Bauer). Gymn. v 448 (Blasendorff). Schwab, chron. nr 90. Gegenwart nr 22
s. 351. Päd. bll. 16, 293. Zs. f. d. gymnasialwesen 41, 368 (Jonas). D. rund-
schau 53, 314. Zs. f. d, österr, gymn. 38, 772 (Schmidt). Nationalztg. nr
404 (Raab). [374
Schasier 1886 [338. — Bll. f. litt, unterh. nr 7 (Portig). [375
Schiefsl 1886 [340. — Litteraturbl. f. germ. u. rom. phil, nr 3 (Berlit). [376
Schmeckebier 1886 [341. — DLZ nr 13 (Meyer). Zs. f. d. realschuiwesen
s. 41 (Tumlirz). [377
Schweisthal 1886 [345. — Litt, merkur vii 105 (Dippel). Bll. f. litt,
unterh. nr 6 s. 94. D. litteraturbl. 10 jg. nr 2 s. 7 (Schaedel). Westermanns
monatshefte 62, 807. [378
Sommer 1886 [348. — Zs. f. d. gymnasialwesen 41, 370 (Zernial). [379
Die Ungeduld als metronom des dramas von GSpitteler. Der kunstwart
I stück 5. [380
La question de l'art pour l'art par PStapfer. Revue pol, et litt, nr 9.
vgl, Litteraturbl. f. germ, u. rom. phil, viii sp. 495, [381
Der kehrreim in der deutschen litt, von FS tarck, göttinger diss, 33, 8. [382
vStein 1886 [350. — AZ nr 16 B, Bll, f, litt, unterh. nr7 (Portig). D. rund-
schau 50, 471 (Grimm). DLZ nr 13 (Siebeck). Gegenwart nr 17 s. 271. Mind
12, 152. Arch. f. gesch. der philos. i 122 (Dilthey). [383
Die ästhetik der deutschen class. von HvStein. separatabdr. aus den Bay-
reuther bll. X mai/juni. — Arch. f. gesch. der philos. i 122 (Dilthey). [384
Stransky 1886 [352. — Litt, merkur vii 95 (Dippel). [385
Tumlirz 1885 [235. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 798 (Pajk), [386
Unbescheid 1886 [353, — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 77, 231. [387
Aristoteles u. die schicksalstragödie von PWeidenbach. progr. des gymn.
zum hl. kreuz in Dresden. Dresden, Lehmannsche druckerei. xv. 4. [388
Welti 1886 [355. — Arch. f. d. stud. der neueren spr. 78, 466. [389
Methodik des schönen vortr. beim lesen u. declamieren, sowie bei der freien
rede, für lehranst. u. zum Selbstunterrichte von FMWendt (Erziehung,
Unterricht, Schulwesen, samml. päd. Schriften xv), Wien, Graeser. viii.
76. 8. [390
Phantasie als quelle der dichtung. Der kunstwarl i stück 13. [391
s. auch [115.
VERZEICIIMS DER SCHBIFTSTELLER : ABRT BECIISTEIN 89
n. Alphabetisches Verzeichnis der Schriftsteller.
Abbt, Th.: ThA. von HSchuUer. N. jbb. f. phil. u. päd. 136,76. [392
Abraham aSClara: Magnet u. knoblauch. eine anfrage an die naturwissensch.
collegen von ENestle. Korrespondenzbl. f. d. gelehrten- u. realschulen
Württembergs 34, 261 [eine stelle in AaSGl.s Judas der erzschelm betr.].
vgl. ebenda 34, 422 (Schmidt). [393
Wienerisches aus AaSGl. Presse nr 270. [394
Albertinus, Ä, s. [159.
Andrea, JV. : JVA. u. sein ideal eines christl. Staates von Karo. Jbb. f. prot.
theol. 13, 260. [395
Landenberger 1886 [365. — Theol. litteraturztg. nr 9 (Löber). D. dichtung
II 276 (vLöher). [396
JVA. ein glaubenszeuge aus der zeit des 30 jähr, krieges, mit auszögen aus
seinen schritten, dargest, von PWurm (Galwer familienbibl. bd. 6). Calvi',
vereinsbuchhandl. 240. 8. — Theol. litteraturztg. nr 6 (Bilfinger). [397
s. auch [61.
Arndt, EM.: Stammbuchvers, mitgeteilt von EStengel in: Frankf. neuphil.
beitr. festschr. Frankfurt, Mahlau & Waldschmidt (xii, 136. 8), s. 52. [398
BAfinger in seinen beziehungen zu A. u. Reuter von KThGaedertz. Hamb.
nachr. nr 252—4 feuill. [399
Notiz zu EMA.s Des Deutschen Vaterland, von PvHofmann- Wellen hof.
Arch. f. litteralurgesch. 15, 224. [400
Lösche 1885 [247. — Bll. f. d. bayr. gymnasialschulwesen 23, 262
(Brunner). [401
s. auch [58. 170. 175.
vArnim, B.: BvA. von MGarriere. Nord u. süd 40,65. auch sep. D. bücherei
heft 42. Breslau, Schottländer, 43. 8. — AZ nr 156 B (Muncker). D.
wochenschr. nr 53. Mag. f. d. litt. d. in- u. ausl. nr24. [402
vArnim, LA. s. [13.
Zu Des knaben wunderhorn xii. xiii. von ABirlinger u. WGrecelius.
Alem. 15, 41. 98. [403
Zum Wunderhorn von FPfaff. Zs. f. vgl. litteraturgesch. u. renaissancelitt,
n. f. i 264. [404
Arnold, JGD.: A.s Pfingstmontag von FSchuItess. Preufs. jbb. 60,484. [405
vAuERSPERG, A.: Aus AGrüns nachlass von LAFrankl. N. fr. presse nr 8124. [406
Aus dem nachlasse des frhrn vHofmann [briefe von AGrün]. Wiener
allg. Ztg. 4 Jan. morgenbl. feuill. [407
Das AGrün-denkmal in Graz, lllustr. ztg. nr 2299. [408
vBabo, FM.: Buchholz 1886 [384. — Gegenwart nr 2 (Bormann). [409
Bahrdt, KF.: KFB. ein litt, characterbild von WKawerau. Grenzboten 46,
4, 15. 72. [410
Bälde, J. s. [973.
Bärholtz, D. s. [257.
Basedow, JB.: Walsemann 1886 [389. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 721. [411
vB.auernfeld, E.: Der alte vom berge. Schauspiel. D. dichtung in 21. [412
Mädchenrache oder die Studenten von Salamanca. comödie. D. dichiuntr
I 251. 76. 308. [413
Poet, tagebuch. in zahmen xenien von 1820 bis ende 1886. Berlin, Freund
& Jeckel. V, 178. 8 [proben auch D. dichtung i 168. 305]. — Gartenlaube
nr 38. [414
Sprüche. D. dichtung ii 27. [415
EvB. von JBayer. D. dichtung i 317. [416
Beckstein, L. : Märchenbuch mit 84 holzschn. nach original -Zeichnungen von
LRichter. 37 aufl. Leipzig, Wigand. vi, 233. 12. [417
Neues deutsches märchenbuch. 50 aufl. volksausg. mit einem titelbild u.
60 holzschn. Wien, Hartleben, vi, 278. 8. [418
90 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 II
Beck, JF. : Ein altes festspiel der frankf. bühne (1731) von EMentzel. Die
kleine chron. frankf. wochenschr. hg. von Holthof x nr 1. 2. [419
Beer, M. s. [13.
Bengel, JA.: Zu JAB.s Jubiläum von AFischer. BU. f. hymnol. s. 103. [420
JAB. zu seinem Jubiläum von RKübel. Zs. f. kirchl, wissensch. u. kirchl.
leben 8, 310. [421
JAB. AZ nr 166 B Verschiedenes. [422
Zur erinnerung an JAB. Schwab, chron. s. 1169. 94. [423
Stammbaum von dr JAB., geb. 1687, t 1752, sowol nachkommen als vor-
fahren, nebst photogr. u. eingeflochtenen, teilweise iislichen familienmitteil.,
liedern, biogr. notizen etc. zusammengest. nach dem stände vom 15 dec.
1886. festgabe zu B.s 200 jähr, geburtstage 1887. Stuttgart, Greiner &
Pfeiffer. 42. fol. [424
Bertlch, K. s. [821.
BiTzius, A. (Jeremias Gotthelf): Eine Studentenfahrt JG.s [reisetagebuch vom
sept. 1821]. eingel. u. hg. von FVetter. Bund (sonntagsbl.) nr8— 16. [425
Blümel, Gh.: Der Jude von Venetien, die älteste deutsche bearbeitung des Mer-
chant of Venice. von JBolte. Jb. d, d. Shakespearegesellsch. 22, 189. [426
Blumauer, A. s. [8. 13.
BöHiME, J. : JB. in: Die philos. Weltanschauung der reformationszeit in ihren
beziehungen zur gegenwart von MGarriere. 2 verm. aufl. (2 bde. Leipzig,
Brockhaus) 1, 310. [427
JB. versuch einer übers, in die spr. der gegenwart. von Fürer. Evang.
kirchenztg. nr 41. [428
Börne, L. s. [13.
Ungedr. briefe von LB. [an AGAMüUner]. mitgeteilt von KEFranzos. D.
dichtung in 62. [429
Jeanette Straus-Wohl u. ihre beziehungen zu B. von GSchnapper-Arndt.
Westermanns monatshefte 62, 46. [430
Böttiger, CA. s. [821. 1391. 1418.
Brandes, JCh. s. [159.
Brentano, C. s. [13.
New fairy tales, told in english by KFreiligrath-Kroeker and pictured
by FCarruthers Gould. London, tjnwin. 4. — Westermanns monatshefte
63,408. Acad. nr813 s. 369. [431
Wondrous tale of Cocky, Clucky and Gackle, translated. London, Hogg. 8. [432
Die Llorona, das weinende mädchen der Mexicaner u. ihre Schwestern bei
den Ariern u. Mongolen von EVeckenstedt. Arch. f.d. stud. d. neueren
spr. 77, 285 [berührt s. 295 B.s Loreleilied]. [433
Brentano, S.: Reliquien von SB. mitgeteilt von BSeuffert. D. rundschau 52,
199 [enthält SB.s briefe an Wieland]. vgL Schwab, chron. s. 2033. [434
Brockes, BH. s. [1266.
Brunchorst, Gh.: GhB. von WTümpel. BIL f. hymnol. s. 78. [435
Bürger, GA. s. [13.
Ein neuer beitr. zur litt, des Leonorenstoffes [deutsche übers, von 2 kroat.,
2 kroat.-sloven. u. einem slovak. Leonoren-märchen] von BKrek. Mag. f.
d. litt. d. in- u. ausl. nr 43. 4. [436
Ein problem der vgl. sagenkunde u. litteraturgesch. (die Leonorensage) von
KKrumbacher. Zs. f. vgL litteraturgesch. i 214. [437
GAB. u. sein wilder Jäger von JSahr. Zs. f.d. deutschen Unterricht i 26.
119. 515. 37. [438
Zur säcularfeier Münchhausens. von RFalck. Sonntagsbeil, zur Voss. ztg.
nr 48. [439
WlBelza, Notatka Mickiewicza o Bürgerze [bemerkung Mickiewiczs über
B.]. Pamietnik towarzystwa literackiego imienia AMickiewicza pod redakcya
Romana Pi'lata (Lemberg) s. 1 13. [440
B.s geburt. Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 77, 125. [441
Burmeister, J. : JB.s christl. Martial von KvReinhardstöttner. Vierteljahrschr.
f. kultur u. litt, der renaissance ii 283. [442
VERZEICHNIS DER SCHRIFTSTELLER: BECK DIETMAR 91
Campe, JH.: Robinson Crusoe, nach Defoe u. C. hg. u. f. die Jugend bearb.
von FHoffmann. mit (5) farbendr.-illustr., gezeichnet u. lithogr. von OWoite.
Berlin, Drewitz. in, 220. 8. [443
Robinson der jüngere, ein lesebuch f. kinder. 2 teile. 110 rechtmäfsige aufl.
mit 37 illustr. Braunschweig, Vieweg & söhn, xiv, 116u. 156. 12. [444
Dasselbe. 111 rechtmäfsige aufl. (wolf. ausg. ohne illustr.) ebenda, xiv,
116 u. 156. 12. [445
Robinson, i Robinson der jüngere von JHG. ii Robinsons colonie u. ihre
ferneren Schicksale von WHerchenbach. 2 aufl. Mülheim, ßagel. 222.
128. 8. [446
Robinson, ein lesebuch f. kinder. mit 6 farbendr.-bildern nach aquarellen
von COfterdinger. 7 verb. aufl. Stuttgart, Loewe. iv, 114. 4. [447
Robinson der jüngere, ein lesebuch f. kinder. 2 — 4 aufl. Oranienburg,
Freyhofl". 185. 12. [448
Robinson Crusoe, eine erzählung f. die Jugend, grofse ausg. mit 4 farbendr.-
bildern. Berlin, Liebau. 148. 8. [449
Dasselbe, kleine ausg, mit 3 chromolithogr. ebenda, 63. 8. [450
El nuevo Robinson. — traducida al castellano con varias correcciones per
Tdelriarte. nueva ed. Paris, Garnier, xi, 374. 18. [451
s. auch [11. 15. 1428.
JHG. als Vorkämpfer f. die reinheit der mutterspr. von FK o 1 d e w e y. Grenz-
boten 46, 2, 357. [452
vCamtz, FRL.: FRLvC, sein Verhältnis zu dem frz. classicismus u. zu den lat.
Satirikern nebst einer Würdigung seiner dichterischen tätigkeit f. die deutsche
litt, von VLutz, heidelberger diss, Neustadt a/H. (München, Kaiser).
83. 8. [453
vChamisso, A. s. [13.14.15,85.
L'homme qui a perdu son ombre (Pierre Schlemihl). traduction nouvelle
par JGeny, avec etude sur la vie et l'oeuvre de Gh. Paris, Gautier.
32. 8. [454
Merveilleuse histoire de Pierre Schlemihl. texte allemand, public avec une
notice et des notes en fran^ais parGKoell. Paris, Hachette. viii,95. 16. [455
Merveilleuse histoire de Pierre Schlemihl, ou l'homme qui a perdu son ombre.
trad. fian(;aise. Paris, Hachette. iv, 92. 16. [456
HGAndersens briefwechsel mit dem grofsherzog Carl Alexander von Sachsen-
Weimar-Eisenach u. anderen Zeitgenossen hg. vonEJonas. Leipzig, Fried-
rich. XVI, 284. 8 [berührt Ch.]. [457
Ch.-büste. Gartenlaube nr 15 s. 237. 54. [458
[Ch.-denkmal in Berlin. Revue critique nr 39 s. 224]. [459
s. auch [204.
vChezy, H. s. [224.
Glauben, H. s. [994.
CoBER, G.: Geyer 1886 [440. — Theol. litteraturztg. nr 9. [460
VGOCHEM, M. s. [1132 ff".
Crugot, M.: Manchot 1886 [443. — Litt, merkur vii 112 (Reinhardstöttner).
DLZ nr 27 (Minor). Bll. f. litt, unterh. nr 31 (Buchner). [461
Crüsius vKrusenstiern, Ph.: PhGvK. ein rehabilitierter balt. dichter von BGordt.
aus: Sitzungsber. der gelehrten estn. gesellsch. Mitau. Hamburg, Behre.
20. 8. [462
CüNRADUs, G. : CG. u. seine Prosopographia melica von WGrecelius. Arch.
f. litteraturgesch. 15, 334. [463
Dach, S.: Ännchen von Tharau. Landesztg. f. Elsass-Lothringen nr 138. [464
Dethardi-ng, GA. : Hoffory-Schlenther 1886 [444. 445. — Westermanns
monatshefte 62, 136. Die post nr 342 beil. 1. [465
Dasselbe. Ifg. 9. 10 (schluss). Berlin, Reimer, xv, * 123 (bd. 1). iii,385 —
540 (bd. 2). 8. [466
DiETL, GA.: 1886 [447 auch in: Hist. vortrage u. stud. von KThHeigel. 3 f.
München, Rieger. vii, 365. 8. [467
Dietmar, B. : BD. leben eines evang. pfarrers im früheren markgräfl. amt
92 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 II
Kitzingen von 1592—1670, von ihm selbst erzählt, zugleich ein beitr. zur
gesch. des 30 jähr, krieges in Franken, mit erläut. Zusätzen hg. von VW'irth.
Kitzingen, Stahel. 182. 8. [468
Drollinger, KF.: kfd. von KTrost. Zs. f. allg. gesch., kultur-, litt.- u. kunst-
gesch. 4, 379. [469
vDroste-Hülshoff, AE. : Gesamm. werke, hg. von EvDroste-Hülshoff. nach
dem hslichen nachlass verglichen u. ergänzt, mit biogr. einl. u. anm. vers.
von WKreiten. 1 bd. 1 hälfte. AEvD.-H. ein characterbild als einl. in
ihre werke, nach den gedr. u. ungedr. quellen entworfen von WKreiten.
Münster, Schöningh. xxiii, 592. 8. vgl. 1886 [448. 449. — AZ nr76. 7 B
(Hüffer). Stimmen aus Maria-Laach 32, 569 (Gietmann). Hist.-pol. bll. 100,
273. DLZ nr40 (Frey). [470
s. auch [13.
Gedichte. 3 aufl. mit erklärung schwer verständl. Wörter. Paderborn,
Schöningh. vm, 512. 12. [471
Die dichterin AvD.-H. von ThEbner. D.-evang. bll. 12,176. [472
AvD.-H. von JHart. Nationalztg. nr45. 55. [473
AvD.-H. u. ihre werke, vornehml. nach dem litt, nachlass u. ungedr. briefen
der dichterin von HHüffer. Gotha, Perthes, xviii, 368. 8. — D. revue
XII 3, 256. Wissensch. beil. d. Leipz. ztg. nr 62 (Müller-Frauenstein). Hist.-
pol. bll. 100, 273. DLZ nr 40 (Frey). Litt, merkur vii 295. Litt, centralbl.
nr49. Ztg. f. litt., kunst u. wissensch. des Hamb. corresp. nr 13 (Wohlwill).
Nationalztg. nr 410, Die nation iv 682. [474
Eberhard, ChAG. s. [11.
EccARD, M. geb. Bornhold: ME., eine vergessene dichterin von JB ölte. Korre-
spondenzbl. d. ver. f. nd. sprachf. xii 18. [476
Eckermann, JP.: Erinnerung an E. von HRollett. Chron. des wiener Goethe-
ver. 1, 54. [476
Edinhard, G. s. [159.
vEiCHENDORFF, J. : Sämmtl. poet. werke. 1 Ifg. Leipzig, Amelang, o. j. 80. 8.
— Gegenwart nr 48 s. 351. Litt, merkur viii 73 (Geiger). [477
Aus dem leben eines taugenichts. novelle. miniaturausg. 15 aufl. Leipzig,
Amelang. 148. 16. [478
JvE. von OErdmann. Schles. ztg. nr 832. [479
JvE. sein leben u. seine dichtungen dargest. von HKeiter. zur 100 jähr,
geburtstagsfeier am 10 märz 1888 [3 vereinsschr. der Görres-gesellsch. f.
1887]. Köln, Bachem in comm. 112. 8. [480
Scholl 1885 [310. — Revue critique nr 2 (Chuquet). [481
Eschen, FA. s. [1569.
Eschenburg, JJ. s. [982.
Eysenberger, M.: gedieht zur Vermählung des hermannstädter königsrichters u.
comes VFranck 1693. Korrespondenzbl. d. ver. f. siebenb. landeskunde
10, 123. [482
Fichte, JG. s. [13.
Aus JGF.s Reden an die deutsche nation. Zs. f. deutsche spr. i heft
10-12. [483
JGF. Weser-ztg. nr 14429. 40. [484
s. auch [171.
FouQUE, FdelaMotte s. [13.
Sintram and bis companions, Aslaugas knight. New-York, Gassell. [485
Undine. eine erzählung. 26 aufl. mit 60 holzschn. nach Zeichnungen von
A.^lüller, ausgeführt von AGaber. Gütersloh, Bertelsmann. 131. 8. [486
Undine, translated by JCartwright. illustr. 4. London, Chapman. [487
s. auch [224. 700.
Fbancke, ah.: *AHF. ein lebensbild dargest. von GKramer. 2 bde. Halle,
Waisenhaus, 1880. 82. — Hist. zs. 57, 294 (Gottschick). [488
Freiligrath, f.: FF. in: Litt, reliefs. dichterporträts von EZiel. 2 reihe.
Leipzig, Wartig. 223. 8. — Bll. f. litt, unterh. nr 51 (Alberti). [489
Fresenius, A.: Ein dichter aus der Wetterau. Didaskalia nr 81. [490
VERZEICHNIS DER SCHRIFTSTELLER: DIETMAR GOETHE 93
s. auch [230.
Friedrich der grofse: [Vortr, von dr Seidel, geh. im ver. f. d. gesch. der mark
Brandenburg, über eine von HHoffmann verf. übers, der ode F.s d, gr.
an den hofmaler Pesne 1737 u. über F.s Stellung zur religion u. zu den
schönen künsten. DLZ nr 23 sp. 837]. [491
Suphan 1SS6 [469. — Bist. zs. 57, 505 (Krauske). [492
Baumgart 1886 [471. — Litt, merkur vii 178. Westermanns monatshefte
63, 270. Hist. zs. 58, 128 (Krauske). [493
. Fisch 1886 [472. — Revue critique nr 2 (Ghuquet). Hist. zs. 57, 505
(Krauske). [494
F. II nach päd. seite von HKeferstein. Rhein, bll. f. erziehung j g. 61 heft 5. [495
Kohut 1886 [476. — Westermanns monatshefte 61, 839. Litt, merkur
VII 162. [496
Krause 1885 [329. — Hist. zs. 57,505 (Krauske). [497
Pröhle 1886 [477. — Hist. zs. 57,505 (Krauske). [498
Schöne 1885 [333. — Hist. zs. 57, 505 (Krauske). [499
Zell er 1886 [478. — Litt, centralbl. nr 13. Hist. zs. 58, 129 (Fechner).
Revue critique nr 49 (Ghuquet). Mind 12, 150. [500
Zur philos. F.s d. gr. Sonntagsbeii. zur Voss. ztg. nr 13—5. [601
Friese, F.: Mag. FF., weiland conrector am Friedrichsgymn. zu Altenburg, Hist.
nachr. von den merkwürdigen ceremonien der altenb. bauern 1703. neudr.,
mit einl. u. anm. vers., mit einer nachbildung des trachtenbildes bei F. u. einem
modernen trachtenbilde [besorgt von MGeyer]. SchmöUn, Bauer. 39. 8
[enthält s. 34(1 ein lustspiel mit 3 scenen im dialect vom j. 1687]. [502
Fritsoh, A.: Berichtigung zu meinem artikel über AF. (1886 [479) von AFischer.
Bll. f. hymnoi. s. 29. [503
Funcke, F. s. [1266.
Garve, Ch. : Aus vergessenen büchern [G. über Werthers leiden] von JM i n o r.
Chron. des wiener Goelhe-ver. 1, 38. [504
vGaudy, f.: vGaudy 1886 [484. — BIL f. litt, unterh. nr 5 (Stein). [505
s. auch [11. 13. 14.
vGebler, TPh.: Briefe von G. an Ramler mitgeteilt von JMinor. Zs. f. d.
österr. gymn. 38, 169. [506
Gellert, ChF. s. [8. 13. 1083. 1085.
Ein brief GhFG.s. zu G.s geburtstage mitgeteilt vonThDistel. Wissensch.
beil. d. Leipz. ztg. nr 52. [607
Zur hermannstädler bücherkunde. notiz über CFG.s Briefe. Hermannstadt,
Barth, 1781. Korrespondenzbl. d. ver. f. siebenb. landeskunde 10, 23. [508
Badegeselligkeit [aus einem briefe G.s, 5 aug. 1764]. Grenzboten 46, 2,
390. [509
Gerhardt, F.: Eine notiz zu PG.s leben von Schleusner. Bll. f. hymnoi.
s. 95. [510
s. auch [58.
Gessner, S.: SG. ein gedenkbl. zu seinem 100 jähr, todestage (2 märz) von
AKohut. lUustr. Ztg. nr 2279. [511
GiovANE, J. herzogin : Juliane herzogin von G.. ein beitr. zur gesch. der auf-
klärungslitt. in Österreich von EGuglia. Österr.-ungar. revue iii 88. [512
Geeim, FWL.: Ein Jugendbrief vMeusebachs [an G.]. mitgeteilt von CSchüdde-
kopf. Zs. f. d. phii. 20, 109. [513
Vom preufs. grenadier [G.] von HPröhle. Sonntagsbeil, zur Voss. ztg.
nr 41—3. [514
vGoETHE, JW. : Werke. 4 teil. Der westöstl. divan hg. von HDüntzer
(D. nalionallitt. bd. 85). Berlin u. Stuttgart, Spemann. xxiv, 376, 8. [515
Dieselben. 22 teil. Gampagne in Frankreich. Belagerung von Mainz, hg.
von HDüntzer (D. nationallitt. bd. 103). Berlin u. Stuttgart, Spemann.
XI, 241. 8. [516
Dieselben. 9 teil. Dramen. 4 bd. [Iphigenie. Tasso. Die natürl. tochter]
hg. von KJSchröer (D. nationallitt. bd. 90). Berlin U.Stuttgart, Spemann.
XXXVI, 394. 8. [517
94 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 II
vGoETHE,JW.: Dieselben. 33 teiL hg. von Steiner 1885 [361. — Philos.monats-
hefte 22, 429 (HarpO- [51S
Dieselben. 34 teil. Naturwissensch. Schriften 2 bd. hg. von RS t einer
(D. nationallitt. bd. 115). Berlin u. Stuttgart, Spemann. lxxiv, 403. 8. [519
Werke, hg. im auftrage der grofsherzogin Sophie von Sachsen. [1 abt.]
bd, 1 [Gedichte I]. 14 [Faust i]. 3 abt. bd. 1. Tagebücher 1775-87. 4 abt.
bd. 1. 2. Briefe 1764—75. Weimar, Böhlau. xxviii, 477. 323. 370. 282. 336.
8. vgl. Goethe-jb. 9, 289—99. — Gegenwart nr 49 (Geiger). D. rundschau
53, 425 (Grimm). Die post nr 335 2 beil. feuill. (Rosenberg). Litt, centralbl.
nr 50. AZ nr 339 B (Fischer). New- York nation 45, 509. Belletrist.-litt.
sonntagsbeil. der Hamb. nachr. nr 47. Nationalztg. nr 622. [520
Werke, ausw. in 16 bden. Berlin, Warschauer, iii, 210. iv, 234. 183. 265.
315. 244. 180. 214. 166. 189. 164. 239. 287. 182. 200. 287. 12. [521
Class. Sentenzen, eine spruchsamml. aus G. u. Schiller von MM a n d 1.
Leipzig, Wigand. vm, 365. 8. [522
Belagerung von Mainz s. [516.
Campagne in Frankreich s. [516.
Les guerres de la revoiution. Valmy. La retraite de Brunswick. parAChu-
quet. Paris, Gerf. 277. 277. 8. vgl. Goethe-jb. 9, 330. 1. [523
Clav ig o s. [8. 13.
Zum Clavigo von JMinor. Chron. des wiener G.-ver. 1, 24. [524
Glaudine von Villa-Bella s. [531.
Dichtung u. Wahrheit. Autobiografia : poesia e veritä. prima versione
ilaliana di AGourtheoux. Milano, Sonzogno. 225. 16. [525
Düntzer 1885 [368. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 77, 423. [526
Egmont. ein trauerspiel. mit einl. u. anm. von LBlume (Schulausg. class.
werke hg. von JNeubauer heft 29). Wien, Graeser. xxxii, 87. 8. [527
♦Egmont. ein trauerspiel. mit ausführl. erläut. f. den schulgebrauch u. das
privatstud. von LZürn. Paderborn u. Münster, Schöningh, 18S6. [528
Egmont (Erläut. ausgew. werke G.s f. d. obersten classen höherer lehranst.
sowie zum Selbstunterricht von PKlaucke nr 2). Berlin , Weber, v, 232.
8. — Litt, merkur vii 201. Zs. f. d. gymnasialwesen 41, 362 (Müller). D.
litteraturbl. x nr 6. [529
Erklärung zweier stellen in G.s Egmont von LZürn. Arch. f. d. stud. d.
neueren spr. 79, 122. [530
s. auch [245.
G.s Singspiele [Erwin u. El mir e. Glaudine von Villa-Bella] im Verhältnis
zu den Weifsischen Operetten von WMartinsen. giefsner diss. Dresden
(Giefsen, Ricker), viii, 51. 8. [531
s. auch [159.
GAiroldi, Faust o. tragedia. Bellinzona, tip. SalvionL [532
Faust part 2 (translation by JAnster). New- York, Harper. [533
Fausto y el segundo Fausto, seguidos de una coleccion de poesias alemanas.
trad. por LAquarone. nueva ed. Paris, Garnier, v, 398. 18. [534
Claudy 1886 [514. — Arch. f. litteraturgesch. 15, 198 (vBiedermann). Nord
u. Süd 41, 313. AZ nr 1 B (Evans). [535
G.s Faust, f. die aufführung als mysterium in 2 tagewerken eingerichtet von
ODevrient [musik von ELassen]. 3 durchges. aufl. Karlsruhe, Braun,
102. 12. [536
Faust, tragedie af G. oversat af PHansen. andet oplag. Kjobenhaven,
Gyldendalske boghandels forlag. Hegel & son. 277,6 (Goethe-jb. 9,331). [537
♦Holland vgl. 1884 [228. 2 aufl. Freiburg u. Tübingen, Mohr, 1882. —
Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 78, 463 (Hölscher). [538
Lee 1886 [516. — Athen, nr 3101 s. 447. New- York nation 44,272. Satur-
day review 63, 28. [539
G.s Faust in urspr. gestalt nach der Göchhausenschen abschr. hg. von
ESchmidt. Weimar, Böhlau. xxxviii, 110. 8: — Litt, centralbl. nr 49.
Nationalztg. nr 629. AZ nr 339 B. [540
VERZEICHNIS DER SCHRIFTSTELLER: GOETHE 95
vGoETHE, JW.: Schröer 1886 [519. — Arch. f. litteraturgesch. 15, 88 (vBieder-
mann). Rostocker ztg. nr 85 (Bechstein). Litteraturbl. f. germ. u. rem. phil.
nr 4 (vLoeper). Bll. f. d. bayr. gymnasialschulwesen 23, 462 (Koch). [541
Snider 1886 [520, — New-York nation 44,127. [542
Faust, translated inlo english verse by BTaylor. Boston, Houghton. 16. [543
Faust, eine tragödie. mit iliustr. von AZick (billige prachtausg.). Berlin,
Grote, 123. fol. [544
Faust, eine tragödie. 1 teil, iliustr. in 50 compositionen von ALiezen
Mayer, mit Ornamenten von RSeitz. ausgeführt in i radierungen von WHecht
u. WKrauskopf, 2 zinkogr. von Angerer u. Göschl u. in 75 holzschn. aus
WHechts xylogr. anst. (neue ausg.). München, Ströfer. 128. fol. [545
Faust (translation). New-York, Munro. [546
s. auch [520,
[Über eine frz, Faustübers. von CBenoit. Goethe-jb. 9, 332]. [547
Faust (ins griech. übers, von GKStratigis). von ABoltz. Mag. f. d. litt. d.
in- u. ausl. nr 23. vgl. Goethe-jb. 9,332. [548
Zu G.s Faust von LBückmann. Arch. f.d. stud. d. neueren spr. 78,478. [549
Der plan von G.s Faust erläut. von CEGludius. Bremen, Müller, vii, 167.
8. — Litt, centralbl. nr 45. D. evang. kirchenztg. nr 50. [550
WScherer über die entstehungsgesch. von G.s Faust, ein beitr. zur gesch.
des litt, humbugs von WCreizenach. Grenzbolen 46,2,624. — DLZ nr
29 sp. 1045 (Schmidt), entgegnung Grenzboten 46,3,248 (Greizenach). [551
Der älteste Faustprolog [in ThDekkers If it be not good, the divil is in ii]
von WCreizenach. Krakau, univ.-druckerei. 19. 8. [552
UCurto, Mefistofele nel Faust di G. Messina, tip. del Progresso. 15. S.
vgl. Goethe-jb. 9, 317. [553
HGurto, Über einige stellen im G.schen Faust. Pisa, tip. Nistri & de.
15. 8. [554
Eine interpretationsfrage zu G.s Faust von HDen icke. Wissensch. bell, d.
Leipz. ztg, nr 53. [555
G.s Faust. 2 teil, von HDüntzer. 4 neu durchges. u, verm. aufl. (Erläut,
zu den deutschen class. 20. 1 bdchen). Leipzig, Wartig. 314. 12. [556
Histoire de la legende de Faust par EFaligan. Paris, Hachette & cie. xxxii,
478. 8. [657
G.s Faust nach seiner entstehung, idee u. composition von KFischer. 2 neu
bearb. u. verm. aufl. Stuttgart, Cotta. xvi, 472. 8. — Grenzboten 46, 1,
615. AZ nr 174 B. Gegenwart nr 32 s. 95. Bll. f. litt, unterh. nr 34
(Buchner). D. litteraturbl. x nr 13 (Geiger). Nationalztg. nr304(Frenzel). [558
Parzival, Faust, Job u. einige verwandte dichtungen [zb. Prometheus] von
GGietmann, S. J. Freiburg i/Br., Herder, vi, 802. 8. — Stimmen aus
Maria-Laach 33,417 (Baumgartner). DLZ nr 47 (Werner). Bll. f. litt, unterh.
nr 40 (Portig). Litt, centralbl. nr 45, Theol. litteraturztg, nr 22. D. litte-
raturbl, nr 32 (Schröter). Theol. litteraturbL s. 269. [559
Hansen-Taylor-Scudderl885[384. — Bist. zs. 57,190 (Fechner). [560
Heinemann 1886 [546. — Arch. f. litteraturgesch. 15, 198 (vBieder-
mann). [561
ELHolmberg, La noche cläsica de Walpurgis in: Anales de la sociedad
cientifica Argentina 22, 6. [562
Die verschiedenen plane im 1 teile von G.s Faust, über entstehung u. com-
position des gedichtes von AHuther. Cottbus, Kittel, vi, 99. 12. —
Gegenwart nr 20 s. 319. DLZ nr 29 (Schmidt). D. litteraturbl. x nr 13
(Geiger). [663
[Über eine poln. übers, des Fausti von LJenike in der warschauer monatsschr.
Ateneum. Goethe-jb. 9, 333]. [664
Justin US, Altezech, 'berliner blau', noch ein wort über die königinhofer
hs. Beil. zur Bohemia nr 55 [berührt das hexeneinmaleins] (Goethe-jb.
9, 317). [565
Zur domscene des G.schen Faust von GKettner. Zs. f. d. phil. 20, 23u
[beziehungen der scene zu Wielands cantate Serafina]. [566
96 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 11
vGoETHE, JW.: Faust, eine Iragödie. 3 teil zu G.s Faust, von CALinde. Darm-
stadt (Leipzig, Opetz). vi, 114. 12. — Gegenwart nr 47 s. 335. [567
Sphinx locuta est. G.s Faust u. die resultate einer rationellen methode der
forschung von FALouvier. 2 bde u. ein lieft nachtrage. Berlin, George
& Fiedler, vi, 443. 491. m, 60. 8. — Didaskalia 64 jg. nr 286. Gegenwart
nr 2 (Geiger). AZ nrl5ß. DLZ nr 24 (Werner). Zs. f. vgl. litteraturgesch.
I 497 (Xantippus). Saturday review nr 1657. Ztg. f. litt., kunst u. wjssensch.
des Hamb. corresp. nr 14. Belletrist.-litt. sonntagsbeil. der Hamb. nachr.
nr 9. Nationalztg. nr 171. 4 u. Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 79, 87
(Wätzoldt). [568
HKvM. 1886 [553. — Litt, merkur viil28. [569
Zu Faust. 1. Der vorname des G.schen Faust von JMinor. 2. Eine paral-
lelstelle zu G.s Faust in serb. dichtung von MKoch. Goethe-jb. 8, 231. 2. [570
DrFausts ende, tragödie von AMüller. Ilfeld, Fulda, vii, 144. 8. [571
The decline and fall of drFauslus. the legend in english. by ERPennell.
Contemporary review 51, 394 u. ebenfalls Littells Living age 173, 195. [572
[Über G.s Faust von GdelaRosa im Progreso. Goethe-jb. 8,290]. [573
ESchnobricii, Hamlet, Faust i Gustaw [in Mickiewiczs Dziady]. —
Paniietnik towarzystwa literackiego imienia AMickiewicza pod redakcya
Roma'na Pilata (Lemberg) s. 244 (Zipper). [574
Faustscenen mit einer einl. über G. u. KLaroche. vorgetragen von KJSchrö er.
Chron. des wiener G.-ver. 1, 62. [575
Das doppelreich [Faust ii 1942 ff] von KJSchröer. Chron. des wiener
G.-ver. 1,44 (Goethe-jb. 9,317). [576
♦The melhods ol WScheier as a critic of Faust by GThomas. Transactions
of the modern language association of America 1886. bd. 2 s. 92 (Goethe-
jb. 9,319). [577
Fauststudien, i G.s 'ideal u. leben' [Faust ii sc. 1]. Mephistopheles u. Ariel
von JKW agner. Breslau, Zimmer, vi, 123. 8. [578
G.s Faust, legend and poem. by WSWolsh. Philadelphia, Lippincott.
— New-York nation 45, 463. Lippincotts mag. dec. s. 941. Literary world
18, 415. [579
Faust and ihe Faust-legend. Edinburgh scotsman 22 aug. (Goethe-jb. 9,
364). [580
Eine Faustvorstellung in Kronstadt (1794). Korrespondenzbl. d. ver. f. siebenb.
landeskunde 10,47. [581
[Über eine aufführung des Faust, übers, von LvDoczy in Budapest. Goethe-
jb. 9, 333. vgl. auch Köln. ztg. nr 97]. [582
The Faust of Egremont. Temple bar 79, 208. [583
Ungar. Faust- Übertragungen [StNagy, LvDoczy, AVarady]. Weser-ztg. nr
14557. 8. [584
s. auch [121. 159. 185. 270. 686. 780. 839 ff.
Über eine Faustaufführung am D. theater zu Berlin von OB rahm. Die
nation iv 737. [585
: Die Faustaufführung im D. theater [zu Berlin] von AGerstmann. Schorers
familienbl. nr 39. [586
Die erste aufführung des Faust im D. theater. Berl. lagebl. nr 448
(PLindau). [587
Eine berliner Faustaufführung. Grenzboten 46, 3, 620. [588
Pictorial successes of Mr Irvings Faust (J. and EPennell). Century mag.
35, 309. [589
lUuslratious of Faust. Eclectic mag. 108,230 (WHPollock). [590
G. and Irving. New-York Iribune 20 nov. [591
The acting of Irvings Faust. Century mag. 35, 311. [592
Hlrving in Faust. Century mag. 35, 309. Critic 11, 250. Edinburgh scotsman
24 aug. (Goethe-jb. 9, 364). _ [593
G.s Faust, ein musikdrama von HZöllner. von AvMensi. N. fr. presse
nr S321 morgenbl. [594
VERZEICHMS DER SCHRIFTSTELLER: GOETHE 97
vGoETHE, JW.: HZöllners Faust, erste aufführung in München. Allg. musik«
Ztg. nr 44. [695
Zöllners Faust. Der kunstwart i stück 3. [596
Zöllners musikdrama Faust. Köln. ztg. nr 293. 349. [597
HBerlioz u. seine Faustmusik von Persius. Allg. musikztg. nr 14. 6. 8. [598
Faust in music by FSewall. Contemporary review 52,370. [599
Volksbb. des 16 jhs. Eulenspiegel. Faust. Schildbürger (mit beil. aus sprich-
wörtersamml. u. chron.) hg. u. erklärt von FBobertag (D. nationallitt,
bd. 25). Berlin u. Stuttgart, Spemann. iv, 452. 8. [600
Zu den quellen des Faustbuchs von 1587 von GE Hing er. Zs. f. vgl.
litteraturgesch. u. renaissancelitt. n. f. i 156. [601
Das 300jähr. erste Faustbuch vom j. 1587. ein buch-jubiläum besprochen
von KEngel. Oldenburg, Schulze. 32. 8. [602
Nachr. über 3 höchst seltene Faustbücher [aus den jj. 1589. 1596. 7] von
KEngel, Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 329. [603
The old german puppet play of doctor Faust, turned into english. with an
introduction and notes by TCHHedd erwick. London, Paul, Trench & cie.
248. 8. — Athen. nr3133. [604
Zum Jubiläum des Faustbuches von LKellner. AZ nr 345. 6 B. [605
Auch ein Jubiläum [betr. drJFaust geb. 1487 zu Knittlingen] von MLilie.
Iliustr. Ztg. nr2285. [606
Die berliner fassung des Puppenspiels vom dr Faust von HLübke. Zs.
31, 105. [607
Marlowe and Green, Tragical history of dr Faustus. 2 ed. London,
JVIacmillan. [608
Zum Jubiläum des Faustbuchs von JMinor. D. dichtung in 29. 59. 91. [609
Mountford-Francke 1886 [557. — DLZ nr 23 (Mosen). BII. f. d. bayr.
gymnasialschulwesen 23, 410 (Wolpeit). [610
Das Volksbuch von dr Faust u. seine bearbeitungen von ANicoladoni.
D. Ztg. nr 5580. 1. [611
The sources of Marlowes Dr Faustus by WEPPantin. Acad. nr790. [612
♦Das älteste Faustbuch. Historia von dr JFausten. nachbildung der zu
Frankfurt a/M. 1587 durch JSpiefs gedr. 1 ausg. mit einer einl. von
WScherer (D. drucke älterer zeit in nachbildungen hg. von WScherer ii).
Berlin, Grote, 1884. — Zs. f. d. phil. 19, 244 (EUinger). [613
Schwan gberg 1886 [561. — Anz. xiii 156 (Ellinger). [614
RSTjaden Moddermann, Het oudste Faustdrama. Marlowes Tragische
historie van dr Faustus vertaald en toegelicht. Groningen (Goethe-jb.
9, 322). [615
Das Jubiläum des Faustbuches von AvW eilen. N. fr. presse nr 8292
morgenbl. [616
Ein doppeljubiläum [Faustbuch von 1587 u. Don Juan] u. seine beziehungen
zu Württemberg. Schwab, chron. nr 263 sonntagsbeil. [617
Melanchthons Schilderung des dr Faust. Die kleine chron. frankf. wochenschr.
hg. von Holthof ix nr 38 beil. [618
s. auch [78.
Lyrische ge dichte, zum schulgebrauch ausgew. u. chronologisch geordnet
von LSevin (Meisterwerke der deutschen litt. — hg. von KHoldermann u.
LSevin 9 bdchen). Berlin, Reuther. 112 mit G.s bild. 8. [619
s. auch [13. 520.1319.
vLoeper 1886 [589. — D. revue xii 1, 256. Bll. f. Utt. unterh. nr 10
(Buchner). Voss. ztg. 3 jan. (vLoeper). Arch. f. litteraturgesch. 15, 202
(vBiedermann). DLZ nr 13 (Werner). Zs. f. d. österr. gymn. 38, 152 (Minor).
Westermanns monatshefte 62, 679. vgl. dazu G.s lyrische gedichte u. hr
GvLoeper in Berlin, beleuchtung eines seltsamen angriffs. von fIDüntzer.
Leipzig, dr. von Teubner. 8 ss. [620
G.s gedieht An den kuchenbäcker Hendel von JM i n o r. Goethe-jb. 8, 225. [621
A. F. D. A. XV. 7
98 BinLIOGRAPHIE FÜR 1887 n
vGoETHE, JW. : Die ode An Zachariä von JMinor. Goethe-jb. 8, 228. [62*1
Rieger 1886 [592. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 730. [623
Zu G.s Braut von Korinth von ThvRiekhoff. Arch. f. litteraturgesch.
15, 1U9. [624
Ahasverus. die sage vom evv'igen Juden, eine wissensch. abhandl. mit einem
krit. Protest wider EvHartmann u. AStöcker. von PGassel. neue (titel-)
ausg. Berlin, Kühl (1885). 70. 8. [625
Gefunden von JMinor. Chron. des wiener G.-ver. 1, 36 (Goethe-jb.
9, 328). [626
Religion u. wissensch. gesamm. reden u. abhandl. von RSeydel. Breslau,
Schottiänder. ix, 417. 8 [behandelt s. 22 ff. 37 ff G.s gedieht Die geheim-
nisse] (Goethe-jb, 8, 298). [627
Geheimstes s. [780.
The probable source of G.s Goldschmidsgesell von JGöbel. Modern language
notes 2, 206. vgl. Zs. f. vgl. litteraturgesch. u. renaissancelitt, n, f, i 128
u. Goethe-jb. 9, 328. [628
G.s indische legenden (Der gott u. die bajadere). von MHaberlandt.
N. fr. presse nr 8088 morgenbl, [629
Zu G.s Homer wider Homer von FThomas. Goethe-jb. 8, 229. [630
Jahrmarkt zu Hünfeld (epigramm) s. [780.
Johanna Sebus von Scheins [über einen ihr von Napoleon i gesetzten
denkstein], Köln. ztg. nr 226. [631
Liebeslied eines amerikan. wilden von HDüntzer. Signale f. d, litt, weit
sp. 2179 (Goethe-jb. 9, 327). [632
Der misanthrop s. [780.
Palinodie i s. [780.
Zu G.s Sänger. Zs. f. d. deutschen Unterricht i 556. [633
Zu G.s gedieht Der sänger. Zs. f. deutsche spr. i 69. [631
Das schreyen von JMinor. Goethe-jb. 8, 229. [635
G. u. Caroline vStaupitz. ein scherflein zur neuen G.-ausg. [ungedr. gedieht
G.s]. D. rundschau 53, 303. [636
Das tagebuch. gedieht. 5 aufl. Dresden, Lemke. 13. 12, [637
Zu G.s gedichten Trilogie der leidenschaft von GvLoeper. Goethe-jb.
8, 165. [638
Vertrauen s. [780.
Der wahre genuss s. [780.
Der Wanderer s. [780.
Weissagungen des Bakis. Novelle. Baumgart 1886 [602. — Arch. f.
litteraturgesch. 15, 93 (vBiedermann). Litt, merkur vii 86 (Geiger). D. dich-
tung I 261 (Schönbach). Anz. xiii 182 (Pniower). [639
G.s Willkommen u. abschied, hrn WHertz zum 1 jan. 1&S7 gewidmet von
RMWerncr. als hs. gedr. Lemberg, dr. des Stauropigianischen inst.
14. 8. [640
s. auch [780.
G.s gedieht an frl. Casimira Wolowska von PERichter. Arch. f. litte-
raturgesch. 15, 293 vgl. 1886 [603. [641
Zu einem kleinen gedichte G.s. Zs. f. deutsche spr. i heft 11. [642
Ein nicht anerkannter vers von G. [Lang hab ich mich gesträubt]. Grenz-
boten 46, 4, 80, doch s. Goethe-jb. 9, 329, [643
Geschwister s. [8. 13. 15.
Götz. Bauer 1886 [607. — Bll, f. d. bayr, gymnasialschulwesen 23,50
(Baldi). [644
Chuquet 1885 [447. — Arch. f. litteraturgesch. 15, 96 (vBiedermann). [645
Toischer 1886 [610. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 687 (Löhner). Bll. f,
d. bayr. gymnasialschulwesen 23, 526 (Bauer). [646
Götz de Berlichingen (analyse et extrails). avec etude sur la vie et l'oeuvre
de G. Paris, Gautier. 32. 16. [647
Klaucke 1886 [612. — Zs. f. d. gymnasialwesen 41, 150 (Müller). Litt,
merkur vii 201. Bll. f. d. bayr. gymnasialschulwesen 23, 396 (Bauer).
VERZEICHNIS DER SCHRIFTSTELLER: GOETHE 99
Korrespondenzbl. f. d. gelehrten- u. realschulen Württembergs 34, 445
(Schanzenbach). D. litteraturbl. x nr G. [648
vGoETHE, JW.: Lebens-beschreibung Gözens 1886 [613. — DLZ nr 36 (Sauer). [649
s. auch [159.
Hermann et Dorothee, poeme en neuf chants. trad. de Tallemand
par Bi taube. Paris, Gautier. 32. 8. [650
Chuquet 1S86 [618. — DLZ nr S (Suphan). Litt, centralbl. nr 24. [651
♦Herman en Dorothea, in't oorspronkelijk metrum vertaald d. HPDewald.
'sGravenhage 1886 (Goethe-jb. 9, 332). [652
Hermann u. Dorothea, transiated by EFro thingham. Boston (tilelausg.
von 1870 (?)). [653
Hermann et Dorothee. ed. class. du texte allemand, public avec une notice
biographique et litt, et des notes en francais, par PhGüthlin. Paris,
Belin & fils. xx, 111. 12. ' [654
Hermann et Dorothee, explique litteralement, trad. en francais et annote
par BLevy. Paris, Hachette. iv, 331. 12. ' [655
Hermann u. Dorothea, mit einl. u. anm. von ALichtenheld. 3 aufl.
(Schulausg. class. werke nr 2). Wien, Graeser. xii, 61. 8. [656
Hermann u. Dorothea, schulausg. bearb. von LSevin (Meisterwerke der
deutschen litt. — hg. von KHoldermann u. LSevin 5 bdchen). Berlin, Reuther.
63. 8. [657
Hermann u. Dorothea, mit 12 holzschn. nach Zeichnungen von LRichter.
2 aufl. Leipzig, Wigand. 104. 8. [658
Hermann u. Dorothea (Stenogr, bibl. System Roller 1 bd.). Berlin, Robolsky
in comm. in, 44. 8. [659
s. auch [S5.
Der pfarrer in G.s Hermann u. Dorothea von HB es s er. N. jbb. f. phil. u.
päd. 136, 619. [660
Die Urbilder zu Hermann u. Dorothea von ABielscho wsky. Preufs. jbb.
60, 335. [661
Über die technik von Hermann u, Dorothea von WDuschinsky. Ärch. f.
d. stud. d. neueren spr. 79, 1. [662
♦WvHumboldts Ästhetische versuche über G.s Hermann u. Dorothea.
4 aufl. mit einem vorw. von HHettner. Braunschweig 1882. — Arch. f.
d. stud. d. neueren spr. 79, 472. [663
Hermann u. Dorothea von KKnortz. Bahn frei, organ des New- Yorker
turnver. 5 jg. nr 6—9 (Goethe-jb. 9, 326). [664
Zu Hermann u. Dorothea vi 51 von GhWirth. BU. f. d. bayr. gymnasial-
schulwesen 23, 445. [665
Das titelkupfer zu G.s Hermann u. Dorothea. Grenzboten 46, 2, 234. [666
Jery u. Bätely s. [8.
Iphigenie auf Tauris. ein Schauspiel, mit einl. u. anm. von JNeubauer.
3 unveränd. aufl. (Schulausg. class. werke nrl). Wien, Graeser. xiii,66. 8. [667
Iphigenie auf Tauris. ein Schauspiel, f. die zwecke der schule erläut. u. metho-
disch bearb. von HVockera dt. 2aufl. Paderborn, Schöningh. VIII, 176. 8. [668
s. auch [517.
G.s Iphigenia auf Tauris von AHagemann 3. aufl, (Vortr. f. die gebildete
weit hg. von PHagemann heft 2). Spandau, Österwitz. vi, 69. 8. [669
Über die entsühnung des Orestes in G.s Iphigenie auf Tauris von GKanzow.
progr. d. kneiphöf. gymn. zu Königsberg. 39. 4. [670
Die heilung des Orest in G.s Iphigenie, eine religiös-sittliche lösung im
geiste des Christentums, zur erinnerung an das erste erscheinen von G.s
Iphigenie im j. 1787 von AMatthias. Düsseldorf, Voss & cie. 48. 8. vgl.
auch Lehrproben u. lehrgänge aus der praxis d. gymn. u. realschulen heft 1 1 . [671
s. auch [158.
Italienische reise s. [13.
BCroce, Figurine Goethiane. Trani, Vecchi, 64. 16 [über das 'prinzesschen'
in der Ital. reise, Goethe-jb. 9, 330]. [672
Zu G.s Ital. reise von KJSchröer. Ghron. des wiener G.-ver. 1,42. [673
7*
100 BIBLIOGRAPHfE FÜR 1S87 II
vGoETHE, JVV. : Gurugium, ein kleiner beitr. zur G.-phil. von Xanthippus.
Nalionalztg. nr 364 [zu der Romanze, Hempel 24, 537 f: ist kein hexenlied
sondern ein kinderlied, an die turteltaube gerichtet. X. schreibt die 1 zeile
'Gurugiu m'a tel gurugiül d. i. kurrukul da bin ich (besuche dich)']. [674
Laune des verliebten s. [13. 15.
G.s Lila von EReichel. Frank. Courier nr 48 (Goethe-jb. 9, 324). [675
Wilhelm Meisters apprenticeship. New- York, Lovell. [676
s. auch [13.
Mignon par G. imite de Tallemand par ChSimond. Paris, Lecene & Oudin.
95. 8. [677
Die mitschuldigen s. [13.
Natürliche tochter s. [8. 13. 517.
G.s Natürliche tochter im deutschen Unterricht von FK e r n. Zs, f. d.
deutschen Unterricht i 61. [678
Naturwissensch. Schriften s. [159. 518. 519.
Novelle s. [639.
Prometheus s. [559.
Reineke fuchs s. [8. 13.
Reynard the fox. translated byThJArnold. Boston, Roberts brothers. vgl.
1886 [646. [679
Anf. einer übers, von G.s Reineke fuchs in klingenden russ. hexametern von
Dostojewsky mitgeteilt in der Russ. illustr. ztg., pfingstnr. [680
Nagl 1886 [647. — DLZ nrl2 (Seemüller). [681
s. auch [1262.
Der Sammler u. die seinigen, mit erläut. u. anm. von DSanders. Zs. f.
deutsche spr. i heft 1 ff. [682
Stella s. [8. 13.
Tagebücher. Schmidtl886 [650. — Gegenwart nr 9 (Düntzer). Nationalztg.
nr 78. 80 (Xanthippus). Bll. f. litt, unterh. nr 10 (Buchner). Grenzboten 46,
3, 325 (Wickhoff). Preufs. jbb. 60, 417 (Harnack). N. fr. presse nr 8039
morgenbl. (Lang). New-York nation 44, 101. Frankf. ztg. nr 37. 8 (Prölfs).
vgl. auch [738. [683
s. auch [520.
Tancred. Weifs 1886 [653. — Zs. f. d. österr. gymn. 38,323.5 (pole-
mik zwischen Weifs u. Werner). Anz. xni 411 (Seuffert). [684
Tasso s. [517.
WKröwczynski Goethego Torquato Tasso. Dodatek literacki do Kurjera
(iWowskiego nr 43 [übers, der letzten scene des 5 actes]. [685
Über G.s Tasso. über G.s Faust, über HvKleisl. von EG n ad (Populäre vor-
trage über dichter u. dichtkunst n. f.). Triest, Schimpff. vii, 107. 8. — Bll. f.
litt, unterh. nr31 s. 495. D. revuexii4,376. D.litteraturbl.x nr 19(Guber). [686
*G.s drama Torquato Tasso im Zusammenhang mit seinen erlebnissen f. den
schulgebrauch exponiert von ESzaidzicki. progr. des k. k. gymn. in
Kolomea 1886. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 473. [687
Wittich 1886 [657. — Arch. f. d. stud, d. neueren spr. 77,230. [688
Unterhaltungen deutscher ausgewanderten s. [159.
Wahlverwandtschaften. Semler 1886 [660. — Zs. f. d. deutschen
Unterricht i 93 (Lyon). D. litteraturbl. x nr 14 (Brenning), Arch. f. gesch.
der philos. i 122 (Dilthey). [689
s. auch [739.
Werther. versione ital. di RGeroni. 3 ed. Firenze, succ. Le Monnier.
Lxxx, 43S. 24. [690
Werther (Auteurs celebres nr23). Paris, Marpon & Flammarion. 218. 16. [691
G.s Werther u. Foscolos Jacopo Ortis von MLandau. AZ nr 250 ß, vgl.
Goethe-jb. 9, 329. [692
ESchnobrich, Dziady a Werter [Mickiewiczs totenfeier u. der Werther]. —
Pamietnik towarzystwa literackiego imienia AMicklewicza pod redakcya
Romana Pilata (Lemberg) s. 246 (Zipper). [69^
VERZEICHNIS DER SCHRIFTSTELLER: GOETHE 101
vGoETHE, JW.: Werthers leiden im Elsass von LSpeidel. N. fr. presse nr8l2&
iiiorgenbl. darnach auch Strafsb. post nr 125. [694
s. auch [15S. 504.
Westöstl. divan s. [515.
Xenien s. [13.
G. u. die blumen von HGhild. Der Zeitgeist (beibl. zum Berl. tagebl.)
nr 35 [behandelt einzelne distichen in den Xenien]. [695
[Aus dem fremdenbuche der grübe Dorothea bei Clausthal a,H. Zs. f. berg-,
hütten- u. salinenwesen 35, 142, auch Chron. des wiener G.-ver. 1, 44
(Goethe-jb. 9, 307)]. [696
G.s brief Wechsel mit FRochlilz. hg. von WvBiederma nn, mit bildnis
u. hs.-nachbildung. Leipzig, vBiedermann. xxvi, 525. 8. — Litt, centralbl.
nr 40. Gegenwart nr 47 s. 335 (Düntzer). Grenzboten 46, 4, 425. 80 (Stern).
Preufs. jbb. 60, 652 (Harnack). D. litteraturbl. x nr 35 (Ziegler). [697
13 briefe G.s. [an frau vHeygendorf (1), Höpfner (2), den landgrafen von
Hessen (1), Stieler (5), Streckfufs (1), FSVoigt (3)] nebst einem fragment G.s
veröffentlicht von ACohn, LGeiger, EMentzel, RWerner. Goethe-jb.
S, 121. [698
G.-Zelter ed. Coleridge 1886 [680. — Acad. nr 775 s. 181. New-York
nation 44, 209. Athen, nr 3090 s. 96. [699
2 interessante briefe. 1. von G. 2. von LaMotte Fouque. von Deinhard-
stein. Didaskalia nr 105 [ersterer vermutlich identisch mit dem G.s an
Deinhardstein, 27 märz 1830, abgedr. An der schönen blauen Donau (Wien)
heft 9 s. 201 (Goethe-jb. 9,307)]. [700
Düntzer 1886 [672. — Köln. ztg. nr 86. Strafsb. post nr 124 (Erdmann).
Literary world 18, 366. [701
35 geschäftsbriefe von G. an FFrommann aus den jj. 1816—24. mitgeteilt
von HF rommann. Goethe-jb. 8, 144. vgl. ebenda s. 242 Zur erinnerung
an FJFrommann. [702
Regesten [von LGeiger]. Goethe-jb. 8,278. [703
Mitteil, aus dem G.-arch. veröffentlicht von LGeiger u. BSuphan mit
anm. , eingel. durch einen brief ESchmidts an LGeiger. Goethe-jb. 8,3.
102 [entb. einen brief G.s an WScott u. briefe an G. von frau vStael (4),
UFoscolo (1), A.VIanzoni (1), AÖhlenschläger (2), JG., C. u. AHerder (14),
ChvSchiller (16), Körner (12), WvHumboldt (14), CvHumboldt (1), AvHum-
boldt (3), BGNiebuhr (7), Savigny (1); aus 3 briefen WvHumboldts an Riemer,
ein brief AvHumboldts über G.]. [704
Hesse 1886 [676. — Zs. f. d. deutschen Unterricht i 84 (Unbescheid). Arch.
f. d. stud. d. neueren spr. 77, 230. [705
Zu G.s leipz. briefen von OHoffmann. Goethe-jb. 8,235. [706
Correspondence between G. and Cariyle. ed. by ChENorton. London and
Xew-York, Macmillan & de, xix, 362. 8. — Grenzboten 46, 2, 81 (Flügel).
Litt, centralbl. nr 45. Acad. nr 781 s. 281 (Dowden). Athen, nr 3101 s. 441.
Blackwoods Edinburgh mag. 142, 121. Atlantic monthly 59, 849. Dial 8,
19 (Hubbard). Saturday review 63, 697. New-York nation 44, 391. Gritic
10, 226. Literary world 18, 188. [707
G.s u. Carlyles briefwechsel [hg. von HOldenberg]. Berlin, Hertz, xii,
254. 8. — Gegenwart nr 26 (Geiger). AZ nr 163 B (Carriere), DLZ nr 38
(Werner), D. rundschau 53,43 (Grimm). Litt, centralbl. nr45. [708
Der serbische freund LvRankes von HPenn. Mag. f. d. litt, d. in- u. ausl.
56 jg. nr 1 — 3 [enthält na. einen brief von G.]. [709
[Pfarrer vR a n k e über einen zettel von G.s band im besitz LvRankes.
Goethe-jb. 8, 234]. [710
Ein brieflein G.s an Lenz, mitgeteilt von KWeinhold. Chron. des wiener
G.-ver. 1, 27. [711
Ein par angestrichene stellen in G.s briefen an frau vStein von JVWid-
mann. Die nation nr 8 (Goethe-jb. 9, 305). [712
s. auch [90. 159. 520. 683. 717. 738.
102 BIDLIOGIIAPHIE FÜR 1887 11
vGoETHE, JW. : Briefe von G.s frau an NAIeyer. mit einl., facss., einer lebensskizze
NMeyers u. porlr, Strafsbiirg, Trübner. (4), 41, (16). 4. — Litt, centralbl.
nr 31. Grenzboten 46, 3, 463. [713
Baumgartner 1S86 [686. — Arch. f. d. slud. d. neueren spr. 78,457. [714
Baumgartner 1886 [687. — NVestermanns monatshefle 62,408. Linzer
tlipol.-pract. quartalschr. heft 2. Moniteur de. Rome nr 36. Polybiblion
Ott. (de Saint-Albin). Dublin review, july. üsterr. litt, centralbl. nr 12
(iMüllner). [715
Beitr. zur metrik G.s von EBelling in. Über G.s frz. u. deutsche alexan-
driner. progr, d. gymn. zu Bromberg. 15. 4. [716
2 forts. der nachtrage zu SHirzels Verzeichnis einer G.-bibl., hg. von LHirzel
u. zu G.s briefen von FStrehlke. von WvBiederma n n. Arch. f. litteratur-
gesch. 15, 380. 453. [717
Der alte G. im jungen, von WvBiedermann. Wissensch. beil. d. Leipz.
Ztg. nr 93. [718
G.s Lili von ABielscho wsky. Westermanns monatshefte 62, 593. [719
Die ästhetische naturanschauung G.s in ihren Vorbedingungen u. in ihren
Wandlungen von ABiese. Preufs. jbb. 59, 542. 60, 36. [720
Blume 1885 [502. — Zs. f. d. österr. gymn. 38,730. Arch. f. d. stud.
d. neueren spr. 77, 447. [721
G. and philosophy. Eclectic mag. 108, 145 (ECaird) = 1886 [701. [722
G. als denker von MCarriere. Zs. f. vgl. litteraturgesch. u. renaissance-
litt, n, f. I 1 [mit bezug auf [744. 775]. [723
MVDudley, Poetry and philosophy of G. Chicago, Griggs & cie. vi, 300.
12. vgl. Goethe-jb. 9, 309. — New-York nation 45, 122. Literary world
18, 171. [724
Düntzer 1886 [705. — Anz. xiii 172 (Minor). Arch. f. d. stud. d. neueren
spr. 78,329. [725
Zur G.-litt. von HDüntzer u. RWulckow. Didaskalia nr 23. 6 [persönl.
bemerkungen]. [726
Francke 1886 [711. auch sep. Berlin, Bettler. 26. 8. [727
Urkundl. funde von JFroitzheim. 1. Urkundl. über G.s ausflug nach Saar-
brücken u. seine examina in Strafsburg. 2. Die Jungfern Lauth im alten
Strafsburg. Strafsb. post nr. 313. 27. [728
Das unechte und das echte G.-haus am Alten fischmarkt [zu Strafsburg] von
JFroitzheim. Strafsb. post nr 81. [729
Das echte G.-haus am Alten fischmarkt nr 36 [zu Strafsburg] von JFroitz-
heim. Strafsb. post nr 130. [730
G.s Minchen, auf grund ungedr. briefe geschildert von KThGaedertz.
mit dem von JFrommann gemalten portr. Wilhelmine Herzliebs u. facs.
Bremen, Müller, xi, 153. 8. — Litt, centralbl. nr 18. lUustr. ztg. nr 2292
(Salomon). Gegenwart nr 24 (Düntzer). Bll. f. litt, unterh. nr 33 (Buchner).
DLZ nr 45 (Schmidt). Gartenlaube nr41. Nord u. süd 43, 410. AZ nr71B
Verschiedenes. Weser-ztg. nr 14455. Schles. ztg. nr 805. 8. D. litteraturbl.
X nr 5 (Geiger). Die kleine chron. frankf. wochenschr. hg. von Holthof ix
nr 38 beil. Saturday review 63, 706. Köln. ztg. nr 145. Schwab, chron.
s. 1633. [731
G. w Polsce von MGawalewicz. — Pamietnik towarzystwa literackiego
imienia AMlckiewicza' pod redakcya Romana Pilata (Lemberg) s. 251
(Zipper). [732
G.-jb. bd. 7 1886 [713. — Arch. f. litteraturgesch. 15, 80. 204 (vBieder-
mann). [733
Dasselbe, hg. von LGeiger. bd. 8. mit dem 2jahresber. der G.-gesellsch.
Frankfurt a/M., Litt. anst. (Rütten &: Loening). xx, 346, 94. 8 [darin s. xiii
Schutzgeister von CFMeyer, s. 235 nachtrage u. berichtigungen zu bd. 7. 8,
s. 241 chron., s. 270 bibliogr.]. — Litt, centralbl. nr27. Grenzboten 46,3,77
(Düntzer). Die nation iv 591. [734
G. u. die renaissance von LGeiger. Vierteljahrsschr. f. kultur u. litl. der
VERZEICHNIS DER SCHRIFTSTELLER: GOETHE 103
renaissance ii 141. 29". auch sep. vortr. geh. im wiener G.-ver. am 10 märz
1887. Berlin, Haack. 40. 8. vgl. dazu Goethe-jb. 9, 349. [735
vGoETHE, JW.: Die Juden u. die deutsche litt. i. G. u. die Juden von LGeiger.
Zs. f. gesch. der Juden in Deutschland i 321. — Revue critique nr 48.
D. litteraturbl. x nr 30 (Gloatz). [736
Zu G. in Franlireich von LGeiger. Goethe-jb. 8,233. [737
G.s briefe aus Italien von LGeiger. Die nation iv 175. 93. [738
WHerzlieb, die Ottilie in den Wahlverwandtschaften G.s von LGeiger. Die
nation iv 418. [739
G. Catholic world 45, 145 (JGmeiner). [740
Rechtsstud. u. Prüfungsordnung, ein beitr. zur preufs. u. deutschen rechts-
gesch. von LGoldschmidt. Stuttgart, Encke. 451. 8 [darin über G. als
Juristen] (Goethe-jb. 9, 347). [741
G. Vorlesungen geh. an der kgl. univ. zu Berlin von HGrimm. 4 durch
einen vorher, verra. aufl. Berlin, Hertz, xxxviii, 517. 8. [742
Griswold 1886 [718. — New- York nation 44,85. [743
G. in der epoche seiner Vollendung. 1805—1832. versuch einer darstellung
seiner denkweise u. weltbetrachtung von OHarnack. Leipzig, Hinrichs.
XLvi, 249. 8. — D. revue xii 2, 255. Grenzboten 46, 2, 271 (Necker). Saturday
review nr 1667. Preufs. jbb. 60, 656 (Bielschowsky). Presse nr 166. Weser-
ztg. nr 14699. D. litteraturbl. x nr 20 (Bürkner). Arch. f. gesch. der philos. i
122 (Dilthey). Beil. zur Bohemia nr 174. [744
Gedanken über G. von VHehn. Berlin, Borntraeger. 327. 8. — Die post
nr 142 beil. D. revue xii 3, 374. Litt, centralbl. nr 43 (Greizenach). AZ nr
276 B. Grenzboten 46, 4, 582 (Necker). Weser-ztg. nr 14699. Belletrist.-Iitt.
sonntagsbeii. der Hamb. nachr. nr 25 (Eyfsenhardl). D. litteraturbl. x nr 15
(Koch). Nationalztg. nr 322 (Delbrück). Die nation iv 572 (Geiger). Köln.
Ztg. nr 172. [745
G. u. die spr. der bibel von VHehn. Goethe-jb. 8,187. [746
Henkel 1886 [720. — Zs. f. d. phil. 19, 249 (Kettner). Arch. f. litteraturgesch.
15, 99 (vBiedermann). D. dichtung i 261 (Schönbach). DLZ nr 16 (Jacoby).
Anz. XIII 303 (Pniower). Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 496 (Muncker). [747
Das geistige leben Neapels in den letzten jhh. vornehmlich im 18. vortr.
geh. bei der G.-feier in Neapel am 25 febr. 1887 von AHolm. Zs. f. allg.
gesch., kultur-, litt.- u. kunstgesch. 4, 321. [748
G. in Italien von Allg. Presse nr 19. 25. [749
G.-reliquien von Allg. Ghron. des wiener G.-ver. 1,51. [750
Keil 1886 [725. — Arch. f. litteraturgesch. 15,97 (vBiedermann). [751
Aus den tagebüchern Riemers, des vertrauten freundes von G. mitgeteilt von
RKeiL D. revue xii 1, 11. 173. 278. 3, 55. 4, 39. vgl. Goethe-jb. 9, 353.
305. [752
GKühne u. Ottilie vG. von AKohut. Der Zeitgeist (beibl. zum Berl. tagebl.)
nr 1. [753
G. u. Schiller in Dresden u. die Gustel von Blasewitz von AKohut. Sieg-
fried nr 1 (Goethe-jb. 9, 346). [754
Langguth 1886 [734. — Grenzboten 46, 1, 169 (Koch). [755
G. als päd. von ALanggut h. Halle, Niemeyer, xn, 205. 8. — D. litte-
raturbl. X nr 40 (Bender). [766
Erinnerungen an FLiszt von FLewald. D. rundschau 52, 270 [berührt
s. 283. 7 Liszts u. AStahrs bemühungen um gründung einer G.-stiftung]. [757
Lewes-Frese-Geiger 1886 [735. — BU. f. litt, unterh. nr 3 (Buchner).
Litt, merkur vii 96 (Geiger). [758
Lewes-Lippert 1886 [736. — DLZ nr 21 (Werner). [759
Das Frankfurt G.s. eine reiseskizze von GLiebe. Wissensch. beil. d. Leipz.
Ztg. nr 101. [760
Erinnerungen an G.s familie (Alma vG.) von AvLittrow-Bischoff. Chron.
des wiener G.-ver. 1, 30, [761
G.s Verhältnis zur bildenden kunst. vortr. geh. im ver. junger kaufleute
[zu Berlin] von dr Lücke, referat darüber im Berl. tagebl. nr20 3, [762
104 BIBLIOGRAPHIE FÜR 18S7 II
aGoethe, JW. : G.s Verhältnis zur gesch. u. pol. von ALüttge. progr. d.
kaiserin-Aiigusta-gymn. zu Charlottenburg. 29. 4. [763
G.s reisen vonFMaschek. 1 teil, progr. der Staatsmittelschule zu Reichen-
berg. Reichcnberg, Pritsche. 58. 8. [764
Melzer 1886 [741. — Philos, monatshefte 22, 392 (Harpf). Zs. f. vgl.
litteraturgesch. i 359 (Steiner). [765
Meyer 1886 [743. — D. litteraturbl. x nr31 (Geiger). [766
Homer u. die Ilias von EHMeyer [behandelt auch den einfluss Homers auf G.
u. Schiller]. Berlin, Oppenheim, vii, 258. 8. — Gegenwart nr 14 s. 223. [767
G. and Schiller by MMundt. New-York, Lovell. [768
Der söhn des henkers. erzählung von KNeumann-Strela [roman aus
G.s Jugend]. Der Sammler (beibl. zur Augsb. abendztg.) nr 133 ff. [769
Erinnerungen an G. von HRinn. Ztg. f. litt., kunst u. wissensch. des Hamb.
corresp. nr 19. 20. [770
Scherer 1886 [754. — DLZ nr 3 (Grimm). Gegenwart nr 3 (Gebhardt).
Bes. beil. des Staatsanz. f. Württemberg nr 7 s. 109 (Fischer). D. rundschau
51, 240 (vLoeper). Grenzboten 46, 2, 271 (Necker), Revue critique nr 51
(Chuquet). New-York nation 44, 514. D. litteraturbl. x nr 11. 3 (Geiger). [771
Ein G.-bildnis (von Grünler) von KJSchröer. Ghron. des wiener G.-ver.
1, 22. [772
G.-reliquien von KJSchröer. ebenda 1,58. vgl. Goethe-jb. 9,307. [773
Einige bemerkungen über G.s Verhältnis zur ethik von GSimmel. Zs. f.
philos. u. philos. kritik 92, 101. [774
Steiner 1886 [761. — Bll. f. litt, unterh. nr 16 s. 254. Litt, centraibl.
nr21. Chron. des wiener G.-ver. 1,28 (Schröer). Zs. f. philos. u. philos.
kritik 91, 298 (Hermann). Arch. f. gesch. der philos. i 122 (Dilthey). [775
G.s litt, einfluss auf Frankreich von ThSüpfle. i. Goelhe-jb. 8,203. [776
G. in the british museum by FThimm. The library chronicle vol. 4 nr43
(Goethe-jb. 9, 357). [777
G. In Neapel von ThTrede. AZ nr61— 3 B. [778
G.s leben, geistesentwickelung u. werke von HViehoff. 5 (titel-)aufl. in
4 teilen. Stuttgart, Conradi (1877). xiv, 198. 232. 226. 218. 8. [779
Kleine Goetheana von RMWer ner. 1. Gretchen Wagner. 2. Brief u. gedieht
[zu den gedichten Der misanthrop. Der wahre genuss, Willkomm u. ab-
schied, Geheimstes]. 3. G.s aussehen i. j. 1832. 4. Hasen laufen lassen.
5. Der wanderer. 6. Tom Jones als G.s mutmafsliches vorbild [zu dem ge-
dichte Vertrauen], 7. Eine parallele zu Faust i 29. 8. Zwei conjecturen
[zur Palinodie i u. zum Jahrmarkt zu Hünfeld]. Arch. f. litteraturgesch.
15, 276. auch bes. veröffentlicht für frhr WvBiedermann zur feier des 5 märz
1887. dr. von Teubner in Leipzig. 19. 8. [780
Die rose von Sesenheim. eine erzählung aus G.s liebesieben von AZapp,
Berlin, Cronbach. 160. 12. — D. dichtung ii 304 (Honegger). Die nation iv
572 (Geiger). [781
AZipper, Z mlodosci Goethego i Schillera [aus der Jugend G.s u. Schillers].
Ognisko dornowe iv nr 102 ff (Lemberg 20 febr.). [782
JWG. Meyers con versa tions-lexicon 4 aufl. 7,542. [783
[G.-genealogie. Berl. börsencourier 6 juli (Goethe-jb. 9, 338). vgl. auch
Litt, merkur vii 259]. [784
[Ber. über den tod eines pathenkindes G.s in Chemnitz: des bezirkschul-
lehrers Wolfgang Engau, des sohnes eines Weimarer druckers. Leipz.
Ztg. vgl. Athen. nr3111 s. 768<=]. [785
Zur kenntnis der hss. G.s. Chron. des wiener G.-ver. 1, 41. [786
Table analytique der Bovetschen samml. (Mitteil. f. autogr.-sammler, hg. von
EFischer vRöslerstamm 4 jg. nr 7) [über G. aus briefen von Knebel, Tieck
u. VHugo] (Goethe-jb. 9, 350). [787
G. and the irish queslion. Critic 10, 261. [788
G. als verkündiger deutscher gröfse. Schles. ztg. nr 169. [789
G.-erinnerungen. Sonntagsbl. hg. von APhillips nr 13. [790
G.-gedenkstätten Italiens. Chron. des wiener G.-ver. 1, 60. [791
VERZEICHNIS DER SCHRIFTSTELLER: GOETHE lUO
vGoETHE, JW. : G. in Italien, aus einem vortr. im wiener G.-yer. Chron. des wiener
G.-ver. 1,26. [792
Die Wohnung der Jungfern Lauth im allen Strafsburg [G.s mittagstisch].
Strafsb. post nr 294. [793
Sassafras. Chron. des wiener G.-ver. 1, 24. [794
G.-bildnisse. Westermanns monatshefte 62, 748. [795
[G.s portr. von Tischbein (G. auf den trümmern Roms) dem Staedelschen
inst, in Frankfurt a/M. aus MGvRothschilds nachlass zum geschenk gemacht,
notiz im Litt, merkur vii 107]. [796
[Anbringung einer tafel an dem hause, wo G. 30 nov. — 1 dec. 1777 in Ilfeld
übernachtet. Köln. ztg. nr 244]. [797
[G.-denkmal in Strafsburg. Strafsb. post nr 197. 293. auch Presse nr 199]. [798
G. medals. Newport news 20 sept. [799
[Über das G. u. seinen erben von Cotta ausgezahlte honorar. Litt, merkur
VIII 75]. [800
Friderike von Sesenheim, nach WvG., eine deutsche liebesidylle in 3 büchern.
Berlin. 64. 8 (Goethe-jb. 9, 327). [801
s. auch [86. 88. 106. 121. 125. 126. 132. 150. 161. 171. 182. 192. 245.
251. 270. 342. 352. 1144. 1397. 1415.
* Musikerbriefe aus 5 jhh. nach den urhss. erstmalig hg. von La Mar a. 2
bde. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1886 [Beethoven über G.]. — BU. f. litt,
unterh. nr 28 s. 436. [802
Sulpiz Boisseree u. der kölner dorn von HHüffer. Köln. ztg. nr 358 erstes
bl. (Goelhe-jb. 9, 336). [803
G.s Friderike [Brion] von RWulckow. Didaskalia nr 112. 3. [804
Charlotte BufT von WCrecelius. Arch. f. litleraturgesch. 15,336. [805
Ein deutsch -frz. familienleben im Elsass von Kestner- Köchlin [über
die frz. nachkommen der Charlotte Kestner]. Strafsb. post nr 161. vgl.
dazu Les descendents de Charlotte. Temps 4 mai. [806
G. u. Carlyle s. [105. 109. 110. 168. 169. 707. 708.
G. u. Eberwein s. [245.
G. u. FJFrommann s. [702.
ChvGoethe. lUustr. ztg. nr 2322. [807
s. auch [713.
G. u. Herder, vortr. geh. in Weimar den 21 mai 1887 bei der 2 jahresver-
samml. der G.-gesellsch. von BSuphan. D. rundschau 52, 63. [808
s. auch [992.
WHerzlieb s. [731. 739.
G. u. Homer s. [767.
*Der dresdner baumeister FAKrubsacius. abdr. aus: Barock u. rococco von
PThSchumann. leipz. diss. Leipzig, Pries, 1885 [cap. 7, s. 54—61 G.
u. Krubsacius, dessen polemik gegen Von deutscher baukunst] (Goethe-
jb. 9, 329). [809
G. u. KLaroche s. [575, vgl. auch [99.
Lavater. Steck 1886 [780. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 51 (Minor). [810
MvLoen u. die staatskirchlichen reformprojecte der aufklärungszeit von WBen-
der. D. revue xii 1, 230. 336 [mit rücksicht auf G. hier verzeichnet]. [811
Eine vergessene kaiserin [Maria Ludovica von Österreich]. D. ztg. nr 5510. [812
s. auch [120.
G. u. Manzoni s. [144.
Aus dem briefwechsel der LMendelssohn-Bartholdy. Berl. börsencourier 21
aprii, nach der N. fr. presse [berührt G.s Verhältnis zu Felix Mendelssohn-
Bartholdy] (Goethe-jb. 9, 352). [813
Stahlberger, Mickiewicz in Weimar 1829. — Pamietnik towarzystwa
literackiego imienia AMickiewieza pod redakcya Romana Pilata (Lemberg)
s. 250 (Reha). ' [814
G. über Mozarts Don Juan. Berl. tagebl. nr 547 (Goethe-jb. 9, 347). [815
G. u. Öhlenschläger s. [825.
106 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 II
vGoETHE, JW. : Friderike Oeser s. [193.
Parthey 1884 [448. — Belletrist.-litt. sonntagsbeil. der Hamb. nachr. nr 23
(Eyfsenhardt). [816
JLPassavant ADB 25, 196 (HDechent). [817
G. u. Plessing von JDuboc. Gegenwart nr 39. [818
[Lebensabriss des preufs. diplomaten frhrn vPlotho [vgl. G.s werke ed. Hempel
20. 169. 93. 353. 64]. vortr. von dr Na ude. vgl. DLZ nr 20 sp. 730]. [819
ChDRauch. von F. u. KEggers. 4 bd. 2 hälfte, schlusslfg. Berlin, Duncker.
XVII, 167—470 [berührt G.] (Goethe-jb. 9, 344). [820
Aus einem briefe KBertuchs an Böttiger, mitgeteilt von PER ich t er. Arch.
f. litteraturgesch. 15, 447 [G. über Schiller u. FSchlegel]. [821
Elisabeth Schönemann, baronne de Türckheim. la Lili de G. 1758—1817.
La revue nouvelle d'Alsace-Lorraine 7« annee nr 5. [822
s. auch [719.
G. u. ThSeebeck. Fischer 1886 [795. Richter 1886 [750. — DLZ nr 6
(Werner). Litt, centralbl. nr 15. [823
Luise Seidler, die zeichenlehrerin der kaiserin Augusta von FBornhak.
Der bär 14 jg. nr 6 (Goethe-jb. 9,336). [824
RSchmidt, Fra liv og literatur. syv foredrag. Kjobenhavn, Wrobleswski.
226 [darin: s. 125—207 Shakespeare og G. u. G. og Öhlenschläger, sodann
dänische übers, der Goethe-jb. 8, 11 abgedr. briefe Öhlenschlägers an G.
mit anm. , letztere auch Dagbladet (Kopenhagen) 26.7 mai (Goethe-jb. 9,
343. 304)]. [825
Spinoza, vortr. geh. im G. -hause in Frankfurt — von JBergmann. Philos.
monatshefte 23, 129 [berührt G.s Verhältnis zu Spinoza]. [826
G. u. Spinoza. Populär-wissensch. monatsbll. zur belehrung über das Juden-
tum vii nr 3. [827
G. u. frau vStein von EAdler. Wien, Töplitz & Deuticke. 16. 8 [aus: D,
wochenschr. , febr. 26 feuill.]. — D. revue xii 3, 255. Bll. f. litt, unlerh.
nr 49 s. 782. [828
s. auch [159. 520. 683. 701. 712.
G. u. Tennyson von DAsher. Wissensch. beil. d. Leipz. ztg. nr 82. [829
Notes and queries for a bibliogr. of the works of WMThackeray ii. Athen.
nr3090 s. 96^ [G. u. Thackeray]. [830
4 briefe Varnhagens an HViehoff über G. von VKiy. D. revue xii 4, 105. [831
Keil 1886 [805. — Arch. f. litteraturgesch. 15, 204 (vBiedermann). Bll. f.
litt, unterh. nr 34 (Buchner). [832
Die schätze des G.-hauses zu Weimar, von WLübke. AZ nr 56 B. [833
s. auch [152.
Portraits of Englishmen in G.s house at Weimar by MM ü 11 er. Acad. nr 782
s. 308. [834
Die schätze des G.-nationalmuseums in Weimar. 60 photogr. aufnahmen
nach den originalen in lichtdr. einl. u. erläut. text von CRuland. mit
höchster genehmigung im auftrage des grofshgl. Staatsministeriums unter
leitung der direction hg. von LHeld. Ifg. 1 — 3 ä 6 photogr. bll. mit 16 ss.
text. Leipzig, Titze. fol. vgl. Goethe-jb. 9, 358 f. — Belletrist.-litt. sonn-
tagsbeil. der Hamb. nachr. nr48. Nationalztg. nr 648 (Grimm). [83B
Das G.-nationalmuseum von CRuland. D. illustr. ztg. nr 54. [836
G. als kunstsammler [G.-museum] von JWahle. Sonntagsbeil. zur Voss.
Ztg. nr 27. [837
G.-museum. notiz im Litt, merkur vii 139. [838
ESchmidts G.-fund von OB rahm. vgl. Litt, merkur vii 219. [839
Die Weimarer G.-tage u. die neuen Faustscenen von OB rahm. Frankf. ztg.
nr 144. 5. [840
Generalversamml. der G.-gesellsch. in Weimar am 21 mai 1887 von AFre-
senius. DLZ nr 23 sp. 836. nr24 sp. 877. vgl. auch AZ nr 143 B. BU.
f. litt, unterh. nr24 s. 382. Athen. nr3111 s. 768<=. [841
VERZEICHMS DER SCHRIFTSTELLER: GOETHE — GRILLPARZER lö7
vGoETHE, JW.: Tlic new Faust-ms. by LKatscher. Liteiary world 18,200.
[842
A new Faust. Weimar and the G.-gesellsch. by HSWhite. New-York
nation 44, 488. [843
The nieeting of the Weimar G.-society and the new Faust-ms. by HSWhite.
Acad. nr 787. [844
Die älteste form von G.s Faust. Basler nachr. nr 144. [845
[Ber. über die aufßndung des ur-Faust u. kurze characteristik desselben,
aus der Voss. ztg. Köln. ztg. nr 141]. [846
The english G.-society. Acad. 31, 79. 95. 171. 261. 400. 55. 32, 13. 429.
40. Athen, nr 3095 s. 259. [847
Goethe, KE.: Burkhardt 1886 [825. vgl. Coincidences by FMMüller. Athen.
nr3118 s. 149^ [848
Ein entwendeter Originalbrief der mutter G.s an ihren söhn [nach Rom,
17 nov. 1786]. abdr. mit erläut. von SSamosch. Nationalztg. nr 588. [849
Die frau rat. Iliustr. ztg. nr 2292. [850
Götter, FW. s. [1443.
GOTTHELF, J. S. [425.
GöTTLiNG, GW. : CWG. von GLothholz. 2 abt. progr. d. kgl. u. gröningschen
gymn. zu Stargard i/P. 33. 4. [851
Gottsched, JCh.: Bieling 1886 [829. — Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 354
(Vogt). [852
Koch 1886 [832. — D. litteraturbl. x nr31 (Geiger). [853
Die poetik G.s u. der Schweizer litterarhist. untersucht von FServaes
(QF 60). Strafsburg, Trübner. viii, 178. 8. [854
s. auch [1262.
Gottschedin, LAV. : Frau G. u. ihr einfluss auf die frankf. bühne von EMen-
tzel. Didaskalia nr52. 6. 61.7. 76. 9. 82. 7. 93. 9. 106. 7. [855
Schient her 1886 [834. — Revue critique nr 2 (Ghuquet). GGA nr 6
(Seuffert). [856
GözE, JM. s. [1113.
Grabbe, ChD. s. [13.
Vergessene deutsche kaiserdramen [G.s Friedrich Barbarossa u. Heinrich iv].
Bund (sonntagsbl.) nr 22. [857
ChDG. eine biogr.-litt. Studie von CAlberti. Westermanns monatshefte
62, 178. [858
Greflinger, G.: Zu GG. von JBolte. Anz. xiii 103.' [859
Gries, JD. : TTassos Befreites Jerusalem in 2 teilen übers, von JDG. mit einer
biogr. einl. von HF 1 eis eher (Bibl. d. welllitt. bd. 139. 40). Stuttgart,
Colla. 256. 272. 8. [860
Grillparzer, F.: G.s Faust von ASauer. D. ztg. nr5401. [861
Psyche. 1 act. D. ztg. nr 5409. [862
Der träum ein leben, ein beitr. zur wiener theatergesch. mit benützung von
ungedr. material von JZeidler. Wiener ztg. nr 176—9. [863
Ein ungesprochener toast G.s. mitgeteilt von KEFranzos. D. dichtung
III 35. [864
Ein brief G.s [vom 26 febr. 1866]. Jahresber. der lesehalle der deutschen
Studenten in Prag, auch Staatsanz. f. Württemberg nr 70 beil. [865
Ein brief G.s. Wiener allg. ztg. 13 dec. morgenbl. unter: litt., kunst u.
wissensch. [866
Frankl 1885 [654. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 77, 424 (Kölscher). [867
G. in Deutschland von EKuh. Österr.-ungar. revue heft 10 s. 1, vgl. Presse
nr 47. [868
G.-stud. von ALich tenheld. progr. d. staatsgymn. ix zu Wien. 26. 8. [869
FG. eine litterarhist. skizze von ASauer (sonderabdr. aus G.s sämmtl.
werken, 4 ausg. bd. 1). Stuttgart, Cotta. lxxxv. 8. [870
G. u. Laube von JW eilen. D. dichtung ii 33. 93. [871
Der hsliche G.-nachlass. AZ nr 119 Verschiedenes, vgl. nr 125 B Verschie-
denes, auch Litt, merkur vii 194. D. ztg. nr 5512. [872
108 BIDLIOCnAPIlIE FÜR 1887 II
GfiaLPARZER, F.: Das G.-zimmer [bildet einen teil des bist, museums im neuen
ratliause zu Wien u. enthält reliquien sowie den nachlass G.s], AZ ni 116 B
Verschiedenes. [873
vGrtmm, FM. : MG. et sa correspondance litleraire par Chantavoine. La
nouvelle revue 15 sept, [874
FMG. von KFrenzel. Nationalztg. nr 396. 408. 20. [875
Baron MG. von RPhilip psthal. Sonntagsbeil, zur Voss. ztg. nr 21. 2. [876
MG. von RPrölfs. Wissensch. beil. d. Leipz. ztg. nr 84. [877
MG, ein lebensbild von MRing. Westermanns monatshefte 63,328. [878
MG., l'homme de lettres, le factotum, le diplomate. avec un appendice sur
la correspondance secrete de Metra par ES c herer. Paris, Levy. 480. 8.
— Litt, cen^ralbl. nr 18 (Creizenach). Revue pol. et litt, nr 10 caus. litt.
Revue critique nr 10 s. 199. DLZ nr 39 (Stern). Litteraturbl. f. germ. u.
roni. phil. nr 12 u. Modern language notes 2, 192 (Mahrenholtz). Athen,
nr 3125. New-York nation 44, 247. Ztg. f. litt., kunst u. wissensch. des
Hamb. corresp. nr 24— 6. [879
MG. (1723—1807) von GWeifs. Frankf. ztg. nr 138. 9. 41. [880
vGroimelshausen, JJCh. s. [13.
Stud. zu G.s Simplicissimus iv von JBolte. Alem. 15,62. [881
s. auch [159.
Gryphics, A.: Cardenio u. Gelinde des AG. u. Shakespeares Romeo u. Julia von
Vogeler. Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 79, 391. [882
Der Papinianus des AG. als schulcomödie in Speyer (1738) von KTraut-
mann. Arch. f. litteraturgesch. 15, 222. [883
s. auch [1179.
vGÜNDERODE, K.: KvG. (1780—1806) von GKWSeibt. Frankf. ztg. nr210, vgl.
nr 258. [884
GdtsMuths, JChF.: Einige bemerkungen G.M.s über die körperl, bildung der
Jugend von JPawel. Monatsschr. f. das turnwesen jg. 6 heft 5. [885
WHarnischs beurteilung von G.M.s Turnbuch von 1817. mitgeteilt von
KWassmannsdorff. Monatsschr. f. das turnwesen jg. 6 heft 10. [886
vHagedorn, f. s. [13.
vHuLER, A.: AHaguette, L'eternite, ode imitee de H. Paris, impr. Chamerot.
'27. 8. [887
Bodemann 1886 [865. — Zs. f.d. phil. 19,256 (Holstein). [888
vHardenberg, f. s. [13.
FvH. (Novalis), vortr. von HAKöstlin. referat darüber Schwab, chron.
nr 76. [889
Novalis leben, dichten u. denken, auf grund neuerer publicationen im Zu-
sammenhang dargest. von AS c h u b a r t. Gütersloh , Bertelsmann, xii,
466. 8. [890
Ber. über Webskys vortr. über Novalis als religiöser dichter u. denket
Nationalztg. nr 127. [891
Hauff, W. s. [8.
Das bild des kaisers (Meisterwerke unserer dichter hg. von OHellinghaus
39bdchen). Münster, Aschendorff. vii, 119. 16. [892
Kalif Stork and The phantom crew: a first german book for students. ed.
by WEM u Hins and FStorr. new ed. London, Rivingstons. 104. 8. [893
Lichtenstein, romant. sage aus der württemb. gesch. mit Zeichnungen von
PThumann, in holz geschn. von RBrend'amour. 5 verb. aufl. Berlin, Grote.
XII, 404. 8. [894
Der mann im monde. Grenzboten 46, 2, 651. 3, 149. auch in: Die kleine
chron. frankf. wochenschr. hg. von Hollhof x nr 2. [896
s. auch [13.
Märchen s. [11.
Phantasien im bremer ratskeller. ein herbstgeschenk f. freunde des weins
(Meisterwerke unserer dichter hg. von OHellinghaus 40 bdchen). Münster,
Aschendorff. xi, 67. 16. [896
vHai:g\vitz, AA.: Eine engl Wallensteintragödie [Glapthornes Trajedy of Alber-
VERZEICHMS DER SCHRIFTSTELLER: GRILLPARZER HELNE 109
lus Wallenstein 1639] in Deutschland von JBolte, Zs. f. d. phil. 19,93.
vgl. 1885 [691. [897
Hauswald, AW. s. [224.
Hebel, JP. s. [8. 13.
Ausgew. erzälilungen des rheinläad. hausfreundes. f. die Jugend, insbes. f.
Volks- u. schulbibl. hg. von KStöber. 6 aufl. mit 16 holzschn. von All-
gaier & Siegle nach Zeichnungen von Rothbari. Lahr, Schauenburg. xx,
266 mit 4 chromolith. 8. [898
s. auch [1428.
Der dichter des Schatzkästleins u. seine heimat von OBehaghel. Vom
fels zum meer i 1029. [899
Der erste deutsche dialectdichter von HElfinger. D. ztg. nr 5654. [900
Funck 1886 [898. — DLZ nr 22 (Ziegler). [901
Zur erklärung H. scher naturgedichte von HSch ulier. Zs. f. d. deutschen
Unterricht i 488. [902
s. auch [76. 108.
Heine, H.: Sämmtl. werke mit einer biogr. des dichters u. einl. von WBö Ische,
ausg. in 6 bden. Leipzig, Dürselen. xxviii, 440. xii, 452. xii, 490. x, 421.
VII, 540. X, 374, 8. — D. dichtung ii 156 (Härtung). D. rundschau 52,
479. [903
Sämmtl. werke in 12 bden. mit einer biogr.-litterarhist. einl. von StBorn.
bd. 1—7 (Bibl. d, weltlitt. bd. 144—6. 150. 4. 5. 160). Stuttgart, Cotta.
272. 326. 259. 228. 248. 287. 254. 8. [904
Sämmtl. werke, mit einl., erläut. anm. u. Verzeichnissen sämmtl. laa. von
EEIster. 1—20 Ifg. bd. 1— 3. Leipzig, Bibliogr. inst. 572. 555. 1—464. 8.
— Gegenwart nr 11 s. 175. nr 26 s. 415. D. dichtung ii 155 (Härtung).
D. rundschau 51,477. DLZ nr 23 (Sauer). Litt, merkur vii 201. 17. Litt,
centralbl. nr48 (Creizenach). [905
Gesamm. werke hg. von GKarpeles. krit. gesammtausg. bd. 1— 8. Berlin,
Grote. Lxxvi, 402. xix, 590. xxii, 398. xxiv, 380. xxiv, 461. xvii, 482. xvii,
501. X, 499. 8. — Die post 1886 nr324 beil. feuilL 1887 nr 103 beil. Gegen-
wart nrll s. 175. D. dichtung ii 155 (Härtung). DLZ nr23 (Sauer). AZ
nr 307 B Verschiedenes. Ztg. f. litt., kunst u. wissensch. des Hamb. corresp.
nr 4. Belletrist.-litt. soiintagsbeil. der Hamb. nachr. nr 16. 36. Mag. f. d.
litt. d. in- u. aus!, nr 28 (Kohut). [906
Sämmtl. werke hg. von OFLachman n. 4 bde. Leipzig, Reclam. 787. 640.
722. 780. 12. — D. dichtung ii 156 (Härtung). [907
Werke. Laube vgl. 1886 [907. Ifg. 62—87. bd. 4 s. 313-79. bd. 5 s. 1—
380. bd. 6 s. 1—164. — D. dichtung ii 156 (Härtung). [908
Sämmtl. werke mit biogr. von JReuper, nebst einl. u. dem portr. des
dichters. Ifg. 1—21. bd. 1-3. Halle, Hendel, lxxx, 720. vi, 734. 1—620.
8. — D. dichtung ii 156 (Härtung). [909
Sämmtl. werke, neue ausg. in 12 bden. Hamburg, HofTmann & Campe, ix,
152. 210. VII, 247. vi, 270. iv, 199. 257. 234. 235. 196. iv, 268. iv, 292. 239.
219. [910
s. auch [8. 13. 14. 88. 91.
Poems, selected by KFreiligrath Kroeker. London, Scott. 16. — Satur-
day review nr 1667. vgl. BU. f. litt, unterh. nr 47. [911
Songs and lyrics, done into english verse by JGeikie. London, Simpkin.
[912
Ausgew. gedichte. hg. mit einl. u. erläut. von OHellinghaus. Münster,
Aschendorff. xvi, 272. 12. [913
Dichtungen, ausgew. u. erläut. von KHessel. mit einem bisher unbekann-
ten bildnis des dichters aus d. j. 1828, einer biogr. desselben u. einem Ver-
zeichnis der compositionen H. scher lieder. Bonn, Weber. 349. 8. — Bll.
f. litt, unterh. nr 48 (Lemmermayer). [914
Buch der lieder nebst einer nachlese nach den ersten drucken oder hss. [hg.
von EEIster] (DLD 27). Heilbronn, Henninger. oliv, 255. 8. — Die nation
nr 14 (Geiger). [915
110 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 11
Heine, H.: Buch der lieder. illustr. prachtausg. hg. von HLaube. Wien, Ben-
singer. IV, 228. 8. [916
Buch der lieder. illustr. von PThumann. 5 aufl. der 1 illustr. ausg. (kleine
ausg.). Leipzig, Titze. 197. 4. — D. dichtung ii 156 (Härtung). [917
Buch der lieder. mit dem medaillon-portr. HH.s. Hamburg, Hoffmann &
Campe. 240. 8. [918
Buch der lieder. Stuttgart, Krabbe, xvi, 319. 16. [919
Buch der lieder (D. band- u. hausbibl. bd. 278). Stuttgart, Spemann. 191. 8.
[920
Das buch der lieder. Halle, Hendel, xiv, 186. 8. [921
Buch der lieder. f. die frauenweit ausgew. von CB r a u n. illustr. von REKepler
(diamantausg.). Stuttgart, Greiner & Pfeiffer, xvi, 286 mit 8 lichtdr. 16. [922
Dal Lyrisches Intermezzo di HH. versione di EGicogna. [Venezia,] tip.
delia Gazetta di Venezia. 8. 8. [923
Notti fiorentine. trad. dal tedesco di PValabrega, illustr. di artisti fio-
rentini. Milano, Hoepli. 157. IG. [924
Ein gedieht H.s von GKarpeles. Presse nr 179. [925
[Die Frankf. ztg. teilte ein bisher unbekannt gebliebenes gedieht von H. mit,
welches sich im Frankf, musenalmanach, hg. von JBachmann, Korbett, HKothe
und GMäurer (Frankf. 1S51), befindet (es beginnt: Michel nach dem märz. So
lang ich den deutschen Michel gekannt, War er ein bärenhäuter; Ich dachte
im märz, er hat sich ermannt Und handelt fürder gescheitter, dann folgen
weitere 8 strr. mit der unterschr.: HH. in Paris), darauf noch einige be-
merkungen über GMäurer (niederrhein. dichter, gest. in den 70er jj. in Paris),
polemisierend gegen die Frankf. ztg., welche behauptet hatte, keiner von
den hgg. jenes musenalmanachs sei mit H. bekannt gewesen. Berl. tagebl.
nr548. vgl. auch Athen. nr3132 s. GOöb]. [926
Die Harzreise. Hamburg, HofTmann & Campe. 70. 8. [927
Die Harzreise [1824]. in Gabelsbergersche stenogr. übertragen u. autogr.
von EC brist. Leipzig, Zehl. 80. 8. [928
Viaggio sul Harz da' Reisebilder (Impressioni di viaggio): saggio di versione
di VTrettenero, Alessandria, Ragazzone. vii, 130. 16. [929
s. auch [11.
Noch einmal HH.s Memoiren. Gartenlaube nr 6 s. 99. [930
Neuer frühling, gedichte. gesammtausg. der lyr. gedichte f. die frauenhand.
Hamburg, Hoffmann & Campe, xii, 258. 8. [931
Neue gedichte. Zeitgedichte. Halle, Hendel, xn, 108 mit bild des verf.s. 8. [932
Die pariser februarrevolution. ungedr. nachlass [mitgeteilt von GKarpeles].
D. dichtung ii 3. 54. [933
Travel pictures: including the Tour in the Harz, Norderney and Book of
ideas, together with the Romant. school. translated by FStorr. with map
and appendices. London, Bell & sons. 12. — Acad. nr 769. Athen. nr3090
s. 96. [934
Viaggio in Italia (1828—9). trad. di GVerdaro. Pisloia, tip. del Popolo
pistoiese. 252. 16. [935
Travel pictures. New-York, Scribner & Welford. [936
Reisebilder. Spectator 60 : 48, 77. [937
Romancero. illustr. prachtausg. hg. von HLaube. Wien, Bensinger. iv,
232. 8. [938
Zur gesch. des bürgerkönigtums in Frankreich, drei aufsätze (ungedr. nach-
lass) [mitgeteilt von GKarpeles]. D. dichtung II 126. 81. [939
Ungedr. briefe von HH. mitgeteilt von KEFranzos. mit zwei autogr. u.
einem porlr. H.s nach einer Zeichnung von CBrandt aus dem anf. der 2Öerjj.
D. dichtung ii 125. 43. [940
Neue briefe von H. von GKarpeles. Presse nr 282. 3. [941
Aus einem berliner brief H.s vom 16 märz 1822 an einen freund in Hamm.
Zs. f. deutsche spr. i heft 4—7. [942
Le romantisme allemand. la jeunesse de HH. [anknüpfend an 1886 [920] par
JBourdeau. Revue pol. et litt. 2. [943
VERZEICHNIS DER SCHRIFTSTELLER: HEINE — HERDER 111
Heine, H.: Rembrandt u. H. von GB ran des. deutsch von EJonas. Der Zeit-
geist (beibl. zum Berl. tagebl.) nr 5. [944
[H. u. AdeMusset von AErnst im Voltaire, vgl. Litt, merkur vii 219]. [945
Reponse de Mr Hüffer ä Mr Ducros. Revue critique nr 7 s. 137. vgl. 1886
[920. [946
HH. von JJ essen. Hamb. corresp. nr 1 feuill. [insbes. zu H.s lied vom
Asra]. [947
HJulia über die beziehungen HH.s zu seinem bruder Gustav. Gil Blas. vgl.
Litt, merkur vii 107. [948
HH. in Frankfurt a/M. (1815). von GKarpeles. Frankf. ztg. nr96. 7. [949
Neue mitteil, über HH. von GKarpeles. Vom fels zum meer ii 365. [950
Aus H.s leben von GKarpeles. D. dichtung n 152. [951
HLaube über HH. ein ungedr. aufsatz Laubes mitgeteilt von GKarpeles. D.
rundschau 52, 458. s. auch N. Zürcher ztg. nr 257. [952
Neues von u. über H. von GKarpeles. N. fr. presse nr8191. [953
Guizot u. H. von GKarpeles. Berl. tagebl. nr 545. [954
Jenny Lind u. HH. von GKarpeles. Berl. tagebl. nr 558. [955
HH. u. WIMenzel. mit ungedr. briefen H.s. von GKa rpeles. i. ii. Derzeit-
geist (beibl. zum Berl. tagebl.) nr43. 4. [956
Ein dcnkmal f. HH. von GKarpeles. Berl. tagebl. nr 660. [957
Erinnerungen an HH. ii von FLewald. Westermanns monatshefte 62, 100.
206. vgl. 1886 [931. [958
H. u. der Harz von HPröhle. 1. Die bergidylle. 2. Die Harzreise. Sonn-
tagsbeil, zur Voss. Ztg. nr 8. 10. 2. [959
Prölfs 1886 [933. — Saturday review 63, 705. vgl. Bll. f. litt, unterh.
nr25 8.399. AZ nrl56B (Muncker). [960
H. Visit to London. National review 10, 542 (TPryde). auch Littells
Living age 175, 807. [961
H. in Italien von SSamosch. Nalionalztg. nr494. [962
HH. N. Zürcher ztg. nr 177. [963
H.-kultus. Grenzboten 46, 2, 296. [964
s. auch [86.
Heinse, W. : Ein stich [Die kirschensammlerin] von JHRamberg von RKade.
Zs. f. bildende kunst 22, 319 [behandelt H.s gedieht Die kirschen nach dem
frz. des Dorat]. [965
WH. als musikschriftsteller von HM ü 11 er. Vierteljahrsschr. f. musikwissen -
Schaft 3, 561. [966
vHenmngs, A. s. [97.
Hessel, LM. : Lieder, mit d. porlr. der dichterin. 6 aufl. Paderborn, Schöningh.
XX, 394. 12. [967
vHerder, JG.: Sämmtl. werke. Suphan bd. 4. 6. 7. 10—12. 17—23. 25—28.
Berlin, Weidmann, 1878 ff. — Theol. litteraturztg. nr6 (Baur). [968
Dieselben, bd. 13. 16. Berlin, Weidmann, iv, 484. ni, 630. 8. [969
Dieselben, bd. 23—25 1886 [939—41. — Arch. f. gesch. der philos. i 122
(Dilthey). [970
Dieselben, bd. 24 1886 [940. — D. rundschau 50, 470 (Grimm). Bes. beil.
des Staatsanz. f. Württemberg nr 8 s. 128. Revue critique nr 6 s. 119
(Joret). [971
Ausgew. werke hg. vonBSuphan. bd. 3. Ausgew. dichtungen. bd. 3. hg.
von CRedlich. bd. 4 Ideen zu einer philos. der gesch. 1 u. 2 teil. Berlin,
Weidmann, iv, 138. iv, 428. 8. [972
*H.s griech. u. morgenländ. an thologie u. seine Übersetzungen aus JBalde,
im Verhältnis zu den originalen betrachtet von FLauchert. münchner diss.
München, univ.-buchdr. von CWolf & söhn, 1886. 176. 8. [973
Der Cid. nach span. romanzen besungen, mit einL u. anm. von KJauker
(Schulausg. class. werke nr 24). Wien, Graeser. xii, 66. 8. — Zs. f. d.
österr. gymn. 38, 688 (Prosch). [974
Lambel 1886 [943. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 688 (Prosch). Bll. f. d.
bayr. gymnasialschulwesen 23, 526 (Bauer). [975
112 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 II
vHerder, JG.: Der Cid u. die Cidromanzen. litterarhist. abhandl. von LFischer
OSB. Jahresber. über die cantonal-lehranstalt zu Samen. Samen, Müller.
24. 4. [976
H.s Erstes krit. Wäldchen, i. von GKettner. progr. d. landesschuie zu
Pforta. 64. 4. [977
Zu H.s gedieht Dem jungen baron Budberg von ThvRiekhoff. Arcli. f.
litteraturgesch. 15, 447. [978
H.s legenden Die ewige Weisheit u. Der friedensstifter u. ihre quellen von
RKöhler. Ber. der kgl, sächs. gesellsch. der wissensch. phil.-hist. cl. 39,
105. vgl. Zs. f. vgl. litteraturgesch. u. renaissancelitt. n. f. i 128. [979
Über den Ursprung der spr. Volkslieder s. [13.
s. auch [1428.
H.s briefwechsel mit Nicolai, im Originaltext hg. von OHoffmann. Berlin,
Nicolai (Stricker), vni, 144. 8. — Litt, centralbl, nr 42. Grenzboten 46, 4,
295. Bll. f. litt, unterh. nr51 (Berg). Osterr. litt, centralbl. nr 22/3 (Haas).
D. litteraturbl. x nr40 (Brenning). Köln. ztg. nr 256. [980
Ein brief H.s an FLSchröder u. das ms, zu Adrastea iv 271 — 309 von
ENaumann. Arch. f. litteraturgesch. 15,265. [981
Briefe H.s [an Adelung, Schiller u. gräfin?] u. Wielands [an Eschenburg,
Vieweg, Göschen] mitgeteilt von CSchüddekopf. Arch. f. litteraturgesch.
15, 254. [982
s. auch [704.
Haym 1886 [948. — Litt, centralbl, nr 5. Nationalztg. nrlOl. 12 (Brahm).
Revue critique nr6 (Chuquet). [983
Notiz zu H. von OHoffmann. Arch, f. litteraturgesch. 15,223, [984
H. als milarbeiter an der Allg. deutschen bibl. von OHoffmann. Arch. f.
litteraturgesch. 15, 238. [985
H. u. JWPetersen von DJacoby. Arch. f. litteraturgesch. 15,357, [986
Les idees politiques de H. par Levy- Brühl. Revue des deux mondes
80, 919. — Bll. f. litt, unterh. nr 25 s. 398. [987
Nevinson 1884 [570. — Litt. centralbL nr 5. [988
H. in Riga, ein vortr. von GPipers. Nord, rundschau bd. 6, mai. [989
Scholl 1885 [744, — Revue critique nr 2 (Chuquet). [990
H.s bedeutung in der evang. kirche von AW e r n e r. Prot, kirchenztg,
nr 8. 9. [991
H.s bruch mit Goethe, eine abrechnung zwischen class., ästhetischer u. christ-
lich-moralischer Weltanschauung. Evang. -luth. gemeindebl. nr 37 — 40
(Goethe-jb. 9, 340). [992
s. auch [1018.
Hessel, P.: PH. u. seine lieder von AFischer. Bll. f. hymnoL s. 185. [993
Heun, KGS. ps. Clauren, H.: Cl.s Mimili. Bund nr 282, 3. 4. 6, [994
Hey, W, : 50 fabeln f. kinder. in bildern nach OSpeckter. prachtausg. 1 heft:
12 chromolith. mit untergedr. text, Gotha, Perthes, fol. [995
Hansen 1886 [962, — TheoL litteraturztg. nr 6 (Lindenberg). D, rundschau
52, 156. [996
HaLER, FC. s. [92.
vHippEL, ThG. s. [13.
Denknisse u. erinnerungen aus der zeit der erhebung Preufsens. aus ThGvH.s
hslichem nachlass mitgeteilt von ThBach. 2 teil, progr. d, Falk-realgymn,
zu Berlin. 24. 4. vgl. 1886 [963. [997
Hoffmann, EThW.: Gontes fantastiques: Le violon de Cremone, Ignace Denner.
Le majorat. Paris, Gautier. 32. 8. [998
Bauer 1886 [969, — Litteraturbl. f. germ. u. rom. phil, nr 7 (Behaghel). [999
Le tonnelier de Nuremberg. traduction francaise par LJeanneret. Paris,
Hachette & cie. viii, 91. 16. ' [1000
s. auch [108.
Hoffmann vFallersleben, HA. : Gedichte, mit dem bildnisse des dichters. ge-
stochen von Weger, 9 aufl. Berlin, Grote. iv, 413. 8. [1001
Hofmann vHofmannswaldau, Gh.: *Über ChvH. u. die Umarbeitung seines Ge-
VERZEICHNIS DER SCHRIFTSTELLER: HERDER KABSCHIN 113
treuen Schäfers von KF r i e b e. greifswalder diss. Greifswald , dr. von
Abel, 1886. [1002
s. auch [224.
Hölderlin, F. s. [13.
Neue mitteil, über H. von CGTLitzmann. Arch. f. litteraturgesch. 15,
61. 452. [1003
Wi rth 1886 [980. — Litteraturbl. f. germ. u. rom, phil. nr 3 (Muncker). [1004
Beitr. zur krit. u. erklärung H.s von RWirth. 4. Griechenland, Arch. f.
litteraturgesch. 15, 310. [1005
Hübner, T. s. [1573.
VHUMBOLDT, \V. s. [13. 704.
Bruchmann 1886 [986. — Berl. phil. wochenschr. nr38 (Vogrinz). [1006
Neues u. altes von Tegel von ATrinius. Nationalztg. nr 516 sonntags-
beil. nr 39. [1007
HuNOLD, ChF. s. [1266.
Jahn, FL.: Werke, neu hg. — von GEuler s. 1886 [989. bd. 2, 12—16 (schluss-)
Ifg. Hof, Lion. Lxi, 817—1093 nebst reg. 36. 8. [1008
FFallenstein u. FLJ. von KWassma n nsdorff. Monatsschr. f. das turn-
wesen 6jg. heft 12. [1009
s. auch [139.
Iffland, AW. s. [13. 1393.
vImhoff, AA.: AAvI. zu Weimar von HDüntzer. ii. Westermanns monatshefte
61, 526. vgl. 1886 [994. [1010
Immermann, K.: Werke, hg. von MKoch. 1 teil. 2 abt. Merlin. Tristan u.
Isolde. Goethe u. die falschen wanderjahre. 2 teil. Münchhausen. 2 bde
(D. nationallitt. bd. 159, 2. 160, 1. 2). Berlin u. Stuttgart, Spemann. 335.
XL, 404. 374. 8. [1011
s. auch [8. 13.
KI.s Shakespeareeinrichtungen n. von G. frhrn Vincke. Jb. d. d. Shake-
spearegesellsch. 22, 172. [1012
Jung-Stilling, JH.: JHJ.s [genannt St.] lebensgesch. neue ausg. mit St.s bild-
nis (Galwer familienbibl. bd. 7). Calw, vereinsbuchhandl. xii, 340. 8. [1013
s. auch [13.
J.-St., auch ein Spiritist, von SFeldmann. Sonntagsbeil, zur Voss, ztg,
nr 26. [lOM
vKalb, Gh. : GhvK. in Berlin begraben (auf dem dreifaltigkeitskirchhoO- Die
kleine chron. frankf. wochenschr. hg. von Holthof x nr 8. vgl. auch Köln.
Ztg. nr222. [1015
s. auch [177. 1414.
Kant, I. s. [13.
Lose bll. aus K.s nachlass. mitgeteilt von RR e icke. Altpreufs. monats-
schr. XXIV 312. 443. 648. [1016
♦Aus K.s briefwechsel. vortr. — von RReicke. mit einem anh. Königrs-
berg, Beyer, 1885. — Philos. monatshefte 23, 620. [1017
Kant u. Hume um 1762 von BErdmann. Arch. f. gesch. der philos. i 62
[behandelt die beziehungen Herders zu K. u. Hume]. [1018
* Kulturbilder aus Altpreufsen von AHorn. Leipzig, Reifsner, 1886. vgl.
Gartenlaube nr 40 s. 667. [1019
s. auch [171.
Karl August von Sachsen-Weimar: Diezmann 1886 [1002. — D. rundschau
50, 479. [1020
KA. u. gräfin O'DoneU. ungedr. briefe mitgeteilt von RMWerner. Arch.
f. litteraturgesch. 15, 37. [1021
Karschin, AL.: Die deutsche Sappho (ALK.), ihr leben u. dichten, ein litt.- u.
kulturbild aus dem Zeitalter Friedrich des grofsen. von AKohut. Dresden
u. Leipzig, Pierson, x, 180. 8. — Gegenwart nr 24 s. 382. Bll. f. litt.
O unterh. nr 31 (Doehn). Nord u. süd 43, 406. Die nation nr 4 (Geiger).
Zs. f. allg. gesch., kultur-, litt.- u. kunstgesch. 4,479. D. wochenschr.
A. F. D. A. XV. 8
114 BIRLIOGRAPHIE FÜR 1887 II
3 sept. (Christel). Ztg. f, litt., kunst u. wissenscli. des Hamb. corresp. nr 20.
D. litteralurbl. x nr 28 (Lösche). Bund nr 324—6. 9. 31. [1022
Kaufwann, Gh.: Der aposlei der geniezeit. nachtr. zu HDüntzers ChK. von
JBaec.htold. Arch. f. litteraturgesch. 15, 161. [1023
Kerner, G.: Wohlwill 1886 [1003. — Hist. zs. 57,302. Litt, nierkur vm
50 (Klüpfel). [1024
Kerner, J. s. [11.
JK. u. sein arzt [aus dem litt, nachlass JK.s] von AKohut. Mag. f. d. litt,
d. in- u. ausl. nr 8. [1025
s. auch [1482. 1505.
vKleist, BHW. s. [8. 13. 14. 85.
Michel Kohlhaas, texte alleniand, publie avec une notice litteraire, un argu-
nient et des notes par MLKoch. Paris, Hachette. xvi, 172. 16. [1026
Michel Kohlhaas, explique litteralement et trad. en francais par MLKoch.
Paris, Hachette. 449. 12. ' [1027
Vgl. stud. zu HvK. von RWeifsenfels. l.Der tod der Penthesilea. Zs. f. vgl.
litteraturgesch. i 273. [1028
Die todesfurcht des Prinzen von Homburg. vonRLehmann. Sonntagsbeil,
zur Voss. Ztg. nr 15. [1029
Zu K.s Prinz Friedrich von Homburg von BLitzmann. Grenzboten 46,
2, 445. [1030
Neuer beitr. zur behandlung der dram. lectüre. Prinz Friedrich von Hom-
burg. Schauspiel von HvK. von HUnbescheid. Zs. f.d. deutschen Unter-
richt I 222. 320. [1031
Brahm 1885 [797. — AZ nr 37. 42. 3. 7 B (Bormann). [1032
s. auch [686.
vKleist, ChE.: De EKleistii vita et scriptis, thesim proponebat facultati litte-
rarum Parisiensi ad doctoris gradum promovendus AChuquet. Paris, Gerf.
103. 8. [1033
s. auch [139.
vKlinger, FM.: K.s Faust, eine litterarhist. Untersuchung von GJPfeiffer.
würzb. diss. Würzburg, dr. von Memminger. 108. 8. — Zs. f. vgl. litteratur-
gesch. u. renaissancelitt, n, f. i 298. [1034
Moderne geister. litt, bildnisse aus dem 19 jh. von GBrandes. 2 neu
durchges. u. verm. aufl. mit dem bildnis des verf.s. Frankfurt a/M. , Litt,
anst. (Piütten & Loening). vii, 465. 8 [enth. einen essay über K.]. [1035
Klopstock, fg.: Gesamm. werke in 4 bden. mit einer einl. von FMuncker (Bibl.
d. weltlitt. bd. 141. 2. 8. 9). Stuttgart, Gotta. 272. 312. 228. 208. 8. [1036
Messias 1884 [639. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 77, 447. [1037
Ein stück aus K.s Messias in urspr. gestalt von HFunck. Arch. f. litte-
raturgesch. 15,337. [1038
Oden. ausw. mit einl. u. anm. hg, von HDüntzer, 3 aufl. Leipzig, Brock-
haus. XXVI, 221, 8. [1039
Oden, [in ausw.]. mit einl. u. anm. von ChWürfl (Class. f. den schulge-
brauch nr 17). Wien, Holder, xiv, 144. 8. [1040
Briefwechsel des herzogs Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau mit
FGK. im j. 1779. mitgeteilt von WHosäus. Mitteil, des ver. f. anhält,
gesch. u. altertumskunde v 49. [1041
Ein briefK.s an Meta. mitgeteilt von CSchüddekopf. Arch. f. litteratur-
gesch. 15, 235. [1042
Gluck u. K. Presse nr 318. [1043
s. auch [182.
Klotz, ChA,: K. u. die Klotzianer von Kawerau. Geschichtsbll. f. Stadt u.
land Magdeburg xxii heft 4. [1044
s. auch [1167.
Knapp, A.: Geistl. lieder in einer ausw. 2 verm, aufl. Stuttgart, Gotta. viii,
216. 8, [1045
vKnebel, kl. s. [787.
vKwGGE, A. frhr s. [13.
VERZECCHMS DER SCHRIFTSTELLER: KARSCHLN — LEIRNIZ 115
Knoll, Ch. : Zu ChK.s Trostbüchlein u. den liedern von GRichter dem jüngeren
von AFischer. Bil. f. hymnol. s. 56. 71. [1046
KOXGEHL, M. s. [257.
König, JU. s. [1266.
König, S.: Ein litt, betrug von JZahn. ßll. f. hymnol. s. 93. [1047
KopiscH, A. s. [14.
Körner, ChG. s. [704.
Körner, Th. : Sämmtl. werke. 2 bde. Berlin, Warschauer, iii, 375. in, 398. 12.
[1048
s. auch [8. 15.
Zriny. ein trauerspiel. mit einl. u. anm. von KTomanetz (Schulausg. class.
werke nr 25). Wien, Graeser. xvi, 82. 8. — Litt, centralbl. nr 34. [1049
ThK. u. die geschichtl. Überlieferung von FLatendorf. Ztg. f. litt., kunst
u. wissensch. des Hamb. corresp. nr 5. [1050
Anfrage u. bitte [K. betr.] von FLatendorf. Litt, centralbl. nr 28 sp.
960. [1051
ThK. im Riesengebirge von AvdVelde. Der wanderer im Riesengebirge
6 jg. nr 4. 5, laufende nr 51. 2. [1052
s. auch [95. 139.
KORTUM, KA. s. [13.
Kosegarten, GL. : GLK. ein lebensbild von HFranck. nebst einem bildnis K.s,
gestochen von AKraufse. Halle, Waisenhaus, x, 467. 8. — D. dichtung ii
124 (Boxberger). Bll. f. litt, unterh. nr 19 (Boxberger). Grenzboten 46, 3,
147. DLZ nr33 (Eigenbrodt). Zs. f. d. phil. 20,365 (Gering). Nationalztg.
nr 28 (Ellinger). Theol. litteraturbl. s. 20 (Petrich). [1053
VKOTZEBUE, A. s. [13.
La petite ville allemande, et extraits de Misanthropie et repentir et de L'epi-
gramme. texte allemand, public avec une notice, un argument analytique
et des notes par MBailly. Paris, Kachelte, xxiv, 187. 16. [1054
La petite ville allemande, comedie. expliquee litteralement et traduite en
francais par MDesfeuilles. Paris, Hachette. 352. 16. [1055
II casino di campagna: farsa. nuova riduzione dal tedesco. Firence, Inno-
centi. 30. 24. [1056
Kratter, f. s. [224.
Krummacher, FA.: Paraboles. ed. precedee d'une notice sur la vie de l'auteur,
acconipagnee de notes en francais et suivie d'un vocabulaire par ChKochers-
perger. Paris, Belin & fils'. viii, 108. 12. [1057
s. auch [1428.
Lafontaine, AHJ. : Allg. encykl. der wissensch. u. künste. 2 sect. 41,161
(MK 0 c h). [1058
Langbein, ÄFE. s. [224.
Lappe, KG. s. [175.
Lauremberg, J.: Zu L. von WSchlüter. Korrespondenzbl. des ver. f. nd.
sprachf. xii 37. [1059
JL. ein plattdeutscher Satiriker des 17 jhs. von PSchütze. Zs. f. allg.
gesch., kultur-, litt.- u. kunstgesch. 3, 62. 139. [1060
Lavater, JK.: JKL.s büUetins an Häfelin u. Stolz über die Zürcher staatsum-
wälzung vom j. 1798. mitgeteilt von FOPestalozzi. Zürcher taschenbuch
n. f. 10 jg. [schluss von 1885 [861]. [1061
Der vater der physiognomik (L.). Sonntagsbeil, zur Voss. ztg. nr 38. [1063
s. auch [245.
vLeibniz, GW.: Gerhardt 1886 [1096. — Philos. monatshefte 23,481 (Schaar-
schmidt). [1063
Philos. Schriften, hg. von CJGerhardt. bd. 3. Berlin, Weidmann, vii,
684. 4. . [1064
Die in Halle aufgefundenen L.-briefe, im auszug mitgeteilt von LStein.
Arch. f. gesch. der philos. i 78, [1065
L. u. Hobbes von ET ön nies. Philos. monatshefte 23,557 [ein brief L.s
an Hobbes]. [1066
8*
116 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 II
vLeibniz, GW. : [Über die auffindung neuer L.-briefe. Litt, merkur vii 259]. [1067
GVVL. verf. der Histoire de Bileam. mit vollständigem abdr. der Hist. de
Bilcam in der von L. gebilligten form von WBranibach. Leipzig, Barth.
VII, 38. 8 (nur in 300 exemplaren gedr.). [1068
Der Optimismus des L. von GMayer. erlanger diss. 20. 8. [1069
Leisenvitz, ja. : Werkstücke, gesamm. stud. u. vortrage zur braunschweig, gesch.
von LHänselmann. 2 bde. W^olfenbüttei, Zwissler. 347.314. 8 [darin:
JAL, u. die armenpflege in der Stadt Braunschweig]. [1070
s. auch [159.
Lenz, JMR.: Die sizilianische vesper. trauerspiel. hg. von KWeinhold. Breslau,
Koebner. 72. 8. — Litt, merkur vii 120 (Reinhardslöttner). DLZ nr 16
(Suphan). Litteraturbl. f. germ. u. rom. phil. nr 8 (Koch). Zs. f. d. phil.
20, 255 (Erdmann). [1071
s. auch [711.
Lessing, GE.: Sämmtl. Schriften hg. von Lachmann-Muncker s. 1886 [1107.
bd. 3. Stuttgart, Göschen, xx, 500. 8. — EU. f. litt, unterh. nr 44 (Box-
berger). Revue critique nr 51 (Chuquet). [1072
Werke in 6 bden. neu durchges. von FMuncker. mit einl. von KGoedeke.
Stuttgart, Göschen, vi, 362. xii, 329. viii, 399. vi, 342. viii, 347. viii,
330. 8. [1073
Werke. 6 bde. Berlin , Warschauer, vi, 410. in, 392. 374. iii, 413. in,
394. in, 362. 12. [1074
L.-perlen. eine systematisch-geordnete blumeniese aus L.s sämmtL werken
von SBlumenau. Bielefeld, Helmich. vii, 49. 8. [1075
s. auch [8. 13. 14.
Abhandlungen über die fabeL mit einl., anm. u. textbeil. hg. von
FProsch (Schulausg. class. werke nr 27). Wien, Graeser. xvi, 124. 8. —
Litt, centralbl. nr 34. [1076
Antiquarische u. epigrammatische abhandlungen. Werther 1885 [876. —
Arcb. f. d. slud. d. neueren spr. 78, 336. [1077
Litt. u. dramaturgische abhandlungen. Werther 1886 [1109. — Arch. f.d.
stud. d. neueren spr. 78, 335. [1078
Emilia Galotti. Dundaczek 1886 [1112. — Zs. f. d. österr. gymn. 3S,
687 (Löhner). Bll. f. d. bayr. gymnasialschulwesen 23, 526 (Bauer). [1079
Emilia Galotti u. Shakespeares Othello von DJacoby. Sonntagsbeil, zur
Voss. Ztg. nr 26. [1080
vWol zogen 1886 [1119. — Litt, centralbl. nr 23. [1081
Über eine stelle in L.s Emilia Galotti. Zs. f. deutsche spr. i heft 9. 10. [1082
Fabeln u. erzählungen von L. u. Geliert, selected and ed. (wilh an in-
troduction, english notes etc.) by KBreul (Pitt press series). Cambridge,
university press. 24,200. 16. — Athen. nr3121 s. 242. [1083
Goedeke 1885 [882. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 78,336. [1084
L. and Geliert, with selection from L.s essays on fables. ed. with gramma-
tical and explanatory notes and comprehensive german-english vocabularies
by ELNaftel. London, Hachette. 190. 8. [1085
Fables, ed. with notes by FStorr. 3 ed. London, Rivingtons. 8. [1086
L.s fabel vom alten löwen (Vorbereitung eines aufsatzes in quarta) von
MHeidingsfeld. Lehrproben u. lehrgänge aus der praxis der gymn. u.
realschulen heft 10. [1087
Oueilennachwcise zu L. [L.s gedieht Das muster der eben nach Pope, Der
eremit nach Poggio] von RMM eye r. Zs. 31, 104. [1088
Hamburgische dramaturgie. Buschmann 1885 [883. — Arch. f.
d. stud. d. neueren spr. 78, 333. [1089
Extraits de la Dramaturgie de Hambourg. publies avec une introduction
et des notes en francais par GC ottler. nouvelle ed. Paris, Hachette. xxvin,
187. 16. ' [1090
Dramaturgie de Hambourg (extraits). traduction francaise litterale par Cde
Suplicy. Paris, Poussielgue freres. 174. 18. [1091
Laokoon, transl. by EGBeasley, revised ed. London, Bell. 8. [1092
VERZEICHMS DER SCHRIFTSTELLER: LEIBMZ LESSING 117
Lessing, GE.: Laocoon ou des limites de la peinture et de la poesie. traduction
fran9aise par ACour tin. 4 ed. Paris, Hachette. xxiv, 235. 16. [1093
Del Laocoonte, ossia dei limiti della pittura e della poesia, coli' aggiunta
dei frammenti. trad. di CGLandonio. Miiano, Sonzogno. 176. 16. [1094
Laocoonte. versione completa di TMPersico. 2 ed. riveduta dail' autore.
Bologna, Zanichelli. 273. 16. [1095
Pözl 1885 [889. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 726. [1096
Les auteurs du programme (exlraits relies par des analyses). Le Laocoon.
avec notices et notes par LSchmitt. Paris, Delagrave. ix, 66. 18. [1097
Le piü belle pagine dei Laocoonte, voltate in italiano da VTurri ad uso
delle scuole classiche, con prefazione, note ed una fototipia. 2 ed. rive-
duta e correlta. Torino, Loescher. 55. 8. [1098
L.s Laokoon u. die gesetze der bildenden kunst von HFischer. Berlin,
Weidmann, viii, 200. 8. — Gegenwart nr 22 (Fischer). Zs. f. vgl. litte-
raturgesch. i 488 (Blümner). New- York nalion 44, 155. Ztg. f. litt., kunst u.
wissensch. des Hamb. corresp. nr 24. Belletrist. -litt, sonntagsbeil. der Hamb.
nachr. nr 17. D. litteraturbl. x nr 22 (Schädel). Köln, ztg, nr 119. [1099
Laokoon- Paraphrasen. Umschreibungen u. erweiterungen der wichtigsten
cap. von L.s Laokoon, aus der Schulpraxis hervorgegangen u. zusammengest.
von GS Chi Hing. Leipzig, Teubner. 180. 8. [1100
s. auch [245.
Minna von Barnhelm oder das soldatenglöck, texte allemand conforme ä
Ted. de 1770 — B, avec une introduction et des notes par AGirot. Paris,
Delagrave. xxxvii, 174. 8. — Revue critique nr 44 (Chuquet). [1101
Minna de Barnhelm, comedie. ed. class., precedee d'une notice litteraire
par EHalberg. Paris, Delalain. xxiv, 154. 18. [1102
Minna von Barnhelni oder das soldatenglück. ein lustspiel. 1763. schulausg.
besorgt von KHold ermann (Meisterwerke der deutschen litt. — hg. von
KHoldermann u. LSevin 6 bdchen). Berlin, Reuther. 96 mit 1 titeibild. 8.
[1103
Minna von Barnhelm oder das soldatenglück. ein lustspiel. zum übers, aus
dem deutschen in das engl, bearb. von JMorris. 3 aufl. (Engl, übungsbibl.
hg. von PhHangen nr 11). Dresden, Ehlermann. 142. 12. [1104
Die Verwundung des major von Tellheim vonLHolthof. Die kleine chron.
frankf. wochenschr. hg. von Holthof ix nr 31 beil. [1105
Notiz über die erste aufführung von L.s Minna in engl, übers, u. bearb. zu
London: aus der Berlinischen ztg. 1786 nr 85. 98. Nationalztg. nr 17 sonn-
tagsbeil. nr2. [1106
L.s Nathan der weise, durch eine hist.-krit. einl. u. einen fortlaufenden
commentar, bes. zum gebrauche auf höheren lehranstalten erläut. von ENie-
meyer. Leipzig, Siegismund & Volkening (1855). vi, 218. 8. [1107
Pözl 1886 [1138. — Zs. f. d. österr, gymn. 38, 726. [1108
*L.s Nathan u. Der mönch vom Libanon [von JGPfranger]. zum 100 jähr,
gedächtnis beider dichtungen. beitr. zum Verständnis Nathans u. zur er-
kenntnis der Wahrheit, vortr. von EBorgius. Barmen, Klein, 1881. —
Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 78, 334. [1109
Nathan der weise ein tendenzgedicht von EMauerhof in: Vom wahren
in der kunst. Leipzig, Hassel. 238. 8. [1110
Philotas s. [158.
Wie die alten den tod gebildet (gekürzt nach Hopf u. Paulsieck). in-
hallsübersicht der L.schen abhandl. in form einer ausführl. disposition von
AvSanden. Zs. f. d. deutschen Unterricht i heft 6. [1111
Briefe. Redlich 1886 [1145. — DLZ nr 7 (Sauer). [1112
JMGöze u. L. eine säcularerinnerung u. ehrenrettung zum lOOjähr. todesjahre
des ersteren. vortr. geh. von past. Becker. Flensburg, Huwald. 31. 8.
— Theol. litteraturW. s, 485 (Walther). [1113
Die metrik L.s von EBelling. Berlin, Hettler, vi, 140. 8. — Litt, cen-
tralbl. nr 47 (Creizenach). [1114
118 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 II
Lessing, GE, : L.s ansichten vom genie. von BGebhardt. Sonntagsbeil, zur
Voss. Ztg. nr37— 40. [1115
[L.s Wohnung in Wolfenbüttel als titelbild in: *Die hss. der ligl. bibl. zu
Wolfenbüttel beschrieben von OvHeinemann. 1 abt. Die helnistedter hss.
II. Wolfenbüttel 1886]. [1116
Bcitr. zur beurteilung der stilistischen kunst in L.s prosa, in Sonderheit der
Streitschriften von Olmmisch. N. jbb. f. phil. u. päd. 136, 331. 93. [1117
Schmidt 1884 [738. 1886 [1152. — lllustr. ztg. nr2271. Bist. zs. 58, 131
(Eliinger). Revue critique nr 51 (Chuquet). [1118
Schumann 1885 [913. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 233. [1119
GEL. sein leben u. seine werke von AStahr. 9 verm, u. verb. aufl. mit
einem bildnis L.s u. einem facs. aus Emilia Galotti. 2 bde. Berlin, Brach-
vogel & Ranft. VIII, 334. iv, 368. 8. — Nationalztg. 1886 nr 617. Gegen-
wart nr 16 s. 254. Bll. f. litt, unterh. nr 19 (Boxberger). DLZ nr 44 (Sauer).
D. litteraturbl. x nr 7 (Saalfeld). [1120
Ein Vorläufer Lessings [DHeinsius] in der Aristoteles -interpretation von
MZ erbst. Jenaer diss. Jena (Pöble). 54. 8. [1121
Spracheigentümlichkeiten bei L. Zs. f. deutsche spr. i 21. [1122
Ein wort L.s. Prot, kirchenztg. nr 1. [1123
Die concurrenz um das L.-denkmal f. Berlin von ARosenberg. Kunstchron.
22 jg. nrl3. [1124
Der entwurf des Berliner L.-denkmals. lllustr. ztg, nr 2287. [1125
s. auch [158. 352.
Lessing, KG.: Die mätresse. lustspiel [hg. von EWolff] (DLD 28). Heilbronn,
Henninger. xx, 113. 8. [1126
Wolff 1886 [1160. — Litt, merkur vii 104 (Berg). Litt, centralbl. nr 21
(Greizenach). DLZ nr 25 (Sauer). Bes. beil. des Staatsanz. f. Württemberg
nr 9 s. 144. Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 78, 342 (Pick). Arch. f. litte-
raturgesch. 15, 443 (Boxberger). Revue critique nr 51 (Chuquet). [1127
Lichtenberg, GCh.: Schumann s. 1886 [1163. 3 aufl. Ifg. 23— 30 (schluss).
12 stahlst, mit text xxv, 265—354. 4. — D. rundschau 53, 474. [1128
Meyer 1886 [1164. — Revue critique nr2 (Chuquet). Anz. xiii 304 (Seuff'erl).
Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 78, 460. [1129
[Portr. L.s. lllustr. ztg. nr 2301]. [1130
LicHTWER, MG. s. [1428.
Lipsius, J. s. [224.
Liebeskind, AJ. s. [1428.
Ludwig i von Baiern: L. i als dichter von JSchrott, AZnrl74. 5B, [1131
Martin von Cochem: 1885 [1171. — Litt, rundschau 13, 121 (Falk). [1132
Gebetbuch der heiligen Gertrudis u. Mechtildis, sammt einem unterrichte über
das mündliche gebet, nach dem 7 dr. der 1 aufl. vomj. 1668 u. der ausg.
von 1695 hg. von BvGalcar. mit 1 stahlst. Mainz, Kirchheim, viii,
474. 12. [1133
Der grofse myrrhengarten s. 1886 [1172. 32 aufl. ausg. nr 1. Paderborn,
Schöningh. xxiii, 876. 8. [1134
Die 4 letzten dinge, tod, gericht, höUe, himmelreich. aufs neue zu nutz u.
frommen hg. Brixen, Weger. iv, 279. 12. [1135
vMatthisson, f. s. [13,
Mendelssohn, M.: Baerwald 1886 [1186. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr.
77, 229. [1136
Zur M.-litt. von LG eigen Zs. f. d. gesch. der Juden in Deutschland ii
heft 1. — D. litteraturbl, x nr 30 (Gloatz). [1137
MM.s letter to bishop RLowth by ANeubauer. Athen. nr3105 s. 575. [1138
Ein evang. pfarrer über MM. Populär-wissensch, monatsbll. zur belehrung
über das Judentum vii nr 1. [1139
M. u. die Überlieferung. Jeschurun nr 10 — 2. [1140
Mendelssohniana. Monatschr. f. gesch. u. wissensch. des Judentums 36,
127. 215. 329, [1141
Was will u. soll der M.-ver.? vortr. am 4 jan. im M.-ver. zu Frankfurt a/M.
VERZEICHNIS DER SCHRIFTSTELLER: LESSING — NEUBER 119
geh. von JBIau. Populär- wissensch, monatsbll. zur belehrung über das
Judentum vii nr3. [1142
Mentzer, J.: JM. ein sächs. liederdichter (1658 — 1734) von PKruschwitz. Wis-
sensch. beil. d. Leipz. ztg. nr39. [1143
Merkel, G.: GM. über Deutschland zur Schiller-Goethe-zelt (1797—1806). nach
des verf.s gedr. u. hslichen aufzeichnungen zusammengest. u. mit einer biogr.
einl. vers. von JEckardt. Berlin, Paetel. 208. 8. vgl. 1886 [1222. — Gegen-
wart nr 20 s. 319. D. rundschau 52, 156. Die post nr 195 feuill. Grenz-
boten 46, 3, 299. Litt, centralbl. nr 31 (Creizenach). EU. f. litt, unterh. nr 33. 4
(Buchner). Saturday review nr 1667. D. wochenschr. 21 mai (Christel). D.
litteraturbl. x nr 6 (Koch). Nationalztg. nr 327 (Nerrlich). Bund nr 241—3.
[1144
Meyer, H.: Weizsäcker 1886 [1223. — Bll. f. litt, unterh. nr 10 s. 159. Arch,
f. litteraturgesch. 15, 200 (vBiedermann). DLZ nr 18 (Urlichs). Zs. f. d.
österr. gymn. 38, 154 (Minor). N. jbb. f. phil. u. päd. 136, 432 (Ziegler).
Litt, merkur viii 11 (Merz). Wiener allg. ztg. 7 febr. hauptbl. D. litteraturbl.
X nr 35 (Prosch). [1145
Meyfart, M.: MM.s Med von der hölle. zu unserm liede u. den höllenliedern
überhaupt von AFischer. Bll. f. hymnol. s. 113. 43. [1146
MöLLERiN, G.: Ein königsberger gedieht in nd. mundart aus d. j. 1670. von
LHFischer. Jb. f. nd. sprachf. 12,141. [1147
MöRiKE, E.: Baechtold 1885 [1010. — AZ nr318B (Muncker). [1148
MoscHEROscH, HM.: M.s Gesichte Philanders von Sittewaldt. Verhältnis der
ausgg. zu einander u. zur quelle, nebst einem bibliogr. anh. von JWirth.
erlanger diss. 61. 8. [1149
Ein altes Studentenlied [Cerevisiam bibunt homines aus M.s Philander].
Grenzboten 46, 3, 146. [1150
Moser, JJ.: JJM. als württemb. landschaftsconsulent 1751 — 71 von AEAdam.
Stuttgart, Kohlhammer, vi, 160. 8. [1151
Wächter 1886 [1231. — Hist. zs. 57,298. [1152
s. auch [92.
MOSER, J. s. [13.
JJRousseauu. JM. vonFBlanckmeister. Beweis des glaubens 23, 161. [1153
Müller, W.: Zur biogr. des dichters WM. von OFrancke. Mitteil. d. ver. f.
anhält, gesch. u. altertumskunde v 33. [1154
Gedichte dem andenken WM.s gewidmet u. kurz nach dessen tode ver-
öffentlicht von .IHFränkel, OLBWolff, WKilzer usw. Mitteil. d. ver. f. anhält,
gesch. u. altertumskunde v 45. [1155
Müllner, AGA. s. [429.
MusÄus, JCA.: Volksmärchen der Deutschen, f. die Jugend ausgew. u. bearb.
von MWGMüUer. mit 50 in den text gedr. abbildungen u. 8 (färb.) Voll-
bildern nach Zeichnungen von HVogel. (prachtausg.). Stuttgart, Thiene-
mann. iv, 352. 8.. [1156
Dasselbe, billige ausg. mit schwarzen Vollbildern. [1157
s. auch [11. 13. 15.
JCAM. eine säcularerinnerung zum 28 oct. 1887. vonAKohut, Dersammler
(beibl. zur Augsb. abendztg.) nr 128. [1158
Zur erinnerung an den volksmärchendichter M. von AKohut. Illustr. ztg.
nr 2313. [1159
Zur 100 jähr, erinnerung an M. (t 26 oct. 1787) von RKönig. Daheim
24 jg. nr4. [1160
JKAM. von AStern. AZ nr 299. 304. 10. 9. 29. 49 ß. [1161
JKAM. Gartenlaube nr 43. [1162
M. Presse nr 303 feuill. [1163
JM. Schles. Ztg. nr 754. [1164
Naubert, B. s. [224.
Nestroy, J. s. [1254.
Neuser, K.: Ein unbekanntes gedieht von KN. von HFischer. Grenzboten
46, 2, 444. [1165
120 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 U
Neukirch, B. s. [1266.
Nicolai ChF.: Ein Berliner [FN,] über München vor 100 jähren von FMuncker.
Jb. f. münchner gesch. i 173. — AZ nr 229 B. [1166
N. u. Klotz von HPröhle. Nalionalztg. nr 606. im anschluss an [980. [1167
NiEMBSCH vStrehienau, N. (Lenau): Krüger 1886 [1293. — Arch. f. d. stud. d.
neueren spr. 77, 232 (Hölscher). [1168
*CCastellini, II Faust di NL.: saggio critico. Genova, tip. dell' instiluto
Sordomuti, 1886. [1169
Martensen u. L. von RBendixen. Beweis des glaubens 23,18. [1170
s. auch [1556.
Novalis s. [S89 ff.
NÜBLING, Th. S. [108.
ÖHLENSCHLÄGER, AG. s. [13. 108. 704. 825.
Omeis, MD.: ADB 24,347 (MKoch). s. auch [224. [1171
Oemler, ChW.: ADB 24, 349 (GFrank). [1172
Oepffelbach, J.: ADB 24,366 (JBolte). [1173
Oldendorp, ChGA.: ADB 24,263 (HALier). [1174
Olearius, A. (Ölschlä^er): ADB 24,269 (FRatzel). [1175
Olearius, J.: ADB 24, 279. [1176
Olearius, JG.: ADB 24,280. [1177
Olischer, JB.: ADB 24,303. [1178
Opitz, M.: Aus den Stammbüchern der berliner bibl. von JBolte. Arch. f. lilte-
raturgesch. 15, 335 [eintrage ua. von MOpitz, AGryphius]. [1179
ADB 24,370 (FMuncker). [1180
Opsopaeus, J. (Kock): ADB 24,407 (JBolte). [1181
Orsäus, J.: ADB 24,428 (JBolte). [1182
ÖRTEL, FWPh. (ps. FWLips): ADB 24,435 (Brummer). [1183
Ortlepp, E.: ADB 24,447 (Brummer). [1184
Ortlob, K.: ADB 24, 449 (Brummer). [1185
OssENFELDER, HA.: ADB 24,498 (ESchmidt). [1186
vdOsten, H.: ADB 24, 503 (vBülow). [1187
ÖTiNGER, FCh.: ADB 24,538 (Ritschi). [1188
ÖTTiNGER, EM.: ADB 24,567 (FSchnorr vG arolsfeld). [1189
Otto, GCh.: ADB 24, 751 (FMuncker). [1190
OvERBECK, ChA.: ADB 25, 5 (Hasse). [1191
Paalzow, H.: ADB 25, 35 (FBrümmer). [1192
vPahl, JG.: ADB 25, 69 (He yd). [1193
Pangküfer, ja.: ADB 25, 121 (FBrümmer). [1194
Pannasch, A.: ADB 25, 122 (ASchi ossär). [1195
Pape, SCh. u. LMH.: ADB 25, 135 (FBrümmer). [1196
Pappe, JJCh. : ADB 25, 144 (Beneke). [1197
Parizek, A.: ADB 25, 175 (Reusch). [1198
Passow, FLKF.: ADB 25,210 (Schimmelpfennig). [1199
Pastorius, FD.: ADB 25, 219 (FBrümmer). [1200
Pastorius, J.: ADB 25,219 (Bertling). [1201
Patzke, JS.: ADB 25, 238 (FBrümmer). [1202
Pauli, GJ. : ADB 25, 259. [1203
Pauli, HR.: ADB 25, 260. [1204
Pauli, J. : ADB 25, 260. [1205
Pauli, KW. : ADB 25, 262 (FF r e n s d o r ff). [1206
Paulli, WA.: ADB 25,279 (Carstens). [1207
Paulmann, JL.: ADB 25,281. [1208
Paulus, HEG. u. EFC. geb. Paulus: ADB 25, 287. 94 (Wagenmann). [1209
vPechlin, FChF.: ADB 25, 306 (Carstens). [1210
Penzlin (Penzel), BJ.: ADB 25, 364 (Eisenhart). [1211
Perinet, J.: ADB 25, 376 (FBrümmer). [1212
Pescheck, ChA.: ADB 25, 414 (FBrümmer). [1213
Pestalozzi, JH.: Lienhard u. Gertrud, f. den gebrauch der seminarzöglinge u.
VERZEICHNIS DER SCHRIFTSTELLER: NEUKIRCH — PÜCKLER 121
lehrer eingerichtet von FWBürgel (Ausgew. Schriften berühmter päd. iii).
Paderborn, Schöningh. viii, 172. 8. [1214
Pestalozzi, JH. s. auch [13.
'Wie Gertrud ihre kinder lehrt', ein versuch, den müttern anleitung zu
geben, ihre kinder selbst zu unterrichten, f. den gebrauch der seminar-
zöglinge u. lehrer eingerichtet von KABeck (Ausgew. schriften berühmter
päd. IV). Paderborn, Schöningh. viii, 22S. 8. [1215
P.s Schrift Wie Gertrud ihre kinder lehrt von Klofz. N. bll. aus Süddeutsch-
land f. erziehung u. Unterricht xvi 3. [1216
Das leben des päd. HP. von HPHGrünfeld. Schleswig, Bergas. 63. 8. [1217
ADB 25,432 (Hunziker). [1218
Einige bll. aus P.s lebens- u. leidensgesch. von HMorf. Langensalza, Beyer
& söhne, vii, 136. 8. [1219
P. in: Woltäter der menschheit von FOtto. 3 verb. aufl. Leipzig u. Berlin,
Spamer. xii, 324. 8. [1220
V ogel 1886 [1322. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 69. [1221
Herbart oder P. eine krit. darstellung ihrer Systeme als beitr. zur richtigen
Würdigung ihres gegenseitigen Verhältnisses von AVogel (Päd. bibl. bd. 12).
Hannover, Meyer, iv, 163. 8. — Litt, merkur vii 250 (vSallwürk). [1222
Ein urteil über P.s Gelenksübungen in Guts Muths ßibl. f. päd. vom j. 1809
von KWassmannsdorff. Monatsschr. f. das turnwcsen jg. 6 heft 10. [1223
P. in Spanien von HWilhelmi. Die nation iv 494. [1224
Petersen, JW.: ADB 25,506 (HFischer). [1225
Petersen, JW.: ADB 25, 508 (DJacoby). [1226
s. auch [986.
vPetrasch, J.: ADB 25, 516 (ASchlossar). [1227
Pezzl, J.: ADB 25,578 (Schi ossär). [1228
Pfeffel, GK.: GKPf. über die Schauspieler von HF unck. Alem. 15,229. [1229
ADB 25,614 (Martin). [1230
Pfeffer, M.: ADB 25,619 (HHolstein). [1231
Der dramatiker MPf. von HHolstein. Zs. f. d. phil. 20, 232. [1232
Pfefferkorn, GM.: ADB 25,619 (Schumann). [1233
Pfeiffer, Gh. : ADB 25, 634. [1234
Pfeiffer, E.: ADB 25,635 (HHolstein). [1235
vPfeil, ChKL.: ADB 25, 646. [1236
Pfeil, JGB.: ADB 25, 655 (ESchmidt). [1237
Pfenninger, JK.: ADB 25, 660. [1238
Pfest, LL.: ADB 25,661 (FBrümmer). [1239
Pfizer, PA.: ADB 25,668 (ThSchott). [1240
Pforr, f.: Sulamith u. Maria [behandelt in: *FOverbeck. nach seinen briefen
— geschildert von MHowitt. hg. von FBinder. 2 bde. Freiburg i/B.,
Herder, 1886]. — AZ nr 244. 5 B. [1241
ADB 25, 702 (WSchmidt). [1242
Pfranger, JG. : ADB 25,704 (Schaubach), s. auch [1109. [1243
Pharetratüs, M.: ADB 25,737 (HHolstein). [1244
Philippi, je.: ADB 26, 76 (BLitzmann). [1245
PicHLER, K.: ADB 26,106 (ASchlossar). [1246
PiETscH, JV.: ADB 26, 123 (MvWaldberg). [1247
vPlaten, A. graf s. [8. 13. 91.
*iMassime per la vita, tradotte da BCroce. Trani, Vecchi, 1886. [1248
Aus P.s Jugendzeit (1796— 1818). von GBöhm. AZ nr 268. 9 B. [1249
s. auch [204.
vPlötz, J. s. [14.
POSTEL, ChH. s. [1266.
Postl, K. (ChSealsfield): Sealsfield - P. in der Schweiz von FHemmann. N.
Zürcher zig. nr 64—8. auch BeU. zur Bohemia nr 313. 6. 22. 3. [1250
vPlckler-Muskau , H. fürst: Erinnerungen von FLewald. fürst HvP.-M. u.
bruchstücke aus seinen briefen an sie. Westermanns monatshefte 63, 43.
190. [1251
122 BIBLIOGKAPHIE FÜR 1887 II
vPücKLER-MusKAU , H. füfst: vP.-M. in: Mark, streifzüge von ATrinius. bd. 3
(Minden i. W., Bruns. viii, 360. 8) s. 86. — Litt, centralbl. nr 43. Bil. f. litt,
unteih. nr 48. Nationalztg. nr 410 (Samosch). [1252
Rabener, GW.: Der Satiriker R. als päd. von Holder. N. bll. aus Süddeutsch-
land f. erziehung u. Unterricht xvi 2. [1253
Raimund, F. s. [8. 13.
EvBauernfeld über FR. u. JNestroy im N. wiener tagebl. auszüge daraus
im Beil. tagebl. nr363. [1254
s. auch [99.
Ramleu, KW.: Ein ungedr. Jugendgedicht KWR.s mitgeteilt von APick. Arch.
f. iitteraturgesch. 15, 345. [1255
Über KWR.s odentheorie. eine Iitteraturgesch. erinnerung an das Zeitalter
Friedrichs d. gr. von AP i c k. progr. der handelsfachschule zu Erfurt.
23. 4. [1256
Schüddekopf 1886 [1336. — BLZ nr 17 (Sauer). Litteraturbl. f. germ.
u. rem. phil. nr 10 (Muncker). [1257
s. auch [506. 1571.
Raupach, ES. s. [13.
vdRecke, E. : EvdR. in ihren beziehungen zur herzogin Luise von Anhalt-Dessau
von WH 0 sä US. Wissensch. beil. d. Leipz. ztg. nr 29. [1258
EvdR. in Leipzig von PLemcke. Wissensch. beil. d. Leipz. ztg. nr 64. [1259
EvdR. eine 100 jähr, erinnerung. Hamb. corresp. nr 183. 4 feuill. [1260
s. auch [1474.
Reinhard, KF.: Bassevilles schatten von WLang in Von u. aus Schwaben.
gesch. biogr. litt, heft 4 (Stuttgart, Kohlhammer) s. 1 =1885 [1120. [1261
[Reineke FUCHS :] Reinke de vos. hg. von FPrien. mit 2 holzschn. (Altd. text-
bibl. hg. von HPaul nr 8). Halle, Niemeyer, lxxiv, 274. 8 [berührt auch
die hd. überss. u. bearbb. des 17 u. 18jhs. : die Zesenianische, Gottsched,
Goethe usw.]. • [1262
Reuter, Gh.: GhR. u. seine comödien von GEllinger. Zs. f. d. phil. 20,
290. [1263
ChR. redivivus von FZarncke. Ber. der k. sächs. gesellsch. der wissensch.
phil.-hist. cl. 39, 44. [1264
Weitere mitteil, zu ChR.s Schriften von FZarncke. ebenda 39, 253. [1265
ChR. als passionsdichter von FZarncke. ebenda 39, 306 [berührt auch
Brockes, FFuncke, Hunold, JüKönig, Neukirch, Postel]. [1266
s. auch [268.
Richter, G. s. [1046.
Richter, JPF. (.lean Paul): Werke. 6 teil. Flegeljahre [1 — 4 bdchen] hg. von
PNerrlich (D. nationallitt. bd. 134). Berlin u. Stuttgart, Spemann. iv, 484.
8. — Belletrist.-litt. sonntagsbeil. der Hamb. nachr. nr 47 (Eyfsenhardt). [1267
Levana. Lange 1886 [1353. — Zs. f. d. gymnasialwesen 41,272 (Nerr-
lich). [1268
Levana. selections translated bySWood. London, Sonnenschein. — Acad.
nr 808 s. 283. [1269
Zum humor bei JP. von JBaske. progr. d. gymn. zu Wehlau. 18. 4. [1270
Firmery 1886 [1356. — DLZ nr 35 (Schönbach). [1271
Ein jugendbrief von GGGervinus. mitgeteilt von OHartung. D. dichtung
III 89 [darin ein brief von JP.s frau an hofrat Jung über JP.s tod]. [1272
Witz u. humor von GKleinert [berührt JP.]. Gegenwart nr 21. 2. [1273
ENencioni, Gian-Paolo R. e l'umorismo tedesco. Nuova antologia 3, xi
373. [1274
Brief GThFechners an JP., 6 oct. 1825. von PNerrlich. Nationalztg.
nr 622. [1275
JPR. u. das feuill. von HNoe. AZ nr 348 B. [1276
s. auch [132.
Riemer, FW. s. [704. 752.
RiNCKART, M.: Ein beitr. zur lebensgesch. MR.s von Graubner. hallenser diss.
VERZEICHMS DER SCHRIFTSTELLER: PÜCKLER SCHILLER 123
Halle a S., dr. von Teichmüller & Beyer in Eilenburg. 75, 8. — Theol.
iitteraturztg. nr 20 (Löbei). Theol. litteratuibl. s. 283 (Bessert). [1277
Rist, .IG.: Gaedeitz 1886 [1364. — Litteraturbl. f. germ. u. roni. phil. nr 4
(Koch). [1278
Ein dichlerdipiom JR.s vonJBolte. Arcb. f. litteraturgesch. 15,444. [1279
RocHLiTz, FJ.: 2 Schriftstücke von FR. Grenzboten 46, 3, 415. 519. [1280
RücKERT, F.: Liebesfrühling, prachtansg. mit 4 Vollbildern (in lichtdr.), gemalt
von HKaulbach, u. 80 initialen nach vGrundherr, Klimsch ua. 5 aufl. Frank-
furt a/M,, Sauerländer, v, 155. 4. — D. rundschau 53, 472. AZ nr 349 B
Verschiedenes. [1281
s. auch [91.
*Es gieng ein mann im Syrerland von LHFischer. N. jbb. f. phil. u. päd.
136, 628. [1282
Erinnerungen an FR. [aus: PdeLagarde, Mitteilungen. 2 bde. Götlingen
1884.6]. Kationalztg. nr57. [1283
FR. u. die familie Kopp von Fi'.euter. Preufs. jbb. 60,402. [1284
R.-denknial. AZ nr 78 B Verschiedenes. [1285
s. auch [108. 185. 1504.
vSallet, f. s. [13.
Salzmasn, ChG. : Päd. Schriften f. lehrer u. erziehet hg. von EWagner. 2 teile,
mit dem bildnis S.s u. einer ansieht Schnepfenthals (Die class. der päd. bd.
3. 4). Langensalza, schulbuchhandl. viii, 223. iv, 294. 8. [128(>
Die grundgedanken in S.s Ameisenbüchlein u. ihr päd. wert. f. lehrer u.
lehrerbildungsanst. von ROuandel. Minden, Hufeland. 32. 8. [1287
Saphir, MG.: Schriften, volksausg. Brunn, Karafiat. Ifg. 1—40 ä 5 bogen. 8.
[1288
ScHEFER, L.: Buch des lebens u. der liebe, hg. von HThom, 3 aufl. Leipzig,
Reinboth. iii, 157. S. — BU. f. litt, unterh. nr 34 (Waldmüller). [1289
ScHEFFLER, J. (Augclus Silcsius) : *AS. von GMDreves. Kirchenmusikal. jb. i
(1886). [1290
vScHELLisG, FWJ.: Lisco 1885 [1153. — Philos. monatshefte 22,422 (Schaar-
schmidt). [1291
ScHENCK, HTh.: HThSch. von JMearns. BU. f. hymnoL s. 94. 110. [1292
VSCIIENKEXDORF S. [8. 13. 58.
ScHERER, W.: Ein gegenlied WSch.s v.j. 1818 gegen das turnlied Frisch auf
zum fröhlichen jagen von KWassmannsdorff. Monalsschr. f. das turn-
wesen 6jg. lieft 12. [1293
ScHERFFER vScHERFFENSTEis, W. : Drcchslcr 18S6 [1392. — Zs. f. vgl. litte-
raturgesch. i 359 (Koch). [1294
vScHiLLER, F.: Werke hg. von Boxberger xii 2 1S86 [1394. — Litl. cen-
tralbl. nr9. [1295
s. auch [8. 13. 522.
Braut von Messina oder die feindlichen brüder. mit ausführl. erläut.
f. den schulgebrauch u. das privatstud. hg. von HHeskamp. Paderborn,
Schöningh. 170. 8. [1296
Dramas. La novia de Mesina. Wallenstein, trad. de JIxart, illustr. de
ALiek y VFriedrik. Barcelona, tip. de Cortezo y cie. 405. 4. [1297
s. auch [85.
Eine quelle zu Sch.s Braut von Messina [PBrydones Reise durch Sicilien u. Malta
in briefen usw. Leipzig. 1774] von GKettner. Zs. f. d. phil. 20, 49. [1298
Über Sophokles König Ödipus u. Sch.s Braut von Messina von WWittich.
progr. d. realgymn. zu Cassel. 24. 4. [1299
Cosmus von Medici s. [159.
Sch.s Demetrius. vortr. von JBaechtold. Die kleine chron. frankf.
wochenschr. hg. von Holthof ix nr 31. vgl. K. zürcher ztg. nr 24. [1300
Düntzer 1886 [1401. — Zs. f. d. deutschen Unterricht i 78 (Unbescheid). [1301
[Notiz über ein exemplar von Sch.s inauguraldiss. in der büchersamml. der
militärzll. biidungsanst. Litt, merkur vii 266]. [1302
124 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 II
vScHiLLER, F.: Don Carlos in Riga vor 100 jähren (21 nov. 1787). Die lileine
chron. frankf. wochenschr. iig. von Holthof x nr 21 [über eine von Seh. selbst
mit Verbesserungen vers. hs. des Don Garlos in prosa auf der rigaer stadt-
bibl.]. [1303
Sch.s Don Carlos, f. den schul- u. Selbstunterricht erläut. von HDeiter (Erläut.
zu den nieisterwerken der deutschen litt. ii). Hannover, Meyer. 40. 8. [1304
Zum 100 jähr, bühnenjubiläum von Sch.s Don Garlos am 29 aug. 1887. von
ThGesky. Wissensch. beil. d. Leipz. ztg. nr68. [1305
Löwen berg 1886 [1406. — Zs. f. d. deutschen Unterricht i 76 (ünbescheid).
Saturday review 63, 706. [1306
Zur gesch. des Sch.schen Don Garlos. ein gedenkbl. zum säculärtage der
erstmaligen aufführung der tragödie am 29 aug. 1787 zu Hamburg von
JL Owen berg. Hamb. ^orresp. nr 239 feuill. [1307
Die erste aufführung des Don Garlos von GMalkewitz, Sonntagsbeil, zur
Voss. Ztg. nr 35. [1308
Don Carlos von MNecker. Presse nr312. [1309
Der prinz Don Garlos. drama aus dem span. des Don Diego Ximetiez da
Enciso von ASchäffer [berührt Seh.]. — Belletrist, -litt, sonntagsbeil. der
Hamb. nachr. nr 41. [1310
Das bühnenjubiläum von Sch.s Don Carlos. Frankf. ztg. nr 242. [1311
Der marquis Posa. D. ztg. nr 5626. [1312
Don Juan s. [269.
Egmont-rec. s. [245.
Fi es CO u. Doria. von ML and au [rec. der neuesten bist. litt, über Fiescos
Verschwörung mit hinweisen auf Sch.s trauerspiel]. AZ nr 34. 5 B. [1313
Scholl 1885 [1172. — Revue critique nr 2 (Chuquet). [1314
Über Fiesco-aufführungen am wiener burgtheater. Wiener allg. ztg. 30 nov.
morgenbl. unter: litt., kunst u, wissensch. [1315
Andrea Doria u. die Verschwörung des Fiesco [im anschluss an EPeüt. An-
drea Doria. Paris, Quantin]. Nationalztg. nr 456. [1316
Gedichte. Poems and ballads, transl. by lord Lytton. London, Roui-
ledge. 8. [1317
Dasselbe, new ed. London, Warne. [1318
Scb. et Goethe. Choix de poesies lyriques. avec des notices biogr. et litter.
et des notes diverses par EEude. Paris, Garnier. 250. 12. [1319
Turner-Morshead 1886 [1414. — Acad. nr 769. [1320
Minor poems and ballads with bist, and lit. notes by APVernon. London,
Williams & Norgate. 8. [1321
Gedichte, erläut. u. auf ihre veranlassungen, quellen u. Vorbilder zurück-
geführt, nebst variantensamml. von HViehoff. 6 umgearb. aufl. 3 bde.
Stuttgart, Gonradi. xxvm, 290. 214. 252. 12. [1322
s. auch [1406.
Gorvinus 1886 [1420. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 79, 119. [1323
Un point d'histoire litt, et phitos. L'ode ä la joie de Seh. par EBeau ssire.
Rev. pol. et litt. 5. vgl. Litteraturbl. f. germ. u. rom. phil. nr 9 sp. 411. [1324
Sch.s gedieht An die freude von KKirchner. Zs. f. d. deutschen Unter-
richt I 207. [1325
Zu Sch.s balladen von HUllrich. Arch. f. litteraturgesch. 15,449. [1326
Sch.-stud. 1. Das berglied. 2. Thekla. eine geisterstimme. 3. Talbots sterbe-
monolog. von GKettner. Zs. f. d. phil. 20,336. [1327
Die macht des geheimnisses in kultur u. litt, von JNover [behandelt ua.
Sch.s Bild von Sais]. AZ nr70. 1 B. [1328
Die bürgschaft. Dürnwirth 1884 [926. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 732
(Prosch). [1329
Gang nach dem eisenhammer s. [66.
Song of the bell, a metrical translation. Black woods Edinburgh mag. 141,
579 (TMartin). [1330
Song of the bell. Boston, Lothrop. [1331
VERZEICHNIS DER SCHRIFTSTELLER: SCHILLER 125
iScHiLLER, F.: *Sch.s Lied von der glocke. eine bibliogr. stud. von LMohr,
Strafsburg, Schultz & cie., 1877. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 78,
336. [1332
Über das Sch.sche Lied von der glocke u. seine übers, in das frz. u. engl,
von WUlrich in: Bilder aus der gesch., der kulturgesch. u. dem litt,
leben der Völker. Leipzig, Unflad, s. 165. [1333
Das ideal u. das leben. Grosse 1886 [1418. — Zs. f. d. gymnasialwesen
41, 151 (Müller). N. jbb. f. phil. u. päd. 136, 423 (Muff). Zs. f. d. deut-
schen Unterricht i 80 (ünbescheid). [1334
Zu Sch.s Kampf mit dem drachen von Salz er. Arch. f. d. stud. d. neueren
spr. 77, 236. [1335
Kraniche des Ibycus s. [1336.
The ring of Polycrates. The cranes of Ibycus (translations). Blackwoods
Edinburgh mag. 142,684 (TMartin). [1336
Sacherklärung zu Sch.s Spaziergang f. prima, von HHildebrand. Zs. f.
d. deutschen Unterricht i 547. [1337
s. auch [159.
Sch.s Taucher von CÄldenhoven. Die nation iv 551. [1338
[Steinthal. Zs. f. völkerpsychol. 17, 131. 232]. [1839
Le plongeur (forts.). Melusine iii 19. [1340
Thekla s. [1327.
Venuswagen s. [159.
Extraits des oeuvres historiques. relies ensemble et annoles par LS c h m i 1 1.
Paris, Garnier. 348. 12. [1341
s. auch [85.
Jeanne d'Arc, tragedie. texte allemand, public avec un argument analy-
tique, une notice litt., des eclaircissements et des notes parMBailly. 2 ed.
revue. Paris, Hachette. m, 276. 16. [1342
Funke 1886 [1430. — Bll. f. d. bayr. gymnasialschulwesen 23, 395 (Bauer).
Zs. f. d. deutschen Unterricht i 85 (ünbescheid). Gymn. v 126 (Buschmann).
[1343
Die Jungfrau von Orleans, eine romant. tragödie. schulausg. besorgt von
KHoldermann (Meisterwerke der deutschen litt. — hg. von KHoIdermann
u. LSevin 7 bdchen). Berlin, Reuther. 128. 8. [1344
Jeanne d'Arc, tragedie. publice avec une notice et des notes par ALange
(avec la nouvelle Orthographie allemande). Paris, Delagrave. xvin, 187. 18.
[1345
The maid of Orleans, a romantic tragedy. transl. into english by EStPear-
son (German class. plays nr4). Dresden, Pierson. 158. 12. [1346
Pözl 1885 [1197. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 726. [1347
Die Jungfrau von Orleans, eine romant. tragödie (Repert. des hgl. meinin-
genschen hoftheaters. officielle ausg., nach dem scenarium des hoftheaters
bearb. heft 20). Leipzig, Conrad. 94. 16. [1348
Eysell 1886 [1436. — Bll. f. litt, unterh. nr 3 (Büchner). Litt, merkur
vii 184 (Hörn). D. rundschau 52, 479. Litteraturbl. f. germ. u. rom. phil.
nr 12 (Weifsenfeis). D. litteraturbl. x nr 6. Gymn. v 126 (Buschmann). [1349
Die Jungfrau von Orleans u. ihre Zeitgenossen, mit berücksichligung ihrer
bedeutung f. die gegenwart von HSemmig. 2 verm. aufl. Leipzig, Peter-
son. VI, 280. 8. — Bll. f. litt, unterh. nr 16 (Kleinschmidt). D. revue xii 2,
251. Gegenwart nr 36 s. 159. [1350
Isabeau von Bayern, königin von Frankreich, von HSemmig [streift öfters
Sch.s Jungfrau von Orleans]. AZ nr 136. 57. 60. 71. 2. 8. 9. 86. 7 B. [1351
s.. auch [1327.
[Über die aufführung der Jungfrau von Orleans durch die Meininger am
Victoria-theater zu Berlin von OB rahm. Die nation iv 289]. [1352
Die Jungfrau von Orleans auf der meininger hofbühne. Weser-ztg. nr 144U8.
[1353
Maria Stuart, ed, with notes by JLB e v i r. London , Rivingtons.
228. 8. [1354
126 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 11
vScHiLLER, F.: Marie Stuart, tragedie. texte allemand, precede d'une analyse
litt, de Mme de Stael, et public avec des notes explicatives par TiiFix.
nouvelle ed. Paris, Hachette. x, 212. 12. [1355
-Mary Stuart, a tragedy. transl. into english by EStPearson (Gernian ciass.
plays nr 5). Dresden, Pierson. 151. 12. [1356
s. auch [85.
.Maria Stuart auf der berliner hofbühne. von LHFischer. Sonntagsbeil,
zur Voss. ztg. nr 19. [1357
Maria Stuart, eine litterarhist. stud. von PF ecken s. leipz. diss. Berlin.
104. 8. [1358
Die erste aufführung von Sch.s Maria Stuart von HKindt. Der Zeitgeist
(beibl. zum Berl. tagebl.) nr 10. [1359
s. auch [1460.
Über naive u. sentimentalische dichtung. mit einl. u. anm. von JEgger u.
KRieger. 2 durchges. aufl. (Schulausg. class. vv-erke nr9). Wien, Graeser.
XVII, 134. 8. [1360
Le neveu pris pourl'oncle, comedie. traduction francaise parALe-
roux. Paris, Delalain freres. iv, 60. 18. ' [1361
Dieräuber. ein Schauspiel, mit einl. u. anm. von JNeubauer (Schulausg.
class. werke nr28). Wien, Graeser. xv, 124. 8. [1362
Der bayr. Hiesel u. die Hiesel-litt. von KThHeigel. Westermanns monats-
hefte 63, 122 [berührt Sch.s Räuber]. [1363
Hauptquelle zu Sch.s trauerspiel Die räuber. Bund nr312- [1364
s. auch [159.
Spiel d es Schicksals, ein bruchstück einer wahren gesch. Zs. f. deutsche
spr. I heft 4 ff. [1365
Wilhelm Teil, with historical introduction, and notes by GEFasnacht.
Foreyn school classics. London and New-York, Macmillan. 63,238.18, [1366
Guillaume Teil, drame, traduction francaise par ThFix, avec le texte alle-
mand. Paris, Hachette & de. xxiv, 259. 18. [1367
Wilhelm Teil, with grammatical and explanatory notes byELNaftel. Lon-
don, Hachette <fc cie. [1368
Wilhelm Teil, ein Schauspiel, mit einl. u. anm. vonFProsch. 2 durchges.
aufl. (Schulausg. class. werke nr 12). Wien, Graeser. xvi, 95. 8. [1369
Guillaume Tel!, tragedie. trad. en vers par HVillard. Paris, libr. des
bibliophiles. 232. 16. [1370
Wilhelm Teil, mit Zugrundelegung von Sch.s Schauspiel Wilhelm Teil f. die
reifere Jugend erzählt von MBarack. mit 4 farbendr.-bildern, 2 aufl.
Stuttgart, Thienemann. 158. 8. [1371
Sch.s Wilhelm Teil von HDüntzer. 4 neu durchges. aufl. (Erläut. zu den
deutschen class. 53. 4 bdchen). Leipzig, Wartig. 292. 12. [1372
Wilhelm Teil in poesie u. Wirklichkeit, eine poet. Wanderung durch Tells-
erinnerungen von JNover (Samml. gemeinverständL wissensch. vortrage n. f.
2 Serie heft 1). Hamburg, Richter. 34. 8. — D. litteraturbl. x nr 18
(Brenning). [1373
Ein sprachl. misverständnis in Sch.s Teil [iv 1] von WPaulus. Bes. beil.
des Staatsanz. f. Württemberg nr 5 s. 80. [1374
Sprachl. anm. zu dem 3 (letzten) auftritt des 4 aufzuges von Sch.s Wilhelm
Teil. Zs. f. deutsche spr. i heft 10-2. [1375
über Völkerwanderung, kreuzzüge u. ma, lat. übers, mit ausführl. ex-
cursen. f. studierende u. lehrer von RBouterwek. Paderborn, Schöningh.
68. 8. [1376
Wallen ste in part I. Das lager. with introduction and notes byHBC otte-
rill. Foreyn school classics. London, Macmillan. 62, 113. 18. [1377
Funke 1886 [1461. — Zs. f. d. deutschen Unterricht i 85 (Unbescheid). [1378
Wallensteins tod von GKern (Class. deutsche dichtungen hg. von KHKeck
8 teil). Gotha, Perthes, vii, 171. 8. — D. litteraturbl. x nr 6. [1379
Wallenstein, dram. poem, transl. by CGNLock hat t. London, Blackwoods.
— New-York nation 45, 483. ' [1380
VERZEICHMS DER SCHRIFTSTELLER: SCHILLER 127
vScHiLLER, F.: Wallenstein, ein dram. gedieht, schulausg. bearb. von LSevin
(Meisterwerke der deutschen litt, — hg. von KHoldermann u. LSevin 8 bdclien).
Berlin, Reuther. 160 mit 1 titelbild. 8. [1381
s. auch [1297.
[Zu Wallensleins lager von JBöhm. Päd. bll. 16,467]. [1382
RGenee über einen Wallenstein c. 1650, in Berlin aufgeführt: vgl. Litt,
merkur vii 243. Köln. ztg. nrl74. [1383
Der bist. u. der Sch.sche Wallenstein von Grosse. Landesztg. f. Elsass-
Lothringen nrlOS. 4. [1381
Sch.s Wallenstein als theaterneuigkeit [erste aufführung in Weimar], von
FKatt. Sonntagsbeil, zur Voss. ztg. iir 25. [1385
Rönnefahrt 1886 [1468. — Bll. f. litt, unterh. nr 3 (Buchner). DLZ nr22
(Minor). [1386
Wallensteinstücke auf dem alten volkstheater von ORüdiger. Hamb. nachr.
nr 168. 9. [1387
Neue mitteil, über die Veruntreuung des ms. von Wallensteins lager von
MASpiefs. Arch. f. litteraturgesch. 15, 388. [1388
Tomaschek 1886 [1469. — DLZ nr 22 (Minor). [1389
s. auch [897.
Xenien s. [13.
Die Urschriften der b riefe Sch.s an Dalberg von MBernays. AZ nr 226.
7. 30. 1 B. [1390
I 4 briefe Sch.s [an WGBecker, Böttiger?, Frommann, FvStein]. ii Böttigers
briefe an Seh. mitgeteilt von RBo.xberger. Arch. f. litteraturgesch. 15,
296. [1391
Ausgew. briefe. ed. by ESßuchheim. New- York, Putnams. [1392
3 briefe von Seh. [an Wilmans, Iffland, Brannaschk. mitgeteilt von FSchiiorr
vCarolsfeld]. Arch, f. litteraturgesch. 15,194. [1393
[Sch.s briefe an Dalberg der Münchner universitätsbibl. angeboten, Athen.
nr3125 s. 377]. [1394
Sch.s flucht aus der heimat von EFAnders. progr, des Leibniz-gymn, zu
Berlin, Berlin, Gärtner. 37. 4. — Bes, beil. des Staatsanz. f. Württembero-
nr 17. [1395
Aus Sch.s dichterwerkstatt. von LB eller mann. Sonntagsbeil, zur Voss.
Ztg. nr 6, 7 [über Sch,s bemühung, fremdwörter zu meiden], [1396
Über Sch.s einfluss auf Goethes dichtung von RBorges, progr. d, realschule
zu Reudnitz [=leipz. diss. 1SS6]. 24. 4. [1397
Boxberg er 1S86 [1476. — Zs. f, d. deutschen Unterricht i 83 (Un-
bescheid). [1398
Sch.s vater von OBrahm. D, rundschau 53,200, [1399
* Braun s. 1884 [990. erste abt. Seh. bd. 1 u. 2. 1781—1800. Leipzi?,
Schlicke, 1882. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 78, 462. [1400
FSch. curiose freunde, trübselige tage, misachtung bis ins grab hinein, kein
ehrenbuch für Weimars gröfsen von SB runner. Wien, verl. der SNor-
bertus-buchdruckerei. 216... S. — Gegenwart nr 14 (Düntzer). Bll. f. litt,
unterh. nr31 (Buchner). Österr, litt, centralbl, nr 10 (Zapletal), [1401
Seh. u. Vergil von GH au ff. Zs. f, vgl. litteraturgesch, u, renaissancelitt,
n. f. I 46. [1402
Hepp 1885 [1238, — Bll, f, litt, unterh. nrl6 (Buchner). [1403
Howe 1886 [1484. — Zs. f. d. deutschen Unterricht i 82 (Unbescheid).
Arch. f, d. stud. d. neueren spr. 77, 230. [1404
Keller 1886 [1489. — Bes. beil. des Staatsanz. f. Württemberg nr 1. [1405
Sch.s philos. gedichte, 6 vortr. geh. in Berlin im winter 1885/6 A'on HLange,
Berlin, Oehmigke. 188, 8. — Zs. f, d. deutschen Unterricht i 79 (Unbescheid).
[1406
Palleske-Fischer 1886 [1496, — Bll, f, litt, unterh. nr3 (Buchner), Bist,
zs, 58, 133, Litt, merkur vii 248 (PfaflF). [1407
128 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 11
vScHiLLER, F.: Sch.s einfluss auf die entwicklung des deutschen naüonalgefühls
von ARuhe, progr. d. gymn. zu Meppen. 34. 4. [1408
Schäfer 1886 [1498. — Zs. f. vgl. litteraturgesch. u. renaissancelitt. n. f.
I 109 (Koch). [1409
Schanzenbach 1886 [1499. — Arch. f. litteraturgesch. 15,205 (Walzel).
[1410
Ueberweg 1885 [1263. — Philos. monatshefte 23, 353 (Witte). Arch. f.
d. stud. d. neueren spr. 79, 114 (Arnheim). [1411
Zur krit. des Sch.-schädels. ein beitr. zur kraniolog. diagnostik von HWelcker.
Arch. f. anthropologie 17, 19. [1413
Weitrich 1886 [1505. — Litt, centralbl. nr 15. BH. f. litt, unterh. nr 16
(Buchner). [1413
Seh. u. Charlotte vKalb von RWeltrich. Die gesellsch. hg. von Conrad
3 jg. [1414
Ein pamphlet auf Seh. u. Goethe. Gartenlaube nr50 s. 839. [1415
s. auch [99. 109. 110. 132. 152. 159. 161. 168. 169. 171. 182. 192. 197. 245.
352. 357. 704. 754. 767. 768. 782. 821. 982. 1144.
SCHINK, JF. s. [159.
VSCHLEGEL, AW. S. [13.
Vorlesungen 1885 [1275. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 74 (Khull). 791.
Litteralurbl. f. germ. u. rom. phil. nr 12 (Muncker). [1416
AWvSeh. in den jj. 1804 — 45 von JMinor. Zs. f. d. österr. gymn. 38,
590. 733. [1417
vScHLEGEL, F.: Briefe von FSch. mitgeteilt von LLier, ESchmidt, JMinor.
1. an GABöttiger. 2. an FJNiethammer. 3. an KJHWindischmann. Arch. f.
litteraturgesch. 15, 399. 425. 35. [1418
s. auch [821..
Schlegel, JE. : Ästhetische u. dramaturgische Schriften [hg. von JvÄ ntoniewicz]
(DLD 26). Heilbronn, Henninger. clxxx, 226. 8. — ßll. f. litt, unterh. nr 44
(Boxberger). D. revue xii 4, 375. [1419
Schlegel, K. geb. Michaelis s. [177.
Schleiermacher, FED. s. [13.
Predigtentwürfe aus d. j. 1800. hg. von FZimmer. Gotha, Perthes, iv,
75. 8. [1420
Sch.s briefe an die grafen zu Dohna. hg. von JLJacobi. Halle, Strien.
93. 8. [1421
Seh. als päd. von HKeferstein. Jena, Mauke, vi, 340. 8. — DLZ nrl4
(vSallwürk). Litt, centralbl. nr 39. Ztg. f. litt., kunst u. wissensch. des
Hamb. corresp. nr 24, vgl. nr 25 s. 196. [1422
Schmeller, JA. : Nicklas 1885 [1282. — BIL f. d. bayr. gymnasialschulwesen
23. 280. [1423
Nicklas 1886 [1518. — N. jbb. f. phil. u. päd. 136, 524 (Menge). Arch.
f. d. stud. d. neueren spr. 77, 414. [1424
vScHMiD, Ch.: Sämmtl. Schriften. 4—6. heft. Leipzig, exp. der ChvSch.schen
Schriften. 62. 68. 8. [1425
Auserlesene erzählungen. f. evang. christenkinder bearb. von JFRanke.
4 bde [mit 8 abbildungen] (Unterhaltungsbibl. f. kinder bd. 1—4). Elber-
feld, Bädeker. 143. 125. 131. 142. 8. [1426
Kleinere erzählungen f. kinder. Wahre gesch. von tieren [mit illustr. ini-
tialen], ausgew. u. erzählt f. 7—9 jähr, kinder von JFRanke (Unterhaltungs-
bibl. f. kinder bd. 5). Elberfeld, Bädeker. 94. 8. [1427
Seh., Krummacher, Liebeskind, Lichtwer, Hebel, Herder et Campe, contes
et morceaux choisis — , publies avec des notices sur les auteurs et des notes
en franfais par DES eher dlin. Paris, Hachette. xvi, 260. 16. [1428
Kurze erzählungen. Kleine lehrreiche erzählungen. Blüten, dem blühenden
alter gewidmet (Ausgew. volks- u. jugendschr. hg. — von OHellinghaus 21—25
bdchen). Münster, Ascbendorff. iv, 220. iii, 268. iv, 92. 16. [1429
Ausgew. Jugendschriften. 4 bde. Stuttgart, Gundert. 483. 432. 467. 420 mit
je 3 illustr. 8. [1430
VERZEICHNIS DER SCHRIFTSTELLER: SCHILLER SCHWAB 129
vScHMiD, Ch. s. auch [11. 15.
7 erzählungen f. die Jugend: Der kanarienvogel, Das johanniskäferchen, Das
täubchen, Die kapelle bei Wolfsbühl, Der diamantring, Das Marienbild, Der
kuchen. mit bildern. neue ster.-ausg. Reutlingen, Ensslin & Laiblin.
176. 8. [1431
4 erzählungen f. kinder u. kinderfreunde. Herborn, buchhaadl. des nassau.
colportagever. 212. 12. [1432
Derdianiantring. eine erzählung. Reutlingen, Ensslin & Laiblin. 16. 12. [1433
Wie Heinrich von Eichenfels zur erkenntnis gottes kam. neue durchges.
ausg. mit einem vorw. von EEvers (ChvSch.s Erzählungen f. die Jugend u.
das voik heft 1). Wiesbaden, Ebbecke. 1—32. 12. [1434
Die kapelle bei Wolfsbühl, eine erzählung f. jung u. alt. neue ster.-ausg.
Reutlingen, Ensslin & Laiblin. 30. 12. [1435
Ludwig, der kleine auswanderer. — Der gute Fridolin u. der böse Dietrich.
— Der kanarienvogel. Anselmo. Die feuersbrunst. — Die 2 brüder. Der
kuchen (Ausgew. volks- u. Jugendschriften — hg. von OHellinghaus 16—20
bdchen). Münster, Aschendorff. iv, 87. 244. viii, 118. 91. 16. [1436
Das Marienbild oder das verlorene kind. eine erzählung f. jung u. alt. neue
ster.-ausg. Reutlingen, Ensslin & Laiblin. 29. 12. [1437
Die Ostereier u. 5 andere erzählungen f. die liebe jugend. mit 6 feinen
farbdr.-bildern nach aquarellen von COffterdinger, 2 aufl. Stuttgart, Löwe.
115. 4. [1438
Das täubchen. eine erzählung f. jung u. alt. neue ster.-ausg. Reutlingen,
Ensslin & Laiblin. 31. 12. [1439
[Zahlreiche frz. Übersetzungen einzelner stücke s. Bibl. de la France, annee
1887, table alphabetique p. 152].
Schneider, E.: Faber 1886 [1554. — Bist. zs. 57,352. Mitteil, aus der bist,
litt. XV 93 (Hermann). [1440
Schober, DG.: DGSch. von AFischer. EU. f. hymnol. s. 124.30. [1441
Schosser, A.: Ein vergessener österr. volksdichter. N. fr. presse nr 8220
morgenbl. [1442
Schröder, FL.: Seh. u. Gotter. eine episode aus der deutschen theatergesch.
briefe FLSch.s an FWGotter. 1777 u. 8. eingel. u. hg. von BLitzmann.
Hamburg u. Leipzig, Voss, ix, 136. 8. — Ztg. f. litt., kunst u. wissensch.
des Hamb. corresp. nr 21. [1443
s. auch [981.
SCHUBART, ChFD. S. [13.
Der dichter Seh. als Schulmeister von KB öckh'el er. Daheim nr 38. 9. [1444
Hauff 1886 [1559. — Anz. xiii 161 (Werner).' [1445
Zwei bittschriften an herzog Carl von Württemberg, den gefangenen dichter
Seh. betr., aus demj. 1777 von AvSchlos s berger. Bes. beil. des Staatsanz.
f. Württemberg nr9s. 135, s. auch Berl. tagebL nr353. [1446
Neue kleine beitr. zur kenntnis ChFDSch.s von AWohl will. Arch. f. litte-
raturgesch. 15, 21. 126. [1447
*Sch. dram. skizze von HvZimmermann. Prag 1886. — D. dichtung
n 368 (Koch). Bll. f. litt, unterh. nr 4 (Nisse!). [1448
Ein süddeutscher patriot vor 100 jj. [ChDSch.]. Grenzboten 46, 3, 266. [1449
Zur erinnerung an Seh. Schwab, chronik s. 846. vgl. ebenda s. 1941.
2033. [1450
Schulz, JChF. : Leben u. tod des dichters Firlifimini. eine litt, säcularerinnerung
von ROrtmann. Didaskalia nr 287. [1451
Der verf. des Firlifimini. Arch. f. litteraturgesch. 15, 448. [1452
Schulze, E. : Die bezauberte rose, romant. gedieht, min.-ausg. 14 aufl. Leipzig,
Brockhaus. 94. 16. [1453
Schupp, JB.: BSch. u. seine lieder von AFischer. Bll. f. hymnol. s. 18. vgl.
ebenda s. 62. [1454
s. auch [61.
Schwab, G. : Deutsche Volksbücher, f. die jugend. 2 bde. Lahr, Schauenburg,
257. 274. 8. [1455
A. F. D. A. XV. 9
130 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 II
Schwab, G. s. auch [11. 13. 15.
Semper, EL. s. [1567.
Seume, JG. s. [13.
SiMRocK, K. s. [204.
VSONNENBERG, FAJJM. ffhr s. [230.
Spangenberg, W.: Ausgew. dichtungen. Ganskönig — Saul — Mammons sold
— Glückswechsel [hg. von EMartin] (Elsäss. litt.-denkmäler aus dem 14 —
17 jh. IV). Strafsburg, Trübner. xvi, 349. 8. — DLZ nr 42 (Strauch). Litt,
centralbi. nr 44. [14B6
Spee, f.: Goldenes tugendbuch, d. i. werke u. Übungen der 3 götll. lügenden,
des glaubens, der hoffnung, der liebe, neu hg. von FHattler S. J. Frei-
burg i/B., Herder, xxiv, 543. 8. [1457
s. auch [58.
Spener, PhJ. : PhJS. als lehrer der Jugend, ein vortr. geh. von prof. drKöst-
lin in: Denkschr. des evang. predigerseniinars zu Friedberg f. dasj. 1886 u.
bis frühj. 1887 — hg. von JGDiegel. mit einer abhandl. — von WWeiffen-
bach (Friedberg, Bindernagel in comm. vii, 312. 8) s. 139. [1458
Sperontes: Spitta 1885 [1388. — DLZ nr 22 (Spiro). [1459
Spiess, ChH.: Theaterzettel zur ersten aufführung der Maria Stuart von S. am
wiener burgtheater (1787). Wiener allg. ztg. 18juni, hauptbl. [1460
Streckfuss, AFK. s. [698.
Sturz, HP.: Litt, merkur viii 17. [1461
Sudermann, D.: DS. in: *ChSepp, Kerkhist. stud. (Leiden, Brill, 1885) s. 238.
— Theo!, litteraturztg. nr21 (Kattenbusch). [1462
Thomasius, Ch. : Ein allg. deutsches Universitätsjubiläum (zum 200 jähr, gedächt-
nistage der ersten Vorlesung in deutscher spr.). von MB endin er. AZ
nr269B, vgl. nr 356 B: Die ersten deutschen Vorlesungen u. Theophrast
von Hohenheim [nicht ChTh. hielt 1687 an der leipz. hochschule die ersten
Vorlesungen in deutscher spr., sondern Theophrast von Hohenheim 1562 an
der univ. Basel]. [1463
Zum Th.-jubiläum von AHofmeister. Grenzboten 46,4,294. vgl. auch
46, 2, 545. 99. [1464
Ein Jubiläum der deutschen wissensch. von ONeumann Hofer. D. mon-
tagsbl. 7 nov. [1465
ChTh. zum 200 jähr, gedächtnis von ARichter. Illustr. ztg. nr 2312. [1466
Ein allg. deutsches Universitätsjubiläum. D. ztg. nr 5656. [1467
Das erste deutsche colleg zu Leipzig am 24 oct. 1687. zur erinneruner an
ChTh. Wissensch. beil. d. Leipz. ztg. nr 84. [1468
Zu Th.s gedächtnis. Die post nr 279 beil. 1. [1469
TiECK, L. : Fisch e r 1884 [1055. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 728 (Schmidt). [1470
Ausgew. werke in 8 bden. mit einer einl. von HWelti. bd. 4 — 6 (Bibi. d.
weltlitt. bd. 147. 151. 6). Stuttgart, Gotta. 232. 270. 223. 8. [1471
s. auch [13. 159.787.
Zu LT.s nachlass. von AHauff en. Arch. f. litteraturgesch. 15,316. [1472
Der dualismus LT.s als dramatiker u. dramaturg von MOKaiser. leipz.
diss. 67. 8. [1473
s. auch [122.
TiEDGE, ChA.: ChAT. u. EvdRecke von AKohut. Mag. f. d. litt. d. in- u.
ausl. nr 24. [1474
vTÖRRING, JA. S. [13.
Trinius, CB. s. [108.
Thland, L.: Gedichte u. dramen. jubiläumsausg. zum 100 geburtstage des dich-
ters [1787. 1887]. mit einem portr. U.s nach dem original von Mortf aus
dem j. 1818 u. einem gedieht in facs. Stuttgart, Gotta. xxviii, 640. 8. —
Gartenlaube nr 17 s. 288. AZ nr91B Verschiedenes. [1475
LU. lichtstrablen aus seinen werken, nebst einer biogr. characteristik u. dem
portr. des dichters. ein gedenkbl. zum 100 jähr, geburtstage LU.s am 26
april 1887 von AKohut. Dresden, Pierson, ix, 93. 12. — Bll. f. litt,
uhterh. nr 20 «. 318. [14:76
VERZEICHWS DER SCHR[FTSTELLER : SCHWAB — UHLAND 131
Umland, L. s. auch [91.
Gedichte von LU. verschollenes u. unbekanntes. D. dichtung ii 38. [1477
Ritter Harald (nach U.s ballade). gemälde von ATschantsch. lUustr. ztg.
nr 2320. [1478
Wiersz Uhlanda do iMlckiewicza [U.s gedieht Mickiewicz] von RMWerner.
Pamietnik towarzystwa literackiego imienia AMickiewicza pod redakcya Ro-
mana Pilata (Lemberg) s. 138 f. vgl. ebenda s. 253 (Zipper). [1479
2 U.sche gedichte, erlauf, f. den schulgebrauch. N. bll. aus Süddeutschland
f. erziehung u. Unterricht xvi 3. [1480
Ein Stammbuchvers von U. [vom 19 aug. 1861]. Daheim nr 32 s. 511. [1481
Aus LU.s briefwechsel. ungedr. briefe von LU., JKerner u. FHebbel. mit-
geteilt von KEFranzos. D. dichtung ii 55. [1482
Briefe von U. Schwab, chron. s. 605. [1483
Ein brief U.s, Paris 29 juni 1810. Staatsanz. f. Württemberg nr 70 beil.
auch AZ nr87 Verschiedenes. Litt, merkur vn 172 u. in [1500 s. 8. [1484
LU. von Armin. D. wochenschr. 23 april. [1485
Zur U.-feier. U. u. die neugestaltung Deutschlands, anecdoten u. reminis-
cenzen von HBauer. Nationalztg. nr 233. [1486
Zu LU.s gedächtnis. festrede geh. am 26 april 1887 in der aula der univ.
zu Rostock von RBechstein. Rostock, dr. von Adlers erben. 40. 8 [sep.-
abdr. aus der Rostocker ztg. nr 191. 3. 5. 7]. [1487
Dederich 1886 [1592. — D. dichtung ii 244 (Strauch). [1488
LU. eine stud. zu seiner säcularfeier von HFischer. Stuttgart, Cotta. vn,
199. 8. — Gegenwart nr 31 s. 79. Grenzboten 46, 3, 447. DLZ nr 41
(Schönbach). Litt, centralbl. nr 47. AZ nr 285 B (Lautenbacher). Bll. f.
litt, unterh. nr 52 (Weigert). Zs. f. d. phil. 20, 374 (Kettner). Wiener ztg.
nr 162 (Ehrlich). D. litteraturbl. x nr 14 (Koch). [1489
LU. zur jh.-feier seiner geburt von HFischer. AZ nr 115 — 8 B. [1490
U.s beziehungen zu ausländischen litt, nebst Übersicht der neuesten U.-litt.
von HFischer. Zs. f. vgl. litteraturgesch. i 365. [1491
U, u. Hebbel von HFischer [im anschluss an [124]. N. Zürcher ztg. nr 64.
6. 7. s. auch [1543. [1492
LU. , ein deutscher dichter, von KFulda (Aus dem reiche f. das reich
heft 8). Barmen, Wiemann. 29 mit bild. 8. [1493
Festgrufs zur U. - feier am 26 april von KvG e r o k. Prot, kirchenztg.
nr 19. [1494
LU. u. die altfrz. poesie von FGinzel. Grenzboten 46, 2, 206. [1495
LU. von RvGottschall. Gartenlaube nr 17. [1496
LU. von MG reif. D. ztg. nr 5499. [1497
Zu U.s 100 jähr, geburtstag von HGrimm. D. rundschau 51,62. [1498
LU. ein gedenkbl. zu seinem 100 jähr, geburtstage von FWGrimme
(Frankf. zeitgemäfse broschiiren bd. 8 heft 7). Frankfurt a/M., Fösser. 34.
8. — D. litteraturbl. x nr 16 (Brenning). [1499
Nachlese zu den U.-biogr. zusammengest. auf den 100 jähr, gedenktag der
geburt des dichters [von JHartmann]. Württemb. vierteljahrshefte s. 1. [1500
LU. eine darstellung der Volksdichtung u. das volkstüml. in seinen gedichten
von GHassenstein. Leipzig, Reifsner. xi, 184. 8. — D. dichtung ii 244
(Strauch). Litt, merkur vii 288. DLZ nr 41 (Schönbach). Gegenwart nr 46.
Altpreufs. monatsschrift xxiv heft 5/6. D. litteraturbl. x nr 16 (Brenning).
[1501
Holland 1886 [1593. — - Litt, centralbl. nr 47. AZ nr 52. N. zürcher ztg.
nr 3. 4 (Fischer). [1502
LU., der dichter u. der patriot von ChHönes (Samml. gemeinverständl.
wissensch. vortrage n. f. 2 serie nr 3). Hamburg, Richter. 52. 8. — Litt.
centralbl. nr49. D. litteraturbl. x nr 16 (Brenning). [1503
Ein moderner Sängerkrieg [zwischen U. u. Rückert] von GKarpeles. Über
land u. meer nr 30. [1504
LU. im Kerner-hause. Jugenderinnerungen von ThKerner. Gartenlaube
nr 17. [1505
9*
132 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 II
Uhland, L.: Zur U.-feier. eine festicde von JKlaiber. Schwab, chron. nr98,
teilweise auch abgedr. Prot, kirchenztg. nr 19. [1506
Lü. in memoriam. von AKohut. Mag. f. d. litt. d. in- u. ausl. nrl7. [1507
LU. ein gedenkbl. zur lOOsten widerkehr seines geburtstages am 26 april
von AKohut. Wiener allg. ztg. 25 april. [1508
Prof. Lü. u. seine schiiler. ein gedenkbl. zum 100 jähr, geburtstage des
dichters von AKohut. Gegenwart nr 17. [1509
LU. u. sein Verleger von AKohut. Bürsenbl. f. d. deutchen buchhandel
nr 93. [1510
U.s character von AKohut. D. wochenschr. 25juni. [1511
Zu U.s 100 jähr, geburtstage von RKönig. Daheim nr 29. [1512
Zum lOOjähr.geburtstagLU.svon KKöstlin. Tübingen, Fues. 22. 8. [1513
U.s gedichte nach ihrer relig. seile betrachtet von ALandenberger. Be-
weis des glaubens 23, 121. [1514
Der character der ü. sehen dichtung von ALandenberger. Didaskalia
nr 97. 8, [1515
Lü. von PLang. Schwab, chron. s. 709. [1516
LU. von JLautenba eher. Zs. f. allg. gesch., kultur-, litt.- u. kunstgesch.
4, 286. [1517
LU. ein gedenkbl. zur säcularfeier von HLöbner. Litt, merkur vii 165. [1518
[Sitzung der berliner geseiisch. f. d. stud. d. neueren spr. zur feier von Lü.s
100 jähr, geburtstage: Löschho rn sprach über U.s leben u. dichten, Tobler
über ü. als romanisten, Roediger über ü. als germanisten, Zupitzaüber
U. als universitätsprof. ref, im Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 79, 90. 3].
[1519
LU. der class. der Volksschule von FM artin. Päd. bll. 16, 273. [1520
Erinnerungen an Lü. von KMayer. D. dichtung ii 60. [1521
Lü. von FMuncker. Vom fels zum meer ii 556. [1522
FMu scogiuri, Nel centenario del poeta Lü. Nuova aatologia 3 s. 7 fasc.
V. — Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 78, 475 (Mahrenholtz). [1523
Lü., der Sammler u. forscher von ONeumann Hofer. D. montagsbl. 25
april. [1524
Lü. zum 100 jähr, gedächtnistage seiner gehurt von AOhorn (Samml. ge-
meinnütziger vortrage, hg. vom D. ver. zur Verbreitung gemeinnütziger kennt-
nisse in Prag nr 119). Prag, D. verein. 42. 8. [1525
LU. u. seine heimat Tübingen von EPaulus. mit 24 illustr. von GGIoss.
jubiläumsausg. Stuttgart, Krabbe. 48. 4. — Litt, merkur vii 177. D. dich-
tung II 244 (Strauch). Bll. f. litt, unterh. nr 28. Zs. f. d. phil. 20, 376
(Kettner). [1526
Zum 100 jähr, geburtstage Lü.s. festgedicht bei der gedächtnisfeier des
gesangver. Frohsinn zu Gannstatt a/N. von EP esc hier. Gannstatt, Bosheuyer.
14. 8. — D. dichtung n 244 (Strauch). ' [1527
ü. von RPfleiderer. D. litteraturbl. x nr 4. [1528
LU. der dichter f. die deutsche Jugend von PI ei bei. N. bll. aus Süd-
deutschland f. erziehung u. Unterricht xvi 2. [1529
Zu Lü.s gedächtnis von JPrölfs. Frankf. ztg. nr 116. 7. [1530
Zu Lü.s 100 jähr, geburtstage von JRiffert. Wissensch. beil. d. Leipz.
Ztg. nr 32. [1531
LU. zum 100 gedenktage seiner geburt von ARümelin (Württemb. neu-
jahrsbii. hg. von JHartmann. 4 bl.). Stuttgart, Gundert. 48. 8. — Litt, mer-
kur VII 177. [1532
Lü. eine biogr. dem deutschen volke erzählt von LSalomon [aus [43].
Stuttgart, Levy & Müller. 23 mit portr. 12. [1533
Zu U.s 100 geburtstage von LSalomon. Illustr. ztg. nr 2286. [1534
Rede zur U.-feier, gesprochen — zu Graz am 26 april 1887 von AESchön-
bach. D. ztg. nr 5503 morgenausg. feuill. [1535
Prolog gesprochen bei der feier des 100 geburtstags Lü.s in der tübinger
sonnlagsgesellsch. am 19 febr. 1887 von LSchwabe [als ras. gedr.]. Tü-
bingen, dr. von Fues. 4. 8. [1536
VERZEICHMS DER SCHRIFTSTELLER: UHLAND — WEISSENBACH 13^
Uhland, L. : LU. (zu seinem 100 geburtstag) von LS p e i d e 1. N. fr. presse
nr 8140 morgenbl. [1537
LU. von JStöckle. Rhein. bU. f. erziehung u. Unterricht 61 jg. heft 4
[1538
LU. von FViolet. Sonntagsbeil, zur Voss. ztg. nrl7. [1539
Festspiel zur U.-feier von FThVischer. aufgeführt im kgl. hoftheater zu
Stuttgart 24 april 1887. Stuttgart, Bonz. 16. 8. — D. dichtung ii 244
(Strauch). [1540
Zur erinnerung an LU. von einer verwandten des dichters [frl. LWeifser].
Bes. beil. des Staatsanz. f. Württemberg nr 7 s. 97. [1541
LU. von KWeitbrecht. N. zürcher ztg. nr 112.4.5. [154:2
LU. u. FHebbel von KWerner. Wiener ztg. nr 94. 5. s. auch [1492. [1543
LU. von Willibald. Presse nr 114. [1544
LU. von RWolkan. Beil. zur Bohemia nr 115. [1545
LU. von RWulckow. Didaskalia nr 97. [1546
Zu U.s gedächtnis. Die kleine chron. frankf. wochenschr. hg. von Holthof
IX nr 44. 5. [1547
Zu U.s lOOjähr. geburtstage. Weser-ztg. nr 14493. [1548
LU. Schies. Ztg. nr 286. 9. [1549
Zum säculargedächtnis an LU. Schorers familienbl. nr 17. [1550
Ein beitr. zur erinnerung an LU. Sonntagsbl. hg. von APhillips nr 17. [1551
LU. D. Ztg. nr 5501. [1552
LU. Evang.-Iuth. gemeindebl. hg. von Rade nr 18. [1553
U.s lebensgang. Didaskalia nr 97. [1554
2 bisher unbekannte anecdoten über LU. Universum nr 24, auch Litt, mer-
kur VII 283. [1555
U.s beziehungen zu Lenau. nach briefen geschildert. D. buchhändler-acad.
IV 8. [1556
LU.s reden in der 1848er nationalversamml. ein gedenkbl. zum 26 april 1887.
D. Worte 7 jg. s. 145. [1557
LU. u. die Schwaben. Ztg. f. litt., kunst u. wissensch. des Hamb. corresp,
nr 6. [1558
U. u. die Deutschen in Osterreich. D. ztg. nr 5490. [1559
Etwas über LU. Tübinger unterhaltungsbl. nr 20 s. 79. [1560
U. über bibl. dichtungen. Evang.-Iuth. gemeindebl. hg. von Rade nr 30
[1561
Unsere U.-feier. Korrespondenzbl. des ver. f.siebenb. landeskunde 10, 58. [1562
Über die U.-ausslellung in Stuttgart u. U.-feier in Württemberg. Presse nr
116."- [1563
[Die U.-feier zu Tübingen]. Tübinger chron. nr 97. 8. [1564
[Über U.-feiern. Schwab, chron. nr 96— 101. Bll. f. litt, unterh. nr 19 s.
303]. [1565
U.-häuser in Tübingen. U. als kind. Gartenlaube nr 17 s. 287. [1566
s. auch [99. 245.
Ulber, ChS.: U.-Semper von WBode. Bll. f. hymnol. 155. 75. [1567
ÜXGER, FH. s. [304.
Varxhagen vEnse, KA. s. [831.
Voss, JH.: Der göttinger dichterbund. 1 teil. JHV. hg. von AS au er (D. na-
tionallitt, bd. 49). Berlin u. Stuttgart, Spemann. clxvi, 363. 8. — Litt, cen-
traibl. nr41 (Creizenach). [1568
s. auch [8. 13. 14.
Briefe von JHV. [an FAEschen] mitgeteilt von AEschen. Arch. f. litlera-
turgesch. 15, 361. [1569
Weber, KJ. s. [8.
Wegleiter, Gh.: W.s lieder von JZahn u. WBode. Bll. f. hymnol. s. 30. [1570
Weisse, ChF. : Briefe von ChFW. an KWRamler. im auszuge mitgeteilt von
KSchüddekopf. Arch. f. d. stud. d. neueren spr. 77, 1. 79, 149. [1571
Weissexbach, A.: AW. ein deutscher dichter aus Tirol, von RvS trete. Presse
nr 164. [1572
134 BIBLIOGRAPHIE FÜR 1887 U
VI) Werder, D. : DvdW., ein beitr. zur deutschen litteraturgesch. des ITjhs. von
GWilkowski. Leipzig, Veit & cie. 144. 8 [ein teil davon als münchner
diss. 51 SS.; würdigt auch THübner]. — Litt. centralbL ur 30 (Greizenach).
Grenzboten 46, 3, 301. DLZ nr 39 (vWaldberg). [1573
Wetzel, .JG. s. [230.
Wieland, ChM. : Werke. 1 teil, Musarion. Die grazien u. Der verklagte Amor,
arbeiten in dram. form. Stein der weisen, verschiedene recc. 6 teil, abhandl.
u. dichluiigen, welche sich auf pol. u. kulturgesch,, insbes. auf Friedrich
Wilhelm iii u. Napoleon i sowie auf das mönchswesen beziehen, hg. von
HPröhle (D. nationallitt. bd. 51. 6). Berlin u. Stuttgart, Spemann. c, 360.
xxxii, 338. 8. [1574
s. auch [8. 13.
Abderiten. Hermann 1886 [1631. — Hist. zs. 57, 101. [1575
W.s Gespräche unter vier äugen von HPröhle. Nationalztg. nr 31. [1576
Horazs sämmtl. dichtungen. nach den rev. übers, der öden u. epoden von
EGünther, der satiren u. episteln von ChMW. neu hg. u. mit einer biogr.-
litterarhist. einl. u. anm. vers. von HFleischer (Bibl. d. weltlitt. bd. 158).
Stuttgart, Cotta. 343. 8. [1577
s. auch [158. 566.
Keil 1886 [1635. — Anz. xiii 259 (Seuffert). [1578
s. auch [982.
W. u. das humanitätsideal von KTrost. Grenzboten 46, 4, 520. [1579
s. auch [245. 434.
Wiener freunde 1885 [1465. — Zs. f. d. österr. gymn. 38, 75. Anz. xiii 259
(Seuffert). [1580
vWoLZOGEX, C. s. [177.
vZedlitz, JCh. s. [91.
vZesen, Ph. : Eine litau. str. in PhvZ.s Rosenthal (1669). mitgeteilt von LNeu-
baur. iMitteil. der litau. litt, gesellsch. 2, 416. [1581
s. auch [1262.
ZlXCGREF, JW. s. [224.
vZinzendorf, ed. geb. vReufs: Leben u. lieder der gräfin EDvZ. geb. gräfin
vR. von KFLedderhose. Gütersloh, Bertelsmann, vii, 152. 8. [1582
vZinzendorf. NL. graf: 'Christi blut u. gerechtigkeit' von JLinke. Bll. f. hvni-
nol. s. 13. [1583
Becker 1886 [1651. — Hist. zs. 57,91 (Gottschick). [1584
ZSCHOKKE, H. s. [13. 14. 15.
Novellen u. dichtungen. americ. stereotyp, ausg. 3 bde. New-York, Zickel.
472. 568. 658. 8. [1585
Humoristische novellen. illustr. von APetschnig. Ifg. 2—8. Wien, Bondy.
49-384. 8. [1586
Aus der Selbstschau u. den Stunden der andacht hg. von RWeb er (Schweiz,
nalionalbibl. 18 bdchen). Aarau, Sauerländer, 79. S. [1587
Labour Stands on golden feet. a holiday story. 4 ed. revised. London,
Philip. 162. 8. [1588
Das goldmacherdorf. eine erzählung. ster.-ausg. Reutlingen, Ensslin >k
Laiblin. 136. 8. [1589
Beitr. zur pol. tätigkeit HZsch.s in den levolutionsjj. 1798 — 1801 von
JKeller. Vom Jura zum Schwarzwald iv 1. 2. auch sep. Aarau, Sauer-
länder. 73 mit 1 portr. 8. [1590
HZsch. von RWeb er. Helvetia jg. 10 heft 6. [1591
HZsch.s pol. tätigkeit im kanton Basel (1800—1). Basler nachr. nr 21").
21. 23. [1592
KLEINE MITTEILUNGEN 135
Kleine Mitteilungen.
Zur GESCHICHTE DES WORTES DEUTSCH, am eingehendsten hat sich
mit der frage , wann und wie unser wort 'deutsch' zu seiner
jetzigen hedeulung gelangt sei, JGrimm beschäftigt, er bemerki
(Gramm, i^ 12 ff), nachdem er die elymologie von got. piudisks,
ahd. dmtisk festgestellt hat: 'der sinn des wertes ist gentilis, geu-
lilitius, popularis, vulgaris, was vom gesammten volk im gegen-
satz zu den einzelnen Stämmen gilt, heimatlich, eingeboren, all-
gemein verständlich, aber auch den nebensinn von heidnisch,
barbarisch, den piudisks wie k^vixög, ebenso sä-vog, piuda,
vulgus, im munde der geistlichen Schriftsteller an sich tragen,
darf man nicht abweisen, hierin stimmt es zu germanicus: beide
ausdrücke auf die spräche bezogen bezeichnen die gemeine, rohe
vulgarsprache gegenüber der gebildeten, verfeinerten der gelehrten,
was wir noch jetzt Volkssprache nennen.' er führt hierauf aus,
dass das wort bei den lateinischen Schriftstellern des vi, vii und
VIII jhs. dort, wo es nach dem späteren gebrauch hätte stehen
können, nicht vorkomme, während fränkische, auch einige aleman-
nische, quellen des ix jhs. nicht selten theotisciis mit bezug auf
die spräche aufweisen, hier gelle es für den begriff, den frühere
Schrittsteller durch ein vnlgo, rustice, sermone harharico, harharico
illius gentis sermone , juxta riisticitatem vornehm bezeichneten. —
dass diese auffassung nicht au allen beigebrachten stellen mög-
lich sei, hat im vorbeigehen — weil andere ziele verfolgend —
schon Hattemer behauptet (Über Ursprung, bedeutung und Schrei-
bung des Wortes teutsch , Schaffhausen 1847, s. 8 f). aus den
weiteren äufserungen Grimms in der GDS ist jedoch nicht zu
entnehmen, dass er seine meinung (welcher sich auch WGrimm
im DVVB anschloss) geändert habe. Rückert (Geschichte der nhd.
Schriftsprache i 82) ist ebenfalls anderer ansieht: er fasst das
theotisciis des ix jhs. bereits als 'deutsch'. er gründet indes
seine aufstellung nur auf den gebrauch des wortes bei Otfrid,
der ebenso gut die Grimmsche deutung zulässt; diese wird aber
gar nicht erwähnt, also auch nicht widerlegt.
Wenn wir nun die stellen aus dem ix jh. ins äuge fassen,
so ist zunächst bemerkenswert, dass in dieser zeit so häufig ein
nicht lateinisches wort zur bezeichnung der spräche erscheint,
während man früher mit lateinischen ausreichte, dies macht von
vorn herein wahrscheinlich , dass theotisciis etwas anderes bedeute
als jene.
In vielen fällen ist freilich die auslegung 'vulgarsprache' sehr
wol möglich ; denn zumeist steht das wort in ausdrücklichem
oder gedachtem gegensatz zu 'lateinisch', aber dies ist nicht
immer der fall, wenn Hrabanus Maurus eine kleine abhandln ng
(Opera, Coloniae 1626, vi 333) überschreibt: De inventione lingva-
136 KLEINE MITTEILU^GEN
rtim ab hebraea vsque ad theodiscam, so ergibt die Grimmsche
aulfassung einen höchst gezwungenen sinn, das wort wird aber
einmal geradezu im gegensatz zu vulgo und zugleich im gegen-
satz zu latine gebraucht, von Adalhard , bischof von Corbie in
derPicardie, einem verwandten und ratgeber Karls des grofsen,
wird in einer in der ersten hälfte des ix jhs. ebenfalls zu Corbie
geschriebenen vita (MG SS ii 542 § 77: Grimm citiert die stelle
nicht vollständig) berichtet: quem si vulgo andisses, dulcifluus ema-
nabat , si vero idem barbara, quam teutiscam dicunt, lingua lo-
queretur, praeeminebat daritalis eloquio , quod si latine, iam ulte-
mis prae aviditate dulcoris non erat spiritus. — vtdgo kann hier
auf nichts anderes gehen als auf die romanische vulgarsprache.^
Grimms auffassung von teutiscam ergäbe also nur einen sinn,
wenn man übersetzte: 'in der barbarischen (vulgär-) spräche,
welche sie (die Deutschen) die volkstümliche nennen.' diese aus-
legung von dicunt wäre aber eine sehr gezwungene; es bezieht
sich offenbar auf den allgemein üblichen Sprachgebrauch jener
gegend, welche ja gemischtsprachig war, und nicht blofs auf den
der Deutschen, dass der verf. eine umschreibende ausdrucks-
weise gebrauchte, scheint mir daher zu rühren, dass er dem
vulgo nicht ohne weiteres lingua teutisca gegenüberstellen wollte,
weil ja diese auch eine vulgarsprache war und der eigentliche
gegensatz zu vulgo latine ist. er wollte also nur sagen: 'wenn
er in der barbarischen , der anderen vulgarsprache redete , näm-
lich der lingua teutisca.' sobald aber dieser ausdruck im gegen-
satz zu romanisch, also einer anderen vulgarsprache, gebraucht
wird, kann er unmöglich mehr die bedeutung haben, welche
Grimm ihm beilegt.
Und diese gegenüberstellung ist nicht selten, auf der synode
von Tours 813 (can. xvii: Labb6 Concilia 1671 vn 1263) wird
verfügt und auf dem unter Hraban 847 abgehaltenen concil zu
Mainz (can. ii: Labb6 vni 42) mit denselben Worten bestimmt:
ut easdem homilias quisque aperte transferre studeat in rusticam
romanam linguam aut theotiscam, quo facilius cuncti possint in-
telligere quae dicuntur. hier ist wol zu theotiscam nicht blofs
linguam sondern auch rusticam zu ergänzen: die bischöfe mögen,
damit sie alle verstünden , die predigten in die lingua rustica,
die vulgarsprache, übertragen, und zwar je nach den örtlichen
Verhältnissen in die romana oder theotisca, die romanische oder
deutsche; das wort kann hier keinen anderen sinn haben, wenn
nun auch rusticam nicht zum zweiten glied zu ergänzen ist, so
könnte lingua theotisca höchstens 'deutsche vulgarsprache' heifsen.
— der Chronist Nithard berichtet (MG SS ii 665 f) von den be-
' eine andere vita Adalhards sagt: Qui *« vulgari, id est romana linßua,
loqueretur, omnium aliariim j)uiarelur inscitis; si vero teutonica, enitebat
perfectius,- si latina , in nulla ornnino ahsolutius (Mabiüon, Acta sanct. iv
1, 375).
KLEINE MITTEILUNGEN 137
kannten Strafsbiirger eiden in folgenden Worten: .... sacramenta,
qnae snbter notata mnt, Lodlmwicm romana, Karolus vero tendisca
lingua jnraverimt. ac sie ante sacramenlum circumfusam 'plebem
alter tendisca, alter romana lingua alloquuti sunt Cum-
que Karolus haec eadem verba romana lingua perorasset, Lodhu-
wicus, quoniam major natu erat, prior haec deinde se servaturum
testatus est: Quod cum Lodhuvicus explesset, Karolus
tendisca lingua sie haec eadem verba testatus est: .... Sacramen-
tumautem, quo utrorumqne populus quique propria lingua testatus
est, romana lingua sie se habet: Tendisca autem lingua:
wie in dieser stelle, welche Grimm nur flüchtig andeutet,
wird auch in den acten des Vertrages zu Coblenz 860 (MG LL
I 468 IT), welche wörtlich anzuführen kaum mehr nötig ist, wider-
holt lingua romana und theotisca einander gegenübergestellt, im
ersten fall sind uns sogar die texte in beiden sprachen über-
liefert.
Es kann somit nicht bezweifelt werden , dass unsere heutige
bedeulung 'deutsch' bereits für das ix jh. feststeht, i dass diese
spräche als rustica, vulgaris, barbara udgl. bezeichnet wird, ist
in jener zeit nichts auffälliges und kann nicht beweisen, dass
ihre einheimische bezeichnung dasselbe bedeute, dieselben aus-
drücke werden ja auch für das romanische angewendet.
Für diese auffassung spricht ferner der umstand, dass das
wort sehr bald substantiviert erscheint. Walahfrid Strabo sagt in
seinem Liber de reb. ecci. cap. vii (Migue 114, 926 f, am besten
Zs. 25, 99 gedruckt): a Latinis autem Theotisci multa . . . (acce-
perunt); .... non solum Latini . . . sed etiam Theotisci proprias
habent uoces . . . hier tritt uns unser wort, wenn nicht als
volksname, so doch als bezeichnung einer Sprachgenossenschaft
entgegen, als würklicher volksname erscheint es in der in den
zwanziger jähren des xi jhs. geschriebenen Vita Bernwardi ep.
(MG SS IV 770). der kaiser beginnt eine rede- Vosne estis mei
Romani? Propter vos quidem meam patriam propinquos qnoqne
reliqui, amore vestro meos Saxones et cnnctos Theotiscos, sang%iinem
meum proieci. wenn also auch in den deutschen quellen die
ersten belege für den volksnamen erst im xii jh. auftreten , so
war er gewis schon früher bekannt und gebraucht, obwol man
lieber das adjectiv in Verbindung mit einem Substantiv wie man,
Hute udgl. anwendete.
Wie weit die gränzen des begriffes theodiscus im ix jh.
giengen, erkennen wir, wenn Walahfrid Strabo in seinen weitereu
ausführungen aao. sagt: . . . dicendum . . . multa nostros . . didi-
cisse, praecipueque a Gothis . . . cum eo tempore, quo ad fidem
Christi . . . perdticti sunt, in Graecorum provinciis commorantes
* die drei zuletzt angezogenen stellen scheint Kluge nach einer be-
merkung in seinem Etym. wb. ebenso aufzufassen , obwol der schlusssatz
des artikels 'deutsch' dem nicht entspricht.
138 KLEINE MITTEILUNGEN
nostrum, id est theotisaim, sermonem habuerint. mag diese
kenntnis nuu gelehrte Iraditiou sein oder mag er würklich Über-
reste der Goten oder ilirer Schriften gekannt oder von ihnen er-
fahren habend jedesfalls denkt er sich unter theodiscus mehr als
wir unter 'deutsch' denken. ähnHch wird in dem allerdings erst
um 97S und iu Italien entstandenen Chronicon Salernitanum
cap. 38 (MG SS iii 498) die spräche der Longobarden als lingua
todesca bezeichnet, in altsächsischen glossen endlich gibt thiudisca
liudi geradezu Germania wider (Grimm aao. s. 14).
Wenn nun die geltung des wortes in unserer heutigen, ja
in noch weiterer bedeutung für das ix jh. gesichert ist, so folgt
daraus noch nicht, dass sie sich erst in dieser zeit festgesetzt
habe, es ist sehr wol möglich, dass sie sich schon früher im
Volke herausgebildet hatte, dass aber die latein schreibenden
in vornehm -gelehrter weise sie nicht beachteten und entweder
die spräche überhaupt nur als barbarische Volkssprache bezeich-
neten oder für sie den aus dem classischen latein her bekannten
ausdruck teutonicus gebrauchten. 2 die Stärkung des national-
gefühls im ix jh. — wofür unter anderem die worte Otfrids
Zeugnis ablegen — und namentlich der gegensatz zu den Romanen
mochten die Verwendung des heimischen ausdrucks begünstigen,
obwol der andere noch immer in gebrauch blieb (belege bei
Hattemer aao.) und jenen in den folgenden jhh. wider verdrängte,
auffällig ist, dass niemals germanicus oder germanus zur be-
zeichnung der spräche erscheint, während Germani als volksname
ganz üblich ist; vielleicht gebrauchte man teutonicus, weil es in
der Wurzel der heimischen benennung ähnUch klang, ja vielleicht
hielt man es für die eigentliche latinisierung derselben, also beide
Wörter für wesentlich identisch. 3 dann wäre ein im neunzehnten
jh. verfochtener irrtum schon im neunten und früher verbreitet
gewesen, ist er etwa im spiele, wenn mhd. anlautend t sich
festsetzt ?
Schwieriger als die chronologische frage ist die andere: wie
der Übergang von der etymologischen bedeutung des wortes diutisk
zu 'deutsch' stattgefunden habe, da der einzige gotische beleg
piudisko (Gal. 2, 14) e^vinwg übersetzt, ebenso wie der plural
des Substantivs im got. und im ahd. öfters €&pt], geutes wider-
gibt, hat man an eine Zwischenstufe 'heidnisch' oder 'heideu-
* er fährt fort: et (ut historiae testantur) postmodum studiosi illius
gentis divinos libros in suae locutionis proprietatem transtulerint , quo-
rum adhuc monumenta apud nonnuUos habentur. et fidelium fratnim
relatio7ie didicimus, apud quasdam Scytkarum gentes, maxime Tomi-
tanos , eadem locutione divina haclenus celebrari officia.
- so wird im viijh. vom heiligen iMummolius berichtet, er sei nach
Noyen berufen worden, quia praeval^at non tantum in teutonica, sed
etiam in romana lingua (Acta sanctorum Belgii iv 403; vgl. Diez, Gr.
i5 99).
^ eine ähnliche Vermutung spricht Grimrii aao. s. 17 aus.
KLEI.NE MITTEILUNGEN 139
christlich' gedacht, so sagt Geiger, Ursprung und entwickelung
der menschüchen spräche und Vernunft i451: 'deutsch bedeutet
also nicht jüdisch, heidenchristlich, und wurde umgekehrt wie
hellenisch (und bei den Syrern 'aramäisch') zur sonderbezeich-
nung.' eine solche specialisierung scheint mir aber schon an
sich schwer begreiflich, da es neben den Germanen so viele
andere und bedeutende heideuchristliche Völker gab. der um-
gekehrte fall , dass 'hellenisch' zu 'heidnisch' wird , ist erklärlich ;
da die Hellenen das erste bedeutende heidnische volk waren , auf
welches das Christentum stiefs, konnte sein name auf alle anderen
ausgedehnt werden, die belege nun, welche man aus dem got.
und ahd. beibringt, scheinen mir nicht beweisend zu sein, ülfilas
hatte für eine grofse zahl specifisch christlicher begriffe keine
eigenen ausdrücke, er muste die schon vorhandenen, so gut es
eben gieng, dafür verwenden, ähnlich waren schon die Verfasser
des Neuen testamentes verfahren und ülfilas schliefst sich ihnen
an, wie Weinhold Die gotische spräche im dieuste des kristen-
tums s. 16 ausführt, indem er den griechischen grundbegriff
genau widergibt, jene Verwendung von piuda und phidisks wird
also nichts anderes sein als einer der graecismen oder eigentlich
hebraeismen, zu welchen ülfilas notgedrungen greifen muste. im
ahd. erscheint nur das substautiv in ähnlichem gebrauch; es wird
im plural , wie Grafl" v 128 bemerkt, 'oft als beiden den Juden
entgegengesetzt', indes alle belege, die er anführt, sind aus der
Notkerischen psalmenübersetzung, also wider nur eine widergabe
des bibeltextes, aus der nicht geschlossen werden kann, dass
diese bedeutung des Wortes eine würklich lebendige war.i wahr-
scheinlich haben wir blofs eine zu wörtliche Übersetzung vor uns.
ja , nach dem Ursprung dieses bibelgebrauches (vgl. Geiger aao.)
und da gentes auch in der ursprünglichen bedeutung in der bibel
vorkommt, scheint es mir leicht möglich, dass nur gemeint sei:
'Israel gegenüber den Völkern', nämlich 'den anderen Völkern',
jedesfalls mochten die bibelunkundigen nach dem gewöhnlichen
Sprachgebrauch die worte so auffassen.
Ich glaube vielmehr, dass von der etymologischen bedeutung
'zum volk gehörig' auszugehen ist; ferner dürfte es nicht un-
wichtig sein , dass das wort im ix jh. gleich an einer der ersten
stellen und auch später nicht selten im gegensatz zu 'romanisch'
gebraucht wird, wenn zu jener zeit in dem namen die ursprüng-
liche bedeutung noch nicht ganz verblasst war — und das ist wol
bei dem bestehen des Substantivs diot als appellativum wahr-
scheinlich — , so kann diese nicht ausschliefslich 'zum niederen
volk gehörig, vulgär' gewesen sein, sondern zunächst und haupt-
sächlich 'zu unserem volk gehörig', vom standpunct des sprechen-
den aus gerechnet, das wort würde also das gegenteil dessen be-
* bemerkenswert ist, dass auch die Verbindung heitniscun deotun vor-
kommt (Graff V 128).
140 KLEINE MITTEILÜINGEN
deutet haben, was die Griechen und Römer von ihrem stand-
puocte aus mit harhanis bezeichneten, in der tat finden wir
nun in glossen (Grimm aao. s. 18) barbarus mit einem compositum
desselben Stammes, un-cadiuti, übersetzt und Otfrid gebraucht
githiudi dem entsprechend (Kelle ni 228). dies beweist, dass der
stamm dmt- neben der allgemeinen bedeutung 'volk' auch die
besondere 'eigenes volk' hatte, die weitere Verengung des begriffs
zu 'unser eigenes volk' lag dann sehr nahe.
Dieser bedeutungsübergang kann dem nationalgefühl und
nationalstolz, namentlich gegenüber den unterworfenen Romanen,
seinen Ursprung verdanken; er kann aber auch einer gewissen
naiven beschränktheit des gesichtskreises entsprungen sein, die
wir oft bei mittelalterlichen Verhältnissen finden, wahrscheinlich
werden beide Ursachen zusammengewürkt haben.
Eine solche begriffsentwickelung ist auch nicht ohne ein
Seitenstück; der uame Arier entstand (nach den angaben Böht-
lingk-Roths im grofsen sanskritwörterbuch) ebenfalls dadurch, dass
eine geistige eigenschaft, die auch angehörigen anderer Völker
zukommen konnte ('zu den treuen, ergebenen gehörig', dann 'den
volksgöttern des Stammes treu'), auf die eines Volkes und zwar
des eigenen, beschränkt wurde.
Wien. Karl Luick.
Zur mittellateiniscuen DICHTü^G. das lied: Wol vf ir gesellen in
die tabern Aurora lucis rutilat usw. muss sehr verbreitet gewesen
sein, denn Ho ffmami vFaller sieben hat zwei recensionen davon be-
kannt gemacht (In duld jubilo nr 37. Weimar, jb. 6, 53 f), eine
dritte und vierte hat Wattenbach (Germ. 17, 188. Anz. f. k. d.
d. Vorzeit xxvn 173) veröffentlicht, in der sammelhs. C 101 (467)
der Zürcher Stadtbibliothek findet es sich ebenfalls (fol. 127') in
einer von jener ersten fassung sehr wenig abweichenden gestalt
unter dem titel: jubilus bibulorum. in demselben ms. stehen noch
zwei ähnliche lieder (fol. 138'" Carmen principum und fol. 76^^
Carmen noui Episcopi), von denen das erste noch nicht be-
kannt zu sein scheint; das zweite hat Wattenbach Germ. 17,186
in abweichender textgestalt herausgegeben, ich lasse sie unten
folgen.
Diese papierhs. ist zusammengetragen von einem cap^ellanus
Gallus, der am 18 noü. 1417 geboren war und am Ijuli 1441
seine primiz feierte, sie zeigt den buntesten inhalt: theologisches
neben medicinischem (de uino stillato, de minutione sanguinis),
erbauliches (Meditacio neretricum deuotarum: Es sass ein gftt
mensch vnde span, 18 Strophen) neben humoristischem, der Stempel
vonSGallen, der auf mehreren blättern sich findet, lässt über die
herkunft des codex nicht im zweifei. in die hs. und auf die innen-
seite der beiden deckel sind verschiedene xylographa geklebt (vgl.
Serapeum iii 184 — 188). durch herausschneiden und herausreifsen
von blättern ist sie aber, gleich anderen derselben bibliothek, defect ge-
KLEINE MITTEILUNGEN
141
worden, wie sehr dies zu bedauern, beweist auf fol. 76' der
schluss eines parodischen officium:
— gaudere per tlolium nostrum, Reuerendum bachum, qui
uiuit et potat per omnia bocula boculorum. Ite potum. missum
est. Et auime omnium ruslicorum requiescant in pice sacra-
menti.
Istud officium fuit quondam conpositum a quodam magistro
magno in studio parisiensi. Cuius scolares et studentes taber-
nam et ludos frequentantes [qui] nuUo modo poterant corrigi per
lecturam oplimorum librorum, et ipsis conuocatis legit eis ad
praesenciam (?) hoc officium , vnde multi eorum correxerunt uitam
suam et ad bonum statum peruenerunt.
Auch eine Variation des verbreiteten Status terrae (vgl. Zs.
15, 502; Birlinger, Alemannia xv 40) findet sich fol. 63'':
Virtutes m orales regionum per uniuersum orbem
metris subsequentibus inuoiutae.
Roma potens reuerenda reue-
renda, brittauia pauper,
Nobilis India, fertilis Anglia,
francia dulcis,
Dacia perfida, flandria garrula,
Grecia prudens. [papia.
Fortis hyspania teneris pia, magis
Svveuia promissa praecepto mu-
nere frangit,
Vitat turpia loqui, qui nobilis
atque superba.
Multum franconia subtilis, habet
bona uina. [habundat,
Circa Wormaciam Renus uinosus
Sed prope traiectum caret Om-
nibus, excipe pisces.
In mensa modica prauant agi-
lisque tenaxque.
In lacticiniis hoUandia pauper
habundat.
Audax, insipiens est frisia, casta,
rebellis.
Holsaticus uix catholicus, nullius
amicus,
Cum tibi dicit aue, sicut ab
hoste caue.
Sclauia destructa non est, sed
perfida, stulta.
Stulticiam uitat Saxonia vidie (?)
pudica,
Non indiscrete tribuat, quia pro-
diga non est.
AbsconditWestfalia res, discreta,
quieta,
Est satis ipsa tenax, ibi regnat
femina pulcra.
Hassia de praedis gaudet men-
dax quoque dura.
Missia bonos mores habet ho-
spita atque facunda.
Insulsus bibulus, timendus quo-
que uiger bohemus.
Decepit te leuiterdeuota mosania
multum.
Eine eigentümliche fassung der Voces animantium begegnet
bl. 107^ — 108^ 7nit der Überschrift: Nota sonos, uoces, canlus
uel clamores ferarum, bestiarum, iumentorum et auium. Leonum
est fremere vel rugire, Thigridum rachanare usw. (51 tiere) bis:
Gallinarum est crispare vel gracillare.
Fol. IV stehen unter der aufschrift: Versus de beata virgine
in claustro vier vierzeilige Strophen aus dem im x\ jh. sehr ver-
142 KLEINE JIITTEILUiNGEN
breiteten: Christus nobis tradidit (vgl. Zs. 15, 477). von der beliebt-
heit des gedicktes zeugt aufser den nadm eisungen Wattenbachs (Anz.
f. k. d. d. Vorzeit xviii 233) auch der umstand, dass dasselbe nach
Scherrers catalog in 3 SGaller hss. sich findet. Wattenbach gibt
seine länge auf 'db Strophen an; im codex Carol. C 67 der Zürcher
cantonsbibliothek (chart. Ib jh.) hat es 204 zeilen und die Über-
schrift Metra de diuersis uirtutibus.
Weiler enthält unser codex auch den Conflictus animae et
corporis in 74 Strophen (ebenfalls in SGallen) , der einen viel
glätteren text bietet als Karajans Wiener hs. (Wright, Walter
Mapes war mir nicht zugänglich), sowie die Descriptio proprieta-
tum galli gallinacei in 20 Strophen und in einer von der Oehringer
hs. (vgl. Oechsle im Serapeum i 107 — 109) stark abweichenden
Auch der von Wattenbach (Anz. 1866—1870) vielfach be-
handelte Nemo geht nicht leer aus, wie der diesem sonderbaren
heiligen gewidmete Serrao de beatissimo Nemine beweist, der be-
kannte Stoff wird unter 7 gesichtspuncten betrachtet: 1) eius nobi-
litas, ingenuitas et iusta dignitas. 2) noscitur eius sciencia et
doctrina. 3) dicetur de eius (promocione?). 4) de eius caritate
et praecellentia. 5) de eius misericordia et honore. 6) de eius
fortiludine et triumpho. 7) de eius maiestate et potestate.
Merkwürdig sind ferner drei verschiedene traumbücher : Somp-
nile Danielis (bekannt als Reutlinger volksbuch), Sorapnile Jo-
sephi (ähnlich wie die sortes Vergilianae oder sortes apostolorum)
und Sompaile lunare.
I Carmen noui Episcopi.
1 Presul nobis eraicuit, Die bursenschüler alle.
Omnis luctus continuit, Frawe dich, phalanx scolastica,
Vergangen ist vnser clage. Las dingen die süssen musica
Hinc jubilemus pariter Ad presulis honorem,
Zu disem herrenlage. Mitt singen, springen in jubilo,
2 Beatus est hie vterus, Pellens cordis merorem.
A quo processit dominus, Kathonis buch gebüt vch das,
Den sollen wir alle schavven. Ut gaudia interponas
Psallenl vnanimiter, Interdum
Milt im vvellent wir uns frawen. Alzu dem wine properas,
3 Hinc potens est in opere Drinck gut bir daz nit sur ist.
Praesul nullius ec[clesiae]. In laudem tanti presulis
Er lebet ane sorge[n], Wellen wir vns frawen zu diser
Mensa caret ferculis, frist,
Das brot das miiss er borgen. De studio cessare,
4 Die bursenknecht die sint so fro Wir essen vnd trincken wa du
De uouo jam episcopo, bist,
Des boret man luden schalle Et corpus reuocare.
Ingenti cordis gaudio
KLEINE MITTEILUNGEN 143
II Carmen principum.
1 Scitote Christian! Daz sie in nitt betriegeo.
Wie daz der ke[r]lzer ordeu, N. dux praeclare,
Judei et pagani, Du salt ringen nach eren,
Die sint so niechtig worden. Hussones expugnare,
2 0 Maria, flos florum, Daz sy sich wider bekeren.
Hanthabe vns mit listen, Episcopi potentes,
Et rege nostrum chorum Ir sullent nit lenger schlafl'eu;
Daz wir beliben cristen. Heu, multi errant gentes:
3 Electores magnanimi, Ir sullent sy billich straffen.
Dar zu sullent ir gedencken, Presul moguntinus sis,
Vt fiant christiani, Dar zii sistu nit lasse,
Vnd von der ketzery wencken. Fac ut pungal ensis,
4 N. dux Saxonie, So blus man din lob dester
Der müs sy allezit kriegen:
Juvate ipsum strenue 0 Maria flos florum!
Lenzburg. J. Werner.
MiscELLEN AUS TiROL. iu einem interessanten formelbuche des
chorherreustitles Innichen im Pustertal (gegründet 770), das wol
ein Schreiber dieses klosters während der ersten hälfte des 14 jhs.
angelegt hat und welches gegenwärtig als codex 120 im Inns-
brucker statthaltereiarchiv aufbewahrt wird, fand dr ORedlich
einige lateinische rätsei und mehrere verse eines passionsspiels
eingetragen, erstere stehen auf der linken hälfte der seile l neben
einer reihe von notariatszeichen in schwer leserlicher, stark ab-
gekürzter Schrift und lauten:
1. Mater niea donmm tunkam circa (?) suam.
2. Patrem progenies occisit (sol) matris in alvo.
[vgl. Mones Anz. 8, 316 nr 76 und Zs. 30, 419 f.]
3. Est qiioddani esse, qnod malus vellet habere
et, si contigerit, perdere voluerit.
[etwas andere fassung in Mones Anz. 8,316 nr83; gemeint ist
wol der tod.]
4. Assumus hie omnes, nullus nostrum tamen hie est.
5. Currit et incedit paries, si fronte carebit.
[dh. aries, vgl. Mones Anz. 7, 43 nr 70, 45 nr 98 = Anz. des
germ. mus. 1873 sp. 360.]
6. Manducare potes for . . . si caput aiifers.
[wol formicae — micae.]
7. In densis silvis venor cum quinque catellis;
quod capto perdo, quod fugit hoc habeo.
dies rätsei von den lausen ist alt, es begegnet schon in der dem
Herodot zugeschriebenen biographie des Homer c. 35: ooa^
eko/xev Xinöueo^', ooa^ ovx €^o/.iev (pegö/asa^a.
8. Floribus et lignis vidi mirabile sertum,
quod ligno caruit et sine flore fuit.
144 KLEINE MITTEILÜi-SGEN
[== Moues Anz. 8, 316 nr 81.]
Ebenda s. 13 unten sind 2 str. eines deutschen passionsspiels
aufgezeichnet, und zwar, wie aus ihrem mehrmals widerholten
und ausgestrichenen anfange zu schhefsen sein dürfte, nach dem
gedächtnis :
Oice klaget ir ra'me Christenheit utisers herze grosse lait
wann nns nmbvangen hat der valsche Juden rat an diser
jamerlichen stat.
Owe wie jamerchlichen es stat da die hert an hert ergat
Das ist wol an uns schowen an uns eilenden dein (drein?)
frowen.
gütiger mitteilung des hrn prof. JEWackernell zu folge entspricht
die erste str. der frauenklage des Pfarrkircher passionsspiels, wo
V. 2271 (Wackernell, Die ältesten passionsspiele in Tirol 1887
s. 70; vgl. auch s. 117 v. 18 — 22) Maria Cleophe singt:
Wainet, vil liebe cristenhait,
Aufs grosses herczenlaidt
Umb unssern herren Jhesu Crist,
Der nu gemartert ist
Von der posen Juden list.
die andere str. gehört wol dem dritten teile des passions, dem
osterspiel, an: in der noch nicht gedruckten Sterzinger und
Pfarrkircher fassung singen v. 619 IT die drei frauen:
Awe jamrige traurikayt
dy uns haltet in grossem laydt
das mag man vil wol schawen
an uns eilenden frawen.
Gleichfalls auf dem Inusbrucker statthaltereiarchive befindet
sich in einem , curiosa betitelten aclenconvolut (A vii 29) ein der
länge nach beschriebener papierstreifen , welcher ein schönes ab-
schiedslied aus der ersten hälfte des 15jhs. enthält, es stimmt
mit dem jüngeren Volkslied Insbruck, ich muss dich lassen (Uhland
1, 131) hin und wider überein, ist aber tiefer empfunden, ich
löse das im ms. in drei absätzen geschriebene lied in Strophen auf.
1 Ich sol und muss pin nit der man,
an mangels püss der scheicht dy pan
in fromde ardt thün raissen; und nit spinet seiden,
verlassen bin es ste und ge
ich biss da hin wol oder loe,
alss manichen armen waisen mich irt daran khain wint noch
beschechen mag, sehne.
doch nyemant sag, 3 Villeicht sich geit
loas ich am aller maisten chlag. der val und zeit,
2 Schweigen thwe ich, daz ich dem mag vergleichen
geduUigklich sein hillff und gab;
wil ich mich darinn leiden, pald auff pald ab.
KLEINE MITTEILUNGEN 145
trifft armez und die reichen ob ess sich spart
nach gluckess art, an mir ethwan geratz ein fardt.
von gleicher band steht rechts unten am rande Haimeran{= Em-
meram?) Hueber: ihn dürfen wir wol auch für den dichter des
liedes ansehen.
Innsbruck. S. M. Prem.
Segen gegen zahnweii. in der hs. Vesp. D. 20 des Brit. musenms,
welche nach EMThompsons urteil ans dem ende des 1 1 oder dem
anfang des \2 jhs. stammt, findet sich fol.^y folgender zauber-
spriich, der in längerer fassung von Cockayne Leechdoms in 64
aus Harl. 585 (Xps super marmoreum sedebat, petrus tristis ante
eum stabat nsw.) mitgeteilt ist. Leechdoms i 394 führt de7'selbe
Cockayne den analogen anfang einer in Bodl. Jun. 85 erhaltenen
beschivörungsformel an: Sanctus Petrus supra marmoream usio.
[über andere Versionen dieses segens vgl. Germ. 13, 178 /f. MSD^
4G6. Zs. 27, 308].
Ad dentium dolorem.
Petrus sedebat super petram et manus suas tenebat ad
maxillas suas et dixit ihc: Petre quid tristis sedes? Domine vermes
(dann rasur) in me. lac milii beuedictionem, quam fecisti lazaro,
quem resuscitasti de monumento in nomine patris et filii et spritu
sei amen.
Adiuro te migranus per patrem et filium et spiritum saoctum,
ut tu ampiius ne possis stare nee in facibus nee in dentibus nee
in capite tuo. In nomine patris et filii et spiritus sancti. Amen.
Accipe saxifriga id H-grumin et petrosino et ambrosiana et
apia et tanesia et mitte simul et dequocas cum vino in olla nova,
ita ut tribus vicibus sufTundes eas de vino ut ad medietatem per-
veniat et postea da infirmum bibere. R. von Fleischhäcker.
Hans Folz in Würzburg, seit Lochner eine anzahl von Urkunden, die
Hans Folz betrefFen, im Arch. f. litteraturgesch. vi 324 ff veröffent-
lichte, sind wir wenigstens über die spätere Nürnberger zeit des
dichters einiger mafsen unterrichtet und wissen, dass er vor 1515
gestorben ist. dunkel ist dagegen seine frühere lebensgeschichte.
durch verschiedene drucke seiner werke wird er zuerst für das
jähr 1479 in Nürnberg nachgewiesen, die Lochnerschen Urkunden
gehen nur bis 1489 zurück, von je her kann er aber der ge-
nannten Stadt nicht angehört haben, da er sich bekanntlich selbst
die bezeichnuug von Worms beilegt, wann er in Nürnberg ein-
gewandert ist oder dort bürger wurde, kann auch die folgende
miltteilung nicht direct nachweisen, sie liefert aber wenigstens
einen beitrag zur geschichte seines lebens vor der Nürnberger
zeit, im 'Würzburgischen buche' nr vi (de anno 1461 — 1466)
fol. 167' des Nürnberger und in einem standbuche des Würz-
burger kreisarchivs befinden sich copien eines Schriftstücks vom
20 juU 1461, das in der Würzburger hs. die Überschrift trägt:
A. F. D. A. XV. 10
146 KLEINE MITTEILUNGEN
Wie meins herrn diner dem marggrauen ein abclage getan und
dem Racken ein mhde zugeschrihen haben, dieser Jörg Back war
ein Parteigänger des markgrafen AlbreclU Achilles, und die klagen
über sein morden und brennen begegnen in den actenslUcken
über die fränkischen kriege jener zeit sehr häufig, die unter-
zeichneten diener des bischofs Johann von Würzburg sind an-
gehörige aller stände'; es befinden sich jedesfalls neben den
gliedern fränkischer adelsgeschlechter hauptsächlich bürger von
VVürzburg darunter: Cunlz von der Tann ist schultheifs, Dietrich
Lauffer bürger der Stadt Würzburg, und auch die familie Teufel
war eine Würzburgische (vgl. Scharold, Beiträge zur chronik von
Würzburg s. 36, Oegg, Entvvicklunggeschichte der Stadt Würzburg
s. 214). mitten unter ihnen steht nun auch unser Hanns Vollz
(diese Schreibweise seines namens ist auch sonst belegt, vgl. zb.
Keller, Fastnachtspiele 1228). wir sehen ihn also 1461 im dienste
des Würzburger bischofs, doch wol in seiner eigenschaft als
Wundarzt, und wahrscheinlich in der Stadt Würzburg sesshaft.
seine gehurt können wir nun — im Zusammenhang mit jener
notiz über die zeit seines todes — in die dreifsiger jähre des
15 jhs. verlegen.
Man kann in Würzburg die verschiedenen phasen der ent-
wickelung beobachten, welche die schwankhafte erzählung all-
mählich durchmachte, an die durchaus unanstöfsigen kleineren
geschichten Konrads von Würzburg schliefst sich die schon be-
denklichere erzählung des Ruprecht von Würzburg Von zwein
koufmannen (Gesammtabenteuer 68); das 14 jh. liefert dann die
schwanke des sog. Konrad von Würzburg, dh. des dichters, der
unter dem namen seines grofsen landsmanns die geschichten von
der falschen beichte, von des alten weibes list und von der halben
birne veifasste, erzählungen, die an Schamlosigkeit so ziemlich
alles auf diesem gebiet geleistete übertreffen und darin später nur
von den erzählungen des — Hans Folz erreicht werden, offen-
bar steht also Hans Folz in dieser Würzburger tradition; es lässt
sich aber noch ein genauerer Zusammenhang aufweisen, jene
schlimmste geschichte von der halben birne des angeblichen Kon-
rad kehrt mit einer einzigen ausnähme nirgends in der litteratur
wider, auch die quelle hat sich nicht finden lassen^: die eine
* sie heifsen: Cuniz vo?i dei' Tann schullheys, Albrecht Schrimpß',
Wilhelm von Eberstein, Philips vo?i Hohenriet, Anthoniy von der Tann,
Dietrich Zobel, Fritz von Strolnfels, Heinz von Renstein, Oswalt von
Weyser , Hanns Truchsefs , Hanns Stoltzenrader , Hanns von Sparneck,
Alexa7ider Belicim, Antoniy von Seckendorff, Jörg von Ehenheirn, Jo7'g
von Fechenbach, Jörg Suppan, Lorentz pf'affe, Steffan Besserer , Heintz
Crontale, Hanns Ehlein, Crafft Dortsch, Hanns Kawtfs, Dits Lauffer, Hanns
Foltz, Heintz Tewfel, Michel Brecht, Cuntz Zucket, Pauchpeter, Hanns
Grobe, Peter Schott, Ulrich Gricker, Caspar Bibrach, Hans Rüben, Alt-
hanns, Hans Rodigast, Cuntz Smi dt, Heintz Sc hack vnd J'rban.
* am nächsten steht die erzählung, die Liebrecht Zur Volkskunde
s. 149 f aus Perriers Nouvelles recreations mitteilt, während die romanischen
KLEINE MITTEILUNGEN 147
ausnähme aber ist eine bearbeitung des Hans Folz.* ein ver-
gleich der beiden Versionen zeigt, dass die jüngere ganz vvol
direct aut die ältere zurückgehen kann, von einigen unwesent-
lichen änderuDgen abgesehen, die auf das bestreben, zu moti-
vieren und zu kürzen^, zurückzuführen sind, stimmt der gang der
handlung bis in die kleinsten einzelheiten der Situationsausmalung
überein; dafür, dass auch fast wörtlicher Zusammenhang nicht
fehlt, seien hier einige beispiele gegeben.
Pseudo- Konrad Hans Folz
(vdHagen, Gesammtabenteuer (Goedeke, Deutsche dichtung im
I 211 ff) ma.^ 855 — 856)
104(1" werder hell, 63 ff — der ganczvnkünend hellt,
der die hir unbeschelt der dan die pirn so vngeschellt
halben in den munt warf. paldhalber icarff in seynenmunt.
Waz er zühte noch bedarf! wie gar ist ym kein hoffzitcht knnt.
ISQi den vronwen alleti si gebot, 120 Sie hifs all ir Jungfrauen
daz si sich leiten nidere. nider. [gericht.
333 vnd vuorte in an ir bette. 137 vnd fürt yn zu irm pet
339 und smnhten sich zeinander. 141 die Jungfrau xoart sich zu
381 (die wichtigste stelle der im smucken.
geschichte)
Stipfe maget Irmengart. 155 o stop ff mein libste Irmal-
traut.
wir haben wol an eine neubearbeitung nach der erinnerung zu
denken.
Von den vielen schwanken des 15 jhs., deren verf. uns nicht
bekannt sind, dürfen wir einen mit ziemlicher Sicherheit einem
Würzburger zuschreiben, die geschichte von dem moler mit der
schon frawen (Keller, Erzählungen aus altd. hss. s. 173 ff), welche
berichtet, wie ein pfaffe der malersfrau einen besuch macht,
von dem verständigten manne überrascht, von der frau rot und
grün bepinselt und zu den thönernen modellen an die wand ge-
stellt wird , schliefslich aber doch mit schimpf und schände ab-
ziehen muss, wird in dem gedichte Der moler zu Wierczpurgk
(Keller, Fastnachtspiele 1180 ff) in Würzburg localisiert, zwar
die Verlegung des Vorgangs von einer Stadt bey dem rein nach
Würzburg beweist allein noch nicht, dass diese fassung in Würz-
burg entstanden ist, denn die maier von Würzburg waren offen-
bar allgemein bekannt, wie es denn auch eine andere geschichte
von einem Würzburger maier gibt (Keller, Erz. 1251 ff), die
durchaus nicht in Würzburg ihren Ursprung zu haben braucht,
was uns aber veranlasst, für jene erzählung von der Würzburger
fassungen bei Dunlop -Liebrecht, Gesch. der prosadichtungen anm. 301 und
s. 542<^ (vgl. Germania i 259) nur sehr weitläufig verwandt sind.
1 ausgäbe s. 1. e. a. am schluss nennt der autor sich nur hanß folcz
barwirer, — die bearbeitung könnte also sehr wol vor der Nürnberger zeit
entstanden sein.
2 hier 216, dort 510 verse.
10*
148 KLEINE MITTEII UNGEN
malersfrau dies zu behaupten , ist folgender umstand : im original
ist von einem pfalTen die rede, der abtrünnig geworden sei und
sieb dann in jene Rbeinstadl als plarrer eingeschmuggelt iiabe,
während dagegen unsere lassung diesen ganzen bericht (14 vv.)
forllässt und für den mönch einen Würzburger dompropst ein-
setzt, nun scheint der lockere lebenswandel der Würzburger
doniherren zwar auch über das weichbild der Stadt hinaus bekannt
gewesen zu sein: denn nicht nur der falsche Konrad erzählt von
dem dompropste Heinz von Rotenstein die unsaubere geschichte
von des alten weibes list, sondern auch in De fide concubinarum
wird (Zarncke s. 94) von der concnbina eines canonkus Herbi-
polensis berichtet, immerhin aber sind beide ändern ngen zu-
sammen doch nur einem bearbeiter zuzutrauen, dem die Würz-
burger Verhältnisse ganz geläufig waren.
Diese bearbeitung wurde früher — von Weigand (Zs. 9, 174)
und im anschluss an ihn von Keller (Fastnachtspiele 1179) —
dem Rosenblül zugesprochen, nachdem schon Zarncke gelegent-
lich (Centralbj. 1852 s. 420) die völlige grundlosigkeit dieser be-
hauptung betont, hat Goedeke die erzählung nicht unter Rosen-
blüts werken verzeichnet, jetzt, wo wir einen dichternamen für
W'ürzburg kennen, dürfen wir den herrenlosen schwank vielleicht
für Hans Folz in anspruch nehmen, bedenklich scheint es frei-
lich, dass ein bischöflicher diener die dompropste in so arger
weise verspoltet haben soll: vielleicht unterliefs es der dichter
daher absichtlich, am Schlüsse der erzählung seinen namen zu
nennen.
Rerlin. Max Herrmann.
Die deutschen Handschriften in der Bibliothek der Wiltheims. die
brüder Wiltheim, Eustachius, präsident des Luxemburger provin-
zialrats, und der gelehrte Jesuitenpater Alexander, besafsen eine
reichhaltige bibliolhek, in der sich auch manche deutsche hss.
befanden. Alexander Wiltheim erwähnt in seiner Vita venerabilis
Yolandae (Antverpiae 1674) eine anzahl derselben; wir können
bei einigen den weiteren verbleib feststellen, andere sind an-
scheinend verschwunden, zuerst ist die abschrift von bruder
Hermanns Leben der gräfin lolande von Vianden zu nennen,
die Pfeiffer (Altd. Übungsbuch 103) beschreibt und die ich dem-
nächst herauszugeben beabsichtige, sie besafsen ferner die han-
noversche hs. des Wilhelm von Wenden Ulrichs vEschenbach, die
später aus dem nachlass EWiltheims 1721 zu Metz verkauft wurde
(vgl. Toischer, WvWenden s. 1). weiter war in ihrem besitz
eine hs. des Wigalois, die nach den von Wiltheim mitgeteilten
proben und da die abfassungszeit (1372) stimmt, mit der Lei-
dener (B) identisch sein wird, allerdings begegnet, gütiger mit-
teilung des hrn prof. HKern in Leiden zu folge, keine notiz
darüber in der hs., dass sie im besitze der Wiltheims gewesen,
und es lässt sich nichts darüber feststellen , wie der codex in den
KLEINE MITTEILUNGEN 149
besitz EWillheims und dann in den der maatschappij gekommen
ist. auch eine hs. des Wälschen gastes gehörte ihnen (s. 178),
doch lässt sie sich nicht genauer bestimmen, da sich aus den
wenigen proben nichts ergibt, möghch, dass sie identisch war
mit der Zs. 27, 384 erwähnten, auch zwei handschriflliche,
deutsch geschriebene Strafsburger Chroniken befanden sich in ihrer
bibliothek , von denen die eine bis 1550, die andere bis 1555
reichte, ich vermag nicht zu ermitteln, ob es Umarbeitungen
und lortsetzungen der Ciosenerschen chronik sind, endlich führt
VViltheim noch alte deutsche glossen aus der zeit Friedrich Bar-
barossas an.
Halle. John Meier.
LiTTERATÜRNOTIZEN.
Augustin Lercheimer (professor IlWitekind in Heidelberg) und seine
schrill wider den hexenwahn. lebensgeschichtliches und abdruck
der letzten vom verl. besorgten ausgäbe von 1597. sprachlich
bearbeitet durch A>ton Birllnger herausgegeben von Carl Binz.
Strafsburg, JHEHeitz (Heitz und Mündel), 1888. xxxii und
188 SS. 80. 3,50 m. — der prof. des griechischen, dann der
malhematik an der Universität Heidelberg, Hermann Wilcken
(1522 — 1603), der sich später Witekind nannte, verfasste ua.
Pseudonym als Augustin Lercheinier von Steinfelden eine schrift:
Christlich bedencken und erinnerung von zauberey, welche wäh-
rend seiner lebzeiten drei auflagen (Heidelberg 1585, Strafs-
burg 1586, Speier 1597) erfuhr und nach seinem tode noch
einmal gedruckt wurde (Frankfurt 1627). er tritt darin, den
spuren JVVeyers folgend, gegen die hexenprocesse auf und sucht
deren wahnwitz in populärer form klar zu legen, zahlreiche
histörchen und anecdoten sind eingemischt, darunter auch mehrere
über dr Faust, diese zogen schon früh das interesse der Goethe-
forscher auf sich und darum wurde die erste ausgäbe von VVite-
kinds buche aus dem 1586 erschienenen Thealrum de veneficis,
in welches sie aufgenommen war, 1847 in Scheibles Kloster
5, 263 — 348 reproduciert. der vorliegende neudruck gibt die
dritte, an umfang mehr als doppelt so grofse aufläge wider;
ein wort- und Sachregister sowie eine allerdings nicht recht über-
sichtliche vergleichung mit den beiden früheren drucken sind
beigefügt, wenn übrigens Binz s. xxv bemerkt, er wisse nicht,
auf welche gründe hin Weller im Lexicon pseudonymorum Lerch-
eimer und Witekind gleichsetze, und s. xxvi im zweifei ist, wie
Witekind auf seinen verstecknamen gekommen sei, so brauche
ich nur das bekannte Theatrum anonymorum et pseudonymorum
des VPlaccius (Hamburg 1708) zu eitleren, wo es 2, 417'' heifst:
Augustini Lercheimer von Steinfelden Christliches Bedencken
Est Hermanni Wedechindi, qui sub anagrammatismo hoc
150 LITTKRATün^lOTIZE^
latet, nt ex M. Goldasti De Confiscatione der Hexen- Güter {iGQl]
nnm. 6pag. 1 2. Sf in Notis lü. N. indicat Symhola Sperlmgiana. St.
ChMayer, k. Professor und rector, Über die ortsnamen im Ries und
seinen nächsten angränzungen (separatabdruck des programms
zum Jahresbericht der k. realschule Nördlingen 1886/7). Nörd-
liugen, Beck, 1887. 103 ss. 8o. 1,20 m. — der verf. be-
spricht, nachdem er einige einleitende bemerkungen über die
vielseitige bedeutung und die methode der ortsnamenforschung
vorausgeschickt, ungefähr 700 ortsnamen, die alle seiner engeren
heimat, dem sog. Ries, und deren nächster Umgebung angeboren,
die anordnung der namen richtet sich nach ihrer begrifflichen
Verwandtschaft; das nachschlagen derselben wird aufserdem durch
ein am schluss beigefügtes Verzeichnis erleichtert, die darstellung
ist, da sie für weitere kreise geniefsbar sein soll, durchweg in
volkstümlichem tone gehalten, der verf. hat sich die Schwierig-
keiten seiner aufgäbe nicht verhehlt, Schwierigkeiten, die um so
gröfser waren , als er nicht zu fachleuten , sondern zu einem
leserkreis sprechen wollte, dem er doch nur gesicherte wissen-
schaftliche ergebnisse bieten durfte, leider lässt sich nicht sagen,
dass er diese Schwierigkeiten immer glücklich überwunden habe,
die hauptschuld daran trägt jedesfalls der umstand, dass er selbst
zu wenig fest auf dem von ihm betretenen, 'noch vielfach um-
schleierten' gebiete steht, um anderen als zuverlässiger führer
auf demselben dienen zu können, zwar ist anzuerkennen, dass
M. durchaus nicht den anspruch erhebt als selbständiger forscher
zu gelten; auch in den verhältnismäfsig wenigen fällen, wo er
eigene Vermutungen aufstellt, befleifsigt er sich der grösten be-
scheidenheit und Zurückhaltung, aber gerade seine abhängigkeit
von seinen Vorgängern verleitet ihn zu einem verfahren, das sich
mit dem zwecke seiner schrift nur schlecht verträgt, er führt
gewissenhaft die ihm zugänglichen früheren erklärungen seiner
namen auf, mögliche und unmögliche neben einander, ohne dazu
entschieden Stellung zu nehmen (vgl. s. 26. 36 ua.). was soll
nun, so fragt man, der laie in einem solchen falle anfangen?
was nützt es, ihn in ein labyrinlh von erklärungen hineinzuführen,
aus dem man ihm nicht einmal den ausweg zeigen kann? lobend
zu erwähnen ist das bestreben des verf.s, überall die urkund-
lichen namensformen ausfindig zu machen; er weifs, dass ohne
diese an eine zuverlässige erklärung der heutigen namen gar
nicht gedacht werden kann, um so mehr fällt es daher auf,
wenn er auch da erklären will, wo dieses hilfsmittel versagt (vgl.
s. 16.17.48.63 ua.), die eigenen Vermutungen des verf.s sind,
wo sie sich nicht von selbst ergeben, nicht immer ansprechend;
manchmal beweisen sie sogar eine merkwürdige Unkenntnis der
lautgeschichllichen tatsachen (s. 11 wird Ries mit ahd. hriot 'riet'
zusammengebracht, s. 18 Leobermul, Leubermül mit mhd. lebere
'binse'; hano (s. 64) soll von lat. canere kommen usw.).
LITTER ATURNOTIZEN 151
Es Wäre wol verdienstlicher gewesen, wenn der verf. mit
einem nach bestimmten gesichlspuncten geordneten Verzeichnis
seiner Ortsnamen , denen die ihm zugängHchen urkundlichen
formen beizufügen gewesen wären, sich begnügt hätte, auch
jetzt sind wir ihm kaum für mehr zu dank verpflichtet.
Zürich. Albert Bachmamv.
Gudrun, eine umdichtung des mhd. Gudrunliedes von Leonhard
Schmidt. Wittenberg, RHerrose, 1888. xix und 114ss. 8». 1,80m.
— das vorliegende werkchen gehört nicht in die eigentliche über-
setzungslitteratur, sondern ist, wie der titel angibt, eine um-
dichtung des mhd. epos, und zwar eine sehr freie, von den Steilen,
in welche das letztere in der uns überlieferten gestalt zerfällt, ist
der von Hagens Jugend handelnde fortgelassen, der inhalt des
zweiten, die Werbung um Hilde, aber als episode in die geschichte
von Gudrun eingeflochten, sodass diese den kern der bearbeilung
bildet, es ist damit ein verschlag ausgeführt, den Gervinus ge-
macht hatte — denn dieser ist der verf. des s. xvi erwähnten
anonym erschienenen programms und probegesanges (Leipzig
1836) — , nur dass G. auch die abenteuer Hagens in die episode
einbeziehen wollte und sich die einschaltung an anderer stelle
dachte. Schmidt lässt die beiden frauen, Gudrun und Hildburg,
abends in ihrer kammer von den alten familiengeschichten sich
unterhalten, auch sonst teilt er mehrfach früher geschehenes
später gesprächsweise mit, zb. alles was vor dem raub der Gudrun
liegt, mit dem sein gedieht anfängt, ganz besonders aber zeigt
sich die freiheit der bearbeitung in den eigenen, die erzählung
erweiternden zutaten des verf.s und in der vom original abweichen-
den form der darstellung: es ist die eines romanzencyclus mit
wechselndem versmafs; nur das metrum des sechsten liedes gleicht
der alten Gudrunstrophe bis auf die letzte halbzeile, die von 5
auf 4 tacte verkürzt ist.
Wenn der verf. auch nicht die reife kurst eines WHertz
besitzt, alte mären zu nimoen, so hat er doch vieles recht hübsch
gemacht, sodass seine arbeit ohne frage zu den besseren dieser
art zu rechnen ist. besonders ist die form leicht und gefällig,
nur wäre zu wünschen , dass das lyrische dement in seiner dar-
stellung mehr zurückträte. Gudrun ist nicht, wie im mhd. epos,
in all ihrer erniedrigung die stolze königstochter, die von ihrer
schwächeren gefährtin Hildburg so schön absticht, sondern ein
zaghaftes mädchen ohne bestimmten character, das nur viel sinnige
träume von seinem fernen verlobten hat. überhaupt verliert die
dichtung, sobald man sie mit dem originale vergleicht, ich
glaube, es war ein misgriff, dass S. statt eines denkmals zweiten
oder dritten ranges zum gegenständ seiner bearbeitung eins der
vorzüglichsten kunstwerke des ma.s wählte, ich meine natürlich
das gedieht, wie es Müllenhoffs kritik wider hergestellt hat, und
Scherer in der Litteraturgeschichte so meisterhaft schildert, auch
152 LITTERATURNOTIZEIS
S. lobt ja s. IV die leistung MullenhofTs. hätte er die Strophen,
die dieser für echt erkennt, treu im geist des Originals übersetzt,
so hätte er uns bei seiner grofsen formgewandtheit gewis noch
besseres bieten können , als mit dieser seiner umdichtung. die
änderungen und zutaten, die er macht, scheinen mir meistens
nicht gliiclvlich; auch die episodische behandlung der Hildesage
nicht, obwol sie von Gervinus angeraten ist. episoden sind nicht
im character unseres epos, das nicht die ruhe des griechischen
epos besitzt, um eine Unterbrechung der handlung zu gestatten.
S. hat das wol auch gefühlt und deshalb die Werbung um Hilde
so knapp behandelt, dass die erzählung auf den leser ohne ein-
druck bleibt, von den eigenen zutaten des verf.s will ich eine
probe geben: es ist der lu gesang, 'heimweh' überschrieben.
Gudrun ist erst seit kurzer zeit gefangene im Normannenland, und
man versucht noch, ihren trotz durcb gute zu überwinden, an
einem frühlingstag fahren Ludwig, Hartmut und Ortrun mit ihr
nach einer klippe im meer, wo ein türm steht, den ein er-
blindeter Wächter mit seinem söhn hütet, man denke sich könig
Ludwig bei einer kahnpartiel er benimmt sich denn auch recht
täppisch, der turmwart singt den gasten ein trauriges lied von
Schiffern , die ins nordmeer verschlagen sind und fürchten müssen,
nimmer heimzukehren. Gudrun, von dem Inhalt des liedes er-
griffen, reicht dem Sänger eine armspange; aber Ludwig schleudert
den goldschmuck zornig ins meer, weil der alte mit seinem Hede
den schmerz der gefangenen wider auffrischte, dann fährt man
heim, und Gudrun singt während der fahrt, in die wellen schauend,
in welche das gold versunken ist, ein lied — von der unter-
gegangenen Stadt Vineta I — der ausdruck 'Christgotts walküren'
für 'engel' ist unnötig gesucht.
Der verf. wünscht mit seiner umdichtung (s. v) 'dem ent-
wickelteren geschmacke und den gesteigerten ästhetischen an-
forderungen unserer zeit gerecht zu werden.' einer solchen auf-
besserung bedurfte das mhd. gedieht nicht, doch wird derjenige,
der das original nicht kennt, mit vergnügen die hübsche er-
zählung in den glatten, wolklingenden versen dieser bearbeitung
lesen. Stosch.
Privatdozent dr Rudolf Kögel wurde im juni zum ao. prof.
an der Universität Leipzig, im September zum ord. prof. an
der Universität Basel ernannt. — prof. dr JBächtold in Zürich
wurde zum ord. prof. befördert. — an der Universität Breslau
habilitierte sich dr ThSiebs für englische, an der Universität
München dr WGolther für deutsche philologie, an der Universität
Leipzig dr EElster für neuere deutsche litteratur.
Am morgen des 30 november verschied zu Marburg i/H. der
feinsinnige kenner und interpret mhd. dichlung, prof. dr Karl
LucAE, 55 jähr alt.
ANZEIGER
FÜR
DEUTSCHES ALTERTHUM UND DEUTSCHE LIHERATUR
XV, 2 APRIL 1889
Beowulf, Untersuchungen von Bernhard ten Brink. Q¥ 62. Strafsburg,
Trübner, 1888. vm und 247 ss. 8". — 6 m.
Gleich dem versuche Möllers geht auch diese neueste ent-
wickelungsgeschichle des Beowulf von MüUenhofl's Iheorie aus
und hat vieles mit ihr gemein, es werden vier teile des gedichls
unterschieden: die Säuberung der halle Heorot von Grendel, —
der kämpf mit Grendels mutter auf dem meeresgrund, — die
heimkehr Beowulfs, — der drachenkampf Beowulfs. von diesen
vier abenteuern gab es einzellieder. dabei findet aber len Brink,
dass im ersten, zweiten und vierten teil je zwei solcher einzel-
lieder durch contamination zu einer fortlaufenden erzählung ver-
einigt worden seien , und weitaus der gröste teil des buches ist
der erkenntnis und Scheidung dieser 'Varianten' gewidmet, s. 1 — 165.
den schluss bilden erörtern ngen über die Strophentheorie Möllers,
den englischen Ursprung des Beowulf, die nationalität der Geatas,
die geschichte der Beowulfsage und Beovvulfdichlung in England,
die entstehung der Beowulfhs.
Die methode, nach welcher die Scheidung der 'Varianten'
vorgenommen wird, ist wesentlich jene, welche von Müllenhoff
und Möller zur erkenntnis des echten und unechten gehandhabt
worden ist. was durch sachliche Voraussetzungen, durch dich-
terische auffassuug und den poetischen ausdruck zusammenzu-
gehören scheint, wird einem dichter zugeschrieben, das dieser
einen persönlichkeit widerstrebende, wenn es nicht zur ergänzung
von dessen werk gedichtet scheint (siehe zb. s. 127) und in
seinen einzelnen teilen wider jene Zusammengehörigkeit zeigt,
einem zweiten, — wo dies nicht der fall ist, wie im dritten
teil in Beowulfs heimkehr, einem interpolator.
Von einem gelehrten wie ten Brink kann man erwarten,
dass diese Untersuchungen mit der grösten genauigkeit, schärfe
und feinfühligkeit geführt worden sind, dass dem so ist, wird
jeder anerkennen , der auch nur ein oder das andere capitel des
schwierigen buches studiert hat. es ergibt sich daraus die Ver-
mutung, dass, wenn mit diesem aufwand an gedankenarbeit
ein sicheres oder wahrscheinliches resultat nicht erreicht wird,
der von Müllenhoff eingeschlagene und von ten Brink energisch
verfolgte weg nicht der richtige sei.
Ich habe meine zweifei in dieser beziehung schon in den
recensionen von Möller und Rönning Anz. x 220 ff. 234 ff aus-
A. F. ü. A. XV. 11
154 TRN nniNK beowui.f
gesprochen. Icn Brink bezieht sich daraut s. 4 und sagt: *wer
seine anschauung von dem altepischen stil auf den überUeferten
Beowulltext mit allen seinen unebenheilen gründet, — dem wird
die erklärniig, welche ich von derartigen Unebenheiten gebe, sehr
oft in ihrer herechligung oder gar notwendigkeil nicht einleuchten.'
ich zweifle nicht an der exislenz von einzelliedern, und sie werden
auch ihre eigene kunstform gehabt haben, aber wir kennen sie
nicht oder so gut wie nicht, aufser dem unvollständig erhaltenen
deutschen Hildebrandslied haben wir ja nichts, was mit einiger
Sicherheit als episches einzellied der altgermanischen periode be-
zeichnet werden könnte, auf Byrhtnodh und die sehr mit unrecht
so genannten lieder der Sachsenchronik, denkmäler des 10 und
11 jhs., beruft sich ten Brink selbst ebenso wenig als auf die
verschiedenen episodischen dichlnngen, die in mittelhochdeutscher
zeit von Dietrichs oder Siegfrieds abenteuern verfasst und gesungen
wurden, ich bestreite auch nicht die möglichkeit, dass im Beownlf
wie im Nibelungenlied einzellieder verwertet, ja sogar das eine
und andere einzellied oder teile eines solchen wörtlich aufge-
nommen worden seien, denn es ist ja richtig, was ten Brink
nach der angeführten stelle bemerkt, dass die geistliche epik 'der
auffallenden hysteraprotera und der unerträglichen widerholungen'
weniger enthält als die Überlieferung des Beowulfs, ebenso wie in
den IVibelungen viel mehr sachhche Widersprüche erscheinen als
in den höfischen epen, wo sie gleichwol nicht fehlen. — aber
dass diese lieder oder liedertrümmer in den erhaltenen epopöen
erkennbar und ausscheidbar seien, das bezweifle ich allerdings,
weil wir die richtschnur für eine solche kritische tätigkeit, näm-
lich erhaltene einzellieder nicht besitzen, weil die abweichungen
der erzählungsweise in gedichten wie dem Beowulf und den
Nibelungen von den so genannten kunstdichtungen nicht grofs
genug sind, um darauf die hypothese einer von diesen vollkommen
verschiedenen entstehung, durch Verbindung ursprünglich selbstän-
diger teile, zu bauen, und weil schliefslich diese abweichungen auch
eine andere erklärung zulassen, die durch sichere analogien gestützt
werden kann, also vor der ersten den vorzug verdient.
Ten Brink fährt an der citierten stelle fort: 'so gründe ich
diehofl"nung, dennoch zu einer Verständigung zu gelangen, vor-
nehmlich auf folgenden umstand, es gibt gewisse fälle, wo der
von dem überlieferten texte erregte anstofs so grober art und
das mittel, wodurch ich ihn hinwegräume, so leicht und einfach
ist, dass der gesunde menschenverstand dies mittel ohne weiteres
für probat erklären wird, ein solcher fall liegt zb. in dem im
dritten capitel dieser schrift besprochenen abschnitt Beownlf
837 — 924 1 vor.' auch bei der dieser stelle gewidmeten Unter-
suchung wird sie als ein fall bezeichnet, der wie wenige geeignet
' die citate ten Drinks wie dieser lecension beziehen sich auf die
Greinsche ausgäbe.
TKN nR(NK RROWUr.F 155
sei, *die riclitigkeit der variantenliypothcse zur evidenz zu bringen'
s. 60. das Verhältnis ist folgendes. Müllenhorf und ten Brink
s. 59 nehmen daran anstofs, dass in den versen 837 — 924 zwei-
mal um die wette geritten werde 864 IT. 916 ff, wobei der dichter
sogar ähnliche worte gebrauche:
864 Hwilnm headoi'öfe hleäpan leton
on yeflit faran fealwe mearas
und 916 Hwilum flitende fealwe strd'te
mearum md'ton. —
zweimal werde BeowuH gepriesen 856 ff. 870 ff, das zweite mal
aber sein lob auf die auffallendste weise mit dem lobe des Wäl-
sings Sigemund und dem tadel des Scyldingenherschers Heremod
verflochten. — von Beowulf auf Sigemund sei gar kein Übergang,
von Sigemund auf Heremod der rätselhafteste, der sich denken
lasse: Sigemund gedieh wegen seiner grofstaten an ehren, darauf
nahm die kampfesmacht Heremods ab. oder gar: Sigemund ge-
dieh an ehren , seit Heremods kraft abgenommen hatte.
Um diese widerholungen und spriinge der darstellung zu be-
seitigen, wird angenommen, dass ein ordner zwei parallele dar-
stellungen vereinigt habe, ein dichter, C, habe 837 — 861 mehr
901 — 924 gedichtet, zwischen diese teile von C sei aus dem
werke eines anderen dichters, D, 862—900 eingeschoben worden.
C habe also erzählt , dass die Dänen , nachdem sie Grendels spuren
bis zum meere verfolgt, zurückreitend Beowulf gepriesen hätten
856 ff, auch durch vergleichung mit dem bösen Heremod 901 ff;
dann stellten sie ein wettreiten an, 916 f. — D liefs sie zuerst
Beowulf preisen, ein rest davon sei 862 f, dann ritten sie um die
wette 864 ff, schliefslich sang einer von ihnen ein lied auf Sige-
mund 874 ff. der preis Beowulfs unmittelbar vorher 870'' — 874^
wird als spätere interpolation aufgefasst.
Das von ten Brink angewendete mittel , die Schwierigkeiten
aus dem wege zu räumen , ist nach s. 4 'leicht und einfach', ich
glaube, das kann man nie von der annähme eines litterarischen
Vorgangs sagen, den man durch keine analogien stützen kann,
wünschenswert sind natürlich solche, welche der zeit, dem orte,
der kunstgattung des in rede stehenden denkmals nahe stehen,
doch auch entferntere können lehrreich sein, aber ten Brink
hält es für überflüssig, uns zu sagen, wo in der mittelalterlichen
dichtung es nachgewiesen sei , dass zwei von verschiedenen Ver-
fassern herrührende erzählungen derselben begebenheit, nicht dem
inhalt nach, sondern mit beibehaltung des Wortlautes in ihren
kleinen und kleinsten teilen contaminiert wurden, wie etwa in
der lateinischen evangelienharmonie. die tatsache ist ja möglich
und nicht unglaublich: aber man hat das recht, die hinweisung
auf bezeugte fälle der art zu erwarten, bevor man sich ent-
schliefst , den von ten Brink eingeschlagenen weg zur erklärung
der auffallenden erzählungsweise unseres Beowulftextes als den
11*
156 TK\ rsRiNK nEowuLr
einzig möglichen oder wenigstens den nächstliegenden anzuer-
kennen.
Es gibt aber einen anderen weg, nämlich die philologische
erklärung. ist es denn eine der natur des menschlichen oder
allenglischen geistes widerstreitende weise der orzählung, wenn
der dichter erst 850 (T im allgemeinen sagte, beim heimreiten
hätten die Dänen Beownll' gepriesen:
pCBr wcBs Beöionlfes
mdirdo mäned: monig oft f/ecwted,
pwtte snd ne nord he säm tweönum
ofer eornmigrnnd öder imnig
860 nnder swegles hegong selra ndre
rondhcehbendra, rices wyrdra,
dabei hinzufügend, dass dies lob keine herabsetzung ihres eigenen
herren enthalten habe:
Ne hie hüru winedrihten loiht ne lögon,
glcedne Hrödgdr : ac pmt iccBs göd cyning,
dann von dem Wettrennen erzählte, das sie veranstalteten 864 IT, dann
wider von dem lob, das sie Beowulf zollten, diesmal in form eines
liedes, das einer von ihnen zu ehren Beowulfs improvisierte:
871 secg eft ongau
sid Beöwnlfes snyttrnm styrian,
in dem eine zum vorteil Beowulfs gereichende vergleichung des-
selben mit einem der berühmtesten sagenhelden, mit dem VVälsung
Sigemuntl, durchgeführt wurde, — um dann wider ein welt-
rennen zu erwähnen? eine solche erzählungsweise anzunehmen
ist schon deshalb ohne bedenken, weil sie, wenn ganz wörtlich
genommen , das heifst von dem standpunct unseres modernen
kunstgefübis aus angesehen, eine abfolge von begebenheiten ent-
hielte, wie sie jeden tag vorkommt, die chronologische abfolge
von ABA'B', wobei A' und B' begebenheiten bedeuten, welche A und
B äbnlicli sind, also: sie priesen Beowulf in prosa, — sie ritten
um die wette, — sie priesen Beowulf durch ein lied , in welchem
eine vergleichung mit Sigemund vorkam, — sie ritten ein zweites
mal um die wette. — dass für den begriff des Wettrennens ähn-
liche ausdrücke verwendet werden, kann doch in einem ags.
gedieht nicht auffallen, im Andreas zb. widerholen sich die phrasen
in weit kürzeren Zwischenräumen 198. 201. — 204. 211. — 609.
619. — 820. 827. — das kommt auch sonst vor; vgl. zb. die
chanson de geste Mort d'Aymeri 2744 ff
Li emperere en est hrochant alez
a .XX. mil homes a armes conreez.
er kommt in den wald zu den damen, die ihn freudig empfangen.
— dann 2752 in derselben laisse:
li emperere en est hrochant tornez
a .XX. mil homes a armes conreez.
nun geht es gegen die Sarazenen, mit denen ein kämpf stattfindet.
TEN BKI>K BEONVULF 157
Unmöglich wäre es aber auch nicht, ilass, wie ich Anz.
X 222 ange«leiitel, der dichter nicht ein zweimaliges preisen und
ein zweimaliges wetlrenuen gemeint, sondern von 867"^ — 924
seine Iriihere erzählung variiert habe, also eine form ABAß.
Ich kann allerdings nicht vollkommen gleichartiges aus der
ags. poesie beibringen, was vielleicht darin seinen grund hat, dass
die zahlreichen abhandlungen über den stil angelsächsischer gedichte
sehr vieles andere, aber nicht die composition und erzählungslorm
beschreiben, ich also auf eigene Sammlungen beschränkt bin, —
aber sehr ähnliches und zum teil auffälligeres, letzteres ist , wie
ich meine, die form BAU, wo A auch das chronologisch vorher-
gehende bezeichnet, beispiele aus Crist und satan und lluthlac
sind im Anz. x 223 f zusammengestellt, aus denen man ersieht,
dass auch hier wie in der fraglichen ßeowulfstelle der woitlaut
des ersten B sich im zweiten widerholt. — und sehr häufig ist
die form AaA und AaAa usw. , wenn mau unter a eine zweite
handlung oder einen zweiten zustand versteht, der mit A gleich-
zeitig zu denken ist. dafür linden sich beispiele in meiner ab-
handlung Über den stil der altgerm. poesie s. 11 f aus der Genesis
und der Exodus, sie lassen sich leicht vermehren, siehe Daniel
1501V (Anz. X 223), Phoenix: 34 — 77 die immer blühenden und
grünenden bäume des paradieses, — andere eigentümlichkeiten
des paradieses, — die immer blühenden und grünenden bäume
des paradieses; 274"^ — 321: der phoenix tliegt in seine alte
heimat Ponne dfijsed bid
dgenne eard eft tö secan,
ponne fötnm ymbfehd fyres läfe,
dam biclyppeff and kis cyddu eft
synbeorht gesetu seced on wynnum,
eddig edellond,
nun eine lauge beschreibung seiner neuen gestalt, dann
320 ponne he gevited wongas secan,
his ealdne eard, of pisse edeUyrf.
vgl. Panther 15 — 34 der panther ist jedermanns freund mit aus-
nähme des drachen, — beschreibung des panthers, — dann
he is monpwcere,
lufsum and leöftd'l, nele Iddes loiht
cengum geefnan bütan päm nttorsceadan,
his fyrnyeflitan, pe ic dr fore scegde.
hier ist sich der dichter dieser gewohnheit selbst bewust.
Ähnliches findet sich im mhd, Reinfrid von Braunschweig
12480. die gaste nehmen abschied von Reinfrid und Yrkanen
dienestlkh geneiget
wart houbet mit den henden
den höherborn eilenden:
daz tet her wider onch ir mnot.
dann Ireueversprecheu zwischen dem vvirl und den gasten:
158 TEIN BlUISK BtOWÜLF
12494 Der fürste (Roiiiliitl) und diu reine
12495 %e Brnnestoic die zil verlrihen.
die herren (die gäslc) langer nilit beliben,
si kerien snnder schände
loider he in ze lande,
ie der man da er heime loas.
12500 von Brnnesioic, als ich ez las,
onch heime sine zit vertreip
und doch also daz er beleip
niht lanye wider e'ren.
er Teilet wider zu krieg und lurnier.
12494 1 islB, — 12496— 12499 A, — 12500 wider B mit
wörtlicher aufnähme der phrase die zit vertriben.
Herzog Ernst B, die älteste Überarbeitung:
4108 von hmujer sie dö stürben,
swaz ir in dem schiffe was,
4110 daz da nieman genas
von dem volke algemeine
wan der herzog alters eine
und noch mit im siben man.
nun geht die erzählung zurück: die anderen gelahrten starben
und ihre leichen wurden von den greilen fortgetragen, was, wie
der dichter vorgreifend bemerkt, den anlass zu der später er-
zählten list gab, durch welche die übrigen sieben mit dem herzog
gerettet wurden.
4139 der fürste leit ungemach,
4140 dö er sine geverten sach
vor hunger verderben
und so jdmerliche sterben
und in niht gehelfen künde:
des muose er manige stunde
4145 obe in liden die jamers not,
als lange unz sie der tot
vor sinen ougen gar genam,
so daz der recke lobesam
nieman het wan siben man.
die form ABA bietet in recht auffälliger weise wider Reinfrid von
Braunschweig 1468911'. Reinfrid lässl durch holen Vorbereitungen
zu seiner Seereise treffen
14694 galinen, kocken, kiele
14695 luodens vil mit spise,
win, bröt, in der wise,
fleisch und alle lipnar,
daz si wol ein ganze z ja r
dd von sich sollen spisen.
darauf folgt eine lange abschiedsscene zwischen Reinfrid und
Yrkanen, 15130 11 scheidet er von ihr, 15135 tf Schilderung
TEN BR1^K BEOWÜLF 159
ihres Schmerzes, 15360 wendet sich der erzähler wider dem helden
zu, er und die seinen begeben sich ans gestade zu dem schille.
15364 ir boten hatten vor bereit
kocken, kiel und manic schif
und hatten uf des meres grif
dar an von loin und spise
getragen in der wise
so übermcezeclichen rät,
15370 daz man sin niht zioivels hat,
ros und Hute hatten gar
ir libes fuor ein ganzez jdr
und vil tue, denn ich wcenen wil.
nun slofsen sie vom lande.
Sehr häutig wird gleichzeiligkeit in der form AaA oder AaAa
ausgedrückt. Pleier Tandareis und Flordibel:
6010 hin reit der ritt er icert erkant
gen der andern kliise.
daz gesinde in dem huse
nämen swaz sie vunden;
au den selben stunden
6015 sie zunten an, daz hns oerbran,
unt huoben sich vrceliche dan,
iecUcher heim in sin laut.
Tandareis der loigant
gen der andern klüse reit. —
oder 17065 Tandareis der ellens rieh
mit siner amien
Flordibeln, der valsches vrien,
mit urloube sldfen gie.
Artiis dö des niht enlie,
17070 er bat sie haben guote naht.
Beäcurs der wol geslaht
gie sldfen unt daz loip sin,
Kalnbin mit Claudin
vuoren sldfen al ze haut
unt Tandareis der wert erkant.
Artus gap in guote naht.
Karlmeinet A 271, 59 (Moranl und Galie):
Nw er satten sy sich beijde (die kämpfer),
mallich in syn g er ei de,
dese zwene heren,
und bereiteten sich zum kämpfe. A 271, 6611" angst und gebet der
zusehenden fraueu, neugier der grolseu Volksmenge.
A 272, 28 Nio de zxoene heren
da sunder erveren
saessen in erem gereide
ind eren eyn des anderen beide usw.
160 TEN BRIMv BEOWTLF
Jüngerer Tilurcl (ed. Halm), seit 4677 streitet Schioüatu-
laniler mit zwei ritleru , vou cleueii der eine erst den schlacht-
rul 'paradies' braiiclit 4691, 1. 4609,3, — dann einen anderen
4696,4 daz er niht schrei die lenge paradis, ein anderz
er HH schrite.
das getöse des kampfes hörl Ehkunal im wähle 4702, 3 und
eilt ihm nach.
4706 Nu Idzz wir in riten die stein sam die stocke
nach disen, die hie striten
und die erzähhing wendet sich wider dem kample zu und be-
richtet wider von iler veränderten krie des einen:
4707 Der eine lange stunde schrite paradise,
dar nach er aber künde ein ander krie.
4709, I. 4714, 1.2 blickt aber der dichter dazwischen nach dem
immer näher herankommenden Ehkunat, — 4716, 1 wider dass
der eine der kampier nicht mehr 'paradies' rief, — endlich,
4731, kommt Ehkunat aul dem kamplplatz an und wird hier erst
mit namen genannt.
In Wisses und Colins Parzival 59, 41 IT gibt der dichter der
Verlegenheit ausdruck, welche ihm (üe nötigung bereitet, zwei
gleichzeitige Vorgänge zu beschreiben:
noch han ich mit braht zuo sinne,
wie ez umbe die zwei do stnnt.
ze samene mag ich nüt tuon kunt,
eins noch dem anderen men sagen sol:
daz stot ouch dem sager lool.
und der verf, der GönguhroKs saga ¥kS 3, 302 erklärt: vikr nn
aptr sögunni ßdngat, er fyrr var frä hör fit, pvi eigi verdr af tveimr
hlntum sagt i senn, pött bädir hafi jafnfram ordit; — oder s. 328
bei Schilderung eines kampfes — ok gengu hvdrir sterkliga ä adra,
voru margir ßeir hlutir ok atburdir , at jafnfram bdru vid, ok
verdr p6 fram i einu senn at segja ; — 330 frd f)vi er nii at segja,
er jafnfram bar vid. vgl. Thorgils saga c. 15, Sturluuga ed. Vig-
lusson 1, 23 Nu ferr tveim sögunum fram, Gudhmundar saga
dyra c. 1, Sturi. 1, 126 Nu tek ek par til fräsagnar er tvennum
ferr sögum framat, c. 9, Sturl. 1, 140 Nu hefir fleira ordit senn
en einn hlntr; ok verdr p6 frd einum senn at segja fyrst. vgl.
Örvarodds saga (ed. Boer) 67,22: var pat alt jafnskjött , er Oddr
kom ofan, ok pd hafdi Hjdlmarr hrodit skip peira oll.
Aber ten ßrink erklärt die Verbindung des lobes BeowuUs
mit dem Sigemunds und dem ladel Heremods iür aultallend: und
der Übergang vou Sigemund auf Heremod sei ganz rätselhalt,
letzteres ist auch meine meinung, und ich habe deshalb in der
oben s. 156 vorgetragenen aualyse die stelle so aufgefasst wie im
Anz. x228, wo ich, ohne mich an Riegers und Holtzmanns Vorgang
zu erinnern (Germania 8, 491, Zs. f. d. phil. 3, 399), vorgeschlagen
hatte, heremöd als appellativum aulzulassen. dadurch entsteht
TEN BRLNK BEOWULF 161
nieiücr meinung nach ein ganz giilcr Zusammenhang: Beowulf iinil
Sigemund sind gleich groise helden, aber Beovvuir isl der glück-
lichere. — dass in der zweiten Strophe des Hyndluliedes Sigemund
und Hereinodhr zusammen als solche genannt werden, welche Odhiun
beschenkt habe, kann ich nur für einen zutall halten, ebenso wenn
in den Eiriksmal Sigmundr und Siutjütli von Odhinn den befehl er-
halten, den gast zu emptangen, in Eyvinds Hakouarmal Hermodhr
und Bragi. — durch diese annähme schwindet aber auch das allen-
l'alls autlällige in der Zusammenstellung Sigemunds und Beowulls.
das auffällige läge nämlich darin , dass ein held unseres gedichtes
durch ähulichkeit mit einem anderen helden, nicht durch den gegen-
satz zu demselben characterisiert würde, wie 1471 Beowulf und
llunferd, 1709 Beowulf und der böse Heremod , 1931 Hygd und
Modthrydho, — vgl. auch Hengist und den gast, der sich im
frühjahr fortsehnt 1137, und ausdrücke wie 1018 Halles fdcen-
stafas Peödscyldingas penden fremedon, 2179 nalles druncne slöy
heordyeneätas, worin vielleicht eine anspieluug auf 1709 liegt,
unter den mhd. dichtem liebt der veri. des Reinfrid von Braun-
schweig dieses mittel zur characterislik. v. 1515511 wird ausgeführt,
in wie fern die heldin Yrkane anderen heldinnen der sage und ge-
schichte unähnlich war, Laudavinen (Laudine), Dalida (Dalila), Alha-
nata, der geliebten Virgils,'Silarin, der des Aristoteles, Helena
von Griechenland; siehe auch 15519 ff und oft. — fassen wir an
unserer stelle Heremod appellativisch, so ist der verlangte gegen-
salz vorhanden, nur liegt er im geschicke, nicht im character
beider helden. — ich glaube, es ist kein grund, auch nur einen
vers oder ein wort in der Überlieferung von Beowulf 837 — 924
zu ändern oder zu versetzen.
Auch s. 126 ff spricht ten Briuk von drei 'evidenten fällen'
(s. 129), an denen die 'Varianten jedem, der nicht durchaus die
äugen verschlossen halten will, sich aufdrängen müssen.'
1) 2207 fl' wird erzählt: Beowulf wurde künig und regierte
durch 50 jähre, da begann ein drache bei nacht seine schäd-
liche tätigkeit. 2210 öd pcet an omjan
deorcnm nihtnm draca ricsian,
se pe on hedre hd'de hord beweotode,
stänbeorh sledpne.
es hat nämlich ein tlüchlling aus der höhle ein kostbares gefäfs
entwendet und dadurch den zorn des dracheu erregt, er war
nicht mit der absieht, den drachen zu berauben, gekonunen,
sondern hatte sich vor dem zorn der menschen in die drachen-
höhle geflüchtet, und als er sie voll schrecken wider verliefs,
das gefäfs mitgenommen aus der fülle alter schätze.
2233 swd hy on yedrdayum yumena ndthwylc
eormenldfe cedelan cynnes
2235 panchycgende pdr gehydde
deöre mddmas.
162 TEN BRIINK BEÜVVULF
die verwandten dieses niannes, der den schätz vor dem drachen
besessen hatte, waren alle gestorben, da er aber die schätze liir
seine lebenszeit noch zu geniefsen wünschte, so trug er sie in
die sichere lelsenhöhle am mcer und hielt folgende anrede:
2247 heaJd pn nn hrnse, nn hwled ne möstan,
eorla ähtel hiocet, hü ccr on pe
göde hegeäton. ynddedd fornam,
2250 feorhbaio frecne, fyra gehtoylcne
höda minra, pdra /)e pis lif ofgeaf,
gesdiDon seledredm.
jetzt können sie diese schätze nicht mehr genielsen. — ten Brink
ist mit Miillenhofl" der Überzeugung, dass die erzählung besser
würde, wenn mau 2233 auf 2212 folgen liefse. denn in den
Versen 2212 — 2232 errege anstofs die apposition stdnbeorh stedpne
2213 iühord22l2, und die Ordnung einer durchaus planmäl'sigen
erzählung werde auf das unverantwortlichste gestört, wenn jetzt
schon die erzählung von dem manne käme, der aus dem hört
ein gefäfs gestohlen , bevor der hörer noch erfahren habe , wie
der schätz an jenen ort gelangt und der drache in den besitz des-
selben gekommen sei. es sei deshalb 2200 — 2212 und 2233 ff
einem dichter zuzuschreiben, F, das eingeschaltete 2213 — 2232
einem anderen, G. — zur characterisierung von ten Brinks melhode
ist es wichtig hinzuzufügen, dass zur annähme, dass v. 2212 und
2233 zusammengehören, eigentlich nur auf den 'schönsten Zusam-
menhang' hingewiesen wird, der dadurch entstehe, — die beiden
incongruenzen nur angeführt werden, um darzutun, dass hier,
2213 — 2232, ein zweiter dichter, nicht ein interpolator tätig ge-
wesen sei, ein interpolator wäre nicht so ungeschickt gewesen,
stdnbeorh stedpne als apposition zu hord zu brauchen und das
oben angedeutete hysteronproteron in eine zusammenhängende
dichtung hineinzubringen.
Vor allem scheint mir eine solch scharfe erfassung der geistes-
art eines uns unbekannten menschen wie dieses interpolators reine
Willkür, aber ich gehe darauf nicht ein, sondern frage nur, ob die
von ten Brink für die Zusammengehörigkeit von 2212 und 2233 an-
geführten gründe ausreichen, — und muss das verneinen, bereits
2210 f war von den nächtlichen fahrten des drachen erzählt worden.
es können nicht die gewöhnlichen gemeint sein , sondern verderb-
liche, bei denen er die häuser der menschen verbrannte, denn
das unschädliche herumfliegen bei nacht übte er nach 2278, einer
stelle, die nach ten Brink auch dem dichter F gehört, schon
durch 300 jähre, das ricsian von 2211 muss demnach auf eine
neue, sehr auffallende tätigkeit gehen, das ist auf die verderblichen
nachtfahrten. ist es da nicht ganz natürlich, dass der dichter
sogleich eine molivierung hinzusetzt: der drache war nämlich er-
zürnt worden durch den diebslahl eines gefäfses, und dass die
ervvähnung des gefäfses 2231 ihm einen Übergang bietet zu der
TEN BKIMv BEUWULF
163
erzählung von ilerii ganzen schätz, wie er in die höhle gekommen.
bevor der drache sich seiner bemächliglel
solche Übergänge sind
im Beowiiir sehr behebt: IQb pcet wces geöcor sUf, fxjet se hearm-
scada tö Heornte dteäh : dryhtsele dynede. — lOöü Grendel
hätte mehr getötet als den einen, nefyie him loitig god loyrd
fontöde and pces mannes mödimetod eallum weöld gumena
cynnes, swd he nxi git deit. — 1614 Beowuli' nahm nichts von
dem horte Grendels hüton pone hafelan and pä hilt sotnod, since
fdge: sweord är gemealt , forbarn hrodenmdl. — 2434 BeowuH
sagt, Ilredhel habe ihn nicht weniger geliebt als einen seiner
söhne Herebeald and Hd'dcyn oitde Hygeläc min. nun die
geschichte von Ilerebealds totung durch Hiedhcyn. — 2698
ac hy (die feigen gelahrten Beowults) on holt bugon, ealdre burgan.
hiora in dnnm iveöll sefa loid sorgnm, nämlich Wiglaf.
In bezug auf die apposition stänbeorh steäpne zu hord 2212
ist ten Brink hier viel strenger als s. 144 anni., wo er hord in
dem ausdruck eall swylce hyrsta, swylce on horde cer — men ye~
numen hoefdon in einer weise übersetzt, die dem begrill' 'ort des
Schatzes' wenigstens sehr nahe kommt; vgl. thesaurus, tresor. an
unserer stelle bildet stänbeorh steäpne wider einen glücklichen
Übergang zu der erzähluug von dem diebstahl, den jener üücht-
ling verübte, denn der dichter fährt fort: stig ander Iceg eldum
uncüd. diesen weg fand der Öüchtling.
2) 'noch deutlicher', sagt ten Brink , sei die stelle
2302"
2305
2310
earfodlice
wces pd gebolgen
wolde se Idda
drincfat dyre.
ivyrme on willan,
bidan xoolde,
fyre gefysed.
leödiim on lande,
on hyra sincgifan
pd se gcest ongan
beorht hofu b(ernan;
eldum on andan:
Idd lyftßoga
hordweard onbdd
öddcet cefen cwom.
beorges hyrde,
liye forgyldan
pd wces dceg sceacen
nö on loealle leng
ac mid bcele för,
wcps se fruma egeslic
swd hit lungre weard
sdre yeendod.
gledum spiwan,
bryneleöma stöd
nö pcer dht cwices
Icefan wolde.
2315
wie durch den druck hier angedeutet, fasst ten Brink die stelle
ähnlich auf wie die erste, der Zusammenhang von F ist durch
einen einschub aus der parallelen fassung G gestört worden.
Die gründe ten Briuks sind folgende: 2304 im unmittel-
baren anschluss an 2303 sei wunderlich; denn der zorn des
drachen begann nicht erst mit dem abend, zugegeben , dass der
dichter sagen wollte: am abend wurde der drache zornig, so
schiene mir das nicht wunderlich, der drache muste sein rache-
werk bis zum abend aufschieben.
164 TEN BRIMK BEOWULF
räche wartenden ist aber nalurgenjäl's nicht so stark als (He des
sich rächenden, und liir den geguer oder Zuschauer zeigt sie sich
in der regel nur in der ausilbung der räche. — aber es ist
unwahrscheinlich, dass es der dichter so gemeint hat. er wollte
vielmehr den seil der entdeckung des diebstahls l'ortdanernden
zorn des «Irachen schildern — loces gebolgen kann ja auch den
zustand bezeichnen, — und tut dies sehr passend zwischen dem
enlschluss des drachen, den abend zu erwarten, und dem herein-
brechen dieses abends, vgl, die häutigen als parenthese gedruckten
hinweise auf zusländliches bei erzählung von einer handlung,
105 Beöionlf madelode (on Mm byrne scä)i, searonet seöwed smides
orpancum), Crist und satan 128. 162, Genesis 2922, Exodus 408,
Elene 856 usw. — ferner 2312 im anschluss an 2311 sei absurd,
denn schon seit 2308 speie der drache feuer, wie könne er eine
handlung beginnen, deren ausführuug bereits im besten zuge
war. dieser auffassung niuss ich widersprechen, es ist doch
ein deutlicher fortschritt in der handlung, wenn es vom drachen
erst nur heilst mid bd'le för, fyre gefysed, — das ist eine glänzende
schreckliche, egeslic 2309, aber nicht verderbliche lufterscheinung
wie 2273: tiihtes fleöged
fyre befangen: hyne f'oldbüend gesdwoti,
— und dann sein verderbliches feuerspeien und verbrennen der
höfe berichtet wird, characteristisch wider ist es, dass an der
spitze und am schluss der gründe für die aufieiluug dieser
verse an F und G als nummer 1) und 4) argumente stehen, die
gar keine würkliche oder vermeintliche incongruenz hervorheben,
sondern nur wie 4) die möglichkeit, 2303 und 2312 mit einander
zu verbinden, und wie 1) die verschiedenheil der schon von
ten Brink geschiedenen teile F und G kennzeichnen, denn wenn
ten Brink unter 1) anführt, dass F den zoru des drachen vor-
aussetzt, während ihn G ausdrücklich hervorhebe, so kann er
doch nicht meinen, dass die Voraussetzung die ausdrückliche her-
vorhebung ausschlielse. — übrigens werden alle diese gründe
nur für den minder aufmerksamen leser vorgetragen, dem auf-
merksamen genüge die aufteilung der verse au F und G, wie sie
ten Brink s. 127 f durch den druck dargestellt hat.
Den 3) 'evidenten fall' gewähren die zwei reden, welche
Beowulf vor dem drachenkampf hält, 2425—2509 und 2510 bis
2537; die erste sei von F, die zweite von G. 'es ist klar, dass
beide reden Varianten bilden, die sich gegenseitig überflüssig
machen', um so mehr als sie am anfang und schluss ähnliche
gedaukeu ausdrücken, s. 2426 f und 25111', 2508 f und 2535 11".
also: zwei monologe in kurzem abstand hinter einander — da-
zwischen ist nur: Beöioulf madelode, beötwordum sprccc niehstan
side — , die ähnliche gedanken ausdrücken, sind 'einem dichter
nicht zuzutrauen.' aber in den auch von ten Brink als eine
litterarische einheit anerkannten ersten 365 versen von Crist und
TEN BRrNK RROVVdLP
165
satan, Litteraliirgeschiclile 1, 106, hält satan sogar drei monologe
nach einander, die wesentlich dasselbe besagen, 75 — 125, dann
heifst es
12G siod se werega gast
his earfoflo
fdh in fyrnum,
geondpOBt atole scrcef
'ic eom nsw. bis 159.
dann 160 Pd gyt feola cwide
atol cBgldca
witnm werig.
dttre gelicost
'Ed Id nsw, bis 189.
alle drei variieren den gedanken;
jelzt bin ich ein nnseliger teufel.
wordum smle
ealle cetsoinne
(fijrUöma st öd
dttre geblonden):
firna herede
üt of helle
Word spearcnm ßedh
fwnne he nt /mrhdrdf:
fndier war ich ein seliger engel,
die zweite und dritte rede be-
ginnen mit dem hinblick aul die vormalige lust und herlichkeit
im himmel, alle drei schliefsen mit einem ausdruck der Ver-
zweiflung: 'nun bin ich ewig verdammt', die erste und dritte
widerholen dabei sogar die phrasen :
120 forpon k sceal hedn and earm
wadan wrcBcldstas,
nppe mid englum,
pa>t ic wdere seolfa
wihta loaldend:
184
Imeorfan py widor,
ndmigne dredm dgan
[)es pe ic cer geaowd,
swegles hrytta,
ac hit me wyrse gelomp,
ic pws moräre sceal
and wrcece dreögan
iuddidnni fdh,
drillten of selde,
sceal nu wrwcldstas
sidas Wide.
heötwordnm sprwc
wedn and witu
göda bedd'led,
pes pe ic gepöhte adrifan
weoroda waldend.
settnn sorhcearig,
im BeowuH sind die zwei monologe getrennt durch die andert-
halb verse:
Beöwulf madelode,
niehstan side
also ein erweitertes 'in(|uil'. nur etwas mehr erweitert sind die
inquit zwischen der ersten und zweiten, der zweiten und der
dritten rede Lucifers in Crist und satan; siehe die oben an-
geführten stellen.
Auch s. 47 nimmt ten Brink anstofs daran, dass die frage
des strandwarts zweimal gestellt wird, einmal ist es nicht ganz
dasselbe, wenn er erst fragt: 'wer seid ihr?' dann: 'woher
kommt ihr?' aber vgl. vor allem Andreas 256
Hwanon cömoti ge ceölnm lidan
mdcraftige menn on merepissan
dne dgßotan? Hwanon edgorstredm
ofer yda gewealc eöwic bröhte?
können solche widerholungen bei der neigung der ags. poesie
166
TF.N nnrNK RKowur.p
zu Variationen übeirasclien? W(Min Cynevvull zb. sich nicht scheut
in seinem Crisl 1134 das zerreifsen des Vorhangs zweimal nach
einander zu erzählen, oline das zweite mal irgend etwas neues
hinzuzufügen: pä seö peöd geseah,
hü in HiermaJem godwebha cyst,
ßü't cet pdm hdigan hüse sceolde
td weon/unya weornd scedioinn,
nfan eall forbarst, pwt hü on eorc/an Iceg
011 twdm slycum. — pa>s temples segl
wnndorbledm geworht tö wlite pces hmes
sylf sldt on tu, stvylce hü seaxes ecg
scearp purhwöde.
vgl. die auf einander folgenden parallelslrophen AIhrechls von
Kemenaten in der Virginal oder im Eckcnlied, siehe Zupilza
s. XXII. XXIV. — von gedichten, die in reimparen geschrieben sind,
hat diese widerholung wol keines häufiger als bruder Philipps
Marienleben; zb. von den heiligen drei königen 2578:
Golt, mirren, wirotich st im gaben
zeini opher; da mit si des jähen,
daz er got und mensche wcere,
des himels mid der erden herre. —
mirren, wirouch, golt iesUch
dem kinde gäben al gelich,
ir aller opfer was gelich: —
golt, mirren, wiiouch ir iesUch
dem kint zeinem opfer brähten,
da mit si im lobes geddhten,
daz er got und mensche tocere,
des himels und der werkle herre.
s. 69 ff. 101 ff. 135 ff. 179 ff. 208 ff. 2348 ff. 2360 ff. 2868 ff, —
und Philipp ist keineswegs ein stümper.
Im französischen nationalepos ist die widerholung von einzel-
heiten in verschiedenen laisses eine bekannte eigentümlichkeil,
wie immer sie entstanden sein mag, so muss sie in den über-
lieferten epen als kunstprincip anerkannt werden, denn es kommt
vor, dass die zweite laisse sich auf die erste bezieht, und gerade
auf eine solche stelle der ersten , welche mit einer der zweiten
similär ist. im provenzalischen Fierabras (ed. Bckker), laisse
V. 588 ff, geht Karl zu tisch:
Mot fo gram lo barnatge, can Karies fon dinnatz.
605 mas ans que prenga aygua a sa mas per lavar,
Karies sei^a totz tens et iratz, so sapiatz,
que ve us un Sarrazi e rengarda montatz.
ja de pus riche home parlar non auziratz,
ni oncas pus fer home de mayre no fo natz,
610 ni tant valent per armas, si el fos baleyatz.
also ein Sarazene zeigt sich. — die nächste laisse beginnt sofort
TEN nuriNK nEOVVIJLF 167
Gll Mot fo heia la cort, can levo del dinnar:
mas enans preiigan aygna, hi anra que error.
l'emperayre de Fransa s'es pres a reyardar,
e vic lo Sarrazi en Vengarda montar.
janiays de pus ric home non auziretz parlar.
de las tors de Palerna s« fay senhor clamar usw.
diese vorse sind similär zu deo angeliilirlen der ersten laisse,
trotzdem setzen sie dieselben voraus durch die beziehung, welche
der bestimmte artikel in lo Sarrazi gegenüber im Sarrazi in der
ersten ausdrückt J
Ganz ähnlich ist eine stelle in der Prise d'Orange (ed. Jonck-
blopt). die erste laisse beginnt 105 mit:
Or fu Gnillanmes as fenestres del mur
Et des Franfois ot o lui cent et plus:
Ni a celui nait hermine vestn.
Regarde aval, si com le chemin fn,
Vit im chetif, gut est de l'eve issu,
Cest GiUebers de la cit de Leim.
dann die erzählung von dessen flucht:
Desi d Nymes ne s'est aresteuz tisw.
«lie zweite laisse beginnt 131:
Or fu Gnillaumes as fenestres J' bers
Et li chetis ot le Rosne passe.
Monte les tertres s'a les vans avale,
Desi ä Nymes ne s'i est arestez usw.
die zweite laisse widerholt also, was die erste erzählt hatte, mit
selir ähnlichen ausdrücken, trotzdem bezieht sie sich auf «lieselbe
durch li chetis gegenüber dem im chetif in der ersten.
Im Girard de Viane (ed. Tarb6) endet die erste laisse s. 6 f
so: Girard blickt auf die strafse
Et voit venir .viii. paiens mescreant,
. XX . mul trousses amenoient devant ;
Si sont charges de richesse moll graut.
Girars appelle ses freres d itant:
'Seignor', fait-il, 'or oiez mon samhlant.
Si voi venir sarrasin mercheant :
.XV. mnl trousses amenent devant,
Que mar viennent d'Espagne.'
darauf folgt die zweite laisse s. 7 :
Li damoisel firent molt d prisier :
Les somiers voient ou grant chemin plainnier.
Girars le moinres en appella Rainier:
'Sire', fait-il, 'd celer ne le quier,
Moi est avis, si viennent .xx. somier,
Qui sont charges et d'argent et d'or mier usw.
' der franzüsisdie Fierabras (ed. Kröber und Servois) weiclit liier
ab: s. 2.
168 tF.N TIRINK nF.OWlJLF
die beiden laisses sind similär, aber die zweite weist durcb les
somiers auf die erste zurück.
Es ist deninacb nicht nur oft unmöglich, eine von zwei
laisses similaires auszuscheiden, wie man schon lange erkannt
hat, sondern man kann mitunter nicht einmal jene verse der
einen oder der anderen laisse streichen, (hirch welche sie similär
sind. vgl. die parallelerzählungen im Alphart 47 — 55, 2 und 55,
3—67. 55,3 beginnt: nü hebe mir ze Berne daz guot liet wider an.
Durch die angeführten drei stellen ist der beweis für zwei
Versionen des vierten Beowulfabenteuers erbracht: denn 'drei
evidente fälle wiegen schwerer als ein dutzend solcher fälle, bei
denen allenfalls verschiedene auffassung möglich wäre', s. 129.
zu den letzteren scheint ten Brink demnach die im folgenden
besprochenen fälle zu rechnen, das ist sehr auffallend, denn
gleich s. 130 wird einer hervorgehoben, der wol jedem lescr
schwerer vorkommen wird als die obigen, das sind die ver-
schiedenen Vorstellungen von dem drachenhort, wie sie einerseits
2210 — 2280, andererseits 3049 — 3057 und 3069 — 3073 zum
ausdrnck zu kommen scheinen, nach der ersten hat der schätz
300 johre, 2278, — nach der anderen 1000 jähre in der erde ge-
ruht, 3050, — nach der ersten ein vereinsamter alter ihn in die
hiihle gebracht, nach der zweiten haben ihn 'hohe herscher',
peödnas mcere 3070, dort geborgen und denjenigen mit einem
tluche belegt, der ihm zu nahe käme, überdies scheint 3060 zu
besagen , dass der drache mehrere Wächter des Schatzes ge-
tütet habe Weard (kr ofslöh
fedra sumne,
während nach 2269 ff <ler alte bei seinem schätze starb, den erst
darauf der drache in besitz nahm, demnach wird auch von ten Brink,
obwol er dem kriterium weniger Wichtigkeit beilegt als den ersten
drei, die erste stelle seinem F, die zweite seinem G zugewiesen.
Aber selbst dieses anscheinend schlagende argumeut scheint
es nur. bekannt ist die mauier der Beowulfdichtung, unvoll-
ständige angaben über einen Vorgang bei einer späteren gelegen-
heil zu ergänzen; siehe die erwähnungen von Hygelacs zug nach
dem Frankenland 1202 ff. 2354 ff. 2910 ff, das leben Beowulfs
zwischen den erzählten abenteuern: 2200 ff rede des dichters,
2426 ff (erster monolog Beowulfs), 2511 ff (zweiter monolog), 2900 ff
(botenrede). etwas ähnliches wird hier vorliegen: 2210 ff werden
die jüngeren, 3049 ff die älteren geschicke des Schatzes erzählt.
<ler alte, <ler von einem grofsen geschlecht allein übrig geblieben,
hat allerdings in längst vergangenen Zeiten, on geärdagum 2233,
den schätz in die höhle gebracht, aber der schätz stammt aus
dieser höhle; der alte spricht sie ja an:
Heald pü nü hrüse, nü hwJed ne möstan,
eorla cehle! Hiocet, hyl ä-r on pe
göde hegedton.
TEN nniNK nEOVVlILF 169
also das kühne geschlrclit, dem der alte angehört, hat den schätz
aus der höhle entnommen, oder er ist ihm irgendwie aus der
höhle zugekommen. — die spätere stelle deutet au, wie diese
trefllichen zu dem schätz in der höhle gekommen seien, vor ihnen
halte ihn einer geraubt und dabei die Wächter erschlagen, diese
Wächter waren wahrscheinlich gesetzt von jenen erhabenen fürsten,
Peödnas mehre, die den tluch auf den schätz gelegt hatten, von
den ersten herren desselben, ich glaube, es ist keine andere
auftassung möglich.
Der drache lag tot bei den uralten schätzen:
3049 swd hie wid eordan fwdm
3050 püsend wintra ßwr eardodon.
ponne wo's pCBt yrfe edcencroßftig,
iümonna gold, galdre beiounden,
pcel pdm hringsele hrinan ne moste
gnmena d>nig, nefne god sylfa,
3055 sigora södcyning, sealde pdm pe he wolde
(he is manna gehyld) hord openian
efne swd hwylcnm manna, swd him gemet (nihte.
pd tocEs gesyne, pcet se sid ne pdh
pdm pe unrihte inne gehydde
3060 icrwte (hs. wrcBce) nnder wealle, loeai'd är ofslöh
fedra snmne: pd siö ßced geweard
gewrecen wrddlice. Wundur, hwdr ponne
eorl ellenröf ende gefere
Ufgesceafta, ponne leng ne mag
3065 mon mid his mdgum meduseld bnan.
Swd w(Bs Biöwulfe, pd he biorges weard
söhte, searonidas: seolfa ne ckde,
purh htowt his worulde geddl weordan sceolde.
Siod hit öd dömes diHg diöpe benemdon
3070 peödnas mcere, pd pcet pwr dydon,
pa>t se secg wcere synnum scildig,
hergum geheaderod, hellbendum fcest,
wommum gewitnad, se pone wong strude.
so dunkel einiges ausgedrückt ist, so scheint mir der sinn des
ganzen doch deutlich, die schätze haben 1000 jähre in der erde
geruht, am beginne dieser zeit war ein fluch auf sie gelegt
worden, der jeden menschen — gnmena cenig 3054, secg 3071
— trelTen sollte, der ihnen nahte, ausgesprochen von den
iütnenn 3052, denselben, die später 3070 peödnas märe ge-
nannt werden, — es sei denn, dass gott diese schätze jemandem
zuwenden wollte, war dies nicht der fall , so zeigte sich die
kraft des fluches. so an jenem ungenannten manne, der die
kleinodien in der höhle geraubt hatte 3059 — gehi/dde von ge-
hi'/dan, nicht gehydan, jüngere form für gehydde — , nachdem
er die Wächter erschlagen, wenn die ersten besitzer sich nicht
A. F. D. A. XV. 12
170 TEN DRINK ßEOWÜLP
mit einem zauborkräftigen fluclie begnügteo, sondern noch Wächter
aulstellten, so hatten diese wol die aufgäbe, den räuber zu warnen,
und waren ^'ewis keine menschen von gewöhnUcher lebensdauer.
denn was hätte deren amt dann für einen sinn gehabt?
Dieser ungenannte räuber erhielt auch seine strafe: er fand
seinen Untergang wahrscheinhch durch feinde — seö fdhd geioearJ
gewrecen wrddlice 3061. das muss aber auf irgend eine ungc-
wöhnhche weise geschehen sein , denn die folgende allgemeine
betrachtung wundur, Juodr 3062 und ihre beziehung zu dem
folgenden satz ist gewis richtig von Sievers erklärt worden, Bei-
träge 9, 143. 'wun<lerbar ist es, wo der held' (d.i. irgend ein
held) 'sein ende erreicht, wenn er nicht länger unter den seinen
mehr weilen soll, so wüste auch Beowulf nicht, was sein Schicksal
sein sollte.' das fehlen der copula bei wundur hat seine parallelen
etwa Beowulf 879 oder Menologium 15. 19. die erwähnung von
Beowulfs tode, der ja eine folge des fluches war, führt den dichter
wider auf diesen zurück, der nun mit einem grofsen aufwand
pathetischer redensarten als etwas sehr gefährliches und schauer-
liches dargestellt wird.
Wenn nun nach 2248 ff die verwandten jenes alten mannes
2233 ff, der den schätz in die höhle zurückbringt, diesen einst in
derselben erlaugt hatten, so ist entweder anzunehmen, dass, nach-
dem der räuber von 3059 gestorben, der schätz wider in die
höhle zurückgelangte und später dem geschlechte des alten von
2233 ff zufiel ; oder dass dieser in den worlen 2248 ff hü dr
071 pe göde hegeäton auch den räuber von 3059 einbegriffen habe,
der auf veranlassung oder zum vorteile des geschlechtes des alten
den raub begieng oder als ihr verwandter ihn ihnen nach seinem
tode vererbte, in keinem fall ist an dem ausdruck 'tausend jähre'
3050 anstofs zu nehmen, wenn der schätz innerhalb derselben
durch ein par generationen nicht in der höhle war, sondern
menschen zum gebrauche diente, menschen oder epischen heroen ;
denn dass die reihenfolge der begebenheiten an den verwünschten
Nibelungenhort Hreidhmars, an die gewinnung desselben durch
Siegfrid von Schilbung und Nibelung, au Siegfrids tod und den
Übergang des Schatzes an die burgundischen kouige erinnert,
welche alle ein furchtbares geschick ereilte, das sieht jeder,
allerdings ist die erinnerung an diese sage ebenso verwirrt als
die an Sigemund 875 ff, s. Anz. x 228, und die Vorstellung vom
Ursprünge des Nibelungenhortes ist eine andere als dort.
Aber es gibt noch andere fälle, wo 'das Vorhandensein ver-
schiedener Varianten mit bänden zu greifen ist'; so nach ten Brink
s. 84 f vv. 1687 und 1698. wird doch sogar zweimal, 1687 und
1698 f, der beginn von Hrodhgars rede und damit der folgende
abschnitt angekündigt:
1687 Hröägär madelode, hyll scedivode,
ealde fdfe, on pdm W(£s 6r writen
TKN Unimi BKOVVUf-F 171
fymgewimies : syddan ßöd ofsUli,
1G90 yifen gedtende, giyanta cyn,
frecne yeferdon: pa>t wies fremde /jeöd
ecean dryhtne, him pi£s endeledu
purh wcßteres xoylm loaldend sealde.
Swd wu'S on pmm sceiinum sciran goldes
1695 pu7h rnnstafas rihte yemearcod,
geseted and yeswd, hwdm pwt atoeord yeworht,
irena cyst, cerest wdre,
wreodenhilt and toyrmfdh. Pd se wisa sfrcec
sunu Healfdenes (sivigedon ealle):
1 700 Pcet Id mcBy secyan usw.
da von zwei iiiquit uur eines unentbehrlich ist, muss das zweite
eine Variante sein , schliefst demnach ten Brink. dass der dichter
[)ei dem ersten einen begleitenden umstand erwähnt und sich
von diesem so lange ableiten lässt, bis er es liir nötig findet,
mit einem zweiten wider einzulenken, ist offenbar unmöglich,
da möchte man doch wissen, wie ten Brink den anlang des VVidsidh
erklärt oder widerherstellt:
Widsid madelode, wordhord onledc,
se pe [monna] mdest md'gda ofer eordan,
folca geondferde: oft he [on] flette yepah
myneUcne mdddum. Him from Myrgingum
5 (Bdelu onwöcon. He mid Ealhhttde,
fcelre freoduwebban, forman side
Hredcyninges hdm gesöhte,
edstan of Ongle, Eormanrices,
wrddes locßrlogan. Ongon p d worn sprecan:
10 Fela ic monna gefrcegn usw.
das gleiche findet sich zb. in der Babenschlachl str. 473 und 474 :
473 Der werde vogt von Berne
zuo den sinen sprach,
(daz sult ir hoeren gerne)
du er dort her zogen sack
Emriches helfcere.
der was so vil, als ims saget daz miere,
AI 4: Tal nnde Uten
daz was allez vol.
nü hcert an disen ziten,
waz ich iu mere sagen sol.
der künec von Rcemisch lande
sprach zuo dem alten Hildebrande:
oder Str. 884 und 886. auch die trage Dietrichs an Witig wird
zweimal angekündigt str. 929 und 934. allerdings hat auch hier
die epische kritik anstofs genommen; siehe Wegener im er-
gänzungshand zur Zs. f. d. phil. 533. 574.
Im Beowult sollen diesem doppelten inquit im lölgenden zwei
12*
172 TEN naiMi nEOwni.F
reden Hrodhgars entsprechen, das lieifsl die rede 1700 — 1784 wird
aufgefasst als die Vereinigung einer längeren 170011 und einer kür-
zeren 1769 11, der schluss 1782 — ,1784 gehöre auch zur längeren
rede, 1723 — 1768 sei eine interpolalion. aber wenn 1769 IT
als selbständig aufgefasst wird, so sieht man nicht, worauf sich
das swd im anlang bezieben soll: swd ic Hringdena hund missera
weöld Wider wolcnnm — , während der bezug auf die vorher-
gehende so geoannte Interpolation ganz deutlich ist. wenn diese
eine 'homilie über das wechselvolle geschick der menschen' ist,
so fährt Hrodhgar ganz passend fort: so war ich einmal ein
mächtiger, glücklicher könig und habe dann doch Grendels feind-
schaft erdulden müssen.
Sehr weitgehende folgerungen werden aus den Worten Hrodh-
gars 1330 ff gezogen, der könig beklagt den tod ^scheres durch
Grendels mutler:
1330 Weard him on Heorote tö handbanan
woilg st wwfre ; ic ne lodt hwcßper
atol se wlanc eftsidas tedh,
fylle gefrd'gnod. Heö pd f hde wrwc,
pe pH gy Siran niht Grendel cwealdest
1335 pnrh hd'stne hdd heardnm dammum,
forpan he tö lange leöde mine
wanode and wyrde. He wt wige gecrang
ealdres scyldig, and nü öder ctoom
mihtig mdnscada, wolde hyre mg wrecan.
1345 ff sagt Hrodhgar weiter, dass er seine leute von zwei ge-
waltigen markgängern , welche die moore bewohnten, habe reden
hören; der eine sei einem weihe ähnlich gewesen, der andere
einem manne, letzterer war Grendel. 1357 ff beschreibt der
könig die behausung der unholde.
Nun weist ten ßrink s. 95 f auf den Widerspruch hin, dass
der könig erst erklärt, 1331, er wisse nicht, welcher von den
beiden dämonen yEschere getötet habe, während er es nach
1333'' wisse, es sei demnach 1332 — 1344 zu streichen, sodass
1345 IT als erklärung des ic ne wdt hwwper 1331'' sich unmittelbar
an dieses anznschliefsen habe, da der mörder /lascheres dieser
darstellung nach unbekannt war, man zwischen Grendel und
jenem weib die wähl hatte, so richtete sich natürlich die auf-
merksamkeit Hrodhgars wie Beowulfs besonders auf Grendel , wie
ja auch der könig 1377 ff sage:
eard git ne const,
frecne stöioe, pär pu findan miht
Ifela] sinnigne secg
und Beowulf 1392. 1394 auch durch das pronomen he auf einen
männlichen- gegner hindeute, die folgende unternehmungBeowulfs,
der kampl auf dem meeresgrund sei in erster linie gegen Grendel
gerichtet, demnach blicke hier eine darstellung durch, welche
TEN BBI^K BEOVVDLF 173
ein parallellied zu dem kanipl" BeowuUs mit Grendel in lleorot
bildete, — dieses lied hatte ungetähr folgenden gang gehabt.
Grendel und seine mutier haben verderbliche besuche in Heorot
gemacht. BeowuU kommt an den hoi' des Dänenkönigs, um die
unholde zu bekämplen. .Eschere wird getötet, während Beowult
nicht in Heorot ist. ob Grendel oder die mutter der morder ist,
weifs man nicht. Beowult" sucht beide dämonen im meere auf und
tötet sie daselbst, s. 97. im weiteren wird der versuch gemacht,
die reste dieses als ganzes verlorenen liedes , welches ten Brink X
nennt, in den versen von C und D, das ist den bearbeitungen
des zweiten abenteuers, Beowulfs kämpf mit Grendels multer,
welche der ordner des Beowulfgedichtes zu einer fortlaufenden
erzählung contaminiert habe, zu bestimmen. — die existenz
eines liedes mit dem inhalt von X hat schon FSchneider in
seinem programm Der kämpf mit Grendels mutter, Berlin 1887,
zu erweisen gesucht, nur zum teil mit anderen gründen.
Ten Brink legt das hauptgewicht auf die verse 1331 ff. dass
llrodhgar nicht wisse und wisse, wer .Eschere getötet, sei ein
Widerspruch 'gleich geheimnisvoll für kluge, wie für toren'; s. 96.
das wissen gebore dem dichter C, dem verf. des einen liedes von
Beowulfs kämpf mit Grendels mutter, welches den ersten kämpf
mit Grendel in Heorot voraussetze , oder seinem interpolalor,
das nichtwissen der darstellung von X au. aber wenn wir uns
der darstellung vom tode .Escheres erinnern, dass Grendels
multer in finsterer nacht ihren besuch bei Heorot machte, und
als einige männer aufsprangen, nur einen schlafenden .Eschere
sowie die band ihres sohnes ergriff und sich auf die flucht begab,
also kein kämpf stattfand, in welchem die Dänen hätten er-
fahren und dann dem köuige sagen können , wer ihr gegner ge-
wesen, dann werden wir es auch wahrscheinlich finden, dass
dieser in seiner rede an Beowulf, der noch gar nichts von dem
vorfalle weifs, seine Vermutungen über die person des feindes
ausspricht, eine Vermutung wird nun ganz passend so ausgedrückt,
dass man erst erklärt: ich weifs nicht, wer es gewesen, es
möchte aber wol der oder der gewesen sein, das hat jedesfalls
derjenige gemeint, der den vers ISSS*" geschrieben, wenn wir
nicht die ten Brinkschen hypolhesen von einem Hede X neben
C und D noch durch die annähme eines vierten liedes vermehren
wollen, nach dessen darstellung jeder zweifei über die person des
nächtlichen augreiiers beseitigt wird, etwa durch einen längereu
ringkampf oder fackelbeleuchtung. wenn wir dabei eine con-
junction vermissen, die den Übergang von dem gedanken 'ich
w eils nicht , wer von beiden es war' zu dem anderen 'es war die
mutter' bilde, so ist das unsere schuld, denn dass unsere nhd.
conjunctionen in den mittelalterlichen sprachen oft nicht nötig
sind, ist eine bekannte sache. wie für das mhd. und altn. so
gilt das auch vom ags.; siehe Beowulf 1080 'aber auch', 1175
174 TEN BRIMi BEOWULF
'aber', 1202 'uachmals', Cynewulf Crist 1187'' 'aber' oder 'nur',
Elene 169 'aber', Rätsel 41, 52. 70 'andererseits', 'und doch',
auch zu dem forpon im Seefahrer 33. 58 ist eine adversaliv-
partikel hinzuzudenken, wodurch allein die passende bedeutung
'trotzdem', 'nichts desto weniger' erzielt wird, ein schwanken
zwischen wissen und nichtwissen kommt auch in der Raben-
schlachl vor, str. 15 weifs Rüdiger die Ursache von Dietrichs
kummer, dennoch geht er auf Heichens auftrag zu ihm, um diese
Ursache — offenbar genauer und umständlicher — zu erfahren.
Was fela sinnigne secg 1 379 anbelangt, so beweist dies gar nichts
lür ten Rrink, der könig weifs ja, nach meiner auffassung, nicht
sicher, ob Grendel noch am leben ist oder nicht, er hat ja 1333 ff
nur Vermutungen ausgesprochen, er weifs nur, dass Grendel in
Heorot schwer verwundet worden, er weifs ebenso wenig gewis, dass
Grendels multer die mörderin iEscheres war. er konnte also 1379
in der tat an Grendel denken, den wichtigeren der beiden dämonen,
— aber auch an die mutter, welche Reowulf 2136 grimue gryre-
Ucne gnmdhyrde nennt, dasselbe gilt von he, das Reowulf 1392.
1394 von seinem gegner brauclit. Reowulf weifs ja noch weniger
als Hrodhgar von dem nächtlichen abenteuer , nämlich nur was
dieser ihm in der rede 1322 ff mitgeteilt hat.
Zu dem bestände von X rechnet ten Rrink auch 1345 — 1380.
aber 1376'' heilst es: nü is räd gelang eft cet pe dnum. das
allitterierende eft müste dann jedesfalls dem ordner angehören,
wie nach ten Rrink s. 100 im vers 1687 Mit für heafod, in dem
auch X zugeschriebenen stücke 1684 — 1687, obwol hilt durch
1677 sehr gut eingeleitet ist.
Weilgehend ist auch folgendes, ten Rrink glaubt den schluss
des ersten liedes nach einer ursprünglicheren darstellung von A in
der abschiedsscene zwischen Hrodhgar und Reowulf 18 18 ff, einem
teil der darstellung C, also des zweiten liedes, gefunden zu haben,
denn sie passe nicht zu der Voraussetzung des zweiten abenteuers.
in diesem nämlich hat Hrodhgar Reowulf für die besiegung von
Grendels mutter, oder überhaupt für bestehung des kampfes unter
dem Wasser, geschenke in aussieht gestellt 1380. 1784. da hier
aber bei der abschiedsscene 1818 ff keine geschenke vorkommen,
setze diese scene blofs das erste abenteuer, den kämpf mit
Grendel in Heorot voraus, dafür sind die geschenke schon ge-
geben 1020 ff, es folge nunmehr der abscbied Reowulfs vor der
heimreise ins Geatenland, dieser sei aber, als man das zweite
abenteuer an das erste auschloss, hinter dieses gestellt worden,
der erstaunte leser wendet ein: aber es folgt ja eine zweite be-
schenkung nach 181811, nämlich 1866
pd git Mm eorla Meö inne gesealde,
mago Healfdenes, tnddmas twelfe usw.!
richtig, aber die verse 1866 ff sind nach s. 86 f zu dürftig und
unterbrechen den 'feineren Zusammenhang', der zwischen den
TEIN BRIKK liEOWULF 175
l'reundlichen Worten Hrodhgars an Beovvulf 1841 — 1865 und
dem küsse, den er ihm gibt, besteht, sodass sie nicht dem dichter
C, sondern dem jüngeren D zuzutrauen sind, nicht einmal die
möglichkeit wird zugegeben, dass etwa eine erzählung von der
beschenkung, wie C sie bot, durch verse ähnhchen inhalts aus Ü
ersetzt wurde, also ein dichter, der sonst — in ein par hundert
Versen — sich oft recht ausführlich zeigt, kann sich nie knapp
ausdrücken , und dass Hrodhgar Beovvulf liebte , müsse dem leser
durch vier verse , in denen von geschenken die rede ist , not-
wendig so aus dem gedächtnis entschwunden sein , dass er nicht
begreift, wie Hrodhgar 1871 Beowulf einen kuss geben und
dabei thränen vergiefsen kann! die athetese von 1867 — 1871
rührt übrigens schon von Müllenhoff her.
Ten Brink ist, wie wir gesehen haben, von der Sicherheit
der formellen kritik so überzeugt, dass er so grobe argumente
wie sachliche Widersprüche nur in zweiter linie behandelt oder
ganz übergeht, so ist es einer der sichersten Widersprüche ^ im
Beowulf, deren ich Müllenhoff folgend im Anz. x 234 f viel zu
viel angenommen habe, dass Grendel nach 801 IT. 987 1V durch
eisen nicht verwundet werden kann, während ihm Beowulf 1572
bis 1590 mit einem Schwerte den köpf abschlägt. 1570—1590
wird nach s. 78 dem dichter D zugewiesen, der nach s. 99
hier aus X schöpfte, der angenommenen urgestalt des ersten und
zweiten abenteuers, nach welcher der erste kämpf schon auf dem
meeresgrunde stattgefunden habe, die verse 801 fl' sind nach
s. 40 ff. 55 eine Interpolation in A, 987 ff wird s. 66 C zu-
geschrieben, aber gar nicht hervorgehoben, dass C und D (X) in
bezug auf die verwundbarkeit Grendels durch eisen verschiedene
anschauungeu hatten, auch s. 18 werden die verse 161 — 169
zwar als 'vordiaskeuastische Interpolation' bezeichnet, aber es
wird nicht gesagt, dass 162 f die behauptung, die menschen
wüsten Grendels wohnsitz nicht — siehe Ciist und satan 32
god äna wät hü he pcet scyldige wenid forscrifen hefde — , gegen
1357 If streitet, wo Hrodhgar es weifs, — und 162 f sinnihte heöld
misliye möras gegen 167, wo Grendel in der nacht, sweartum
nihtnm, sich in Heorot aufhält, trotzdem gehören natürlich sach-
liche Widersprüche zu ten Brinks apparat wie zu Lachmanns und
Müllenhofls, siehe zb.oben s. 162. 168. und sachliche Widersprüche
werden in der kritischen praxis ziemlich allgemein als verhältnis-
1 für ganz zweifellos halle ich ihn auch nicht, denn in der Thoisteins
saga Vikingssonar begegnet auch ein durch eisen unverwundbarer troll,
Faxi , der doch schliefslich durch eisen verwundet wird, nur wird die sache
gewisser mafsen erklärt. FAS 2, 446. 448 ist von seiner unverwundbarkeit
durch eisen die rede, an letzterer stelle wird hinzugefügt, nicht einmal das
Schwert Angrvadhill könne ihm etwas anhaben, wol aber ein gewisses messer
efpü kein?' honum hagliga vilt. das geschieht dann s. 450. es ist demnach
möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich, dass die unverwundbarkeit Grendels
durch eisen auch nicht als eine absolute gemeint gewesen sei.
176 TEN BRlMv UEOVVULF
iiiäfsig sichere krilerien verwendet, sowol um chronologisch sich
ablösende einzellieder zu erhalten, als um den hericht einer
episode in zwei parallellieder, welche zusammengearbeitet wurden,
zu zerlegen, wenn auch in der classischen wie in der deut-
schen Philologie schon ott aul ähnliche erscheinungen hingewiesen
wurde in werken, an deren einheit zu zweifeln kein grund ist,
oder die sich wenigstens äulserlich als eine einheit darstellen,
bei diesen letzteren ist aber oft grund vorhanden, au ihrer ein-
heillichkeit zu zweifeln, oft wissen wir es bestimmt, dass hier
werke vorliegen, die von späteren bänden interpoliert oder fort-
gesetzt wurden; so zb. in Wisses und Colins Parzival, das ist
dem Wolframschen gedieht, zwischen dessen 13 und 14 buch fort-
setzuugen des Chrestienschen Werkes eingeschoben sind , nach
denen zb. Parzival und Condwiramurs noch nicht verheiratet sind,
oder der schluss von Konrads Trojanerkrieg, indem nach 41344.
41955 der raub der schätze durch Paris als frevel gegen Menelaus
fast der enlführung Helenas gleich gestellt wird, während bei der er-
zählung von der entführung ein raub der schätze gar nicht erwähnt
wird 2251911'. 26516. es beruht dies darauf, dass der fortsetzer
Konrads sich an Dictys und vielleicht auch au Benoit hielt, bei dem
dieselbe Vorstellung herscht, Konrad aber bei der entführungsge-
schichte nicht Benoit, sondern Ovids Herolden, Epistula Paridis et
Helenae gefolgt ist, wo natürlich von schätzen keine rede sein kann.
Aber auch in der seele 6ines dichlers können sich wider-
streitende Vorstellungen ablösen oder sogar zu gleicher zeit vor-
kommen, nicht nur kann der dichter vergessen , was er vor
längerer zeit sich vorgestellt und uns erzählt hat, es können seine
Vorstellungen über einen bestimmten puuct, eine episode seiner
erzählung, von haus aus nicht klar und bestimmt gewesen sein,
beides nimmt sogar Martin, der doch sonst lieder herzustellen
sucht, für den Alphart wie für Dietrichs flucht und die Raben-
schlacht an, s. xxn. XL. L der einleitung. vollkommen klar, be-
stimmt und widerspruchslos können sie ja gar nicht sein, das
ist von einer fiii^tjOig natürlicher ereignisse mit dem material
von Vorstellungen und Worten gar nicht zu erwarten, man sieht
das vor allem au den chronologischen und topographischen an-
gaben oder Voraussetzungen der dichter, es kann unseren grofsen
Philologen der Vorwurf nicht erspart werden, dass sie dies öfters
übersehen und von kunstwerken einen Zusammenhang und eine
folgerichtigkeit verlangt haben, wie sie nur der natur zukonnnt,
und von der klarheit, zu welcher die dichter ihre Vorstellungen
durchgebildet hätten, eine übertriebene meinung hegen; siehe Anz.
X 235 f. obwol gerade Lachmann schon im jähre 1816 auf stellen
in den Nibelungen hingewiesen hat, wo der dichter durch ein-
schiebung der anschauungsweise seiner person einen Widerspruch
mit der Voraussetzung, dass Ilagen spräche, hervorgebracht zu
haben scheint. 96, 1 nämlich sagt Hagen in seiner erzählung
TEN BRirSK BEOVVULF 177
von Siegtiitls jugentltalen: die sluoc sit mit zorne diu Sifrides
haut, und reken siben hundert txoanc er von Nibehmge lant Mit
dem ynuten sioerte, daz hiez Palmunc. Lachmaiiu neuul dies hiez
eiu 'iiniicliliges prälerituin', ürsprüugliche geslall s. 73, dh. liagea
halle heizet sagen solleo, — und ebenso unpassend sei in Hagens
rede 93, 1 so wir hwren sagen, Laclmiann Anmerkungen s. 20.
es wäre ja auch wunderbar, wenn eine künsllerische Ireiheit, die
fasl in jedem modernen roman oder drama vorkommt, Verwechselung
der person des dichters und des beiden, in der mitlelallerHchen
hlleralur nicht begegnete, sonst hat besonders Bartsch aul diesen
punct geaclilet, zu Berlholds Crane 1726 s. 220, zu Herzog
Ernst 4385, zu Reinlrid 13124. aufserdem wäre etwa zu er-
wähnen Dietrichs tlucht 522 ff. 3963 ff; siehe Martin li, Wegener
im ergäuzungsband zur Zs. f. d. phil. 458. 492, Bühelers Konigs-
lüchler von Frankreich 3908 also dar vor stat geschriben in
der rede eines beiden, aus dem allnordischen habe ich aul
lalle ähnlicher art hingewiesen WSB 97, 293, siehe aufser-
dem Njala c. 97 die erwähnung der forn godord im munde
Skaptis, bevor noch die neuen errichtet sind, im allt'ranzösi-
scheu epos habe ich angemerkt Mainet, Romania iv 6 se li
escris ne ment in der rede Galienens, und Aubery le Bour-
going ed. Tarb6 s. 64 se l'estoire ne ment in der rede Auberys,
Aliscans ed. Guessard s. 245 li quem Guillames — li (Rainouard)
veut doner Aelis d moillier , — la fille au roi qui nous doit
justicier. — bekannt ist, welche folgerungeo für die entslehung
der Odyssee Kirchhoff aus jenen stellen des apologs gezo-gen hat,
an welchen der dichter mit Odysseus die rollen tauscht; siehe
dagegen die schlagenden einwände Harteis, Zs. f. öst. gymn. 1865
s. 318 ff, welche Wilamovvitz-Möllendorff in seinen Homerischen
Untersuchungen s. 123 nur zum teil gewürdigt hat. natürlich fehlt
dergleichen auch nicht im ags. , Byrhtnodh 217 pCBt ic wws on
Myrcon miceles cynnes sagt Alfvine stall pcet ic eom. — im Beowulf
gebort hierher vor allem die ahnung eines kommenden krieges zwi-
schen Dänen und Headhobearden 2029, welche durch das wissen
des dichters zu einer prophezeiung von einzelumständen wird,
während Beowulf sonst nicht die gäbe in die Zukunft zu sehen
wie ein prophet oder zauberer zugeschrieben wird.
Oft aber lassen sich äufsere umstände erkennen, welche in
der natur unvereinbare Vorstellungen in dem köpfe eines dichters
vereinigt haben, wenn dieser zb. seine quelle misversteht und
auf deren autorilät hin einen Widerspruch in die erzäblung bringt,
das ist der fall in Lambrechts Alexander. 2724 ist Darius in der
Schlacht anwesend, 2852 erfährt er durch einen brief davon,
siehe Kinzel s. xl. s. 202 — 206. — oder er hat mehrere von
einander abweichende quellen benutzt; entweder so, dass an
einem punct der erzäblung das an einer früheren stelle erzählte
in anderer geslall vorausgesetzt wird, wie wenn der verf. der
178 TEN BRIMK UEOWULF
Völsunga Saga c. 30 Sigiirdhr durch Guttormr, c. 41 durch Gunnarr
und Högni ermordet werden lässl uach mafsgabe der zu gründe
liegenden Eddaheder, — oder Rudolf von Ems im Alexander diesen
5963 seinen letzten brief an Darius schreiben lässt, dem 8126
doch noch einer folgt, die erste stelle ist nach der Historia de
proeliis, die zweite nach Curtius gearbeitet; siehe Ausfeld Über
die quellen zu Rudolfs von Ems Alexander s. 20. — oder er
hat parallelberichte für eine episode der erzählung vor sich ge-
habt, so Konrad im Trojanerkrieg, nach 8640. 10425 ist die
erwerbung des goldenen vliefses durch Jason ein raub an könig
Aeetes, Medea verrät vater und Vaterland, indem sie ihm hilft,
das widerspricht der auffassung des dichters, wie sie sich 7616.
9421 zeigt, stellen, an denen Aeetes teilnahmsvoll bekümmert
um Jasons Schicksal ist. so stellt die sache auch Benoit dar
1767. aber Konrad hat hier nicht allein Benoit, sondern auch
Ovid benutzt und wird durch den monolog der Metamorphosen
7, 38 prodamne ego regna parentis, auch durch die Epistula Medeae
109 proditus est genitor , regnum patriamqne reliqui zu der erst-
genannten ihm eigentümlichen auffassung gekommen sein. — der
verf. der Gönguhrolfs saga gesteht FAS 3, 332 seine verlegenheil,
in die er durch die verschiedenen berichte seiner uns verlorenen
quellen gesetzt werde.
Da nun für die dichter, welche Stoffe der heldensage be-
handelt haben, auch eine pluralitäl von quellen, wahrscheinlich
in der form von parallelliedern , vorlag, so ist es möglich, dass
alle oder einige Widersprüche in ihren gedichten sich auf diese
weise erklären.
Im Nibelungenlied 1849 kann man zweifeln, ob quellen-
mischung oder Vermischung der person des dichters mit der des
beiden vorliege.
D6 der strit niht anders künde sin erhaben
(Kriemhtlt hü daz alte in ir herzen was begraben),
dö hiez si tragen ze tische den Etzelen snon.
wie kund ein wip durch räche immer vreisUcher tuon?
man denkt natürlich zunächst an die erzählung der Thidhreks saga
oder des anhangs zum Heldenbuch, nach welcher Chriemhilt ihren
söhn reizt, Hagen ins gesiebt zu schlagen, worauf dieser ihn tötet
und der allgemeine kämpf beginnt, es wäre ja möglich, einmal dass
ein teil eines liedes, welches diese Voraussetzung hatte, mit einem teil
eines parallelen verbunden wurde, welches wie im weiteren verlauf
des INibelungenliedes den kämpf durch Dankwarts botschaft aus-
brechen lässt, oder dass die Vorstellungen beider berichte sich im
köpfe des dichters so vereinten, dass die zweite den vorrang er-
hielt, die erste aber einmal durchblickte, recht wahrscheinlich ist
keine dieser alternativen, vor allem weil die vorhergehende Strophe
1848 auf die errnordung der knechte hinweist, die stattfinden
sollte, während Chriemhilt mit den gasten bei tische sals, und
TEN BRIMK BEOWULF 179
der dichter der nachfolgenden 1850 sich OrUieb offenbar als ein
ganz kleines kind denkt, das noch nicht gehen kann — vier
Etzelen man:si truogen Ortliehen, den jungen künic dan zno der
fürsten tische — , dem also nicht jene rolle zugemutet werden
kann, die Attilas söhn in der Thidhreks saga spielt, die Strophe
1849 stände mit ihrer andeutung von Chriemhilts absichten ganz
allein, deshalb ist zu erwägen , ob nicht vielleicht der dichter
Chriemhilt sein wissen von den kommenden ereignisseu leiht,
er also in der Strophe 1849 sagen will: da Chriemhilt voraussah,
dass, wenn die botschat't von dem Untergang der knechte in den
saal gelange, Hagen sofort Ortheb töten werde, wodurch der
endgiltige kämpf notwendig beginnen müsse, indem Etzel dann
unmöglich mehr seine vermittelnde Stellung beibehalten könne,
sie aber diesen kämpf wollte, in welchem die Burgondeu schliefs-
lich der Übermacht erliegen müsten, — so liefs sie Ortlieb in den
saal bringen.
Wie die pluralität der quellen würkliche Widersprüche erklären
kann, so natürlich auch kleinere inconcinnitäten, neueinführungen
bekannter, überhaupt behandlung des bekannten als etwas unbe-
kanntes, ebenso des unbekannten als etwas bekanntes, wider-
holungen, dittologieu, ein plus oder minus in der erzähluug des
dichters und im bericht der boten , im auftrag und im bericht,
rasche Übergänge, mischungen der niotive, fallen gelassene motive,
frage ohne antworl udgl. aber vieles der art ist auch anderen
Ursprungs.
F'ür ten Brink ist es natürlich selbstverständlich, dass der
bericht, — welchen Beowulf seinem könig Hygelac abstattet, von
einem anderen dichter herrührt, als die erzählung des dichters
von Beowulfs kämpf mit Grendel und seiner mutter, — der bericht
ist nicht als fortsetzung der erzählung gemeint, sondern eine paral-
lele oder Variante zu dieser, denn eine solche widerholung des
erzählten könne man höchstens einem epiker der renaissance zu-
muten, das plus und minus, das sich bald in E, dem bericht,
bald in B und ü, jenen Varianten der erzählung, zeigt, welchen
E näher steht, beruhe auf 'epischer entwickeluug' s. 122. dem
gegenüber muss daraufhingewiesen werden, dass derartige wider-
holungen auch vor und aufserhalb der renaissance erscheinen,
und dass Verschiedenheiten zwischen erzählung und bericht und
ebenso zwischen auftrag und botschaft sich auch in einheitlichen
werken zeigen, recht auffallende widerholungen des erzählten
durch berichte zeigt die fortsetzung des Chrestienschen Parzival;
siehe Claus Wisse 495, 28 ff. Parzival erzählt seine abenteuer,
die früher der dichter berichtet hatte, der dame mit dem schach-
breit, ebenso erzählt 571, 40 ff Cawan seinem söhne das gral-
abenteuer, worüber der leser schon durch den dichter ausführ-
lich unterrichtet war. der fortsetzer von Konrads Trojanerkrieg
lässt 41657 ff Priamus die ganze geschichte von Paris dem Achill
180 ' TEIN BRrWK BEOWÜLF
erzählen , ganz nach der erzähluug Konrads 435 ff; siehe Greif
Trojanersage s. 166. das werk Konrads mit der fortsetzung ist
zwar kein einheitliches werk, soll aber nach der absieht des
forlsetzeis den eindruck eines solchen machen. — in des Biihelers
Königstochter von Frankreich 6398 ff lässt sich der könig von
Frankreich die ganze leidensgeschiclile seiner tochter vom niarschall
noch einmal erzählen, obwol er sie schon vom könig von England
und der leser von dem dichter gehört hat.
Dass bericht und erzähhing sich im einzelnen unterscheiden
können, sehen wir auch aus Wisse- Colins Parzival. 749,45.
750, 5 sagt der held, dass die teufeliu ins wasser entflohen sei,
das hat der dichter 745, 29 nicht erzählt, siehe auch Ospinel,
Karlmeinet A 445, 69 11 und das vorhergehende, Rabenschlacht
Str. 326 — 329 verglichen mit 196 f, 1120 verglichen mit dem
vorhergehenden.
Botschaft anders als auftrag. — Wisse-Colins Parzival; 293, 16
sagt Artus in seinem bericht über den wörtlich mitgeteilten brief,
in dem er einen auftrag erhallen hat, dass daselbst auch stehe, dass
wer dem toten ritler das speereisen aus der brüst ziehe, ohne
dessen räche zu übernehmen, schände erfahren werde wie Gaheries.
davon war in diesem brief 289,31 — 290, 12 nicht die rede, im
Ospinel, Karlmeinel A 412, 27 sichert Turpin Ospinel Sicherheit
von seilen Karls des grofsen zu, er hat aber mit diesem gar
nicht darüber gesprochen, siehe auch A 426, 28 ff, 428, 29 ff,
431, 55 ff, 432, 24 ff verglichen mit dem vorhergehenden, Morant
und Galie, Karlmeinet A 257, 20 verglichen mit dem vorher-
gehenden, Rabenschlacht slr. 21, siehe VVegener im ergänzuugsband
zur Zs. f. d. phil. 514; und Krügers Spiel von den bäurischen
richtern 2060 verglichen mit 1871. — in der Fridhlhjofs saga
FAS 2, 71 sagt könig Helgi erst wörtlich, welche botschaft er
Fridhthjof schicken will: skal nü senda menn tu haus, ok vüa,
hverja scett at kann vill bjöda oss, elligar skal boda kann af
löndttm, pvi ek se eigi pann aßa vorn at sinni, at berjast vid
pä. uimiillelbar (iarauf wird fortgefahren: Hildingr föstri bar
erendi konünganna til Fridpjofs ok parmed vinir Fridpjöfs; peir
segja sod: pat vilja konnngarnir i scett hafa af per, Fridpjöfr!
at pü heimlir skatt af Orkmyjum, er eigi hefir goldinn verit, sidan
Bell dö, en peir purfa fjärins vid, par sem peir gipta Ingibjörgn,
systur sina, med miklu husafe, also sie sagen etwas, wovon der
könig in der nnlgeteilleu rede nicht gesprochen hat. siehe auch
Odds leben Olafs Tryggvasons FMS 10, 34 verglichen mit dem vor-
hergehenden. — Berta (Romania ni. iv) 1109. Siuibaldo sagt Berla
etwas anderes, als der könig ihm in den versen 1090 If derselben
laisse aufgetragen hatte. Aiol 4052. vom heidenkönig wird ein
böte an könig Ludwig gesandt, er erhält gar keine antwort,
sondern könig Ludwig will ihn gleich verslümmeln lassen. Aiol
rettet ihn und schickt ihn beschenkt zurück, dort richtet der
TEN BniNK nEOWULF 181
hole eine selir drohende anlwort könig Ludwigs aus mit vielen
einzelheilen, alles in 6iner laisse.
Da ich demnach die varianlenlheorie nicht für hewiesen an-
sehe, so kann ich auch die wochselvolle geschichte der Beowulf-
dichtung im nördlichen und mittleren England, wie sie ten Brink
im 13 capitel conslruiert, nicht annehmen.
Aber das ist von geringerer wichtigkeil, ob die Varianten-
theorie beifall findet oder nicht, die hauptsache scheint mir, dass
die deutsche philologie sich einmal die frage vorlege, ob es denn
noch länger angehe, dass man alte litleraturwerke nach dem
mafsstabe der gegenwärtigen ästhetischen und logischen ansprüche,
oder nicht vorhandener mir bezeugter dichtungen , von deren
ästhetischen eigenschaften man sich willkürliche Vorstellungen ge-
bildet hat, kritisch behandle, dh. entscheide, was echt, was un-
echt sei, was zusammengehöre, was nicht, man braucht in ten
Drinks buch nur zu blättern: überall stöfst man auf rein sub-
jective geschmacksurteile, die für kritische beweise gelten sollen,
'überflüssig' kommt beinahe so oft vor als bei Möller, siehe zb.
s. 49. 70. 94. 134, oder 'störend' s. 51, 'schief s. 73, 'sprung-
haft' s. 132, 'weniger tief s. 133, 'nicht gut' s. 134, 'törichf
s. 134, 'unzulässig' s. 141. selbst zugegeben, dass den zeilgenossen
des dichters die betreffenden stellen denselben eindruck gemacht
haben wie ten Brink , so ist die meinung von der vollkommenheil
der allen epik eine romantische Illusion, auf diese weise könnte
man zu dem kritischen resullat kommen, dass Brentanos Gold-
faden echter sei als der Wickramsche, die Tieck-Bülowsche Insel
Felsenburg als die Schnabelsche. dem deutschen publicum scheinen
die Memorie d'un otlogenario Nievos oder Tolstois Krieg und frieden
in ihrer ursprünglichen gestalt zu lang zu sein, es liest diese
werke in sehr gekürzten Übersetzungen, welche von den vielfachen
interessen der dichter nur einen teil gelten lassen und dadurch
in der tat den stoff concentrieren. in Wielands Oberon , in
Byrons Childe Harold lassen sich einzelne Strophen und ganze
reihen leicht ausscheiden : kein mensch würde sie vermissen, wenn
sie nicht da ständen, mit der kategorie 'überflüssig' sollte man
demnach besonders sparsam vorgehen, vgl. auch das Dresdner
heldenbuch, welches den geschmack des 15jhs. illustriert.
Die höhere philologische kritik in Deutschland zeigt ein ähn-
liches bild wie die deutsche philosophie der ersten Jahrzehnte
unseres jhs., dass nämlich die grösten talente falsche wege ein-
geschlagen und mit bewunderungswürdiger energie verfolgt haben,
ohne das ziel, bei letzteren die herstellung der litlerarischen ge-
bilde, welche hinter unseren denkmälern liegen, zu erreichen, —
während die gelehrten , welche über weniger glänzende gaben ver-
fügten, an der erreichbarkeit dieses zieles oder an der richtigkeit des
weges zweifelnd sich bescheidenere aufgaben gestellt haben, dass
Lachmann und Müllenhofl' sich ihre hohen ziele nicht gesteckt
182 TEN nRIiS'K ßROWULF
hätten, darf man natürlich nicht wünschen, sie haben dahei eine
schürfe und feinheit der beobachtung ausgebildet, welche, da sie
sich bis zu einem gewissen grad lehren lässt, ein eigenlum der
deutschen Philologen im allgemeinen geworden ist, und die fülle
dessen, was sie zuerst in den alten deukmälern gesehen, wird
noch generationen von philologen zum object der Untersuchung
dienen können, das heifst: man wird untersuchen, wie diese
beobachteten tatsacben aufgefasst und erklärt werden müssen, in
diesem sinn genommen wird man auch von ten Brink, dessen
gelehrter character eine entschiedene Verwandtschaft mit dem
seiner grofsen Vorgänger zeigt, sagen können, dass seine Beowulf-
studien die historische erklärung des Beowulfphänomens bedeutend
gefördert haben.
Ich habe mich bei dieser anzeige auf die hauptsache be-
schränkt, auf ten Brinks hypothese von der entstehung des Beowulf
aus zusammengearbeiteten parallelliedern und auf die methode,
mit welcher diese hypothese zu erweisen gesucht wird ; die capitel
x.xi.xn, welche gegen Möllers strophenlheorie, gegen Sarrazins alt-
nordischen Ursprung, gegen Fabibeck-Bugges gleichstellung von
(leatas und Juten ^ gerichtet sind, lasse ich unbesprochen, obwol
ich hier weit öfter dem verf. zustimmen könnte, als es mir in der
hauptsache möglich war. zur beurteilung des vierzehnten über die
Beowulfhs. fühle ich mich nicht compelent.
' der name des Geatenkönigs Hredel spricht für Fahlbeck- Bugge, da
die Juten im norden Hreidgotar genannt werden.
Wien, december 1888. B. Heinzel.
Beowulfstudien. ein beitrag zur geschichte altgermanischer sage und dich-
lung von dr phil. Gregor Sarrazin. Berlin, Mayer & Müller, 1888.
VII und 220 ss. 8". — 5 m.
Das buch vertritt und verteidigt ausführlich drei thesen, welche
die fachgenossen und z. t. sogar jene, welche Sarrazins aufsätze
in Paul-Braunes Beiträgen, in der Anglia, in der Zs. f. vgl. litteratur-
geschichte gelesen haben , auf das höchste überraschen werden :
1) die sage von Beowulf ist gleich der Siegfrid- und Tristansage
ein Baldrmytbus, — 2) der dichter Starkadhr hat um das jähr 700
ein Beowulfgedicht in altdänischer spräche verfasst, — 3) dies
scandinavische gedieht ist dann im laufe des 8 jhs. von dem be-
rühmten dichter Cynewulf frei ins englische übertragen worden,
die hypothesen sind, wie es ten Brink Beowulf s. 242 empfiehlt,
bis ins einzelne ausgearbeitet, sodass zb. der Beowulfbearbeitung
ein bestimmter platz in der litterarischen entwickelung Cynewulls
angewiesen wird, s. 151 ff.
In bezug auf Beowulfs mythologischen character weist Sar-
razin zuerst hin auf die gautische heimat Beowulfs — denn in
SARRAZIN BEOWULFSTUDIEN 183
(1er conlroverse Gautcn oder Juten verteidigt er die ältere ansieht
s. 23 — , in Gautland aber war die Baldrsage bekannt, da die
episode von den gautischen königssöhnen Herebeald und FItedhcyn
im Beovvult den niythus von Baldr und Hödhr vviderhole, s. 44,
«iine beobaclitung, die wol Bydberg zuerst ausgesprochen hat,
IJndersokningar 1, 665, — und der Baldrcultus besonders ge-
pllegt. ferner BeowulC besiegt dämonen der finsternis, was lür
einen lichtgott, der Baldr war, sehr angemessen wäre. Beowult
als kühner Seefahrer (?) und Schwimmer weist ebenfalls auf einen
licht- und speciell Sonnengott, da den seeumwohnenden Scan-
dinavicrn die sonne über das meer hinzugleiten schien , aus dem
meer emporstieg, in dasselbe eintauchte, und wenn auch Baldr
weder als schifl'er noch als Schwimmer vorkommt, so wird doch
seine leiche auf dem schifl' Hringhorni verbrannt. — wie Baldr sei
Beowulf milde und sanftmütig, — von den hierbei angezogenen
stellen ist 2l87fljedesfalls zu streichen, wo von seiner trägheit und
anscheinenden untüchtigkeit in der ersten Jugend erzählt wird. —
schliefslich findet Beowulf durch einen drachen seinen Untergang,
wie zwar nicht von Baldr, aber von einem ßaltram in der Burg-
dorfer sage erzählt wird, Zs. 6, 158.
Diese Übereinstimmungen wären nun für Sarrazin allerdings
nicht genügend, um Beowulf Baldr gleichzustellen, die mög-
lichkeit, es docli zu tun, leitet er aus umständen ab, welche
s. 50 ff leider nicht klar und präcis angegeben sind , zum teil
wol deshalb, weil der verf. nicht widerholen wollte, was er Anglia
9, 203 und Zs, f. vgl. litteraturgeschichte 1,26211' (1887) aus-
geführt hatte.
Seine argumentation scheint, in strengere form gebracht,
diese zu sein, die geschichte von Beowulf und von Bödhvarr
Bjarki in der Hrolfs saga Rraka und bei Saxo stimmen in so vielen
puncten überein s. 47 f, dass sie für Varianten einer sage zu
lialten sind, deshalb kann man, was von Bödhvarr mehr erzählt
als von Beowulf, auch der sage dieses zuschreiben. — Bödhvarr
hat nun von dem könige, dem er gegen ein dämonisches ungetüm
geholfen, die hand seiner tochter bekommen, das gleiche wird
von Tristan erzählt, etwas ähnliches auch von Wolfdietrich, eine
hilfe ist es aber auch, wenn einem könig eine schwer zu ge-
winnende braut zugebracht wird, das motiv findet sich neben
dem kämpf mit dem ungetüm auch in der Tristansage und in
der von Siegfrid, bei welcher der drachenkampf zwar vorkommt,
aber nicht in form einer dem konig gebrachten hilfe. in dieser
folgt dann wie in der Bödhvarrsage und der zuerst erwähnten
episode des Tristan die königliche verwandte als lohn für «lie
hilfe. dieselbe gefährliche brautwerbung für einen anderen wird
nun aber, zwar nicht von Baldr, aber von Skirnir erzählt, der für
Freyr um die riesentochter Gerdhr wirbt, dabei zwar nicht einen
drachen, aber einen bruder der Gerdhr, also einen rieseu tötet
184 SARRAZIN RKOWTir.FSTIIDIEN
und (liesolbe waberlohe zu durchreiten hat wie Siegfrid nach
der nordischen tassung, als er für Gunnarr um Brynhildr wirbt,
da Skirnir aber 'der erheller' bedeutet und seine beziehung zu
Freyr sowie die geschenke, welche er Gerdhr bietet, auf einen
Sonnengott gedeutet werden können, aber auch Baldr vielleicht
ein Sonnengott war, so ist Baldr unter jenem helfenden Skirnir
zu verstehen und Nanna, die ursprünglich wol Freyja, die Schwester
Freys, gewesen sein wird s. 52, war sein lohn, wir erhalten da-
durch die Proportion Baldr: Freyr: Gerdhr:Nanna (Freyja) = Sieg-
frid : Günther : Brünhild : Chriemhild, — und wenn wir hilfe
gegen dämonisches ungetüm der hilfe l)ei der brautwerbung gleich-
stellen, auch die andere Baldr : Freyr : Nanna (Freyja) = Sieg-
frid : Günther : Chriemhild = Bödhvarr Bjarki : Hrolfr Kraki : Hrolfr
Krakis verwandte. — da nun Bödhvarr Bjarki = Beowulf , so ist
auch von ihm anzunehmen, dass er einst eine verwandte jenes
königs zur trau erhalten habe, welchem er gegen das ungetüm
beigestanden habe, demnach ist der oben angesetzten proportion
noch ein weiteres glied anzufügen, in welchem Beowulf die
stelle Bödhvars, Siegfrids oder Baldrs einnimmt.
Meiner meinung nach ist es aber nicht erlaubt, so zu
schliefsen. denn man vernachlässigt hierbei die möglichkeit einer
bezeugten tatsache, dass nämlich poetische einzelmotive sich nach
analogie schon vorhandener Verbindungen an einander anschliefsen
können, wenn ein drachenkampf in einer sage vorkommt, so
kann sich damit nach dem muster anderer erzählungen von
drachenkämpfen die Vorstellung verbinden, dass das blut oder
fleisch des drachen dem beiden Zauberkräfte verleiht, oder dass
dieser drache einen schätz besessen habe, der dann in die bände
des beiden fällt, oder dass der drache eine Jungfrau geraubt
habe, welche dann die braut des beiden wird, oder auch dass
eine Jungfrau dem sieger im drachenkampf als ausgesetzter preis
zugesprochen wird, in unserer Nibelungenüberlieferung zb. ist
doch nicht daran zu zweifeln, dass die Vorstellung des Sieg-
fridsliedes, nach welcher Siegfrid eine Jungfrau aus der gewalt
des drachen befreit , eine Umformung der älteren formen des
drachenkampfes ist, wie ihn das Nibelungenlied und die nordi-
schen berichte zeigen, welche selbst wider das ursprüngliche
durch ähnliche Übertragungen schon verändert haben mögen, es
kann demnach sehr wol der zug, dass Bödhvarr die königliche
Jungfrau zur gemahlin erhält, nicht der ursprünglichen Bödhvarr-
Beowulfsage angehört haben, um so mehr als diese tatsache in
der saga gar nicht als belohnung für die lölung des untiers «lar-
gestellt wird P'AS 1, 76 und Saxo (ed. Müller) 1, 88 und von
Beowulf überhaupt nicht erwähnt wird, dass er geheiratet habe,
nur 3150 scheint seine trauernde witwe aufzutreten.
Sarrazin sieht in Freyr und Baldr die germanischen Dioskuren,
welche Müllenhoff einerseits in den Haddingjar, Ortnil und Wolf-
SARRAZIN BEOWULFSTL'DIEN 185
dietrich Zs. 12, 352, andererseits m den Harlungen erkannt hat
Zs. 30, 244. aber er spricht sich nicht darüber aus, wie dann
die parallele Siegfrid und Godhmundr von Glasisvellir, welche
er s. 55 als vorbild der anderen Siegfrid und Günther, gleich Baldr
und Freyr, anzunehmen scheint, aufzufassen sei. Godhmundr ist ja
deutlich ein unlerweltsdämon. es gienge danach nicht an, die er-
zählungvon ihm und seinem helfer Thorsteinn boejarmagn geradezu
als eine Variante dem mythus von Freyr und Skirnir gegenüber
zu stellen, Thorsteinn (Siegfrid) : Godhmundr = Skirnir: Freyr, —
selbst wenn die ähnlichkeiten beider berichte gröfser wären, ich
glaube, diese mythen sind ganz aus einander zu halten. — erst
nachdem durch den einflussderGodhmundssage sich die Nibelungen-
sage gebildet hatte, wird in der nordischen Überlieferung die waber-
lohe, welche ursprünglich nur der walküre Siegfrids, nicht der
Günthers zukam , von jener auf diese übertragen worden sein und
die gefährlichen spiele fielen weg. die waberlohe ist aber der
einzige umstand, welcher das ganz allgemeine motiv der braut-
werbung für einen anderen, wie es sich in der erzählung von
Freyr, Skirnir und Gerdhr und Günther, Siegfrid und Brünhild
zeigt, durch einen characteristischen zug bereichert.
Wenn ferner Bödhvarr-Bjarki eine dänische hyposlase des
gottes Baldr sein soll, so ist nicht zu begreifen, warum die
dänische Überlieferung von beiden personen, wie sie uns Saxo
bietet, so gar wenig, ja fast nichts übereinstimmendes hat.
gerade in Dänemark, sollte man meinen, müste sich das über-
einstimmende doch besser erhalten haben, aber auch abgesehen
von Beowulf und Baldr sind die oben aufgestellten proportionen
z. t. durch bedenkliche mittel erreicht, auf die Identität von
Tristan und Wolfdietrich wird Zs. f. vgl. litteraturgesch. 1, 263f
und Beowulfstudien s. 57 hauptsächlich deshalb geschlossen, weil
die episode vom drachenkampf, dessen preis die königin ist, mit
dem motiv, dass ein nebenbuhler das verdienst und den lohn
für sich in anspruch nimmt, von dem beiden aber durch Vor-
weisung der Zunge des unliers überführt wird, sich in beiden
berichten findet, da nun Tristan auch sonst nordische demente
zeige, Beowulfstudien 56, — unter denen aber die eisenprobe
und der holzspahn mit buchslaben nicht ausschliefslich nordisch,
sondern germanisch sind , siehe die ags. Botschaft des gemahls, —
so liege eine nordische sage dem Tristan wie dem Wolfdietrich
zu gründe und zwar die mythische von Baldr und Freyr, welche
andererseits auch in der Siegfridssage ihr gegenstück habe, bei
gelegenheit der Übereinstimmung zwischen Wolfdietrich und
Tristan wird auch Jänicke DHB iv s. xlui citiert. nun ist aber
dort ganz dieselbe geschichte aus einem scholion zu Apollonius
Hhodius und aus Pausanias abgedruckt, nur ist das untier kein
drache sondern ein löwe. sollen diese Griechen auch aus alt-
nordischer sage geschöpft haben, oder haben die Scandinavier
A. F. D. A. XV. 13
186 SARRAZIN BEOWÜLFSTÜDIEN
ihren Baklr-Freyi - mylhus nach der griechischen mylhe geiorml,
oder gehört die geschichle in die gemein -arische mythologie?
gewis das eine so wenig als das andere, die geschichte von den
ausgeschnittenen zungen ist ein uraltes novellenmotiv und kann
ganz selbständig einmal mit der Tristansage sich verbunden haben,
ein ander mal mit der von Wolfdielrich. anlass gab jeder kämpf
mit einem untier, ja tötung von jagdtieren allein konnte es
attrahieren ohne den umstand einer als preis ausgesetzten jung-
Irau , wie wir es in der geschichte von Peleus sehen , Preller
Griechische mythologie 2, 396^ MannhardtFeld-und vvaldculte 53 11'.
— in der Tristanüberlieferung kennen wir ja noch andere derartige
antike motive, die pferdeohren des königs Marke, das schwarze und
das weifse segel; vgl. Österreichische Wochenschrift 1872, 432 f.
S. 58 anm. der Beowulfstudien soll gar der beide Belian,
den Wolfdietrich tötet, der riese Beli sein, dessen tötung bald
Freyr, bald, wie es scheint, Skirnir (d. i. Baldr nach Sarrazin) zu-
geschrieben wird, aber das ist doch deutlich der name des beiden
Baligant aus dem Rolandsliede, der mit der namensform Belian
ua. im Orendel vorkommt, ich will damit durchaus nicht den
gegenüberstellungen von ähnlichen sagen, wie sie Sarrazin in der
Zs. f. vgl. litteraturgesch. gemacht hat, jede bedeutung absprechen,
im gegenteil: sie sind oft interessant und der beachtung wert
und stellen manches in ein neues licht, aber die folgerungen,
welche er daraus zieht, und die erkiärungen, welche er für sie
gibt, werden von kurzem bestand sein.
Ebenso wenig, glaube ich, wird sich die zweite hypolhese
Sarrazins anhänger gewinnen, die gründe für die annähme eines
scandinavischen Originals und für die Verfasserschaft Starkadhs
können für niemand ausreichen, der sie nicht selbst gefunden
bat. die Mehnvvörter' sind, obwol Sarrazin einen guten teil der-
selben seit seinen aufsätzen in den Beiträgen 11, 173. 528 fallen
gelassen hat s. 69, nicht als solche zu beweisen, denn ihre laut-
gestalt ist echt ags., sie können deshalb, auch wenn sie nur im
Beowulf vorkommen, ganz gut dem ags. sprachgut von haus an-
gehören, nach der beweisführung Sarrazins müsten wir ja auch
solche Wörter, welche nur im hochdeutschen und scandinavischen
belegt sind, für scandinavische lehnwörter halten, also Wörter
wie 'anger' wegen altn. eng, engl — denn -ingr in ags. Orts-
namen kann altn. lehnwort sein wie -by — , oder 'ball' wegen
altn. hollr, 'harte' (heil) wegen altn. barda, 'becher' wegen altn.
bikarr, 'blei' wegen altn. bly, 'bürge' wegen altn. äbyrgjaz, 'daube'
wegen ahn. püfa (siehe Cleasby- Vigfusson), 'dochi' wegen altn.
pdttr, 'dreck' wegen altn. drekkr, abd. fall wegen altn. fair, 'flocke'
wegen altn. flöki, '(gang und) gäbe' wegen altn. gcefi^ usw. und
auch die hoch- und niederdeutschen Wörter, welche im ags.
fehlen, aber im altn. ihre entsprechung haben, wie 'eng', 'erbse',
'falke', 'fegen', 'felsen', 'froh' usw. fänden diese erklärung. —
SARRAZIN BEOWlJLFSTUDIE> 187
aber selbst wenn sich bei einem oder dem anderen nur im Beowulf
vorkommenden worte altn. lauttorm zeigte, so ist damit noch
immer nicht bewiesen , dass dieses wort nicht sonst im ags. auf-
genommen worden sei und nur zufällig in unseren quellen fehle,
würklich altn. nicht ags. sprachtypus versucht Sarrazin in der
syntax nachzuweisen, aber er hat die sehr begründeten ein-
wendungen von Sievers Beiträge 11, 354 ff. 12,168 nicht ge-
nügend gewürdigt, und wenn der ton, in welchem Sievers von
Sarrazin gesprochen hat, in der tat verletzend war, so hat dieser
seiner sache nicht genutzt, wenn er s. 196 Sievers einen fremd-
ling auf westgermanischem Sprachgebiet nennt, das wird Sarrazin
niemand glauben, s. 203 ff hat Sarrazin in der tat recht gegen
Sievers, in so fern dieser sich der construction des einfachen
taka, nicht taka vtd bei einer gelegenheit nicht erinnert zu
haben scheint, bei der man die erwähnung derselben erwarten
muste, Beiträge 12, 185. aber der umstand berührt den kern
der Sieversschen einwenduug gegen eine annähme Sarrazins gar
nicht, dieser hatte Beiträge 11, 177. 539 f die construction oiifön
mit dem dativ als einen norroenismus bezeichnet ohne angäbe einer
genauen parallele. Sievers vermutet nun, Sarrazin habe an taka
vtd gedacht, also an ein nordisches verbum gleicher bedeutung
wie onfön, und sagt, in taka viä hänge der dativ von der prä-
positiou ab, die parallele sei also nicht genau, aber nicht des-
halb ist die annähme , onfön mit dativ sei nordische construction,
falsch oder unbeweisbar, sondern weil das verbum onfön, ant-
fdhan seiner etymologie nach in jeder germanischen spräche
einmal den dativ regiert haben muss. darauf geht Sarrazin gar
nicht ein. — s. 213 wird die beziehung von sin auf ein femininum
in einem teil der ags. Genesis auch auf norroenen einfluss zu-
rückführt; aber siehe Greins Sprachschatz 2, 450 und JGrimms
Gramm. 4, 341.
Es wäre aber auch, wenn wir Sarrazins hypothcse von einem
altdänischen original unseres Beowulf gelten lassen, gegen alle
analogie, dass der ags. umdichter, und gar Cynewulf, dabei gegen
die syntax seiner muttersprache verstofsen halte, einfluss auf
die Phraseologie könnte nian zugeben, aber auch der haudwerks-
mäfsigsle Übersetzer zb. aus dem französischen ins deutsche wird
nicht fehler machen wie 'er verliebte sich dieses mädcheus', weil
in seiner vorläge il s'epht de cette fille steht, oder wo erscheint
dergleichen in den mhd. poetischen Übertragungen aus dem
französischen ? es kommen natürlich diese und noch stärkere be-
einflussungen einer spräche durch die andere vor, wenn zwei
nationen im selben lande leben, also wie Dänen und Angei-
sachsen, Angelsachsen und Franzosen in England, aber nach
Sarrazin soll ja der einzelne angelsächsische dichter Cynewulf
vor der dänischen Invasion sein englisch über dem übersetzer-
werk vergessen haben.
13*
188 SARRAZIN REOVVULFSTUDIEN
Sarrazio sieht sogar in einzelheiten der dichterischen aus-
lührung des Beowulf anspielungen auf persönUche Verhältnisse
und beziehnngeu des dänischen dichters Slarkadhr. 1722 ff soll
Hrodhgars rede an Beowulf als mahnung des dichters an seinen
könig Ingeldus gemeint sein, das verrate sich durch die Vor-
stellung, dass der teufel mit einem pfeilbogen schiefse, 1745 se
Jie of flänhogan fyrenum sceoted s. 103, was nur hinweis auf
einen irdischen feiud sein könne, aber Müllenhoff hat schon
Zs. 14,214 auf Epheser 6, 16 hingewiesen in oninibus sumentes
smtnm fidei, in quo possitis omnia tela nequissimi ignea extitiguere.
dieselbe Vorstellung hat Cyuewulf im Crist 762 ff. 779 ff; sie
begegnet auch im Andreas 1191 uud bei dem dichter der Wahr-
heit, Diemer Deutsche gedichte des 11 und 12 jhs. 88, 5 ff. —
oder die bezüge auf den bösen Dänenfürsten Heremod, die böse
fUrstin Thrydho sollen ursprünglich als Warnungen für Ingeldus
und als strafreden gegen dessen Starkadhr abgeneigte gemahlin
gedichtet sein s. 101.104. aber beide hinweise sind gegenüber-
stellungen. diese kommen aber auch dort vor, wo unmöglich
eine versteckte absieht Starkadhs vermutet werden kann, so 1472
Beowulf und Hunferdh oder 1137 der gast und Hengest.
Aber auch wenn wir die hypothese im Zusammenhang mit
den uns bekannten altdänischen Verhältnissen betrachten , er-
scheint sie unglaublich, der dänische dichter Slarkadhr soll um
700 nach däüischer volkssage ein Beowulflied verfasst und dabei
so wenig von Helgi Hundingsbani und von Hrolf Kraki gewust
haben wie unser Beowulfdichter, — uud von einem solchen däni-
schen Beowulfgedicht sollte wider Saxo nichts gewust haben !
Die Zuweisung der ags. Übertragung des dänischen Werkes
an Cynewulf wird natürlich ebenso begründet wie die so vieler
anonymen dichtungen an diesen dichter, der vielleicht nie etwas
anderes geschrieben hat als die Elene, die Juliane und den Crist.
die annähme, dass der formelschatz der alten epik vielen dichtem
zum gebrauche offen stand, die ihn dann mehr oder weniger
benutzten, genügt meiner meinung nach vollkommen, um die
Übereinstimmungen zwischen Beowulf und Cynewulfischen oder
solchen dichtungen, welche von neueren gelehrten Cynewulf zu-
geschrieben worden sind, zu erklären.
Übrigens sind die reichen materialsammlungen s. 109 ff,
welche beinahe zu jedem vers Beowulfs eine parallele bieten,
sehr verdienstlich und dankenswert, jeder commentator Beowulfs
wird sie zu rate ziehen müssen, wie ich denn überhaupt mit
dieser anzeige, welche gegen die wichtigen drei thesen des buches
allerdings opponiert, nicht die meinung erwecken möchte, dass
dasselbe nichts gelungenes und wertvolles enthalte, es fehlt in
ihm durchaus nicht an guten beobachtungen und beachtenswerten
combinationen. ich verweise nur kurz auf Herebeald uud Hsedh-
cyn s. 44, auf Bödhvarr Bjarki und Beowulf s. 47 ff, auf könig
SARRAZIN BEOVVÜLFSTÜDIEN 189
ÜDgendus s. 97, auf die Headhobearden s. 44, auf die bemerkung
über den dänischen gesichtspunct des Beovvulfdichters s. 71, auf
allgemein poetische bemerkungen wie die über das verschiedene
tempo in verschiedenen parlien eines gedichls s. 79.
'Diesbezüglich' habe ich immer für österreichisches canzlei-
deutsch gehalten, allein es steht auch bei Sarrazin s. 207.
Wien, december 188S. Heinzel.
Beowulf. mit ausführlichem glossar herausgegeben von Moritz Heyne.
fünfte aufläge, besorgt von Adolf Socin. Paderborn und Münster,
Schöningh, 1888. x und 299 ss. 8**. — 5 m.
Dass Heynes Beowulfausgabe seit 1865 fünf auflagen erlebt
hat, ist ebenso berechtigt als erfreulich, da Heyne derzeit durch
andere arbeiten abgehalten war, hat Socin die ausgäbe über-
nommen, von der vierten aufläge unterscheidet sich die neue
hauptsächlich durch den gröfseren umfang des commentars, der
durch berücksichtigung der neueren litteratur um zehn seilen
mehr bekommen hat, während das Wörterbuch um nur zwei
Seiten vermehrt worden ist.
Der text hat gegenüber den früheren auflagen ein etwas
verändertes aussehen durch die längezeichen (circumflexe bei ein-
fachen vocalen) auf den Wörtern me, we, pü, pe, ge, he, nü, se,
ne, — hrüse, präg, com, eöde usw., sowie durch regelmäfsiges ond
für 'und'. — im einzelnen möchte ich bemerken: v. 73 Beowulf
verteilt an alte und junge alles, was ihm gott gegeben hat, bütoti
folcscare ond feörum gumena. also die nation und das leben der
menschen verschenkte er nicht! ich möchte vorschlagen bü tu
folcscare ond feorum gumena 'sowol den eigenen leuten als den
fremden.' — 126 ff:
pd wces on uhtan mid oerdcege
Grendles güdcrceft gumum undyrne:
pd tüces oefter loiste wöp up dhafen,
micel morgensioeg. mm^e peöden,
130 cBcMing cergöd, unhlide scet,
polode pryäswyd, pegnsorge dredh,
syddan hie pws Iddan last scedwedon,
wergan gdstes.
v. 132 syddan kann ich nur auf undyrne 127 beziehen, es ist
also 128 — 131 in parenlhese zu setzen. — 240 statt der Ett-
müllerschen conjectur wäre in die verslücke , wenn sie ausgefüllt
werden sollte, die Bugges zu setzen gewesen, welche das sonst
unverständliche Präteritum wces im folgenden verse erklärt. —
nach lOSl* ist punct zu setzen, im vorhergehenden war gesagt
190 BEOWULF ED. HEYNE -S0C1>
worden, dass Hildeburh den Verlust vieler verwandten zu be-
klagen hatte; 1081'' heifst es: wig ealle fornam Finnes pegnas
nemne fedm dnum d. i, 'aber auch Finu hatte beinahe alle seine
leute verloren.' — 1143 durch die conjectur MöWers worodrcedeime
statt woroldrcpdenne wird die stelle nicht deutlicher. — 1332 ic
ne wät hwider (nach Grein , Sweet für das hwceper der hs.)
atol cese wlanc eftsidas tedh. da der künig in derselben rede
aber sehr wol weifs, wo Grendel wohnt, also wohin er oder
seine mutter gegangen sind, so darf man doch einen solchen
Widerspruch nicht hinein conjicieren, siehe oben s. 172 f. — 1334
fylle gefrcegnod von Grendel; die conjectur Kembles fylle gefcegnod
hegt sehr nahe, siehe ten Brink s. 95 anin. — 1343 durch den
beistrich nach ^redfe^ wird die conslruction undeutlich. — 1555
wie Beowulf, nachdem ihn Grendels mutter unter sich gebracht,
sich wider freimachte und das riesenschwert bekam, ist sehr un-
deutlich ausgedrückt, dass gott ihm dabei geholfen habe, ist
1554'' — 1557^ gesagt — rodera rcedend hü on ryht gesced i/delice.
aber worin bestand die hilfe? nach ydelice 1557^ folgt: syddan
he eft dstöd, — dann geseah pd on searwum sigeeddig bil, das
riesenschwert. ich glaube, syddan he eft astod ist verdorben
und hat einmal geheifsen swd he (gott) oftast ded; s. 444 swd
he oft (Grendel) dyde, Gen. 2586, Beow. 1059 und Heynes
glossar unter dön. — 1808 der beistrich nach heran stört die
construction. — dagegen verlangt der satz 1815
eöde weord Denum
cedeling tö yppan, pdr se öder wces
hcL'le hildedeör Hrödgar grette
einen beistrich nach — öder loies. vgl. 298(3 penden redfode
rinc Ödeme, das ist Eofor den Ongentheow. — 1826 ist der
beistrich nach gndgeweorca zu tilgen, wie er ja auch in der
4 aufläge nicht steht, also gudgeweorca ic beö gearo söna wie 2118
pd wces eft hrade gearo gyrnwrwce Grendeles mödor. — 1877
heifst es:
Wa>s him (Hrodhgar) se man (Beowulf) tö pon leöf,
pCBt he pone breöstwylm forberan ne mehte,
ac him on hredre hygebendnm fcest
1880 cefter deöruni men dyrne langad
beorn wid blöde.
es ist wol 1881 zu lesen bearn wie 67 him on möd bearn. statt
als auffälliges, wenn auch nicht unmögliches, präsens ist dann
langad 1880 als substantivum zu fassen. — nach 1945'' ist punct
zu setzen: denn es folgt nun die andere sagengestall von Thrydho.
— nach gehogodest 1989'' ist der beistrich zu tilgen, pdpü fdringa
feorr gehogodest scecce secan ofer sealt wcvter. — 2153 empfiehlt
es sicli eaforhedfodsegn als 6in wort zu lesen, einmal weil man
nicht versteht, was ein hedfodsegn sein soll, und weil durch
trennung des eafor von hedfodsegn fünf geschenke angedeutet
BEOWULF ED. HEYNE -SOCIN 191
ist doppelpunct, nicht punct zu setzen, denn es folgt der nacli-
satz mil syddati. der setz heifst: 'dann geschah es, dass, nach-
dem Hygelac gefallen und Heardred auch durch die Headhoscil-
fingen seinen tod gefunden, Beowulf das reich erhielt.' — nach
2300* wird dagegen besser punct gesetzt. — 2394 man wundert
sich , dass die ausgäbe noch immer die conjectur feönd für das
hsliche von Müllen hoff, Grein, Bugge so einleuchtend erklärte
freönd beibehält. — 2403 ein druckfehler sweäwiaii für sceä-
wian. —
2551 Let pä of breöstum, pd he gebolgen wws,
Wedergedta leöd word nt faran,
stearcheort styrmde; stef'n in becöm
headotorht hlynnan under käme stdn.
V. 2553 vvird besser als parenthese gefasst, und hUpinan 2554
dem faran von 2552 coordiuiert. — 2922 Merewioingas müts
ist wegen der endung -as und der erwähuung des fursten auf-
fällig statt der Völker, die vorher und nachher als den Geaten
feindselig und bedrohlich aufgeführt werden, Froncum, Frysum,
Hügas, Hetware, tö Sweöpeöde. die ursprüngliche Schreibung
mere wio ingannills, wobei der erste strich der «w zu s gebessert
wurde, zeigt, dass der scbreiber den text nicht verstand, viel-
leicht ist Merewioinga als genitiv pluralis zu lesen und das wort
wie Amelungen zu fassen, als epischer name der Fraukenvölker, —
2575 ist die Schreibung Greins jedesfalls vorzuziehen swä Mm
Wyrd ne gescrdf hred CBt hilde, während Heyne -Socin nach ge-
scrdf beistrich setzen und hred für hrede als adjectivum auf Beo-
wulf beziehen. — 2948. 3136 druckfehler: wide für wide, cede-
lingc tür cedelinge.
Was den commentar anbelangt, so wird zu v. 168 bemerkt,
dass MüllenhotTs deutung des /je auf Hrodhgar bedenklich sei, da
dieser seit 152 nicht vorgekommen, aber in der angelsächsischen
poesie muss der bezug des pronomens oft erraten werden, noch
mehr als im mhd.: 1901 ist he Beowulf, der 1881 zuletzt genannt
war. von 1883 ab ist vom schifl'e der Geaten die rede, von den ge-
fährten Beowulfs, vom Strand wart und wider vom schiffe, oder 2491
sagt Beowulf ?c /tm />ä ma^///ias, [je he nie sealde, geald cet güde.
him, he ist Hygelac, welcher seit 2435 nicht genannt wurde,
nur 2480 unter mwgwine mine mit zu verstehen ist. — ja sogar
ohne pronomen, durch die dritte person singularis des verbums,
kann eine unmittelbar vorher nicht genannte person bezeichnet
werden, so 1918 ff Beowulf. sehr undeutlich erscheint uns der
gebrauch des pronomens, wenn es sich um zwei parteien handelt,
so 1084 tf, wo hie, him, — hie, him beide mal zuerst die partei
Finns, dann die Hengists bezeichnet, und noch ein hie folgt
auch auf die leute Hengists gehend; siehe Anz. x 227.
Glossar, dnfeald scheint auch die bedeutung 'fest', 'un-
192 BEOWÜLF ED. HEYNE -SOCIN
erschülterlich' zu haben; 256 minne gehyrad änfealdne gepöht.
vgl. dtiriid und 61 1 fcnstrcedne gepöht. 'simplex' passt 256
nicht, und der bedeutungsiibergang würde sich durch den begriff
'unvermischl' erklären. — eolet. tür die bedeutung dieses afta^
eiQVfiivov , — pä wces sund liden eoletes cet ende — ist jedesfalls
Walfisch 15 und Crist 1030 heranzuziehen, Walfisch: setlad (die
Seefahrer) swmearas sundes a>t ende, — Crisl 1033 bei der be-
schreihung des jüngsten tages
Ponne eall hrade Adames cynn
onfehd fldesce, veorded feoldrwste
eardes cet ende.
— bana. mit recht wird 1969 bonan Ongenpeöwes d. i. Hygelac
nicht durch 'mörder', 'töter' gegeben, die wbb. verzeichnen aller-
dings nur diese bedeutung und diaholus. aber gerade letztere
ergibt die bedeutung 'feind'; siehe Crist 1394, gott spricht zu
Adam: ac min bibod brcece be pines bonan worde. — hild scheint
nicht nur 'kämpf, sondern auch 'kampttücluigkeit', virtus zu be-
zeichnen, so 902 siddan heremödes hild swedrode wie es von
wig ja bekannt ist. aber auch güd zeigt diesen bedeutungsüber-
gang; siehe Versus gnomici xiv, n 84 güd sceal in eorle, wig ge-
weaxan, and wif gepeön leöf mid hyre leödum. — hröf kann
984 (im glossar falsch 894) nicht 'dach' heifsen : siddan — ofer
hedhne hröf hand scedwedon, feöndes fingras, d. i. Grendels, es muss
hier das innere des hauses bedeuten , wie es ja auch einmal durch
camara glossiert ist. — hwil. nicht nur lange hwile, auch hicile
scheint diu zu heifsen, siehe 105. 152; siehe prdg. — über ge-
hydan siehe oben s. 169. — langsum wird wie in den Wörter-
büchern durch 'lange', 'immerwährend' gegeben, obwol 134
diese bedeutung sehr wenig passt. nach der ersten untat Grendels
sind die Dänen bekümmert : wces pcet gewin tö sträng, lad ond
langsum. darauf folgt, dass Grendel in der nächsten nacht wider
mordtaten verübte, noch weniger angemessen ist die bedeutung
diuturnus im Runenlied 21 :
Lag\i byd leödum langsum gepöht,
gif hi sculun nedan on nacan tealtum
and hi scej/da swide bregad
and se brimhengest bridles ne gymed.
da in langian, langod die bedeutung desiderium, aerumna vorliegt,
so ist es wol gestattet, diesen begriff auch bei langsum anzu-
nehmen. — ledn 1810 kann ganz gut 'geschenk', nicht 'lohn',
heifsen , wie Heyne-Socin vermuten ; siehe Genesis 258. 2933. —
gemcenan 1102 ist nicht notwendig als eine sonst im ags. nir-
gends belegte ableitung von mdn (inquinatio, scelus) zu fassen,
wie es Grein und Heyne-Socin tun. 'sie, die Friesen, sollten es
nie erwähnen, wenn auch (pedh) sie (die Dänen) nun einem
fremden herren folgten.' pedh ist vielleicht hier gemeint wie
das ahn. pött, als einleitung des objectsatzes, siehe Anz. xni 247 f,
BEOWÜLF ED. HEYISE-SOCIN 193
WO noch ein l)6lt in der bedeutung 'wenn' hinzuzufügen wäre,
Thidhreks saga s. 310 c. 362 illt eina man af standa, pott er faret,
und eines, das durch 'als ob' zu übersetzen ist FMS 2, 150 en
vel djarfliga. pcptti mer pit snceda, pö at pit vwrit med öllu
ührceddir menn ok med vinum komnir; siehe auch FMS 7,207
und FMS 2, 59. letzleres beispiel ist bei Cleasby-Viglusson fälsch-
lich unter der bedeutung although angeführt. — genehost 795 wird
zu eorl Beöwulfes gezogen und von Grein und Heyne -Socin er-
klärt als 'mancher von Beowulfs mannen', allein dann stände
wol eorla, und der begriff 'mancher von Beowulfs mannen' kann
schon in eorl Beöwulfes liegen, vgl. 1241
Beörsce(dca sinn
fus ond fdge fletncste gebedg.
Setton htm tö hedfdon hilderandas,
hordwudn beorhtan ; [idr an hence icces
1245 ofer a>delinge ydgesene
headostenpa heim, hringed byrne,
precwudn prgmlic. wcüs pedw hyra,
p(Bt hie oft wdron an tcig gearwe —
dh. die beiden legten sich zu bette, — vor dem besuch von
Grendels mutter — , zu häupten ihre waffen , die Schilde, die
helme, die hämische, die lanzen. ofer cedelinge 1245 heifst
also 'über den kriegern', nicht 'über dem' oder 'über einem der
krieger'. im glossar wird cedeling (unter wdeling) zwar auf
Beowulf bezogen, der ist aber gar nicht im saal, s. 1300. — bei
sin wäre zu bemerken, dass es sich auf ein feminines subject
beziehen kann wie 1507. — prdg. der adverbielle accusativ
präge 87, pd se ellengcest earfodlice prdge gepolode, heifst viel-
leicht 'lange zeit' wie in ^Ellreds Metra 1, 28. die Römer sind
von den Goten unterworfen, neigen sich aber den Griechen zu:
stöd präge an pdm , peöd wws gewnnnen wintra menigo , öd pcet
Wyrd gescrdf, pcet pe Peödrice pegnas and eorJas heran sceoldan. —
bei pCBt wird pces pe 1342 durch 'darum', 'demnach' übersetzt,
aber es heifst an der stelle, dass Grendels mutter die feiudschaft
fortgesetzt habe, poes pe pincean mag pegne monegum, se pe
cefter sincgyfan (d. i. iEschere) on sefan greöted hrederbealo hearde.
dieses /(PS /e ist durch nichts verschieden von dem bei Grein im
Sprachschatz 2, 576 angeführten , das 'wie', 'sowie' bedeutet. —
wanhyd AdA wird wol besser durch 'torheit' widergegeben. — im
artikel bewenian ist der dunkle vers 2036 dryhtbearn Dena duguda
biwenede jedesfalls nicht richtig als ein praeteritalsatz übersetzt,
das ist unmöglich, da ja Beowulf hier künftiges voraussagt. —
die gewöhnlichen bedeutungen von wig passen 2324 nicht, der
drache hwfde landwara lige befangen,
bdele ond bronde: beorges getrüwode,
wiges ond wealles.
vorher war gesagt worden, dass er noch vor tagesanbruch sich
194 BEO WULF ED. HEYNE -SOCIN
in seine höhle zurückzog, man mochte hier ein alln. fremdwort
vermuten: wig = akü. vigi 'a vantage-ground, stronghold'. hei
einem militärischen begriff kann das nicht überraschen.
Das Heynesche Beowulfglossar war, als es erschien, würklich
ein treffliches hilfsmittel , wol das beste Specialwörterbuch , das
wir besafsen. von den intimeren eigentiimlichkeiten des ae. Sprach-
gebrauchs erfuhr man aus ihm oft mehr als aus den grofsen wbb.;
so über den gebrauch von sum mit dem genitiv von bekannten
Personen (eorla sum wie mhd. ein ritter), oder widan feorh im
negativen salz in der bedeutung cefre 2015; ebenso wird auch
dceges zu fassen sein 1936 pcet hire an dceges edgum starede,
nach negativem hauptsatz. dass es gegenwärtig vielfach veraltet
sei, muss mau Sievers Zs. f. d. phil, 21, 356 ff zugeben, aber
auch abgesehen davon leidet es, da es doch für anfänger be-
stimmt ist, an einem gebrechen, es ist nirgends ersichtlich
gemacht, was gemeinags. Wörter und phrasen sind und welche
anderen nur im Beovvulf und nur an einer einzigen stelle vor-
kommen, so könnte ein fleifsiger Student, der in einer der
ersten vier auflagen des Heyneschen Beowulf unter hwcer die
erklärung des verses 3063 gesucht und sich eingeprägt hat, —
leicht zu der meinung kommen, icundur hwcer, ponne — sei ein
ganz üblicher ags. ausdruck für den gedanken 'ist es denn ein
wunder, wenn — ?' oder dass lufa, lufen sonst belegte Wörter mit
dem begriff 'lebensunterhalt' seien udgl. dem liefse sich ab-
helfen, wenn in einer neuen aufläge alles blofs im Beowulf nach-
weisbare an Worten und phrasen mit einem Sternchen bezeichnet
würde. — ein anderer mangel des buches ist, dass der leser von
der Sagengeschichte des Beowulf gar nichts erfährt, es sollte
wenigstens im personenverzeichnis unter Offa , Halga , Eadgils,
Hrodhwulf usw. auf die nordischen und englischen quellen,
welche auch von diesen personen erzählen , verwiesen werden.
Warum die fiitenzählung der hs. nicht genau beibehalten
worden ist, hat man schon bei der ersten aufläge nicht ver-
standen, die litterarische tatsache, dass, was wir einleitung
des Beowulf nennen, auch von dem Schreiber der hs. so auf-
gefasst worden, wird durch Heynes Zählung, die i für vers 1 — 52
braucht usw., verdunkelt, noch auffälliger ist die fittenzahl xxvi
zwischen 1745 und 1746 statt nach 1741. wie kann man eine
so unpassende einteilung wie die in fitten an einem puncte
corrigieren? — sehr lästig ist die von Grein, Wülcker, Zupitza
abweichende verszählung.
Wien, december 1888. Heinzel.
AMARCIÜS ED. MAMTIUS 195
Sexti Amarcii Galli Piosistiati sermonum libri iv. e codice Dresdens! A.
167» nunc primum edidit Maximiliasus Manitiüs. Lipsiae, in aedibus
BGTeubneri, 1SS8 (Bibliolheca scriptorum medii aevi Teubneriana).'
xvin und 105 ss. 8°. — 2,25 ni.
Aus den Satiren des Amarcius hatten Haupt, Büdinger ua.
schon längst einzelne stücke bekannt gemacht; der ersten voll-
ständigen Veröffentlichung aus der einzigen Dresdener hs. des
13jhs. hat sich jetzt MManitius unterzogen, nicht ohne eifer,
aber ohne glück, gegenüber einer erstausgabe liefse ich gern
jeden tadel schweigen, aber ein Ordnungsruf kommt schon allein
der anspruchsvollen, ich möchte sagen scheinheiligen arlzu, die
auch sonst sich in einzelnen gebieten der mittelaherlichen Phi-
lologie breit zu machen droht, der apparat wird mit den raüfsig-
sten dingen beschwert — ich finde hier zb. auf öiner seite stib
(hiceret, in cedere, sub iectos als lesarten der hs. für suhduceret,
incedere, suhiectos angeführt — , unter dem apparat lässt man
einen schwall sog. Vorbilder folgen, die in den meisten fällen
nur die belesenheit des herausgebers nicht des dichters beweisen
— hier wird zb. des Amarcius die laster verlachen die lugenden
mit des Tacitus nemo illic nitia ridet belegt — ; die erklärung
dagegen schweigt und, wo man sie nun vielleicht suchen sollte:
in den indices, sieht man, dass sie dem herausgeber nicht behagt
hat, dass, wo er sie versucht, er ihrer nicht herr geworden,
und mit Unwillen legt man wider einmal einen text zu den
übrigen, den der herausgeber grofsenleils unverstanden heraus-
zugeben sich nicht gescheut hat.
Was würde man nicht alles zu hören bekommen, wenn man
zb. Manitius um eine Übersetzung seines Amarcius bäte, begnügen
wir uns mit der antwort , welche eine kurze auslese aus seinen
indices gewährt (i nominum n vocum rariorum et rerum), ohne
ihm anzurechnen, dass sie unvollständig sind und dass gegenüber
einer reihe überflüssigster erklärungen (in der art von Arar
flnmen, Driades Dryades, Phelms Phoehus, cauma -/MV/iia , sin-
tagma syntagma) würkliche Schwierigkeiten meist übergangen
werden. 'Albis(?) iv252': gemeint ist die Elbe als gegend häufiger
kämpfe. 'Apollion ni 399' unter Apollo: gemeint ist ApoUyon
Apoc. 9, 11. 'Cecropides ii 589' statt Cecropidae. 'Francigenae
mares i. q. Franci iv 253': aber mores gehört natürlich zu spa-
dices, 'die rotbraunen hengste'. 'Ligures (vestes?) iv 171': aber
uiit Ligurien hat das wort nichts zu schaflen , ligurae sind ligulae
'schulibäuder'. 'Neoptolemi ludi iv 255': aber es heifst an der
stelle ' leute wie Neoptolemus' (worauf sich das bezieht, weifs
ich nicht) 'werden die spiele usw. nicht mehr besuchen.' *5e-
' in dieser Sammlung erschienen früher: Alberti Sladensis Troilus ed.
Merzdorf, Thiofridi Epternacensis Vita VVillibrordi ed. Rossberg, Christus
patiens ed. Brambs, Vitae sanctorum novem metricae ed. Barster.
196 AMARCIUS ED. MAMTIUS
verinus i 1S6': M. ahul uiclit, dass Boelliiiis gemeint ist, Amar-
cius cilat ist aus De cons. phil. im 3 ed. Peiper s. 97 f. — aus
index ii beschränke ich mich auf folgendes, 'camirns magus i 98':
sollten die Cabiren vorgeschwebt haben? A. schreibt naso camiro
dh. ctiruo , so steht caw«V- in hss. für camiir-. 'cibi iv 219 sqq.
iirsus iricins pavo olor piciis psitacus monedula' : dohlen und
papageienbraten? aber A. sagt zu dem schlemmer 'wenn dir
pavo und picus als speise gefällt, warum nicht auch pica? und
wenn du besonderes wolgefallen an speisen findest von tieren,
die sprechen können, dann lass dich von papagei und dohle
mästen.' 'elux(?) i569': A. sagt epulum pane est elucins omne
dh. elutms, wie Horat. Serm. ii 4, 16 sagt: inrigno nihil est ehitius
horto. 'glotes iv 5. cf, Ducange s. v. glos n. 3': aber A. meinte
gloc(h)es ah yXco^eg , wenn ich auch nicht weifs, wie das seltene
wort bis hierher durchgesickert ist. 'medum (raeth?) i 379':
bei A. steht der richtige und gebräuchliche nominativ medo ;
mit einigen selbstverständlichen äuderungen und richtiger inter-
punction ist die ganze stelle zu lesen: i, puer, et propolas per-
spaciare, Venit (von neneo!) ubi uinum, moratnm (vgl. Ducange),
sicera, medo. Consumat (consummat codex mit gebräuchlicher
Orthographie) Cererem sine (siue c) Dacus Saxoque potu, At (ac c)
bonns et tenuis mea pernatet exta Lieus. 'nictagis (waxätoi ?J m
809': vgl. Isidor Etym. viii 5, 62, A. hat zu Nyctages einen Singular
gemacht, 'nsias (ovoia) summus iii 323': aber gerade an dieser
Stelle ist der ausdruck nicht im theologischen sinne und man hat
zu verbinden: summus e minus uidet usias alta dominantium,
prope respicit quod paruum est. man sieht: es ist nicht gerade
ein vergnügen, aus dieser ausgäbe den A. kennen zu lernen,
auch ist die einleituug, die Haupts material und Büdingers
forschung ins breite zerrt, unergibig, das hereinziehen der Gesta
epic. Leodiensium n unbegründet, das deuten von in 732 auf die
beschlüsse der synode von Pavia des Jahres 1018 (dh. 1022) über-
flüssig, dass III 141 Henricus steht, besagt in einer hs, des
13 jhs. für die nationalität des dichters gar nichts, noch weniger
darf aus dira Sicambria ii 526 gefolgert werden, denn, wenn es
auch für Francia stehen könnte (vgl. Zs. 23, 43), was mir hier,
wo es neben Thile steht, unzulässig scheint, so war das beiwort
vielmehr aus Juvenal 4, 147 zu erklären, der dichter, der mit
solchem schwung und mitunter so hinreifsender beredsamkeit
seine bunten scenen an uns vorbeiwirbeln lässt, hätte ein besseres
Schicksal verdient, versuchen wir in der kürze ihn näher und
besser kennen zu lernen.
Alles was wir von Amarcius wissen, wissen wir durch ihn
selbst, auch die angäbe seines geburtslandes bei Hug von Trim-
berg muss ich so ableiten. Hug sagt Reg. ed. Huemer v. 503 von
ihm: Turiaca prouinda secus Alpes natus. Theodorich Engelhus
im 15 Jh., der den Hug nachweislich kennt, versteht unter diesem
AMARCIUS ED. MAMTIUS 197
seltsamen ausdruck Zürich, xMBüdinger verbessert Curiaca und
rät aus dieser gleichfalls unmöglichen form auf das Churer bistum,
M. verklitlert Hug und Engelhus, die er für zwei zeugen hält,
um A. nach dem Thurgau zu verweisen, aber Hug, der den
A. oder auszüge aus ihm vor sich hatte, hat sich seine angäbe
aus I 352 zurecht gemacht, wo er, wie wir in unserer hs., las:
nee tu turiace, labes deterrima, penne . . . aberts. er hat geglaubt,
der dichter habe damit seine heimat bezeichnen wollen, etwa wie
wenn CatuU gedroht hätte: Caesar, non effugies Veronenses iambos.
und wie nun auch A. schrieb — ich halte es für möglich, dass
er theriac^ gewagt hat — , aus dieser stelle gewinnen wir nur
die erkläruug für Hugs Irrtum, wir wissen nicht, woher A.
stammt, wir können es auch gar nicht wissen, da er wie andere
Zeitgenossen mit uns versteck spielt, er behauptet, der Sextus
Amarcius Gallus Piosistratus (doch wol aus Pisistratus umgebildet)
zu sein, sein freund, vielleicht sein lehrer, dem er das gedieht
widmet, ist ihm der Candidus Theopystius (dh. Theopistus) Alchi-
mus. hier erklärt er wenigstens den ersten namen i 2 ff und
IV 304, wo zu lesen longos miror sapientes albos, andaces non
iure — calumnio nigros. ein anderer gelehrter wird von ihm als
Euphronius eingeführt (iir c. V ff) : paruus ego uidi, certa si mente
recordor, Enfronium; Büdinger AD s. 11 hält ihn für den Tourser
bischof und findet die nun folgenden verse, die dem Euphronius
in den mund gelegt werden, sehr schön, aber ihr stil ist der
des A. und so, wie ui 719 geschieht, konnte im 6 jh. nicht
über wunder gesprochen werden : es ist A., der sich hier mit
neuer autorität umhüllt, doch scheint mir, als liefse er wenig-
stens etwas über seine äufsere erscheinung verlauten in den
Versen iv 295 — 302, die einem einreder longiis Yperephanes
(vgl. vTtEQTicpavog) zuzuweisen sind.i ob man aus i 7 auf ein
früheres gedieht des A. mit Büdinger und M. schliefsen darf,
bleibt sehr zweifelhaft, das natürliche ist doch wol, zu verstehen:
nimm dies gedieht , was ieh dein sehüler , zarter Jugend uneingedenk
im vertrauen auf den herren gewagt hatte und dies auf das vor-
liegende zu beziehen, über seine zeit verrät uns A. wenig.
Heinrich m wird iii 141 als Romane seeptriger areis erwähnt und
seine milde während einer hungersnol gepriesen, diese hält
Büdinger wol mit recht für die des jahres 1044. aber das fol-
gende (v. 145 tempore quo — 149 aluisse dicitur — 150 niger
donec discesserat atums — 154 tempore eodem) zeigt, dass dieses
jähr und vielleicht schon lange abgelaufen ist; daher werden
wir Romano seeptriger arcis auch bestimmter als imperator oder pa-
* zu lesen ist : 'nugaris agagiila' longus Inquit Yperephanes. 'quid t.
p.r.? Nil quod perdat liabens latronem non timet? at (et c) nil prorsus
ais eqs.' und '"respue opes falsas, fuge ceca negotia mundi" Quid tantum
garris, homo mensure tripedatis? Raro breues humiles uidi rufosque
fideles.'
198 AMARCIUS ED. MAMTIUS
tricius Romanorum lassen müsseu, und also das gedieht frühestens
1046 ansetzen dürfen, auch sucht Biidinger nur zu gunsten einer
anderen Vermutung die abfassungszeit niöghchst herabzudrilcken.
Adehnan von Lültich soll in seinem Rhythmus B .3 auf Amarcius
III 157 anspielen können, wir wissen jetzt, dass Adelman diese
zweite fassung seines Rliythmus zwischen 1040 — 1057 aus Speier
an Berengar sandte (vgl, JHavet in Notices et documents p. pour
la soci6t6 de l'hist. de France, Paris 1884, s. 78), und an und
für sich könnte also Büdingers Vermutung auch für unseren an-
satz bestehen bleiben, doch hat sie entschieden an kraft ver-
loren, nachdem wir die erste fassung Adelmans (1028—1033)
kennen gelernt haben , wo der betreffende ausdruck schon so weit
vorgebildet ist, dass wir ihn in der zweiten nicht mehr im sinne
Büdingers fassen können, immerhin bleibt die anführung Speiers
III 157, die zu gunsten des Wortwitzes — Spire, grauis est ubi
spirittis (iure — mit würklichem namen geschieht, höchst be-
merkenswert, ich halte es nicht nur für möglich, dass A. aus
der Speierer schule hervorgegangen ist, sondern auch für glaub-
lich, dass er ihr noch angehörte, als er seine sermones — denn
dies ist der unumstöfsliche titeP — verfasste. freilich: ein un-
vergleichlich viel begabterer schüler als vordem Walther wäre er
gewesen, von den römischen Satirikern, deren verstechnik er
auch — die fesseln der leoninitas abstreifend — nachahmt, hat
er sich eine prickelnde und sprunghafte spräche abgehorcht, die
durch immer neue einfalle, zwischenfragen, anecdoten reizt,
mitunter erscheinen die laster, die er bekämpft, in fast zu
glänzenden färben ; der zorn des schelters weicht dann unver-
merkt dem liebevollen Verständnis, wie es etwa der söhn ritter-
licher eitern im geheimen dem prunk und der behaglichkeit seiner
standesgenossen noch entgegenbringen mochte (vgl. Büdinger im
Anzeiger für schweizerische geschichte 14, 91 f). seria ridkulo
quid obest sermone notare fragt er iv 433 : ich will zugeben , dass
unter diesem schild auch manche geschmacklosigkeiten unter-
gelaufen sind.
Aufklärungen und Verbesserungen wird jeder leicht geben
können, auch will ich nur vorläufig dem Verständnis etwas zur
hilfe kommen, eine einheitliche quelle liegt iv c. ii De xii lapi-
dibus et misterns eorum, zu gründe; aber nicht Plinius HN, wie
M. annimmt, das thema ist seit dem hl. Epiphanios im mittel-
alter sehr beliebt (vgl. die tabelle bei Pitra Spicileg. Solesm.
II 345), A. stimmt genau mit des sog. Marbod ausdeutung der
steine bei ßeaugeudre s. 1681 ff, geht aber stellenweise auch mit
der prosa (dh. dem rhythmus) des sog. Marbod ebend. s. 1679
(vgl. M6m. de l'ac. des inscr. xxxi 1 s. 89), sodass wir für
* dies ergibt die Übereinstimmung des Marienfelder cataloges mit Hug,
dessen v. 512 beiläufig so zu verbessern ist: e (et c) quibus in uarios ser-
viones suhdiuisus. [im A. in 141 las Hug jedesfalls nicht tercins.J
AMARCIUS ED. MANITIUS 199
alle drei eine gemeinsame vorläge anzunehmen haben, ein bei-
spiel :
Amarcius Marbodi mystica applicatio Marbodi prosa
Celesti solio similis sapphirus celi colorem habet ; sapphirus habet
saphirusmemoratur; significat illos qni adhnc in speciem celesti
Iste figurat eos qxii terra positi celestibus inten- throno similem
Pauli dogma sequen- dunt . . . itixta illud: nostra eqs.
les Dicunt: in celis autemconuersatioin celisest.
est conuersatio
nostra.
auch sonst benutzt A. physiologische quellen , zb. (u 496 pan-
therQ ad nocem macuJoso confluit omnis Bestia, tortus item sub
tofis se draco condit, Cum tarnen ingentes barros necet et cocodril-
lum (crocodillum mit iM. zu ändern liegt kein grund vor); vgl.
zb. Dicla Crisostomi im Arch. f. künde österr. geschichtsquellen
v 553.
Eine gewisse belesenheit zeigt er in medicinischen dingen,
vgl, die Zusammenstellung von M. s. x f. sicher ist, dass ihm
Serenus S;immonicus vorlag, wie ii 573 nt ouis lexiua admixtis
auf Ser. Sam. ed. Baehrens v. 795 zurückgeht: tum lexiua (so
die hss.) cinis ceras dissoluit et oua admixtoque oleo und auch
angnina iv 482 für angina sich wol so erklärt, daneben war
ihm ein, vielleicht versificiertes, glossar zugänglich, doch finde
ich nichts ganz entsprechendes, aufgefallen ist mir iv 418 da
cardiaco piponellam: tiauseat; gewis ist die pimpernell gemeint,
die aber A. wol pipenella nannte, die gebräuchliche form ist
pimpinella (sog. Macer, Matlhaeus Sylvaticus, Bartholomei sino-
noma), aber auch Hildegard schrieb bibinella (Physica in c. 139,
Strafsburg 1533, s. 60) vgl. mhd. bibenelle und DVVß i 1806; was
für die etymologie beachtenswert ist.
Zum text bemerke ich folgendes, i 4 gehört ein komma
nach niteas. 68 petere ut (ac c) peterentur. 77 lupiim ist
richtig, (\h. nitam lupinam. 1^0 protendant (procedatit c). 130 cwi
cuins casus querenti uerbera 'neutri' Reddit dh. 'nulli' respondet.
185 quod dictu (dictum c) scelus est. 250 lama uie similis (si-
miles c). 256 Farmacopolarum ( Parmacopolarum c). 267 quire
richtig, infinitiv von queo. 311 nach nullus fehlt der punct, der
dichter ändert absichtlich den Wortlaut seiner Vorbilder (hier
nalürlich Persius). 360 transuerberat hasta, Blandius effusam
(effusum c) detentans uulnere ceco Palpitat. 368 appetit hastili
ueribusque (uiribusque c) premit. 369 duplicis iuris: Horat. Ep.
I 252. 387 scrobe für scobe — vgl. Horat. Serm. ii 481 — kann
richtig sein. 388 esuriam (esuriem c). 411 coro (chorffc). nach
412 wird etwas fehlen, aber 413 ist an dieser stelle ganz pas-
send vgl. Büdingers Übersetzung in AD und im Anz. 420 tacta
(casta c). 423 torcela? (torrela c). nach 436 fehlt ein vers im
sinne etwa von: haud secus obstupeat, testudine cum canat nna.
200 AMARCIUS ED. MAMTIÜS
für die hier folgende spielmanuepisode hat schon Scherer QF xit 16
darauf hingewiesen, dass aufser dem leich vom schneekind (A. 440
nt simili argiitus nxorem Siieuulus arte Luserit = MSD xxi, Cam-
bridger lieder xiv) noch zwei der spielmaunsheder (A. 441 utque
sagax nudauerat octo tenores Cantus Piftagoras et quam mera nox
Philomeni} , wofür M. ohne grund Pliilotnel^' setzt) sich in der
Cambridger Sammlung (xxiv und xxvn) finden, und er hat daraus
einen unabweisbaren schluss auf das alter der vaganten gezogen.
ich wage noch weiter zu gehen: wenn dieser iocator (A. 424)
des 11 jhs. seinen Vortrag mit einem lied über Goliath anhebt
(A. 439 straiierit nt grandem pastoris funda Goliath), so stehen
wir auch hier einem würklich von seines gleichen gepflegten Stoff
gegenüber; und entweder hat dieser später auf die benennung
'goliardus' eingewürkt oder schon damals war dieser name in kraft
und veranlasste die spielleute, sich eine beziehung auf Goliath zu-
recht zu machen. 523 are ist natürlich (h)ar^. 559 sohim richtig.
n 44 dextramque (dextraque c). 81 inbnit, ut und punct
nach se. nach 85 ist der punct zu streichen. 129 die kenntnis
aus Vergil Ecl. vu 33. 162 fib'us est hominis; super omnes arbiter.
167 ist zu lesen: 'numquid' ait 'dicet Sion: homo , natus in illa
est Hie homo, pre cunctis celsus fundauerat ipsam?' nach Psalm.
86, 5. 174 quondam [nam] Inda (in da c). 267 sed et Ulis,
Que sine fine manent nee torpor detinet ullus, Presit. 269 spe-
culare (stipulare c). 302 das citat (Ezechiel 3, 18) geht erst
302 zu ende, der Christ führt es an und fügt hinzu: hoc quantum
ualeo sequor eqs. — inntiliter, darauf erwidert der Jude: nauci
tna uerba uidentur : Nam solet esse tibi sus, qui non ruminat (vgl.
Leuitic), esca (M. verbessert escas!) nee azima snmis (su-
mas c) Nee mactas (mactes c), macht ihm also zum Vorwurf, dass
er seine worle v, 304 nicht ernst nähme, darauf der Christ:
gens inproba. 310 agmim richtig; quid obicis: was wendest du
mir ein? 353 nach ydram punct und dann: et qiiot uirtutes
gessit, tot energia (was allein richtig ist) c^pit Flaminibus cur^
puluillos atque tapetas sternere. 361 ist nicht aus Persius, sondern
Ovid Art. am. i 563, ebendaher auch die Memallonides , wie A.
schreibt. 425 Qui (wie) . . . bidentes? 472 nach exteriores ist das
komma zu tilgen und eines nach somnum einzufügen. 487 lasciuia
uite (in te c). 489 sola anima fusa gehört zum folgenden. 497 *we-
potem Indutnmque stola' rodens conuicia (conuiuia c vgl. etwa Pers.
iiiSl). 510 ef cum uulga(uulgi c) leuis parui pendentibus ipse Sitpo-
pulis. 513 bubus non cedens (? capiens c). 582 Samaria (samarie c).
bSQ queror, was M. vorschlägt, ist metrisch unstatthaft, das ganze
doch auch oflenbar so zu gestalten: tmlhis desperet, cum uerba
salutifer ore Dixerit isla deus: 'non qu^ro desipientis Interitum;
prauo diuertas tramite, malo (hierfür vgl. Psalm. 33, 15). 589 se-
dauitque strophas Tuscorum (was ich aber nicht verstehe) et Ce-
cropidarum, stoica.
AMAKCIUS ED. MAMTIL'S 201
III 53 tarmtis ist durchaus richtig vgl. Loewe Prodr, 288.
88 Spiritus at noster, si a uero poscit amari Melchisedech , fuget
hos. terrenis namque (ter senis atque c vgl. iv 265) trecentis Inmo-
derata liyant uiciosos uinda: tenetur. 9A farsa (fulsac). 109 in
cenum, quäle exercere cauillum in polletite solet darum prope
dogma Boeti (gemeint wol De cons. ii 2 s. 27, 27 ed. Peiper),
Fortlina uertente rotani, quia. 119 trima (trina c). 124 ignaris
uerbi Graecorum 31HJEN AlAN (MHAAFA nam c). quid
Ergo? 128 nach hiare fehlt das komma. 204 ist scedula richtig? ich
erwarte etwas mehr Hor.Serm.ii 5,83 entsprechendes. 214 qnan-
tnm a boglosso (ab oglosso c) Lethea papauera distant. 226 nach
flammigeras ist das komma zu tilgen. 245 nee (ne c) C^sar.
256 Danaen (danen c, was auf rechnung des abschreibers kommt,
der ae für e fasste). 266 aus Pers. v 37 misverstanden? 268 nunc,
age, Nasoni, nunc Gallo, nunc luuenuli Et Parce yarcant et Gratia
Sit pia; uerum. er sagt gerade das gegenteil von dem, was ihm
die einleitung s. xv zuschreibt. 294 scis quid ad hoc reddo'? :
centum sibi musta propinent, Fercula; reddere sieht wie öfter für
respondere. 301 er^t nach ille ist die frage zu ende. 307 inter-
ficerentue ist durchaus richtig, subject sind die Verfolger: der
herr der sclavin, der auch 312 subject ist, und die Saracenen.
328 uno Ignoscit puncto. 336 quod si blanda dei nostris seclu-
dere uerba Auribus audenms, iam non mulcendo minatur. 343 non
te titillet reuerentia uana uocatus (genetiv); quisquis es, adtendas
(ad t<^das c), ne scite (?si te c). 362 ut (aut c): beginn des
gleich nisses. 367 acclini iiespere steht für inclinato die. 378 in
codice . . .'uita patrum' dicto. von 383 — 395 ist der Vordersatz
eines gleichuisses: vor cum gehört ein komma, nach 386 komma
statt punct, ebenso nach 388, 390 und 393. 414 nach uigilo
gehört eine stärkere interpunction. 416 h(^c (nee c). titel vor
419 extollentia statt excellentia. 446 tollas ist richtig vgl. Goetz-
Gunderm. Gloss. lalino-gr. 198, 58 To jlae TtaQia-d^uia. 467 für
catienis weifs ich etwas wahrscheinliches nicht, aber ymni ist
jedesfalls v^ivsl. nach 538 ist das komma zu tilgen. 546 hominis.
Vituli und 550 temnunt. In. 551 aquile, sie. 553 frequentet
(frequentat c). 564 exue te mundo, cursantem ad gaudia ne te
mundus prepediat. 647 nach constant steht fälschlich ein komma.
682 amor est perfectio uit^." Ecquis (Et quis c) amor? 730 uigere
(uidere c). 827 in libris studeat, monim sapientia lux est. 845 cate-
zizet ist durchaus richtig. 872 sanct^ . . . uit^ (sancta . . uita c).
879 nach ignorans ist das komma zu streichen. 885 vor sobrius
gehört ein komma. 956 talia principibus, uos ipsos reddite Christo.
Nach IV 175 ist die starke interpunction zu beseitigen, der
nachsatz beginnt 177. 197 ad lucem, quem, \98byrro (bysso c)
vgl. Ducauge unter birrus. 199 crisii ist grisii vgl. Ducange unter
griseum. 200 gulis vgl. Ducange unter gula 1. 205 'mandite'
dicat, Reddas: 'non uaporet.' dann antwortet der keilner
A. F. D. A. XV. 14
202 AMARCIUS ED. MANITIüS
'lOS'cum — anatesqm\ wonach kein fragezeichen gehört. 210 bis
217 spricht der herr, 218 — 220 doque der kellner, 220 tm?e? —
haberem der herr. dann setzen die glossen des Satirikers ein.
nach 221 gehört korama statt fragezeichen. 227 — 233 wendet
wider der schlemmer ein, 230 ohducit nummos, 've vappf dici-
lur 'Uli'. 232 mit bezug auf Horat. Serni. ii 5, 7 ? 265 viel-
leicht bo[trion]es siehe Loewe Prodr. s. 78. 267 qui uis statt
quiuis. 307 fugitabü (fugit aie c undeutlich). 308 nnquam (ini-
que c). 314 — 315 spricht der einreder. 323 sernit ist richtig.
347 aries (?hiaros c). 353 sagt der einreder. 370 salamandra
(vgl. zb. Isidor Etym. xii 4, 36, salamandria c). 383 uirtns qnqque
(quoqne c). 402 — 410 worte des eiureders, ebenso 414 — 421 coti-
trahit. 426 fingas (fingis c). 429 cecuba (cecula c). 432 reddit ut
(reddat et c). 455 tecum sie (sis c) ais. 468 scilicet irrisus non
fastidire nel ictus: S[pi]nis i[n]tactus hicratur gaudia nemo Nee
[nisi a]go[nibus hi]nc certantem laurea cinget.
Ich schliefse mit einem lob: die ausgäbe ist fast druck-
fehlerfrei, nur ist iii 608 deducens statt delucens, ebend. 623 fru-
nus statt pimis, iv 496 sarcofagis statt sacrofagis zu lesen, auch
ist wol s. 79 nur aus versehen auf den text, statt auf die an-
merkungen von MSD verwiesen.
München, im december 1888. Traube.
Altdeutsche predigten, herausgegeben von Anton ESchönbach. zweiter
band: texte. Graz, Verlagsbuchhandlung Styria, 1888. xiund328ss.
gr. 8°. — 9 m.
Der plan , welchen Schönbach s. xvi f des ersten bandes
entwickelte, hat eine erweiterung erfahren, die wir uns, mag
auch die geduld auf eine kleine probe gestellt werden , gern ge-
fallen lassen, schon für bd. 2 waren uns Untersuchungen über
die geschichte des älteren predigtwesens versprochen , für welche
sich der hg. durch die Veröffentlichung der grofsen Leipziger hs.
760 den weg freigemacht und einen genügend breiten Unter-
grund geschaffen zu haben glaubte; bd. 3 sollte dann den rest
des ungedruckten materials vereinigen, diese einschaltung der
forschung zwischen das textmaterial war gewis nur in der ab-
sieht geplant, das Interesse für ein so grofs angelegtes unter-
nehmen nicht ermatten zu lassen, und wir begreifen, dass sie
nicht gut aufrecht zu erhalten war. nunmehr sollen wir statt
der angekündigten zwei textbände deren drei erhalten, die einander
folgen, während die Untersuchungen an den schluss treten, der
vorliegende band bringt uns abermals nur den Inhalt einer einzigen
hs. (cgm. 74), bd. 3 wird das predigtbuch des priesters Konrad
enthalten, von dem wir bisher nur die von Johann Schmidt
(Wien 1878) veröffentHchten proben kennen, von den sonstigen
SCHÖNBACH ALTDEUTSCHE PREDIGTEN IF 203
'kleineren predigtsammlungen' (1, p. xvii) ist vorläufig (2, p. v f)
nicht mehr die rede.
Die Oberallacher predigtsammlung des cgm. 74 (ca. 1300
geschrieben) ist ebenso wenig wie die Leipziger hs. des vorigen
bandes eine unbekannte, schon einer der ersten gelehrten,
welche sich mit altdeutschen homilien abgegeben haben , KRoth,
zog die Münchner hs. 1839 zur ergänzung seiner altertümlichen
Regensburger Fragmente heran, nachdem sie Schmeller eben erst
hervorgesucht hatte, neuerdings hat dann — nachdem Cruel
s. 191 an ihr vorübergegangen war — der Münchner stiftsvicar
dr Linsenmayer in seiner Geschichte der predigt in Deutschland
von Karl d. gr. bis zum ausgang des 14jhs. (München 1886)
s. 291 — 297 wie andere Münchner Sammlungen auch diese ein-
gehender besprochen, es sind nach Schönbachs Zählung 64 (von
ursprünglich 66) homilien von der allegorisiereuden art wie sie
im 12 jh. durchaus vorherseht; predigten auf die sountage und die
grofsen feste des kirchenjahres, von Stephanus und Johannes ev.
abgesehen , die in die Weihnachtszeit fallen und in gröfseren
Sammlungen selten fehlen, ist kein heiliger bedacht, die predigten
für sich betrachtet werden der mebrzahl der leser ein sehr ge-
ringes inhaltliches' und auch kein besonderes stilistisches Interesse
darbieten.
Es würde mithin dieser band in der tat geeignet sein , selbst
auf die besonderen freunde des Unternehmens ermüdend zu
würken, wenn nicht der herausgeber unter dem bescheidenen
litel 'anmerkungen' die lateinischen quellen in so umfassender
weise aufgedeckt und zum abdruck gebracht hätte, wie es bisher
noch für keine predigtsammlung auch nur annähernd geschehen
ist. verhielten sich im vorigen bände die 'anmerkungen' zum
text wie 1:6, so ist das Verhältnis diesmal 4:5, auf 173 selten
text erhalfen wir 135 selten quellennachweise. für 57 von den
64 predigten ist die sichere quelle gefunden, der rest muss sich
einstweilen mit fragmentarischen nachweisungen oder mit der
angäbe nahestehender lateinischer Fassungen begnügen, unauf-
gedeckt bleibt einstweilen auch die quelle von nr 23, wo (s. 62, 2)
von den heidnischen Winden und Nortmannen die rede ist. unter
den ausgeschriebenen homiletikern steht Haymo von Halberstadt
obenan : er wird für 36 nummern herangezogen ; in weitem
abstand folgen Beda, Gregor, Rabanus Maurus, Hildebert von
LeMans, Hericus von Auxerre (den anscheinend unausrottbaren
druckfehler A7ittssiodorensis statt Autissiodorensis macht auch
Schönbach s. 291. 303. 326 mit).
Der prediger citiert kirchliche autoritäten nur in ganz wenigen
fällen und bot seinem herausgeber bei der quellensuche keinerlei
1 ich habe mich vergeblich bemüht, in der rein biblischen Schilderung
145, 2 ff ein bild der Übeln zustände aus der eigenen zeit des predigers
zu entdecken , wie die anm. s. 288 behauptet.
14*
204 SCHÖ^BACH ALTDEUTSCHE ^^EDIGTE^ H
Erleichterungen, w'w erkennen das verdienstliche dieser ungemein
mühseligen nachlorschungeu dankhar an und ihr ergebuis genügt
völlig, um jene stilgeschichllichen Untersuchungen anzustellen,
zu denen die älteren predigten einladen: denn nachdem wir uns
lange genug mit dem hlofsen Schlagwort vom eintluss der predigt
auf die poesie und wenigen gelegentlichen eiuzelnachweisen für
diesen Zusammenhang begnügt haben, brauchen wir jetzt arbeiten,
welche uns genauer darüber unterrichten, in welcher weise das
kirchliche latein durch die ältere übersetzungspredigt auf die aus-
bildung des poetischen ausdrucks und Sprachschatzes gewürkt
hat. dazu, wie gesagt, sind jene Schönbachschen quellenstudien
die wichtigste Vorarbeit, was aber den kirchlich-lilterarhislorischen
teil der aufgäbe anlangt, so würde er nicht ganz gelöst sein,
auch wenn Seh. uns noch die letzten sieben predigten quellen-
mäfsig aus den kirchenvätern belegte, die litteraturgescbichte
der kirche kann eine durchforschung der zahlreich vorhandenen
lateinischen predigtmagazine , w eiche mit ihren kürzungen und
zusammenschweifsungen vielfach die Vorstufe deutscher predigt-
bücher gewesen sein müssen , nicht entbehren. Seh. selbst ist
offenbar in dieses dickicht noch nicht weit vorgedrungen und
wir germanisten wollen ihn dazu wahrlich nicht drängen, im
gegenteil wünschen , dass ihn der schöne eifer für die von
philologischer seite lange vernachlässigten predigtstudien nicht
allzu weit abführe und allzu lange fernhalte von würdigeren auf-
gaben unserer litteraturgescbichte.
Die predigten dieses bandes sind gleich der überwiegenden
raasse der deutschen predigten des 12 jhs. bairischen Ursprungs,
und da sie uns auch durch einen bairischen Schreiber über-
liefert sind, so ist der zustand des textes weit besser als bei
den im vorigen bände abgedruckten, die mindestens Einmal in
einen anderen dialect umgeschrieben waren, die altertümlichen
bruchstücke Roths, so weit sie mit predigten unserer Sammlung
zusammenfallen, und ein ähnlich altes fragment aus den Fund-
gruben I 69 werden unter dem text vollständig abgedruckt, diesen
Oberaltacher text hat Schönbach au der band der quellen sorg-
fältig revidiert, doppelschreibungen beseitigt, kleinere lücken
ausgefüllt und in einzelnen fällen auch die conjectur eintreten
lassen, im vorwort weist er die forderung einer mehr kritischen
behandlung, wie sie Steinmeyer und ich erhoben hatten, nach
nochmaliger erwägung ab, hält aber leider mit seinen gründen
zurück, ich muss meine einwände im wesentlichen aufrecht er-
halten, wenn sie auch für den vorliegenden band nicht in dem
gleichen mafse zutreffen, bd. 1 bot durch eine reichere Über-
lieferung die möglichkeit, von einzelnen predigten kritische texte
herzustellen , und ich bezeichnete dies als wünschenswert, ja im
Interesse der predigtgeschichte notwendig: wenn wir den predigten
einmal so viel mühe und arbeit zuwenden, so weifs ich wahr-
SCHÖNBACH ALTDEUTSCHE PREDIGTEN II 205
lieh nicht, warum wir ihneu schliefslich die eigentliche philo-
logische kiiust versagen sollen, in dem vorliegenden bände Irei-
lich ist zwar genügend controlmaterial aus älteren hss. gegeben,
um den zustand der Überlieferung in der jüngeren haupths. im
allgemeinen zu beurteilen, aber nirgends reicht das hsliche ma-
terial zur herstellung eines kritischen textes aus. lehrt uns nun
fast jedes alte hruchstück fehler des jüngeren textes erkennen,
welche ohne diese controle vielleicht unbemerkt bleiben würden,
so schupft Schönbach daraus ofTenbar die mahnung, das bild der
Überlieferung vorsichtig zu bewahren, ich im gegenteil nehme
daraus den antrieb zu um so gröfserer aufmerksamkeit, um nur
ja dem unachtsamen Schreiber möglichst wenige fehler hingehen
zu lassen, vor allen dingen muss ich jetzt wie früher die nach-
sieht gegen orthographische Unarten und misgriffe des Schreibers
bekämpfen, will mich aber diesmal mit einem einzigen bei-
spiele begnügen, die vorläge der hs. schied consequent teer-
ten, geiDorven (got. hvairban, hvaurbmis) von icerfen, geworfen
(gol. vairpan, vaurpans) und auch unser Schreiber macht diese
Scheidung im ganzen gewissenhaft mit: wenn es ihm nun aber
einmal passiert, dass er (168, 14. 15) geworffen statt geworven,
und ein andermal (10(3, 3), dass er ferwervent statt vericerfent
schreibt — hier ist die fehlschreibung ganz besonders deutlich — ,
so glaube ich nicht, dass unter den gründen, die uns Seh. vor-
enthält, einer ist, der ihm die beibehaltung solcher offenbaren
auswüchse gestattet, lag irgend ein mir unerfindlicher grund
vor, das bild der Überlieferung auch in solchen Zufälligkeiten
zu bewahren, so durften auch keine lücken ergänzt, keine Um-
stellungen vorgenommen werden.
Ich lasse nun wider eine kleine lese von kritischen be-
merkungen folgen; nur in einem falle bin ich im zweifei, oh
ich das mafs von freiheit, das der herausgeber sieh gestattet,
überschreite, alle anderen vorsehläge bleiben innerhalb der von
Seh. selbst festgehaltenen gränzen.
9, 31 f setze einen punet nach tcerlt und tilge den hinter
atigenge. — 32, 13 hs. daz gebet daz rein; obwol diese Wortstel-
lung 73, 11 der mensch der unser alte gegenüber der unser alte
mennisc des Rothschen fragments widerkehrt, bin ich doch der
ansieht, dass beidemal nur der versuch vorliegt, eine auslassung,
die sofort bemerkt wurde, gut zu machen, und würde mich
vor der änderung daz rein gebet nicht scheuen. — 46, 24 got
nach si ist zu streichen. — 57, 9 hs. und alles unser gewant,
Schönbach bessert nicht alles, aber nur nalUs würde hier dem
sinn entsprechen. — 88, 12 f 1. daz [ander] wip im gegensatz
zu 11 daz erst wip. — 92, 15 ist nach die waren gut hirten
sicher ein zusatz ausgefallen wie von gotes gebot. — 97, 25 er-
gänzt Sehönbach das fehlende verbum 'arguel' durch refset ; es
war straffet einzusetzen, da unser text nur dieses braucht: 44, 23;
206 SCHÜ.NBACH ALTDEUTSCHE PREDIGTEN H
56,5; (99, 10) entgegen dem altertümlichen refset dei tragmente. —
103,27 hs. nn ist nns versperret, daz wir sein nicht versten , es
war Uli nötig diu tur einzuschalten. — 122, 8 1. er hiet fumf joch
[rinder] gechauffet. — 122, 14 f 1. er hiet [ein] wip genomen. —
126, 11 f hs. die er pitet sich fnvuen, Seh. schaltet unnötig nach
pitet [daz si] ein. — 127,24 hs. dar nach wes dem notigen gut;
der adhortativ bedarf des pronomens er, das Seh. hinzusetzt, hier
wol ebenso wenig wie 134, 39 daz buzze im, 41 so chom denne. —
138, 19 hs. do diu menig goz, geändert muss hier unbedingt werden,
da 0 in der hs. wol für d, aber nie für ä steht (und ein sg. praet. äz,
wie die reime zeigen, mhd. nicht mehr existierte), also entweder gaz
oder noch besser het goz, vgl. het gaz 64, 36. — 141, 15 1. emmer
[ols] wie 142, 17. 27. 31; 143, 25 f. — 145, 7 1. dar uz tet statt
dar zütet; Seh. scheint zütet als zetet, zertet aufgefasst zu haben,
das verbietet aber \) das dar, 2) die Schreibung zu, die dann ganz
vereinzelt stehen würde. — 152, 10 1. ören statt äugen.
Zu bedauern ist es, dass Seh. diesmal unterlassen hat, ein
glossar beizugeben, wenn er meint, durch die reichUche bei-
gäbe der lat. quellen sei das Verständnis auch dem niehtger-
manisten gesichert , so trifft das keineswegs in allen fällen zu.
dann aber sollte es sich doch jetzt, wo die aussieht auf ein
neues mittelhochdeutsches Wörterbuch ganz in die ferne gerückt
ist, jeder herausgeber eines ungedruckten altdeutschen textes zur
pflieht machen , die bisher unbelegten wie die seltenen und
dialectisch interessanten Wörter wenigstens in einer knappen,
mit belegstellen versehenen liste zusammenzufassen, der Wort-
schatz zumal der loeal zu fixierenden denkmäler erweist sieh für
die heimatsbestimmung anderer, denen die herkunft nicht so
deutlieh an der stirne geschrieben steht, immer mehr als das
beste unter allen kriterien. und unsere predigten sind ziemlich
reich an mundartlich characteristisehen (ammolf, dult, lenke usw.)
wie an bisher selten oder gar nicht belegten Wörtern , sodass
ich nicht lauge geschwankt habe, mir für den privatgebrauch
ein Verzeichnis anzulegen, ich hebe daraus hervor: amügel adj.
'debihs' 122, 33. 35 (2). — berhtheit {hs. perheit) 'splendor' 6,28.
— dulttag S\, 10. \4. — ertoren als 'taub werden' 150,27. —
gebrestung 'defeetus' 53, 36. — genüge adj. 'contentus' 160, 25. —
halssleken= 'halsslagen' 53, 5. — hetigunge 'permissio' 162, 1. —
chom als gelreidemafs (1 chom weitzes = 30 mut) 141, 17. 142,
19. — lichenhaft 'inearnatus' 98, 37. 38. — luof stm. 'abgrund'
(bisher nur ans dem deutschordenslaud belegt) 100, 4. — nach-
loente (und nachwentig 124, 27) 'vicinus' 125, 9. 16.24; 126, 11.
— schrechsal 10, 9. — schrechsahmge 10, 3. — winthus 'kelter-
haus' 69,32; 70, U. 25.26.
Die fem.abstracta mit der suffixhäufung -salunge (schrecsalunge,
schuntsalunge , truobsalunge) finden sich aufser in unseren (und
SCHÖNBACH ALTDEUTSCHE PREDIGTEN II 207
den Rolhschen) predigten nur noch in den Benedictbeurer (Keiles
Specuhim ecclesiae) und im Tundalus. sie characterisieren das
bestreben der bairischen prosa des 12jhs., die mittel des ab-
stracteu ausdrucks zu vermehren, ebenso wie die beiden bildungen
auf -salin (ähtesalin, bruttesaUn) , deren sieb der Übersetzer von
Nortperts tractat bediente; auch das eigensinnige festhalten an
den gelehrt-archaischen bildungen auf -nwssjVia, wie es den Wind-
berger Übersetzer der Psalmen auszeichnet, gehört in den gleichen
Zusammenhang, leider hat die fleifsige dissertation von PWallburg
diesem interessanten werke auch nicht die durchsichtigsten ge-
Ständnisse über seine Vorgeschichte zu entlocken gewust.
Berlin im november 1888. Edward Schröder.
Studies on the legend of the holy grail wilh especiai reference to the hy-
pothesis of its celtic origin. by Alfred Nutt. London, DNutt, 1888.
XVI und 281 ss. 8°. — 10.50 m.
Ref. begrüfst freudig dies buch, welches in einer vielbe-
handellen frage die auch von ihm für richtig gehaltenen auslebten
vertritt, sie zugleich tiefer begründet und weiter entwickelt, noch
einmal erörtert es zunächst das Verhältnis der verschiedenen fas-
sungen der gralsage, welches auch der ref. stets einer solchen
erörterung bedürftig gehalten hat, trotz dem bekannten werke
von Birch- Hirschfeld, an dieses knüpft der verf, allerdings an
und gibt hier wie sonst die ansichten seiner Vorgänger ebenso
verständlich wie ungetrübt wider, aber die reihenfolge der alt-
französischen bearbeitungen erscheint in einem ganz anderen
lichte als bei Birch-Hirschfeld : es ist eine wertvolle bestätigung
der anordnung Nutts, dass Gaston Paris inzwischen zu ähnlichen
ergebnissen gelangt ist, die er teils im xxx band der Hist. litt,
de la France, teils in seiner altfranz. Litteraturgeschichte nieder-
gelegt hat. beide, N. und Paris, kommen darin überein, dass
'Chrestiens und (grofsenteils auch) seiner fortsetzer werk unter den
uns erhaltenen altfranzösischen bearbeitungen die älteste bleibt'
(siehe diesen Anz. v 87). Robert de Borron wird von GParis
§59 in den anfang des 13 jhs. versetzt: sein Perceval ist uns
bekanntlich nur durch eine Übertragung in prosa erhalten, auf
das Verhältnis der hierin ausgeführten Vorstellung, dass der gral
das abeudmahlgefäfs sei, welches Joseph von Arimathia bewahrt
habe und welches von seinen nachkommen behütet werde, z-u
der von solchen legendarischen zügen freien auffassung bei Chre-
stien und Wolfram geht Paris nicht ein , wol aber N. er
erweist die unursprünglichkeit der legende, welche er auf die
Christianisierung keltischer volkssagen zurückführt, s. 207 er-
klärt er den mit der speisegewährenden eigenschaft des grals
208 NUTT STL'DIES ON THE LEGEND OF THE HOLY GRAIL
versehenen fisch , aul welchen als ein christliches symbol so viel
wert gelegt worden ist, aus der sage von Finn, welcher einen
lachs fängt und durch dessen genuss alle Weisheit empfängt, in
der nicht legendarischen sage von der heilung des gralkönigs
fliefsen zwei verschiedene volkstümliche Vorstellungen zusammen:
die eine, welche eine geschlechtslehde voraussetzt und in dem
zerbrochenen, dann widerhergestellten schwert das symbol der
beleidigung und sühne erkennen lässt, und eine andere, die zu
den so zahlreichen entzauberungssagen gehört, vielleicht darf
man noch weiter gehn und auch diese beiden demente als ur-
sprünglich nicht zum gral und seinem kranken hüter gehörig
aussondern, der gral wird gesucht, auch gefunden, aber ur-
sprünglich immer nur auf kurze zeit, vorübergehend, scheinbar:
es ist eben ein symbol von zuständen eines goldenen Zeitalters,
etwa des sommers, welcher doch wider schwinden muss. nimmt
man an, dass es im wesen des grals liegt, immer wider verloren
zu werden, so würde sich erklären, wie so viele beiden sich an
der gralsuche beteiligen : neben Perceval auch Gaweiu , Lancelot
und wider dessen jungfräulicher söhn Galaad. dass die Perce-
valsage ursprünglich für sich bestand, als eine Version der ver-
breiteten dümmlingssage, ist die ansieht vonWHertz, der GParis
zustimmt: die englische romanze, auf welche sich Hertz stützt,
benutzt freilich das werk Chrestiens, wenn es auch selbständige
und z. t. sagenhafte züge hat; N. vermutet s. 149, dass der
dichter den gralbesuch Percevals wegliefs, weil diese episode in-
zwischen sich bereits zu eng an den namen Galaads angeschlossen
hatte, immerhin erscheint es als endergebnis der forschung, dass
die gralsage, deren denkmäler gröstenteils einen höchst auffälligen
mangel an Zusammenhang der einzelnenteile zeigen, zusammen-
geflossen ist aus einer fülle von einzelnen märchen , welche teil-
weise in der älteren keltischen litteratur nachweisbar sind oder
doch in heutigen volkserzählungen jeuer gegenden umlaufen, die
eigenschaft des grals, das leben zu erhalten oder neu zu wecken,
kehrt in mehreren und z. t. alten, vor Chrestien fallenden Zeug-
nissen keltischen Volksglaubens wider (s. 185 f): es ist ein kessel,
in welchem bald erschlagene ihr leben wider erhalten, bald auch
jeder teilnehmer einer gesellschaft seine nahrung findet, in diesem
beibringen und nutzbarmachen von sagenmaterial liegt neben der
erneuten quellenkritik ein zweites hauptverdienst von N.s buch.
es ist aber auch wegen der tieferen, poetischen und humanen
aulTassung der hierher gehörigen litteratur zu loben, gegenüber
der in England fast allein bekannten Galaadversion der gralsage
hebt N. mit tiefem Verständnis und wahrer wärme die Schönheit
der Percevalversion hervor, als deren gipfelpunct er Wolframs
dichtung rühmt, allerdings, dass Wolfram seine zutaten zu
Chrestien nicht erfunden, sondern anderen quellen und z. t.
solchen der keltischen sage entlehnt habe, ist auch seine über-
MJTT STUDIES ON THE LEGEiND OF THE UOLY GRAFL 209
Zeugung, und er bringt neue gründe dafür bei, siehe appendix
A. aber der geist, der das werk Woltrams als ein ganzes durch-
dringt und ebenso, man kann sagen in jeder zeile sich kündet,
ündet einen verständnisvollen bewunderer in dem englischen
autor. ebenso erstaunlich wie dies Verständnis unseres schwersten
dichters bei einem fremden, ist der umstand, dass dieser fremde
beurteiler zugleich inmitten anderweitiger berufsgeschäfte die
mufse zu so eindringenden Studien gefunden hat.
Strafsburg 12. 1. 89. E. Martin.
Friedrich Franz, Mythologische Studien, ii buch, abhandiung zu dem Jahres-
berichte des k. k, staatsgyninasiums im 4 bezirke Wiens für das Schul-
jahr 1888. 65 ss. gr. 8°.
Der verf. dieser Mythologischen Studien, deren erstes heft
uns leider nicht zugekommen ist, bespricht in dem zweiten 1) die
bedeutung der mythisclien handlungen für die erforschung der
mythischen wesen, 2) den weihefrühling und das königsopfer
bei den bewohnern des skandinavischen nordens und 8) den
weihefrühling und das königsopfer in Griechenland, wir glauben
uns in diesem germanistischen blatte um so mehr auf die beiden
ersten abschnitte beschränken zu dürfen, als durch ihre charac-
teristik auch der dritte genügend gekennzeichnet wird.
Da der cultus noch immer von den forschern durchweg
weit weniger berücksichtigt wird als der mythus, so ist es an
sich sehr erfreulich, wenn auch er einer eingehenden Unter-
suchung unterzogen wird, und es kann, wie namentlich Kuhns
und Mannhardts arbeiten gezeigt haben, auch hier insbesondere
die vergleichende methode manche Schwierigkeiten vermindern,
ebenso ist es anerkennenswert, dass der verf. zunächst die culte
der beiden in frage kommenden vülker, der ^'ordgermanen und
der Griechen, für sich gesondert betrachtet, und niemand wird
seine hoffnung für unberechtigt halten, dass man, wenn es ge-
lungen sei, die bedeutung der gottesdienslhchen handlungen zu
ergründen, um so leichter zur erkenntnis der mythischen wesen
vorzudringen vermöge, denn gevvis ist der mythus mit dem
cultus auf das innigste verwachsen, aber — und hier gehen
unsere wege aus einander — der mythus ist nicht, wie der verf.
wähnt, ein mehr oder minder verhüllter ausdruck des cultus,
sondern umgekehrt, so wenigstens lautet die regel, die aller-
dings ausnahmen erleidet.
Der nach menschlichen lebensbedingungen geformte natur-
mythus kann selbstverständlich auch die vom menschen beim
gottesdienst beobachteten cultusformen in sich aufnehmen , ja
unter seinem eintluss können sich ältere cultusformen in neuere
mit neuem sinne erfüllte formen des Gottesdienstes verwandeln.
210 FRA>Z MYTHOLOGISCHE STUDIEN
wie ich diese wechsehviiikuug bei der wasser- und teuerweilie
des neugeborenen golies, heroen und menschen in den Indo-
germ. mythen 2, 511 darzulegen versucht habe, man muss noch
mehr zugeben, nämlich dass bei verschiedenen indogermanischen,
uamenllich den arischen Völkern, in der tat aus dem cultus
heraus neue mytheu erwachsen sind. Craosha, die andacht, ist
bei den Iraniern zu einer göttlichen person geworden und die
Inder haben einen grofsen teil ihres opferritus in mythologie
umgesetzt, der römische cultus heidnischer wie christlicher Ob-
servanz hat gleichfalls zu neuen mythenbildungen anlass gegeben,
aber diese aus späten mythenstudien geschöpften Wahrnehmungen
stofsen den obigen satz nicht um, dass die grofse masse aller,
mafsgebender mythen sich aus dem seelenglauben und zu gleicher
oder fast gleicher zeit und in noch viel reicherer fülle aus der
poetischen anschauung der natur entwickelt habe, um darauf im
cultus wenigstens teilweise dargestellt zu werden, der alte cultus
ist ein vielfach gebrochenes und unvollständiges Spiegelbild des
alten niythus, uns aufserordentlich wertvoll, weil es in der regel
länger und fester dauert, als der so viel stärkeren Schwankungen,
trübungen und Vermischungen ausgesetzte mythus.
Der verf. sieht sich aber cultus und niylhus nicht nur unter
einem falschen gesichtswinkel, sondern auch in einer falschen
beleuchtung an, derjenigen nämlich , die vor einiger zeit Lipperts
einseitigkeit über die indogermanische mythologie ausgebreitet
hat. wie dieser ist auch er der ansieht, dass nach dem alten
glauben es vorzugsweise die seelen der verstorbenen seien , die
innerhalb des raunies, der im leben der Schauplatz ihrer tätigkeit
gewesen , den verlauf des naturlebens für ihre nachkommen be-
stimmten , und dass sie als gölter und heroen den lebenden den
genuss des lebens neideten, wenn sie ihre nachkommen mit allerlei
landplagen heimsuchten, dann hätte es kein anderes mittel ge-
geben, um die gesammtheit zu retten, als diejenigen, die den
neid der toten am meisten herausgefordert haben möchten, die
liäupter der familieu, stamme und Völker, zu opfern, diese
opfer seien nur in der anwesenheit von eingeweihten vollzogen
worden, deren heiligste pflicht es war, das opfergeheimuis auf
das gewissenhafteste zu hüten: an den grabstätten der geopferten
hätten sie den fortdauernden totendienst besorgt, während das
Volk nur zu bestimmten Zeiten hier zu opfer und gebet zusammen-
gekommen sei. hätte der verf. die quellen oder auch nur Keysers
Nordmaendenes religionsforfatning (Samlede afhandl. s, 249 ff)
oder HPetersens Nordboernes gudedyrkelse og gudetro i hedenold
studiert, so würde er sich nicht zu einem solchen phantasiestück
haben hinreifsen lassen und erkannt haben, dass religionsmysterien
dem nordischen volkscharacter nicht gemäfs waren und ein priester-
stand, der solche aufgebracht hätte, nicht vorhanden war.
Um seinen standpunct einiger mafsen rechtfertigen zu können,
FRANZ MYTHOLOGISCHE STUDIEN 211
zieht er in seinen an sich selir dankenswerten bericht über die
nicht unhäutigen skandinavischen königsopfer auch die willkür-
liche erzählung Snorres vom zuge Odins aus Asien nach dem
norden hinein, der viel zu viel ehre durch den namen 'sage'
erwiesen wird, die angäbe, dass Odin in seiner hauptstadt Asgard
oder Troja zwölf tempelpriesler gehabt, beruht nach F. auf der
ganz richtigen Voraussetzung, dass Troja eine priesterstadt ("ihog
Iqt]) mit einer solchen Verfassung und ähnlichen Opfergebräuchen
gewesen , wie sie sich in des herrn verf.s altnordischen priester-
staaten erhalten habe, und er kündet hier seine hoffentlich nicht
zur ausführung gelangende absieht an, in der geschichte des
trojanischen krieges die geschichte der in zehnjährigen Zwischen-
räumen gefeierten trojanischen opferfeste mit ihren blutigen
opferkämpfen nachweisen zu wollen, ausweichen sich später die
griechischen kampfspiele entwickelt hätten, überhaupt ist seine
entwickelungstheorie eine sehr kühne, ein anderes beispiel:
'todkranke fürsten liefsen sich, um zu Odin zu gelangen, in
der todesstunde mit dem speere das wundmal ritzen (Yngl. 10)
und anstatt den galgen zu reiten (wozu der speerverwundele gott
selber nach Havam. 138 f gezwungen war), begnügte man sich
wol damit, einen stecken zu reiten, was, wie so viele andere
gottesdienstliche ersatzhandlungen, zum hexen- und kinderspiel
herabsank.' derartiger unnützer einfalle liefsen sich noch manche
unter mehreren nicht üblen bemerkungen beibringen, aber auch
diese können ja nicht viel fruchten, wo die ganze frage am un-
rechten ende angegriffen ist. dem verf. scheint es vor allem
trotz einer gewissen belesenheit an gründlichem quellenstudium
und an einer sicheren methode zu fehlen.
Freiburg, den 12 december 1888. Elard Hugo Meyer.
Die Hügelgräber zwischen Ammer- und Staffelsee geöffnet, untersucht und
beschrieben von dr Julius Naue. mit einer karte und 59 tafeln ab-
bildungen, darunter 22 farbige tafeln. Stuttgart, Ferd. Enke, 1887.
VI und 227 ss. 4".
Östlich von der Ammer (nicht Amper, wie widerholt ge-
druckt ist) hat der verf. die gräber zweier ausgedehnten bezirke
systematisch ausgebeutet und untersucht, deren einer von Murnau
bis SAndrä sich erstreckt, der andere Pähl zum mittelpuncte hat
und von der südspitze des Ammersees bis Monetshausen und über
Wilzhofen hinaus reicht, die ergebnisse der ausgrabungen be-
finden sich jetzt im vorgeschichtlichen Staatsmuseum zu München,
zu dessen errichtung sie den anlass gaben und dessen grundstock
sie bilden, nach einem übersichtlichen fundbericht mit kurzer
chronologischer bestimmung jeder einzelnen statte folgen die
212 ISAUE HÜGELGRÄBER
wiclitigeu ausführlicheu fundprotokolle, welche durch eingestreute
erörterungen über zweck und technik der stücke belebt sind.
daran schliefst sich ein abschnitt 'die gräher nach ihren perioden',
sowie eine eingehende besprechung der gefundenen waffen,
Schmucksachen, gefäfse, wagenbestandteile und Pferdegeschirre,
ferner wird behandelt 'anordnung und bau der grabhügel, be-
stattungsarten', 'material und technik', 'form, Ornamentik, stil
und Import', 'zeit', 'volk', 'hochäcker, wege, niederlassungen', 'die
Schädel', den schluss bildet eine 'erklärung der tafeln' mit be-
ständiger Verweisung auf den lext. ungemein reichhaltig sind
die angehängten tafeln mit künstlerisch ausgeführten abbildungen.
das ganze bietet nicht blofs der Wissenschaft neues material in
den bildern und protokoUen, und zwar solches von besonderem
werte, weil eine ganze landschaft gründlich und sorgfältig ab-
gesucht ist, sondern eignet sich auch vortrefflich zur ersten ein-
führung in den jungen Wissenszweig, weil der leser im geiste
die ausgrabungen mitmacht und von concreter anschauung aus
zu vergleichen und Schlüssen geführt wird, volkskundlich interes-
sant sind die in vielen gräbern gefundenen eberskelette; einmal
sogar enthält das grab nichts als einen eher (s. 176). des verf.s
hinweis auf Germ. 45 wird man, ganz abgesehen von dem, was
uns Mannhardt in dieser zs. über die mater deum der Aestier ge-
sagt hat, bedenklich finden; vielleicht gehört eine stelle aus
Feslus hierher, auf welche Kuhn, Westfälische sagen 1,332 auf-
merksam macht, von der porca, qiiae Cereri mactabatur ab eo,
qui mortuo justa non fecisset , id est gJebam objecisset , qnia mos
erat eis id facere, imusquam novas fruges gustarent. zu dem
milchzahn, welcher dicht neben einem armwulst lag (s. 58), also
wol ursprünglich daran befestigt war, darf an die in der GDS
s. 155 (-108) anm. ausgehobene angäbe des Plinius erinnert
werden: pueri qui primus ceciderit dens, ut terram non attingat,
inclnsus in armillam et assidue in biachio habitns. die in den
modernden resten eines schmuck- oder kleidungsstückes ge-
fundenen im kreis geordneten milchzähne (s. 47) scheinen ein
zahnwehamulett zu sein: die zahne, die gegen das siebente jahc
ausfallen, soll man behalten, weil man künftiges zahnweh damit
stillen kann (Rochholz, Alem. kinderlied s. 337 nr 928). achtmal
fand der verf. hügelgräber, welche auf hochackerbeeten errichtet
waren, und stellt den erfahrungssatz auf, wo sich hochäcker be-
finden, seien auch hügelgräber in der nähe (s. 192); das gemahnt
an die nach Cicero in Attika seit alter zeit beibehaltene sitte, die
gräher mit körn zu bestellen , nt sinus et greminm quasi matris
mortno tribueretnr, solum antem friigibus expiatum ut vivis red
derelur (Preller, Griech. mythologie^ 1,611 anm. 1). erwünscht
wären nähere angaben über umfang und tiefe der trichterförmigen
gruben, welche mehrmals neben hochäckern gefunden wurden
(s. 195 f); es scheint sich um die sog. dünken, in. mardelles,
NALE HÜGELGRÄBER 213
Span, silos zu handeln, die Wackeruagel Zs. 7, 128 ff besprochen
hat und welche als getreidekammern benützt wurden, die ent-
stehung der aufgedeckten gräber verteilt sich nach des verf.s
Schätzung über einen Zeitraum von lüOO jähren, dessen beginn
er ins 12 oder 13 jh. vor Chr. verlegt, doch werden diese und
andere folgerungen mit behutsamkeit vorgetragen, durch die
schöne und gediegene ausstattung hat sich die Verlagshandlung
ein verdienst erworben. L. Laistner.
LiTTERATURNOTIZEN.
Meier Helmbrecht von Wernher dem gäriner. übersetzt von Ludwig
Fulda. Halle a/S., OHendel (Bibliothek der gesammtlitteratur des
in- und ausländes nr 2S9). 84 ss. 8*^. 0,25 m. — vorliegende
Übersetzung ist, wunderbar genug, die erste brauchbare Ver-
deutschung der berühmten novelle. sie vereinigt gewandte und
anmutige form mit treue gegen den inhalt; jeder empfindung, der
heiterkeit wie der trauer und dem grauen , weifs der Übersetzer,
welcher sich WHertzs meisterhafte Übertragungen zum muster ge-
nommen hat, das rechte wort zu leihen, eine ausführliche ein-
leitung geht voran, in welcher die ergebnisse der bisherigen Helm-
breclitforschung übersichtlich zusammengefasst und mit eigenen
resultaten vermehrt sind; leider wurde dabei Keinzs zweite aufläge
(Leipzig 1887) unberücksichtigt gelassen. J. Elias.
Geschichte des erziehungsweseus und der cultur der Juden in Deutsch-
land während des xiv und xv jhs. (Geschichte des erziehungs-
weseus und der cultur der abendländischen Juden während des
mittelalters und der neueren zeit lu). von dr MGüdemakn. nebst
bisher uugedruckten beilagen. Wien, Holder, 1888. x und 303 ss.
8*^. 7,20 m. — dies buch enthält eine reihe tatsächlicher mit-
teilungen, welche für die deutsche philologie von interesse sind,
zunächst über ältere ausspräche und rechtschreibung. wenn
würklich die deutschen Juden bei der hebräischen Umschrift deut-
scher namen sich solcher genauigkeit beflissen , wie G. s. 72 f
behauptet, so könnte jemand, der kenntnis des hebräischen schrift-
und lautsystems mit germanistischer Schulung vereinigte, von einer
bis jetzt wenig oder gar nicht beachteten seite her, durch zeit-
genössische Zeugnisse, aufschlüsse über manche dunklen puncte
gewinnen, man vgl. s. 74 ff die bemerkungen des 1460 zu Wie-
ner-Neustadt verstorbenen rabbiners Isserlein über die hebräische
widergabe auslautender k (g, ch), s. 78 über s, seh. über die
jüdischdeutsche Schriftsprache handelt note vii s. 280 ft" auf grund
der Vorschriften am ende des 1542 übersetzten Sitten buches:
man vgl. da s. 287 über den klang des ou im 15 jh., s. 293
über niederrh. oi im jüdischdeutschen, s. 294 ff über das mauscheln
(wesentlich älteres oberdeutsch), freilich die vergleichungen, die
214 LITTERATURNOTIZEN
der verf. hier aus der deutschen gramraatik beibringt, sind in
der regel als ungehörig abzuweisen. — ferner über deutsche
litteratur. gegen die behauptete jüdische abstammung des VVolflein
von Lochamen werden s. 160 anm. 1 bedenken ausgesprochen.
s. 160 If handeln über Johannes Pauli, der vielleicht aus Pfed-
dersheim bei Mainz stammte, aber nicht schon früh getauft wurde;
jüdische parallelen zu seinen erzählungen s. 201 ff. gauneraus-
drücke bei SBrant gehören dem hebräischen an, s. 173; zu c. 10
des Narrenschiffs werden quellennachweise aus dem alten testa-
nient geliefert, s. 199; zu 48, 23 f s. 218 anm. 2; zu 4, 20 der
jüdisch syt s. 274 f; zu 76, 11 der Juden spyesz s. 276ff(= wucher-
spiefs, das bild sei italienischen Ursprungs; beeinQussung in um-
gekehrter richtung zeige ital. bisaccia im Verhältnis zu deutsch
bescheifsen 'betriegen'). der jüdische Wucherer unter dem bilde
des wolfs bei Süfskind vTrimberg, Kirchhof, BVValdis s. 186 ff.
zu Renner v, 22570 s. 188. jüdische mystik vorbild für christ-
liche (?) s. 203 ff. jüdischer gewährsmann für HFolzs spiel Die
alt und die neu ee s. 204 ff. zu Rosenplüts Spil von dem
herzogen von ßurgund (Keller 1, 169 f) s. 205 f: schallatjud
= schaletsetzer, schalet ein jüdisches sabbatgericht; auch talast
(Keller 1, 179, 29) ist hebräisch und bedeutet arraut, herabge-
kommenheit. zu Theophilus v. 454 f s. 207 ff. deutsche paral-
lelen zu jüdischen Sittenlehren s. 212 ff', — endlich mache ich
noch auf folgende stellen des buches aufmerksam: jüdische Vor-
namen s. 106 ff (Herz = mhd. hirz, Leib aus Lewe löwe); aber-
gläubische brauche s. 129 ff (dass der dienstag als ein glückstag
angesehen werde, beruhe auf jüdischer anschauuug, s. 131 anm. 2);
gegen Lagardes (Abhandl. der Göttinger gesellsch. der Wissen-
schaften 34, 17) deutung des Wortes fastnacht s. 272 f; die deut-
schen Juden als germanisatoren in Oberitalien s. 246 ff.
Wien. F. A. Mayer.
Neue fragmente des gedichts Van den vos Reiuaerde und das bruch-
stück Van bere VVisselauwe herausgegeben von Ernst Martin.
QF 65. Strafsburg, Trübner, 1889. 73 ss. 8«. — wir kannten
bisher den Reinaert i nur aus der dem 15 jh. angehörenden und
stark verderbten Comburger sammelhs. unter diesen umständen
erweckt es Interesse und freude, dass vor kurzem von einer in-
cunabel der Darmstädter hofbibliothek ein dem 14 jh. entstam-
mendes doppelbl. des gedichtes mit den vv. 2590 — 2728 und
3024 — 3165 abgelöst wurde. Martin gibt das neue fragment,
das er e nennt, zunächst in diplomatisch treuem abdrucke, so-
dann reconstruiert er den text unter benutzung aller verfügbaren
hilfsmittel, dabei verfährt er, in der erwägung, dass e neben
vielen zweifellos ursprünglicheren lesarten auch eigentümliche
fehler und willkürlichkeiten aufweist, mit grofser und berech-
tigter vorsieht: freilich besteht die gefahr, dass hin und wider
eine echtere lesart von e der Übereinstimmung der Comburger
LITTERATüRNOTIZEN 215
hs. (a) mit dem Reinaert ii (b) oder mit der lateinischen Über-
setzung (1) zum opfer fiel, wie zb. möglicherweise v. 3047, wo
e liest hlift gode bevolen. ic moet gaen, während ab das planere
blijft ghesont ende laet mi gaen aufweisen, für die textgestaltung
möchte ich den bestätigenden wert der kürzenden und vielfach
freien version 1 niedriger einschätzen als Martin, v. 2655 sagt
der fuchs zum haseu in be dis manic u hi der trouwen, in a
hingegen dies maent hi (der könig löwe). letzteres setzt Martin
ein, weil es durch hem sehen 2657 empfohlen werde und weil
in 1 stehe te de quaerendis dicere vera monet. aber hem sehen
hat auch in der lassung be seine gute beziehung, nämlich auf
minen here den coninc 2654, und nur für die lesart be passt die
autwort des hasen 2660*^ 11' ghi hebt mi ghemanet bi der troii-
wen die ic miner soeter vrouwen ende die ic den coninc sculdich
bem. den schluss dieses abschnittes bilden wertvolle nachtrage
zur iulerpretation des Reinaert, die zweite hälfle der schrift
bringt das arg zerstörte fragment vom bär Wisselau, welches
aus der hs. bisher nur einmal, von seinem früheren besitzer
Serrure, veröflentHcht war, nach neuer lesung. manches zwar,
was Serrure noch sah, ist heute nicht mehr zu erkennen, aber
der text wird an so vielen stellen gebessert, dass alle künftige
beschäftigung mit dem merkwürdigen gedichte von Martins ab-
drucke ausgehen muss, der von sprachlichen und litterarhistori-
schen erörterungen begleitet ist. — s. 9 fiel bei v. 3130 die
angäbe 2** aus, s. 14 v. 2596 und s. 15 v. 2616 muss es, dem
sonstigen usus gemäfs, ghehidet und ghenoech heifsen, s. 42 A%
26 wurde ein ic zuviel gedruckt, s. 51 A^ 38 fehlt eine
klammer. St.
JSteyreh, Professor an der Wiedner communal-oberrealschule, Die
ursprüngliche einheit des vocalismus der Germanen auf grund
einer vergleichung der bajuwarischen mundart mit dem englischen.
Wien, Alfred Holder in comm., 1887. 46 ss. gr. 8^. 1,80 m. —
'es gab eine zeit, wo die Germanen nicht die sog. urkürzen iau,
sondern einzig und allein die länge oa kannten; wir stehen hier
an den Uranfängen des sprachlichen lebens, an der wiege der
Germanen.' in dieser behauptung (s. 46) gipfeln die 'Unter-
suchungen', welche St. in seiner schrill zum besten gibt, schon
der Wortlaut des mitgeteilten satzes sagt dem kundigen eigent-
lich zur genüge, wessen er sich von dem verf. zu versehen hat;
schaut man sich aber erst nach den gründen um , die zu einem
so absonderlichen Schlussergebnis geführt haben , so erstaunt man,
gelinde gesagt, über die in unsern tagen kaum erhörte Unbe-
fangenheit, mit der von der ersten bis zur letzten seite der arbeit
den einfachsten und darum allgemein anerkannten grundsätzen
lautgeschichtlicher forschung ins gesiebt geschlagen wird, man
könnte versucht sein, das ganze für einen scherz zu halten,
wenn nicht die eigenen worte des verf.s (vgl. s. 4) diese an-
216 L1TTERATÜI\N0TIZE>
nähme von vorne herein ausschlössen, unter solchen umständen
inuss selbstverständlich an dieser stelle von einer austührlichen
besprecliung abgesehen werden; es wäre dies übrigens bei einer
Schrift, die so ganz eines einheitlichen ganges der erorteruugen
entbehrt, in der zudem last jede zeile unseren Widerspruch heraus-
fordert, ein mühseliges unternehmen, nur um das oben ab-
gegebene urteil auch in den äugen desjenigen zu rechtfertigen,
der das machwerk nicht selbst zu geuiel'seu in der läge ist, sei
gleich aus dem eingang desselben einiges herausgehoben, das
hohe alter des oa ergibt sich dem verf. ohne weiteres aus dem
übereinstimmenden vorkommen des lautes in der bajuvvarischeu
mundart und im englischen, 'wo es indessen erst um die zeit
Shakespeares unter dem einfluss der mundarten in der Schreibung
in seine alten rechte tritt' (vgl. s. 6 und 13). das ags. ed ist
der umlaut eines ursprünglichen oa, wie ua. das bajuwarische
(vgl. fcroad 'breit', con)p. &rmdarj beweist, die beobachtung, dass
der bajuwarische bauer broad, breadar, der Städter aber braad,
braadar spricht, gibt uns einen fingerzeig für die entstehung des
d (aus oa, ea) zunächst im bajuwariscben und dann im germa-
nischen überhaupt, 'wenn also baj. bdm (bäum) ein älteres boam
und beam zur Voraussetzung hat, so haben wir hier drei so alte
formen, dass die mit oa als die älteste nicht einmal in den
alten denkmälern mehr vorkommt, während beam im ags. bedm,
bdm im altfries. bdm oder in älteren baj. quellen sich finden
(s. 6).' das mag genügen. Albert Bachmann.
Kleine Mitteilungen.
Ein BLUTSEGEN, in der dem 13,//?. angehörenden pergamenths. L. in. 9
der kgl. bibliothek zu Bamberg, welche 6 medicinische abhandhingen
enthält, steht bl. 139, nachdem mehrere mittel zum stillen des blutes
in lateinischer spräche angegeben sind, folgende deutsche formel:
Crist unte iudas spiliten mit spieza. do wart der heiligo Xrist
wnd in sine siton. do nam er den dvmen vnte uor duhta se
uorna. So uerstant du bluod so se iordanis aha uerstunt do der
heihgo iohannes den heilanden crist in iro tovfta. daz dir zo
bvza. Crist wart hi erden wnt. daz wart da ze himele chunt.
izue blötete. noch ne svar. noch nechein eiter ne bar. taz was
ein file göte stunte. heil sis tu wunte. In nomine Jesu Christi.
Daz dir ze buze. Pat. nost. ter et addens ter. Ich besuere dich
bi den heiligen fünf (abgekürzt) wuuten. heil sis tu wunde. Per
patrem et filium et spiritum sanctum fiat Amen. Du Leitschuh.
Im SCHWERTE sehen, dass das spiegelblanke ritterschwert weissagende
kraft besitzt, weifs man aus zwei stellen in Konrads Trojaner-
krieg V. 27412 f (vgl. Zs. 15,249) und Frauenlob 142 f, die in
den nachtragen zur Mythologie 3, 321 verzeichnet sind, einen
KLEINE MITTEILUNGEN 217
neuen beleg eülhält das Leben der hl. Schwestern zu Oetenbach,
nach einer Nürnberger hs. im Zürcher taschenbuch 12 (1889)
abgedruckt, s, 230 1': In disen Zeiten icas ein fraw in Sioabenland,
die tcas von Kisleg und was gar weltlich ; nnd do ir ir man starb,
do nam si gar ein f rummer ritler von Hohenf eis, der het si in
dem swert gesehen xxjar, ee dafs si im loard. Und do si
im gemeheh ward, do icas si in der selben gestalt und het das selb
gewand an, als er si in dem swert gesehen het. J. Baechtold.
Zu Heinrich von Melk, bekanntlich (s. Scherer Zs. f. d. Ost. gymu.
1868 s. 577) steht das Priesterleben auf den letzten fünf blättern
der Wiener hs. 2696, welche mit dem übrigen codex nicht zu-
sammenhängen und die von der sonstigen quaternionenzählung
abweichende Signierung g — / zeigen, auf der rückseite des letzten
sind mit roter tinte die worle eingetragen: daz buch hcBizzet daz
gemcBine leben. Scherer glaubte, dass diese blätter von anderer
band geschrieben seien als die übrigen teile des codex und
schloss aus dem genannten zusatze, der sich nach dem gebrauche
der hs. auf ein mit der folgenden seile beginnendes neues ge-
dieht beziehen müsse, dass in der hs., der ursprünglich das Priester-
leben angehört habe, unmittelbar darauf die Erinnerung gefolgt
sei, auf deren ersten teil der titel 'vom gemeinen leben' passe,
der schluss wäre an sich nicht stringent, denn durchaus nicht
alle hss. des xiv jhs. geben den titel eines neuen gedichtes auf
dem ende der vorangehenden seile, und die Vermutung wäre
ebenso berechtigt, das Prieslerleben sei ein fragment einer satire
auf alle stände, deren titel 'vom gemeinen leben' gelautet hätte,
aber diese fünf blätter sind, wie mir hr dr vGöldlin freundlichst
bestätigt, von derselben band geschrieben wie alles vorhergehende
und sie stimmen in der schrift aufs genaueste mit den früheren
Partien der hs. sie sind ein teil der vor der Erinnerung, die
mit qualernio xiv beginnt, fehlenden zwanzig blätter und der titel
daz gemceine leben bezieht sich in der tat auf die Erinnerung,
wenn sie den schluss dieser grofseu lUcke bilden, dies wird be-
wiesen durch einen Ölfleck, der am unteren rande sowol der
drei letzten blätter des Priesterlebens wie der ersten blätter von
quateruio xiv, dort immer gröfser, hier immer kleiner werdend,
8 cm. vom äufseren rande entfernt sich vorfindet und zeigt, dass
blatt / ursprünglich auf blatt 1 von quaternio xiv gelegen ist.
von den zwanzig ausgeschnittenen blättern sind diese fünf er-
halten und rückwärts angeheftet worden. Hugo Hebzog.
Mhd. miscellen. 1. zum Titurel. in dem schönen testameute des grafen
Gerhard von Sayn vom jähre 1491 ^ finden wir folgende stelle, die
aufs neue die hohe Schätzung des Titurel im mittelalter zeigt. 2
' Günther, Codex dipl. Rheno-iMosellanus iv 703.
* ich benutze die gelegenheil, um ein zeugnis über Wolfram zu er-
wähnen, dessen merkwürdigkeit wahrscheinlich nur auf einem druckfehler
beruht. Alexander Wiitheim sagt in seiner Vita venerabilis Yolandae (Ant-
verpiael674 s. 174): Jlter (sc. auctor) fabulam exequitur ciiiiisdam IFH-
A. F. D. A. XV. 15
218 KLEIINE MITTEILUNGEN
es heifsl dort: Auch so snllen sy (die söhne) sich huedeti vor
sweren Dinsten mit Rnterwerck der Fürsten, want Yngnade davon
entsteit , so man Schaden enpfeit , so man den gerne gekeret sege
und hndt nch sonderlich vor Burgschaft, vnd wir wisen sy darumb
in den Tyterel vnd Brackenseil, das sy den wail durchlesen vnd
dem volgen , want die (= der) hoirt yne vnd dem Adell zu zo
wissen, vnd ist die gotlichste Lere, die man in dutschen Boichern
fynden magh, want da alle Doegent vnd Ere innesteit , wie die
Fürsten vnd Hern sich haben vnd regeren sullen, vnd wa sy deser
Lere volgent , sali in nicht werren , noch auch keynes Gudes ge-
brechen, noch ensullen unber mehe ramspodich^ werden, want ine
Got genoich beschert hait vor grafflich Stat zo halten. —
2. türhant. in dem von Bartsch (Beiträge zur quellenkunde
der altd. litteralur s. 176 ff) abgedruckten Ritterpreis findet
sich V. 426 ft" folgende stelle:
ei se'lich wif, bekennit ir iht
den der zwo riche varwe dreit:
nf zabel von hermin geleit
zwer durbant sten in krüce wis.'-
Slrauch hat (DLZ 1886 sp. 1266 ß) die Vermutung aufge-
stellt, es sei in dem letzten verse zwei oder zwen durbant zu
lesen , und ich halte die letztere conjectur für recht wahrschein-
lich. 3 es erhebt sich nun die frage, was dieser ohne zweifei dem
gebiete der heraldik angehörige terminus bezeichnen soll, der
dichter beschreibt hier das wappen eines Henricus de Muntabnr,
den wir aufser in der von Bartsch (aao. s. 195) augeführten Ur-
kunde (Lac. II 939) noch mehrfach uachweisen können, er war
der söhn des ritters Hugo von Montabaur, und die erste Urkunde
stellt er nach dem tode seines vaters am 9 juni 1272 aus.4 seine
letzte Urkunde ist vvol ein im Coblenzer Staatsarchiv befindlicher^,
helmi ducts atque m 7nedio opere (v. 4363 ffj nomen edit auctoris, quod
est Ulricus ab Etzenbach. Digreditur autem eo toco in laudem Bohemiae
et TVenceslai regis, eiusque patris Ottocarl, meminitque Wolframi de
Etzenbat/i , eins, qui Herviannum Tliuringiae Landgr avium cecidit.
es ist hier sicher cecinit zu lesen, denn eine solche Verwechselung und
Unkenntnis ist dem gelehrten Jesuitenpater nicht zuzutrauen, wenn auch in
dem sorgfältigen erratenverzeichnis dieser druckfehler nicht erwähnt wird.
' ramspodich (= ramph-spuolec) werden, Unglück, mangel leiden.
2 ich habe die bei Bartsch falsche interpunction berichtigt.
3 besonders auch da ba7id im Rheinland , der heimat unseres gedichtes,
masc. oder fem. zu sein scheint, vgl. Strauchs hinweis auf Lexer i 1155
und aufserdem Honig, Wb. der Kölner mundart41. in Luxemburg \sibajid
m. und f., in Trier (nach Laven, Gedd. in trierischer mundart, Trier 1853) f.
* Mittelrhein, reg. iii 2727. gedr. Fahne, Cod. Salm. 338. — Heinrich
von Montabaur tritt weiterhin noch urkundlich auf Mittelrh. reg. iv 329,
28 juli 1276. IV 598, 9 april 1279. iv 1208, 30 dezember 1284. iv 1329,
18märzl286. iv 3064, 18 September 1300. er erscheint mit seiner frau
Grete ivl336, 18 april 1286.
^ diesen nachweis, wie auch die unten gegebene beschreibung des
siegeis verdanke ich einer gütigen mitteilung des Vorstandes des Coblenzer
Staatsarchivs.
KLEINE MITTEILUNGEN 219
auch von Siebmacher (Abgest. nassauischer adel s. 32) augeführter
lehnsaultrag an den erzbischof Diether von Trier, welcher am
2 märz 1306 erfolgte.' die zeit, in der dieser Henricus nach-
weisbar ist, stimmt gut zu [der lebenszeit der übrigen in dem
gedichte genannten personen. an der letzterwähnten Urkunde
hat sich das Siegel erhalten, es ist ein kreisrundes, braunes
wachssiegel mit dem so oft vorkommenden ankerkreuz als siegel-
bild , dessen legende -f H: NR' . DE. MVTBR . MILS lautet, eine
abbildung gibt Siebmacher (aao. tafel 52).
Also haben wir in dem satz zwen durbant sten in krüce wis
einen ausdruck für den jetzt gebräuchlichen heraldischen terminus
'ankerkreuz' zu erblicken, diese bänder haben, wie die abbil-
dung zeigt, würklich grofse ähnlicbkeit mit den eisenbeschlägen,
wie wir sie jetzt noch an alten türen finden, dass wol dieser
ähnlicbkeit wegen türbant der heraldischen lerminologie einge-
reiht ist und dass diu türbant eigentlich die spangen bezeichnet,
durch welche die tür zusammengehalten wird^, zeigt eine stelle
in Konrads von Würzburg Trojanerkrieg (32902 ff):
sin schilt der was mit kelen rot
bedecket und bevangen.
dri zobelswarze spangen,
die man leite nf eine tür,
dar HZ eiiühten und da für,
als es dem schilte wol gezam.
Diese schwarzen lUrspangen in rotem leide sind, ebenso wie
die türbant in dem wappen Heinrichs von Montabaur, als wappen-
bilder aufzufassen, und nicht als teilungsstreifen, etwa als strich
oder strife.^
Sehen wir nun , welche von diesen beiden bedeutungeu des
Wortes türbant wir in der bekannten Parzivalstelle (151, 26) an-
nehmen müssen — denu Bechs conjeclur tiure bant (Germ, vii
292) können wir wol als sicher unrichtig von vorn herein aus-
schliefseu — , so haben wir ohne zweifei hier türbant als tür-
spange aufzufassen und dem Wortlaut nach so zu übersetzen: da
ergriff der seneschall Keye frau Cunneware von Lalant an ihrem
lockigen haare: ihre langen schönen zöpfe wand er um seine
band, er spangte sie (die zöpfe), ohne gerade ein türbant dazu
zu nehmen, er windet die zöpfe um seine band, und, um sie
festhalten zu können , muss er das haar mit den fingern gegen
das innere der band pressen, und so, wie mit einer spange,
^ Siebmacher aao. nimmt unrichtig das jähr 1305 an. die betreffende
Urkunde wurde ausgestellt am mittwoch nach reminiscere 1305, und dies
ergibt, da stilus Trevirensis anzunehmen ist, den 2 märz 1306.
^ türbant ist nicht nur, wie das Mhd. wb. (i 132) nach Frisch (i 54c)
annimmt, das 'eiserne band, welches die tür mit den pfosten verbindet',
sondern überhaupt der eiserne beschlag der tür, welcher die bretter zu-
sammenhält und ihnen festigkeit gibt. vgl. noch Grimm DWB i 1097.
3 Schultz, Höf. leben ii 78.
15*
220 KLEINE MITTEILUNGEN
einer fibula lest klemmen, dtie tnrbant ist ein beiläufiger zusatz,
wie er Wolfram gerade in den sion kam, nachdem er das er
spancte se gesagt hatte; vgl. über die bedeutung von dne und
ähnliche lügungen Bechs programm (Zeitz 1885) Beispiele eigen-
tümlicher Verwendung der präpositionen dne und sunder im mhd.
so tritt diese bemerkung Wolframs in einen gewissen parallelis-
mus zu dem folgenden verse, ir rüke wart kein eit gestabt , und
auch dies scheint unsere auffassung der stelle zu bestätigen.
3. halbieren, bisher hatte man mit Schultz (Höf. Leben
II 78) halbieren als heraldischen terminus gleich franz. partir, in
die länge teilen, aufgefasst, und von neueren heraldikern hatte
zb. der verstorbene Ralf von Rettberg dieser ansieht zugestimmt,
wie ich von Bechstein (üvLichtenstein , Frauendienst zu 506, 5)
lerne, dieser sucht auf grund einer stelle im Frauendienst (506)
die Unrichtigkeit jener ansieht nachzuweisen, wie wir sehen
werden, mit unrecht, es heifst dort:
ich sagiti wie er fnort den schilt,
gehalbirt nach dem swert zetal.
daz ober teil daz ivas gemdl usw.
Weiterhin entspricht dem ober leil ein niderteil, nun meint
Bechstein, die ansieht Schultzs und Rettbergs sei unhaltbar, weil
der dichter von einem oberen und unteren teil spreche, was bei
einer längsteilung unmöglich sei. er übersieht aber hier, wie an
einer anderen stelle (996, 5), dass nach dem swerte zetal nicht
blofs 'ein verstärkender zusatz' ist, wie er angibt, sondern dass
dadurch die richtung bezeichnet wird: der teilstrich geht nach
der linken , der schwerlseile des menschen , und der schild war
also durch einen rechten schrägbalken geteilt, und hierbei kann
man allerdings von einem oberen und einem unteren teil sprechen,
man wird daher Schultzs und Rettbergs auffassung von halbieren
gelten lassen müssen. John Meier.
Zum Ernst D. bekanntlich beruft sich in seiner Alexandreis v. 25102
üvEschenbach auf ein buch vom herzog Ernst, obwol dies cital
bei gelegenheit der Schilderung der Cynocephaleu gegeben wird,
welche in keiner uns erhaltenen fassung der Ernstsage auftreten,
so sieht man darin doch nicht mehr mit Pfeiffer (Germ. 1, 461)
eine anspielung auf ein verlorenes gedieht, sondern einen aus
ungenauer erinnerung hervorgegangenen, übrigens leicht erklär-
lichen irrtum Ulrichs (Bartsch, Herzog Ernst cxlii, Toischer,
Über die Alexandreis ü.s vEscheubach 1881 s. 89). denn dass
Ulrich in der tat den Ernst D gelesen hat, lässt sich, meine
ich, durch vergleich der episoden Wilhelm von Wenden 352211
und Ernst D 4611 ff erweisen, im ersteren gedieht wird dem
Patriarchen von Jerusalem seitens der Sarrazenen krieg an-
gekündigt, er wendet sich um hilfe an die Johanniter, templer,
deutschherren und an den künec von Ubidne (: dne). diese
namenform begegnet nur noch im Ernst D: die stellen zählt
KLEINE MITTEILUiNGE.N 22t
Rinzel Zs. f. d. phil. 8, 350 auf. aber auch die l'einde des pa-
triarcheD im Wilhelm siud identisch mit denen des königs von
Ubiaue im Ernst, man vergleiche Ernst D 4611 ff: der könig
erzählt Ernst, loie er verladen wcBre von dem ki'mege von Bahilö
und von dem voit von Damascö und von dem fürsten nz Halap
mit Wilhelm 3594 der solddn von Bahilö und der he'rre von Da-
mascö und von Hallap der voget. im Ernst D 4687 ff bringen
die beiden ihre götzenbilder mit in den kämpf; die stelle ist,
wie Haupt Zs. 7, 261 bemerkte, aus Wolframs Willehalm 352, 1 ff
entlehnt, eine analoge Schilderung bietet auch der Wilhelm von
W^enden 3618 ff. um zu zeigen, dass hier Ulrich sein vorbild
Wolfram nicht direct nachahmte, sondern durch vermittelung des
Ernst D, stelle ich die drei fassungen neben einander:
Wolfram: den seihen got [Ter- Ernst: sinen got Mahmet
vigant] hiez Terramer der voget von Babilöne het
und ander sine gote her [masf. nf einen karräschen hoch
setzen nf man gen höhen gesetzet den da niht enßöch
daz was iedoch ein swarer last: ric h i n koste ninder.
karräschen giengen drunder: den zu gen merrinder.
die zu gen dd hesunder wol ge zier et was der mast
gewdpendiu merrinder der da truoc Mahmet es last.
%cie von golde und mit gesteine
luter unde reine
sine gote warn geßöret.
Wilhelm: nach der hwsten geböte
sach man bringen ir apgote
üf karrdtschen rieh gezieret.
in liehlem golde verwieret
sach man mangen tiuren stein,
der in lichter varwe schein
von der karr dt sehe ti mästen ,
die Jupiter dd lasten,
Appollo, Mahmet, Tervigant.
gegenüber der klaren und anschaulichen darstellung Wolframs
sind im Ernst und W'ilhelm die karräschen vorausgenommen und
die mästen hinken nach; auch der schmuck der mästen ist dem
Ernst und Wilhelm gemeinsam, während Wolfram nur die zier
der götzenbilder erwähnt, endlich stimmen zu einander Ernst
4717 ez quämen vor den turen vil pusünen und tamhnren, manec
hörn sie da erclancten und Wilhelm 3611 von pusinen und tarn-
büren loas dd ungevüeger schal, manec heidensch hörn da lute
erhol, aufserdem mache icli darauf aufmerksam, dass der Alex.
25069 den reim Picmei : zwei mit Ernst 4078. 5508 teilt und
dass das im Alexander ungemein häufige Gräiur nur noch im
Ernst 1966 nach WGrimms einleuchtender conjectur begegnet. —
somit ergibt sich für die entstehung des Ernst D, nachdem Jänickes
222 KLEINE MITTEILUNGEN
datieruDgsversuch (1277 — 1285) vou Zarncke Beitr. 2, 580 ff
widerlegt wurde, als lemiiuus ante quem das jähr 1287. St.
Die Pilatuslegeniie im 17 Jahrhundert, im anschluss an Creizenachs
auf salz, im 1 bände der Beiträge möchte ich das seltsame Schicksal er-
wähnen, welches die Pilatuslegetiden im 11 jh. gehabt haben: nämlich
als belasttingsntaterial zu dienen in einem processe, welchen die theo-
logischen jurislen dieses Zeitalters über den richter Christi anstrengten,
dieser eigentihiüiche cassationshof setzte sich, abgesehen von minder
bekannten auloritäten, zusammen aus dem (infolge davon als atheisten
verschrieenen) Joh. Steiler als Verteidiger und dem berühmten Jacob
Thomasius als Staatsanwalt. Steller bewies nämlich in einer schrift :
Pilatus defensus (ich benutzte die ausgäbe Joh. Stelleri J. U. Doctoris
Jenensis Pilatus defensus nna cum Danielis Maphanafi Muchenti-
nensis confutatione scripti illius et disputatione academica Christiani
Thomasii Ph. M. adversus idem Paradoxum. Lipsiae md.clxxvi)
mit grofsem aufwand von juristischer gelehrsamkeit bündig und
nicht ungeschickt, dass der römische landpßeger nach gemeinem und
kirchenrecht vollständig correct gehandelt habe und noch gegen-
wärtig in diesem falle so würde handeln müssen, dabei unterlässt
er nicht, mit einer gewissen bosheit daran zu erinnern, dass ja
bekannter mafsen dieser Pilatus seiner herkunft nach ein Deutscher
gewesen sei. er wolle dies aber nicht glauben und gebe gern zu,
er sei wol — ein Franzose gewesen. dieser stich ärgerte den
Thomasius ganz besonders und er liefs sich zu folgender gründ-
licher erörlerung dieses punctes herab (Confutationis Pontii Pilati
defensi caput in): Philippus ßoskierus in Theatro patientis seu Pas-
sione Christi Conc. 29 refert Pilatum quosdam Silesiis, quosdam
Lugdunensibus Batavis obslrudere voluisse. Sed gravis error ille
et minus grata populis istis sententia quae omni colore desti-
tuitur. Non vero abs re miretur aliquis quod Galli tanlo studio
hunc honorem sibi vindicent(!). Retert enim Michael Heberer
Palalinus et doctissimus vir Lib. i. Itinerarii sui cui Titulum
fecil: Die egyptische Dienstbarkeit cap. 10. Wenn man von Wien
ab und gegen Valence reiset, wird ein klein adelich Haus ge-
zeiget auf einer grünen Auen an der lincken Seite des Rhodani am
hinunterfahren , in welchem P. Pilatus soll seyn geboren worden.
Zeilerus etiam lib. 13 Topogr. Galliae p. 24. von SVallier eine
halbe meile ist das Schloss und DorlT la Maison de Pilate genannt
gelegen, weil Pontius Pilatus solches Haus bewohnet haben oder
wie theils wollen allda soll seyn gebohren worden. Et Franciscus
de Rues in descript. Galliae Ilin. Sax. p. m. 553 dass noch in
diesem Lande Herren seyn die nach seinem Nahmen Herrn von
Pila genennet werden. Zeilerus quoque in descript. urbis Vien-
nae: von der Kirchen S. Mauritii sind wir kommen in die Kirch
Nostre Dame de la Vie genandt da das Richthaufs der Römer und
Pilati gewest seyn soll; darüber geschrieben steht: C'est la pomme
(Golnizius legit: C'est le pomeau etc.) du sceptre de Pilate.
KLEINE MITTEILUNGEN 223
Gegenüber ist das Landgericht oder Regierung, welches Palatium
aber gar schlecht ist. Et cap. 5 p. 413 Von S. Piage de Rus-
sillon lässt man den Berg Pilati zur Lincken liegen usav. . . .
Zeilerus 1. c. cap. 4. Es stehet auch daselbst ein grofser dicker
Thurm vom Kayser Tyberio wie man sagt erbauet darauff man
bisweilen Wache hält; in welchem Pilatus als er hierher ins Exi-
lium geschickt worden gefangen gelegen seyn soll. Aufser der
Stad ist eine Pyramis allda sein Haus soll gestanden seyn; Wie
denn auch zwischen hier und der Stadt Tournon ein Schloss und
Dorff so la Maisou de Pilate genandt wird. Theils wollen , er sey
in gemeldtem Thurm gestorben; Theils dass er endlich aus Ver-
zweiffelung sich umgebracht habe; Wie denn dieselbe Hohle darin
er umbkommen stets mit Nebel umbzogen seyn soll. Et in To-
pographia Galliae part. 13 p. 24' . . . (über des Pontii Richthaus
identisch mit Zeilerus). Man weiset dar in der Stadt auch sein
Haus so Privatpersonen inne haben; item den Thurm da er ge-
langen gesessen; desgleichen aufser der Stadt eine Flammen Seul,
da auch ein Haufs ihm zugehörig solle gestanden seyn und anders
mehr von demselben sonderlich einen Teich darein er sich soll
gestürtzet haben.
Bemerkenswert ist an diesen angaben der reiseschriftsteller des
n jhs., die man mit Creizenach aao. Ab f vergleiche, erstens wie
genau specialisiert die localisierung der sage rings um Vienne damals
noch gewesen ist, ferner die constatierung eines bestimmten ' Pilatus-
berges ebenfalls in der nähe Viejines nach dem beschriebenen wege
bei Grenoble und die Übertragung seines sprichwörtlichen nebeis
auf eine höhle bei Vienne. lehrreich für die Übertragung solcher
sagen ist auch, wie hier aus Liigduiium (Lyon vgl. Creizenach
aao. 95) Lugdunum Batavorum (Leyden) gemacht worden.'- aufser
dieser zuschiebung des Pilatus an die Franzosen (die er gleichwol
bereits kritisch genug ist non ex nativitate sed relegatione potius
aut infelici ejus oliilu 2« erklären) berichtet Thomasius allerlei
nachteiliges über seinen character aus allerlei bedenklichen quellen,
wunderlicher weise an erster stelle die französische Untugend der
aufschneiderei (\u exiguo ponens meudacium). auf die erörterungen
der sagen über den deutschen Ursprung lässt er- sich nicht ein.
desto eifriger nutzt sie Steiler (Pilatus defensus, Praeliminaria 12),
der sonst alles für Pilatus ungünstige der legende besonders wider-
legt, den bei Creizenach 106 mitgeteilten leoninischen vers hat
er in folgender fassung:
In Forcheim natus est de natione Pilatus
Teutonicae gentis, cruciflxor cunctipotentis.
Berlin. K. Borinski.
Romantisch. Zs. 26, 192 ff ist der nachvveis geliefert worden, dass
* dei" Sehweize?' Pilatusberg (m. pileatus?) soll 'früher' (nur?) Frac-
mont geheifsen haben.
- wie man auf Schlesien kam, ist widerum aus der fixierung der
geburtsstadt Glogau (Lugidunum) von selbst klar.
224 KLEINE MITTEILUNGEN
das wort romantisch, welches früher nur bis auf das jähr 1740
zurückverfolgt war, bereits im jähre 1734 in der deutschen lit-
teralur zu ünden ist. im folgenden soll gezeigt werden , dass es
bis in das letzte Jahrzehnt des sieben zehnten jhs. zu-
rückreicht, wider ist es eine deutsch- schweizerische quelle, aus
welcher uns diese kenntnis flielst, und widerum begegnet uns
das wort als ein noch nicht fest im gebrauche stehendes, son-
dern wechselnd mit den formen romanisch und romanzisch.
Die quelle, aus welcher wir schöpfen, ist: Mythoscopia
Romantica oder Disco urs von den so benanten Romans,
Das ist Erdichteten Liebes- Helden- und Hirten-Geschichten: Von
dero ührsprunge, Einrisse, Verschidenheit, Nütz- oder Schäd-
lichkeit: Samt Beantwortung aller Ein wUrffen und vilen besondern
Historischen und andern anmUthigen Remarques. Verfasset von
Gotthard Heidegger, V. D. M. Zürich, bey David Gessner.
1698. 8*^. 23 bll., 223 ss., 6 ss. reg. u. verz. d. druckfehler.
In diesem auch sonst, inhaltlich wie sprachlich, sehr interes-
santen buche erscheint zunächst das dem adjectivum romantisch
zur Seite stehende hauptwort in verschiedeneu formen, das-
selbe heifst in der einzahl zwar durchweg vornan, da die auf
Seite 13 angeführte form romant ausdrücklich als das französische
wort bezeichnet wird , die form der mehrzahl lautet jedoch , wenn
nicht einfach auch wider roman, abwechselnd romans, romanen,
romante, ja selbst romanzen erscheint als vollkommen gleich-
bedeutend, die folgenden belegstellen mögen dies dartun :
In der ' Zuschrift' seines buches an die beiden SGaller
handelsherren Paulus Schlumpf und Edmund Witz sagt Heidegger,
der, wie aus den folgenden belegstellen zu ersehen ist, als ein
eifriger gegner der romane auftritt: 'Weil die bisherige Romans
der Teutschen so übel gerathen und vor Ehre so viel Spott er-
hohlen, werden dise verhoffentlich auch bald müd werden, sich
damit zu schleppen.' auf die Zuschrift folgt eine poetische 'Inn-
halts-Taffel', in dieser sagt Heidegger:
'Was hat die schlauwe Welt nicht immmer aussgedacht.
Auf dass ihr Schlamm und Stanck vor eine Zucker -Tracht
Von übel -klugem Volck begirrigst werd genaschet:
Den einen hat sie so, den andern so behaschet,
Und jedem nach Humeur den DoU-Tranck eingeflösst.
Hier hat sie einen kram von neuwer Wahr enlblösst.
Mit Pilluln Gold geziert, mit Blumwerck überschmücket;
Romanzen ist derNamm, den sie darauff gedrückel', usw.
Im eigentlichen texte des buches dann fährt der Verfasser
fort, s. 12 ff: 'Weil nicht zu hoffen steht, dass diejenige so in
den Romanen bewandert und ihre beste Zeit unter diesen
Blättern verscharret haben, die Schädlichkeit derselben merken
oder erklären werden, ... als wird sich endlich ein vernünff-
liges Urtheil durch diejenige finden können und sollen, welche
KLEINK MITTEILUNGEN 225
zuweil einen Blick darein gethan, und wenigst nicht unwissend
seyn , nach was vor einer Ellen sie alle aussgemacht seyn. Wer
erfahren will , was das Meer- Wasser vor einen Geschmack hege,
muss nicht eben das ganze aussdrinken, sonder kan es auss
etlich wenig Tropfen inne werden. So ist es mit den Romanten.
Dise sind vvürcklich ein ohnendlich Meer worden' usw. und
s. 19 heifsl es: 'Wann jenner scharfe Kirchenvatter sagen wollen,
der leidige Satan hahe die Traurspiel, in denen man vor Zeiten
hohe Kalbst iffel gehraucht, erdacht, damit er die Worte Christi
der Unwahrheit zohe, der gesagt, es könne keiner seiner Länge
ein Ell hinzuthun , so kan man leicht erachten , wem er die
Roman wurde gedanckt haben? Zwar kommen die Roman
besser mit den Comoedien alss Traurspilen iiberein' usw.
Was nun das adjectivum betrifft, auf dessen nachweis es
hier abgesehen ist, so erscheint dasselbe in Heideggers buche
in den formen: romanisch, romanzisch und romantisch, die
letztere form ist bei weitem die häufigste, habe ich recht ge-
zählt, so konmit auf den 223 Seiten des buches die erstgenannte
form nur einmal, die zweite ebenfalls nur einmal, die form
romantisch aber dreizehnmal vor. hier die belege für jede der
drei formen: s. 65: 'Gar recht hatte jener Pariische Feldherr
Surenas! Diser, da er die Römer geschlagen und under ihrer
bagage auch dess obgedachten Sisennae Romanische Fahlen
gefunden, war auff sie sehr ohngehalten, dass sie auch in der
Campanien dergleichen Thalpossen nicht entbehren könnten.'
s. 13: 'Die Kunst- Quelle aller Witz, Artigkeit und Galanterie
soll in den Romanzischen Albertälen stecken.' s. 116: 'So-
bald sie die Romans recht gekostet, fangen sie an sich Roman-
tischer Galautereyen zu befleissen : Ein Muster ist, dass sie
stracks einen Romanischen Stiluni in den Briefen annehmen,
mit erdichteten oder Fürstlichen Nahmen, Traumerzählungen u.
d. g. gleich jennen spielen lehrnen.' s. 26: 'Demodocus und Phe-
renicus (da aber ungewiss, ob in gebundner oder loser Ard ge-
schriben) brachten Romantische Händel auf die Bahn und
lebete dieser, villeichl auch jenner, vor Homeri Zeiten.' s. 50
wird der Juden erwähnung getan: 'als die ihren Talmud mit
einer guten Anzahl Romantischer Fablen verbrämt.' s. 71:
'Wer Roman list, der list Lügen. Anders kan er daraus nicht
machen , da wird nun ein schlechtes Contentement herauss-
kommen, wann ich die Gnad habe, bey jeder Romantischen
Erzehlung zu gedenken: Ey dal was lese ich hier? worüber
verwundere, lache, traure, seuffize ich? über eines andern Traum
und Phantasien I über Sachen, die niemahl in der Welt geschehen,
und mich zum Thoren zu machen erdacht seyn ! warum lass ich
mir einen andern träumen, und träume mir nicht franco selbst?'
usw. s. 75 wird bemerkt, dass der inhalt der legenden 'zuweil
Romantisch genung aussehe', 'wie also in Sl. Jörgen Legend
226 KLEINE MITTEILUNGEN
die Heydnische Erzehlung von Perseo und Andromache versleckt
ist.' s. 93: TSeben dem dunkt mich bei den Romantischen
Händlen gar nicht Zeit Discoursen zu führen, wie es dann auch
die alte abgefäumte mehrtheils anstehen lassen, denn da hat man
einem den Kopf mit Fabelpossen schon verruckt, dass er des
ernsthaften Philosophierens so wenig verlangt, als ein verschleckert
Maul des Pfefferkohls: Darum überspringt man mehrtheils alles
solches, und verfolgt die Buhl-Histori als ein losgebrochnes
Windspiel.' s. 112: 'Die Poetische Gedichte, nehmlich die Ro-
mantische . . . seyens, die Oehl zu dem Feuer unsrer Begierden
schütten.' s. 156: 'Wie sich aber auf eine manierliche, ehliche
Liebes-Passion die Händel und Abgöttereyen der Romantischen
Larven schicken, lass ich andere urtheilen.' s. 218: 'Was der
eitelen Romantischen Belustigung am richtigsten entgegen-
gesetzt werden kan , nemlich das begirrliche Lesen des Buchs
der Wahrheit der heiligen Schrifft ... an ihro kan man haben
die süsseste Lustbarkeit . . . wann sonst die Romantische und
alle andere Zeitverlriebe das Gemüth rechtschaffen anstincken' usw.
Dass das wort romantisch viel früher, als Heideggers eben
citiertes buch geschrieben wurde, nicht im gebrauche gewesen
sei, scheint folgender umstand wahrscheinlich zu machen.
In Genf erschien 1695: Neues und ausführliches Dictionarium
oder Wörterbuch In dreyen Sprachen : als Teutsch, Frantzösisch
und Latein. Anjetzo in dieser letzteren Edition von frischem über-
sehen, verbesseret und mit den im Gebrauch jüngst aufgekom-
menen auserlesensten Wörteren, wie auch zierlichsten Redensarten,
beydes im Frantzösischen als im Teutschen, merklich vermehret.
Zu bequemstem Gebrauch deren, so obige Sprachen zu erlehrnen
verlangen, eingerichtet. Mit römischer kaiserl. Majest. Freyheit.
Genf In Verlegung Kramers und Peraschons. Im Jahr 1695. 8'^.
In diesem wörterbuche, auf welches mich prof, HBreitinger
in Zürich aufmerksam machte, ist s. 903 das französische ro-
manesque in folgender weise widergegeben: 'Romanesque, tenant
du roman, fabelhafft, romanisch, fabulosus.' das französische
romantique aber findet sich in dem genannten wörterbuche so
wenig wie das deutsche romantisch, bedenkt mau, dass auch in
der ersten ausgäbe des Dictionuaire de l'acad^mie francaise von
1694 das wort romantique noch nicht erscheint, dagegen das
englische romantic nach Skeat Etymol. diction. (grofse ausgäbe)
in Philipps New world of words, London 1706 als neologismus
vorkommt — auf diese tatsachen macht mich ebenfalls HBrei-
tinger aufmerksam — , so scheint in der tat die zeit des Über-
gangs vom 17 zum 18 jh. die zeit der entstehung des hier be-
sprochenen Wortes in seinen verschiedenen formen — romantic,
romantique, romantisch — zu sein.
Bern 15. x. 18SS. Ludwig Hirzel.
AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RAUMER 227
Aus DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RaUMER.
Frau Professorin Marie von Raumer zu Regensburg ver-
stattete mir gütigst einsieht in eine reihe von briefen, lüelche be-
freundete gelehrte an ihren verstorbenen gemahl gerichtet hatten,
mehrere dieser Zuschriften schienen mir ein dauerndes und objec-
tives interesse zu besitzen und namentlich für die geschichte der
deutschen philologie wertvoll zu sein; diese bringe ich hier, nach
eingeholler erlauhnis der frau von Raumer, zum abdruck. den
reigen eröffnen 7 briefe von Jacob Grimm (nr 1 — 3 und 5 auf
quartbogen) ; ihnen folgen 10 von Wilhelm Grimm (darunter nur
einer, nr 10, in quart); den schluss bilden ein schreiben Haupts,
ivelches auf die zeitweiligen intentionen des ersten herausgebers
dieser zs. licht wirft, eines von Schneller, endlich aus einem
briefe Müllenlioffs der passus, welcher über den 1852 bestehenden
plan seiner DA aufschluss gibt, meine erläuternden noten habe
ich begreiflicher weise auf solche beschränkt, welche für das Ver-
ständnis unentbehrlich waren. St.
1.
Sie werden mir böse sein, lieber Raumer, dafs ich Ihr buch
einen ganzen | monat laug hier behalten habe; die folgen der
leidigen grippe | halten mich in allen meinen geschäften und
arbeiten dergestalt zurück-lgebracht, vier oder fünf examina sich
in den schlufs des Semesters | gedrängt, soviel andere briefe
waren zu beantworten und soviel | manuscript meiner syntax in
die hungrige druckerei zu liefern, | dafs ich beschlofs erst dann
an die lesung Ihres buchs zu gehn, | wenn ich ruhig zu athem
gekommen wäre. Hinterher gereut | mich dies aufschieben, denn
ich hätte mich dann eher j gefreut über Ihre gelungne, trefliche
arbeit, ich wünsche | Ihnen glück zu solch einem anfang, der
noch mehr verspricht | und verbürgt, weil er schon soviel leistet.
Sie müssen das | alles gleich drucken lassen, es kommt uns recht
gelegen; ] Sie haben meine idee von der lautverschiebung glück-
lich ergänzt | und befestigt durch Ihre nachweisung über die bil-
dung der | aspiratae und besouders über diei Stockung der laut-
senkung, sobald ] die aspirata ihren wesenll. character aufgibt,
d. h. die vorschlagende | muta verleugnet, das alles ist von Ihnen
zur Überzeugung ] gebracht, klar und besonnen dargestellt, die
Untersuchung | wird Ihnen ehre machen und unsern Sprachstudien
vortheil | bringen. Auch Ihre beiläufige ausführung über die
sanskr. | palatalen freut mich, obgleich ich nicht weifs, ob Sie
damit | (s. 2) durchkommen werden (im ind. aiphabet scheinen
wenigstens die | buchstaben für solche Unterscheidungen sehr alt),
* über die über ausgestrichenem der.
228 AUS DEM NACHLASSE HUDOLFS VON RÄUMER
aber Sie beseitigen | einwürfe, die daraus wider die vergleichung
der deutschen sprachen-jlaute erwachsen mit vollem recht, das
hochdeutsche Z | habe ich mir seit lange schon als Verderbnis
des TH betrachtet | und eingebildet, es müsse zu irgend einer
frühen zeit im hochd. | die asp. phonetisch so rein wie im goth.
bestanden haben. | Sie nehmen verschiedne ausätze zur bildung
der asp. an, | kurz, nach Ihrem guten gleichnis, zwei hinter-
einander rollende I wagen, während ich ihrer dreie laufen lassen
möchte. | Ich gebe Schwankungen der asp. zu , behaupte nur der
asp. I Staudesgleichheit mit den beiden andern stufen. Selt-
sam | ist, dafs einige hochd. dialecte zwei dentalasp. TH und
Z I nebeneinander erzeugen; diese verirrung (wahrer gegensatz
zum mangel aller dentalaspiration | im heutigen niederdeutsch.) ^
sollte §. 41 noch mehr | hervorgehoben werden, treffend ist Ihre
deduction, dafs | das goth F nicht zu hochd. B werden konnte.
Das mhd. | K = KH wird noch einwendungeu leiden, was aber
Ihrem | Ganzen nichts benimmt. Auch das gleichnis in der [ ein-
leitung von dem fortrauschenden wasser hat mir zugesagt. | noch
einmal, ich danke Ihnen herzlich für die Übersendung | des MS.
und freue mich dessen baldiger erscheinung. | Am schnellsten
durchlaufen muste ich Ihre excurse über j (s. 3) lat. und griech.
laute, doch sehe ich soviel, dafs Sie die sache | auch hier von
der rechten seite fassen.
Ich lasse das MS. mit der fahrpost zurückfolgen und | packe
Ihnen Holzmanns Isidor bei, dessen ansieht über | die goth. TH
und D Sie erwägen mögen. Die arbeit ist | scharfsinnig und
löblich. Rapps buch2 hingegen lege ich nicht ) bei, um Sie
nicht zu irren; es enthält mit geist und geschick | angestellte
Untersuchungen, die sich nur zu sehr in der physik | halten und
keine rechte grundlage von bewältigtem sprach -[material haben.
An Ihren hern vater meine angelegentliche empfehlung]
Wilhelm läfst ihn und Sie von ganzem herzen grüfsen, | weil ich
schreibe, meint er dafs es diesmal zugleich für | ihn gelten solle.
Dortchen grüfst ihrerseits, die drei kinder | sind wol und seit
Ihrer abreise ein ziemlich stück gewachsen.
Mit aufrichtiger liebe und hocbachtung
Göttingen 22 merz Ihr freund
1837. Jac. Grimm
von3 der media, als dem eigentl. grundlaute jedes organs, würde
ich die lautverschiebung | ausgehn lassen, von da ist ein drang
zur ten., von da zur asp. der lauf hemmt oder verwirrt sich,|
seit die asp. PH, TH, CH in F, SZ, HH verdirbt, d. h. sich in
manichfacher modification mit aufgäbe des stummen Clements |
1 die eingeklammerten worte queer am rande mit veinoeisungs-
zeichen. ^ Versuch einer physiologie der spräche, Stuttgart und
Tübingen 1836 /f. ^ ^jq^ hier ab bis übrig ist nachtrag mit kleinerer
Schrift,
AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VOi> BAUMER 229
den Spiranten V, S, H nähert, zwischen diesen Spiranten und
der media, nach welcher sich die asp. von neuem | drängt,
scheinen mir alle diese modif. zu schweben BH, DH, GH; F,
Z, . .; mit recht bemerken Sie, wie sich die engl. | spräche ab-
müht, ihr TH in S und D zu zersetzen, die neugr. ausspräche
des 0 ist sicher nicht die genuine, | sondern schon mitteltinte.
bei dieser fortschreitenden mafslosen Zersetzung der asp. stehu
dann die | tenues und mediae still, und die mundart hilfst zu-
letzt eine stufe ein, ohne compensation; so werden | die Eng-
länder am ende nur D und T haben, wie G und Di, während
ihnen von PH noch F übrig istp
s. 1 queer am rande: den Holzmann bitte mir gelegent-
lich I zurück aus.
s. 4 adresse: Herrn Rudolf von Raumer
Candid. philo!.
Hochwolgeboren
frei. Erlangen.
2.
Cassel 17 aug. 1838.
Mein lieber Rudolf,
Sie wissen was mich gehindert hat Ihnen zu schreiben und für|
Ihr übersandtes buch noch eimnal zu danken, das Sie | mir frei-
lich schon vorher im manuscript mitgetheilt hatten | und über
das Sie mein urtheil wüsten. Seit december | ist es sogar mit
allen meinen übrigen büchern aus meinen | bänden, und ich be-
spreche vielleicht noch, sobald ich es | wieder lesen kann, eins
und das andere näher mit Ihnen.
Unterdessen hofte ich Sie sogar von angesicht wieder | zu
sehn. Ich kam ende junis nach Erlangen , wo ich von | Ihren
eitern aufs freundschaftlichste empfangen wurde, | und den kreis
Ihrer geschwister einigermafsen kennen | lernte. Wie leid that
uns da allen gerade Ihre | abwesenheit. Desto mehr wurde von
Ihnen gesprochen, | und ich habe auch aus dem munde anderer
leute I Ihr lob vernommen. Möchten Sie nur selbst | (s. 2) voll
mut sein und vertrauen. Ich dächte Sie versuchtens ein jahr|
oder zwei bei einer schule, und bereiteten sich so vor zum aca-
demischen ] lehramt. Sie haben soviel kenntnisse und anlagen
dazu, dafs | es Ihnen glücken wird. Man erzählte mir, dafs Sie
mit I Ihrer gesundheil nicht ganz zufrieden seien, ohne dafs ] Ihnen
doch etwas bestimmtes fehlte. Lassen Sie Sich nicht | von blofsen
einbildungen heimsuchen, und erklären Sie ] Sich frisch für ge-
sund und rüstig, so wirds desto leichter | gelingen.
• verschrieben für C. ^ darauf zwei Zeilen durchgestrichen :
üb Sie dem digamma sein recht tliun, steht daliiii; mir ist sein wirklicher
zus.hang mit | F unverwerflich, da sich aus (darauf GG, GU, noch mit
senkrechten strichen durchgesti'ichen) VV, V, F ergibt, doch das liegt
Ihnen bei seite.
230 AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RAUMER
Bei der unsicherbeit unseres geschicks haben wir beide, |
icb und Wilhelm, eine grofse lang aussehende arbeit | unter-
nommen, ein ausführliches deutsches Wörterbuch | von Luther
bis Göthe, in welches der ganze volle reichthum | unsrer lebendigen
spräche eingetragen werden soll. Die | arbeit ist schwer und
lang, sie kann aber lohnen, und | ungeahntes hervorbringen und
fesligeu. Sie denken | Sich leicht, dafs wir ein solches werk
nicht blol's auf | unsre schultern allein nehmen, sondern freudiger
mit- 1 hülfe bedürftig sind. Hätten Sie lust dazu? | (s. 3) Es ist
uns schon eine reihe tüchtiger freunde beigetreten, die es über- |
nehmen einzelne Schriftsteller genau zu excerpieren, das | ge-
schäfl sieht dürrer aus als es ist. man kann es zu ) jeder stunde
vornehmen , wo man zu andern dingen unaufgelegt | ist. z. b.
wenn Sie Klopstock , oder Vofs oder Wieland | durchgehen
möchten? es würde auch daraus ein angemessener | gewinn her-
vorgehn, der Verleger erbietet sich alle solche | auszüge zu hono-
rieren. Schreiben Sie mir gelegentlich | Ihre meinung dazu, und
ich werde dann genaueres über die | einrichtung der excerpte
mittheilen.
Wilhelm und Dortchen ziehen michaelis auch hierher, | damit
wir wieder vereint seien, alles übrige liegt im | dunkel. Sobald
Sie einen brief nach Erlangen schicken, | vergessen Sie nicht Ihre
eitern von mir aufs herzlichste | zu grüfsen und meinen dank
für Ihre freundschaft zu | wiederholen. Ihr freund Jacob Grimm.
s. 4 adresse: Herrn Rudolf von Raumer
Hochwohlgeboren
zu
Wernigerode
frei. bei Hrn Pastor Radeke. ^
3.
Cassel 1 dec. 1838.
Lieber Raumer,
die antwort auf Ihren herzlichen brief, der uns alle gar sehr!
erfreut hat, wurde hingehalten durch die erwartung, | zögerung
und endliche ausführung des Überzugs der meinigen j von Göt-
tingen hierher. Jetzt sind wir wieder vereint, im | hause sogar
des casseler bruders, enger zusammen als | lange vorher, und
desto froher darüber , in getroster | erwartung aller weiteren be-
schlösse der Zukunft über uns. | Wilhelm und Dortchen grüfsen
Sie und auch die knaben ] sind Ihrer noch eingedenk, ich füge
meinem grufse noch | die treusten hinzu an Ihre eitern.
Wir zweifelten nicht daran, dafs Sie uns gern bei | unserm
neuen unternehmen beistehn würden. Göthe | und Lessing sind
schon in bänden andrer, und auch j Klopstock wird von From-
mann in Coburg ausgezogen. | Wenn Sie daher Justus Moser,
* onkel vRaumers, vei-mählt seit 1S26 ?nit Sophie Reichardt f 1837.
AUS DEM ^ACHLASSE RUDOLFS VOiN KAUMER 231
Hamann und vielleicht | noch Herder durchgehn wollen wäre es
uns erwünscht. | Der letzte schrit'lsleller scheint mir fürs Wörter-
buch, wie I manche andere seiner zeit unergiebiger, lälst sich
also I (s. 2) auch schneller ausziehen; er hat weniger den deut-
schen I wortvorrath in seiner gewalt, als die gäbe, sich mit
wolge-|iälligen oder ihm neu gelungnen Zusammensetzungen zu|
behellen, er ist durchgehends geschmackvoll, aber weil ärmer |
als z. b. Lessing, der die spräche völlig beherscht.
Sie haben für die auszüge das ganze nächste jähr | zeit;
vor 1840 kann die redaction nicht ernstlich beginnen. | für
Herder dient Cotlas, für Moser die^ Nicolaische ausgäbe, | für
Hamann die von Roth. Die^ einzelnen Wörter kommen j auf
sedezblätlchen , nach beigehendem musler; aus dem | excerpt
mufs die ganze phrase, ohne dafs weiter nachge-|schlagen werde,
erhellen, das eilst wird aber doch bei-|gefügl. Es liegt natür-
lich mehr an allen kräftigen | wurzeln und redensarten , als an
derivalis und com-jpositis, nur wo diese frisch und glücklich
geschöpft sind, | verdienen sie rücksicht. im zweifei wird ein
Wort 1 eher excerpiert als ausgelassen.
Die verlagshaudluug wird die auszüge anständig | (s. 3)
honorieren; der mafsstab dazu ist noch nicht recht ausgefunden.
Was ich übrigens noch zu antworten und zu | schreiben
hätte mufs diesmal verschoben bleiben.
Mit aufrichtiger hochachlung und liebe
Ihr
Jac. Grimm
adresse s. 4: Herrn Rudolf von Raumer
Erlangen.
4.
Cassel 15 merz 1840
Lieber freund,
für zwei briefe und Zusendungen von Ihnen | habe ich zu danken,
die mir beide | willkommen und erfreulich waren. Besonders |
hat mich Ihr Servius Tullius^ überrascht; die | Untersuchung
scheint mir so scharfsinnig und | bündig, dafs sie ihnen grofse
ehre macht | und ich hoffe den weg zu einer erwünschten | au-
stellung bahnen wird. Gut dafs Sie | sich das herz fafsten, auch
noch dies zweite | probestück abzulegen ; melden Sie uns | bald
Ihre aussiebten , die vielleicht schon | nahe gerückt sind , wir
nehmen an allem | was Ihnen begegnen wird herzlichsten theil.
Ihre mühsamen beitrage zum | Wörterbuch sind soweit ich
nacbsehn konnte | (denn von allenthalben strömen jetzt | haufen-
* die über der zeile nachgetragen. ^ von hier ab vielfach wört-
liche Übereinstimmung mit dem briefe an Vilmar vom gleichen datum
bei Stengel 1, 301. ^ vRaumers doctordissertation: De Servil Tullii
ce?isu, 1840.
232 AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RAUMER
weise zettel ein) volikommeD | angemessen und brauchbar. Der
Verleger | (s. 2) wird nicht unterlassen Ihnen das schuldige]
honorar dafür zu übermachen, sobald | er dazu gelangt ist, den
mafsstab aur-|zufinden, nach welchem er seine Zahlungen | ein-
richten soll. Es müssen zuvor | mehrere puncte ermittelt sein.
Höfers buchi liegt von mir noch un-|gelesen; ich hebe mir
es bis dahin auf, | wo ich zur lautverschiebung vorgerückt | sein
werde, es geht mit dem ausarbeiten | der neuen ausgäbe langsam,
weil noch | einige andere bücher dazwischen besorgt | werden
müssen. Ich glaube nicht, dafs | ich viel von meinem boden zu
weichen j brauche; auch durch Graffs anbohrungen, | der wenig
beruf zu durchdringender | darstellung hat, lasse ich mich wenig]
fs. 3) anfechten. Meine bahnen ziehen sich | eher eng als weit;
die schranke der ) warmen heimat sagt mir mehr zu ] als die
aushreitung in fremde sprachge-Jbiete, wo die schritte leicht ge-
fährliche ] Unsicherheit annehmen.
O.Müller hat diesen- winter Italien j durchzogen, wolgemut
und glücklich ] dem Göttinger Jammer eine Zeitlang ] entronnen
zu sein (kürzlich hat die ] Universität ihre letzte ehre zu grabe]
gelragen s); nun reist er noch nach ) Griechenland. Wie ist wol
Döderlein ] mit seinem Festus zufrieden ? Grüfsen ] Sie mir
diesen freund; vor allem ] aber beide Ihre guten eitern.
Wir gedenken Ihrer.
Jacob Grimm.
die adresse auf dem Umschlag lautet: Sr. Hochwolgeboren
Herrn D"". Rudolf von Raumer
fr. Erlangen.
5.
Lieber Raumer,
Sie haben uns hintereinander zwei frohe nachrichten gemeldet,
die, wie ich ] nun höre, innerlich genau zusammenhängen, der
himmel wird ] Ihnen, nach so langem harren lohnend, ferner
beistehen ; ich und ] wir alle wünschen Ihnen zu der stelle und
der braut herzlich ] glück. Dafs Sie jetzt geschichte lehren freut
mich, gelernt ] haben Sie sie schon lange, aber freilich aus lernt
sie keiner. | neulich habe ich in einer acad. Vorlesung*, die ich
Ihnen senden will, ] wieder einen versuch gemacht, unsre aller-
älteste geschichte auszu-Jdehnen; schreiben Sie mir was Sie dazu
meinen. Was Wailz ] und Sybel betrift, neige ich mich mehr
zu ersterem; Sybel ist ein j mann von geist, trägt aber seine
ansieht in die geschichte, während ] mir es natürlich ist, aus
der geschichte ansichten zu gewinnen, mögen ] sie sein weiche
sie wollen.
^ Beiträge zia' etymologie und vgl. grainm. der liauptsprachen des
indogerm. stummes i, 1839. ^ diesen corr. aus diesem. ^ vgl.
den Briefwechsel zwischen Dahlmami, Grimm und Gervinus 1,381.
* Lber lornandes und die Gelen (gelesen am 5 viärz 1 846).
AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RAUMER 233
Grüfsen Sie mir Ihre eitern und auch schon unbekannter
weise | die braut. Scbmidtieiü^ habe ich gar nicht zu gesiebt
bekommen, | wahrscheinlich geschieht es bei seiner nächsten an-
wesenheit.
Unabänderlich Ihnen zugethan
Berlin auf den ersten Ihr Jacob Grimm
ptingsttag2 1S46.
adiesse s. 4: Herrn Professor Rudolf v. Raumer
fr. Erlangen. 3
6.
Berlin 15 juIi 1850.
Mein lieber guter Raumer,
ich habe Ihnen lange nicht geschrieben, Ihre briefe und | Zu-
sendungen beweisen mir, dafs Sie mit alter | liebe an uns hängen,
ich danke Ihnen herzlich | für alles, die zeit ist trüber als je;
möge I der himmel in diesen wochen den Schleswigern ( sieg
verleihen und seine band halten über | Ihrem bruder Hans.
Von meinen arbeiten ist weniger als sonst | zu melden , doch
habe ich in einer* | vorrede zu Merkels lex salica , die bald | er-
scheinen wird , ausführlicher dargelhan , was | schon mein auslauf
über die malberg. gl. | in der geschichte der deutschen spräche]
behauptet hat, so wenig aufmerksamkeit | es auf sich zog. Jetzt
werden philologen | wie Juristen schon näher dazu müssen. |
(s. 2) da ich als blofser Vorredner nur wenige exemplare | be-
komme , kann ich Ihnen keins zusenden | und mufs Sie auf eine
andre gegengabe | vertrösten.
Meines bruders söhne, Hermann und | Ihr genanne, studieren
wacker fort und | sind brave laute. Grüfsen Sie mir | alle die
Ihrigen von herzen, ich verbleibe
Ihr treuer freund
Jacob Grimm
adresse s. 4: Herrn Professor Rudolf von Raumer
fr. Erlangen
7.
Lieber Raumer,
herzlichen dank für Ihren Unterricht im deutschen. | da Sie so
grosze mühe auf diese schrift gewendet | hatten , zweifle ich nicht,
sie würde noch bedeutender | gerathen sein, hätte Sie der plan
Ihres vaters | nicht in schranken geengt, dann wäre Ihre cha-
racte-|ristik der älteren grammatiker ausführlicher geworden |.&
Der abschnitt über uns lautet allzu günstig, | ihn entschuldigt
1 EJvSchmidtlein(\198—\Slb), prof.jur. in Erlangen von 1834— 1S70.
^ 31 ma/. ^ hinter diesen brief gehört die nachschrift Jacobs
zu fFilhelms brief unten nr 11. ^ rfaraw/'ausführlichen durchgestrichen
5 vor dem punct ist sein durchgestochen.
A. F. D. A. XV. 16
234 AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RAUMER
aber, dasz Sie die alte ueigung | zu uds nicht mehr los vverdeo,
sondern treu fort- 1 hegen, vielleicht hättet p. 77 statt meiner
rechtsalt. | und mythologie die geschichte der deutschen ] spräche
erwähnung verdient, welche doch die vvichtig-jsten Seiten unseres
spraclialterthums abhandelt. | Sie sind diesem buch nicht zugethan,
und ich | halte es gerade für das beste von allen die | ich ge-
schrieben habe, nur^ bedürfte es | einer neuen abklärenden auf-
läge, weil es I in der that allzuschnell aufs papier gebracht]
wurde.
(s. 2) Zur gegengabe empfangen Sie hierbei vier | acade-
mische abhandlungen ; sollte ihnen | eine derselben schon früher
zugekommen | sein, so bitte ich um deren gelegentliche | rück-
gabe, weil ich oft von andern darum 1 angegangen werde.
Die beilage an Steub bitte ich nach | München abgehn
zu lassen.
Nun noch freundlichsten grufz
von Ihrem
Jacob Grimm
ß. 11 juni 1852.
Cassel 31 August 1840.
Mit den herzHchsten grüfsen sende ich Ihnen, lieber freund, |
die goldene schmiede: es ist kein gedieht, das besondern | poeti-
schen werth hätte, aber es verdient aus andern | gründen auf-
merksamkeit, und da ich wünsche dafs Sie, | wenn es Ihnen
überhaupt die Verhältnisse erlauben, | fernerhin an der altdeut-
schen literatur antheil nehmen, | in der Sie mit glücklichem er-
folge arbeiten würden, so | sehen Sie diese Zusendung als eine
einladung dazu an. | was Sie geschrieben haben hat mir sehr
wolgefallen: | es ist scharfsinnig und dabei anmutig ausgedruckt, |
und was ich zuerst hätte sagen sollen , mit liebe gearbeitet, |
ohne welche man auch in der Wissenschaft nichts | dauerndes und
lebendiges hervorbringt.
Bei uns ist es dieses jähr befser ergangen als das | vorige:
ohne dafs eine schwere^ krankheit uns I heimgesucht hätte, meine
frau ist zwar noch leidend, | es kommen aber dazwischen auch
befsere und gute Zeiten. | Seit einigen wochen ist sie auf dem
lande mit zwei | kindern , sich in der frischen luft zu stärken;
ich werde | sie in diesen tagen abholen.
Müllers tod* hat uns heftig erschreckt und bewegt. | das ist
ein grol'ser verlust nach allen Seiten, zwar der | (s. 2) Univer-
sität, die keine sittliche grundlage mehr hat, | hätte auch er nicht
aufhelfen können , aber er war | den wolgesinnten dort trost und
' schaint aus hätten corrigiert. - davor nur odej' mir durch-
gestrichen. 3 davor sw durchgestrichen. ^ f 1 aug. 1840.
AUS DEM .NACHLASSE RUDOLFS VON RAUMER 235
Stutze, das verderben | kommt gewöhulich mit macht. Gott
wird es auch | zum besten zu lenken vvifsen.
Grüfsen Sie Ihre lieben eitern, und denken | Sie alle mit
theilnahme und freundschaft an uns
von herzen der Ihrige
Wilh. Grimm.
9.
Berlin 24 Januar 1844.
Sie haben, liebster Ireund, lange nichts von mir gehört,
aber ich brauche 1 nicht zu versichern dafs ich Ihnen und Ihren
eitern die herzlichste gesinnung | bewahre, und an allem, was Sie
betrifft, warmen antheil nehme, wie | habe ich gewünscht dafs
Ihre Stellung fest und gesichert sein möge, und | manchmal die
ert'üllung dieses Wunsches nahe geglaubt, wenn sie aus-|geblieben
ist, so kann ich nur die erfahrung anführen, die ich in meinem |
eigenen leben gemacht habe, was ich, ohne unbescheiden zu
sein, erwarten | durfte, was in dem einfachen gang der dinge
natürlich schien, ich erinnere | mich nicht das (sie) es geschehen
wäre , aber auch das glückliche und günstige | klopfte unerwartet,
wie ein freund aus der ferne, an die thüre.
Mit* den folgen meiner krankheit habe ich mich noch den
ganzen | sommer 1842 herumschlagen müfsen , erst im herbst
kamen die kräfte | wieder zurück: mit den Vorlesungen, die ich
in dem winlerhalbenjahr wieder | begann, gieng es über erwarten
gut, ja ich fühlte mich dadurch gestärkt. | aber nun kränkelte
Jacob, und sein zustand verschlimmerte sich, so dafs | er den
sommer aussetzen und die von allen seiten angeratene reise | nach
Italien übernehmen mufste. ende october kam er wieder zurück, |
sichtbar gestärkt und, wie uns schien, ganz hergestellt, doch
hat die ] tückische Witterung dieses winters ihm wieder einige,
hoffentlich- | vorübergehende ruckfälle zugezogen, die ihn indessen
nicht von seinen | Vorlesungen abgehalten haben, bei meiner
frau wechseln gute und | schlimme tage; sie ist zufrieden wenn
jene die überhand behalten.
(s. 2) Hierbei übersende ich Ihnen die Umarbeitung des
grafen Rudolf, den Sie | schon als einen namensvetter gut auf-
nehmen müfsen; ich bin durchs | die entdeckung weiterer bruch-
stücke dazu veranlafst worden, und es | war die erste ordent-
liche arbeit, die ich nach der krankheit wieder vor-|nehmen
konnte. Schon längst fertig, ist sie durch den langsamen, etwas |
mühsamen druck verzögert worden, das gedieht ist wol der
mühe I werth, die ich daran gewendet habe, und sollte ich es^
* wesentlich dasselbe, was nun folgt, aber minder ausführlich, schrieb
WGrimm unter dem gleichen datum an Frommann, siehe Germ. 12, 371 /i
2 davor doch durchgestrichen. ^ davor zu durchgestrichen.
^ es über durchgestrichenem sie.
16*
236 AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RAUMER
auch, wie das so j geht, etwas überschätzen, so bleibt es doch
merkwürdig und in mancher | beziehung einzig.
Ich lese diesen winter über Erek, und^ habe der erklärung
eine aus-|fUhrliche einleitung über den Artuskreifs vorangehen
lafsen. mir macht | die Vorlesung grofses vergnügen, die sage
an sich, deren grundgedanken | Hartmanu nicht verstand, ist
schön, vielleicht die schönste in dem ganzen | kreifs; Gervinus
hat ihr unrecht gethau. aber auch Hartmanns 1 darstellung hat
hier2 eine jugendliche frische und anmut, die seine anderen |
werke, wenn auch ausgebildeter, nicht besitzen, wenigstens nicht
in I diesem grad. die deutsche alterthumswissenschafts hat hier
fortgang, wie, scheint es mir , | überhaupt in Deutschland, [unter
den Zuhörern finden sich immer einige, | die eifer und fleifs
zeigen, ich habe bemerkt dafs die meisten aus | Süddeutschland
gekommen sind, erkennen die jungen leute was gesund | und
tüchtig in jener zeit war, so sind sie im stand die gegenwart
befser | zu begreifen, und zu unterscheiden was echt und was
holes geschrei ist: | auch auf die spräche, die so arg mishandeh
wird, hoffe ich einen | guten eiuflufs; ich habe auch diesen
punct ihnen neulich ans herz | gelegt. Sie haben in Ihrem brief
vom Juli 1841 manches bemerkt, | dem ich beistimme, die weit,
die man obenhin die gebildete nennt, [ (s. 3) ist zerfahren , und
in gesinnungslosigkeit und Selbstsucht, oder in | parteiwesen ge-
theilt. dagegen kann nur die Wissenschaft, die | wahre und
lebendige, helfen, sie kann es möglich machen^ die | äufsere (sie)
geschicke, die gott sendet, würdig zu betrachten, und würdig
darauf^ j einzuwirken, immer aber dürfen wir uns freuen dafs
in dem^ ganzen | deutschen volk, mehr als in einem andern,
noch der trieb zum befsern" | ruht, und es nicht, wie andere,
abgenutzt und ausgehölt ist: das | gefühl des Zusammenhangs und
des gemeinsamen ist lebendiger | als je.
Leben Sie wol, liebster freund, und sein Sie und Ihre liebe
eitern 1 mit alter herzlicher gesinnung gegrüfst
Ihr
Wilhelm Grimm.
mif dem cotwert die adresse: herrn D^ Rudolf v. Raumer
nebst einem exemplar von
graf Rudolf Erlangen.
10.
Lieber freund, mein bruder hat Ihnen vorläufig meinen dank
für das schöne geschenk , das Sie mir mit | Ihrem buch gemacht
* und über durchgestrichenem ich. ^ hier über der zeile nach-
getragen. 2 die deutsche alterthumswissenschaft über ausgestrichenem
dieses Studium. '• nach machen komma getilgt. ^ darauf aw/
zeilenschluss nachgetragen. ^ in dem über ausgestrichenem das.
'' davor grofsen durchgestrichen.
AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RAUMEP. 237
haben , ausgedrückt: ^ ich selbst habe es ooch nicht gethao weil
ich es zuvor | ruhig durchlesen wollte, uud dazu bin ich erst
jetzt gelangt, ich habe mich an der liebe, mit der | es ge-
schrieben ist, uud an dem religiösen sinn, der seine grundlage
ausmacht, herzlich gefreut: dann war | die gründliche behand-
lung und der klare und reine ausdruck zu rühmen, soll ich es
sagen , so waren | mir die geschichtlichen belrachtungen am
liebsten, die ein zeugnis von Ihrem beruf in diesem fache ab-
legen: I wie gut haben Sie die kirche in so manchen erscheinungen
gerechtfertigt, die dem oberflächlichen sinn | tadelnswerth er-
scheinen, und doch aus ihrer eigenthümlichen natur und Stel-
lung hervorgegangen sind. 1 diese erkenntnis des echten 2 zwischen
dem falschen und schlechten, das sich nach und nach eindrängt,!
scheint mir die hauptaufgabe der geschichte. dafs der geist des
christenthums die seele und also | auch die spräche des menschen
durchdrang, war der wichtigste einflufs, aber diese Wahrheit ver-
steht sich I von selbst: auf den Organismus der spräche hat das
christenthum nicht eingewirkt und konnte es nicht. | freilich be-
steht darin für mich ihre^ geschichtliche entwicklung, aber ab-
gesehen davon, dafs eine zusammen-|stelluog dessen, was der
Sprachschatz gewonnen hat, die forschung fördert (man würde
ebenso den einflufs ( z. b. des ritterthums behandeln können), so
überzeugt sie auch dafs der gewinn bedeutender ist als | man
sich vielleicht vorgestellt hat. die beschränkung auf das alt-
hochdeutsche hat vortheil und nachtheil | mit sich geführt: das
buch würde schwerlich sonst einen so reinlichen abschlufs er-
halten haben, für das | mittelalter habe ich mir in der ein-
leituug zu der goldenen schmiede eine verwandte aufgäbe ge-
setzt, I wo ich den einflufs des christenthums auf die bilder-
sprache der poesie darzustellen gesucht habe: man | könnte ihn
insoweit innerlicher nennen als zugleich die seele des menschen
durch das bild angeregt | und bewegt wird, während ein neu ein-
geführtes wort unverstanden bleiben kann, auch wenn es aus-
gesprochen I wird, ich sende Ihnen als kleines gegengeschenk
eine abhandlung über den Ursprung der Christusbilder , | (s. 2)
die nur in wenigen exemplaren bekannt geworden ist; da sie
den einflufs des christenthums auf die kunst | behandelt, so wird
sie auf theilnahme bei Ihnen rechnen dürfen.
Einen einzelnen punct will ich doch berühren, wenn Sie
die Schriftsprache unmittelbar und allein | aus den volksmund-
arten hervor gehen lassen , so begreift man nicht woher jene zu
dem richtigen gefühl | des feingegliederten lebens der spräche
gelangt wäre, das den rohen volksmundarten fremd ist. die|
ältesten runensteine, von gemeinen arbeitern eingehauen, sind
meist in den stumpfsten sprachformen | abgefafst. sollten die
* dieser brief lag mir nicht vor. ^ darauf komma und das
sich durchgestrichen. ^ ihre über ausgestrichenem die.
238 AUS DEM iNACHLASSE RUDOLI !? VON BAUMER
gemeioeu Gotheu gesprochen haheu wie Ulfilas? ich glaube nicht,
dürfte man | nicht annehmen dafs zu allen Zeiten ein gegensatz
bestanden habe zwischen der spräche des gemeinen | Volkes und
der höher stehenden, des adels, der priester? nur diese allein i
verstanden sich auf die schrift und | gebrauchten die ihnen eigene
spräche, aber wie hätten sie auf den gedanken kommen können
eine | läuteruiig der Volkssprache vorzunehmen und wer hätte
ihnen die grundsätze dafür angeben können ? | Übergänge'^ und
verschiedene färbungen mufs man uatürHch finden.
Es wäre mir recht gewesen wenn Sie bei erörterung dei
taufe etwas näheres über die Exhortatio | gesagt hätten : meine
Vorlesung bezog sich blofs auf die spräche und einen bessern text.
\Venu Sie, nachdem das buch vor Ihnen lag, wufsten wo
dies oder jenes besser wäre zu machen gewesen, | und eine art
Unzufriedenheit darüber empfanden , so begegnete Ihnen doch
nur was jedem rechtlichen forscher | begegnet, das gefühl dessen,
was darin gelungen ist, und das man ehrlicher weise auch haben
soll, wird I sich hernach zu rechter zeit schon einstellen und
damit auch die freude daran; und an dieses gefühl, glaube | ich,
darf man sich halten, darum will ich auch lieber an den morgen
als den abend des tags glauben, | und wenn wir auch dinge
hören müssen, die uns duz (sie) herz zerschneiden, doch holfeu
dafs die sonne durchdringt. | mir macht das deutsche volk nicht
den eindruck als müsse es in alterschwäche zusammensinken ;
es ist I noch etwas jugendliches oder männliches in ihm. steckten
nicht die meisten, auch bessere, in den holzschuhen | der partei,
so würde der schritt schon leichler und freier sein.
Ich habe in den letzten jähren über die gesundheit der
meinigen sorge genug gehabt; seit einiger zeit | verziehen sich
die wölken ein wenig, das befinden meines bruders und meiner
kinder, die mit gutem | erfolg ein Seebad gebraucht haben, ist
besser geworden, meine frau, bei welcher sich diesen winter
eine | (s. 3) herzkrankheit entwickelte, die mich oft ängstigte, ist
im anfang Juli mit meinem töchterchen aufs land nach Hessen |
gegangen, um eine milchcur zu gebrauchen, anfangs kamen
auch dort anfalle, doch die letzten nachrichten j lauten günstiger.
in diesem augenblick ist sie in Göltingen, bei der wittwe Otlrieds
Müller, einer treuen freundin; | was für verschiedenartige erin-
nerungen werden da auftauchen I ende dieser woche hoffe ich
sie wieder^ bei [ uns zu sehen, sie will über Hannover gehen
um auch dort alle freunde wieder zu sehen, doch nicht um in|
das antlitz von Ernst August zu schauen.
Grüfsen Sie Ihre liebe eitern herzlich , von denen mir Ihre
tante Alberti* erzählt hat: wie gerne | möchte ich nach so langen
> allein über der zeile nacligetrageii. - davor cmsatz von und(?)
durchgeslriclien. ^ danach auf durchgestriclieii. ^ geh. ober-
finanzrätin Alberti , geb. Hensler, vgl. Schletterer, JFReickardt 1,337.
AUS DEM ^ACHLASS£ RUDOLFS V0^ BAUMER 239
Jahren ^vieder unter ihnen sein, doch die eisenbahnen rücken
uns immer | näher zusammen, und es wird ja wohl ein herbst
wieder liommen, wo ich in ruhe, ohne sorgen um \ die meiuigen
reisen kann; seit 1841 habe ich Berhn nicht verlassen.
Ihr treuer freund
Berlin 25° August 1845. Wilhelm Grimm.
11.
Lieber freund,
ich wünsche Ihnen glück zu Ihrem töchterchen^: ich weifs welche |
freude man an dem ersten kind hat, sie ist ganz besonderer art. i
liebe und freude an den kindero dauert fort, wenn sie auchj
hernach eine andere gestalt annimmt, ich fühle das jetzt nach-
dem 1 meine tochter, die jüngste, voriges jähr eingesegnet ist
und die ] beiden söhne die Universität bezogen haben; ich danke
gott I dafs er allen ein gesundes u. redliches herz gegeben hat.
Ihr buch über den deutschen geist habe ich mit theil-|nahme
gelesen und die treue und warme gesinnung darin | anerkannt,
es sieht mir vor als hätte ich über eins und das | andere nicht
ebenso gedacht, aber im ganzen und grofsen ] werden unsere
ansieht (sie) Uberein kommen: besonders gefiel mir | die echt
historische bemerkung dafs das^ heidenthum in sich | erloschen
war, als das christenthum neu belebend eintrat. | wenn ich Ihnen
nicht gleich schriftlich gedankt habe, so lag | die schuld zunächst
an der zeit, in der wir leben, jeder tag voll | bewegung Span-
nung und sorge, was stand nicht alles bevor? | was hatte man
nicht zu fürchten? das schlimmste konnte | augenblicklich ein-
treten.3 da gelangt man nicht zu der | Stimmung, in der man
gerne briefe schreibt, in den quälendsten | augenblicken ver-
schliefst sich leicht der mund, und man* blickt nur | (s. 2) nach
den Sturmwolken, die mit einander kämpfen und den | zug bald
hierhin bald dorthin nehmen. Sie haben | es nicht so in der
nähe gehabt, dazu kam dafs die | folgen einer ernsthaften krankheit,
die im anfaug | des vorigen jahrs mich befiel, den ganzen sommer
und I herbst auf mir lasteten, ja noch jetzt nicht ganz | ver-
schwunden sind: dafs frau und tochter mehrmals | erkrankten,
dazwischen fast vier mouate lang die | cholera , die doch immer
ein eigenes grauen erregt.
Erklären Sie daraus mein schweigen, nicht aus | mangel an
herzlicher gesinnung; wie könnten Sie | glauben dafs Verschieden-
heit der ansichten , von der | ich nicht einmal etwas weifs,
darauf einflufs gehabt | hätte, grüfsen Sie Ihre liebe frau, die
ich noch ] kennen zu lernen hoffe, und ihr ganzes elterliches!
haus von mir und den meinigen auf das schönste.
Berlin S"^ Febr. 1849. Wilhelm Grimm.
^ Adelheid, geb. 5 febr. 1849. - darauf ch durchgestrichen.
^ fragezeichen getilgt. ^ man über der zeile nachgetragen.
240 AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RAUMER
nachschrift von Jacob Grimm:
Lieber Raumer, eine äufserung in Ihrem brief an | Wilhelm ist
mir ganz räthselhatt. woraus in | aller weit entnehmen Sie dafs
ich Ihnen zürne? | ich habe ja noch gar keine meinung von
Ihnen | über mein buch vernommen, das als wir uns [ in Frank-
furt sprachen unerschienen war. dafs | (s. 3) Sie nun einer
darin aufgestellten ansieht nicht | beitreten soll dem alten bestand
unsrer | freundschaft keinen abbruch thun. an | Ihrer vaterfreude
nehme ich aufrichtigen [ antheil. Jacob Grimm.
das couvert trägt von Wilhelms hand die adresse:
Herrn Professor Rudolf v. Raumer
frei. Erlangen.
12.
Lieber freund,
Sie erhalten hier die beiden gewünschten bücher, den Clajus
von 1578 I und den Ickelsamer, die sich glücklicher weise auf
der hiesigen | bibliothek gefunden haben: wahrscheinlich werden
Sie bald damit | fertig sein und dann bitte ich Sie um zurück-
senduug, da hier des | jahrs ein paarmal die ausgeliehenen bücher
müssen eingeliefert | werden u. ein solcher termin bevorsteht.
dann lege ich von | mir ein anderes seltenes buch bei, den Gla-
reanus^, den Sie vielleicht | gerne durchsehen. 2 endlich werden
Sie ein paar kleine academische | abhandlungen finden, die Ihnen
mein bruder sendet.
Ich habe oft voll trauer an Ihr haus gedacht, ich habe
Ihren | bruder^ nicht gesehen, aber alle die ihn* kannten rühmten |
mir sein frisches lebendiges wesen und seine natürliche begabung. |
aus den erzählungen Ihrer mutter im j. 1846, wie er so fröhligj
als Student zu ihr gekommen sei, hatte sich ein bild von ihmj
bei mir gebildet, und ihre Schwester^, die mir so wohl gefiel,
die I als braut so glücklich war, mufs so früh schon auf hartem |
weg gehen.
Ich habe den mut nicht verloren, ich habe Zeiten gekannt, |
die schlimmer waren, als Napoleon uns mit seinen stricken um-
wickelt I hatte, brauchte er nur daran zu ziehen, um uns den
athem zu versetzen. \ (s. 2) je gröfser die noth , desto lebendiger
erhebt sich das vertrauen auf | gott, und wie leicht wird es ihm
hilfe herab zu senden, aber wir | menschen können nur mensch-
lich urtheilen , unsere geschicke | rauschen auf der eisenbahn
> siehe vRaumer, Der Unterricht im deutscheyi^ s. 4f anm. 2 ; JMüller,
Quellenschriften und geschickte des deutschsprachliche?! Unterrichtes s.[22^\.
2 durchsehen, über durchgestrichenem bei. ^ Hans (1820 — 51).
* davor ansatz, von Ih. ^ Aiina vRau?ner (geb. 1825), ver-
mählt 1848 an den schleswiger domprediger HIS Hansen, niuste mit ihrem
seines amtes durch die Dänen entsetzten galten die herzogtürner ver-
lassen, siehe KvRaumers leben s. 339.
AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VOIN UAUMER 241
dahin und es scheint unabwendbar | der wagen entweder rechts
oder links in den graben stürzen zu | wollen.
Griifsen Sie alle die Ihrigen , Ihre liebe ellern und ge-
schwister
von einem treuen freund
Berlin 14° Juni 1851. Wilhelm Grimm.
13.
Liebster freund, den schönsten dank für Ihre schrift über | die
deutschen grammatiker, die ich mit vergnügen durchgelesen]
habe. Sie haben diesen bUchern, aus denen sonst wenig zu
schöpfen I ist, die seile abgewonnen, wo sie aufmerksamkeit
fordern, | und das haben Sie mit gewifsenhaftem fleifs und
lebendigem | gesundem sinn gethan. was Sie über uns beide
gesagt haben, ] verrät die gesinnung eines freundes, und wird
in diesen) sinne | von andern verstanden werden, ob das Studium
der deutschen spräche | auf den gymnasien zu empfehlen sei,
selbst in so mäfsigem umfang | wie Sie meinen, darüber bin ich
zweifelhaft und bin geneigt, | es ganz der Universität zu bewahren,
ohnehin wünsche ich den | gegensatz zwischen beiden schärfer
und entschiedener, während unsere | zeit ihn zu verwischen, die
gymnasien zu halben Universitäten, | die Universitäten zu halben
gymnasien zu machen sucht, ich glaube | es ist genug wenn
man vorerst i den lebendigen gebrauch der muttersprache | einübt,
wenn ich einmal wieder ruhig mit Ihnen zusammen- jsitze, so
werden wir darüber sprechen, mich jetzt weiter auszulassen,!
werde ich durch die arbeil an dem Wörterbuch und den acade-
mischen | abhandlungen verhindert, die alle zeit und kräfte in
anspruch | nehmen.
(s. 2) Ich freue mich der glückhchen und behaglichen läge,
die Ihnen | zu theil geworden ist. möge Ihnen ein ruhiges
heiteres leben | bestimmt sein, glückliche tage, die dankbar an-
zunehmen I und zu geniefsen nicht jeder versteht, golt weifs
was noch kommt, | die gewitter ziehen am rand des himmels hin,
qualm dampft | aus der erde, aber ich habe schon Zeiten der
art gesehen und da | lernt man gott vertrauen , der die geschicke
der weit leitet, ich | habe schon oft die Stärkung und beruhigung
gefühlt, die aus ] der beschäftigung mit der Wissenschaft kommt.
Mit meiner gesundheit ist es^ den winter über leidlich | ge-
gangen, und damit bin ich zufrieden; ich habe auch wieder
an- gefangen au der Universität zu lesen, aber meine frau hat
einige | male ernsthafte anfalle aushalten müssen, den letzten vor
ein I paar wochen, jetzt geht es nun wieder besser und neuHch,=^
an unserm | hochzeitstag (die silberne ist schon vor ein paar
1 vorerst über der zeile nachgetragen. ^ es über der zeile nach-
getragen. 3 neulich , über der zeile nachgetragen.
242 AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RAUMER
jähren gefeiert) safsen | wir einmal sämtlich in ziemlich gutem
zustand beisammen.
Ich danke Ihnen nicht blofs für das buch, sondern auch
für I die warme und treue freundschaft die aus Ihrem brief
spricht: | ich kann sie aufrichtig von unserer seite erwidern; wir
alle sind | Ihnen von herzen zugethan und hoffen , wenn Sie
wieder | einmal bei uns eintreten, dafs die äufsere läge günstiger
ist I und wir Sie öfter bei uns sehen als es diesmal der fall
sein I konnte, den schmerz über den tod Ihres bruders begreife]
ich: die zeit wird ihn zu einem wolthätigen andenken an ihn|
mildern.
(s. 3) Wenn ich sie sämtlich, frau eitern und geschwister
mit eingeschlossen, | auf das herzlichste grüfse, so thun es zu-
gleich mit miri alle die meinigen.
Mit unveränderter freundschaft
Berlin 26'' Mai 1852. Wilhelm Grimm.
14.
Ich danke Ihnen, liebster freund, für das gute andenken, das
Sie mir | bewahren und für die herzliche gesinnung, die aus
Ihrem briefe spricht. | Ich habe Ihnen nicht einmal für Ihre
rechtfertigunsschrift2 (sie) meinen dank und | beifali ausgedrückt,
aber Sie wissen dafs ich alles was Sie mir zusenden | mit freude
empfange, zu dem briefschreiben gelange ich bei der arbeit | an
dem Wörterbuch nicht ohne einige nöthigung. ich suche es da-
durch3 gut zu | machen dafs ich Ihnen diesmal gleich antworte,
über die nachrichten | die Sie mir mittheilen habe ich mich ge-
freut, da sie alle schön und | gut klingen, möge Ihr kleiner
Hermann* (der meinige ist mir über den | köpf gewachsen) ge-
deihen und Gott Sie freude an ihm erleben lassen. | mein zweiter
söhn, der Ihren namen trägt, sodafs ein austausch zwischen |
uns statt gefunden hat, arbeitet^ als referendar an einem gericht, |
macht aber jetzt sein militär jähr und ist bei der grofsen parade
vor dem | Ostreich, kaiser in vollem glänz vorüber gezogen, er
ist gesund rüstig | und ein stattlicher soldat. den festtag Ihrer
schwester6 habe ich gewufst I und ihr von herzen glück gewünscht:
auch ich habe das gefühl | gehabt dafs beide für einander be-
stimmt sind, sie ist eine liebenswürdige | natur und mir gleich
das erstemal als ich sie sah so erschienen.
' zugleich mit mir übe7' der zeile nachgetragen. '^ gemeint ist:
Ein W07't der Verständigung über die schrift: Die einwirkimg des christen-
thums auf die ahd. sj)rache, 1852. dies büchlein hatte v Räumer iibersandt
mit einem briefe vom 17. 10. 52, der nunmehr in fVGrimnis Kl. sehr.
4, 337 zu lesen steht. ^ dadurcii über der zeile nachgetragen.
^ t 9 märz 1856. ^ davor ein buchstabe ausgestrichen.
Z' Sophie vRaumer (1827 — 63) verinählte sich 1853 ?nit prof. theol.
AvOltingen in Dorpat, siehe KvRaumers leben s. 339.
AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RAUMER 243
Icli habe mich diesen wiuter über ziemlich gut gehalteu |
uud nur viel zurückgezogener gelebt, da es mir nicht zuträglich |
war abends auszugehen, dafür haben mich meine ireunde be-
sucht. I ich habe an der Universität keine Vorlesung gehalten und
jetzt wird durch | Haupt dieses fach wieder gut versorgt, bei
den Vorlesungen über die | altdeutsche literatur hat man den
vortheil, dafs sie nur solche hören , die | lust daran hahen, und
daher ausharren und fleifsig sind, ich habe | dieselben er-
lahrungen gemacht.
(s. 2) Jacob arbeitet unabläfsig und zu viel als dafs er es
nicht an seiner | gesundheit empfinden sollte, er wird auch wol
einen ausflug machen | müssen, am besten glaube ich wäre ihm
ein stärkendes bad, aber er | gehört nicht zu denen, die sich
raten lassen, meine frau trägt ihr | herzleiden mit geduld ; böse
tage wechseln mit erträglichen | und auch wol guten, und so-
bald diese kommen ist sie auch heiter, | theilnehmend und weifs
sich noch über manches zu freueu , während | so viele in ihren
Jahren nur ein ernstes oder gleichgültiges gesiebt | übrig be-
halten haben.
Ich denke, um einen wünsch von ihr und meiner' tochter
zu erfüllen, | an den Rhein zu gehen, wir haben, weil wir dem
stadtleben ] entgehen wollen, an einem einsam aber schön ge-
legenen ort eine | wohnung gemiethet. etwas arbeit nehme ich
freilich mit, man hält | es sonst nicht aus, so ist man verwöhnt,
doch werde ich in Bonn bei | den alten freunden einen besuch
abstatten. 2
Auch ich schätze Wackernagels buch. 3 es ist aus dem grund
geschöpft I mit einer Wahrheitsliebe und redlichkeit, mit einem
feinem sinn | und scharfen blick, wie es selten vorkommt, mir
hat die anerkennung | von Freidank ein besonderes vergnügen
gemacht, etwas schadet dem [ buch die allzu epigrammatische
fassung:^ er hätte etwas^ | freier umblicken sollen.
Das werden schöne tage sein, wenn Sie in Winterhausen^
alle I zusammenkommen, sagen Sie Ihrem schwager dafs seit
kurzem ] der prediger Rentorp aus Schleswig'' mit mir in einem
hause wohnt; vielleicht kennt | er ihn. es ist ein ehrenwerther
tüchtiger mann, der hier eine provisorische | anstellung er-
halten hat.
^ meiner über ausgestrichenem ihrer. - über die Störungen, welche
diese reise erfuhr , vgl. den folgenden brief, ferner Freundesbriefe nr 86
und Briefwechsel mit Dahlmann nr 297. 98. ^ seine Litteratur-
geschichte; s])eciell gemeint im folgenden ist s. 279/". * auffassung,
auf durchgestrichen. ^ davor sich ausgestrichen. ^ in Unter-
franken, wo vRaumers schwager Hansen prediger war. '' aus Schles-
wig über der zeile nachgetragen, gemeint ist Heinrich Re7idtor ff {181 i — 68),
der vom sept. 1852 bis zum august 1855 secretär des centralausschusses
für die innei'e mission in Berlin war, siehe Alber ti , Lexicon der Schles-
wig - holsteiji - lauenburgischeyi Schriftsteller nr 1746.
244 AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RAUMER
Grüfsen Sie alle die Ihrigeu auf das herzlichste, frau, eltera
und I geschwister. wie gerne würde ich einmal einen abend
unter ihnen | sein, mit unveränderter freundschaft
Berlin 24° Juni 1853. Ihr Wilhelm Grimm.
15.
Lieber freund,
ich habe ihre kleine schrifli mit vergnügen gelesen, Sie haben
eine zeitgemäfse | frage einfach und treffend beantwortet; ich
danke schönstens dafür. Lachmann | hat beim Lessing das richtige
gethan. ich freue mich dafs es Ihnen und | den Ihrigen wol
ergeht: wir alle bewahren Ihnen ein freundschaftliches | und herz-
liches andenken. Ich habe in dem vorigen jähre wieder eine|
schwere zeit durchlebt: wir wollten den sommer zur Stärkung
unserer | gesundheit an einem stillen ort am Rhein zubringen,
meine frau reiste | ein paar tage früher ab, in Marburg überfiel
sie eine schwere krankheit, | eine herzbeutelentzündung, ich eilte
gleich hin und fand sie in grofser | gefahr, ein paar tage stand
es so dafs nur eine geringe hoffnung übrig | blieb; doch Gott
hat2 sie uns erhalten und es besserte sich langsam, j nach vier
Wochen konnten wir endlich die reise an den Rhein antreten. |
dort haben wir ein paar monate in einer ebene unter dem sieben-
gebürge, | zu Rheinbreitbach bei ünkel zugebracht, wie prächtig
war es dort, wie ] reizend der blick nach allen Seiten, wie mild
und gesund die luft. dieser | aufenthalt hat uns beiden und
meiner tochter, die bei uns war, 3 | erquickt und wolgethan. in
Bonn haben wir ein paar tage bei den | alten freunden zu-
gebracht, den rückweg nahmen wir über Hannover | und ver-
weilten auch dort.
Indessen hat mein* bruder eine gröfsere reise gemacht,
erst I durch das südliche Frankreich bis ans meer und von da
nach Genua, | und durchs Tirol zurück, die bewegung hat ihm,
ohngeachtet der | Strapazen, die damit verbunden waren, sehr
wol gethan, und er arbeitet | mit erneuter anstrengung.
Nur diese paar Zeilen sind mir heute vergönnt, leben Sie
wol, Hebster j freund, und sein Sie und Ihre frau, eitern und
geschwister auf das | herzlichste gegrüfst.
ganz der Ihrige Wilhelm Grimm.
Berlin 29"^ Januar 1854.
16.
Lieber freund,
ich habe Ihre abhandlung über die rechtschreibung^ mit ver-
' Die doppelte recension des textes von Kants Ki'itik der- reinen Ver-
nunft, 1854, wider abgedruckt in den Deutschen versuchen, 1861,^.170^.
2 davor halt durchgestrichen. ^ danach am zeilenschhiss erquickt
ausgestrichen. ^ mein doppelt, das erste durchgestrichen.
^ davor über ausgestrichen. ^ Zs. f. d. österr. gyinn. 1855 = Ge-
sammelte sprachwissensch. Schriften s. lObff".
AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RÄUMER 245
gnügen | gelesen uud stimme Ihneu darin bei dafs man die be-
stehende nicht I gewaltsam angreifen darf; ich war gleich über-
zeugt dafs Weinholds | vorschlage abprallen würden, ich glaube
es kommt auf den tact an, | wie weit man gehen darf, gewis
mufs man die phonetische Schreibweise | achten, darf aber auch
für die geschichtliche etwas Ihun, so sehe ich z. b. | nicht warum
mau nicht kreifs schreiben soll, wie heifs und fleifs. selbst |
um das unnatürliche th und das dehnende h los zu werden,
kann mau | nur allmälig vorrücken, abenteuer und märchen scheint
durchgesetzt. | es geht wunderlich her, manchmal kommt ein
blofser einfall zu ehren. | selbst für von selbst in Zusammen-
setzungen war vor 15 — 20 jähren unerhört, | jetzt glaubt jeder
seine spräche damit zu zieren, und auch bei Ihnen habe | ich
selbstverständlich finden müssen ; ich glaube kaum dafs es wieder
aus-lzurotlen ist. schon früher habe ich gefragt ob es gut deutsch
sei, wenn | man sage der stumme schwieg selbstredend still.'
Ich war vorigen spiitsommer mit meiner frau uud tochter
einige | monate in Kosen, das angenehme umgebungen2 hat, und
der aufenl-jhalt hat meiner frau wolgethan, ihr^ herzleiden hat
sich diesen | winter milder gezeigt, mein söhn Rudolf, der in
Naumburg bei dem | appellationsgericht angestellt ist, konnte in
einer 4tel Stunde auf der | eisenbahn bei uns sein, er hat sich
in diesen tagen als leutnant in der | landwehr mir vorgestellt;
und so sind auch mir die fragen der zeit ins haus | (s. 2) gerückt,
mit meiner gesuitdheit geht es so ziemlich, doch habe ich | mich
mit der grippe herumschlagen müssen.
Grüfsen Sie vater und mutier, frau und geschwister herz-
lich. I wie gehts Ihrer Schwester in Liefland? behalten Sie uns
in I gutem andenken, wir alle bewahren Ihnen die aufrichtigste |
freuudschaft Wilhelm Grimm.
Berlin 18° Jan. 1855.
17.
Lieber freund,
wir alle haben uns herzlich gefreut über die gute nachrichf* die
Ihr I brief uns brachte, und ich bringe Ihnen unsern treuen
glückwunsch. | Ihnen ist ein trost gegeben ^ für den schmerz-
lichsten Verlust, möge | das kiud gedeihen und zu Ihrer freude
heranwachsen, ebenso haben | haben (sie) wir uns gefreut über
die guten nachrichten von Ihren | lieben eitern, das alter führt
schon manche bescbwerden mit j sich, das zu bemerken habe
ich, der ich nächstens in mein 72tes j jähr trete, gelegenheit
genug gehabt.
' vgl. Kleinere Schriften von IFGrimm 1,515. * Umgebungen]
das erste g aus b corr. ^ davor ist da ausgestrichen. * geburt
vonvRaumers sahne Eduard am ^Oj'an. 1857. ^ gegeben] das zweite
g aus b corr.
246 AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RÄUMER
Auch wir empfiudeD uns in diesem winter leidlich wol,
nachdem | wir im sommer eine schwere zeit durchgemacht haben,
meine frau, | milder ich nach Ilsenburg am Harz gegangen war,
um uns in | der Irischen bergluit zu stärken, ward^ dort von
einer gefährlichen ( brustkrankeit (sie) überfallen und erst nach
einem langen lager konnten | wir im Spätherbst hierher zurück-
kehren; mein ältester söhn war | indessen in Helgoland zu seiner
herstellung von andern leiden , und gottlob | nicht vergeblich.
Ihren Untersuchungen über die Orthographie bin ich mit
theilnahme | gefolgt, meine regel ist einfach, die ausspräche ist
zu beachten und zu ehren, | (s.l) aber Verderbnisse und Ver-
wilderungen, die mit der ausspräche nichts | zu thun haben,
müssen der geschichtlichen entscheidung gemäfs | allmälig aus-
gewiesen werden. Sie selbst wünschen dafs wir die ] grund-
losen, unorganischen h los sein möchten, doch auch wol | die
y; dazu können wir nur auf diesem weg gelangen.
Es hat uns freude gemacht Ihren schwager und Ihre Schwester |
zu sehen: sie gehören zu den menschen die gleich vertrauen
er-|wecken. es ist so schön, wenn man jemand findet der be-
kennt I glücklich zu sein.
Grüfsen Sie Ihre liebe frau, Ihre eitern u. fräul. Clärchen^j
auf das freundschaftlichste von uns, und behalten Sie lieb
Ihren treuen freund
Berlin 9"^ Febr. 1857. Wilhelm Grimm.
18.
Leipzig, 12 Januar 1847.
Hochgeehrter herr professor,
mit meinem besten danke für Ihren freundlichen brief verbinde |
ich zugleich eine bitte deren erfüllung mich sehr erfreuen würde.
Nach der Unterbrechung eines Jahres machen unerwartete
umstände | es mir möglich meine Zeitschrift für deutsches alter-
thum fortzusetzen. | dabei ist mir daran gelegen ihre kräfte durch
neue mitarbeiter zu | vermehren, ich erlaube mir also auch Sie
zur theilnahme aufzu-Ifordern. der plan meiner Zeitschrift bleibt
derselbe wie Sie ihn aus | den bis jetzt erschienenen fünf bänden
kennen; nur wünsche ich die | deutsche geschichte, besonders
die Sittengeschichte, etwas mehr in ihren | kreis zu ziehen, das
honorar beträgt fünf thaler für den | bogen, dadurch also kann
ich freilich niemand zu locken hoffen; | aber wie ich selbst nicht
um geldgewinnes wegen dies unternehmen | begonnen habe, so
werden, denke ich, auch andere aufser meinen nä-|heren freunden
und den bisherigen mitarbeitern mit mäfsiger entschä-|digung ihrer
mühe vorlieb nehmen.
^ ward] d aus correctur, wie es scheint von i. ^ Steffens
(1806-65).
AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS VON RAUMER 247
Erfreuen Sie mich durch gew.ihrung meiner bitte und sein
Sie I überzeugt dafs ich mit aufrichtiger hochachtung bin
Ihr ergebenster
M. Haupt,
adresse s. 4: Herrn Professor Rudolf von Raumer
Hochwohlgeboren
frei. Erlangen.
19.
Aus einem briefe Müllenhoffs vom 29 nov. 1852, der sich
hauptsächlich mit angelegenheiten der Kieler allgemeinen Monats-
schrift beschäftigt und in der nachschrift KlGroths Quickborn
warm empfiehlt, teile ich folgenden, die Altertumskunde betreffenden
passus mit:
Ich bin seit diesem Herbst oder Sommer endlich so weit
gekommen, meine grofse Arbeit, die den etwas grofsartigen Titel
'Deutsche Alterthumskunde' führen wird, in Angriff nehmen zu
können, und habe nun vollauf damit zu thun. Die Prolegomena,
Einleitung und Quellenkritik, werden hoffentlich im nächsten
Jahr gedruckt und der erste Band (Stammgeschichte und Ge-
schichte des Mythus) wird darnach nicht lange auf sich warten
lassen. Ich habe nie gehofft es je zu einem Ganzen darin zu
bringen und bin immer nur darauf bedacht gewesen durch
einzelne Untersuchungen allmählich dem Ziele nahe zu rücken;
indes kommt Zeit, kommt Rath. Schon vor mehr als einem Jahr
war der Plan des Ganzen mir klar geworden, und so Gott will;
bleibt mir nur die Kraft ihn auszuführen; an Muth, Freudigkeit
und gutem Willen solls nicht fehlen.
20.
München 28. Decemb. 1846.
Verehrter Freund!
Dafs Kemble viel gesamelt hat zu | einem angelsächs. Wörterbuch
ist sicher. | Was davon ^ zum Beowulf gebort, ist diesem beigegeben.]
In der Vorrede zum Codex Exoniensis schliefst | Thorpe (1842)
mit den Worten: I trust that | M'. Kemble will be induced
to complete bis | already ample collection, & give to the world|
that great desideratum, an Anglo-Saxon Dictionary | suited to the
present State of scolarship both here | & abroad. Im J. 1842
also war was Grimm 1840 | in Aussicht hatte noch nicht zur
Wahrheit geworden, j Unterm 30. Nov. 1846 schreibt mir Kemble,
wie er j seit einiger Zeit sehr in political & public life | vertieft
gewesen sey, jetzt aber wieder zu seinem | Saxou zurückkehre.
* davon über der zeile nachgetragen.
248 AUS DEM NACHLASSE RUDOLFS V0> RAUMER
Vou Dingen, die er, seit ich ihn | gesehen, gearbeitet, nennt
er einen 3.*®° & 4.*^" Band | des Cod. diplomaticus A. S,, ein
paar Aufsätze über | den Reim, eine Abhaudl. über ags. Nick-
und Übernamen; | einen Theii des oberwahnten Cod. Vercellensis
11, Salomon|und Saturnus. Gegenwärtig arbeite er an Origines|
anglicae sive incuuabula juris anglicani. Siesehen [ dafs hier-
unter ein Anglo-Saxou Dictionary nicht er-|wähnt ist, u. denken
wohl wie ich, dafs K. gerade ( dieses kaum zu nennen vergessen
hätte, weil es vorläge. | (s. 2) Was das Altfranzösische betrifft |
so ist als Fortschritt seit Roquefort | wenigstens mir nur Ray-
nouard's | Lexique ronian im 2.*^"^ B. seiner Nouv. | choix.
Paris 1836 bekaiit geworden.
Sie wünschen mir Glück zur | Professur. Das bedarf ich
sehr. Sie können | denken, dafs mich zwanzig Jahre gröfsten-j
Iheils ganz andrer Beschäftigung iu dem | was ich wissen u.
weiter fort gelernt | haben sollte, ziemlich zurückgebracht haben |
müssen. Doch hat mir geschienen, noch | sey ich nicht grand-
aevus genug, um die | mir angetragene Function mit Ehren]
ablehnen zu können. Sie ist übrigens | ohnehin nur als Neben-
sache hingestellt, | und auch ich werde mit dem besten Willen |
mehr nicht aus ihr machen können.
Bleiben Sie gut
Ihrem
ergebensten
J. A. Schraeller.
adresse s. 4 : S^ Wohlgbrn
Herrn Professor D'. Rudolf
von Raumer
in
Erlangen.
Der unterzeichnete arbeitet im verein mit dem musikhistoriker
drHRietsch, auf hsüches und archivalisches material gestützt, an
einer ausgäbe der lieder des sogenannten mönchs von Salzburg, die
er im laufe des nächsten Jahres fertigzustellen hofft.
Wien 22. 12. 88. Dr F. Arnold Mayer.
Zu dem aufsatze von Luick oben s. 13511 verweist EDümmler
auf seine Gesch. des ostfränk. reichs^ i 217 f. ii 681 sowie auf den
excurs über barbari und Teutonici in seinen Jahrbüchern Ottos
des grofsen. s. 136 z. 4 muss es 'abt' statt 'bischof heifsen,
s. 138 a. 2 Mummolinus und Noyon; es wäre aber zu unter-
suchen gewesen , ob diese vita eine quelle für das 7 jh. ist.
PhStrauch macht aufmerksam auf den büchertitel im anti-
quarcatalog 138 von HKerler in Ulm nr 3466: Scappin, der ver-
reist gewes. u. nun wieder augekomm. Kilian Brust fleck,
mit sich bringend allerhand rare historien. Frankf. 1729.
ANZEIGER
FÜR
DEUTSCHES ALTERTHUM UND DEUTSCHE LITTERATUR
XV, 3. 4 JULI 1889
Handbuch der poetik. eine kritisch -hislorische darsteilung der theorie der
dichlkunst von dr Hermann Baumgart, professor an der Universität
Königsberg i.Pr. Stuttgart, Gotla, 1887. xiiund735ss. gr.8».— 10m.
Poetik von Wilhelm Scherkr. Berlin, VVeidmannsche buchhandlung, 1888.
XII und 303 ss. 8°. — geb. 7 m.
Mit gröfserer Vorliebe, als seit langer zeit, wendet sich die
forschung wider der poetik zu und sucht ihr historisch oder
principieil nahe zu rücken. entweder werden — abgesehen
natürlich von den zahlreichen practische zwecke verfolgenden
schul- und lehrbüchern, zu denen auch Beyers dreibändige Poetik
gehört — kritisch die bisherigen ansichteu durchgenommen , um
so zu einer reineren auflassung zu gelangen: daiilr gibt uns Baum-
garls Handbuch ein beispiel, oder es wird ein neuer construieren-
der aufbau gegeben, um auf grundlage der bisherigen erkennt-
uisse sowie eigener einfalle das wesen der poetik umzugestalten,
was in Scherers Poetik der fall ist. dabei konmit freilich die
zweite methode, welche ganz eklektisch ist, in so ferne nicht
zu ihrem rechte, als wir kein sorgfältig ausgearbeitetes werk,
sondern die erste flüchtige skizze des nie rastenden , überall kühn
einsetzenden Verfassers erhalten. Baumgart hat auf mehr als
700 grofj^en seilen mit ruhe, sicherer Überlegung, in breiter dar-
steilung einige hauptfragen der poetik behandelt. Scherer dagegen
auf weniger als 300 kleinen seilen mit energischen strichen ein
ganz neues Schema der poetik geben wollen , andeutend für eigene
weitere Untersuchung, in Schlagwörtern, wie es einem collegien-
hefte beim ersten entwürfe natürlich ist. der eine lässt uns
langsam, schritt für schritt in seine weiter greifenden Unter-
suchungen hineinblicken, der andere hält kurz fest, wie weit
seine erkenniuis gelangte.
Baumgart ist ein strenger Aristoteliker, er fufst auf der nach-
ahmungs- und katharsistheorie, mit voller absieht wendet er die
aristotelische lermiuologie an und behält auch in seinen selbstän-
digen definitionen die ausdrucksweise des vaters der poetik bei.
leider wird dadurch sein stil häutig recht schwerfällig, sogar un-
deutsch, seine resultate gewinnt er auf historisch - kritischem
wege, indem er fortwährend ausblicke nach allen seilen eröffnet,
wir bekommen nicht auf systematische weise, wie sonst in
solchen werken , definitionen der epik, lyrik und dramatik, und
dann die Scheidung der einzelnen epischen, lyrischen und dra-
A. F. D. A. XV. 17
250 BAUMGART HANDBUCH DER POETIK
malischen gattiingen, ja wir werden nicht einmal auf dem ge-
biete der poesie festgehalten, sondern auch auf die anderen gebiete
der kuust geführt, sodass uns eigentlich kein 'handbuch der poetik',
sondern ästhetisch -kritische Studien mit hauptsächlicher berück-
sichtigung der poetik vorliegen, das ist kein Vorwurf, hat es
doch der verf. im vorwort (s. in f) selbst ausgesprochen, auch
die art der darstellung lässt sich rechtfertigen, zumal durch eine
detaillierte inhaltsangabe und ein sorgfältiges register dem nach-
schlagenden reiche behelfe geboten werden, dagegen könnte man
eine gleichmäfsigere berücksichtigung der ästhetischen litteratur
vermissen, es ist auch von einer seile dem verf. daraus ein
Vorwurf gemacht worden; allein B. setzt sich hauptsächlich mit
jenen theoretikern aus einander, deren ansichten eine art canon
bilden und die grundlagen jeder weiteren forschung sind.^ diese
selbständige prüfung hat also gewis ihre berechligung, es fragt
sich nur, ob sie überall stich hält.
ß. geht von der Untersuchung aus, wie viel von den grund-
legenden ansichten Lessings und Schillers über die dichtkunst
noch geltung habe, er beginnt mit einer krilik der hauptsätze
aus Lessings Laokoon. was er gegen sie einwendet, lässt sich
am besten durch Lessings motto schematisieren; Lessing citiert
aus Plutarch: vh] -acu TQuitoig i.iif.irjG€iog öiacpeQOvoi, B. legt den
nachdruck auf den fortgelassenen nachsatz : Te?.og ö' a/ii(fOT€goig
£v VTiÖY-ELtai. er glaubt also, Lessings salze gälten wol für die
vXri, aber nicht für die gegenstände der nachahmung. Lessing
sagt: die maierei stellt kürper dar, die poesie handlungen, die
maierei kann handlungen nur andeutungsweise durch körper, die
poesie körper nur andeutungsweise durch handlungen darstellen.
B. dagegen meint, beide maierei wie poesie hätten das gemein-
same ziel, den 'seelischen inhalt zur empfindung zu bringen'
(s. 20). er führt aus (s. 21 f), es gebe drei grofse hauplgruppen,
nach welchen die gegenstände künstlerischer nachahmung zu
classificieren seien, aufser diesen aber keine weiteren, 'zuerst
die einfachen empf indungen , die der Grieche unter dem
gattungsbegriff jcäd-og begreift; sodann alles, was wir als ge-
mütszu stände oder -Stimmungen, und seelen- oder
characterbeschaf fen heil bezeichnen, sammt allen dazwi-
schen liegenden abslufungen und übergangen, wofür wir einen
zusammenfassenden gattungsbegriff nicht ausgeprägt haben , was
aber insgesammt unter dem griechischen ausdruck ri^^og ver-
* icti wf ifs sehr wol , dass diese ansieht durchaus nicht unbestritten
ist; Hartmann zb. im historisch-kritischen teil seiner Ästhetik (Ausgewählte
werke, Berlin 1886, bd. in s. vii) blickt mit süffisanter Verachtung auf die
popularästhetiker "Winkelmann, Lessing, Herder, Goethe, Schiller, WvHum-
boldt, Jean Paul herab, er findet nicht der mühe wert, sich mit ihnen
auch nur flüchtig zu beschäftigen, und doch haben besonders Lessing und
Schiller den sinn für ästhetik und die ästhetik mehr gefördert als viele der
'wissenschaftlichen ästhetiker', wie sie Harlmann nennt.
BAUMGART HANDBUCH DER POETIK 251
Standen wird; endlich die handlungen im innern sinne — tiqü-
Bftg — .' alle drei, näd^oq, r^d-oo,, yrgaBig, könnten direct
überhaupt nicht dargestellt werden, sondern nur andeutungsweise,
in der bildenden kunsl — in der malerei nach Lessing — 'ver-
mittelst der linien und färben, durch kör per, in der poesie
vermittelst der succession von Worten, durch das, was man mit
Lessing im allerweitesten sinne (äufsere) handlung nennen
mag.' er kommt zu dem Schlüsse, absolut betrachtet ständen
die beiden künste den sämmllichen drei gegenständen der nach-
ahmung ganz gleich gegenüber, relativ dagegen ergebe sich
aus der Verschiedenheit ihrer mittel, dass die poesie ganz direct
handlung (jiqä^ig) nachahmen könne, empfindung und
seelenz u stand (rcäd-og wnA rid-og) indirect durch handlungen;
dass umgekehrt die malerei ganz direct empfindung und
seelenz u stand (näd-og und riO-og) — und er widerholt in
klammer: nicht körperl — , indirect durch jene auch hand-
lung (jtQaiig). er läugnet demnach die von Lessing voraus-
gesetzte entsprechung: körper und handlung; er bezeichnet das,
was Lessing den gegenständ der nachahmung nannte, nur als
das material der nachahmung (vhi) ; er scheidet zwischen äufserer
handlung, auf welche allein Lessings kennzeichen: 'eine folge
von Veränderungen' passe, und innerer handlung, d. i. der präg-
nantesten ausprägung der characterbeschallenheit, des seelen-
zustandes, welcher sich in einem einzigen augenblicke verwiirk-
lichen könne; er behauptet, dass diese innere handlung ebenso
wol von der bildenden kunst als von der poesie zum gegen-
stände der nachahmung gewählt werden könne und formuliert
seinen Widerspruch gegen Lessing in dem satze: die bildende kunst
erziele diese nachahmung vermittelst der darstellung von figuren
und körpern, die poesie vermittelst der darstellung einer succession
von Veränderungen,
Man kann nicht bestreiten , dass diese polemik gegen Lessing
scharfsinnig ist. trotzdem halte ich sie nicht für glücklich , denn
deutlich verschiebt B. den ausgangspunct völlig und bekämpft
eigentlich gar nicht mehr Lessing, wenn Lessing sagt, die
malerei — ich behalte diesen ausdruck absichtlich bei — ahme
körper nach, so bezieht er sich direct auf das, was wir bei der
malerei wahrnehmen , er handelt, wie wir aus einem blatte des
nachlasses sehen (Hempel 6, 268) von den zeichen der malerei
und nennt diese natürliche, während ihm die zeichen der
poesie, die artikulierten töne, nur willkürliche sind (vgl.
Scherer Poetik s. 240 ff). betrachten wir zb. Thorwaldsens
Ganymed, so sehen wir allerdings einen marmorblock, der aber
nach den formen eines körpers verändert ist. wir sehen also
einen körper, einen menschen- und einen tierkörper. diese zwei
hat Thorwaldsen direct nachgeahmt, und gar nichts anderes,
alles andere schöpfen wir aus unserer kenntnis, müssen wir
n*
^52 BAUMGART BANDBUCH DER POETIK
durch unsere, freilich vom kUnsller in ihrer lätigkeit angeregte
Phantasie ergänzen. Thorwaldsens nachahmung wird direct
gelungen sein, wenn beide körper anatomisch richtig sind, wenn
uns sein werk würklich einen jüngliug voll blühenden lebens
und einen adler vorlührt, der aus der schale nahrung schlürft,
das ists allein, was wir sehen, was jeder ohne weitere Vor-
bereitung sieht, wenn er äugen im köpfe hat und weifs, wie
ein Jüngling und wie ein adler gestaltet ist. was diese Zusammen-
stellung von Jüngling und adler will, was sie bedeutet, das sehen
wir nicht direct, Thorwaldsen konnte es nur andeuten, wir
müssen aus einer anderswoher erworbenen kenntnis schöpfen,
wir können in unserer deutung fehl gehen, wir können den
maier misverstehen. vver kennt nicht die statue, welche wir
bisher Venus kallipygos nannten? nun zeigt es sich aber (Heyde-
mann Jahrbuch des k. deutschen archäologischen institutes 1887
II 125 f), dass wir darin gar keine Venus zu erblicken haben,
sondern eine heläre, welche die Schönheit ihrer rückseite mit
freudigem lächeln betrachtet, was hat also der maier nachgeahmt?
vor allem den körper eines schönen weibes in einer eigentüm-
lichen Wendung und Stellung; freilich werden uns empfindung
und seelenzustand an diesem körper klar, ob wir sie Venus oder
eralQa -^alXinvyoc, nennen, aber ich bin überzeugt, den künstler
reizte zur nachahmung nicht diese empfindung und dieser seelen-
zustand, und er habe sich dieses körpers nicht blofs zur nach-
ahmung von Ttdd-og und r^d^og bedient, sondern gewis lockte es
ihn, diesen körper nachzuahmen, empfindung und seelenzustand
aber kamen für ihn erst in zweiter iinie. vielleicht hat derselbe
künstler dasselbe modell, dh. denselben schönen körper noch ein
zweites mal in einer^ ganz anderen Stellung mit einem ganz
anderen näd-og und rjd^og nachgeahmt, also, was der künstler
direct nachahmte, war der körper. ihn allein findet er direct
in der natur vor, sieht ihn vielleicht niemals in dem von ihm
dann behandelten Ttdd-og und rid-og, welche er erst hineinlegte,
damit wir sie verstehen — man denke nur an Hebbels spott in
dem epigramme Monolog eines modelljägers (Kuh 8, 136} — , ja
es kann fraglich sein, ob wir sie recht verstehen.
Wenn nicht die körper gegenständ der nachahmung für den
maier wären, wozu legte man auf seine naturstudien so grofses
gewicht (vgl. Kellers Grünen Heinrich), wozu würde sich der
maier vor die körper hinsetzen und sie nachzeichnen , nachformen,
in verschiedener beleuchtung, in verschiedener Stellung? sollte
dies nur zur bildung seiner technik geschehen? allerdings kann
ihn zb. die absieht leiten, einen Ganymed darzustellen; aber er
wird einen jüngliug hernehmen und seinen körper nachahmen,
wenn er würklich an die arbeit geht, ja er wird nicht eher an
die arbeit gehen, ehe er ein entsprechendes modell, einen solchen
jüngliug, also einen solchen körper gefunden hat. was er nach-
BAUMGART HANDBUCH DER POETIK 255
ahmt, was ihm die natur direct bietet, ist also immer nur der
kOrper, und Lessing hat daher ein recht zu sagen, die maierei
ahme körper nach und handlungen nur andeutungsweise durch
körper. wird jeder beschauer von Thorwaldsens Ganymed das-
selbe Ttäd-og und rjO^og heraussehen , wie Hebbel in seinem
gedichte Thorwaldsens Ganymed und der adler (Kuh 7, 226f)?
wenn nicht, dann wäre nach B. Thorwaldsens Ganymed kein
kunstwerk, denn er hätte ein nad-og und ein i^^og nachgeahmt,
das im werke nicht deutlich würde. B. verwechselt also gegen-
ständ und zweck der nachahmung, darum scheint mir seine
polemik Lessing nicht zu widerlegen.
Betrachten wir die allegorie als Vorwurf für die maierei, der
maier bezweckt etwa die zeit darzustellen, gegenständ seiner dar-
stellung sind jedoch durchaus nur körper. bekanntlich hat Bamler
im ersten bände der Monatsschrift der academie der künste und
mechanischen Wissenschaften zu Berlin 1788 'allegorische per-
sonen' für zwecke der bildenden kunst dargestellt, s. 10 sagt
er: 'die zeit wird von den neueren als ein alter bärtiger mann,
geflügelt, und mit einer sense, von einigen auch mit einem
stundenglase abgebildet.' gegenständ der nachahmung sind also
körper: mann, flügel, sense, Stundenglas; zweck der nachahmung
ist die zeit darzustellen , was nun andeutungsweise durch diese
körper in dieser Zusammenstellung geschieht. Ramler fährt fort:
'unter dem bilde des Saturnus, den man aber blofs als einen
alten mann mit einer sichel, ohne Stundenglas, und mehrenteils
ohne flügel, vorstellt, wird die zeit gleichfalls angedeutet,
stellt man den Saturnus geflügelt und zugleich gefesselt vor , wie
man ihn bey den allen abgebildet hat, so kann dieses sehr wol
bedeuten, dass die zeit uns oft zu langsam und oft zu hurtig zu
gehen scheint.' das wäre nun deutlich ein i^S^og, welches nur
andeutungsweise durch körper dargestellt erschiene, gegenständ
der nachahmung wäre der körper, zweck der nachahmung das
ij^og. strenge genommen könnte die maierei nach B, durchaus
nur allegorien geben, in so ferne dieselbe immer etwas anderes
darstellte, als sie ausdrücken wollte, in so ferne man immer
hinter der erscheinuug etwas anderes sehen müste und die er-
scheinung nicht verstehen könnte, ohne dieses andere zu kennen,
wenn wir bei Thorwaldsens Ganymed nicht einen Jüngling und
einen adler sehen dürften , sondern das Ttad-og und rid^og,
welches der künstler nach Baumgarl nachgeahmt hätte, dann
wäre die erscheinung nichts ohne die bedeutung; dann hätten
wir etwa das kunstwerk: Venus kallipygos überhaupt noch
nicht gesehen, sondern nur die vliq der nachahmung, das materiah
ich weifs, dass dies nicht B.s ansieht ist, allein dahin kommen
wir, wenn wir seine gedanken bis zu ende verfolgen und sie so
durchführen, wie er selbst die ansichten Lessings. man sieht,
seine theorie ist einseitig, wie die Lessingsche, sie ist aber noch
254 BÄÜMGART HANDBUCH DER POETIK
eiuseiliger und verdient daher nicht den Vorzug vor der Les-
singschen.
Von der poesie sagt B., sie könne, was relativ ihre mittel
anlangt, ganz direct — innere — haudlung (Ttgä^ig) nachahmen,
indirect durchs handlungeu aber empfindung und seelenzustand
(Tiä-d-og und tjd-og). er macht s. 23 fl" die probe der Lessing-
schen theorie an der lyrik, welches gebiet bekanntlich weder bei
Lessinjf noch bei Aristoteles behandelt ist. er findet zb. in
Goethes nachtlied Über allen gipfeln als gegenständ der nach-
ahmung durchaus das beharrende, nicht eine 'folge von Ver-
änderungen', wie Lessing die handlung definiert, und er meint,
gerade dieses 'stationäre', diese 'psychologisch-ethischen zustände'
seien eine der hauptaufgaben der poesie. 'durch die sinnliche
Vorstellung des schweigenden waldes, — so sagt er s. 23 f — ,
zugleich freilich durch die wunderbare macht des rhythmischen
tonfalles, ist hier in unübertrefl'licher weise der seelenzustand
(das ethos) still, fast heiter gefasster ergebung(?) in den todes-
gedanken nachgeahmt und zwar in einer freundlichkeit der Stim-
mung und in einem reichtum der nüancen — die durch die
aualogie des wunderschönen bildes, das an alle sinne zugleich
sich wendet, mit eins gegeben ist — wie sie keine abstracte
Schilderung zu wecken vermöchte, aber wo ist hier ein moment
der Veränderung oder folge? nicht einmal in dem angewandten
bilde! man niiiste denn die 'folge' und damit die 'handlung'
darin finden , dass auf die Schilderung des coexistenten bildes die
mit dem anblick desselben sich verknüpfende Stimmung der zeit
nach folgend zur erwähnung gelangt; aber dann wäre in allen
derartigen lyrischen gedichten ein und dieselbe handlung, — ein
gedanke, den man Lessing nicht zutrauen darf.' abgesehen davon,
dass nicht 'die ergebung in den todesgedanken' nachgeahmt,
sondern die hoffnuug auf ruhe in dem gedichte ausgesprochen
ist, müste man doch auch diese 'ergebung in den todesgedanken'
als eine handlung bezeichnen, was war nun gegenständ der
nachahmung in Goethes lied, das naturbild oder diese handlung?
unzweifelhaft die letztere, die darstellung seines gefUhls, also
seiner Veränderung beim anblicke des naturbildes ist gegenständ
seiner nachahmung, demnach eine handlung. B. freilich be-
zeichnet eine Stimmung wie die in unserem gedichte festgehaltene
als etwas stationäres, 'etwa wie ein einzelner, lang ausgehaltener
Ion oder accord.' ist aber ein ton nicht schon ein vibrieren,
einer reihe von Veränderungen entsprechend? auch die Stimmung
ist eine gemütsbe wegung, also eine handlung. und ist das
körperliche, hier der schweigende wald, bei Goethe denn nicht
würklich andeutungsweise durch handlung dargestellt? sollte uns
ein maier dasselbe nachtbild malen, so könnte er vielleicht in
uns ein ähnliches gefiihl wecken, aber er könnte dieses, diese
handlung, nimmermehr darstellen, nachahmen müste er das natur-
BAUMGART HANDBUCH DER POETIK 255
object, also den körper, und nur andeutungsweise durch den
körper die liandluug. B. behauptet: 'ein gedieht wie dieses muss,
wenn der rechte künstler sich dazu flnd^, ganz gemalt werden
können M es ist die recht eigentliche aufgäbe der landschafts-
malerei, wenn sie nicht lediglich die formen der natur copiert,
sondern ihre würkungen nachzuahmen trachtet, ein derartiges
ethos, wie es hier in den Schlussworten mit der Vorstellung
des geschilderten bildes verknüpft wird , nachahmend zu erwecken
und diese uachahmung zu ihrem eigentlichen gegenstände und
obersten zwecke zu machen.' hier sieht man deutlich, wie B.
zwei dinge durch einander wirft, welche Lessing aus einander
hält: gegenständ und zweck der nachahmung sind doch nicht
dasselbe, der maier kann direct nur die körper nachahmen und
andeutungsweise durch die körper die handlung. die probe
müssen wir so machen, dass wir fragen: worin äufsert sich
unsere, des geniefsenden publicums, mittätigkeit? dasjenige, was
der künstler direct darstellt, wird sich auch direct auffassen
lassen, dasjenige dagegen, was er nur indirect dh. andeutungs-
weise darzustellen vermag, wird die ergänzende tätigkeit unserer
Phantasie erfordern, bei dem gedichte Goethes werden wir die
Stimmung rein erfassen, es fragt sich aber sehr, ob wir uns
von dem naturbilde (Gickelhahnaussicht) eine rechte Vorstellung
macheu. bei dem bilde, das wir uns gemalt denken von einem
maier gleich grofs wie Goethe als lyriker, werden wir rein das
naturbild erfassen, es ist aber fraglich, ob es in uns würklich
die vom künstler bezweckte Stimmung wecken wird, der dichter
kann uns die Stimmung, die handlung, darstellen, den körper
nur andeuten, der maier kann uns den körper darstellen, die
Stimmung (handlung) nur andeuten, wir kommen also auch bei
der lyrik und der landschaftsmalerei mit Lessings Sätzen aus,
und brauchen gar nicht mit ESchmidt Lessing ii 1, 30 für hand-
lung: bewegung zu setzen, was wir an Wanderers nachtlied
sahen , gilt auch von den übrigen Goetheschen gedichten , welche
B. namhaft macht: An den mond, An Luna, Auf dem see usw.
B. scheidet s. 25 für beide künste einerseits die technischen
mittel, also die t'Ajj, andererseits gegenständ und zweck der
nachahmung, während wir aus einander halten müssen: 1) gegen-
ständ, 2) zweck und 3) technische mittel; was stellt der künstler
dar, weshalb stellt er dar und wie stellt er dar. Lessing
spricht von dem was und dem wie, B. von dem weshalb und
dem wie, für das er auch das was einsetzt; er bekämpft also
gar nicht Lessing sondern ein phantom (vgl. s. 29).
B. bezeichnet das gedieht An den mond als 'coexistenz in
des Wortes strictester bedeutung', handlung könnte man nur darin
* der ausdruck ist schief: es moste heifsen , das bild eines rechten
künstlers müste dieselbe Stimmung zum ausdruck bringen können wie
Goethes gedieht.
256 BAUMGART HANDBUCH DER POETIK
entdecken, dass 'die zeitlich durchaus coexistenten Stimmungs-
elemente in succession' vorgeführt würden, das sei aber in
jeder Hallerschen, Brockesschen oder Hoffmannswaldauschen be-
schreibung ebenso nachzuweisen, aber gerade das lied An den
mond gibt eine unendlich manigfallige reihe von leichten Ver-
änderungen der Stimmung, jeder neue zug des naturbildes weckt
eine neue nüance der Stimmung, stellt also eine handlung dar.
auch von der lyrik Goethes gilt, was Hebbel sehr fein dem Goethe-
schen drama nachrühmt (Tagebücher i 17): 'Goethe zeichnet die
unendlichen Schöpfungen des augenblicks, die ewigen modifi-
catiouen des menschen durch jeden schritt, den er tut, dies ist
das zeichen des genies.'
Mir will nicht einleuchten, was B. als schlusswendung hin-
stellt (s. 30 fj: 'Lessings principielle forderung, der dichter solle
nicht malen, wird durch Goethe auf jeder seile widerlegt; wir
lernen von ihm, er kann malen, also soll er malen!' das
ist nicht richtig. Goethe malt nicht das landschaftsbild, sondern
er stellt seine Stimmung dar, nicht das naturbild ist gegenständ
seiner nachahmung, sondern das, was er dabei empfindet, die
Veränderung, welche in ihm vorgeht, also handlung. malt Goethe
würklich im Nachllied die aussieht vom Gickelhabn? er tut es
nicht einmal in dem rohmaterial zu unserem gedichte, wenn er
am 6 September 1780 an frau von Stein schreibt (Fielitz i 265):
Es ist ein ganz reiner Himmel und ich gehe des Sonnen Unter-
gangs mich zu freuen. Die Aussicht ist gros aber einfach. —
Die Sonne ist unter. Es ist eben die Gegend von der ich Ihnen
die aufsteigenden Nebels zeichnete ietzt ist sie so rein und ruhig,
und so uninteressant als eine grose schöne Seele wenn sie sich am
wohlsten befindet. — Wenn nicht noch hie und da einige Vapeurs
von den Meulern aufstiegen wäre die ganze Scene unbeweglich.
Und au die schöne Branconi (ebenda i 474): Ihr Brief hätte
nicht schöner und feyerlicher bey mir eintreffen können. Er suchte
mich auf dem höchsten Berge im ganzen Lande, wo ich in einem
Jagdhäuschen, einsam über alle Wälder erhaben und von ihnen
umgeben eine Nacht zubringen wollte. . . . auch hier ist die
Stimmung gegenständ seiner nachahmung. damit vgl. man nun
etwa folgende sätze aus der einleitung zu MScbmidts roman Die
schwanjungfrau (Ges. werke i 4): Berchtesgaden mit der ehemaligen
fürstlichen Probstei und den prächtigen Spitztürmen seiner Stifts-
kirche selbst liegt auf schluchtigen, hügeligen Halden, deren immer
wechselnde Gestaltimg das Auge stets von neuem fesselt. Seine
Häuser kauern malerisch auf den Höhen oder verbergen sich ge-
schämig in den Tiefen. Die Berghänge rings um deyi Markt sind
mit saftigen Wiesen belegt und von laub frischen Buchen- und
Ahorngruppen beschattet, welche hoch hinauf die Gehänge tannen-
dunkler Vorberge umsäumen, aus denen rauschende Bergwasser
niedertosen und über welche im flimmernden Hochduft rings in
BAUMGART HAISDBÜCH DER POETIK 257
der Rnnde die imposante Bergwelt in eigenartiger Schönheit empor-
ragt, das ist nun gemalt, treulich zug um zug, wer Berchtes-
gaden kennt, sieht es leibhaltig vor sich, es ist auch versucht,
den forderungen Lessings durch scheinbare handlung zu genügen,
trotzdem stört es uns, denn hier ist körper: gegenständ der
nachahmung. wo findet dies B. bei Goethe ? vgl. ESchmidt Lessing
iil, 31ff.
B. wendet sich nun zunächst dem beweise zu, dass die
würkuogen, welche die dinge, personen, begebenheilen in unserer
Seele hervorbringen, gegenständ der kunsl überhaupt seien; aber
er verschiebt das ganze wider, indem er diese würkuugen s. 35
strenge genommen für etwas subjectives, von uns in die dinge
hineingelegtes hält; nicht die naturobjecte brächten würkung in
uns hervor, sondern unsere fiction, welche ihnen seelische energie
andichtet, ist dies richtig? wenn das kind sich an der tisch-
kante anslöfst, so ist die erste würkung der schmerz, es ist
dann ein analogieschluss, wenn das kind den tisch 'schlimmer
tisch' nennt und ihm so seelische energie andichtet, diese natur-
beseelung entspricht allerdings sowol der mythologie als der
poesie, was ist sie aber anderes, denn die vollkräftigste he-
stätigung der Lessiugschen theorie? ein naturbild, wie das früher
aus Schmidt citierte, gibt den körper, die naturbeseelung gibt
die handlung und in so ferne widerlegt sich ß. selbst, und sagt
nicht Lessing von Kleists Frühling 6, 109, Kleist würde bei einer
geplanten Überarbeitung 'aus einer mit empfindungen nur sparsam
durchwebten reihe von bildern eine mit bildern nur sparsam
durchflochtene folge von empfindungen gemacht haben"? hier steht
'folge von empfindungen' wie früher 'folge von Veränderungen',
ein zeichen, wie Lessing handlung in der lyrik auffasste. auch
können wir lernen, wie er 'umsetzen in handlung' verstand,
was B. s. 45 anders 'beseelung' nennt; die Verwandlung der
coexistenz in succession bezeichnet Lessing ausdrücklich als
'kunslgriff'.
Aus der ganzen bisherigen darlegung wird klar geworden
sein, dass B. sich bemüht, die nachahmungstheorie mit den for-
derungen des idealismus in Übereinstimmung zu bringen, darum
spricht er nicht so sehr von der mimesis als von den aufgaben
der mimesis, darum sieht er dieselbe nicht in der nachahmung
der würklichkeit, sondern in der nachahmung ihrer würkungen
auf die seele, darum sagt er s. 59 ff von der musik, sie ahme vor-
zugsweise ethos und nur unter bedingungen auch empfindungen,
die architectur dagegen ausschliefslich das ethos nach, deshalb
aber ist sein ausdruck immerfort schwankend: einmal sagt er,
die kunst ahme nach, dann wider, sie erwecke nachahmend ein
ethos; er richtet sein augenmerk einmal auf das wesen, dann
auf die würkung der kunst und spricht in einem atemzuge vom
258 BAÜMGART HANDBUCH DER POETIK
abstracte idealismus Schellings den hellenischen steinbau als 'nach-
ahmung der formen eines ursprünglichen holzbaues' bezeichnet,
so richtet er seinen blick sachgemäfs nur auf den gegenständ
der nachahmung und sagt nichts über die würkung des helle-
nischen Steinhaus (Sätnmtl. werke 5, 579). B. dagegen nimmt
in die deünition der architectur sogleich die nachahmung der
würkung oder die nachahmende würkung auf; er sagt etwa, den
Germanen überkommt in seinen Wählern ein ethos: was die kunst
so im leben findet, ahmt sie nach, also nicht den wald sondern
das vom Germanen empfundene ethos. nun fühlt er sehr gut,
dass dieses ethos ein anderes sei im eichenwald als unter palmen
oder den cedern des Libanon; ahmt die architectur dieses ethos
nach, so kann germanische architectur für den Griechen, den
Juden keine nachahmung eines ethos sein und umgekehrt, denn
er kennt dieses ethos überhaupt nicht; die germanische archi-
tectur wäre für den Griechen ebenso wenig eine kunst als die
griechische für den Germanen, das ist gewis ein absurdum,
alle diese leicht zu häufenden einwendungen sollen nur darlegen,
dass auch auf dem wege B.s eine lösung nicht zu finden und
dass sein nachweis, alle künste stimmten im zwecke (reXoq
f,a/^ii]0£iüg) überein und unterschieden sich nur vXrj v.a\ tq6-
Ttoig (.ui^irjoeiog, keine Widerlegung Lessings sei, weil dieser
nur vom gegenstände, nicht vom zweck der nachahmung spricht.
B. confundiert also dinge, welche streng aus einander gehalten
werden müssen und von Lessing auch aus einander gehalten werden.
B. nimmt nun einzelne dichtungsgattungen durch, um überall
sein princip nachzuweisen; ich brauche darauf im detail nicht
mehr einzugeben und hebe nur hervor, dass seine darstellung —
abgesehen von dem princip — reich ist an feinen gedanken und
überzeugenden ausführungen; ich begnüge mich bei jenen puncten
zu verweilen, welche zum Widerspruche reizen, möchte dabei
aber den schein vermeiden, als wollte ich an dem werke blofs
kritteln; jeder leser wird demselben vielfache förderung danken
und es mit grofsem nutzen studieren , auch der lernende wird
gröfseren gewinn daraus ziehen, weil er nicht fertige definitionen
erhält, sondern die umsichtigen, philosophisch strengen ent-
wickelungen derselben, er wird zuerst in die gränzgebiete der
verschiedenen dichtungsarten eingeführt, um so allmählich die
hauptgattungen sich scheiden zu sehen.
ß. betrachtet vor allem die lyrisch -epischen gedichte, bal-
laden und romanzen, und erweist den grundverschiedenen cha-
racter der Schillerschen und Goetheschen balladen. wenn er es
auch nicht mit dürren worten sagt, so empfängt man doch den
eindruck, dass zwischen beiden die gränze von epik und lyrik
hindurchgeht; wir werden scheiden müssen zwischen der epischen
und der lyrischen bailade, für welche wir keine verschiedenen
namen haben, in Schillers balladen überwiegt der epische cha-
BALMGART HANDBUCH DER POETIK 259
racter, ja es tritt sogar häufig genug ein didactisches element
hinzu, in Goethes balladeu finden wir das lyrische moment vor-
hersehend, es wäre trotzdem verkehrt, wenn wir nun Schillers
baliaden dem epos und die Goetheschen der lyrik zurechneten,
denn jene enthalten mehr lyrisches als etwa die versificierte er-
zählung, diese mehr episches als etwa ein lied mit situalions-
eingang. 1 man könnte von lyrisch-epischer und episch-lyrischer
dichtung sprechen, am besten freilich wären eigene namen für
beide gattungen; die Scheidung von baliaden und romanzen liefse
sich so treffen, wenn man nur nicht vergäfse, dass man dabei
willkürlich vorgeht, ohne die entstehung dieser beiden ausdrücke
zu berücksichtigen, ich habe schon Anz. xiv 165 ff. 190 f sowol
gegen Dederich als gegen B. die ansieht vertreten, dass bisher
ein unterschied zwischen romanzen und baliaden nicht bestehe;
aber sehr wol konnten wir übereinkommen — ich handle also
nicht de lege lata, sondern de lege ferenda, wie die Juristen
sagen — , die lyrisch -epischen gedichte romanzen, die episch-
lyrischen dagegen baliaden, oder jene mit benulzung eines glück-
lichen einfalls von Dederich mären, diese baliaden zu nennen;
es wäre gut, weil dadurch eine Verwechselung zweier wesent-
lich verschiedener gattungen vermieden würde, märe wäre die
darstellung eines ereignisses, um eine Stimmung zu erzeugen,
ballade die darstellung eines in Stimmung aufgelösten ereignisses,
das lyrische gedieht mit situationseiugang die darstellung einer
Stimmung in erzählender einkleidung. in der märe würde das er-
lebnis — das ist hier das ereignis — festgehalten und daran eine
Stimmung entwickelt, oder das erlebnis stimmungsvoll dargestellt,
in der ballade das erlebnis als träger einer Stimmung dargestellt,
und im lyrischen gedichte mit Situationseingang eine Stimmung
unter andeutung des erlebnisses. im epos wird das ereignis und
zwar als abgeschlossenes, im Hede die Stimmung eines erlebnisses
dargestellt, so scheiden sich also märe und ballade von epos
und lyrik. die märe nutzte darnach für die darstellung eines
epischen stotles die lyrischen darstellungsformen , die ballade für
einen lyrischen stoff die epischen darstellungsformen; das lyrische
gedieht mit situationseiugang geht von der darstellung eines epi-
schen zu der eines lyrischen Stoffes, die poetische erzählung mit
Stimmungseingang von der darstellung eines lyrischen zu der
eines epischen Stoffes über (vgl. zb. Bürgers gedichte: Die weiber
von W'einsberg, Das lied vom braven manne udgl.). freilich
würden damit noch nicht alle mischungen erschöpft.
Diese scheidung wäre zu machen, da auch bei B. ganz ver-
schiedenes durch einander gewürfelt wird; er nennt s. 72 einige
Strophen Bertran de Borns romanzen, während es lyrische ge-
dichte sind, s. 73 definiert er 'die romanze: die in liedartiger
* diesen ausdruck, den ich in meinem buche Physiologie der lyrik be-
gründen werde, schlage ich vor in die poetik aufzunehmen.
260 BAUMGART HANDBUCH DER POETIK
haltung vermittelst der andeiitiiog eines Vorganges, der umrisse
einer handking erfolgte nachahmung jenes romantischen ethos.'
nach dieser definition wären etwa Scheffels gedichte durchaus
romanzen, zb, sein Vogt von Teneberg, sein Chrestiens de Troies.
alle rein lyrischen gedichte, welche siluationseingang haben,
wären romanzen, wenn ein romanisches ethos behandelt ist, also
viele lieder Uhlands. sehen wir keinen unterschied zwischen
Uhlands gedichten von Roland und von Eberhard? und sind diese
kein cyclus? s. 75 läugnet B. die möglichkeit, dass aus dem
romanzencyclus ein epos hervorgehe, entspricht dies aber den
tatsachen in Frankreich und England? hat es würklich, wie s. 75
gleichfalls behauptet wird, nie einen balladencyclus gegeben?
könnte man nicht Ossian so nennen? s. 76 endlich kommt B.
dahin, seinem principe zu liebe, der blofsen poetischen erzählung,
'und wenn es die gelungenste ist', nur einen geringeren rang
zuzuschreiben neben der echten bailade und romanze, also nach
s. 74 Schillers Kampf mit dem drachen, nach s. 70 den Grafen von
Habsburg, nach s, 66 die reihe Bürgschaft , Ring des Polykrates,
Kraniche des Ibycus hintanzustellen etwa der 'romanze' Rudello
gegenüber; diese einseiligkeit erzeugt die Iheorie von der nach-
ahmung eines ethos 1
Im anschluss daran behandelt B. nun die reflexionsdichtung,
nicht als ob er sie für eine gattung gleich ballade und romanze
ansähe, sondern weil auch auf diesem gebiete die gränzen sehr
unsicher und schwankend sind, hier tritt er mit warmen worten
für Schillers gedankenpoesie ein und scheidet wider sehr fein
die weise Schillers von jener Goethes, Vorzüge wie nachfeile bei-
der erwägend, er sieht, wie Goethe von der anschauung zur
abstraction, Schiller dagegen vom gedanken zur dichterischen
production gelangt, aber der unterschied liegt nicht in der
methode des dichtens, sondern im wesen des dichters, welches
ihn notigt, das erlebnis, hier ein gedankliches, einmal bis zur
symbolischen anschauung, das andere mal bis zur hohe der ab-
straction zu führen. Goethe stellt auch hier die feinen Ver-
änderungen, Schiller das fertige dar, das sich nun erproben soll.
B. spricht dann von Goethes 'allegorischen' dichtungen, scheint
mir aber dabei ganz fehl zu gehen, er meint (s. 95), eine alle-
gorische dichtung, wie er sie definiert', entspreche völlig der
natur der poesie, denn sie tue zunächst auch ohne den gedanken
an das allgemeine durch die blofse darstellung des besonderen
ihre würkung; ausdrücklich sagt er: 'wer jedoch dieses besondere
lebendig erfasst, erhält zugleich das allgemeine mit, sogar viel-
leicht ohne es zunächst gewahr zu werden', wir sehen
augenblicklich, dassB. zwar vom allegorischen spricht, aber dabei
das im sinne hat, was wir mit Goethe das symbolische nennen
(Sprüche in prosa 19, 83); er kommt s. 193 ff auch auf die Sym-
bolik, erreicht jedoch nicht die zu verlangende klarheit. auf die
BAÜMGART HANDBUCH DER POETIK 261
frage: 'was ist das allgemeine?' antwortet Goethe (19, 195): 'der
einzelne fall'. das symbolische ist ihm jenes besondere, an
welchem zugleich die fülle der erscheinungen, dh. das allgemeine,
zu tage treten kann; Fausts Verhältnis zu Gretchen ist ein sym-
bolisches, denn es ist für uns zugleich das typische liebesver-
hällois, es eröffnen sich uns ausblicke, au die vielleicht oder
wahrscheinlich der dichter selbst nie gedacht hat. das allegorische
dagegen ist immer nur die maske eines anderen, das wir kennen
müssen, um die bedeutung der maske zu erfassen, wenn wir
B. folgen , müsten wir den ausdruck allegorie ganz anders fassen,
als wir uns gewöhnt haben, während der Goethesche ausdruck,
das symbolische, nun allgemein geläufig ist. setzen wir bei B.
überall statt der echt künstlerischen allegorie den ausdruck 'das
symbolische' ein, so ist alles in seiner darstellung anzunehmen,
so ist Mahomets gesaugt ein symbolisches, kein allegorisches
gedieht; wer unter dem ströme Mahomet nicht versieht, auch
nicht Goethe oder allgemein das geuie, bekommt doch einen
vollen eindruck, noch wichtiger ist dies bei Adler und taube,
hier geht B. mit seiner deutung ganz fehl; er sieht im adler
Goethe, im taubenpar Herder und Caroline, 'als er in Darmstadt
ein häufiger au^enzeuge des idyllischen und sentimental-zärtlichen
liehesgeländels zwischen Herder und seiner braut war', und be-
zieht alles auf die Sessenheimer liebe, an diesem beispiel er-
kennt man, wohin ein allegorisches deuten führt, ich nenne
das gedieht symbolisch, trotzdem es eine fabel ist und durch
die Schlusswendung auf ein hinter der erscheinung liegendes
hinweist, aber diese erscheinung hat leben für sich, und zwar so
viel, dass sich mit ihr keine deutung vollständig deckt: es ist
eine symbolische fabel. vergleichen wir mit ihr Schillers satiri-
sches gedieht Pegasus im joche, so sehen wir, dass hier von
allem anfang an für den pflügenden gaul der Pegasus als alle-
gorie des dichters eingesetzt werden muss, weil sonst das gedieht
nicht verstanden wird, man könnte sagen: bei Goethe ein würk-
licher adler und würkliche tauben, bei Schiller ein allegorisches
pferd, der Pegasus. dasselbe gilt von den Goetheschen epi-
grammen , welche B. allegorische nennt (s. 130 ff), sie sind sym-
bolische, während etwa Herders epigramm Die trichternasen
durchaus der deutung bedarf, also allegorisch ist. dieser unter-
schied geht durch; mich wundert, dass B. nicht davon gebrauch
macht. ^
B. betrachtet die satirisch - humoristische poesie als eine ab-
zweigung der gnomischen, in so ferne sie den gedanken als das
die nachahmung bewürkende medium nimmt; unterschieden ist
* irrtümlich ist der ausdruck s. 96, Goethe, der dichter des Götz und
Werlher, habe das ethos dieses gedichtes empfunden; 1773 war der Werther
noch nicht verfasst.
2 Harlmann sagt statt symbolisch: mikrokosmisch. vgl. JVolkelt Der
symbolbegriff 1876 und FVischer Das symboi 1887.
262 BAUMGART HANDBUCH DER POETIK
sie, dass sie das naclizuahmende ethos diircii die ideelle Vorstel-
lung seines widerspiejs zu erzeugen strebt (s. 103). jedesfalls
will sie uns etwas zeigen, sie will auf etwas ungehöriges hin-
weisen und dadurch das richtige kennen lehren ; sie fällt also
unter die didactische oder besser gesagt die reflexionspoesie, für
welche ich Anz. xiv 169 den namen sinnende oder nachsinnende
lyrik vorgeschlagen habe; das gedankenelement ist, in so fern
es in die poesie hineingebort, nur der stoff, nicht der zweck
der darstellung, jener muss auch an sich volles eigenes leben
haben, dieser nur nebenher erreicht werden, alles was B. an-
führt, bestätigt diese meinung; besonders verweise ich auf die
s. 106 ff sehr richtig getroffene Unterscheidung zwischen den
einzelnen darstellungsmitteln. in der einen sind die fehler, in
der anderen die schwächen gegenständ der nachahmung.
]Nun wird B. folgerichtig auf das epigramm geführt, wenn
wir uns fragen, was ist die erregende grundlage des epigramms,
was erlebt der dichter für ein epigramm, so werden wir auf
etwas anderes geführt, als etwa bei der reinen lyrik. bei dieser
wird sein gefühl, bei jener sein verstand erregt worden sein,
in dem einen falle spreche ich von erlebnis im engeren sinne
des Wortes, unabhängig von dem dichter bringt etwas würkung
auf ihn hervor, er erlebt etwas; in dem anderen falle spreche
ich vom gedankenerlebnis, das ein erlerntes ist, in so fern alles
erweitern unserer erfahrung ein erlernen ist. beim Stimmungs-
gedicht bildet den samen, der in die phantasie des dichters fällt,
ein gefühls-, in dem epigramm zb. ein gedankenerlebnis. dann
würken beide im Innern des dichters gleichmäfsig fort, bliebe das
gedankliche ohne weiteres umbilden, dann entstünde kein ge-
dieht, sondern ein gedankenprocess, wie dagegen die phantasie
zu spielen beginnt und das erlernte umformt, zieht sich der ver-
stand zurück, aus der tätigkeit des Verstandes wird die speciell
dichterische, ich habe schon in der Deutschen dichtung iii 208
das werden eines epigramms dargestellt, kann also darauf ver-
weisen, man sieht auch, wie auf diesem wege vom epigramm
die 'scientifischen Wahrheiten' ausgeschlossen werden, was bei
Lessings definition nicht klar, und auch in B.s polemik gegen
dieselbe nur nebenbei geschieht (s. 119). und dann erklärt sich
bei meiner art der betrachtung mancher fehler, welchen B. richtig
bemerkt, das gedankliche muss im gedichte ganz ebenso auf-
gearbeitet werden , als das erlebte, dh. es muss der einzelne fall
alles dessen entkleidet werden, was ihn zu einem singulär würk-
lichen , aber nicht zu einem wahren macht, bevor dies nicht
geschehen ist, kann das gedieht — ob seine grundlage nun ein
gefühl oder ein gedanke war — noch nicht als fertig bezeichnet
werden, es bleibt eine frühgeburt; das zeigt sich bei jedem
dichter in jedem falle vornehmlich darin, dass der titel ein inte-
grierender bestandteil des gedichtes wird (vgl. Scherer s. 254).
BAUMGART HANDBUCH DER POETIK 263
dag ist also durchaus nichts dem epigramm eigentümliches. Heines
gedieht aus den Jungen leiden (Elster 1, 31 Ich wandelte unter
den bäumen) gibt ein beispiel für das rein lyrische gebiet; es hat
zwar jetzt keinen titel mehr, früher aber hiefs es Liebe (so in
der hs.), Das wörtlein liebe (so in der ausgäbe von 1822), und
dieser titel fehlt in gewissem sinne, wir kommen nicht zum
vollen genuss, wie denn überhaupt das gedieht formell nicht
zu den gelungenen zählt, ganz ebenso müssen wir den titel
kennen, um Herders epigramm An das crucifix im consistorium
ganz zu verstehen, nur ist dieser rest des würkung hervor-
rufenden erlebnisses beim epigramm leichter zu entschuldigen,
wenn wir es als aufschrift fassen, die erwartung wird durch
den platz hervorgerufen , auf dem es würklich oder vorgeblich
geschrieben steht, zahlreich sind die beispiele dieser art in den
Xenien. die erklärung B.s trifft nicht zu, wenn er sagt (s. 131),
die Überschrift diene nur dazu , den an sich in dem gedichte voll-
ständig gegebenen inhalt und die deutlich erkennbare allgemeine
anwendung durch speciellen hinweis auf einen einzelnen fall zu
individualisieren, in dem xenion Der prophet zb. Schade, dass
die Natur' nur Einen Menschen ans dir schuf, Denn zum würdigen
Mann war und zum Schelmen der Stoff ist das erlebnis Lavater;
der dichter strebte es zu verallgemeinern und nennt es Der prophet,
ohne jedoch etwa ein urteil über alle propheten aussprechen zu
wollen, die Überschrift ist ganz wie bei Herder ein integrierender
bestaudteil und so in der überwiegenden mehrzahl der Xenien.
aber hier sehen wir zugleich, dass die dichter bestrebt sind,
ihren epigrammen symbolische bedeutung zu geben, indem sie
ihren gegenständ von personen hernehmen, welche als typische
repräsentanten ganzer richtungen angesehen werden kiinnen.
Nicht weniger bei der fabel werden wir abermals auf das
symbolische gewiesen, die Lessingschen fabeln beweisen dies
schon zur genüge, sie sind durchaus symbolische erzählungen,
und alle fabeln müssen so beschaffen sein oder sie gehören nicht
in das gebiet der dichtkunst. und falls man dies im sinne hat,
dann wird man auch Lessings definition der fabel nicht mehr
misverstehen , wenn er sie die darstellung eines einzelnen falles
nennt, von welchem sie gerade so viel und nicht mehr erzähle,
als hinreiche, den allgemeinen moralischen satz anschauend er-
kennen zu lassen. B. stufst sich an dem 'erkennen' (s. 162) und
kommt zu dem Schlüsse (s. 169), dass die fabel nachahmung
einer handlung durch erzählung einer handlung, also episch sei,
wobei tiere als handelnde personen auftreten; er nimmt also den
von Lessing bekämpften satz wider auf. denken wir uns die
entstehung einer fabel. wovon geht der dichter wol aus? ist
das erlebnis ein Vorgang des tierlebens oder nicht? darauf wird
es jedesfalls ankommen, ich glaube, zwei möglichkeiten werden
eintreten, entweder wird ein Vorgang im tierleben dem dichter
264 BAUMGART HANDBUCH DEK POETIK
die ähnlichkeit mit dem menschenleben nahe legen — dies wird
aber jedest'alls der seltenere fall sein — , oder für einen Vorgang im
menschenlehen, der ihn mächtig erregt, wird er einen vergleich
finden in der tierwelt oder in der loten natur. immer wird
das wesentliche das [jarallelisieren sein; der dichter wird aus-
gehen von einem vergleich, von einer kurzen fassung seines
eindrucks, wie auch in derlyrik, aber diese kurze fassung wird
eine reflexion und allgemein ein erfahrungssatz sein, für diesen
erfahrungssatz wird die erzählung die einkleiduug. der gute
dichter »vird sie künstlerisch gestalten uud symbolisch darstellen,
er wird aber von einer deutung seines symbolischen geleilet,
ohne sie uns aufdrängen zu wollen, der ausgaugspunct ist ein
vergleich, eine parallelisierung, welche einen erfahrungssatz ent-
hält und in einer symbolischen erzählung dargestellt wird. B.
knüpft an Grimms idee von der entartenden auflösung eines ur-
sprünglichen (indogermanischen?) tierepos, einer liersage (vgl.
s. 215 f) in lierfabeln wider an, verwirft mit ganz ungenügender i
begründung (s. 158 f anm.) Scherers Widerlegung und lässt sich
von dieser idee bei seiner betrachlung der fabel leiten; aber selbst
abgesehen hiervon, zeigt er misverständnisse. wer wird denn
den mittelalterlichen Reineke eine fabeldichtung nennen, es ist
ein epos voll naiver und naiv satirischer freu de an den vor-
getragenen streichen, es ist ein komisches epos, das sonst im
deutschen ma. so wenig vertreten war, und vergleicht sich in
seiner entstehung durchaus dem Pfaflen Amis; aus schwanken
über liere wie über pfaPFen setzen sich die komischen epen zu-
sammen, wir haben es also hier nicht mit fabeln zu tun. 2 und
' B.s gründe sind nur eine folge mangelhafter kenntnis; er hält es für
undenkbar, dass 'die ganze ungeheure bereicherung der tiersage im 13 jh.
der bewusten kunsttätigkeit einzelner dichter zu danken sei'; er meint, wir
würden unser Nibelungenepos ähnlich auffassen, wenn uns nicht zufällig
spärliche künde früherer entwickelungsstadien erhalten wären; da dergleichen
für die tiersage nicht vorhanden sei, müsse notwendig die Grimmsche hypo-
these aufgestellt werden, als parallele der neuen zeit führt er an: 'hätten
die brüder Grimm die Sammlung der deutschen Volksmärchen nicht unter-
nommen , auf ein wie dürftiges mafs würde schon heute die künde von
diesem reichen poetischen besitz unseres volkes reduciert sein', man sieht,
diese parallele klärt gar nichts auf, als dass eine Sammlung der vorhandenen
schätze von grofsem segeii ist. wir können aber ex silentio über die tier-
sage genügend urteilen, gerade weil ältere nachrichten über sie nicht vor-
handen sind, obwol wir nachrichten über die heidnischen sagen besitzen:
weil der norden nichts von einer tiersage weifs , hat es keine solche ge-
geben, der satz, welchen B. spöttisch anführt, qiiod non est in actis, non
fuil in mundo trifft dabei gar nicht zu; wir sehen ja vor unseren äugen
die erweiterung der tierfabeln zum komischen tierepos sich vollziehen; wir
haben ein par ältere Zeugnisse, aber nicht für die tiersage, sondern für die
tierfabel, es ist also auch in actis, was in mundo fuit und für Grimms
hypotliese, so poetisch sie ist, liegt keine notwendigkeit vor. übrigens
hält B. an ihr nur fest, weil sie ihm zu seiner theorie passt, es ist eine
petitio principii.
- B. wird auf anderem wege dann s. 223 dazu gebracht, die tierfabel
der galtung nach zum komischen epos zu rechnen.
BAUMGART HANDBUCH DER POETIK 265
B. nennt alles allegorie, was uns ualurbeseelung heifst (vgl.
s. 175 fr), aber er reicht mit der annähme von allegorie im
einzelnen keineswegs aus, denn wenn er ans deuten geht, dann
beginnt er zu fragen, zu zweifeln, ein zeichen, dass entweder
die allegorie verfehlt, oder die auffassung als allegorie verwerf-
lich ist (s. 177 ff).
Die gröste ähnlichkeit mit der fabel hat die parabel. trotz-
dem fallen die beiden gattungen nicht zusammen; auch die pa-
rabel entsteht ähnlich wie die fabel — hierin stimme ich mit B.
s. 182 überein — , aber während der symbolische character der
fabel an sich schon die frage beantwortet, weshalb der dichter
die erzählung der fabel vorträgt, würden wir nicht wissen, weshalb
die erzählung einer parabel stattfindet, wenn es der dichter nicht
ausdrücklich sagte, die parabel ist somit die erzählung eines
einzelnen factums aus anlass eines ähnlichen und zur erhellung
desselben, während also die symbolische erzählung in der fabel
einen ausblick auf das weite, allgemeine eröffnet, gibt uns die
parabel die beziehung auf ein anderes einzelne und erst durch
sie wird uns verständlich, warum uns der dichter gerade jetzt
diese geschichte berichtet, durch sie wird aber auch die erzählung
selbst in eine höhere sphäre gerückt, man denke nur an Les-
sings parabel von den drei ringen, die parabel ist aber nicht
allegorie, denn die erzählung der parabel muss an sich verständ-
lich sein, was von der allegorie nicht gilt, wir könnten die
parabel geradezu illustrierende erzählung (bispel) nennen, wäh-
rend die allegorie eine illuminierende erzählung wäre, die fabel
ist an sich verständlich, ihr Vortrag begründet, und sie weist
uns symbolisch aufs allgemeine ; die parabel ist an sich verständ-
lich, ihr Vortrag unbegründet, so lange man nicht den hinweis
auf das zweite ähnliche factum kennt, die allegorie endlich ist
an sich unverständlich, so lange man nicht die liefere bedeutung
kennt, sie ist unsinn, wenn man den sinn nicht weifs.
B. fasst den begriff weiter, er hält sich an QmnlWians l4kkr}-
yogia alind verbis aliud sensu ostendit und scheidet zwischen
allegorie, welche dem wortsinn nach bestand für sich hat, aber
auf einen von diesem Inhalte verschiedenen sinn hinweist, und
zwischen allegorie, welche dem wortsinn nach keinen bestand
für sich hat, sondern nur durch den von diesen worten ver-
schiedenen sinn (s. 188 f). darum vindiciert er der parabel das
allegorische dement, ohne dasselbe liefse sich keine parabel
denken (s. 190); aber während er die parabel zum epos rechnet,
gehört nach ihm die allegorie zur lyrik. er macht zwar Goethe
(s. 192 f) den Vorwurf, das symbolische umfasse bei ihm das
typische, wie die poetische allegorie, mir scheint dagegen dass
bei B. der ausdruck 'allegorie' für zwei grundverschiedene dinge
verwendet wird, mich will bedünken, dass er (s. 193 ff) die
bedeutung des symbolischen nicht scharf genug erfasst, ja mit-
A. F. D. A. XV. IS
266 BAUMGART HANDBUCH DER POETIK
unter ganz misverstanden habe, so sagt er: 'ein symbol ist
ein concretes ding, welches durch ein hervorragendes merkmal
seiner beschaffeuheit geeignet ist, auf eine idee hinzuweisen und
so als kennzeichen derselben zu dienen; so der ring, ein
ohne ende in sich geschlungenes band, ein hinweis aui' die treue,
die nicht endet, das kreuz ein merkmal des christlichen glaubens,
die kröne und der kränz Symbole der herschaft und des ruhmes.
die gewalt, mit der die liebe die seele ergreift, wird symboli-
siert durch den das herz durchbohrenden pfeil; ihre süfsigkeit:
die spitze ist in honig getaucht; die flüchtigkeit der liebe und
ihre wechselnden launen stellen geflügelte amoretten dar.' B.
nennt die komödien des Aristophanes die Vögel, die Wolken, die
Wespen symbolisch; im Faust ist ihm der Erdgeist, Mephisto-
pheles, der Homunculus, die Helena, die hexeuscene und die
beiden Walpurgisnächte, ferner alle Vorstellungen des Wunders,
Zaubers und geisterspuks ihr^^m kern nach symbolisch; die ge-
spenster im Hamlet und Macbeth, die erscbeinung Klärchens als
freiheit im Egmont — das alles ist ihm symbolisch: ein zeichen,
wie völlig er das wesen des symbolischen verkennt (vgl. auch
s. 590). was er im sinne hat, sind entweder bilder oder Sinn-
bilder, dh. feststehende zeichen, die aber durchaus nicht so fest-
stehen, dass nicht auch noch andere bedeutung parabolischer
art ihnen inne wohnen könnte, so ist allerdings das kreuz ein
merkmal des christlichen glaubens in Grillparzers versen auf das
Colosseum , es ist ein ganz anderes zeichen in Chamissos Kreuz-
schau; in jenem fall ist es conventiouell der christliche glaube,
weil es mitten in heidnischer Umgebung steht, in diesem falle
dagegen entsprechend unserem worte 'sein kreuz tragen' der
ausdruck für das jedem zugemessene leid, die kröne ist das
zeichen der herschaft, in Uhlands gedieht Die versunkene kröne
dagegen ganz allgemein das zeichen des wertvollen, symbolisch
ist nach Goethe wie Uhland (vgl, Anz. xiv 180 ff) etwa Faust und
Gretchen, weil sie gleich naturobjecten unendlich reich au be-
ziehungen sind, unerschöpflich an momenten, welche sich nur
nach und nach enthüllen , typisch in gewissem sinne. B. hat die
Wichtigkeit des symbolischen nicht erfasst und es daher so sehr
vernachlässigt, und doch drängt es sich immer wider auf.
B. betrachtet sodann die verschiedenen zwecke, mittel und
formen der poetischen nachahmung von handlungen (xni ab-
schnitt) und richtet sein augeumerk besonders auf die beiden
grundempfindungen des wolgefälligen und des lächerlichen, jenes
wird erreicht durch die nachahmung einer einheitlichen hand-
lung, in welcher das entsprechende, richtige direct hervortritt,
dieses durch die nachahmung einer verkehrten handlung, in
welcher das richtige indirect hervortritt; in diesem falle handeln
die personen ohne sittliche Verantwortlichkeit, in jenem unter
sittlicher Verantwortlichkeit, natürlich kommt es nun darauf an,
BAÜMGART HANDBUCH DER POETIK 267
den unterschied dieser iheorie von jener älteren darzulegen, nach
welcher die poesie im dienste der moral steht, die dichtkunsi
soll nur ein ästhetisches, d. i. ein empfindungsurteil, nicht ein
verstandesurteil erzielen, dies wird indirect, durch darstellung
des lächerhchen , leichter herbeigeführt, deshalb machte sich nach
B.s ansieht auch zuerst die komik von der morallorderung frei.
B. geht in seiner definition des komischen auf Aristoteles zurück
und sieht das lächerliche in einer fehlerhaftigkeit und hässhchkeit
(deformität) , die weder schmerz noch schaden verursacht, weder
objectiv noch subjectiv. ausgeschlossen ist dabei das moralisch
fehlerhafte und hässliche eo ipso, dagegen bleibt das verstandes-
und das ästhetisch-lächerliche; jenes wird durch ein Verstandes-,
dieses durch ein ästhetisches urteil erfasst, jenes wird von dem ver-
stände unmittelbar und mühelos erkannt, dieses von der aisthesis
empfunden, es bedeutet eine Verschiebung, wenn die dichter
das moralisch fehlerhafte oder hässliche komisch verwerten, es
kann nur ein hilfsmittel sein, wenn sie das Verstandes -lächer-
liche (zb. den witz) nutzen, ihr eigentliches gebiet ist das ästhe-
tisch-lächerliche, man sieht, wie diese meinungen parallel gehen
meiner oben vorgetragenen construction des gefühls- und des
gedankenerlebnisses. auch das vom verstand erkannte lächerliche
kann die phantasietätigkeit erregen, dann muss aber im innern
des dichters die ausbildung stattfinden , während das ästhetisch-
lächerliche direct würkt.
Wir sind hiermit bereits auf ein neues gebiet gekommen,
dessen betrachtung die folgenden abschnitte des werkes gewidmet
sind, epos und drama; ihnen wird breiterer räum als der lyrik
zu teil. auch bei B. vermisse ich die erkenntnis, dass die
Scheidung in lyrik, epik, dramatik und etwa noch (richtig ver-
standene) didactik, nicht ganz sinngemäfs ist. er sieht sich ge-
nötigt, die hauptforderungeu für epos und drama gemeinsam zu
entwickeln, denn in ihnen ist nur die art der nachahmung durch
erzählung und durch handelnde personen verschieden (s. 275).
der einteilungsgrund ist also ein ungleicher: die abtrennung von
epos und drama geht auf die form, von lyrik auf den Inhalt;
epos und drama enthalten oder können enthalten rein lyrisches,
die lyrik 'kann epische, dramatische einkleidung bekommen, die
wesentlichsten unterschiede finden sich zwischen lyrik einer-,
epos und drama andererseits, diese setzen durchaus ein publicum
voraus, jene nicht, jene ist darstellend, diese sind vorstellend,
wir müsten also die dichtungen einteilen nach dem Inhalt und
nach der form.
Innerhalb des epischen gebietes scheidet B. hauptsächlich
das heroische und komische epos, kunst- und volksepos und die
kleineren epischen gattungen. er lässt ganz aufser acht den
roman und die novelle, beide sind nur genannt, aber weder
definiert noch characterisiert , geschweige denn gegliedert, dies
18*
268 BAUMGART HA>DBUCH DER POETIK
ist \vol der hauptmangel des buches und hat seineu grund im
getreuen anschluss an Aristoteles, dass wir auch novelleu in
Versen haben, welche sich gewis nicht blofs durch die versifi-
cation von den anderen abgränzeu , das wird nicht einmal er-
wähnt, aber auch in dem ausgeführten ist nicht alles unan-
fechtbar, s. 292 ff beschäftigt sich B. eingehend mit dem
Mbelungenliede, er sucht Lachmauns theorie vom ästhetischen
standpuncte zu widerlegen , spricht aber dabei durchaus von den
kunstabsichten des Nibelungendichters, von seinen 'sehr absichts-
vollen erfindungen' (zb. s. 298), von einem bevpusten schaffen usw.
worin besteht dann der unterschied zwischen volks- und kunst-
epos? nur in benutzung der lebendigen volkssage? mich will be-
dünken , dass gerade B.s ansieht eine gute bestätiguug der lieder-
Iheorie wäre, denn ein sammelnder redactor wird sehr viel besser
die lücken erkennen und mit bewustsein ausfüllen , als ein
dichter, was dann den einwurf betrifft, das von Lachmann re-
construierte vierte lied habe nur 'als glied eines grofsen , wol
disponierten epischen Zusammenhanges geltuug', so scheint er mir
weit übers ziel zu schiefsen ; den Zusammenhang mit dem weiteren
verlaufe gab die Vertrautheit mit der sage , wie heute ein dichter
den verrat des Judas an Christus in einer bailade behandeln
könnte, weil uns der Zusammenhang ganz verständlich wäre, das
vierte lied enthält zudem alles, was die handlung erfordert, die
bedeutung dieser handlung aber war dem publicum des dichters
genau bekannt, doch ich brauche mich gar nicht auf Ver-
mutungen zu beschränken. Uhland hat 1812 eine ballade Sieg-
frieds Schwert gedichtet, welche sich ganz dem vierten Lach-
mannschen liede vergleichen lässt. es beginnt: Jimg Siegfried
war ein stolzer Knab wie es hier heifst: Ez icas ein kiiniginne
gesezzen über se . . . dann wird 'lediglich der äufserliche her-
gang' erzählt, 'der einen abschluss findet': Nun schlag ich wie
ein andrer Held die Riesen und Drachen in Wald iind Feld, alles,
was B. s. 296 der Lachmannschen reconstruclioii_zum vorwürfe
macht, gilt nun auch von Uhlands gedieht; aber wir verstehen
Uhland gerade so, wie das publicum den Nibeluugendichter, weil
wir die ganze sage kennen, für uns ist Siegfried nicht blofs
ein beliebiger stolzer Knab, sondern der held, dessen taten wir
genau kennen und dessen schwert daher tiefere bedeutung hat.
wenn sich dies ein moderner dichter erlauben durfte , wenn er
gar romanzen wie Klein Roland, Roland Schildträger ua. gestalten
konnte, wie viel mehr ein mittelalterlicher Sänger.
B. verkennt, dass die einheit des Nibelungenliedes in der
einheit der Nibelungensage begründet ist, dass die sage anfang,
mitte und ende schon genau ausgebildet hatte und daher ein
Sammler die einzellieder leicht einreihen konnte, übrigens be-
zweifelt B. nur die müglichkeit, aus unserem Nibelungenliede
die eiuzelheder ausscheiden zu können, nicht die möglichkeit.
BAÜMGART HA>DBUCU DER POETIK 269
dass dem epischeu dichler durch den Vorrat an liederu höchst
wesenthch vorgearbeitet seiu muste und er umfänghche partien
daraus ohne weiteres in seine dichtung aufnehmen konnte (s. 294).
Den breitesten räum, mehr als die hälfte des buches (s. 330
bis 700), nimmt die betrachtung des dramas ein, wobei freilich
rUckblicke auf das epos fallen, wider geht B. von dem gränz-
gebiete, der 'mittleren galtung' ausi; Tasso, Götz, Stella, Iphi-
genia werden nach dem unterschied ihrer Zugehörigkeit geprüft;
er trennt tragödie und komödie, aber von beiden ebenfalls scharf
das Schauspiel , als dessen besten Vertreter er den Sturm an-
sieht; er meint sogar (s. 379), gegenständ dieses wunderbaren
Stückes sei, die würkung und das wesen des Schauspiels dar-
zustellen, nach ihm ahmt das Schauspiel handlungen nach, die
ernst, aber nicht tragisch, fehlerhaft, aber ohne der komik an-
heimzufallen, und in eminenter weise schicksalsvoll sind
(s. .388f); es ist also eine mischgattung, die sich jedoch mehr
dem lustspiel zuneigt, in so ferne sie die streitenden affecte in
ein höheres lustgefühl auflöst (s. 393). sie beginnt 'jenseits der
gränzen der ethischen tragödie und hört diesseits der gränzen
der characler- komödie auf (s. 397). man sieht, B. sucht für
die manigfaltigen Spielarten des dramas festen halt; von Richard in,
dem Kaufmann von Venedig- zu Lessings Nathan und Minna von
Barnhelm reicht das Schauspiel nach seiner idee. wir können
das gelten lassen, wenn auch nicht vergessen werden darf, dass
damit der ausdruck Schauspiel in weiterem umfange gebraucht
wird als bisher, die Untersuchung dieser, von ihm so genannten
Schauspiele gehört, meinem dafürhalten nach, zu den gelungen-
sten teilen des ganzen Werkes, wenn man von der construction
des Shakespeareschen Sturm absieht, einleuchtend ist zb. die
auseinandersetzung des Nathan, überzeugend die polemik gegen
Voltaires und Diderots theorie einer comedie touchante.3 für das
^ jedesfalls wäre der tragikomödie zu gedenken, welche gattung be-
kanntlich Hebbel in der widmung seines Trauerspiels in Sicilien Rötscher
zur erforschung empfahl, gerade an diesem drania lässt sich zeigen, wie
wesentlich der unterschied zwischen tragödie und Schauspiel einer-, Schau-
spiel und komödie andererseits ist. Hebbel hat den ton der komödie auf
einen tragischen Stoff angewendet, furcht und mitleid erweckt, die leidvolle
tat für die beteiligten von den entsetzlichsten folgen begleitet und dabei
die form von Kleists Zerbrochenem kruge gebraucht, es ist ein merk-
würdiges, bei Hebbel kaum verständliches vergreifen; was er schafft, ist
nicht eine neue gattung, sondern eine abnormität, aus welcher das richtige
durch contrast zu entwickeln war.
* ich verweise dabei auf den schönen aufsatz von Rötscher (Drama-
turgische und ästhetische abhandlungen. ges. und hg. von Emilie Schröder,
Leipzig 1S64, s. 106 ff): Warum gehört Shakespeares Kaufmann von Venedig
notwendig in die kategorie des lustspiels?
3 dabei hat B. natürlich die historische Wichtigkeit dieser theorie aufser
acht lassen müssen, diese wird in dem werke von Wetz erörtert: Die an-
fange der ernsten bürgerlichen dichtung des ISjhs. i 1, Worms 1885, vgl.
meine recension im Archiv f. lg. xv 323 — 333.
270 BAUMGART HANDBUCH DER POETIK
Schauspiel in diesem siime Jässt sich die gedankenlyrik als parallele
bezeichnen, iu so ferne der phronesis wie der idee breitester
räum zugewiesen ist, in so ferne von einem gedanklichen aus-
gegangen wird, das aber freilich wie bei der 'sinnenden lyrik'
nach den geselzen der poesie umgewandelt erscheint.
In seiner betrachtung der tragödie folgt B. ganz getreu
Aristoteles und sucht Beruays entladungstheorie zu widerlegen
und für yiä^aQOig die bedeutung 'läuterung' wider zu erweisen,
wobei natürlich von einer moralischen würkung vollständig
abgesehen wird.
Für B. ist die Schönheit etwas subjectives, iu so ferne das
kunstwerk in der seele des beschauers das phänomen der Schön-
heit entstehen lässt, dh. das kunstwerk muss solche objective
beschalTenheiten in sich vereinigen, dass durch sie das empfinden
des beschauers unmittelbar und mit innerer notwendigkeit in ab-
soluter reinheit, gesundheit, richtigkeit erregt wird, und zugleich
das bewustsein mit dieser empfindungsenergie notwendig und un-
mittelbar verbunden ist, der empfindende teil der seele erfülle
seine natur und höchste bestimmuug, die seele zu der lebhaf-
testen und höchsten freude zu entzünden und zu erheben, wir
sehen versteckten Kantischen subjectivismus in dieser definition
(s. 430 f). katharsis ist ihm nun die kraft, welche das kunst-
werk vermöge seiner ihm 'ewig und unzerstörbar anhaftenden be-
schaffenheit bewährt, die seele von allem übermäfsigen des er-
regten pathos oder ethos befreiend zu entlasten, das mangelnde
schöpferisch darin zu ergänzen, das unreine läuternd daraus hin-
wegzuschmelzen , mit einem worte: der seele den anlass zu bieten
und sie zugleich mit der kraft zu erfüllen, die gesunde, die
richtige, die reine empfindungsenergie in sich zu erfahren, also
das schöne ist zwar rein subjectiv und zugleich rein objectiv.
Leisewitz schreibt am 3 februar 1778 an seine braut Sophie
Seyler (hslich in Braunschweig), er wolle ihr die Schwermut
nicht ganz rauben, doch solle sie sich mäfsigen: Ich wollte dass
Deine Thrähnen so icäreu wie man sie bey einem Traners'piele und
nicht wie man sie bey einem Unglücke vergiefst. die Schönheit
des trauerspieles wäre subjectiv, in so ferne iu uns das empfinden
erregt wird, objectiv, in so ferne das empfinden geläutert wird,
die Schönheit ist nach B. also eine potentielle kraft, wie der
magnetismus, welche der ureigenen tätigkeit des empfangenden
subjectes bedarf, um factiscli, actuell hervorzutreten.
B. sucht nun gegen Beruays zu erweisen ^ dass Aristoteles
den ursprünglich der medicin angehörenden ausdruck katharsis,
welcher die ausscheidung alles überflüssigen, daher schädlichen,
ferner die fortwaschung des von aufsen störend anhaftenden, in
beiden fällen also eine reinigung bedeutet, auf das technisch-
* er hat schon in Fleckeisens Jahrbüchern 1875 bd. 111, 81 — 118 klarer
als hier den 'begriff der tragischen katharsis' untersucht.
BAÜMGART HANDBUCH DER POETIK 271
industrielle gebiet überträgt und von einer Läuterung' zb. des
eisens von fremden bestandteilen spricht, dass er endlich auch
auf dem religiösen, wie auf dem ästhetischen gebiete eine ka-
tharsis findet, eine purification , eine reinigung von schädlich
überflüssigem, eine läuterung des falschen, ungesunden (s. 444).
B. siebt auch in jener bekannten stelle der Aristotelischen Politik
über die musikalische katharsis nicht eine entladuug des enthu-
siasmus, sondern eine läuterung vom übermafs, eine zurück-
lührung zum normalen (s. 440 fi") und meint also, das philologische
material spreche nicht für Bernays, sondern für ihn. dazu kommt
noch eine feinere Scheidung von Ttäd-oq und Ttä^rßia, welche
B. durchführt; er hat schon 1873 in einer besonderen schritt
zu erhärten gesucht, dass Aristoteles unter jtä&og die empfindung,
unter 7tä^i]f.ici die gemütsbewegung versteht, nnier Ttäd-og den
allgemeinen Veränderungsvorgang, unter Ttad-r^ta die erscheinungs-
form desselben im einzelnen falle. i mir scheint seine polemik
negativ und positiv fruchtbar und beachtenswert, halten wir an
Bernays entladung fest, so wäre die Aristotelische definition der
tragödie nicht allgemein giltig; denn würde die tragodie würk-
lich furcht und mitleid zuerst 'entfesseln' müssen, um dadurch
erleichterung und r^dovi] zu verschaffen, dann wäre Goethes
Tasso keine richtige tragödie, die definition würde zb. auf VVil-
brandts Tochter des herrn Fabricius weit besser passen. Aristo-
teles kann nur meinen, dass schon in der erregung von furcht
und mitleid die katharsis liegen muss; er kann keinen Vorgang
\*or äugen haben , der sich durch das anspannen des bogens und
das abschiefsen versinnlichen liefse, sondern er muss eine be-
stimmte art der erregung von furcht und mitleid im sinne haben,
ja Aristoteles spricht gar nicht von der erregung von furcht und
mitleid, sondern öt' e)Jov y.al cpößov negahovoa rrjv riöv xoi-
ovTiov Tta-d-rjiÖTiüv y.ad^agGiv , also durch furcht und mitleid
soll die katharsis dieser pathemata bewürkt werden, stecken in
uns €?.€og und (fößog als Ttäd-i], dass wir einer -/.äd^aQOig twv
Toiovrcov Ttad-iji.icatov bedürfen? sind eleog und (pößog heil-
mittel, durch welche in uns ein krankheitszustaud (ekstase) ge-
brochen werden soll ? geht die tragödie würklich homöopathisch
vor? Aristoteles kann keine accidentielle, ihm muss eine consti-
tutiouelle eigenschaft der tragödie vorgeschwebt haben , was be-
kanntlich am schärfsten Goethe betont hat. dass mit Bernays
entladungstheorie diesem einwände Goethes nicht begegnet wird,
hat B., wie mich dünkt, s. 436 f überzeugend nachgewiesen, in
der definition der tragödie behandelt Aristoteles zuerst das all-
gemeine f.iif.n]Gig TtgäBeiog, indem er die handlung als ernst
(öTtovöaia) und geschlossen (Tsksict) bezeichnet, zugleich als
'bedeutend' (iiiyeS-og exovoa), dann wendet er sich der äufseren
1 freilich wurde dieses resultat bestritten, einige einwendungen wider-
legt B. s. 445 ff anm.
272 BAUMGART HANDBUCH DER POETIK
form zu, von der er später noch näher spricht (rjdvGfievog
koyog Qvd^i^idv xca ceQ/xoviav xai /.lilog ex^ov), hierauf bezeichnet
er sie alsdrama, indem er die nachahmung der handlung durch
handelnde und nicht dt^ ccTtayyellag sich vollziehen lässt, end-
lich muss er in den worlen (5t' kkeov xat cpößov Ttegalvoioa
Tt-y TCüv roiovTtov 7cad^}]f.Läru)v yia^aQOiv das eigentümliche der
tragödie gegenüber anderen dramatischen gedichten feststellen;
es muss also Goethe recht haben , auch wenn seine worte keine
philologisch getreue Übersetzung sein wollen: die katharsis muss
also in der tragödie selbst erfolgen, nicht im Zuschauer, dieser
beobachtung entspricht ab^r der ausdruck reinigung, läuterung
besser als der: entladung. darum weinen wir andere thränen
bei der tragödie als bei einem Unglücke, nach der stelle der
Politik müste Aristoteles von der tragödie nicht sagen , sie be-
vvürke durch furcht und milleid die katharsis, sondern die
tragödie sei das mittel zur katharsis, wie dort die heiligen ge-
sänge; er denkt nicht etwa daran, die heiligen gesänge zu de-
finieren, sondern spricht ganz ausdrücklich von ihrer würkung
auf die zuhörer, also von einem accidens; in der Poetik handelt
es sich um die definition der tragödie, die beiden stellen lassen
sich demnach nur entfernt mit einander vergleichen, das hat
auch B. nicht beachtet, obwol es gegen Bernays spricht (vgl.
s. 523 ff).
B. kehrt auch in so ferne zu Lessing zurück, als er die gegen-
seitige reinigung oder läuterung von furcht und mitleid in der
tragödie sucht, nur betont er stärker als Lessing die Wichtigkeit
der tragischen furcht, er verlangt also von der tragödie, dass
sie eine handlung habe, welche nicht nur unser mitleid erregt,
dh. unsere furcht erweckt, sobald wir uns vorstellen, sie träfe
uns, sondern welche so beschaffen ist, dass wir sie uns un-
bedingt so vorstellen müssen (s. 493). mitunter hat B. gewis
in der sache recht, nur ist der ausdruck schief, so wenn er
von der tragödie unverschuldetes leiden verlangt, dann aber natür-
lich von der hamartie spricht; unter 'unverschuldet' aber meint
er, dass leiden und Verschuldung nicht in directem Verhältnisse
zu einander stehen; dass die Verschuldung keine criminelle sein
dürfe, er hätte hinzufügen sollen, dass sie sehr häufig nur
gegen die sitte verstofse; ich verweise zb. auf Hebbels tragödie
Gyges und sein ring: Kandaules verstöfst weder gegen eine
Satzung der erde noch der moral, wol aber gegen die 'sitte',
indem er seinen Hebung Gyges zum vertrauten seines stolzes auf
die Schönheit seines weibes Bhodope macht; vgl. die geistvollen
ausführungen Jherings im zweiten bände seines Zwecks im recht,
so wie den essay Graweins im feuilleton der Neuen fr. presse
(nr 8584. 18. 7. 88) 'Galeoto vor den schranken der Wissenschaft'.
— zu sehr hat B. dann die Schwierigkeit der bürgerlichen tragödie
zugespitzt, wobei er meinen erwägungen (Archiv f. lg. xv 328 ff)
BAÜMGART HANDBUCH DER POETIK 273
eine stütze leiht ; hier hätte jedoch auf Hebbels Maria Magdalena
verwiesen werden müssen , um zu zeigen , dass eine bürger-
liche tragodie auch auf modernem boden möglich sei (s. 496).
überhaupt nimmt B. gar keine rücksicht auf das neuere drama,
auch wo sie nicht zu umgehen war. so muste s. 502 bei der
betrachtung des Philoktet unzweifelhaft auf Ibsens Gespenster ein-
gegangen werden, um den unterschied des unverschuldeten lei-
deus im Sophokleischen drama und im drama des nordischen dich-
ters klarzulegen, dieses vollständige ausschliefsen des modernen
dramas ist jedesfalls absieht, mit Schiller endet B. die reihe,
indem er auch nur die Braut von Messina eingehend betrachtet;
er nennt sie nicht antikisierend, sondern antik, hat es aber
unterlassen, sie mit anderen antiken dramen würklich zu ver-
gleichen, freilich kam es ihm vor allem darauf an, zu zeigen,
dass sich Schiller als schaffender poet von den irrtümern seiner
speculation emancipierte. doch ist das vergleichen nicht B.s
Sache, dies beweist am stärksten der xxix abschnitt, in welchem
das vergleichen wesentlich in einem nach einander besprechen
besteht; die Choephoren und Eumeniden des Äschylus, die Elektra
des Sophokles und des Euripides, endlich Shakespeares Hamlet
werden ganz richtig zusammengenommen , aber nicht verglichen.
B, fehlt die gäbe, die ähulichkeiten und unterschiede mit scharfen
strichen hervorzuheben, dieser zug ist dem ganzen buch eigen :
nirgends in der breiten darstellung ruhepuncte kräftigen zu-
sammenfassens, abschliefseuder, formelhafter kürze, gerade da-
durch würkt sein buch so aufserordentlich ermüdend, den leser
abspannend und verlangt trotz dem wortreichen auseinander-
legen gröste aufmerksamkeit, eifrigste mitarbeit, soll die klarheit
des Verständnisses nicht ausbleiben.
Am folgenreichsten wird die ausschliefsung des modernen
im letzten abschnitte, welcher die komödie behandelt, auch hier
gibt B. wesentlich nur einen commentar zu dem excerpt in der
Coislinianischen hs., indem er zugleich die ansieht von Bernays,
dass wir es mit Aristoteles zu tun haben, überzeugend bestätigt
und Bernays bedenken widerlegt, er sucht auch jene Sätze,
welche Bernays als misverständnisse des excerptors behandelte,
in richtiger auffassung als echt aristotelisch zu begreifen und die
consequenzen zu ziehen, aber freilich bleibt er ganz bei Aristo-
teles stehen; die modernen lustspiele sind ihm nur verirrungen,
wie die bürgerliche tragodie, er lässt eigentlich nur die phan-
tastische komödie gelten.
B. erkennt mit Aristoteles nach unserem excerpte nur drei
gattuugen komischer charactere an, nämlich ,ifu^<o/o;fOg possen-
reifser, spafsmacher, a/.aUuv prahler und e^gcov Ironiker, den
er gewis richtig mit unserem humoristen für identisch erklärt,
der possenreifser (dazu gehurt auch der parodist und der tra-
vestierende) und der grofssprecher tun, wie Aristoteles sagt, das
274 BALMGART HANDBUCH DER POETIK
yeXolov: krsQOv sveKa, brauchen also publicum, der irouiker
dagegen: auTov evexa. wir müsten also Aristoteles erweiternd
sagen: der spafsmacher steigert die fehler und verwandelt die
Vorzüge in schwächen , der prahler verwandelt die fehler in Vor-
züge und steigert die Vorzüge, der Ironiker steigert die fehler
und versteckt die Vorzüge. Leon in Grillparzers Weh dem, der
lügt ist ein ironiker, der auf des bischofs frage:
Nun? hübsch gelogen? brav dich was vermessen?
Mit Lug und Trug verkehrt? Ei, ja — ich weifst
bescheiden antwortet:
Nun gar so rein gieng's freilich denn nicht ab;
Wir haben uns gehütet, wie icir konnten.
Wahr stets und ganz loar nur der Helfer: Gott.
hier kommt zu tage, was schon Aristoteles verlangte: die fehler
werden in den Vordergrund gerückt, wodurch gerade das vor-
treffliche des Wesens deutlich wird, ohne dass dies von der
person beabsichtigt wäre, so sind zb. die hauptcharactere in
Shakespeares lustspielen oder in Moretos Donna Diana, wir
müssen das treffliche des characters herausfühlen , dann würkt
er um so erfreulicher, je komischer, fehlerhafter er sich auf
der anderen seite darstellt.
Und doch reicht Aristoteles Scheidung nicht aus; er setzt
überall voraus, dass der komische character seine fehler oder
schwächen kenne, man denke nun an Don Quixote oder an
Sancho Pansa, etwa an den kämpf mit den Windmühlen: hier
ist Don Quixote weder ein possenreifser, noch, wie es auf den
ersten moment scheinen könnte, ein prahler — Sancho Pansa
hat ihm versichert, es seien Windmühlen und keine riesen, aber
Don Quixote glaubt ihm nicht — , noch endlich ein humorist.
und doch liegt das komische nicht blofs im komischen handeln —
worauf übrigens B. gar keine rücksicht nimmt — , sondern auch
im character. oder Sancho hält sich die ganze nacht in der un-
bequemsten Stellung, weil er glaubt, über einem furchtbaren ab-
grunde zu liegen, während es tatsächlich ein seichter Wasser-
graben ist: wir können ihn weder possenreifser, noch prahler
oder ironiker nennen, auch hier liegt das komische nicht blofs
im handeln, oder Vischers Auch einer oder VValdmüllers köst-
licher Don Adone, welcher im vollsten ernste Don Nissunos nach-
kommen sucht, oder eine andere gruppe, die sieben Schwaben,
welche keine spafsmacher sind, obwol sie den hasen als untier
verfolgen, also mit zu grofsem kraftaufwand das unbedeutende
unternehmen, oder das kind, welches das meer ausschöpfen will,
also mit ungenügenden hilfsmitteln grofses unternehmen will,
oder der Stotterer', welcher eine grofse rede hält, also das phy-
sische und psychische im contraste darstellt, ohne grofssprecher
' vgl. die anecdote, welctie Vischer Über das erhabene und komische
1837 s. 193 f aus Flögeis Geschichte des grotesk-komischen citiert.
BAUMGART HANDBUCH DER POETIK 275
ZU sein, oder zb. Hebbels Schuock, der riese, welcher ieig und
weichherzig ist. man denke noch an Valentin oder das alte weih
in Raimunds Verschwender, vergebens suchen wir sie unter
eine der Aristotelischen categorien einzuordnen , und doch haben
sie alle etwas gemeinsames der komik ; ich weifs keinen besseren
namen , um alle die Verschiedenheiten zusammenzufassen , als sie
verblendete zu nennen, und hat nicht schon Aristoteles die
ccTtccTtj beim lächerlichen in betracht gezogen? wir sehen aber
gerade an den verblendeten, wie sich tragisch und komisch
berühren; ich behalte mir vor, an anderem orte auf diesen punct
zurückzukommen. B. denkt gar nicht an solche charactere, wie
denn überhaupt der schluss in überraschender weise dahineilt,
als anhang bringt das werk noch einen selbständigen Vortrag:
Kants Kritik der ästhetischen Urteilskraft in ihrem Verhältnis zur
Aristotelischen philosophie (701 — 723), auf den ich nicht weiter
eingehen kann.
B. tritt im ganzen werk als gesetzgeber auf, er kritisiert
die tatsachen, während er sich um die grundsätze bemüht, nach
denen er kritisieren kann.
Das Völlige gegenbikl bietet Scherers Poetik dar, welcher
es vor allem auf eine möglichst vollständige Sammlung und eine
möglichst einfache anordnung der tatsachen ankommt, deshalb
hat auch seine Poetik ein ganz anderes gesiebt, als alle bisher
verfassten, ausgangspuuct und ziel dieser nachgelassenen schrift
sind durchaus eigenartig, nur darf nicht vergessen werden, dass
wir es mit einem brouillon zu tun haben, welches erst unter
der band des berausgebers eine, freilich recht ungeschickte form
erlangt bat. der herausgeber RMMeyer sagt zwar (s. vi) , das
vorliegende buch bringe 'fast wörtlich' das colleg, wie Seh. es
w ürklich gehalten habe, das ist aber undenkbar, wer jemals eine
Vorlesung bei Seh. gehört hat, weifs, dass er nicht so trocken
sprach, jedesfalls waren die nachschriften , welche Meyer be-
nutzte, keine stenographischen; das lässt sich beweisen, s. 10
gedenkt Seh. eines phallischen tanzes bei den Australnegern und
kommt noch widerholt (vgl. s. 83. 91. 87) auf ihn zu sprechen;
es ist unglaublich, dass er sich mit der allgemeinen Verweisung
auf 'Friedrich Müller (Reise der fregatte Novara ethnographischer
teiP s. 7; Allgemeine ethnographie s. 213)' begnügt hätte, ohne
das citat im einzelnen zu geben, dessen kenutnis er bei seinem
publicum voraussetzt (vgl. s. 83. 87). hier muss entweder das
heft eine lücke aufweisen , die nachschriften aber unvollständig
sein, oder Meyer hat sich erlaubt, in usum Delphini die stelle
zu tilgen , obwol sie zum Verständnis unumgänglich notwendig
ist. sollte sich Seh. würklich mit einer so allgemeinen andeutung
' überdies ist das citat falsch, es muss heifsen: Anthropologischerteil
3 abteilung. ethnographie s. 7.
276 SCHERER POETIK
begnügt haben wie s. 108 oben? ich glaube, der abdruck des
Schererschen manuscriptes wäre das beste gewesen, dann wüsten
wir wenigstens, dass wir es durchaus mit seinen Worten zu tun
haben, und skizzenhaft bleibt auch jetzt das ganze buch.
Trotzdem muss man die herausgäbe dankbarst begrüfsen, denn
sorgfältig erwogen und vorsichtig gedeutet, wird dasselbe fördernd,
befruchtend und anregend würken; freilich wird man nie ver-
gessen dürfen, dass vielfach statt würkUcher erkenntnis nur
winke gegeben werden, auf welchem wege vielleicht erkenntnis
zu erzielen wäre, dass wir nicht so sehr resultate als fermente
bekommen, einfalle, Vermutungen, fingerzeige, durchaus un-
fertiges, neben excerpteni und angeeignetem, hierzu kommt
noch, dass sich Seh. viel freier bewegt, wo es sich um grup-
pierung historischen materials handelt, als wenn er genötigt ist,
philosophisch zu deducieren: da erscheint er merkwürdig un-
gewandt^, auf definitionen geht.« er gar nicht aus (s. xii), ja er
scheut sie sogar, darum nehmen die historischen partien einen
unverhältnismäfsig breiten räum ein, darum sucht Seh. überall
nach einer historischen anknüpfung; man kann sagen, sein
operieren ist ein gegenständliches.
Es ist unmöglich, auf einzelheiten einzugehen, ohne das
mafs einer anzeige weit zu überschreiten, es wird genügen, ein
bild des werkes zu geben und das neue zu characterisieren. das
ganze ist in fünf capitel gegliedert, von denen das erste (s. 1
bis 71) besser einleitung zu nennen wäre, da es vom ziel handelt;
es ist bezeichnend, dass Seh. nicht fragt: was ist poesie? sondern
was gehört in ihr gebiet? er antwortet: zuerst alles, was in ge-
bundener spräche abgefasst ist; bei der ungebundenen rede ist
die Sache zweifelhaft, man muss zb. die Wissenschaft ausschliefsen,
kann sich dagegen epos, drama und lyrik in prosa denken; ihm
ist also poetik 'vorzugsweise die lehre von der gebundenen rede,
aufserdem aber von einigen anwendungen der ungebundenen,
welche mit den anwendungen der gebundenen in naher Verwandt-
schaft stehen' (s. 32). Seh. nimmt also die bestimmung ganz
ausschliefslich von der form her, ohne den Inhalt im geringsten
zu berücksichtigen, was sehr einseitig ist. dann schränkt er für
jetzt (s. 68) die poetik noch weiter ein, indem er ihr die auf-
gäbe zuweist, die dichterische hervorbringung, die würkliche und
die mögliche, vollständig zu beschreiben in ihrem hergang, in
ihren ergebnissen, in ihren würkungen. Seh. bescheidet sich
bei einer topik, weil er in ihr die grundlage einer würklichen
poetik sieht (s. 69 f); er möchte seine poetik der früheren gegen-
überstellen, wie Grimm die historische, vergleichende grammatik
» so ist der abschnitt über die antike rhetorik jetzt ganz überflüssig,
weü ohne folgen.
2 so identificiert er, um nur eines anzuführen, s. 213 Idee einer dich-
tung und moralsalz!
SCHERER POETIK 277
der gesetzgebeudeu (vgl. s. 288). deshalb geht er von den idg.
Urformen der poesie aus. als solche erkennt er 1) chorlied,
2) Sprichwort und 3) märchen, darunter versteht er aber zugleich
novelle, überhaupt jede prosaische erzählung. vom chorlied, bei
welchem das wort mit gesang und tanz verbunden ist, trennt
sich dann einerseits die gesaugpoesie, andererseits die unge-
sungene poesie. aber diese idg. urpoesie muss schon eine ent-
wickelung durchgemacht haben; wie entsteht jede poesie? diese
frage beantwortet Seh. (s, 73 — 117), indem er Aristoteles an-
sieht von dem nachahmungstrieb und dem angeborenen sinne
für tacl und harmonie berichtigt; er geht von der Unterhaltung
und dem vergnügen aus, also von der röovi], deren ursprüng-
lichste äufserungen springen und jubeln sind, vielleicht auch das
lachen; dieselben können sich in der einsamkeit oder in gesell-
schaft äufsern. vermutungsweise werden noch die werbenden
töne des liebenden als keime individueller lyrik herbeigezogen,
nun tritt die spräche hinzu, benennt den freude erregenden
gegenständ und spricht die freude aus, dann vergleicht sie, es
kommt symbolische handlung hinzu, so weit ist die 'poesie' ge-
diehen bei jenen Australiern, von welchen s. 10 (oben s. 275) die
rede war. Müller erzählt: bei einigen stammen, wie zb. den Wat-
schandies, soll die begaltung in der warmen Jahreszeit mit einem
eigenen feste gefeiert werden , welches sie Kaa ro nennen, dieses
beginnt mit dem ersten neumonde, nachdem die yams reif ge-
worden sind und wird mit einem fress- und saufgelage von
Seiten der männer eröffnet, zu diesem zwecke reiben sich die
männer mit asche und wallabyfett ein und führen im mond-
lichte einen höchst obscönen tanz um eine grübe auf, welche
mit gebüsch umgeben ist. grübe und gebüsch repräsentieren den
cunnus, dem sie ähnlich gemacht werden ; die von den männern
geschwungenen speere stellen die mentulae vor. die männer
springen mit höchst wilden und leidenschaftlichen geberden,
welche ihre erregte woUust verraten , umher und stofsen unter
absingung eines liedes ihre Speere in die grübe, dieses lied, an-
gemessen dem obscönen feste, lautet:
Pulli nird, puUi nira,
Pulli nira, watakal
('non fossa, non fossa,
non fossa, sed cunnus!')
hier findet Seh. auch schon das symbolische, entdeckt aber auch
schon die täiigkeit eines erfindenden dichlers. also die poesie
entspringt aus dem ausdrucke des Vergnügens durch springen,
jubeln, lachen, ihr ursprünglichster gegenständ ist wahrschein-
lich erotisch, dazu rechnet Seh. ferner das rätsei, das Sprich-
wort, das mimisch possenhafte, das liebeswerben , die erzählung
ursprünglich wol auch erotisch, sehr breit (s. 94— 113) be-
schäftigt sich Seh. mit der frage, wie aus der erweckung von
278 SCHERER POETIK
unlustgeCiihlen lust eulstehe könueu, ohne dabei jedoch zur klar-
heit zu kommoD. meiner ansieht nach muste Seh. auch hier von
einem ursprünglich piiysischen reiz ausgehen und zwar vom
gruseln, das sich im lachen äufsern kann, wie im weinen, wir
brauchen dalür auch das wort: schauern (sogar alteration); noch
eine andere beobachtung können wir machen : haben wir eine
schmerzende stelle au unserem körper, so können wir uns nicht
oder nur mühsam enthalten, dieselbe zu berühren, obwol wir
wissen, dass unser schmerz dadurch gröfser wird; wir würden
es gewis unterlassen , wenn nicht ein vergnügen damit verbunden
wäre; ja es kann geschehen, dass uns das endliche aufhören
des Schmerzes keine lustempfindung , sondern das gefühl des
mangels erregt, wie lassen sich diese tatsachen erklären? hier
haben wir es doch gewis mit directen Unlustempfindungen zu
tun, während wir bei tragischen gegenständen vielleicht gar nicht
persönlich beteiligt sind, ich glaube, wir reichen mit einer ganz
einfachen erklärung aus: wir wollen uns unterhalten, wir wollen
uns zerstreuen, dh. wir verlangen nach abwechselung. 'nichts ist
schwerer zu ertragen als eine reihe von schönen tagen', für uns
ist auch der schmerz gegebenen falls eine abwechselung, eine Zer-
streuung, also eine Unterhaltung, der alte Germane konnte sich
ein jenseits ohne kämpf nicht denken; nur auf die anstrengung
schmeckt die ruhe; schmerz und lust sind contrastempflndungen,
nur der kennt die lust, der auch den schmerz kennt. Hebbel
schlägt in seinen Tagebüchern n 19 ein drastisches mittel, um
die langeweile zu zerstreuen, vor, das atemanhalten bis zum
zerspringen, das ritzen der haut mit nadeln , das schneiden mit
einem messer und sagt : 'jede gegenwart lässt sich ertragen , nur
nicht die Vergangenheit- und die zukunftlose', wir brauchen
nicht mit Schiller einen besonderen spieltrieb anzunehmen, aber
eingeboren ist uns das bedürfnis nach abwechselung, weil schon
unser körper einen stillstand nicht kennt, wir müssen unbedingt
als parallele zu der frage, wie wir freude am schmerz, also lust
an der unlust haben können , die andere stellen , wie wir unlust
an der lust haben können? merkwürdiger weise wurde zur er-
klärung der ersten tatsache noch niemals die zweite herbei-
gezogen; auch die freude wird uns auf die dauer unangenehm,
dh. sie erweckt unlustgefühle, dann sehnen wir uns nach dem
schmerzlichen, nur der abwechselung wegen, mir scheint diese
erklärung so einfach, dass ich mich wundere, sie noch nicht
benutzt zu sehen, i
Wir dürfen nun aber nicht mit Seh. (s. 113) sagen: die
poesie entspringt aus der heiterkeit, sondern aus dem l3edürfnis
nach abwechselung, Zerstreuung, Unterhaltung, sehr beachtens-
wert ist dann seine entwickelung von lebrgedicht, mythus, gebet,
* dazu kommt noch unsere freude, irgend einen verlauf zu beobachten:
wir können sie schon bei den kindern bemerken.
SCHERER POETIK 279
hyuine und zaiibeiiied aus der erkenntois von der macht der
poesie. dadurch wird er auf den 'wert der poesie' geführt
(s. 118 — 147), er vergisst aber eine funclion der poesie gänzHch,
und nicht gerade die schlechteste, er meint, die poesie diene
zum vergnügen und zur belelirung, diese im sinne der be-
friedigung der wissbegier und im sinne der einvvürkung auf den
willen der menschen und der gülter. die poesie lehrt aber auch
geuiefsen , und auch dieser punct blieb bis jetzt unbeachtet, der
dichter weckt das unbewust in uns schlummernde mitempfinduugs-
vermögen, wie die maierei uns sehen, die musik uns hören
lehrt, wider liegt es am nächsten , als vergleich die naturwisseu-
schaft herbeizuziehen: der mediciner lehrt uns im präparat eiuzel-
erscheinungen kennen, welche wir vielleicht nicht zu erkennen
vermöchten, wenn sie uns in der gesammterscheiuung entgegen-
träten; den Kochschen baccillus sehen wir im gefärbten prä-
parate, während wir ihn sonst übersähen, so lehrt uns nun
ilie poesie, das wichtige, genussreiche herausgreifen, das für
uns in der manigfaltigkeit der natur vielleicht nicht ersichtlich
wäre, ganz richtig, obwol mit unrichtigen consequeuzen, stellt
Fritz Reuter diese würkung der poesie in seiner skizze Hauhne-
fiken dar (Schurr - Murr. Werke 6, 24 f). er erzählt ein ge-
spräch: baron von X. berichtet von der jungen baronesse Tz.:
'sie hatte da gelesen — Sie wissen — in den Geheimnissen von
Paris — die scene, wo Se. durchlaucht der fürst — Sie wissen —
den engel von Schallerin in die meiere! bringt, und ich ver-
sichere Sie auf ehre, drei tropfen lagen noch auf der auf-
geschlagenen Seite'. . . . und der alte rittergutsbesitzer Sillup-
drüttel kann gar von Sophie Kukuk mitteilen : 'kam dor nilicli
hen nah'u ollen Kukuk, sitt dat arme worm dor, röhrt as en
roggenwulf, hadd dor 'ne geschieht lesen ut Paris von 'ue ganz
lege perfson, uu't hadd ehr verdeuwelt anlreckt'. nun fährt
Reuter fort: 'es ist wahr! ich habe gelegenheit gehabt, mich
selbst davon zu überzeugen; die junge baronesse Tz. hat bitter-
lich bei oben angedeuteter scene geweint und Sophie Kukuk hat
sie in rührung vielleicht noch übertrolfeu; aber wenn ich so
unglücklich gewesen wäre, die baronesse Tz. oder Sophie Kukuk
bei der band zu nehmen und sie in einen kathen ihrer respec-
tiven Väter zu führen, ihnen das ebenbild der beweinten Schal-
lerin zu zeigen, wozu leider so viel gelegenheit gegeben ist, und
von ihnen zu verlangen, sie sollten das beispiel Seiner durchlaucht,
des forsten Rudolf, befolgen, sich der gefallenen annehmen i,
so würde ich sonderbar von ihnen abgespeist worden sein,
wenigstens hätte ich gewis nie wider mit ihnen gespeist, fräulein
von Tz. hätte mir kurzweg gesagt, so etwas passe sich nicht für
sie, und Sophie Kukuk hätte mir etwas von 'Verhältnissen' vor-
* man denke, wie Leisewitz erfreut war, als seine braut Sophie Seyler
dies tat. Kutsciiera s. 31.
280 SCHERER POETIK
gesagt und mir als belege dieser 'Verhältnisse' die ganze ge-
schichte der Sünderin mit in den kauf gegeben, dh. wenn sie,
Sophie Kukuk, schon über die dreifsig hinaus gewesen wäre,
die Sünderin wäre Sünderin geblieben, und keine thräne wäre
um sie vergossen, die würklichkeit ist für solche zartgestimmte
Seelen zu rauh, sie greift zu herbe in die schwachen saiten ihres
herzens, als dass sie klingen sollten in sanften, versöhnenden
tönen', was dann Reuter voll bitterkeit weiter ausführt, ist ein-
seitig und ungerecht, gehört auch nicht hierher; die würkung
der poesie aber hat er richtig dargestellt, wir sehen, dass sie
keine moralische ist; die poesie dient auch hier zur belehrung
im sinne der genussfähigkeit.
Nachdem Seh. den Ursprung der poesie erforscht hat, springt
er ans entgegengesetzte ende, indem er die poesie als national-
öconomischen wert betrachtet und das Wechselverhältnis zwischen
production und consumtion, product und consum, producenten
und consumenten prüft, gewis wird auf die production der er-
folg von einfluss sein, freilich nur auf die raassenproduction;
aber man sieht sogleich, wie Seh, nur auf dem wege der ana-
logie die ältesten zustände zu erhellen sucht; was jetzt gilt, wird
mutatis mutandis immer gegolten haben. Seh. betrachtet also
das publicum, für welches der dichter sein werk berechnet, und
die kritik, die art der litterarischen Verbreitung in ihrem ein-
fluss auf das werk , endlich den unterschied von geschriebener
und nicht geschriebener litteratur. alles das nennt er tausch-
wert der poesie. unter den idealen werten oder gebrauchswerten
der poesie (ergetzlichkeit, belehrung, erbauung) schenkt er dem
Verhältnis zur Sittlichkeit eingehendere aufmerksamkeit, obwol
er das problem für unlösbar hält; er meint, der dichter würke
1) entweder direct oder 2) indirect sittlich veredelnd, oder er
würke 3) nicht sittlich veredelnd, dies reicht wider nicht aus.
denn wenn wir schon alle möglichkeiten aufzählen, müssen wir
weiter gehen und sagen: der dichter würkt 4) entweder direct
oder 5) indirect sittlich verderbend, denn wie wollten wir sonst
der schmutzlitteratur, welche direct auf die niedersten sinne spe-
culiert, einen platz anweisen, jenen 'galanten' abenteuern, die
wir unmöglich unter 3) subsumieren könnten, eine Nana will
zwar indirect veredelnd würken , sie würkt aber indirect ver-
derbend; man sieht, Sch.s schematisieren ist zu wenig durch-
geführt, er geht nun weiter, indem er die zwei factoren pro-
ducent und consument, dichter und publicum untersucht; auch
dabei verwendet er die begriffe der nationalöconomie, greift aber
nur einzelnes heraus, vor allem die art des producierens, spe-
ciell die arbeitsteilung. auch hier führt das schematisieren nicht
zum ziel. Seh. meint, die dichter, welche gemeinschaftlich
arbeiten, wissen entweder, oder sie wissen nicht von einander;
darnach müsten wir zb. scheiden zwischen der theaterbearbeitung
SCHEBER POETIK 281
eines anonymen und eines dramas, dessen verf. bekannt ist, was
docii nicht angeht. Ramlers tätigkeit als 'verbesserer' bleibt
gleich, ob er es mit einem bekannten oder unbekannten dichter
zu tun hat; ebenso redigiert Bürger die lieder für den musen-
almanach. man könnte nur sagen, einem bekannten dichter
gegenüber wird der bearbeiter befangener sein, als einem un-
bekannten, das würde jedoch einem anfänger gegenüber nicht
verfangen, ferner hat Seh. nicht beachtet, wie der bearbeiter
seine arbeit auffasst, ob er ein selbständiges werk hervorzubringen
glaubt oder nicht, trotzdem ist das wichtig: Laube schafft einen
angeblichen original -Essex, obwol er im wesentlichsten nur
bearbeiter des alten Banksischen ist. damit vergleiche man nun
die tätigkeit Schreyers, welcher nach Goethes plan und Scherers
reconstruction eine Nausikaa produciert, oder Halms bei seiner
Iphigeuie in Delphi; oder noch weiter gehend Hebbel, welcher
der Genoveva des maier Müller und Tiecks die seine gegen-
überstellt. Seh. lässt sich zu stark durch die rücksicht auf die
Nibelungentheorie leiten.
'Unterbrochenes' und 'anhaltendes arbeiten' wird nach seinen
vorteilen und schaden characterisiert; wenn Seh. s. 159 sagt:
'mir sind keine Schilderungen dieses zustandes (anhaltendes arbeiten)
von Seiten der dichter als Selbstbekenntnisse bekannt, obgleich
es dergleichen geben mag', so hat er Hebbels Tagebücher und
Kuhs Hebbelbiographie vergessen, wo sich derartiges findet;
ebenso wissen wir von Hebbel, in welcher erregung er produ-
ciertei (s. 160) und wie sich bei ihm die mehrzahl seiner dramen
jedes mal mit einer gesichtserscheinung ankündigte (zu s. 169).
Kuh hat in seiner biographie ii 655 f aufser der tatsache, deren
auch Seh. gedenkt, noch anderes zusammengestellt, wodurch
Sch.s wünsch (s. 169): 'hätten wir doch mehr solche Selbst-
bekenntnisse von dichtem 1 das, was etwa vorhanden, wäre sorg-
fältig zu sammeln' zum teil erfüllt wird. Hebbel kann im
Sommer gar nicht producieren, er beginnt im herbst zu dichten
und endet im frühjahr. für andere dichter — und dies scheint
mir wichtig — , zb. für Geibel, für Uhland ist die dämmerung
die zeit des dichtens, worauf ich in meinem buche Physiologie
der lyrik näher eingehe (vgl. s. 179).
Ganz neu ist das hereinziehen des publicums in die poetik.
deshalb ist aber dieser abschnitt (s. 185 — 203) skizzenhafter als
alle übrigen, über ganz flüchtige einfalle kommt Seh. nicht hinaus
und untersucht nicht scharf genug, wie nun das publicum ein
factor der dichtkunst wird, wesentlich drei momente führt er
an: dauer (dh. ausdehnung), abwechselung, einheit und folge,
also rein formales; nur gestreift wird das stoffliche, denn ihm
1 auch von Mickiewicz berichtet Odyniec sehr interessantes in dieser
hinsieht.
A. F. D. A. XV. 19
282 SCHERER POETIK
ist ein eigenes capitel (das dritte) gewidmet, hier fällt aber
bei Seh. die rilcksicht auf das publicum fast ganz weg, leider
begnügt er sich abermals mit einer höchst dürftigen andeutung,
mit dem wünsche, die tatsachen 'wären' zusammenzufassen, die
würkungen 'wären' zu durchmustern usw. hier gibt er also
keine poetik mehr, sondern eine Vorschule zu jeder künftigen
poetik, prolegomena, welche zum teil (vgl. s. 206 ff) nur etwas
veränderte aneignungen sind, auch nicht immer richtige: so
halte ich das ganze vierte capitel 'innere form' für verfehlt. Seh.
spricht von objectiver und subjectiver auffassung, jene teilt er
in naturalistische , typische (symbolische) und idealistische , diese
dagegen in humoristische, satirische, elegische und idyllische,
muss aber dann ein subjectiv idealistisches und ein objecliv idyl-
lisches anerkennen, wir könnten auch noch andere kreuzungen
angeben, es fiele nach Seh. also zusammen auffassung und dar-
stellung; in jener zeigt sich die Individualität des dichters, in
dieser ein factor der äufseren form: das drama muss objecliv
sein, wahre lyrik ist immer subjectiv, dh. jenes wird objective
darstellung, diese subjective auffassung haben, für die innere form
bieten Hebbels Tagebücher reichen aufschluss. innere form ist
für mich das herausarbeiten des notwendigen aus dem zufälligen
des erlebnisses , sie muss erreicht sein , sobald der künstler den
Stoff zu gestalten beginnt, mit welchem er bis dahin nur spielte,
wo sich individuelles und allgemeines schneiden, liegt die innere
form; sie beginnt dort, wo das traumhafte endet und das be-
wuste anhebt; sie ruht im dichter und lässt sich nicht erlernen.
Schiller hat für das herausarbeiten der inneren form den aus-
druck idealisieren gebraucht, der einzelne mensch ist ein Indi-
viduum, das aber mit anderen Individuen gewisse eigentümhch-
keiten der erscheinung teilt, in so ferne er einer bestimmten
race angehört: äufsere form; aber er teilt mit anderen auch
gewisse charactereigentümlichkeiten , in so fern er einer be-
stimmten nation augehört: innere form, fassen wir diesen
begriff so, dann begreifen wir, wie Uhland von der inneren
form des sonetts sprechen konnte (Anz. xiv 162 f); auch an
ühlands ausführungen über mittlere dichter ist zu erinnern
(ebenda 160 ff).
Noch gedrängter als die übrigen ist das letzte capitel
'äufsere form', eigentlich nur mehr ein schema, ohne dass
der gegenständ erschöpft würde, trotzdem sind darin winke
höchst beachtenswerter natur enthalten, einleuchtend ist die
Scheidung directer und indirecter darstellung, unbedeutend das
über fictionen, über willkürliche zeichen gesagte, bei der rede
unterscheidet Seh. einmal: monolog, vertrag und dialog; dabei
ist der ausdruck Vortrag nicht ganz glücklich, es wäre anspräche
(bes. der lyrik wegen) besser; meist aber lässt sich mit den be-
griffen: monolog und dialog ausreichen, wenn man nur den
SCHEREB POETIK 283
scheiadialog mit angedeuteter oder verschwiegener antwort (vgl.
Deutsche dichtung iii 208) dabei nicht vergisst. dann scheidet
Seh. die rede im eigenen nameu, in maske, in rolle, woran wir
schon gewöhnt sind durch seine LG und durch Waldbergs dar-
stellung der galanten lyrik, strenge genommen ist dies keine
'art der rede', sondern auftreten des dichters in der dichtung:
1) persönliches, 2) verhülltes, 3) verstecktes, ebenso wenig haben
wir es im dritten falle mit einer art der rede zu tun, ob der
redner allgemeine betrachtungen , also zeitlose, anstellt oder von
vergangenem, gegenwärtigem, zukünftigem spricht, wünscht, auf-
fordert, doch braucht Seh. diese bezeichnung zur möglichsten
Vereinfachung seines Schemas, am meisten wird der vierte ein-
teilungsgrund auffallen , weil sein unterschied vom zweiten nicht
sogleich einleuchtet: ob der dichter von sich oder von anderen
redet, oder fingiert, dass ein anderer von sich redet, trotzdem
ist der eiufall sehr richtig, mau braucht nur die probe zu machen
und ihn auf die zweite gruppe anzuwenden.
Aber Seh. hat meiner ansieht nach die möglichkeiten wider
nicht erschöpft, die rede kann 1) darstellend sein (dramatisch),
2} berichtend (episch) und 3) rechtfertigend (didactisch); es fragt
sich ferner, wie wird das vergangene eingeführt, was zb. bei
der lyrik so wichtig ist, 1) andeutend, wie unter bekannten ge-
meinsame erlebnisse, 2) parallelisierend, dem gegenwärtigen wird
das ähnliche vergangene beigesellt und 3) erzählend, zb. im
Situationseingang, doch ich müste die betreffenden partien meiner
Physiologie der lyrik ausschreiben; meine andeutungen genügen,
um mein urteil zu rechtfertigen, zugleich zeigt sich (vgl. auch
oben s. 267), dass ich eine andere meinung von der lyrik
habe, als Seh. s. 245 ff. er sagt geradezu, unzählige liebeslieder
seien nichts anderes als kleine erzählungen, von der lyrik aus-
zuscheiden und zur epik zu rechnen, diese gewis unrichtige
meinung hat ihren grund in der rein formalen anschauung Sch.s,
welcher auf den Inhalt keine rücksicht nimmt, er übersieht,
dass zwischen epischer einkleidung und epos ein ebenso grofser
unterschied besteht wie zwischen dramatischer einkleidung und
drama; auch dies wirft Seh. s. 250 f bunt durch einander und
schränkt die lyrik s. 252 auf das wunschlied und auf die ab-
spiegelung eines zustandes ein. dies ist vielleicht die schwächste
partie der Sch.schen theorie; wir müsten darnach unsere lyriker
fast sämmtlich epiker nennen, und wenn man genau zusieht,
verschwindet die lyrik eigentlich vollständig, aber Seh. hat in
so ferne recht, als es wol eine dramatische, eine epische, aber
keine lyrische form gibt, als unsere dreiteilung, wie oben ge-
zeigt, von verschiedenen einteilungsgründen ausgeht, hoffentlich
aber wird niemand dem Sch.schen wege folgen und würklich die
lyrik aus der poetik eliminieren.
Sehr wichtig und treffend sind wider die bemerkungen über
284 SCHERER POETIK
die coniposition, sie werden eingehend zu berücksichtigen sein, zu
dem von Goethe entlehnten schema der motive (s. 255) wird man
noch die zurückspringenden und die sich wandelnden herbeiziehen
müssen (vgl, Hebbel Tagebücher 1 172. 181); jene scheinen nur altes
zu bestätigen, also rückwärtsschreitende zu sein und bringen doch
etwas ganz neues, sind also vorwärtsschreitende; diese wandeln
sich und scheinen nach der tat (im drama zb.) andere als vor
derselben. ganz übersehen wurde von Seh. die lehre vom
decken, wie ich mit einem ausdrucke der musik sagen möchte,
sie ist im drama unentbehrlich und meines wissens noch gar nicht
behandelt, ich pflege sie in meinen Vorlesungen nachdrücklich
zu betonen, bei der im drama durchaus nötigen Vereinfachung
müssen tatsächlich lücken eintreten, welche jedoch der künstler
deckt, das einfachste beispiel ist der deus ex machina^ dann
die botenscenen der antike (der hauptmann im Wallen stein), hier
unterbricht eigentlich der epiker das werk des dramatikers. zum
teile der mouolog zb, im Teil, wobei der lyriker für den dra-
matiker eintritt; die schlachtscenen wie in der Jungfrau (vgl.
QF 22,29); das a parte, das sich nicht sehen auf der bUhne;
mitunter das auf und von der bühne bringen, anders im Teil
die apfelschussscene, in den Räubern das lesen des briefes durch
Karl; vgl. auch den Prinzen von Homburg, im zweiten teil des
Faust das scheinbare erfüllen der wette, alles dies sind mittel,
um epische darlegung zu vermeiden und unvermittelte Sprünge
zu verschleiern oder technisch unmögliches möglich zu macheu.
doch ist das decken selbstverständlich nicht auf das drama be-
schränkt, in der lyrik ist es unumgängHch nötig, um die streng
logische Verbindung nicht durch conjunctionen ausdrücken zu
müssen, um prosaische Übergänge hintanzuhalten usw.
Seh. schliefst mit spräche und metrik, besser gesagt, er
bricht ab, nicht weil sein gegenständ erschöpft, sondern weil
das Semester zu ende ist. wir haben eigentlich nur den allge-
meinen teil der poetik vor uns, es müste nun der besondere
die detailbeobachtungen an den einzelnen dichtungsarten bringen,
leider vermochte Seh, diesen teil nicht mehr auszuführen, am
besten lässt sich der character seines Werkes als programm einer
wissenschaftlichen poetik bezeichnen, dass Seh. weiter gehen
wollte, beweist das werk selbst, beweisen überdies die paralipomena,
welche Meyer im anhange zusammengestellt hat; vielleicht wäre
die angäbe von Seh. s aufsätzen bes. in diesem Anzeiger, welche
sich mit dem thema der poetik berühren , nicht ohne Wichtigkeit
gewesen, einiges steht s. 283, fraglich ist, ob nicht auch das
blatt von Sch.s band (Deutsche dichtung i 125) herbeizuziehen
war. gerade diese skizzen, so weit sie ausgeführter sind, etwa
die über das epos, geben eine ahnung, was Sch.s werk geworden
* sehr gut ist die begründung desselben im Philaktet durch Baum-
gart Handbuch s. 510.
SCHERER POETIK 285
Wäre, wenn er es hätte zu ende führen können, leider bleibt
es bei diesem: wäre.
Lemberg, am 26 juli 1888. R. M. Werner.
Psychologische Studien zur Sprachgeschichte. von dr Kurt BRUcrouNN.
Leipzig, WFriedrich, 18S8 (Einzeibeiträge zur allgemeinen und ver-
gleichenden Sprachwissenschaft. 3 heft). x und 35S ss. 8°. — 9 m.
Es ist nicht leicht, über dieses buch ein bündiges urteil zu
tällen. es ist anregend vom anfang bis zum ende, aber die frage,
ob der verf. zu bestimmten , wolbegründeten ergebnissen gelangt
sei, dürfte sich schwerlich befriedigend beantworten lassen, schuld
daran trägt hauptsächlich die darstellung. es wird zb. eine sprach-
liche frage berührt: mitten in ihrer erörterung tritt eine ver-
gleichbare erscheinung aus anderem Wissensgebiet in den ge-
sichtskreis und wird festgehalten, ein 'also' oder 'folglich' soll
uns weiter führen, ohne dass wir über den Zusammenhang jener
beiden gedankenkreise ins klare gekommen wären, so bleibt
auch das folgende ohne rechte anknüpfung ans vorhergehende,
dabei kommen themen aus der psychologie, der metaphysik, ge-
schichtsphilosophie, den naturwissenschaften in reichem aber sehr
buntem Wechsel zur spräche: der verf. arbeitet mit der methode
der 'gegenseitigen erhellung', aber die gesichtspuncte, unter denen
er die dinge betrachtet, werden keineswegs klar, er liefert geist-
reiche Skizzen, aber ihr Zusammenhang ist schwer erfindlich,
wer also darüber bericht erstatten soll , dem wird es leichter von
den absiebten des buches zu reden, als von seinen ergebnissen.
auch in die composition des ganzen ist dieselbe willkür und
sprunghaftigkeit übertragen: ein erster teil will den stoff sammeln,
der zweite den gesammelten stoff bearbeiten: aber dort werden
die beispiele von schritt zu schritt von allgemeinen betrachtungen
durchkreuzt und hier wider werden neue Stoffsammlungen ein-
geschoben, auch die beispielgruppen des ersten teils — wo sie
in geschlosseneren massen auftreten — zeigen keine scharfe son-
derung, diese Unübersichtlichkeit, diese hemmende sprunghaftig-
keit der darstellung schädigt sehr den eindruck des in vielen hin-
sichten bemerkenswerten buches.
Characteristisch ist, dass der eigentümlichste gedanke der
Untersuchung — die anknüpfung gewisser erscheinungen des
Sprachlebens an die Fechnersche psychophysik — erst in den
letzten abschnitten halbwegs greifbare gestalt gewinnt, obwol
die dort dargelegte auffassung eine grundsätzliche ist, wird sie
doch nur, in der vom verf. auch sonst beliebten weise, gewisser
mafsen als ein parergon eingeschoben und aphoristisch behandelt.
286 BRUCHMANN STUDIEN ZUR SPRACHGESCHICHTE
dabei gelingt einzelnes ganz wol: so die erklärung, warum die
Verbindung disparaler Vorstellungen (zb. schwert — dürsten: 'blut
dürstete das breite schwert') stärkeren gefühlseindruck (reiz) her-
vorbringt, andere einzelheiten bleiben unklar, aber selbst wenn
alles einzelne überzeugend wäre, so würde der mangel einer
grundlegenden Untersuchung noch immer schwer vermisst werden.
Die sprachlichen tatsachen , die das buch in betracht zieht,
fallen fast durchaus ins gebiet der bed eutungsentwickelung.
die form wird nur gelegentlich gestreift, den kern der beispiele
bilden solche, in denen der Übergang aus eigentlicher bedeutung
in übertragene, aus sinnlicher Vorstellung in rein formelhafte
Verwendung ersichtlich wird, der verf. verfolgt doppelten zweck:
er untersucht die Überlieferung solcher ausdrücke, ihre geschichte ;
er zieht daraus sprach -psychologische Schlüsse, daraus ergab
sich ihm auch die haupteiuteilung seiner arbeit, freilich ist sie
— wie oben angedeutet — nicht streng festgehalten.
Das beispielmaterial ist reichlich bemessen: von den asiati-
schen sprachquelleu sind die Bibel und die Veden, von den euro-
päischen vorwiegend deutsche, lateinische und griechische denk-
mäler herangezogen, ich könnte nur schwer mich entschliefsen,
dem gegenüber rein theoretisch das bedenken willkürlicher und
unzureichender auswahl geltend zu machen: denn wir müssen
vor der band zufrieden sein, einen verhältnismäfsig so weiten
kreis sprachlicher Überlieferung durchmessen zu sehen, ent-
schieden bedauerlich aber ist, dass der verf. die nordischen
kenningar ganz bei seite liefs: für die im miltelpuncte seiner
Untersuchung stehenden fragen der bedeutungsentwickelung sind
sie eine der wichtigsten erscheinungen.
Der schwerpunct der geschichtlichen bestandteile seiner arbeit
liegt darin, dass er eine reihe bildlicher oder formelhafter aus-
drücke auf ihre älteren Vorbilder zurückführt, die Bibel und die
mythologie lieferte hier den reichsten stoff. in der kritik dieser
Überlieferung kam es vor allem darauf an, den ursprünglichen
sinn einer heute in übertragener bedeutung oder formelhafter
Verwendung gebrauchten redensart zu ermitteln, das entgieng
dem verf. nicht und er verwendet gerade auf diesen teil seiner
aufgäbe viel Scharfsinn und Sorgfalt, mir bleiben freilich viel-
fache philologische bedenken: in die erörterung der bedeutung
von Wörtern wie zb. lux (s. 106} in der christlichen litteratur
kann wol nur eine eigentlich theologische Untersuchung Sicher-
heit bringen (das rituelle hix perpetna luceat eis habe ich unter
den beispielen vermisst). anderswo war das hereinziehen for-
maler sprachlicher gesichtspuncte unvermeidlich: um die Ver-
wendung des Wortes teufel in redensarten wie ich habe das. —
den teufel hast du! (= du hast es nicht!) zu erklären, genügt
es nicht auf dem wege blofser bedeutuugsanalogien eine verblas-
sung der ursprünglichen Vorstellung bis zu rein negativer be-
BRL'CHMAXN STUDIEN ZUR SPRACHGESCHICHTE 287
deulung zu constalieren. niederöslerreichisch hört man in gleicher
Verwendung: an schmarn hast ; dieses wort wird aber auch, ohne
artikel, als derbes 'nein' gebraucht, insbesondere in Verbindung
mit dem ironischen ja (Ja schmarn! = nein l). der Berliner
scheint dafür /a knchen! zu verwenden (Wildenbruch, Quitzows
I 5 : ... wid die Schlösser, sind sie eingelöst? ja knchen). gesichts-
puncte der syntax würken also jedesfalls ein: wie mh(\. er het ez
für ein strö der litotische ausdruck zwar in übertragener bedeutung
aber syntactisch völlig normal in den satz gefügt gebraucht wird,
so auch in an schmarn hast, daraus muss sich die elliptische
Verwendung als antwort (= nein) entwickelt haben: zuerst, der
normalen syntactischen construction gemäfs, mit dem artikel (ja,
an schmarn), dann ohne denselben, so ergibt sich von selbst
die analogie zur rein negativen Verwendung des Wortes teufel in
jenen redensarten.
Für die erkeuntnis der tropen, insbesondere der metapher,
ist die beispielsammlung sehr wichtig, sie lehrt zb. aufs deut-
lichste, dass die schulauffassung der Synekdoche (teil für das
ganze, oder umgekehrt) nichts als eine späte rationalisierung des
rein metaphorischen gehaltes der betreffenden trope ist; die
Synekdoche ist eine metapher schlechthin : man vgl. lass die
inseln vor mir schiceigen, insbesondere höre, land, und alles
was darinnen ist. —
B. sieht das wesentliche merkmal, das der spätere Sprach-
gebrauch einer grofsen anzahl von ausdrücken, deren sinnliche
bedeutung verblasste, aufgedrückt hat, in ihrem blofsen gefühls-
wert (einem steigernden oder deteriorierenden). das ist ein-
leuchtend, wenn zb. der ausdruck mit mann und maus — dem
in einem satze wie das schiff ist mit m. u. m. untergegangen
ursprünglich eine gute eigentliche bedeutung inne gewohnt haben
muss — heute etwa in einer Verbindung gebraucht wird wie er
ist mit mann und maus verunglückt (ohne dass das subject er zu
schifle gewesen sein muss). ich finde dasselbe Verhältnis aber
nicht in der redensart: er ist ein abgefeimter schurke: abgefeimt
hat liier gewis eine bestimmte begriffliche bedeutung, nicht eine
blofs steigernde; allerdings ist es nicht die ursprüngliche, sinn-
liche, es fragt sich, worin ein kennzeichen gefunden werden
könne, um zu entscheiden, ob die ursprüngliche begriffliche
(sinnliche) bedeutung eines wortes noch nachwürke: für eine
reihe von Wörtern möchte ich es darin sehen, dass die spräche
noch fähig ist, neue metaphern an seinen begriff anzuschliefsen.
an den begriff tod zb. knüpften sich von je her viele bildliche
Vorstellungen: in mhd. zeit kann hierin noch nicht erstarrung
eingetreten sein, weil die spräche manigfache neue bilder an die
Vorstellung des todes noch reiht (des tödes hervart GA in 81, 14;
dem töde maneger winket, der dne dursten trinket Freid. 177, 17,
vgl, dazu zu iNib. 486; der tot in nf dem rücke Vit Warn. 180;
288 BRUCHMANN STUDIEN ZUR SPRACHGESCHICHTE
der tot vergie im daz tor und wist in einen andern wec Oltok.
5259 ; der tödes fürt snochen nnde riten Ottok. 58608 ; des
tödes zeichen ölters; usw.).
Wenn der verf. eine fortsetzung seiner Untersuchungen in
der eingeschlagenen richtung von dem urteil abhängig macht,
mit dem die leser das bisher ihnen vorgelegte aulnehmen würden,
so sei er freundlichst zur ausführung seiner absieht eingeladen,
doch mit dem wünsche, die darstellung systematisch zu gestalten
und dadurch vieles von dem, was er diesmal skizzenhaft vor-
trug, erst recht zu begründen und würksam zu machen.
Wien. J. Seemüller.
Zur lautlehre der griechischen , lateinischen und romanischen lehnworte im
altenglischen von Alois Pogatscher. QF lxiv. Strafsburg, Trübner,
1888. XIV und 220 ss. 8". — 5 m.
Aus einer Untersuchung über lehnworte wird stets auf beide
sprachen , die gebende sowol wie die empfangende , neues licht
fallen, indem wir den romanisten zur entscheidung überlassen,
was ihnen P.s buch sicheres oder neues für die erforschung des
gallischen Vulgärlateins gebracht hat, beschränken wir uns hier
auf die ergebnisse, die für die grammatik des allenglischen
(= angelsächsischen) , in einzelneu fällen auch für die der con-
tinentalgermanischen dialecle, gewonnen worden sind.
Der verf. beabsichtigt, wie es im vorwort heifst, 'nebst der
feststellung des anteiles des griechischen, lateinischen und roma-
nischen am Wortschatz des altenglischen einiges zur aufhellung
des ältesten sprachzustandes des altenglischen und des gallischen
Volkslateins zu bieten.' als die wichtigsten zeugen für die be-
ziehungen zwischen Angelsachsen und Romanen und deren sprach-
liche zustände gellen natürlich volkstümliche lehnworte; doch
sind auch die gelehrten einerseits zur markierung des gegen-
satzes, andererseits zur illuslrierung der ausspräche des lateini-
schen bei den Angelsachsen in den kreis der Untersuchung ge-
zogen worden, hier kommen besonders die lat. namen in Alfreds
Orosiusübersetzung in belracht. — aufserdem war der verf. be-
müht, für eine anzahl vorlitlerarischer laulveränderungen im ae.
und rom. eine absolute (neben der bisherigen relativen) Zeit-
bestimmung zu gewinnen.
Der Untersuchung ist eine einleitung vorausgeschickt, welche
die allgemeinen gesichlspuncte erörtert, wichtig ist darin be-
sonders die Scheidung der lat. lehnworte in solche, die noch auf
dem festlande vor der mitte des 5jhs. , und in solche, die erst
nach der Übersiedelung auf brittischen boden ins englische ein-
drangen, erstere sind den westgermanischen dialecten gemeinsam
POGATSCHER ZUR LAUTLEHRE DER LEH.WVORTE IM AE. 289
und zeigen im ahcl. die lautverschiebuug, letztere gehören dem
ae. allein an und sind entweder vor der bekehrung der Angel-
sachsen zum Christentum (600) aus dem von der romanisierten
Stadtbevölkerung gesprochenen Vulgärlatein (Iceden) entlehnt, oder
nach jenem zeitpunct dem kirchen- und schril't-latein (böc-lceden)
entnommen, die lautliche Umformung dieser Wörter ist natür-
lich eine den Zeiten entsprechend verschiedene, und so ge-
währen jene daten anhaltspuncte für die Chronologie mehrerer
lautgesetze.
Die eigentliche- Untersuchung ist in drei teile gegliedert:
1) accent und qualität, 2) vocalismus und 3) consonantismus. die
ergebnisse des ersten abschnittes sind auf s. 52 folgender mafsen
zusammengefasst: '1) in volkstümlichen sowol wie gelehrten lehn-
vvorten ist die das wort anlautende silbe trägerin des germ.
accentes, der an stärke alle anderen etwa vorhandenen neben-
accente überragt. 2) ein aufserhalb dieser silbe ursprünglich
vorhandener lat. -rom. accent geht in volkstümlichen lehnworten
verloren, während er in gelehrten, mehr als zweisillfigen ent-
lehnungen als nebenton erhalten bleibt, nur nach langer haupt-
tonsilbe kann unter gewissen bedingungen der lat. -rom, accent
als nebenaccent auch in volkstümlichen lehnworten fortdauern,
3) in lehnworten gelehrten Ursprungs kommt sowol den vom
germ, wie auch den vom lat, accent, wenn dieser als neben-
accent erhalten bleibt, getroffenen silben unabhängig von der
ursprünglichen classisch-lat, quantilät länge zu , während in volks-
tümlichen entlehnungen die ae. tonsilbe die vocalquantität der
unmittelbaren rom. Vorstufe unverändert bewahrt.' diese vocal-
dehnung in offener betonter silbe entspringt natürlich romani-
schen lautgesetzen, die bei der entlehnung der ersten schiebt
von lehnwörtern noch nicht würksam waren.
Aus dem 2 cap,, wo trotz der scharfsinnigen Untersuchung
begreiflicher weise noch manches dunkel bleibt, hebe ich die
wichtige Chronologie des «-umlauts auf s, 134 hervor: 'etwa
gegen 600 wird der e'-umlaut eben erst vorbereitet, um 650
dürfte er in voller würkung sein und vielleicht bereits gewisse
endstadien erreicht haben , um 700 ist seine kraft erloschen,'
die bekannte Lefflersche ansieht über den wandel von urgerm.
0 > ?i vor i, j glaubt P. durch den Übergang von rom. o in u, y
in Wörtern wie mydd = modnis usw. stützen zu können ; worte
wie (xle, eh 'öl' aus rom. oli sind zu einer zeit aufgenommen, wo
dies gesetz bereits zu würken aufgehört hatte, die zeit des «-Um-
lauts dagegen noch nicht vorüber war. parallel damit geht der
westgermanische i-umlaut von urgerm. idg. e im 2 — 3 jh., in
dessen auffassung P, den ansichten von Brugmann und Borries
beipflichtet (s, 78).
Diesem teile folgt im anschluss an die behandlung der un-
betonten vocale die einreihung der lehnworte in die engl, flexion
290 POGATSCHER ZLR LAUTLEHRE DER LEHNWORTE LM AE.
und die bewabrung oder veränderuug des urspr. grammaliscben
gescblecbts der substantiva.
Aus dem 3 abscbnilt, der dem consonantismus gewidmet ist,
möcbte icb besonders die aufstelluugen über die palatalisierung von
c und g hervorbeben, seine ansieht über erstere fasst P. s. 193
in folgende Sätze zusammen: '. . . . 2) die ersten Stadien der ae.
palataHsierung fallen wahrscheinlich noch in die zeit der anglo-
fries. Spracheinheit; gegen die mitte des 7 jhs. ist die fähigkeit
der palatalisierung erstorben 3) ein vergleich der gallorom.
und ae. assibilierung zeigt, dass die erstere ihre letzten ent-
wickelungsstadien rasch durchlaufen und so die ae. assibilierung
wahrscheinlich überholt hat: bis gegen 500 kann gallorom. c durch
ae. c vertreten werden: ; um 600 ist gallorom. ci= ae.
tsj, dh. das ae. c hat mit gallorom. c nicht schritt gehalten.'
Gegen die annähme einer gemeinschaftlichen anglo-friesischen
palatalisierung erhebt sich jedoch die schwerwiegende, vom verf.
unberücksichtigt gelassene tatsache, dass diese erscheinung im
Dordenglischen nicht statt hat! sie ist demnach als einzelsprachlich
anzusehen, wie sie ja zb. auch im neuschwedischen unabhängig
entstanden ist. •
Es folgt noch ein anbang: stoffliche mischung (volksetymo-
ogie) und ein dankenswerter ausführlicher index, der nicht blofs
die im buche besprochenen germanischen Wörter, sondern auch
die wichtigeren lat, Substrate verzeichnet.
Wir dürfen P.s buch als eine tüchtige, mit guter methode,
sicherer beherschung und vollständiger ausnutzung der ein-
schlägigen litteratur verfasste arbeil bezeichnen , die als feste
basis für alle weitere forschung auf diesem gebiete dienen kann,
manches wird freilich noch die vereinigte bemühung von ger-
manisten und romanisten sicherer und klarer zu stellen haben,
aber gewis werden jetzt schon alle fachgenossen das werk als
eine äufserst wertvolle bereicheruug unserer Wissenschaft mit
herzlichem dank für das gebotene hinnehmen.
Zum schluss lasse ich einige kleine bemerkuugen und er-
gänzungen folgen : ein wichtiges neues beispiel für die in §§ 147 ff,
175 ff, 251, 279 und auf s. 130 anm. behandelten Verhältnisse
ist coren (in coren-bege, Anglia xi 172 f) = hl. Corona. — zu
§148: dem ae. copor = * coprnm <C cuprum entspricht mnd.
hoper , nnd. westfäl. koapa (vgl. meine Soester mundart § 63). —
in § 217 s. 131 schreibt F.: 'ne. plüm kann nur durch loslösung
aus plumtreow, nicht aus ae. plnnie oder pl^me erklärt werden',
aber in ne. thumb, crumh und scum haben wir doch ganz dieselbe
lautgesetzliche Verkürzung von n vor einfachem ml — zu § 237:
der abfall des n in celmesse 'almosen' erklärt sich wol einfach
als volksetymologische anlehnung des wortes au mcesse, messe
'messe'. — in § 142 werden die Schwierigkeiten mit recht her-
vorgehoben , die sieb der ableitung von ae. preost aus lat. presbyter
POGATSCHER ZUR LAUTLEHRE DER LEHNWORTE IM AE. 291
entgegenstellen, statt die aufstelluugen P.s, die mir nicht ein-
leuchten, zu kritisieren, möchte ich selbst einen neuen erklärungs-
versuch wagen : presbyter ergab durch syncope *presb'ter, woraus
*presp'ter, *prester hervorgehen musten; letztere form wurde
dann nach dem vorbild von magister und minister volksetymo-
logisch durch anlehnung an prins zu priuster umgebildet, dem
ae. *preoster entsprach, in den casus obliqui sg. : *preostres,
*preostre sowie im ganzen plur. wurde nun durch dissimilierung
das zweite r ausgestofsen : preostes usw., und dazu ein neuer
nom. acc. voc. sg. preost geschaffen, ein sicheres beispiel für
ausstofsung eines r bei vorhergehender liquida — hier allerdings
l — ist lempedu = lampreda, § 298 s. 167 oben.
Göttingen, märz 1889. F. Holthausen.
Jan z Michalovic. nemeckä bäsei'i tiinacteho veku. vydal, üvodem a
poznämkanii opatiil drARnosx Kraus. vPraze 1S88 (Johann von Michels-
berg, ein deutsches gedieht des xiujhs. herausgegeben und mit
einleitung und anmerkungen versehen von dr Ernst Kraus. Prag
1888). 136 SS. 8°.
Von dem kleinen gedichte Heinrichs von Freiberg über die
ritterfahrt Johanns von Michelsberg nach Paris sind nur 320 verse
erhalten, diese sind mit umfangreichen zugaben in dem vor-
liegenden buche herausgegeben, die einleitung bespricht zunächst
die Überlieferung des gedichtes, dann spräche und stil desselben
und handelt hierauf vom dichter selbst, ein zweiter abschnitt
erörtert die historische grundlage des gedichtes, die ritteriahrt
des böhmischen ritters nach Paris, dann das leben dieses ritters
und die geschichte des turniers in Böhmen, der dritte abschnitt
gibt eine übersieht über die geschichte der deutschen litteratur
in Böhmen im 13 und 14 jh.; ein vierter will den einfluss des
deutschen auf die tschechische sage und litteratur, ein fünfter
umgekehrt den des tschechischen auf deutsche sage und litteratur
nachweisen ; ein sechster endlich gibt eine gedrängte Zusammen-
stellung des wichtigsten aus der altdeutschen metrik, so viel
davon zum lesen des gedichtes zu wissen nötig ist. auf diese
einleitung folgt der text des gedichtes mit ausführlichen sach-
lichen anmerkungen und angäbe der abweichungen von der hs.
den schluss bildet ein anhang, der eine reihe von lyrischen
gedichten, die in Böhmen entstanden sind, eine stelle aus der
Kreuzfahrt Ludwigs des frommen und ein stück aus Suchen-
wirt enthält.
Aus dieser inhaltsübersicht ergibt sich schon , wie viele und
wichtige dinge K. in dem vorliegenden buche erörtert, und da
es in einer spräche geschrieben ist, die nicht allen, die sich
292 KRAUS JOHA>IS VON MICHELSBERG
lür diese fragen iuteressiereu, verständlich ist, so lohnt es sich
wol der mühe, wenigstens einige abschnitte des buches etwas ge-
nauer zu beleuchten, es sei im voraus bemerkt, dass dieses buches
wegen niemand tschechisch zu lernen braucht, denn alles irgendwie
bedeutende desselben ist schon in deutscher spräche gedruckt.
Was zunächst die behandlung des textes betrifft, so halte
ich diese für ganz unrichtig. K. hat Germ, xxx 1 ff von einer
Vermutung WGrimms ausgehend nachzuweisen versucht, dass
Heinrich von Freiberg, der dichter der Ritterfahrt, ein anderer
sei als Heinrich von Freiberg, der dichter des Hl. kreuzes und
der fortsetzung des Tristan, dieses resultat schien mir durch
jenen aufsatz nicht bewiesen und ich glaube auch jetzt nicht
daran, diese Sgedichte sollen von 2 geschwisterkindern herrühren,
die beide Heinrich hiefsen, beide sich von Freiberg nannten, beide
gleichzeitig in Böhmen lebten, in so ähnlicher weise dichteten
und sich in den gedichten nannten, ohne auf einander bezug
zu nehmen, das ist so unwahrscheinhch, dass mir stärkere be-
weise gebracht werden müsten als ein oder zwei reime und einige
Verschiedenheiten im stil, die doch wider nicht durchgreifend
sind, ich glaube immer noch, dass alle drei gedichte sammt dem
Schrätel von einem dichter herrühren, der dichter der fort-
setzung des Tristan steht doch unter dem banne Gottfrieds, dem
er in jeder weise nacheifert, und da hat jetzt endlich auch hr K.
selbst eingestanden, dass er früher nicht genug berücksichtigt
habe, dass der verf. der Ritterfahrt Gottfried nicht kannte, da
gerade Tristan unter den aufgezählten rittern fehlt, als ergänzung
dieser beobachtung muss hinzugefügt werden , dass er am meisten
Wolfram bewundert (s. v, 5 und besonders 168). eine analogie
zu diesem Übergang von Wolfram zu Gottfried zeigt die ent-
wickelung Wielands, der ja als nachahmer Rlopstocks begann,
nur dass bei Heinrich die bekehrung nicht so gründlich war als
bei diesem, denn auch in seinem Tristan zeigen sich noch an-
klänge an Wolfram, wie schon Bechstein gezeigt hat (s. xiv seiner
ausgäbe), man wird mir also nicht vorhalten können , dass diese
Verschiedenheit der erwählten muster um so mehr zur annähme
zweier dichter nötige, sondern wird zugeben müssen, dass diese
tatsache sofort eine ganze reihe von Verschiedenheiten im aus-
druck erklärt, die Untersuchung mUste zeigen , ob die ab-
weichungen des Tristan von der Ritterfahrt sich durch die nach-
ahmung Gottfrieds, resp. Wolframs erklären lassen; die verschie-
denen arbeiten über die eigentümlichkeiten dieser dichter müsten
herangezogen werden. — K. behandelt aber seine 320 verse
souverain und nimmt als alleinigen ausgangspunct für seine dar-
stellung des Stils derselben die Poetik Scherers, er meint auch,
eine bestimmte antwort auf die frage, ob das gedieht von dem-
selben dichter herrühre wie die fortsetzung des Tristan, sei
nicht nötig, versichert, seine hypothese von zwei Heinrichen sei
KRAUS JOHA» V0> MICHELSBERG 293
zwar nicht aufgegeben , aber weniger zuversichtlich ausgesprochen
(s. 16), und schreibt dann das gedieht in das gewöhuhche md.
um, wobei er nur die «e, die ohnehin wie t gesprochen würden,
behält, denn wenn auch derselbe dichter die Ritterfahrt wie
den Tristan geschrieben hätte, so dürfte mau nach diesem jene
nicht corrigieren , da er hier doch seinen stil geändert hätte;
ebenso wenig als man nach der Iphigenie oder dem zweiten
teil vom Faust fehler im Götz verbessern dürfte, der vergleich
hinkt aber, wäre uns der Götz zufällig nur in einer fremden,
etwa plattdeutschen aufzeichnung erhalten, so wären wir ganz
berechtigt, mit aller vorsieht nach den übrigen werken Goethes
auch hier das hochdeutsch herzustellen; und so liegen die Ver-
hältnisse bei der Ritterfahrt, die uns nur in einer bayrischen Um-
schrift erhalten ist. da dürfen bei einer textherstellung die übrigen
werke des dichters nicht unberücksichtigt bleiben und herr K.
hätte Rechsteins ausgäbe des Tristan nicht so bei seile liegen
lassen sollen.
Der Versicherung s. 9, dass der herausgeber möglichst wenig
von der hs. abweichen wolle, entspricht der text auch nicht.
V. 7 lautet in der hs. was Parcival Gawin Ywan, im text steht
waz Parzival Iwein Gdwdn(:1idn). warum sind die zwei namen
umgestellt? sollen die tüchtigsten beiden aufgezählt werden, dann
steht doch Gawan näher bei Parzival als Iwein ! warum ist aus
Yioan ein Iwein geworden? ein aufschlagen des Mhd. wb.s (i 758)
hätte gezeigt, dass Wolfram mehrfach auch die form Iwdn ge-
braucht, warum ist aus dem Ecke v. 9 ein Erec geworden? der
Albrant v. 13 beweist doch gleich, dass der dichter auch die
beiden der heimischen sage kennt, die form Tschionatulander
begegnet ähnlich auch in den hss. Gg des Parzival , kann also
recht gut auch von Heinrich so geschrieben worden sein; noch
häufiger begegnet Gamuret usw.
Wann die ritterfahrt nach Paris ausgeführt wurde , lässt sich
nur ungefähr bestimmen, sicher ist, dass Johann von Michels-
berg 1306 bereits tot war und dass das gedieht Heinrichs noch
zu lebzeiten Johanns abgefasst ist. das letztere ergibt sich mit
bestimmtheit aus dem schluss des gedichtes. die ritterfahrt wird
in der tschechischen chronik Daiimils erwähnt und darnach ist
meine frühere Vermutung, dieselbe könnte in das jähr 1303 fallen,
nichtig, ich habe auf die stelle im Dalimil, die in der gereimten
deutschen Übersetzung fehlt, schon Anz. v 354 hingewiesen. K.
bemerkt richtig, wie grofses aufsehen das unternehmen des
Michelsbergers gemacht haben muss, wenn selbst ein solcher
feind der turniere, wie dieser chronist, es erwähnt, nach der
stelle der chronik kann die ritterfahrt schon 1293 stattgefunden
haben; sicher fand sie nicht 1294 statt, da Johann im sommer
dieses Jahres in Röhmen war; aber möglich wäre wider 1295
oder 96, und auch gegen 1297, bei welchem jähr die prosaische
294 KRAUS JOHANN VON MICHELSBERG
deutsche Übersetzung des Dalimil die fahrt erwähnt, wird sich
nicht viel einwenden lassen, genauer lässt sich die zeit nicht
bestimmen, die ausmalung der ritterfahrt nach analogie der
fahrten Uhichs von Lichtenstein ist ebenso vage dichtung, wie
die Vermutung über die dame, in deren dienst etwa die fahrt
unternommen sein könnte.
Da der dichter von einem böhmischen adeligen begünstigt
erscheint, so führt K. (im 3 abschnitt) des weiteren aus, welche
anderen deutschen dichter in alter zeit im lande lebten und welche
herren als förderer ihrer kunst erscheinen, es ist hier recht
sorgfältig die einschlägige litteratur verwertet und fleifsig zu-
sammengetragen, was zum teil weit zerstreut ist. neues freilich
erfährt man gar nichts, meinen aufsatz in den Mitteilungen des
ver. für gesch, der Deutschen in Böhmen 26, 26 ff hat K. über-
sehen und hat aus der Kreuzfahrt selbst nicht herausgefunden,
dass auch Ulrich von Neuhaus unter den gönnern der deutschen
dichtkunst genannt werden muss. auch Schmalfufs, [Die Deut-
schen in Böhmen s. 220 hat er nicht nachgeschlagen. Wenzel n
ist als dichter der 3 heder anerkannt, aber Raimund von Lichten-
burg soll nicht als deutscher ritter, ebenso wenig wie Johann
von Michelsberg , bezeichnet werden : man dürfe diese herren aus
altböhmischen geschlechtern , die sich deutsche namen gaben,
Deutsche auf ihren besitzungen ansiedelten , deutsche dichter be-
günstigten , deshalb doch nicht zu den Deutschen zählen , denn
— dieselben herren, welche unter Wenzel i von dem deutschen
dichter Reimar nichts hören wollten , konnten sich nicht im laufe
von 40 jähren in Deutsche verwandeln; so schnell mache sich der
Übergang in eine andere nation nicht, nun , dieselben herren
waren das ja nicht mehr, sondern ihre söhne oder vielmehr ihre
enkel. man kann hier in Böhmen in der gegenwart beobachten,
wie häufig der söhn eines deutschen vaters als eifriger Tscheche
sich zeigt, ja von zwei leiblichen brüdern ist zuweilen der eine
ein Deutscher, der andere ein Tscheche, der grund, den K.
anführt, gilt also gewis auch für jene zeit nicht, aber abge-
sehen von solchen einzelheiten zeigt besonders dieser und der
folgende abschnitt jene objectivität und Wahrheitsliebe, durch die
sich die jüngeren tschechischen gelehrten von den älteren unter-
scheiden, die deutschen forschungen hat man allerdings schon
längst zu benutzen verstanden, aber wo es sich um den ein-
fliiss des deutschen auf das tschechische, besonders auf die
tschechische litteratur handelte, da hat man mit einer staunens-
werten dreistigkeit so viel wie möglich geläugnet und tut das
vielfach heute noch. Palacky war auch da der führer. dieser
geschichtsforscher und geschichtschreiber hat sogar einem deut-
schen gelehrten offen gestanden, er überschlage, was deutsch
sei , und hat dann doch die geistige Überlegenheit des tschechi-
schen Volkes über das deutsche im mittelalter damit bewiesen.
KRAUS JOHANN VON MICHELSBERG 295
dass er (Geschichte von Böhmen ii 2, 43) behauptete, gegenüber
der unzählbaren menge der werke der tschechischen litteratur
hätten die Deutschen in Böhmen nur drei aufzuweisen: eine
lateinische chronik und zwei Übersetzungen aus dem tschechischen,
eine derselben war der Ackermann aus Böhmen, als nun
Knieschek unwiderleghch nachwies, dass dieser früher abgefasst
sei als das tschechische gegenstück, der TkadleCek, und dass
dieser nur eine parodierende bearbeitung des Ackermanns sei, da
gab man nur zu , dass dieser Tkadleöek nicht selbst original
sei; dann durfte aber auch der Ackermann nicht original sein, das
verlangte nun einmal die 'gleichberechtigung' in Böhmen, von der
lateinischen oder französischen litteratur konnte die tschechische
beeinflusst sein wie die deutsche, nur nicht von dieser, auf den
Ackermann angewendet wurde dieses princip, wenn ich nicht
irre, von hm JJirecek, der irgendwo, in irgend einer bibhothek
irgend ein buch gesehen (oder davon gehört) haben wollte, das
lateinisch war und die vorläge des Ackermann und des TkadleCek
enthielt, litterarisch vertreten hat diese ansieht seiner zeit Ge-
bauer, s. Knieschek Mitt. 16,30211. — K. nun gesteht gleich
zu beginn des vierten abschnittes zu, dass die Tschechen, auf
drei selten von Deutschen umgeben , von diesen die ganze cultur
des abendlandes überkommen haben, aber deshalb ist er freilich
noch nicht von allen veralteten, 'traditionellen' Irrtümern frei,
beim Tkadleöek erwähnt er etwas spöttisch jene theorie von dem
nie gesehenen augeblichen original, nennt dann aber doch nicht
herzhaft das deutsche werk original, sondern nur den repräsen-
tanten der vorläge des tschechischen werkes , und im weiteren
spricht er wider vom Ackermann 'oder dessen original', bei der
verranntheit der tschechischen litteraturhistoriker in diesem puncte,
die in dem ausspruche Sabinas gipfelt, der Tkadlecek könnte in
einer entsprechenden bearbeitung noch grofsen beifall finden, nur
müste diese etwas geschmackvoller gemacht sein als der deutsche
auszug unter dem titel Ackermann, war es freilich schlimm, dass
näherer betrachiung dieses werk sogar als parodie des Acker-
manns sich erwies, wenn K. dagegen eifert und meint, man
könnte mit demselben recht manches berühmte deutsche werk
parodie der französischen vorläge nennen, so muss er doch sich
über dieses Verhältnis (zb. des Iwein zu seiner vorläge) nie klar
geworden sein. Scherer LG 147 hat freilich den Goetheschen
ausdruck 'parodistische Übersetzer' gebraucht, aber das bezeichnet
doch etwas anderes, im Ackermann klagt ein witwer den tod an,
weil er ihm die geliebte gattin entrissen; im Tkadlecek hadert
ein höfling mit dem Unglück , weil ihn eine geliebte ofenheizerin
verschmähte — ist das nicht parodie?
Noch viel weniger kann ich mit K.s darstellung des Ver-
hältnisses zwischen dem tschechischen Tristram und den deut-
schen quellen übereinstimmen. K. ist auch hier abhängig von Ge-
296 KKAUS JOHANN VON MICHELSBERG
bauer, und dieser wird über gebilr gelobt, es ist einfach nicht
wahr — ich kann das mit vollster bestimmtheit behaupten — ,
dass Knieschek gleichsam nur die consequenzen aus den be-
obachtungeu Gebauers zog (tivoz-iv konsekvence toho pozoroväni).
Knieschek hat seine Untersuchungen über den Tristan begonnen
ohne kenntnis davon, dass Gebauer sich mit derselben frage be-
schäftige, und als die arbeit desse^n erschien (1880), standen alle
wesentlichen resultate der Untersuchungen Kniescheks bereits fest,
wenn sich dann auch die Veröffentlichung verzögerte, wir waren
damals nur erstaunt, wie oberflächlich Gebauer vielfach zu werke
gegangen , wie viele nahe liegende dinge er nicht gesehen hatte,
zb. dass das tschechische werk offenbar von zwei verschiedenen
dichtem herrühre und dass der erste derselben nicht mit dem X
Lichtensteins, sondern am genauesten noch mit den alten frag-
menten Eilharts übereinstimme, aus welcher beobachtung sich
dann erst die weiteren überraschenden resultate für den text
Eilharts selbst ergaben, in der bestimmung der abfassungszeit
des tschechischen Tristram und der Katharinalegende sind die
angaben von K. auch nicht überzeugend, die erwägungen Knie-
scheks Mitt. 22, 245 werden durch den einen reim nicht ent-
kräftet, was für sonderbare abweichungen finden sich nicht in
den tschechischen litteraturgeschichten über die entstehungszeit
der Alexandreis, und doch war das richtige hier nicht so schwer
zu finden. Feifalik hatte schon ungefähr die zeit richtig bestimmt,
Knieschek (Mitt. 22, 245 f) den beweis erbracht, dass sie zur
zeit könig Ottokars ii entstanden ist. K. stimmt dem bei , ohne
aber Knieschek zu eitleren, von dieser Alexandreis ist doch
sonst ausführlich genug, ich meine allzu ausführlich gehandelt
und alles mögliche herangezogen, die hauptwerke dieser sage,
vom Pseudokallisthenes angefangen, sind angeführt und sämmt-
liche deutsche bearbeitungen; darauf folgt eine überlange polemik
gegen das wenig gründhche und niemand überzeugende schrift-
chen von KWTitz (s. Anz. vii 335). es handelt sich da um das
Verhältnis des tschechischen gedichts zum Alexander Ulrichs von
Eschenbach, das kann erst jetzt, wo auch das deutsche werk
gedruckt ist, gründüch untersucht werden; K. konnte, da ihm
meine ausgäbe noch nicht vorlag, zu keinem bestimmten resultat
kommen, ich will genaueren Untersuchungen nicht vorgreifen,
ich selbst habe solche über die tschechische Alexandreis (oder
Alexandreiden, wie die herausgeber wollen) nicht angestellt; so
weit ich das gedieht aber kennen gelernt habe, glaube ich nicht,
dass es abhängig ist von Ulrich, wenigstens nicht direct, sodass
der tschechische dichter Ulrich neben dem Gualtherus oder gar
allein als quelle benutzt hätte, indirect aber dürfte Ulrichs dichtung
die tschechische, veranlasst haben; im Wettbewerb mit dem Deut-
schen hat der unbekannte Tscheche wahrscheinlich sein werk
begonnen, in dem puncte stimme ich K. zu, nur stellt er sich
KRAUS JOHANN VON MICHELSBERG 297
die Sache gar sonderbar vor. er meint, das exemplar des Guai-
therus, das Ulrich vom erzbischof von Salzburg bekommen, habe
unter den gebildeten Prags circulierl und dabei etwa bei einem von
diesen den gedanken erregt, mit dem deutschen dichter zu wett-
eifern und die lateinische dichtung auch tschechisch zu bearbeiten,
weder so harmlos noch so einfach denke ich mir den Vorgang.
zur zeit Ottokars waren in Böhmen die nationalen gegensätze
stark entwickelt. der könig begünstigte in jeder weise die
Deutschen, und die Tschechen sahen sich zurückgedrängt; vgl.
zb. das wort, das man sich vom könig erzählte, auf der Prager
brücke solle man bald keinen Tschechen mehr sehen, und die
haltung des tschechischen adels, als es zum conflict mit Rudolf
von Habsburg kam. Ottokar hörte sich gern mit Alexander dem
grofseu vergleichen (ich habe darauf schon in meiner abhand-
lung Über die Alexandreis Ulrichs s. 407 hingewiesen), und eine
zeit lang gleicht sein lebenslauf auch einiger mafsen demjenigea
Alexanders, die dichtung Ulrichs ist ganz offenbar zur verher-
lichung des königs angelegt, Alexander führt auch das wappen
Ottokars, wenn der könig nicht direct die abfassung der Alexan-
dreis Ulrichs veranlasste, begünstigt hat er sie gewis, hat er
doch selbst eine episode aus dem leben Alexanders dem dichter
erzählt (aao. s. 385 IT), dem gegenüber regte sich der Wett-
eifer eines tschechischen dichters, eines geistlichen (vgl. Kuie-
schek, beilage zu den Mitt. 23, 67), sodass neben dem nationalen
auch noch der alte gegensatz zwischen geistlichem und spielmann
— Ulrich war dichter von beruf — zu tage tritt, mit einsetzung
einer ungewöhnlichen poetischen kraft suchte dieser den Deut-
schen zu übertreffen, vvol in der erwartung, durch sein besseres
gedieht die guust des köiiigs für sich und auch für seine spräche
und nation zu gewinnen und die Deutschen am hofe zurück-
zudrängen. — beweisen kann ich das nicht, aber wahrscheinlich
ist es, und sicher ist diese Vorstellung von dem Wetteifer des
dichters etwas würdiger als die des hrn K. wie konnte auch
Ulrich sein kostbares, mühsam erworbenes exemplar unter den
'gebildeten' circulieren lassen 1 er muste den schätz doch sorgsam
hüten, und dass für einen geistlichen in Prag nicht ein zweites
exemplar des verbreiteten Schulbuches, von dem so viele hss.
auf uns gekommen sind, sollte aufzutreiben gewesen sein, glaube
ich nicht, auch glossierte hss. dieses buches waren nicht so
selten. — doch warten wir die eingehenden Untersuchungen
über die quellen der tschechischen Alexandreis abl
Der fünfte abschnitt der einleitung beginnt mit dem satz:
'der mächtige einfluss, den die Deutschen auf die Tschechen und
Slaven überhaupt übten, aufspräche und sitten, sage und litteratur,
verhinderte nicht, dass sie umgekehrt auch in geringerem mafse
dem slavischen einfluss unterlagen.' der zweite satz spannt die
erwartung, die dieser erste erregt, sofort herunter: 'spuren dieses
A. F. D. A. XV. 20
298 KRAUS JOHANN VON MICHELSBERG
einllusses begegnen wir in zahlreichen erwähnungen, die sich
in der deutschen lilteralur finden.' was dann aber tatsächhch
gegeben wird, das ist, um es milde zu bezeichnen, ganz wertlos
für diese frage, es sind nämlich eine reihe von stellen zu-
sammengetragen, in denen sich der name Poldn oder Rmze oder
Beheim ua. findet, Walther 80, 30 beginnt die reihe, nach der-
selben methode kann einer den einfluss der Indianer (um nicht
andere Völker zu nennen) auf die Deutschen weit schlagender
nachweisen, wenn er zusammensucht, wo überall diese genannt
werden und was alles von ihnen in deutschen Schriften erzählt
wird, in der ganzen langen aufzählung s. 61 — 93 finde ich
nirgend einen einfluss des slavischen auf das deutsche nach-
gewiesen als in der Harlungensage, wobei aber gerade die Wand-
lungen dieser sage s. 82 ff nicht gerade lichtvoll (nach Müllenhoff
natürlich) dargestellt sind, anmerken will ich auch noch, was
alles als slavisch und für slavischen einfluss zeugend vorgeführt
ist. s. 85 sind unter dem titel Slovinci nichts als zwei stellen
aus Wolfdietrich D beigebracht, in denen der name Kernden
vorkommt. Krieche und Riuze soll nach s. 79 und 81 auch so-
viel als Slave bedeuten, für ersteres ist Bilerolf 3648 citiert ua.
Wie s. 96 versichert wird, ist das buch zunächst für die
hörer des deutschen an der tschechischen Universität Prag be-
stimmt, für diese sind auch anmerkungen zum text beigegeben,
in denen ausgeführt ist, wer Parzival, Iwein usw. war. man
möchte allerdings bescheiden fragen , ob es sich nicht auch für
die tschechischen herren Studenten empfehlen sollte, das Studium
des mhd. mit dem Iwein oder den Nibelungen zu beginnen, statt
mit der Ritterfahrt, man könnte auch dann erwarten, dass mit
diesen grofsen werken begonnen würde, wenn schon specielle
ausgaben mhd. texte für tschechische Studenten hergestellt werden,
man wird dem aber wider entgegenhalten, dass die herren so viel
deutsch verstehen , um die deutscheu ausgaben benutzen zu
können, für wen dann aber diese ausgäbe mit tschechischer
einleitung und tschechischen anmerkungen? schliefslich indes ist
das Sache des Verlegers und herausgebers. sicher waltet über
der Ritterfahrt ein ganz besonderer unstern: zuerst abgedruckt
in vdHagens Germania, wo sie recht unzugänglich geblieben ist,
wurde sie (nicht gerade gut) übersetzt in den Mitteilungen des
nordböhmischeu excursionsciubs, wo sie einem gröfseren kreise
weder bekannt noch zugänglich wurde; jetzt ist sie endlich durch
den buchhandel erreichbar, aber eingeschlossen in umfangreichen
tschechischen abhandlungen und anmerkungen.
Prag 17. 2. 89. W. Toischer.
JOSTES DAISIEL VON SOEST 299
Daniel von Soest, ein westfälischer Satiriker des 16jhs. hg. und erläutert
von Franz JosTEs (Quellen und Untersuchungen zur geschichte, cuitur
und litteratur Westfalens, hg. vom Verein für geschichte und alter-
tumskunde Westfalens, i bd.). Paderborn, Ferdinand Schöningh,
1888. xn und 404 ss. gr. 8°. — 8 m.
Dem Verdienste, den Westfalen Johannes Veghe in unsere
litteraturgeschichte , insbesondere in die geschichte der deutschen
predigt eingeführt zu haben , hat Jostes mit dem vorliegenden
werke ein weiteres angereiht, freilich in dem mafse mit dem
reiz der neuheit ausgestattet, wie dies bei dem prediger des
15jhs. der fall war, tritt uns Daniel von Soest nicht entgegen,
dessen hauptwerke bereits im jähre 1848 durch LFvSchmitz wider
ans licht gezogen worden sind, die völlig wertlose und unbrauch-
bare ausgäbe (vgl. JGrimm, Kl. schritten 5, 467 ff) scheint aber
kaum über die engeren gränzen der heimat hinausgekommen zu
sein: ihre benützung blieb beschränkt auf die specialforscher
westfälischer, Soester historie und unsere litleraturgeschichten
nahmen mit einer einzigen ausnähme (Goedeke, Grundriss 2^ 336)
bisher überhaupt keine notiz von Daniel von Soest, das wird
fortan nicht mehr der fall sein: dank Jostes bemühung ist dem
unter diesem namen auftretenden Westfälischen Satiriker des 16jhs.
nun sein platz in der deutschen litteraturgeschichte gesichert.
Johannes Veghe von Münster und Daniel von Soest 1 jener
ein anspruchsloser, milder und liebenswürdiger prediger, ein
warmer freund feiner äufserer bildung und gesitlung, von der
humanistischen beweguug seiner heimat noch an seinem lebens-
abend sympathisch berührt, noch einmal ein repräsentant der
alten kirche in edelster form unmittelbar bevor der neue glaube
sein banner erhebt. Daniel von Soest dagegen, bereits grofs
geworden im kämpf um den glauben, auch ein geistlicher, be-
gabt und gelehrt, aber selbstbewust, leidenschaftlich und streit-
lustig, aus überzeugungstreue parteiisch, im ausdruck ironisch,
derb, ja nicht selten cyuisch, eine gestalt, wie wir sie gar häufig
im reformationszeitalter , dessen dichterische Signatur die satire
ist, in beiden lagern antreffen.
Den historischen hintergrund der Satiren des Daniel von
Soest bildet die einführuug der reformation in Soest(1531 — 1534).
hatte Cornelius in seiner Geschichte des münsterischen aufruhrs
zum ersten male den gang der Soester bewegung lebensvoll ge-
schildert und gleichzeitig die wijchtigsten quellen im originale
mitgeteilt (1, 252. 272. 2, 304), so ist es Jostes gelungen, auf
gruod sorgfälligster durchforschung des Soester archives das bisher
bekannte material durch mancherlei neues zu vervollständigen,
gelegentlich auch zu berichtigen, es ist nur zu billigen , dass J.
seine ergebüisse nicht etwa in fortlaufenden anmerkungen zum
Daniel von Soest zersplittert hat, sondern es vorzog, trotz der
20*
300 JOSTES DAMEL V0^ SOEST
vorauf^egangeneii behandlung durch Cornelius seine edition mit
einer zusanimenliäugenden darstellung der historischen begeben-
heiten einzuleiten (s. 3 — 53), wobei selbstverständlich die er-
zählung des Daniel unberücksichtigt blieb oder doch nur aus-
nahmsweise citierl wurde, aufserdem hat J. seinem texte den
bericht des Soester ratsprotocoUbuches über die einführung der
ret'ormation vorangestellt (s. 84 — 109, vgl. s. vni), der zwar auch
schon von Cornelius (aao. 1, 252), jedoch nach einer jungen,
ungenügenden abschrift des seiner zeit nicht auffindbaren ori-
ginales bekannt gemacht worden war. alle übrigen urkundlichen
belege , die nicht nur um des historischen interesses sondern
nicht minder um des sprachlichen willen mitteilenswert erschienen,
sind in den anhang (s. 315 — 389) verwiesen.
Unter dem namen des Daniel von Soest kennen wir fünf
Streitschriften, von denen der im jähre 1533 für das volk be-
stimmte (304, 1 ff) Retterspiegel, seines studerens und vlites eerste
frucht (303, 39) , sich nur in überarbeiteter gestalt hslich erhalten
bat, das gleichzeitig entstandene mehr wissenschaftliche Parene-
ticon oder parenesis, das glossen zu Omekens ordinanz (über
diese antwort over de ordinantzi kr (Dialogon v. 123) siehe Jostes
s. 24 ff. 50 fr) bot, aber verloren gieng. J. hat von einem ab-
druck des umfangreichen Ketterspiegels abgesehen, da das werk
litterarisch wie historisch ohne besonderen wert sei. die wenigen
auszüge, die J. s. 62 f und sonst gelegentlich gibt, sind übrigens
gar nicht so uninteressant, mindestens der spräche des nachher
zu nennenden Apologeticons gleichwertig, zudem bleibt genauere
einsieht in den Ketterspiegel deshalb wünschenswert, um in das
dunkel, das den Pseudonymen Daniel auch noch nach Jostes
Untersuchung (siehe unten) einhüllt, erfolgreich einzudringen,
die 12 gereimten capitelüberschriflen teilte Vorwerck in seinem
Programm über Daniel von Soest s. 12 f mit. dem Ketterspiegel
ist in der hs. ein ziemlich trockenes, s. 306 ff abgedrucktes
Leedgin van der ketter namen, nach der bekannten melodie 'drei
laub auf einer linden' zu singen, angefügt, das 'den inhalt des
Ketterspiegels in gedrängter form' widergibt oder richtiger, wie
schon Vorwerck (s. 15) sah, das gröfsere prosawerk einleiten
sollte, denn es heifst v. 193 ff als ick ju werde schriven in
einem boeksken klein — van ketter art und loesen. es mag
hierbei gleich erwähnt werden , dass Daniel von Soest auch sonst
noch kleinere gedichte und gesänge geschrieben hat (vgl. Dialogon
124. 635. 1656. ApologeticoB 287, 16), zu denen eines, das
bei Vorwerck s. 15 f abgedruckt ist, ganz gut gehören könnte.
Mit den beiden genannten theologischen prosaschriften scheint
Daniel von Soest keinen namhaften erfolg gehabt zu haben und
sie sind auch wol kaum zum druck gelangt, mit seiner Gemeinen
beichte der prädikanten zu Soest (1534, s. 111 — 230) dagegen,
die statt in nüchterne prosa in das gewand der poetischen satire
JOSTES DAMEL VON SOEST 301
gekleidet ist, hat Daniel die gemüter des Soester rates nicht
wenig in aufregung versetzt, uns aber ein htterarisches denkmal
hinterlassen, das an burlesker, in schärfste lauge getauchter
komik, Herbheit und naliirlichkeit des ausdrucks seines gleichen
selbst innerhalb der wahrlich nicht zimperlichen reformations-
litteratur sucht, die boshafte satire wendet sich under comedien
wise (v. 104) an die adresse der Lutheromaniten. dass die alt-
gläubige pariei empOrt war über die spräche, der Omeken sich
in seiner kirchenordnung für die Stadt Soest (1532) bedient
halte, in der 'ein fremdling die nächsten blutsverwandten der
bürger 'mastschweine, koresel, tagediebe, teufelshuren, huren-
jäger, bestien' usw. nannte' (s. 26), kann nicht wunder nehmen;
selbst diejenigen, die Omekens evangelischen standpunct teilten,
musten sich dadurch verletzt fühlen und widersetzten sich anfangs
der annähme der ordinanz. auf Omekens angriffe antwortete
Daniel von Soest mit seiner Gemeinen beichte; was bei ersterem
den erfolg schädigte, der ungeziemende ton in ernster sache
(vgl. auch Cornelius 1, 118 f), das war in der gereimten satire
am platze: statt der erkünstelten grobheit im ausdrucke dort
redete Daniel natürlich -volksmäfsig, humoristisch -ironisch, wenn
auch oft sehr derb und gesalzen, wodurch aber die würkung der
mahnenden, obvvol zu breit ausgesponnenen Schlussworte des als
biblischer Daniel auftretenden Verfassers nur erhöht werden konnte.
Dass der pamphletist sich nicht mit seinem richtigen naraen
genannt halte, war sofort klar und die geschmähte partei hätte
gar gern den schleier der anonymität gelüftet gesehen; aber auch
die gleichgesinnlen scheinen das versteckspielen nicht gut ge-
heifsen, es dem autor als furcht ausgelegt zu haben, derselbe
hielt es deshalb für geboten, sich in seinem 1537 geschriebenen,
gleichfalls gereimten Dialogon (s. 231 — 84), in dem nachgetragen
war, was sich seit dem abschluss der Gemeinen beichte (vgl.
Dialogon v. 611 f wat dar is gehieven hüten, wil ik hir mi mede
insluten) in Soest ereignet hatte, des breileren (D. v. 105—374)
darüber auszulassen , weshalb er sich Daniel von Soest nenne
und seinen wahren namen verschwiegen habe: die ketzerhunde,
fuhrt Daniel aus, seien nicht allein dem körper sondern auch
der Seele gefährlich, tyrannen , die nur den körper töten,
nenne man utwendige iculve, jene aber, die ihr gift einträufeln,
ohne dass einer es merkt, das seien inwendige wulve, und zu
diesen gehörleu die ketzer. vor diesen hätten wir uns tag und
nacht zu hüten, wie Christus selbst und Paulus uns lehrten.
wati uns dan nicht dringt de noit, möge wir wol frochten den
lißiken doit und vor den kettern hillik vlein, als dan ok vaken
und vil is geschein, und unsen namen stille verswigen, dat uns
de ketters nicht en driven to erem falschen gloven und hose werken,
bisunder wan wi gein betterung an en merken.
So lange die beiden Spottschriften (über das Apologeticon
302 JOSTES DANIEL VON SOEST
siehe weiter unten) nnr handschriltliche Verbreitung fanden, glaubte
der Soester rat die angelegenheit als eine interne betrachten zu
können, nachdem aber beide zusammen 1539 durch den druck
jedem zugänglich gemacht worden waren, da begann man die
suche nach dem litterarischen missetäter energischer zu betreiben,
man vermutete den dj'ucker der als spitigh famois libell und
schantbokk bezeichneten schrift eines ungenanden Daniel von Soest
in Köln, der rat von Soest wandte sich am 26 juni 1539 brief-
lich in dieser sache an den Kölner magislrat und erhielt schon
am 4 juli von dort die bereitwillige zusage, man wolle darüber
nach forsclTun gen anstellen, es dauerte dann aber volle zehn
monate, bis weiteres von Köln verlautete: erst am 3 mai 1540
gieng wider ein schreiben nach Soest ab, folgenden inhalts: —
welckermaten wy van unserm burger Daniell van Soist schroider
angesoicht unnd gebeden, werden ure eirsz. uit desselven hie in-
gelachte stipplicatie in die lengde vernemen. dwile sich nu die
Sachen in der loairheit, luyde siner supplicatien angetoigen, also
begeven, derhalven der wairheit (as gotlich wind billich) bystandt
to doin und nyemandtz dairenboven to latenn beszioeren sunder
tho verthedyngenn mann schuldich, ist demnae unse fruntlicke be~
gerde unnd gesynnen , dat ure eirsz. bemelten unsernn burger so-
lickes beroirten bedraichs ader verclagens ter unschoult niet taten
beszwerenn noch oeverfallenn , sunder derhalven in ansieunge dieser
unser vurschrifft entschuldiget unnd gefurdert willen haven unnd
sich hieinne also gunstich unnd furderlich zo halden und zo be-
wysenn , als wy des und alles guden gentzlich waill to betruwen
denselven uwen eirsz., die unse herre got inn alle geluckselige wail-
foirt lange tidt bewarenn will.
Es war nötig, den Wortlaut des Kölner Schreibens hier
widerzugeben, um meine einwände gegen J.s hypothese über
den wahren autor der Satiren, die lediglich auf diesem acteu-
stücke fufst, besser begründen zu können. J. glaubt in jenem
zweiten Kölner briefe den beweis für folgendes gefunden zu
haben: 1) dass drucker und Verfasser des Daniel von Soest in Köln
lebten und dass, falls der rat nicht geradezu gelogen habe, der
verf. in Köln das bürgerrecht besafs; 2) dass man in Köln den
eigentlichen autor wol gewust, ihn aber nicht habe verraten
wollen; 3) dass unter all den obligaten phrasen, in denen sich
das scliriltstück bewege, doch ein derartiger höhn verborgen
liege, als wenn es von Daniel selbst abgefasst wäre; der Soester
brief soll dem Daniel zur beantwortung übergeben worden sein;
4) die in dem schreiben erwähnte supplicatie ist identisch mit der
fünften Streitschrift Daniels, seinem Apologeticon; 5) ehe das
von Daniel selbst verfertigte antwortschreiben nach Soest abgieng,
hat Daniel aufser der abfassung des Apologeticon auch noch erst
den Ketterspiegel überarbeitet und es erklärt sich so, weshalb
der Kölner rat Soest gegenüber zehn monate lang seine antwort
JOSTES DAMEL VON SOEST 303
hinausschob; 6) endlich: unter Daniel von Soest verbirgt sich der
Kölner scholasticus und spätere *cardinal Johannes Gropper.
Gewis ein reiches ergebnis! gefolgert aus einem sonst un
allgemeinen niiciitern- trockenen materiale, aus einem geschäfts-
briel'e, 'so harmlos, wie tausend andere, die der Kölner rat ia
demselben jähre ausgesandt hat', schreibt mir herr prot. KHöhl-
baum, der hier wenn einer competent ist. J. hat viel zu viel
in dieses schreiben hinein interpretiert, die vorgefasste meinung,
Gropper sei der wahre autor der Satiren, hat, so sehr er sie
auch — es sei das ausdrücklich betont — nur als hypothese
angesehen wissen will, von vorne herein bei der auslegung des
briefes sein urleil getrübt, gerade das, worauf zur beurteilung
des Schreibens alles ankommt, die deutung nämlich des aus-
druckes unser burger Daniell van Soist schizoider, meint J. 'un-
beachtet' lassen zu können , da auch schroider (Schneider) gewis
nicht der richtige name , vielleicht gerade mit beziehuug auf
seine eigenschaft als alles secierender, beifseuder Satiriker "^ ge-
wählt sei. prof. Höhlbaum wird demnächst den nachweis bringen,
dass wir nicht berechtigt sind, das wort schroider an unserer
stelle anders als in der ganz gewöhnlichen bedeutuug 'Schneider'
zu verstehen und dass folgende inlerpretation des Schreibens
die einzig ungezwungene sei: auf das Soester schreiben hin, das
einen Daniel von Soest genannt hatte, ermittelte der Kölner rat
einen Schneider dieses namens in Köln und es stellte sich heraus,
dass dieser mann an dem pamphiete völlig unbeteiligt war. seine
supplicatte wird aufser der rechtfertigung seinerseits das dringende
gesuch enthalten haben, man möchte ihn den Soestern gegen-
über von jeglichem verdachte reinigen, und das tut dann der
Kölner rat und legt des Schneiders snppltcatie bei. weiter möchte
ich hier der in aussieht stehenden Untersuchung Höhlbaums
nicht vorgreifen.
Bietet nun die Soest -Kölner correspondenz absolut keinen
anhaltspunct dafür, dass der autor des pamphletes in Köln ge-
lebt haben muss — den drucker, dem übrigens in erster linie
das Soester schreiben galt, wollen wir einstweilen bei seite
lassen — , so ist schon damit der J.schen hypothese der Unter-
grund entzogen und seine übrigen Schlussfolgerungen bedürfen
eigentlich gar keiner weiteren Widerlegung, aber nehmen wir
selbst an, dem Kölner rat sei der wahre autor bekannt gewesen,
wäre es wol glaublich, dass eine hochstehende behörde, wie sie
der rat einer so bedeutsamen Stadt wie Köln doch repräsentiert,
in corpore und officiell das versteckspiel mit dem namen fort-
gesetzt, sich in geistreichen Wortspielen ergangen haben sollte?
oder dürften wir dem Kölner magistrate gar eine derartig un-
^ zu vgl. wäre etwa die ebenfalls bildliche Verwendung des wortes
in Rudolfs Alexander, wo Gottfrieds Tristan ein schrwter süezer Worte ge-
nannt wird, Lexer 2, 804.
304 JOSTES DANIEL VON SOEST
Würdige hallung zutrauen, wie J. sie ilim aufbürdet, wenn er
den paniphletisten selber zum*schreiber eines den Soester rat
verhöhnenden briel'es macht? wo freilich der höhn in diesem ganz
geschäflsmäfsigen , in durchaus formelhaften Wendungen abge-
fassten schreiben stecken soll, vermag ich nicht zu sagen, und
auch J. wird zu seiner auffassung wol nur durch die oben
zurückgewiesene inlerprelation von schroider verführt worden
sein, der Kölner magistrat, der wichtigeres zu tun hatte, wird
sich nicht über gebür wegen dieser litterarischen fehde erhitzt
haben, um so weniger als er persönlich mit seineu Sympathien
gewis auf seilen des spottenden Satirikers stand, wenn die
Kölner, nachdem sie das Soester gesuch sofort zusagend beant-
wortet hatten, erst nach zehn monaten wider auf den gegenständ
zurückkamen, so ist das durchaus nicht auffallend: entweder hat
man würklich auf das gründlichste die nachforschungen betrieben,
oder, und das ist mir weit wahrscheinlicher, man betrachtete die
angelegenheit als eine von vielen und erachtete ihre erledigung
nicht als besonders dringlich.
Aber auch zur identificierung der dem Kölner briefe bei-
gelegten snpplicatie mit dem Apologeticon des Daniel von Soest,
das speciell eine antwort auf das Soester schreiben sein soll,
würde uns schon an sich nichts berechtigen, das in prosaform
gekleidete Apologeticon (s. 285 — 305) ist gleichfalls eine schraäh-
schrifl , die der autor zusammen mit der überarbeiteten fassung
des Ketterspiegels im jähre 1538 den drei von Soest abgeord-
neten schmalkaldischen legalen, dem prediger Brictius tom Norde
und den beiden ratsmitgliedern Oesterkamp und Reimensnider
zugeeignet hat. ob die schrifl gedruckt worden ist, wissen wir
nicht; wir besitzen sie nur in ungefähr gleichzeitiger abschrift.
sie nennt sich eine 'entschuldigung', weil Daniel von Soest in
ihr sein litterarisches auftreten gegenüber den Soester Lutheroma-
niteu rechtfertigen will, nicht aus bass oder neid , sondern in
bester absieht habe er Omekens und dessen eidgenossen schand-
bücher, ihre teuflischen ärgernisse und unchristlichen taten den
frommen Christen zur warnung vor äugen gestellt; Josephus und
Aeneas Silvius habe niemand , obwol sie doch vom ebebruch des
Mundus und der Pauiiua und von der buhlerei des Eurialus und
der Lucrelia geschrieben hätten , für lasterschribenten gehalten :
so wolle auch er nur durch abschrecken belehren und bessern
(299, 10 ff. 297, 22 ff), und Daniel tut dies denn auch in dra-
stischster weise, die der von Omeken in seiner ordinanz geführten
spräche nichts nachgibt, aber freilich, auch hier erscheint die
urwüchsige redeart um vieles angemessener als in einer kirchen-
ordnung. — wäre es auch erwiesen, dass der Kölner brief sich
auf den pamphletisten Daniel von Soest bezöge, so hätte J. doch
in keinem falle die supplkatie, die 'bitlschrift', auf das Apologe-
ticon, die 'rechtfertigungsschrift', deuten dürfen, dass Daniel
JOSTES DANIEL VON SOEST 305
eiomal in letzterem von demotigen supplkeren und biddent p02, 34 f)
spricht, verschlägt nichts und ebenso wenig, wenn der im Soester
sclireil)en mit hezug auf die Gemeine beichte verwendete, zur
bezeichnung eines pasquills allgemein gebräuchliche ausdruck
famos libell und schantboick gleichfalls im Apologeticon (297, 18 f.
298, 14. 29. 37) begegnet oder wenn in diesen beiden Schrift-
stücken gesagt ist, derartige pamphlete seien im rechten verboden
(vgl. A. 297, 21). der Soester rat hat sich in seinem schreiben
an Köln nicht anders ausgedrückt, als er es früher in Soest
selbst mündlich getan hatte, und solche urteile waren dem verf.
zu obren gekommen, auf die er sich dann später beruft, vor
allem aber hat sich J. mit der seiner ansieht entgegenstehenden
bemerkung am schluss des Apologeticon Gegeven to Soest am
niggen jars dach im jaer mcccccxxxviii viel zu leicht abgefunden,
um das Apologeticon von 1538 als antwort auf das Soester
schreiben vom 26 juni 1539 verwerten zu können, muss J. zu
folgender argumeutation seine Zuflucht nehmen: 'das jähr wird
hier nicht richtiger angegeben sein als der ort; mit derlei an-
gaben nimmt es Daniel nie genau : sonst hätte er zb. alle seine
Schriften gerade auf neujahr ausgehen lassen müssen.' dagegen
ist zu bemerken , dass aufser dem Apologeticon und der mit
diesem zugleich überreichten neubearbeitung des Ketterspiegels
nur noch das Dialogon eine neujahrsgabe sein will, bei dem
älteren Ketterspiegel, dem Pareneticon und der Gemeinen beichte
findet sich , so viel ich sehe , eine solche Zeitangabe nicht, wir
haben also einstweilen gar keinen grund, Daniels datierung zu
niistrauen; eher konnte noch die Ortsangabe fingiert sein, wer
sagt uns ferner, dass die nachlbrschungen erst 1539 dh. nach
dem drucke der beiden gereimten pasquille begannen? in Köln
freilich fragte mau damals erst an , die Soester aber haben sofort
nach dem erscheinen der Gemeinen beichte (1534), und wie wäre
es auch anders möglich gewesen , sich sicher die erdenklichste
mühe gegeben, den verf. zu ermitteln: das wird nicht erst aus
dem Apologeticon (288,23 0] deutlich, sondern schon aus dem
Dialogon v. 103 ff. weit eher hatte J. für sich geltend machen
können, dass ein ausspruch wie dat nicht allene binnen Soest dan
ok alle anderen so mine schrift lesen (Apologeticon 289, 8 fj bereits
den druck Danielscher Schriften voraussetzt, die datierung des
Apologeticon also irrig sein müsse, allein auch im Dialogon
(1537) heifst es v, 116 men wacht na di (Daniel) in alle laut
(vgl. J. s. 55), und so lange kein älterer druck als der von 1539
auftaucht — es ist mir auch nicht wahrscheinlich , dass ein
solcher existierte — , müssen wir schon an eine verhällnismäfsig
grofse hsliche Verbreitung der Satiren glauben, sagt doch Hamel-
mann von der umfangreichen Gemeinen beichte, man habe sie
bei ihrem erscheinen an verschiedenen stellen der Stadt Soest
an die tUren geschlagen, ein wort, das man freilich mit J. s. 54 f
306 JOSTES DAMEL VON SOEST
uur auf die der Gemeinen beichte eingefügten lieder (vgl. ins-
bes. V. 2841 — 8) beziehen müclite. — endücli: Daniel hat, wie
ich schon erwähnte, sein Apologeticon den Schmalkaldener ab-
geordneten, die 1537 ihre mission erfüllt hatten, gewidmet oder
richtiger seine Verhöhnung der Soester Lutheromaniten, zu denen
sie selbst gehörten, an ihre adresse gerichtet, und dieses Schrift-
stück, mit solcher widmung versehen, sollte als beigäbe das
amtliche Kölner schreiben begleitet haben?!
Ich wende n)ich nun erst zu der eigentlichen verfasser-
frage, wer war denn Daniel von Soest? zweifellos muss er ein
Soester kind und ein geistlicher gewesen sein, der von der re-
formatorischen beweguug in Soest mit betrolTen und durch sie
in seiner Stellung geschädigt wurde, die alte ansieht, unter dem
namen Daniel von Soest berge sich der guardian des Soester
grauen klosters Gerwin Haverland — so auch noch bei Goedeke,
Grundriss 2^ 336 und ADB 11, 117 — ist schon von Vorwerck
durch den nachweis widerlegt worden , dass derselbe bereits im
jähre 1535 tot war, während das Dialogon erst 1537 geschrieben
wurde. J. hat nun in falscher auslegung des oft citierten Schreibens
den verf. in Köln aufsuchen, in ihm einen hochangesehenen und
einflussreichen mann erkennen wollen und deshalb auf Johannes
Gropper (1502 — 1559) geschlossen. Gropper war der söhn des
Soester bürgermeisters, pfarrer zu SPelri in Soest und bereits
1530 scholaster zu SGereon in Köln, seit c. 1533 des Kölner erz-
bischofs Hermann von Wied vertrautester ratgeber; im jähre 1556
wurde er zum cardinal erwählt, ich glaube nun, dass selbst der-
jenige, der J.s Vermutung, Daniel von Soest sei eine bedeutsame
Kölner persönlichkeit gewesen, zustimmen wollte, doch zu der
Überzeugung gelangen müste, dieselbe könne nicht Gropper ge-
wesen sein, und ich teile da durchaus die von Edward Schröder
in der DLZ 1888 sp. 980 f erhobenen einwände, die ich hier
nicht widerholen will, nur auf ein par einzelheiten sei noch hin-
gewiesen. Worte wie ick armer Daniel, arm, unwetten, unge-
schicket und bi na nichts bi juen Soestischen utgestropeden moneken
und nunnen, papen und boginen geachtet, hebbe gesprocken , hebbe
geschreven, und se spreken: wei is dusse? (Apologeticon 287, QS)
scheinen mir nicht erst recht verständlich zu werden 'im munde
eines mannes wie Gropper, dessen wort bei fürst und kaiser in
die wagschale fiel.' Satiriker und pamphletisten werden immer,
wenn sie gute schriftsteiler sind, ihrer rede starke accente ver-
leihen, sich gern in paradoxien ergehen, und auch Daniel zeigt
sich in seinem Apologeticon entschieden rhetorisch beanlagt, aus
einer anderen stelle des Apologeticon (304, 8 IT) braucht nicht her-
vorzugehen, dass Daniel auch noch andere als niederdeutsche
Schriften verfasst hat: er sagt nur, wenn er auch die höhere
redeweise gelernt hätte (nicht wo dei oratoren — mit gesmuck-
der wertliker eloquencien und hocheit der rede , des ick mi ok nicht
JOSTES DANIEL VON SOEST 307
underwinde; und off ick schon solks geleret, wolde ick usw.), so
wolle er sich doch vor seinen landsleuten mit simpel slechter
moderliken spraken ausdrücken, dass er für jeden lesbar und
verständlich wäre, es sei gestattet, bei dieser gelegenheil an-
zumerken, dass die bisweilen Gropper zugeschriebene gereimte
Abconterfeytung vnd wäre gründtliche beschreibung Martin Butzers,
als deren verf. sich Warner von Waresheim nennt (vgl. Weller,
Annalen 2, 548. Dieringers Kath. zs. f. wissensch. und kunst
1844, u 390), nicht von ihm herrührt — vielmehr wird Gropper
in ihr citiert — , wie mich der einblick in das mir durch herrn
kircheurat Victor gütigst zugestellte exemplar der kirchenbibliothek
zu Emden belehrt. — weiteres, was J. zu Groppers gunsten an-
führt, würde nicht minder auf andere passen, weshalb ich hier
nicht besonders darauf eingehe.
Ist nun auch Gropper meines erachtens gewis nicht der verf.
unserer Satiren gewesen, so bliebe immerhin noch die möglich-
keit, ihm indirect eine nähere beziehung zum verf. zuzuschreiben;
ich sehe wenigstens einstweilen keinen grund, Hamelmanns aus-
spruch zu beanstanden, wenn er sagt et puhlicahantur haec scripta
per typos, qnod tnnc putabatur Groppeorum opera factum esse.
ob die drucklegung des Daniel von Soest in Köln geschah, darüber
kann ich im augenblick keine Untersuchung anstellen. J. will
(s. 59 anm.) aus der vergleichung der typen in Eucharius Hirsch-
horn (Cervicornus) den drucker erkennen; es ist mir das eigent-
lich nicht recht wahrscheinlich, da Hirschhorn der liberalen
kirchlichen richtung angehörte und verschiedenlich den 'lutheri-
schen handel' begünstigt zu haben scheint, vgl. über ihn ADB
4, 92. 12, 506. Norrenberg, Köln, litteraturleben im ersten
viertel des 16jhs. s. xr. Ennen, Gesch. der Stadt Köln 4, 179.
358.372.721,725. Kapp, Gesch. des deutschen buchhandels
1, 105 f. aus welchem gründe vSchmitz den druck des Daniel von
Soest nach Rostock verlegte, weifs ich nicht. Crecelius, der
an Soest selbst als druckort dachte (Nordhoff, Denkwürdigkeiten
aus dem münsterischeo humanismus s. 192 note), irrt gewis.
Durch die in den anhang verwiesene, dankenswerte milteilung
von briefen , die zwischen dem rat von Soest und den altgläubigen
geistlichen während und unmittelbar nach der bewegung ge-
wechselt worden sind, hat J. den leser seines buches in die läge
gesetzt, sich einige der bei Daniel von Soest begegnenden per-
sönlichkeiten noch anschaulicher zu vergegenwärtigen, da Gropper
als verf. des Daniel nicht in betracht kommt, muss es zur
prüfuug reizen, ob nicht gewisse stilistische eigentümlichkeiten
in einem oder dem anderen schreiben eine handhabe bieten
dürften, um den wahren verf. ans tageslicht zu ziehen, obwol
mir in J.s pubHcation nur ein wenig umfangreiches material
zur Verfügung steht und ich mir vorbehalten muss, auf grund
weiterer quellen , um deren einsieht ich mich bereits bemüht
308 JOSTES DANIEL VON SOEST
liabei, darauf zurückzukommen, möchte ich hier doch mit aller
reserve die vermuluDg laut werden lassen, dass vielleicht bei der
autorsuche an den canonicus Jasper van .der Borch zu denken
wäre, er war der söhn des gleichnamigen ratssecretärs von Soest,
der im jähre 1531 trotz seiner lutherischen gesinnung vor der
wut des pöbeis fliehen muste und auch später nicht wider zurück-
kehren durfte, da man ihn ungerechter weise bezichtigte, die
Soester schrae, das gesetzbuch der Stadt versteckt zu haben
(Jostes s. 14. 83. Gem. beichte v. 807 ff}.- der jüngere Jasper
war canonicus in Bielefeld, bekleidete aber gleichzeitig als neben-
pfründe die Stellung eines rectors von SAgathen-altar in Soest
und wurde als solcher von der ende 1532 an die altgläubige
geistlichkeit erlassenen aufforderung des Soester rates mit betroffen,
wonach jene den gottesdienst der ordinanz gemäfs einrichten,
anderenfalls aber ihre einkünfle verlieren sollte (Jostes s. 33).
während alle pfarrer und vicare diesen erlass ruhig ablehnend
erwiderten, antwortete Jasper gar nicht, um dann später um so
energischer in Kleve gegen die Soester vorzugehen, aus der in
dieser angelegenheit mit dem Klever drosten Wilhelm vom Raid
geführten correspondenz Jaspers hat Jostes s. 369 ff einige Schrift-
stücke mitgeteilt, aus ihnen, so gering sie an zahl sind, lernen
wir Jasper als einen selbstbewusten, muligen mann von starkem
rechtsgefühl kennen, der erlittene unbill nicht ohne weiteres un-
gesühnt lassen will, das ausbleiben einer antwort auf ihre auf-
forderung von seilen Jaspers hatten die Soester als Widersetzlich-
keit gegen gottes wort, gegen die neue kirchenverfassung ge-
deutet: gegen gottes wort , das man, wie Jasper sagt, gott zu
ehren und zur Seelenseligkeit angenommen , in Wahrheit aber
'erdacht', durch eynen boesewicht, Joharmem Campensem, den sy na
sehest dar vor uügedreven, vort dorch Thomam, eynen verloepen
monnick , de eyn verlopen nonne hevet , und anderen, ennen wol
hekant — to syner uneren, verstoeringen und seien verdamems,
vort to uploipe, unhoirsamheit angenommen hätte, gegen eyn
ungotliche , ungerechtliche und unbillike ordinantie , legen got , syn
* Jostes selbst halte die freundliclikeit, mich auf weiteres material,
das zur begründung meiner hypothese näher zu untersuchen wäre, hin-
zuweisen [siehe jetzt unten].
2 laut gülif?er mitteilung des hrn geh. archivrats dr Harless besitzt
das kgl. Staatsarchiv zu Düsseldorf einen brief des atden secretaris Jasper
van der Borch an den herzog Wilhelm von Kleve vom 3 februar 1532, in
dem derselbe diesem mitteilt, dass während seiner (Jaspers) abwesenheit
in Bielefeld am freilag nach Thomas (22 dec. 1531) in Soest ein aufruhr
geschehen, und dass man am 19 jan. in seinem hause eingebrochen sei
und nach geheimen briefen gesucht habe; zum schluss bittet erden herzog
um beistand, am 14 märz antwortete der herzog, er möge sich noch eine
zeit gedulden. — nach einer mir von hrn prof. Höhlbaum zur Verfügung
gestellten Urkunde des rates von Soest an den von Köln vom 21 mai 1538
war der frühere secretarius mester Jasper van der Borch später in Köln
wohnhaft.
JOSTES DANIEL VON SOEST 309
hillige ivort und evangelium, eren laut für sten und er overicheit
gemaket. die Soester hatten die fruclitharen bäume auf Jaspeis
lelinliüt'e, ihm uud seinem schulzen zum schaden, mit gevvall
umgehauen , geschhchlet und geschält, 'aber damit nicht genug',
schreibt Jasper, 'sie betrachten auch mein beneficium als ihnen
wider zugefallen', gelkh wat sy deckten, schreven und sechten, sutde
evangelium wesen, dair et alsamen duvels, ungotlich, unhillich und
unredelich — . es sei ihrn unglaublich, dass die Soester ihr vor-
gehen gegen ihn aus gotles wort und seinem evangelium recht-
fertigen wollten, da er doch dasselbe evangelium gerade so oft
wie die meisten in Soest gelesen habe; sehr kindisch und un-
billig erscheine es, wenn sie geschrieben hätten, seine rente
solle in den casten vallen; nach göttlichem und kaiserlichem wie
nach ihrem eigenen rechte seien sie verpflichtet, ihn bei dem
seinen zu lassen, es ihm nicht gewaltsam zu nehmen, gegen-
über diesem mit velen homoidigen, unnutten, verachtliken , spi-
tigen wairden gespickten briefe, den Wilhelm vom Raid dem Soester
rat einsandte, hielt letzlerer es für geboten, die eingehende
rechtfertigung des gegen Jasper geüblen Verfahrens nicht selbst
zu besorgen, man halte in Jasper keinen so gelehrten manu,
der schrifft so gantz verfaren, keinen so ausgesprochenen gegner
des neuen glaubens vermulel und beauftragte deshalb den super-
atlendenten Joli.Brune selbst mit der beantwortung des Schreibens,
durch das sich der rat versmaelicher wyse verachtet, spytig ver-
hoent fühlte. Brune suchte in seiner rechtfertigung namentlich
den Vorwurf erdachter lere zu entkräften und belegte im einzelnen
alles, was Jasper als uugeliörig getadelt halte, mit biblischen
citaten. das gegen Jasper befolgte verfahren motivierte er durch
berufung auf Pauli wort: de nicht arbeydet, sali nicht etten; —
und alle leenen syn ingeset tho godes dienste. aber damit be-
ruhigte sich Jasper nicht, auf dem tage zu Horde überreichte
er eine bitlschrift, welche die bekannten klagepuncle vorbrachte,
aufserdem beantwortete er Brunes carthebille über ihn in einem
eingehenden an Wilhelm vom Raid gerichteten briefe. Brune
hatte sich in seinem bericht an den Soesler rat devoter weise
als superattendetit unwerdich unterzeichnet. geschickt knüpft
Jasper hieran an und beginnt seine erwiderung, die auf eine
Verhöhnung Brunes hinausläuft, mit den worten Als Jan de
Bruyn, unwerdich Superintendent to Soest usw. im weiteren ver-
lauf spricht er dann von ihm nie anders als wegwerfend von dem
Vleming, weil man sich in Soest mit Brunes flämischem dialecte
— er war ehedem observant in Gent gewesen — nicht recht ab-
zufinden wüste (Josles s. 35). bald sind ihm Brunes auseinander-
setzungen eyn schoen geluyt, bald heifst es de Vleming platten, puncl
für puncl geht Jasper auf das gegnerische Schriftstück ein und
legt dabei gleichzeitig sein eigenes glaubensbekennlnis nieder;
die hefligkeit der polemik wurzelt in seiner überzeugungstreue.
310 JOSTES DAMEL VON SOEST
gottes wort, heifst es da, sei lauter und klar in Soest ange-
nommen, unvermengt mit menschenlehre: so werde behauptet;
das könne er unmöglich glauben, wo van eynen mmschen, Gert
Omecken, eyn ordinantie tosamen geslagen (loere), voll veel un-
gotlicher dinge und schendingen, und alle boiszheyt in Soest na
synt erwassen. 'hätte der Fläming mein trüberes schreiben lesen
und verstehen können und wüste er andererseits der Soester tun
und treiben zu beurteilen, er müste die Wahrheit meiner aus-
sagen zugeben.' want wair dat wort und crafft godes im herten
is, dar is got sehest und dair synt godes werke und dair moiten
van noiden syn de gelove, de vrede, de lieffde und de hoirsamheit;
aver der en is geyn in Soest, dan dar is alle moeterie, uproir,
unfrede, unhorsamheit , rehell und alle selffweldicheit. so en is
dair got noch syii hillige wort nicht dan de duvell, de des speels
eyn here is, als dat de gotliche schrift nabrenget. 'da schwätzt
der Fläming, das göttliche wort sei in Soest nicht durch 'Johen-
nekeu' Campen (vgl. G. b. 1625) angenommen, sondern durch die
ewige Weisheit vordem auf diese zeit bestimmt worden, auch
ich glaube, dass das wort gottes, das sich in Christi gehurt und
nach seiner auferstehung verkündigte, — zweifellos von der
ewigen Weisheit vorgesehen worden ist, aber ich glaube nicht',
dat de ewyge wysheit to desen tyden den gemelten Campen dat
hillige evangelium und gotliche wort, also van sy gedain, to pre-
digen uitgesanl , dan de duvell dorch syne kunsten, er (der Soester)
vleyslyke begerte undvryheyt to sedigen, uitgesant heb (vgl. G.b.556),
na vervolginge der werke, nachdem man in 'Johenneken' Campen
den büsevvicbt erkannt, habe man ihn freilich fortgejagt, aber
besser sei es deshalb in Soest nicht geworden; im gegenteil: und
synt synder des verdrivonge veel meer uproir, gewelde, unhoirsam,
smehen und sehenden gedain und gebruycket dan to voren, und
mynes Versehens by desem Vlemyng nicht gebetert dan geärgert und
vellicht nicht so hillich als he schynet (vgl. G. I>. 2207). wenn ein
mann wie Thomas ßorchwede, ein mönch, zusammen mit seinem
weihe in Soest eine so grofse rolle spielen könne, so sei das
dort nicht wunderbar, wo ein Sägeschneider und seines gleichen,
so sehr das auch zu beklagen wäre, mehr einfluss hätten als der
rat (vgl. dazu Jostes s. 19). über die berechtigung oder nicht-
berechtigung der ehe habe er sich gar nicht ausgelassen, er
habe nur behauptet, dass durch Thomas und Campen in Soest
alle boisheit up sy gestanden, dass man dort gottes wort im munde
führe, aber des teufeis rat ausführe (dat wort godes riepen mittem
munde iind des duvels werken im gründe), was der Fläming über
Pauli wort vom arbeiten und essen (siehe oben) narret, das lehre
Paulus gar nicht, sondern er, der Fläming, dencket und luyget
uyt synem vader dem duvel. — und als he (Brune) int sluyt syner
cartebellen roiret, wete ich dat wort godes eder den denst, de dair
angericht sy, to wedderleggen , sulle ich dair komen, willen my
JOSTES DAISIEL VON SOEST 311
gerne stain tor antworden: lieve her drustl dair will he den hären
grypen! is dat nicht eyn stolt, nyt ey sehen van eynem pfuych Vla-
rnyng to komen, dair de borgermester geyn macht hebhen, dan
umme de gewelde und unhorsamheit willen mit andern alden bor-
germestern, zysemestern und andern fromen luyden uyt Soist heben
moiten uyken ? to komen, dair sy alle geistlichen spoliert, schanipfiert
und verjaget hebn '? to komen , dair sy erer segeler und erer aller
gegeven geleide over fallen, spoliert, beschediget, beschampßert hebben?
to kamen, dair de moitmecker (siehe Schiller- Liibben 3, 112)
eyner armen frauwen huys, hoff und all er guet geweltlich ge-
nomen hebn? to komen, dair sy my dat myne tegen segel und
breve, ere, got und recht gespolieret und destrueret hebn und des
nicht untseen noch Schemen? Des Flemynges loese, duvelsche in-
gevynge meynt, sy sullen de pelser passie dair myt my speelenl
(siehe Jostes s. 33 und unten die anm. zur G. b. 1759). is he from
und synt sy from, so komen sy uyt vor hoichgedachten chur und
fursten, er geistliche und werltlich raide eder vor frome unpar-
tyeleke luyde und laiten de dair up seggen, anders hevet got van
en gesprocken: de boisheit doit, de hatet dat licht (vgl. Dialogen 1333).
und boven all en sali sich nummer in warheit bevynden, dat ich
in myn levedage [tegen] dat wairhafftige wort und evangelium
Cristi unses heren gedacht edder geschreven heb, moit syne und der
moitmecker plattern und sehenden als veel andere frome luyde, tor
tyt dat got almechtig betert , woll lyden.
Vergleichen wir den in diesen beiden privatschreiben an-
geschlagenen ton mit dem des für die Öffentlichkeit bestimmten
Apologelicon, so wird man sagen dürfen, der autor des letzteren
müsse jedesfalls eine persönlichkeit gewesen sein, die sehr ähnlich
veranlagt war wie Jasper van der Borch. beiden ist eine ironisch-
satirische ader gemeinsam, sie gebieten über rhetorische Schulung
und wissen sich volkstümlich auszudrücken , nur dass sich aus
dem umfangreicheren Apologeticon eine weit ergibigere blüteniese
zusammenstellen lässt.i <aber noch etwas anderes ist es, was
» ich führe als beispiel die epitheta auf, mit denen Daniel von Soest
die Lutheromaiiiten bedenkt: dei Soestische bischope und bischopinnen
287,20. dei hartTieckigen, verstockeden Lutheromaniten , dei velt fluch-
tigen muilchristen 2S8, 8 f. vgl. 289, 22. 291, 19. 292, 19. 295, 10. 297, 15.
298, 7 f. 301,25. kfftternche 7riuilchi'isten 299, 16. Jiachtraveii und pleer-
muse 288, 35. duvelsche secte 289, 1 2. olde duvels 289, 18. nasewise
tadelgense 293, 28. grote hansen und kifhatfige puchers 295, 23. licht-
verdige overtreders 297, 14 f. duvelsche lastennulen 299,16. vervoi'ische
schant flecken 299, 1 7. rechte wäre vorboden des endechrists 299, 34 ; er
vergleicht sie hochverdigen gigatiten , ungetemden waldeseln 295, 35 f,
rasenden hunde?i296, 12. Omeken ist ihm dei Soestische pauwest 293, Mf.
299, 20 (Luther dei Sassesche pauwest 299, 24) , ein vermetten egenkopisch
narre 29i, 11, schantflecke 29S, 3b, logemester 299, 1, schantvogel imd
grove logener 299, 8 f, lantloper iind schalkhaftige bove 303, 12, unse
nigge Helle 299, M, er spricht von Omekens kalfreden 292,10, von seiner
ordinanz als einem toarheftigen libellus famosus, logen-, schant- oder
lasterboek 298, 36 {. 301,9. 303,13.
312 JUSTES DANIEL VON SOEST
uns iu Jaspers briefen an Daniel von Soest gemahnt. Jasper ist
^'anz besonders schlecht auf Johann von Campen und Thomas
ßorchwede zu sprechen und sieht in ihnen die eigentlichen
Urheber des neuen handeis (siehe auch Jostes s. 60), über
Brune giefst er die volle schale seines spottes aus, weil er ihn
als den hauptsächlichsten gegner in eigener angelegenheit erkannt
hatte, sehen wir nun zu, welche rolle den genannten in der
Gemeinen beichte Daniels zugefallen ist, so wird es gewis nie-
mandem auffallend sein, dass Johann von Campen, entschieden
das unsauberste dement unter den Soester lutherischen, vor-
nehmlich von Daniel zur Zielscheibe seines hohnes genommen
ist: er erscheint als directer abgesandter des teufeis (G. b. 479 ff.
556 ff), aber freilich auch weit würdigere gegner, mäuner wie
Pollius und Brictius hat Daniel in gleicher weise in den schmutz
gezogen und der pamphletist kann daher nicht anspruch auf das
lob eines künsllers erheben, der weise licht und schatten ver-
teilt habe, er malt überall mit gleich greller färbe, dennoch
glaube ich mich nicht zu teuschen, wenn ich meine, dass Brune,
der Soester Superintendent, mit besonderem behagen von Daniel
aufs körn genommen ist. er steht im mittelpunct der handlung
und gibt den beiden in der prädicantenhochzeit ab, der besten
aber auch derbsten scene des ganzen Stückes, immer und immer
wider sucht der pamphletist an ihm sein mütchen zu kühlen,
indem er bald diesem bald jenem eine characteristik des nach
Daniel in allen satteln gerechten 'schriftdiebes' (G. b. 1280) in den
niund legt, zuerst den hauptleuten der schützengilden (1053 ff),
dann Johann von Campen (1574 ff), hierauf dem kaplan Kelberg
1767 ff), endlich Thomas ßorchwede (2207 ff), mit Bruoes aus-
einandersetzuugen mi gutachten über Jasper (Jostes s. 373) vgl.
auch die ähnlichen ausführungen in der Gemeinen beichte 1164 ff^
1980 ff. um es kurz zu sagen: an der band des uns vorliegenden
materiales dürfte Jasper van der Borch bei der verfasserfrage
des Daniel von Soest mit in erster linie in frage kommen, der
aussprucb Daniels im Apologeticon, er habe die geschilderten Vor-
gänge ein deel sehest gehört, ein deel ok geseen (298, 17; vgl.
Jostes s. 63) widerspricht nicht dem, was wir über Jaspers leben
wissen, sein vater wie er wurden von der bewegung betroffen
und sind ihr zweifellos mit der grösten Spannung gefolgt, wo
immer sie sich aufgehalten haben mögen: wann der jüngere
Jasper canonicus in Bielefeld wurde, habe ich nicht ermitteln
können; der ältere war 1538 in Köln wohnhaft (siehe s. 308
anm. 2). was Jostes s. 60 zu gunsten Groppers anführt, dass
nämlich Daniel von Soest über die Vorgänge aus bester quelle
unterrichtet gewesen sein muss, gilt nicht minder für Jasper,
dessen vater ratssecretär war; freilich verliefs dieser Soest schon
im anfang der bewegung, während der alte bürgermeister Gropper
erst später Soest den rücken wandte und zu seinen söhnen nach
JOSTES DANIEL VON SOEST 313
Köln zog. ich darf nun aber nicht verschweigen, dass ein um-
stand meiner annähme entgegenzustehen scheint, und ich verhehle
mir nicht die Schwierigkeit,, dieses hindernis zu beseitigen, ich
habe schon erwähnt, dass der ältere Jasper trotz seiner lutheri-
schen gesinnuug in folge eines falschen verdachtes aus Soest
fliehen muste. Daniel von Soest lässt nun mit bezug hierauf
den Job. van Campen in der Gemeinen beichte v. 821 ff folgendes
sagen: leiven broders , wat is geschem? mester Jasper mot ut der
stat vlein, dat gi en hebt verclagt und besacht; he dor nicht langer
bliven ein nacht, he is ein christlik broder fin: wan he sat bi
den heren to win, in einer hant hilt he dat glas, ut der andern
Luthersche boker las van pawsten, moniken und papen, nunnen,
beginen und ander apen; des lachede mannich und was verblit,
se horden to mit grotem vlit. den der icorpel heft nn anders ge-
lopen, dan er meinung loas und hopen: wi verleisen einen guden
man, wan dat nicht anders wesen kan. auf den ersten blick
scheint es psychologisch undenkbar, dass der söhn, falls der
jüngere Jasper sich würklich unter Daniel von Soest verbirgt, so
vom vater gesprochen haben sollte, man müste denn aus den
verschiedenen standpuncten in religiösen dingen geradezu ein
Zerwürfnis zwischen vater und söhn ableiten wollen, allein man
muss sich hüten, die Soester bewegung lediglich als religiöse
reform aufzufassen; es ist ein verdienst von J., in seiner einleitung
widerholt darauf hingewiesen zu haben , wie eng mit der reli-
giösen reform die sociale verknüpft war, wie sehr sociale momente
im Vordergrund der bewegung standen, ich glaube daher nicht,
dass wir aus dem umstand, der alte ratssecretär habe aus Lutheri-
schen schritten den herren beim glase wein vorgelesen , von
vorne herein auf einen schroffen glaubensgegensatz zwischen
ihm und dem söhne scbliefsen dürfen, und selbst wenn ein
solcher bestanden hätte, werden wir docb darüber nicht im
zweifei sein, auf wessen seite sich der alte Jasper nach seiner
unverdienten absetzuug gestellt hat: gewis nicht auf die de*-
Lutheromaniten , die ihn so schmählich behandelten, als Daniel
von Soest jene stelle schrieb , sympathisierte der alte Jasper nicht
mehr mit der Soester reformpartei und so konnte selbst der söhn
wol, wenn anders er mit Daniel identisch ist, in obiger, vielleicht
noch dichterisch ausschmückender weise sich über die Vergangen-
heit des Vaters auslassen, er wollte die würksame episode nicht
missen, würksam, weil sie illustrierte, wie die von ihm gehasste
partei gelegentlich auch mit denen verfuhr, die mit ihr in manchen
ansichten übereinstimmten , sich eher freundlich als feindlich zu
ihr gestellt hatten, gerade dadurch, dass Jasper- Daniel so un-
befangen über den vater sprach, durfte er voraussetzen, bei der
suche nach dem wahren autor unverdächligt zu bleiben, wie er
selbst andererseits unter seinem pseudonym sich in seiner satire
freier bewegen konnte, als das sonst augäuglich gewesen wäre.
A. F. D. A. XV. 21
314 JOSTES DANIEL VON SOEST
[Nachträglich geht mir durch die gute des herrn gymnasial-
lehrers dr Vogeler aus dem Soester archiv jeuer band vou Vor-
wercks urkuudenabschriflen (Reformation 1531 — 47, i 6) zu, der
ua. die vollständige correspondenz Jaspars van der Borch in der
oben auslülirlich behandelten Streitfrage enthält, da auch jene
Schriftstücke, die J. nicht aufnahm, eher für als gegen meine
hypothese, unter Daniel von Soest berge sich Jaspar van der
Borch, sprechen dürften, sei es gestaltet hier noch einiges
auszuheben. Jaspar canonicus zu Bielefeld und Herford war 1530
mit dem Agathenaltar auf dem Jacobitore, der dorch vryewylltge
overgevinge Siffrüh van der Borch erledigt war, vom Soester
rate belehnt worden, in seinem schreiben an den Klever drosten
Wilh. vom Raid vom 10 juni 1533 (vgl. Jostes s. 369) sagt Jaspar
betrefls der Zerstörung seiner 15 fruchttragenden eichbäume, er
habe nie und nimmer geglaubt, dass eine Stadt, de dat wort
godes und evangelii angenommen wyJlen hebe, so tegen ere segeil
und hreve, dat wort godes, ere, alle rechte rede und billicheit
gewaltsam verfahren würde, dat noch joden, turcken, heyden noch
tartaren gestaden edder doin sulden (s. 109 IT), in seiner auf dem
tage ZU Hürde dem herzog von Kleve persönlich überreichten
bittschrift (Jostes s. 373), die abermals alle klagepuncte aufzählt,
heifst es, der bürgermeister und rat der Stadt Soest hätten ihm
geschreven aldair to komen, und eren angefangen sanck luyde in-
gelachter copien geschreven. so et dan openbar tegen got und recht,
J. F. G. ordinatio und er segel und breve und aldair nicht anders
dan uploip , moeterie, boverye, gewelde, sehenden und scheiden als
lantkundich is, heb ich niy uniholden, geyn antwordt geschreven,
betruwende, sohlen sich bedacht und sodane ere unbillike schriven
by sich sehest afgestalt, gode almechtig und J. F. G. gehoir-
sam bewisen. so en heben sy der geyn bedacht, dan wu lenger
wu boisslicher, schelmiger vort gefaren usw. Wilh. vom Raid
habe sich zweimal für ihn bei den Soestern verwendet, worauf
»dieser so kyntliche und ungegrimde antwort van den van Soist
unt fangen, dattet doch lydelich is to hoeren, up dat erbieden
mit allem nicht en antworden, dan eynen verloipen Vleymyng, de
sich Jan de Bruyn superattendent noemet hervor, beneff'en eren
Tomas mester, den sy in verget erer segel und breve vor eren
secretar angenomen heben, anspannen, de kunnen uyt dem word
godes, den evangelien und saut Puuwels episteln und den rechten
mit hegen und all (lies an '?} stotteren schriven und lesen , dat die
van Soist er segell und breve nicht halden dürffen und dat myne,
dat sy schriven to godes diensle sy gegeven, geweidig moegen de-
strueren und nemen, dat ich geschreven heb (siehe oben s. 310)
und noch segge oppentlich, dat sy duvels ungotlich, unrechtlich
und unbillich und ich heb van der gnade godes de hillige evangelie,
vort episteln und dat wort gotz, sonder verbarch to seggen, wol
so vaken und veil gelesen und untholden als de semtliche ytzige
JOSTES DANIEL VON SOEST 315
rait mit erem Stolle / Pock (??) nyen secretar und byn des gewiss,
dat sy sodanit darr inne nicht sullen vynden. schryven, ich sulle
dair kommen, is warlich dapper! ich sali komen, dair men my
und idermennich, wen en believet, dat syne (nicht) untsuyt to
nemen, äff to houwen, entwe to slain, to vretten, suypen und
schampfieren usw. (s. 118. 120). aus dem ersten teile des von J.
s. 373 erwähnten doppelbrieles Jaspars an Wilhelm vom Raid vom
20 oclober 1533 verdient folgendes mitgeteilt zu werden: so J. L.
my unlangs der von Soist antwort (J. s. 371 nr 36) mit einer in-
yelachten lybell eynes Vlemynges , de sich Jan van Bruyn unwardich
snperattendent nomet (J. s. 372 nr 37) , heben doin bringen, de
weleke dan vermeldet, sy, de van Soist, nicht vermodet weren ge-
wesen, dat ich so spytige over sy sulde hebn geschreven, na dem
ich sy noch vor patronen bekente, und nicht getveten hetten, ich
so groten geleerden man gewesen were, dat ich so hefftegen tegen
dat evangelium sy angenomen hebn, allet dnvels to syn schryve
und so en dat to diep, Jan de Bruyn musz gedain, dairup to ant-
worden — heb ich allet gelese7i. — — — ich en gelove
nicht, dat ich tegen dat evangelium, dan alleyn als sy roipen wort
godes und evangelium mittem munde und volgen dair nicht mit
denwercken, mer alle moeterie, uploip, gewelde, scheiden, sehen-
den, eren geistlichen sonder recht dat ere nemen, versagen und
schedegen, ere[r] wertliche overnheit vangen, grypen und alle sunder
manen('?) van rechte schampferen etc heb geschreven — — Gert
Omelien habe umme geldes willen er ordinancie nicht sonder godes
lestenmge und fromer luyde schendinge to samen geslagen. ich
gelove dannoch dat unse gnedige lantfürst und her van Cleve,
Guyige und Berge eyn lovelich cristen fürst und geyn der geringsten
des romischen rykes en sy, cristlichen adell und veel cristlicher
stedt , landes und luyde hevet , de alsamen syne F. G. cristliche ordi-
nantie angenomen hebn und de van Soist ouch bylleker dan Gert
Oemeckens ordinantie annemen und den fiirsten , heren und steden,
dair sy van schriven (J. s. 372), suhlet ungetwyvelt wonder geven
(vgl. damit Apologeticon 290, 4 ff), dat men vmment dat syn,
wu de van Soist doin, geioeltlich sulde nemen, und dat sy dair boven
druwen etc, were en mynenthalven nicht van noiden, so ich als
eyn arm canonick (vgl. ick armer Daniel Apologeticon 287, 6.
10. 17. 2S8, 5 usw.) to Hervorden residentie holde, sint dannoch
vyll fursten, greven, heren, stede und lande, de, unverfairt der
van Soist , wol recht edder anders gestadeden , und wu et ouch mit
Rome, Meylam (Jaspar hat wol die Mailänder Verhältnisse des
Jahres 1521 im sinne) und andern groten ryken und seer mech-
tigen steden in welschen und duytschen landen gefaren, is lant-
kundich. aus diesem gründe erbittet sich Jaspar zum dritten
male die fürsprache Wilhelms vom Raid bei den Soestern, um
von ihnen entschädigt zu werden , up dat ich my des nicht wyder,
wu sy segelois(?) werden, my und anderen ere gegeven segel und
21*
316 JOSTES DAMEL VON SOEST
breve nicht en halden , an fürsten , kern und steden nicht beclagen
*dürffe, dat en woll seir uneerlich ivulde vollen, ich doch, kennt
got abnechtig (vgl. meiue aiwii. zum Dialogon 221), seir ungerne
dede. J. L. willen sich gntwillich hyr in bewysen, will ich gerne
vorbidden und vordeynen und bidde deses eyn gutliche antwordt,
und wuwoU mynes bedenkens my nicht nodich were, üp des Vle-
mynges Charte (J. s. 372) to antworden, beleve doch J. L. dyt hir
inn verslotten dairup to verneinen, geschr. d. xx dach octbr. ao
1533. J. V. d. Borch der junge (s. 120. 119. 121). nun folgt J.
s. 374 nr 38. Wilhelm vom Raid willfahrte Jaspars wünsche
und suchte noch zweimal brieflich in der Streitfrage zu ver-
mitteln, das eine mal unmittelbar nach empfang des Schreibens,
am 21 october und zwar in einer spräche, die an deutlichkeit
nichts zu wünschen übrig liefs. über ßrune lässt er sich gering-
schätzig aus und von den den Soester rat beherschenden Luthero-
maniten sagt er: de semycheler (? Schmeichler?) und huychler, wie
ich sy sali noemen, uch vor smeren, dat ir mit gode und eren
eynem andern dat syne geweltlich moget nemen und uyre segel und
breve nyet durfft halden usw. das zweite schreiben vom montage
nach der unschuldigen kinder tage 1534 stellt den Soestern, die
sein letztes schreiben unbeantwortet gelassen hatten, ein Ultimatum
des inhaltes, wenn sie nicht nachgeben würden, möchte sich die
angelegenheit für sie nur noch mehr zuspitzen und man sie dazu
zwingen , was sie nun freiwillig nicht ersetzen wollten, über den
weiteren verlauf siehe J. s, 373].
Ich kehre von diesem längeren excurs zu J.s buch zurück,
nachdem er s. 64 ff die notiz bei Hamelmann von einer deutschen
gegenschrift des Joh. Pollius auf ihren wahren Sachverhalt ge-
prüft und wahrscheinlich gemacht hat, dass Pollius nur ein
kurzes lateinisches epigramm auf Daniels von Soest satire ver-
fasste, untersucht er s. 67 ff den historischen wert des Daniel,
gibt eine characteristik seines Schaffens sowie eine inhaltsangabe
der Gemeinen beichte, es ist schon von anderer seite als auf-
fallend hervorgehoben worden, dass J., der so gerecht und un-
parteiisch in der eiuleitung die Soester bewegung geschildert
hat, den historischen wie den ästhetischen wert der Gemeinen
beichte entschieden überschätzt, als historiker zeigt sich Daniel
in seinem urteil befangen, weil »er ausgesprochener parteimann
ist: in so heterogenen persönlichkeiten, wie Campen und Pol-
lius es sind, erkennt er nur die gegner des alten glaubens und
misst sie deshalb mit gleichem mafse, den vornehmen liebens-
würdigen Pollius und den hochstapler Campen! man kann J.
beistimmen, wenn er für Daniels behauptung, die volle Wahrheit
geschrieben zu haben, eintritt, falls man nur diese behauptung
folgender mafsen commentiert: bewust gelogen oder gefälscht,
absichtlich verläumdet hat Daniel gewis nicht, aber er hat oft zu
schwarz gesehen, übertrieben, den handlungen irrige motive
JOSTES DAMEL VON SOEST 317
untergelegt, eben weil er der ganzen bewegung nicht als ob-
jectiver beschauer sondern als lebhaft beteiligter gegenüberstand,
das gibt J. eigentlich auch alles zu; ich kann dann aber nicht
finden , dass die seinen erörterungen vorangestellten ansichten
eines Barthold, Cornelius und Vorvverck, die den historischen
wert Daniels nicht bestreiten, aber, eben weil er übertreibt, ihn
für die kulturgeschichte nur mit vorsieht benutzt wissen wollen,
zu modiücieren wären, die gleichen ausstellungen sind es, die
den ästhetischen genuss der Gemeinen beichte — nur sie kommt
in betracht; das Dialogon ist ein durchaus kunstloser dialog
zwischen Daniel und Philocristus — beeinträchtigen, auch den
dichterischen wert der satire hat bereits Cornelius aao. 2, llOf
kurz aber treffend characterisiert. durch die grelle beleuchtung,
in die das ganze gerückt ist, verliert das einzelne an würkung.
in einer gesellschaft , in der ununterbrochen einer den andern
an rafönement zu überbieten sucht, stumpft sich notwendig das
gefühl des lesers für die stets gleichmäfsig ironisierende dar-
stellungsweise ab. ich läugne nicht, dass manches im plan der
Satire bedachtsam entworfen ist, aber die ausführung macht zu
sehr den eindruck des überhasteten, unfertigen, kunstlosen, das
aber, was uns für den dichter einnimmt, ist der volkstümliche
ton seiner rede, der namentlich in der schon berührten prädi-
cantenhochzeit — sie hat in Bertschi Triefnas hochzeit in Witten-
weilers Ring einen geistesverwandten Vorläufer — erklingt, hier
freilich sehr derb, doch durchaus am platze, der gelehrte',
theologisch und juristisch gebildete autor denkt mit dem volke
und knüpft an seine gebrauche an. die lieder, die Daniel ein-
fügt (G. b. 2707 ff. 25 ff. 70 ff. 2809 ff. 69 ff), haben damals be-
kannte Volkslieder zur vorläge (vgl. auch die s. 283 f unter
vLiliencrons hilfe mitgeteilten melodien); die figur des teufeis,
der geschickt in die einleitung verwoben ist — er kommt direct
aus Wittenberg vom Luther — , entstammt dem älteren volkstüm-
lich-geistlichen drama, und auch an das fastnachtspiel, dem das
kirchlich -polemische drama des 16 jhs, so manchen zug entlehnte,
fühlen wir uns nicht selten erinnert, an sprichwörtlichen redens-
arten ist kein mangel: G. b. 139 f dar licht de hase, als man seght,
in dem graset vgl. Simrock 7799. 219 f vor gedaen und na be-
dacht, heft manchen in not und sorge bracht l vgl. Simrock 11051.
* abgesehen von den zahlreichen bibelcitaten und den gehäuften be-
rufungenG. b. 329 ff. 3487 ff. 3535 ff. 3613 ff, vgl. noch die citate aus Alexander
Gallus G. b. 750. Tertuliian G. b. 2104. D. 276. SJohannes Guldemunt D. 273.
Augustinus G. b. 3502. D. 627. A, 289, 6. 294,15. Ireneus D. 318. Ambrosius
und Hiiarius D. 502. Terenz D. 1327. A. 288, 37. Seneca A. 288, 29. SIgnatius
A. 293, 29. 299, 38. Josephus 297, 33. 300, 34. berufung auf die rechte
D. ] 370. 1526. A. 297, 22. 298, 6. 299, 8, häufig auch auf Luther, der Ketter-
spiegel niuss ein recht gelehrtes werk gewesen sein, einige berufungen
auf die volkslitleratur siehe weiter unten, vgl. endlich noch so vil ogen
als Aj'gus had G. b. 3644 und Eneas Silvius vam overspelEuriali und Lu-
crecie A. 297, 34 f.
318 JOSTES DAMEL VON SOEST
749 ff wird eine stelle aus dem Doctrinale des Alexander Gallus
so verdeutscht: den alden rock salstu nicht werpen van der haut,
de nie hange dan an der want, 1651 IT ein Sprichwort aus den
duetschen Adagia des Joh. Agricola (Simrock738) in folgende reime
gewandelt: dei sinen hart let wassen lank, is siner sahen nicht wol
bekant; he heft eine böse daet gedaen eder he wil eine hoveri be-
gaen. 5691' als men secht im gemeinen sprok und worden: ein
jder apost is ein Verfolger sins orden, vgl. auch 1806 ein ider
apost vervolgt sinen orden. 1904 de duvel is better gehuert dan
gekofll 2456 dat eine swert hell dat ander in der scheiden! vgl,
Simrock 9400. 3348 heren hulde is gein erve. vgl. Simrock
4627. Diut. 1,324. A. 289, 1 dei jungen enget werden dei olden
duvel. vgl. Simrock 2067. Tunicius 80. 301, 12 f men kennet einen
{deren vogel bi sinem egene sangh; böse vogel, böse gesangh. vgl.
Simrock 10980. 98. aber auch sonst ist die spräche durchaus
volkstümlich, wofür noch die herufung auf doctor Marcolphus
G. I». 160 oder Wendungen wie de worpel heft nu anders gelopen
833, de huven over dat hovet tein 1043, mit apen ogen nicht sein
1044, dat wil den vos nicht bitenl 1303, gi moten noch al anders
pipenl 1304, gein vive teilen 2224, do kreg ein ivessen nase dat
recht D. 1063 vgl. Simrock 8217, achter de bank, als man secht
A. 290, 9, eine bicht, als man secht, up sinen doit nemmen A. 295,
7 t', so ein der Luther omaniten — hoverdicheit wel noch in minen
credo nicht A. 299, 30 zeugen mögen, einige weitere siehe unten
in den bemerkungen zum text. — würkungsvoll ist d^e travestierung
bekannter Lutherischer lieder; der recensent imLitt.centralbl. 1888
nr 22 und Krause im Korrespondenzbl. d. ver. f. nd. sprachf. xni 15
haben den von J. gebrachten nachweisen weitere hinzugefügt: G.
b. 957 dit is de gude nie mer. 2101 (nicht 2727) ff nu holt
al an und weset fro und springet ho — grot und dar to kleine.
2927. 9 ein vaste borch is unse her Johan, ein gude xoeer und
wapen und auch 2739 (2751) he helpl uns ok ut aller not wird
als bewuste enllehnung aufzufassen sein; 2935 ut deper noit —
sla papen doit! Brunes braut legt Daniel G. b, 3033 ff eine travestie
des pateruosters in den nuiud und Joh. van Campen lässl er
sagen Maria is ein wif als ein ander! (G. b. 891). neben solchen
und anderen blasphemien begegnet auch eine grofse manigfaltig-
keit in volkstümlichen bezeichnungen für geschlechtliche Verhält-
nisse, die eben wegen ihrer Volkstümlichkeit lehrreich sind, aber
gewis ist J. im rechte , wenn er auf Daniels cynismus eine de-
finition ühlands betreffs des Fischartischen angewandt wissen
möchte, der wol unschön und ungeschlacht, aber nicht verfüh-
rerisch genannt werden dürfe, angemerkt zu werden verdient
vielleicht noch, dass auch Daniel das gerade in der litteratur des
16jh. so oft behandelte thema von der deutschen trinksucht be-
rührt, er sagt A. 300, 11 ff unse niggen propheten , apostolen und
evangelislen sint mer wen Epicurei, den er egenwilgesche geest dan
JOSTES DAMEr. VOIN SOEST 319
kommet alhrmeest, wanner se sik des beers und wins vul gesopen
hebben. nu hir van genoch, wenle solks nicht allem to Soest
dan ok leder der gantzen diuschen nacion vil lo vil kundicli is.
Auf die lilterarische Umgebung der Dauielschen satire ist J.
nicht eingegangen, was ich bedauere, weil eine vergleichung
dieser gleichzeitigen und gleichartigen lilterarischen erzeugnisse
mit unserem autor lehrreich gewesen wäre, ein teil derselben
war zudem J. bekannt und man muss nun schon annehmen,
dass er ihren wert nicht hoch anschlagt, in einem falle müste
ich solcher annähme entschieden beipflichten, ich verdanke der
gute des hrn dr Iber in Osnabrück die einsieht in Eyner dispu-
tation vorspill Peters vnd Dyrick Biiytmans geiiantes Predicanten
zo vnser heuen Frauwen binnen Ossenbrugge vp achte van synen
XLiui articulen Antwordt. Gedruckt im jair 1533, die nach J.
s. 78 aus derselben druckerei, aus der Daniels saliren hervor-
giengen , stammen, und nach Vorwerck s. 7 in vers und stil mit
Daniel von Soest ähnlichkeiten aufweisen soll, meine dadurch
erregte neugier ist aber wenig befriedigt worden , denn , wenn
man überhaupt eine ähnlichkeit finden will, so wäre es nur die
rein äufserliclie, dass die in frage stehende schrift und Daniels
Dialogon — die Gemeine beichte steht aufserhalb jedes Vergleiches
— kunstlose dialoge in poetischer form sind, in dem Vorspiel
sucht der lutherische winkelprediger Dirik Buitman , der in Osna-
brück die gunst des volkes gewonnen hatte und dieses nun
gegen den clerus heizte (siehe Cornelius aao. 2, 101), auf die
herausforderung des altgläubigen Peter hin 8 von 44 sein glaubens-
bekenutuis enthaltenden artikeln^ zu rechtfertigen, von einigen
volkstümlich-derben Wendungen- abgesehen, ist die spräche trocken
' eine gelehrte in lat. spräche geführte Widerlegung dieser 44artikel
bietet die mit dem Vorspiel-exempiar der hibliothek desCarolinum zu Osna-
brück zusammengebundene schrift Fnstrafflyck vnd mercklyck antwort vp
XLiiij articulen Dirick Buthmans injfedn/nf^en vnd vproerschen predicanten
tho Osenbriigge dorcli Christiatium Adeiphum Stenei'eiisem s. I. e. a. Cor-
nelius aao. 2, 99. 110. die 44arlikel sind in deutscher spräche vorangestellt,
die prosa- Widerlegung war dem ^erf. des poetischen dialoges bekannt.
2 ich stelle einige davon zur probe hier zusammen: Buytman du
addergesiecht A 5''. laifs hyr äff dyne vnd anderer ketzer gl'ifs, die
stech in dinen pyssekrufs A 6*. war woltu nü mede puchen? Paulus
scryfft lycht nycht i7i dyner Jüchen, mochte Paulus weder vp staen vnd
dy myt vusten vmme den kop slan , so mochte men dy leren dat du
nymans scry/ft soldest verkeren B 1^. auf Butmanns rede, die messe sei
teufeiswerk, mit dem Christi abendmal 'verkehrt' werde (Ehr. c. 9 und 10),
antwortet Peter jSMjYma?«, de hujisprake sta vp dinem kragen, vier de hil-
ligen ynisse sastu nuvimer vertagen, godt van heinel wirt dit an dy
wrecken , ich hör den duuel v/'s dy vnd nicht Pauluin sprecken. dat is
jiü leider to Ossenbrugge ein giert man, de hunspraken vnd gruwelike legen
kan. alle gelerten in XC (1000) jarenn sint gewesen, hebben ock wal
SPawels epistolen gelesen ; nochtajis yiemant van den is dat worden kund,
dat sodannes hebbe spraken S. pau(li) munt , vier du vnd dine gesellen
hebbet aussen art, wen gy jwe venyti hebbe?! v/'s gestört, vp dat men
320 JOSTES DANIEL VON SOEST
und nüchtern und Daniels Dialogen steht immerhin noch höher,
wenn wir vergleichen wollen, mehr gewinn wird man sich nach
den von Cornelius aao. 2, 170n. 179n. I80u. 200 n. 201 n.
mitgeteilten proben von Der Mönsterschen ketzer- bichtboek , laut
J. s. 64 einer nachahmuug Daniels, versprechen dürfen. Cor-
nelius hatte seiner zeit nur wegen des umfanges, der dem der
Gemeinen beichte ziemlich gleich kommt, von der Veröffentlichung
abstand genommen; das gedieht ist uns freilich nur in einer
jungen hs. (18 jh.) erhalten, vgl. Geschichtsquellen von Münster
2, xcvn. in die gleiche kategorie fällt dann noch ein schmäh-
gedicht auf Bernhard Rotmann, Stutenbernt bin ick genannt s. ].,
datiert vom 10 aug. 1533 (Cornehus 1, 297. 2, 334. Jostes
s. 213 n.). weiteres siehe bei Cornelius 2,99. 102 f. 108 n. HO.
vSoltau Ein hundert deutsche bist. Volkslieder s. 294.
Im abdruck der Gemeinen beichte hätte J. getrost scenen-
abteilung einführen sollen, der verlauf der handlung würde sich
dann dem leser noch leichter einprägen, als das nun bei dem
ununterbrochen fortlaufenden dialoge möghch ist. — was die
sprachliche seite der prosaischen und poetischen Schriften Daniels
sowie der mitgeteilten acteustücke betrifft, so hat sich J. darüber
in einem besonderen abschnitte (s. 390 — 3), wenn auch nicht
erschöpfend, ausgelassen, er findet, dass, während in Daniels
prosaschriften die soestische mundart im ganzen rein auftrete,
gein bedroch injw jnogen 7riercken, plegen gy jw mit der hilligen scrifft
to stercken B f*. betreffs der heiligkeit der messe sagt Peter zu ßutmann
nemet doch dusse dinge to sinne! dit gilt gein metz edder knie ff sunder
eine arme zele vnd Uff ß 7^. dat solde dy an diner Jiasen kleuen B 8''.
vnd gelikesi dat einen drette der ko B 8*'. so brenge vns better scrifft
vor de nesen, als dan wylle wy geime dine hugelers (?) wesen Gl'*.
werest du so glat als ein aell G 2^. hyr kämet de blawe drake (But-
mann nämlich, weil er lehrte dat sacrament is nicht dar, io anneer men
dat nicht en ettet, alzo Christus hefft in^esettet) vnd schuddet syn schubbe
van dem bake, hyr störtet he vfs syn veiiyn vnd wil ock ein sacremen-
tarius syn G 4''. o Buytman du evangelifssche man, war vyndestu dit
bescreuen stan: wyse my dat bock, capitel offte blat, meer my fruchte,
din breeff sy nat. meisterliken kaJistu schermen vor den blinden, de nicht
willen de wärheit vynden C 5^. doch de hillige scrifft is vns ein vaste
want legen jwen J\'urenbergschen tant, sagt Peter mit bezug darauf, dass
Butmann das fegefeuer läugnet C 6*. der 'beschluss' lautet Buytman, dit
hebbe ick dy to willen ged'an. wat sal ick nu vor Ion entfan, wo sal
ick van dy werden geer dt? lauest du my so byn ick lackers loert, nicht
huger maclistu my lauen, du entschendest auer my van neden wente
bauen, segge fry dat sy ein groff esell , he sy van Burick offte van
JFesel, he sy ein vnnewetten beist , nu he wedder stii dinem egenwil-
lichen geist. die gemaket hefft dit gedieht, fraget na dinen lästeren
nicht, begert ock nit din loff' of du dat mendest, de du gades licham
schendest. he is nicht libger dayi syn heer, din loff sy van eme veer. du
machst vuste lästeren dit gedieht: meer rede vnd scrifft en hefflu nicht,
dar du dat mede mögest straffen, wat licht an dinen vnnutten klaffen!
D 3b. 4^
JOSTES DAMEL VON SOEST 321
die poetischen saliren starke spuren des mittelfränkischen wie
auch des gemeinniederdeutscheu zeigen, dennoch aber letztere
die eigene Schreibweise Daniels verhältnismäfsig am getreuesten
widergeben: der Soester Daniel schrieb nicht im reinen soesti-
schen dialect. unter so bewandten umständen war ein conser-
vativer standpunct für den herausgeber geradezu geboten, die
Überlieferung des Apologeticon blieb bis auf einige wenige nor-
malisierungen unangetastet, in den gedruckten Satiren wurde
nur bei willkürlicher Orthographie mafsvoll die bessernde band
angelegt, jedes andere verfahren hätte notwendig die brauchbar-
keit der texte für grammatische Untersuchungen beeinträchtigt,
aus den beigegebenen urkundlichen mitteilungen ergibt sich, um
kurz zu sein, die interessante tatsache, dass die altgläubige geist-
lichkeit in Westfalen eher den dialect aufgegeben , die hoch-
deutsche Schriftsprache angenommen hat als die protestantischen
Städte, es ist dringend zu wünschen, dass J. die hier nur kurz
skizzierten fragen und probleme weiter verfolge, bereits in seiner
ausgäbe des Job. Veghe (siehe Anz. x212) sowie durch seinen
gehaltreichen aufsatz über Schriftsprache und volksdialecte im Nd.
Jahrb. 11, 85 ff hat er seine befähigung für derartige Unter-
suchungen documentiert.
Das glossar (s. 394 — 400) ist entschieden zu knapp aus-
gefallen, wenn J. meint, weiteren bedürfnissen käme jetzt das
billige Mnd. handwörterbuch von Lübben und VValther entgegen,
so muss ich für mein teil bekennen, dass ich trotz fleifsiger be-
nutzung des grofsen Schiller -Lübben nicht überall zu zweifels-
freiem Verständnis durchgedrungen bin. ich bedauere auch, dass
J. mit nur ganz wenigen ausnahmen auf angäbe der citate ver-
zichtet hat; der kleinen mühe hätte der so vieles bietende heraus-
geber des Daniel sich nicht entziehen sollen. J. scheint mir, er
wird diese bemerkung verzeihen , überhaupt kein besonderer
freund von zahlen zu sein: schon in seiner ausgäbe des Veghe
störten zahlreiche . Irrtümer in den citaten (Anz. x 213) und auch
in dieser neuesten gäbe nimmt er es mit den Verweisungen nicht
sehr genau. — ein personenverzeichnis (s. 401 — 404) beschliefst
das werk, das niemand aus der band legen wird, ohne seine
kenntnisse wesentlich bereichert zu haben.
Zum schluss gebe ich noch einige bemerkungen zu einzelnen
stellen, auf die im anhang abgedruckten briefe und actenstücke,
bei denen ebenfalls Zeilenzählung erwünscht gewesen wäre, gehe
ich systematisch nicht ein. gesagt sei nur, dass das Verständnis
nicht selten auf Schwierigkeiten stöfst, wenn auch J. durch gute
interpunction dem leser zu hilfe gekommen ist; sollte nicht ge-
legentlich eine falsche lesung oder, wo die vorlagen selbst ab-
schriften sind, Üüchtigkeit oder misverständnis des Schreibers
sich eingeschhchen haben?
Einleitung, s. 52 anm. über vettkamer vgl. VVoeste in
322 JOSTES DANIEL VON SOEST
der Zs. f.d. pliil. 10, 114 f und desselben Wörterbuch der westf.
mundart s. 298^ — s. 58 z. 18 lies Thomas Woeslhoff. — s. 62
ist in der letzten texlzeile statt staen : slaen zu lesen. — s. 78.
282 über den wahren Daniel von Soest würde vielleicht der
Lüneburger poeta laureatus Franciscus Nilotus (so J. gegenüber
Milotus bei Hartzheim und Vorwerck) auskunft geben können,
falls wir näheres über ihn wüsten, auch meine nachforschungen
über ihn , bei denen mich hr dr VVGörges in Lüneburg bereit-
willig unterstützt hat, sind erfolglos geblieben. — s. 78 z. 24
ist nach 'Dyrick' das komma zu streichen , ebenda z. 28 'Boeck-
manus' zu lesen. — s. 92, 358 lies tokumpst.
Gemeine beichte. 99 das Wortspiel eigenwiUtsch = evan-
gelisch, eigenwillion = evangelium begegnet noch G. b. 3043. Dia-
logon 638. 1180. 1281. 1661. Apologelicon 293,3. 300, 12, vgl.
Butzer der gut Eygenwillisch Mann Abconterfeytung — MButzers
B 4**. — 124 lästern und sehenden erscheinen häuüg verbunden:
199. 1230. 1S69. 2201. — 392. 666 an der pannen kleven hieven
vgl. Schiller-Lübben 3, 297^ — 401 unsigunst, und so ist doch
wol auch 1247 zu lesen nns[t] :gunst, D. 1150 bracht :lag[t] (lach)?
— 508 danzen na unser pipen auch 932. D. 266. na unser pipen
springen G. b. 604 vgl. Schiller-Lübben 3, 330^ DWB 7, 1643. —
599 f gripen edder spannen, binden edder fangen, vgl, 849 binden
edder spannen. — 627 nicht ein kaf auch 2048, vgl. 1270. Bir-
linger zu den Kölner chroniken 3, 975\ — 757. 8 geet et ju ovel,
so — geet et ju wol, so — ähnlich 765 f. 1093 f. — 827 statt rfe
ist he zu lesen; 829 moniken. — 931 grote hansen auch D. 1318.
A. 295, 23. 303, 7. — s. 145 n. vgl. G. b. 1920. 1589. — 1097 nu
kallestu als ein trippe Schiller-Lühben 2, 420'': betrüger? ebenda
4, 613'' erklärt Woeste trifpe 'vertriebener landstreicher' und
darauf beruht wol J.s erklärungsversuch im glossar s. 398''; in
Woestes Wb. der westf. mundart s. 274'' ist unsere stelle dagegen
richtiger zu trippe 'pantolTel mit hölzerner sohle' gestellt [siehe
nun Peters im Korrespondenzbl. d. ver. f. nd. sprachf. xm 46]. —
1357 indem DvS. Campen sagen lässt: wat de hebt gestiffelert und
wat böses dar noch ut wert, doer ik nicht alle laten schriven,
übernimmt er selbst die rolle seines beiden, und auch 2847
nennt sich am schluss eines liedes, das der organist meister
Hans van Emerik vorträgt, plötzlich der dichter, vgl. anm. zu
2841 ff [s. nun auch oben s. 177]. — s. 165 n. der name Polhenne
(Polhen, Pollen) kann nicht mxipolenne in Zusammenhang gebracht
werden ; darf man an bildungen wie pöllhacke, pöllhdmel denken ?
vgl. Woeste, Wb. s. 203''. Daniel spielt mit dem namen des Job. Pol-
lius, indem er ihn bald Vellegek (1899) bald Henne (1925.2457.
2611. 9. 47. 2856) nennt. — 1723 vgl. 2343. 2826. — 1759 se
wolden de passi mit em hebben gespelt vgl. s. 375 letzte zeile sy
sullen de pelser passie dair myt my speien. Schiller-Lübben
3, 308 f. 36r. — 1760 lies umb. — 1784 ist das komma nach
JOSTES DANIEL VON SOEST 323
Langehals zu streichen, — 2006 lies mach. — 2067 weil tarne
und nicht darne, wie vSchmitz bot, überliefert ist, erledigt sich
Woestes conjectur Zs. f. d. phil. 2, 327 von selbst. — 2228 anm.
lies vgl. V. 2377 statt 23. — die la. zu 2235 ist vvol auf 2236
zu beziehen. — nach v. 2243 komma. — 2247 wird Vriggen
zu lesen sein, vgl. 261 und s. 390. — 2258 vgl. 2784. — nach
2306 kolon. — 2315 ff ist vielleicht ein novellistisches motiv ver-
wertet. — 2424 die anm. zu hagen (lies Hagen) wrecken ist durch
hinweis auf Schiller-Lübben 6, 146 (vgl. 2, 174) zu berichtigen. —
2477 ah de ripe gerste vgl. noch Schiller-Lübben 2, 73. —
2698 lies lutenspel. — s. 200 anm. vgl. noch Müllenhoff, Schleswig-
holst, sagen s. xxn. — 2841 f de uns dit nie leidken sank, he heft
it wol gesiingen! des heft he van en groten dank, erem love is he
entsprungen ! he singt uns dit und der lool mer, he vragt nicht vil
na erer er: et is de gude Daniel, he singt en dit tom dantzel ge-
mahnt wie noch manches bei DvS. an das Volkslied. — zu den
2851 ff. 63. 93 tr. 2909 ff. 24 anm. 52. 69. 90 f. 94 erwähnten
hochzeitsgebräuchen vgl. noch Jb. f. nd. sprachf. 3, 128 ff. Wein-
hold, D. frauen 1,401. Grimm RA 441. — 3012 sollte nicht
nach worden das rt'imwort beiden ausgefallen sein? vgl. 3294 la.
rührende reime zeigt DvS. auch sonst, zb. 2256. 2262. — s. 211
anm. vgl. noch JVoigt im Hist. taschenbuch 1838 9 jg. s. 379.
J.s notiz über eine travestie des vaterunsers auf der Kölner
Stadtbibliothek muss auf Irrtum beruhen, wie mich hr sladt-
bibliothekar dr Reyfser freundlichst belehrt; vielleicht ist das
Kölner Stadtarchiv gemeint. — 3111 anm. über Bernhard Rot-
mann siehe jetzt die einleitung zu den Hallenser neudrucken
nr 77/8. — 3240 statt so ist wol to zu lesen. — 3440 lies Co-
rinthern vgl. 3415. — 3513 ist das komma, 3526 der punct zu
streichen, — 3624 was heilst utversuiren? ausbessern?
Dialogon. zull. 12 hätte ich nähere erklärung gewünscht;
der sinn der verse ist mir trotz allen biblischen citaten nicht recht
klar. — 102 war kein grund vorhanden, von der Überlieferung so
weit abzuweichen, lies und vor Sodoma (statt Sodome) recht werden
geschulden vgl. Esai. 1, 9. 10. D. 590. 648. A. 298, 12. — 122. 703.
982. 1289 muss die la. unter dem text irrig sein; desgleichen ist in
folgenden fällen die verszahl in den Varianten falsch angegeben,
doch leicht zu berichtigen: 235. 628. 1133 anm. 1330 (statt 1338).
— 214 lies de statt se. — 221 der ausruf kent gotl begegnet
noch 593. 807. A. 298, 22. vgl. G. b. 2475 dat got wol kent! siehe
JGrimm, Kl. Schriften 5, 470. Daniel von Soest s. 367. — 610 lies
und andren Lutherischen scharianten. — 910 würde im reim durch
kersten statt Christen wenigstens assonanz (iherten) hergestellt;
aber freiUch sind die reime im Dialogon oft so roh, dassAerfen:
Christen für DvS. durchaus unanstöfsig sein könnte. — nach
924 Semikolon, nach 932 komma. — 1143 ist das komma nach
wapen zu setzen. — zu 1150 siehe oben meine bemerkung zu
324 JOSTES DAMEL VON SOEST
G. b. 401. — 1429 was aen got und reden hier heifsen soll, ist
mir nicht ganz klar. — 1528 sparen heifst hier 'schonen, be-
stehen lassen', nicht 'vermeiden', wie Schiller -Lübben 4, 305*
übersetzt wird. — 1576 lies rfmer. — \&\Q trunken als ein mues
vgl. Wander Sprichwörterlexicon 3, 544 nr 268. 9 die maus muss
bass getauft icerden = man muss noch mehr saufen.
Apologeticon. 287, 17 nach gesacht komma. — 288,3
ergapinge ana^ Uy6[.iEvov vgl. Num. 16,31; Schiller -Lübben
führen nur gapinge 'Öffnung, Schlund' an. — • 288, 35 pleermus
fledermaus siehe Woeste, Wb. s. 202\ — 292,3 dei misse nicht
ein hillich ampt dan ein duvelsche koechlerie vgl. das oben ge-
nannte Einer disputation vorspil Peters und Dyrick Buytmans B 1*
die misse die süß lange her yfs geholden, wort van vns vor eyn
duuelsch dinck gescholden. B l*" Buytman, du secht ein duuels dinck
si die misse vnd dat segge Paulus dat sy wisse. — 294, 34 ge-
hört das komma nach heft, 295,38 ist dasselbe nach menschen
zu tilgen. 296, 24 lies smalen?
S. 369 z. 8 von unten lies patronen. 370 z. 5 von unten
ist dem zu streichen. 371 z. 14 von unten lies de her? 376 z. 2
lies unpartyeleke.
Glossar, beloven: lies 1903. mistval vgl. schon JGrimm,
Kl. Schriften 5, 470. nipen vgl. Schiller -Lübben 3, 1449. —
tanger vgl. JGrimm aao. 470. — voet: zur wendung D. 1035 vgl.
Schiller-Lübben 5, 514\
Tübingen dec. 88 und jan. 89. Philipp Strauch.
Von Luther bis Lessing, sprachgeschichtliche aufsätze von Friedrich Kluge.
Strafsburg, Karl JTrübner, 188S. vi ss., 1 bl., 144 ss. 8». — 2 m.*
Es ist ein verdienstliches unternehmen , mit welchem der
verf. in einer reihe 'sprachgeschichtlicher aufsätze' einem 'gröfseren
publicum' (s. v) den entwicklungsgang der deutschen spräche
während einer ihrer bedeutendsten epochen darzulegen sucht,
zwar mit dem auftreten Luthers kann eine betrachtung, welche
die geschicke der nhd. Schriftsprache von ihren anfangen bis zu
ihrer endgiltigen alleinherschaft schildern will, nicht wol beginnen,
da Luther selbst nicht an der spitze einer neuen sprachperiode,
sondern mitten in einer seit langem vorbereiteten entwicklung
steht, ohne welche seine sprachgewaltige tätigkeit schwerlich von
dem erfolg hätte begleitet sein können , mit dem sie in der würk-
lichkeit auftritt, diesen tatsachen sieht auch K. trotz dem titel
* in dem gleichen jähre ist noch eine zweite aufläge erschienen, welche
abgesehen von einzelnen Zusätzen und änderungen mit Zeittafeln und einer
sprachkarte bereichert ist.
KLUGE VON LUTHER BIS LESSLNG 325
sich genötigt rechnung zu tragen, indem er den anfangspunct
seiner betrachtungen in die zeit der entstehuiig der kanzlei-
sprachen hinausrückt, lediglich dieprägnanz, die in dem gegen-
überstellen zweier sprachheroen wie Luther und Lessing liegt,
hat den titel des buches hervorgebracht, denn wenn auch der
beschluss der betrachtungen K.s das 18 jh. umfasst, so ist doch
von einer irgend besonderen Stellung Lessiugs zu diesen fragen
nirgends die rede, ja der uame Lessings kommt in der ganzen
Schrift aufser auf dem titelblatt nur einmal vor, als ganz gelegent-
lich von ihm erwähnt wird, dass er nebst Rlopstock und Wie-
land mitglied der Mannheimer teutschen gesellschaft geworden
sei (s. 141).
K. beginnt den ersten aufsatz, den er 'kirchensprache und
Volkssprache' betitelt, mit einem rückblick auf das mittelalter
und den kämpf zwischen den machtvoll emporkeimenden landes-
sprachen und dem mehr und mehr verknöchernden kirchenlateiu.
besonders in England sei die angestammte spräche schon früh
siegreich gegen die kirche aufgekommen, ob freilich die hieraus
gezogene folgerung, dass England dadurch den Staaten des con-
tinents in der ktiltur 'um mehr als ein Jahrhundert vorausgeeilt'
(s. 1) sei, als besonders verlockende aussieht gelten darf, und
ob dieser eventuelle vorantrilt in der kultur einzig auf diese tat-
sache zurückzuführen ist, ist eine frage, die allgemeiner und
unbedingter bejahung kaum sicher sein dürfte, wenn aber auch
in dieser beziehung das bild , welches der coutinent in jener zeit
gewährt, weniger erfreulich ist, so darf dies noch nicht zu der
behauptung anlass geben , dass hier kirche und Staat 'einmütig'
(s. 1) die Volkssprache 'unterdrückt' hätten, zwar die kirche
hatte allerdings, und nicht nur ihrer 'kosmopolitischen tendenzen'
(s. 2) halber, ein vitales Interesse an der erhaltung und der
herschaft des lateinischen ; die verböte der deutschen bibel zeigen
zur genüge, wie richtig sie die hierin liegende drohende gefahr
für ihre existenz erblickte, aber dem Staat darf ein actives vor-
gehen gegen die Volkssprache nicht nachgesagt werden, denn
jenes vereinzelte verbot Karls iv aus dem jähre 1369 gegen die
in deutscher spräche abgefassten bücher religiösen Inhalts (s. 3)
hat seinen gruud nicht in einer principiellen gegnerschaft gegen
die deutsche spräche; das gehl aus seiner einseitigen kirchen-
politischen tendenz deutlich hervor, aber selbst dann dürfte es
nicht als alleiniger beweis einer allgemeinen behauptung an-
gesehen werden können, vor allem, da schon hundert jähre vor
iliesem verbot Karls iv von Rudolf von Habsburg im jähre 1274
ein edict ausgegangen war, dass von jetzt ab alle amtlichen
Schriftstücke in deutscher und nicht mehr wie früher in lateini-
scher spräche abgefasst werden sollten: omnia mandata, edicta,
privilegia, pacta dotalia , contractns, Sf id genus alia scripta ^ in-
strumenta, in Theutonica lingna, ^^ non, ut anted, in Latina con-
326 KLUGE V0.> LUTHER BIS LESSLNG
dpiantur. es ist in dem eben gegebenen Wortlaut abgedruckt
in Meicl)ioris Goldasti Haiminsfeldii Collectio constitutionuni im-
perialium, tom. i, Francolordiae 1615, p. 311. schon vor Goldast
ist diese Verfügung erwähnt in Paulii Mallhiae Wehneri Practi-
carum iuris observatiouum augustissiniae camerae imperialis über
singularis . . ., Francoliirli 1608, fol. 3' f der epistoia dedicatoria.
Wehuer fügt noch hinzu, vvie diese Urkunde im jalue 1512 von
kaiser Maximilian bestätigt sei, und welchen einfluss sie auf die
spräche bei den juristischen Verhandlungen gehabt habe, die
stelle bei Wehner, die auch sonst für die geschichte der deut-
schen spräche von interesse ist, lautet: Et cum antea in Imperio
Romano -G er mani CO omnia Judicia latino sermotie ac scrrptura
repleta: omnesque res, contractus, acta, gesta, pacta, testamenta atque
instrumenta , ipsique Imperii recessus et decreta , Romano idiomate,
concipi, conscribique necesse fuerat: Euenit, vt breui post dicta
initia Rodolphus \. Imperator (qui vixit Anno 1273. etc.) fuhlico
edicto sanciret, vt itistrumenta omnia germanice conscriberentur.
Idque Maximilianus i. Imp. in Comitiis Coloniae Anno 1512. con-
firmanit , sequitnrqne vsus cottidianus. Quo etiam perlinet con-
stitutio Imperii, ne in Camera Utes alia lingua intendantur ; quam
Germanica, adeo , vt subditi Lothar ingiae , Brabantiae, etc. qnando
in Camera agunt , acta Gallica in Germanicum vel Latinum ver-
tere cogantiir. . . . vgl. auch noch ibid. fol. 4% und dazu im
übrigen Tbeodorus Kirchmajer Exercitatio philologica de linguae
leutonicae aetatibus, Wittenbergae 1667, fol. B2'', dessen citat aus
Goldast aber in zwiefacher hinsieht falsch ist. und fast gleich-
zeitig mit jenem edict Rudolfs beginnen auch die kaiserlichen kanz-
leien deutsche Urkunden zu zeitigen, während die verböte deutscher
bibeln noch zu ende des 15 jhs. erneuert wurden, und der flam-
mende hass katholischer münche gegen die kräftig gedeihende
deutsche spräche, mindestens so weit sie die bibel und auch die
kirche überhaupt in ihr bereich zieht, noch weit länger andauert,
ja selbst noch im 18 jh. eigenartige bluten treibt (vgl, hierzu
auch K. selbst im 9 aufsatz der vorliegenden Sammlung),
So gewis nun die häufige anwendung der deutschen spräche
und ihr einfluss auf die fernere gestaltung des gesammten natio-
nalen lebens im deutschen volke als ein ereignis gröster bedeutung
hingestellt werden muss, so wenig darf man über die deutschen
gränzen hinaus den beginn der neuzeit in der Weltgeschichte von
dieser tatsache abhängig machen wollen, die 'grofsen welt-
bewegenden entdeckungen', 'die der menschheit ungeahnte auf-
schlüsse und materielle Umwälzungen von weittragender bedeutung
gegeben haben' (s, 9 f), dürften wol kaum zu gunsten der 'ent-
deckung' der bedeutung unserer muttersprache für die bildung
der nalion von ihrem posten als vorboten und Vorbedingungen
einer neuen geschichlsepoche abgesetzt werden, für das deutsche
Volk tritlt sie zwar zeitlich, zufällig oder nicht zufällig, mit jenen
KLUGE VON LUTHER BIS LESSING 327
ereigoissen elementarer tragweite zusammen , aber die Deutschen
repfcisentierlen wenigstens damals gevvis nicht die geschichte.
ebenso gut könnte man die neuzeit mit dem emporkommen der
Volkssprache in anderen ländern beginnen wollen; warum zb.
nicht in dem von K. so sehr gepriesenen England? an und für
sich wird niemand die bedeutung dieser 'entdeckung' und speciell
für Deutschland bezweifeln; und Luther gebürt das verdienst,
der multersprache diejenige kraft verliehen zu haben, durch
welche sie den endgilligen sieg über das latein davontrug und
eine ungeahnte Stärkung des nationalbewustseins hervorbrachte,
das geht aus gleichzeitigen Zeugnissen und aus den folgen zur
genüge hervor.
Den zweiten abschnitt 'Maximilian und seine kanzlei' eröffnet
der hinweis auf jene lautbevvegungen, die wie lautverschiebung,
umlaut und die erst im 12jh. eintretende diphthongierung der
alten längen I ü u grofse teile der germanischen dialecte ergriffen
haben, für die betrachtung des letzteren Vorgangs zieht K. das
englische zur vergleichung herbei, welches in der ausspräche
ebenfalls alles i zu ei, alles u (auch ou geschrieben) zu au resp.
ou hat werden lassen; nicht aher u zu ew. denn das u, welches
als mhd. iu im deutschen gröstenteils aus älterem eu entstanden
ist (vgl. Weinhold Mhd. gr.^ § 129), war für das ags. durch den
Übergang dieses lautes in eö verloren gegangen; aber auch das
durch umlaut aus ü entstandene ags. ?/ gebt später entweder zu u
zurück oder in i über (vgl. Koch Hist. gramm. der engl. spr. i**
s. 60 § 61) und teilt als letzteres das Schicksal des durch umlaut
aus eö hervorgegangenen ags. ie l ij , welches etymologisch dem
regulären mhd. m am nächsten steht , und des auf demselben
wege aus eä entstandenen gleichen lautes, ob diese parallelen
erscheinungen des englischen und deutschen in etwaigen nach-
würkungen alter eigentümlichkeiten des germanischen überhaupt,
eventuell nur des westgermanischen , einen causalzusammeuhang
haben, oder aber ob ihre entstehung individuell auf besondere
ästhetische oder klimatische gründe zurückzuführen sei — auch
fremder einfluss, der des französischen, ist wenigstens für das
englische bereits herbeigerufen — , ist vorläufig noch eine offene
frage, wenigstens eine endgiltige erklärung ist dafür noch nicht
gegeben, die auffassung dieses Überganges im deutschen als
eines 'sprachlichen nalurereignisses', die R. von Braune (Beiträge
I 37) 'gelernt' (s. 22) hat, erklärt nichts. Scherer nimmt zGDS'
s. 44 f ästhetische gründe für den Übergang eines 'gedehnten
eintönigen' vocals in 'zweitönige ausspräche' an; es liege hierin
ein 'ästhetischer fortschritt'; die weitere entwicklung zum di-
phthongen zeuge aber wider von 'sinkendem' geschmack. und
für die deutsche diphthongierung glaubt er auch (aao. s. 45
fufsnote) den baierischen geschmack der mhd, zeit dahin charac-
terisieren zu können.
328 KLUGE VON LUTHER BIS LESSING
für das euglische aus localen eigentiimlichkeitea der siideuglischeu
ausspräche zu erklären (Ellis On early english pronuuciation i
s. 234). wie dort dem langen geschlossenen e und o (Ellis: ee und
oo) leicht ein i resp. u nachklinge, so brauche man nur 'to suppose
a habit growing up of beginuing the (ii, uu) sound with a tongue
somewhat too depressed, and in the latter case with the ups also
loo open, but passing instantly and rapidly from Ihese initial
sounds to the true (ii, uu), and feii, ouu) would result'. diese
e\\ ouu entwickeln sich dann weiter zu den diphthongen ei ou,
ei ou, ai au, 9i au. einer erklärung der letzten gründe dieser
erscheinung, die übrigens Scherer sowol wie Ellis mit der alt-
indischen gunierung in parallele setzen, kommen Scherers aus-
führungen immer noch am nächsten, jedesfalls muss man zur
endgilligen lösung alle die sprachen, wenigstens germanischer
zunge, zur betrachtung heranziehen, in denen solche diphthon-
gierung stattfindet; aufser dem deutschen und englischen gehört
auch noch das holländische dazu, indem hier das in der schrift
erhaltene ij heute als ä-ih, das ui wie eu oder äu ausgesprochen
wird, gleichzeitig sind die erscheinungen in diesen sprachen
keinesfalls, denn während die deutschen diphthongierungen im
baierisch- österreichischen dialect bereits im 12 jh. ihren anfang
genommen haben — spuren der beginnenden Veränderung im
lautstande führt Scherer (zGDS^ s. 42) schon aus dem 11 jh. an — ,
hat das englische noch im 14 jh. reines i (Ellis aao. i s. 271 ff
und s. 297), und erst im laufe des 15 jhs. trat die diphthongische
ausspräche ein (Ellis ii s. 573); im 16 jh. erst ist die diphthon-
gierung dieses lautes als durchgeführt zu betrachten (Ellis i
s. 115). für ü trat im englischen die Schreibung ou aller-
diags schon auf der scheide des 13 und 14 jhs. ein, aber erst
in der mitte des 16 jhs. war die ausspräche als ou durchge-
drungen (Ellis II s. 576). diese dem deutschen , niederländischen
und englischen gemeinsame lautbewegung hat sogar so weit ge-
führt, dass RFWeymouth in seiner gegen Ellis gerichteten schrift
(On early english pronunciation, with especial reference toChaucer,
in Opposition to the views maintained by Mr. AJEllis ... in bis
work On early english pronunciation . . ., London 1874) allein
auf grund dieser tatsache dem deutschen, englischen und hol-
ländischen eine gemeinsame Sonderstellung unter den germani-
schen dialecten anweisen wollte ('the conclusion seems inevitable
that the Angles and Saxons and Hollanders and High Germaus cou-
stitute a separate division (of course capable of subdivision) of
the Teutouic race' Weymouth s. 12), wenn er auch in bezug auf
das alter und die berkuuft dieser diphthonge einer der sonstigen
anscbauung direct entgegengesetzten meinung ist. die Verteilung
dieser eigenheit über das gebiet der germanischen sprachen be-
spricht Ellis aao. i s. 234 f. die geographischen fortschritte,
welche die neuen diphthonge im deutschen machen, und die K.
KLUGE VON LUTOER BIS LESSING 329
s. 24 f behandelt, hat am ausführliclisten Schilling (Die diphthon-
gisierung der vocale n, iu und i. . . . programm von Werdau 1878)
vom anlang ihres auflretens bis in das 16 jh. in je hundertjährigen
etappen dargestellt. K. citiert ihn nicht, trotzdem er sonst mit
citaten nicht geizt.
Das Vorhandensein der neuen diphthonge in" der kanzlei-
sprache der baierisch- österreichischen Städte lässt K. (s. 25 ff) auf
die kanzleisprache überhaupt und auf die kaiser Maximilians im
besonderen übergehen. unter längerer motivierung sucht er
Maximilian in den mittelpunct nicht nur der deulschlilterari-
schen, sondern auch der deutschsprachlichen bestrebungen seiner
zeit zu stellen, obvvol er für letzteres wenig mehr als jenes gerücht
beizubringen vveifs, welches Bibliander (s. s. 26) im jähre 1548
überliefert hat: 'Ferunt et Maximilianum imperatorem in animo
uersauisse emendationem sermonis Teutonici.' K. führt das
citat nicht im Wortlaut an. die positive Sicherheit, die er für
seine behauptung aus dieser stelle herausliest, ist aber schwer
darin zu finden, auch was K. sonst zur Unterstützung seiner
ansieht in dieser beziehung beibringt, kommt über den grad einer
bescheidenen Wahrscheinlichkeit nicbt hinaus, eine schriftsprach-
liche einigung, wie sie Luther schliefslich herbeiführte, hätte
der kaiser, auch wenn ihn der tod nicht an der ausführung
seiner 'plane' gehindert hätte, nicht schaffen können, dazu ge-
hörte ein mann, der mit ausgedehntester schriftstellerischer lätig-
keit neue gedanken dem erlösungsbedürftigen volke predigte, ein
mann wie Luther, dessen Schriften an allen enden des reiches
gelesen und mit eifer gelesen wurden, ein 'geistesheld von un-
widerstehlicher gewalt' (s. 78). dieses mittel allein konnte eine,
und zwar baldige einigung erzielen, dadurch allein trug Luther
mit seiner spräche den sieg über die dialectischen abweichungen
und auch über die kaiserliche kanzlei davon, dass der sprach-
liche boden für ein solches eingreifen schon vorbereitet war und
so die würkung beschleunigt wurde, tut der tatsache an sich
und dem Verdienste des reformators keinen eintrag.
Mit einer polemik gegen Scherer und dessen einteilung der
deutschen Sprachgeschichte leitet K. den dritten aufsatz 'Luther
und die deutsche spräche' ein. es dürfte hier kaum der ort sein,
auf die schon so oft besprochene controverse näher einzugehen,
ob Luther als der ausgangspunct einer neuen oder aber als der
mittel- und höhepunct einer in der entwickelung befindlichen
periode in der geschichte unserer spräche zu betrachten sei.
Scherer behauptet das letztere, K. neigt der ersteren ansieht zu
und hat dieser schon früher in seiner antrittsvorlesung zu Jena
vom 5 mai 1886 auf grund seiner Studien über den Wortschatz
der deutschen spräche ausdruck verliehen, nicht ohne in heftiger
weise auch damals gegen Scherer zu polemisieren, es scheint
fast, als könne er diese frage über die periodisierung unserer
A. F. D. A. XV. 22
330 KLUGE VON LUTflER niS LESSLNG
Sprachgeschichte überhaupt nicht ohne polemik gegen jeneti be-
rühren; in eine schrift, die wie die vorUegeude tür weitere
kreise beslimmt sein soll, gehört sie vollends nicht hinein, und
doch steht das Schwergewicht der gründe auf seiten Scherers,
selbst wenn wir zb., was hier angeführt werden möge, dem
slülzpunct, Jen er zGDS" s. 13 aus Kehrein (Grammatik der
deutschen spräche des xv — xvii jhs.) für das Vorhandensein des
präteritalen ablauts noch bei Luther anführt, nicht dasselbe
mafs von Sicherheit zuerkennen wie Scherer. dieser Wechsel
des vocals im singular und plural praeteriti war in mehreren
fällen für das äuge längst, und ebenso wahrscheinlich auch für
das ohr bereits verloren gegangen. Luther sagt zwar noch band
bunden, beis biffen (Scherer aao. s. 13), aber auch zoch zogen,
nam (d. i. ndm) nahmen udgl. : nam mit langem a, da die deh-
nung kurzer vocale vor einfachem tönenden consonanten, zum
teil wie in dem vorliegenden falle und noch mehr bei war waren
unter entschiedenem einflusse der analogiebildung, bei Luther be-
reits durchgeführt ist. ebenso finden sich schon frühzeitig, wenn
auch zunächst sehr vereinzelt, bei Luther formen wie erfchyn (ap-
paruit) Matlh. 1,20 neben gewöhnlichem erfchein, /ehrte (clamavit)
Luc. 23, 18 neben sonstigem fchrey, sowie behalffen (3 pl. ind.
praet.) Vorr. z. Gal. mit dem stammvocal des singular. die belege
sind der septemberbibel (Das Newe Testament Deutzsch, Vuittem-
berg [1522]) entnommen, für K. ist der 'sprachgeschichtliche er-
folg', den der reformator durch die 'entdeckung der muttersprache'
(s. 34) errungen, ein hauptmotiv, Luther als den ausgangspunct
der sprachgeschichtlichen neuzeit zu betrachten, aber die 'ent-
deckung der muttersprache' war schon vorbereitet, ohne die
kanzleisprache hätte Luther die muttersprache nicht so bald ent-
deckt oder auch nur entdecken können, fast komisch nimmt
sich in diesem zusammenhange gelegentlich der erwähnung des
Streites auf dem Augsburger reichstag im jähre 1530, als die Augs-
burger confession trotz dem sich erhebenden Widerspruche zuerst
in deutscher spräche verlesen wurde, der satz K.s aus: 'so hatte
die muttersprache, welche mit dem 14jh. für weltliche
zwecke eine mehr und mehr steigende geltung ge-
wann, die kirchliche wie die staatliche weihe' (s. 36). eine 'mutter-
sprache', die seit anderthalb Jahrhunderten sich eine 'mehr und
mehr steigende geltung' zu verschaffen weifs, kann doch kaum erst
noch 'entdeckt' werden, dem Verdienste Luthers und seiner be-
deutung wird damit nicht zu nahe getreten; die bleiben ihm unge-
schmälert und werden ihm bleiben, und so wie Scherer Schottel in
den anfang der nhd. sprachperiode setzte, muss dieser 'VVolfenbüt-
teler hofrat und professionierte sprachreiniger'(s. 33)K.s frage über
sich ergehen lassen, was ihm denn 'einen so hervorragenden
platz im beginn unserer neuen kulturentwicklung' zuweise, kultur
und spräche aber, so eng sie in mancher beziehung mit einander
khj(;k von LUTHER ms lkssing 331
verknilplt sein mögen, sind nicht identisch, darin sind auch wir
mit den 'l'ieunden und feinden' Luthers und seiner zeit 'einig,
dass ihm der Umschwung in der stelUing und in der schrili-
hchen handhabung der mutlersprache zu danken war' (s. 37). das
müste ein ganz verstockter Sünder sein, der nicht mit K. den
vielen gleichzeitigen und späteren Zeugnissen sich beugen wollte,
in denen von mafsgebendster seite Luthers spräche als norm an-
erkannt wurde, eine anerkennung , die sogar so weit führte, dass
die grammatik von Johannes Clajus, die 1578 als 'Grammatica
Germanicae linguae' mit dem ausdrücklichen zusatz 'ex bibliis
Lulheri Germanicis et aliis eins libris collecta' erschien, im
jähre 1595 trotz ihren protestantischen citaten im Münchner
jesuitencollegium gebraucht wurde, auch die katholiken konnten
sich trotz allem hasse dieses einflusses nicht erwehren, höchst
bezeichnend dafür ist die köstliche geschichte, die K. (s. 39 f)
nach MBLindaus buch über Lucas Kranach von einer Unter-
redung zwischen diesem und dem herzog Georg von Sachsen
berichtet.
Im vierten abschnitt kommt K. auf einen gegenständ zu
sprechen , der schon längst einer eingehenden behandlung würdig
gewesen wäre, es ist das Verhältnis zwischen 'Schriftsteller und
buchdrucker'. es fällt auf, dass gerade dieser seite unserer
Sprachgeschichte bis jetzt so wenig aufmerksamkeit geschenkt ist,
obwol eine geschichte unserer Schriftsprache oder vielmehr eine
besonnene und gerechte Würdigung des einflusses unserer lit-
teraturheroen auf die ausbildung derselben — es handelt sich
Iiierbei zunächst um das 16 jh. — ohne eingehende berück-
sichtigung dieses Verhältnisses nicht abgeschlossen werden kann,
nicht die spräche des Schriftstellers als solche, sondern wie sie
in den drucken erscheint, wird weiter verbreitet und dringt je nach
der bedeutung der Schriften oder ihrer Verfasser in nähere und
weitere kreise, aber beide gebilde sind zum mindesten in ihrer
lautgestaltung, bei nachdrucken sogar auch im Wortschatz, nicht
immer identisch, die Zeugnisse der Schriftsteller über willkür-
liche änderungen der correctoren und drucker sind bekannt, auch
K. führt eine menge derselben an. selbst in den drucken , die
aus einer officin am Wohnort des verf.s hervorgegangen sind,
darf man die spräche des autors nicht immer vermuten, nehmen
wir etwa die erscheinung des umlauts bei Luther, wie weit
derselbe in Luthers spräche, wenigstens zu anfang seiner schrift-
stellerischen tätigkeit, vorhanden war, ist noch keineswegs aus-
gemacht, die annähme Rückerts (Geschichte der nhd. Schrift-
sprache, Leipzig 1875, bd. u s. 58 ff) und nach ihm Pietschs
(Martin Luther und die hd. Schriftsprache, Breslau 1883, s. 40 f),
dass der umlaut auch von o und u in Luthers spräche von
anfang an vorhanden gewesen sei, dass Luther aber, nur der
tradilion folgend, die umlautbezeichnung in diesen fällen fort-
22*
332 KLUGE VON LUTHER BIS LESSING
gelassen habe, bedarf weit kräftigerer stützen, als ihr dort
angefügt sind, um nur einiger niafsen überzeugend würken zu
kDunen. andererseits fassl indessen Opitz (Über die spräche
Luthers, Halle 1869, s. 32) das wesen einer sprachentvvickelung
viel zu äufserlich auf, wenn er meint, dass Luther erst durch
seine aufmerksamkeit auf die bald nach dem Nürnberger reichs-
tage 1524 im Südwesten Deutschlands ausgebrochenen bauern-
aufstände bewogen worden sei, den bis in die mitte der zwanziger
jähre von ihm nicht angewandten, ihm nach Opitzs meinung
demgemäfs auch unbekannten unilaut der dunklen vocale, 'jenes
characteristische merkmal des alemannischen dialects' (Opitz aao.),
nun plötzlich in seinen schriften zur anwendung zu bringen, uns
sind nun auch aus der frühereu periode des reformalors noch
manuscripte erhalten (vgl. PhDietz Wörterbuch zu dr Martin Luthers
deutschen schriften, bd. i, Leipzig 1870, s.ix und xvi), aus welchen
hervorgeht, dass Luther selbst, wenigstens anfangs, deu umlaut
von 0 und u nur selten geschrieben hat, dass er aber die von uns
jetzt als umlaulzeichen gebrauchten und in folge dessen auch
für seine schrift vielfach so gedeuteten pünctchen über dem vocal
bei dem u auch in fällen zur anwendung brachte, für die ein
etwaiges Vorhandensein des umlauts absolut ausgeschlossen ist,
vgl. formen wie nü zu rhilm thü früm ua. bei Dietz s. xvi. diesen
deutschen formen stehen aufserdem lateinische gestaltungen wie
noüüm nüntiüm (Dietz aao., Rückert n s. 61 ff), ferner vniüersitet
freüel ua. zur seite. eine erklärung hierfür aus dem princip der
graphischen Unterscheidung des vocalischen und consonantischen
V gibt Rückert n s. 62; richtiger aber deutet man sie wol als
Unterscheidungszeichen zwischen u und n, wie ja in dem w-bogen
der modernen deutschen schrift auch nur das andenken an solch
ehemaliges bestreben sich bewahrt hat. so haben wir für die
Schreibweise des reformators in seinen hss. genügendes
material. ob er aber den umlaut ebenso selten, wie er ein zeichen
dafür anwandte, oder stets, oder überhaupt nicht gesprochen,
ist eine frage, die erst aufgrund umfassenderer, über das ganze
md. Sprachgebiet sich erstreckender Untersuchungen mit an-
nähernder Sicherheit erledigt werden kann, eine vergleichung
der autographen Luthers mit den drucken ergibt sofort die
manigfachen , eigenmächtigen eingriffe der drucker in die Ortho-
graphie und lautgestaltung der Wörter, der umlaut von o und
M — derjenige von a ist ja unbestritten auch in den autographis
vorhanden ; für ihn bot sich das e — wird von Luthers Witten-
berger druckern — auf diese, weil sie am wohnort Luthers
druckten, und auf zeitlich bestimmte drucke ihrer officinen sollen
sich die folgenden flüchtigen bemerkungen beschränken — bald
angesetzt bald nicht, der erste in dieser reihe ist Johannes
Grunenberg oder Grünenberg, von dem die ersten Wittenberger
Lutherdrucke stammen , aus dessen presse auch schon im jähre
KLUGE VO.N LUTHER BIS LESSING 333
1516 jener auszug aus der Deutsch theologia 'Eyn geystlich
edles Buchleyno. von rechter vnderscheyd vnd vorstand, was der
ait vii new mensche sey. . , .' (Panzer Zusätze zu den Annalen
der älteren deutschen litteratur s. 135 nr 833'') hervorgieng, der,
mit Luthers vorrede versehen, der erste druck war, mit dem dieser
an die Öffentlichkeit trat. Grunenberg zeigt völliges schwanken
in der umlauthezeichnung im jähre 1519 in 'Eyn Sermon von
der Bereytung zum Sterben M. L. A.' (fehlt hei Panzer und Weller;
Luthers werke hg. von Knaake bd. ii s. 681 ß); bei dem neu-
druck dieses werkes im jähre 1520 (Panzer Zus. s. 172 ur 973'''')
zeigt sich vielleicht schon mehr neigung zur anwendung des um-
lautzeichens. in dem gleichfalls aus dem jähre 1519 stammenden
druck Grunenbergs 'Eyn Sermon von dem Hochwirdigen Sacra-
ment . . . D. M. L. A.' (Panzer Zus. s. 160 nr 932") ist die um-
lauthezeichnung seltener, wir finden hier: {X\']') drey ftuck, mnfzen,
ftucklich, fuglicher; {k\f) vnfuglich , zukunfftige, burger, funfftenn
neben: (Aiij^) ruret; (Aiij'') kunig, mnde und dazu : (Aij'') corper (fünf
mal) neben: (Aüj*") hofsheit, hofz, fr'olich; {X\\\\') ortern. völliges
schwanken zeigt wider 'Eyn kurcz Form der czehen gepott D.Mar-
tini L ' sowol aus dem jähre 1520 (Panzer Zus. s. 178 nr974°)
wie in einem neuen druck derselben officin aus dem jähre 1521
(Panzer Annalen n s. 1 nr 1038), wobei bemerkt werden mag, dass
bei dem o resp. 6 das umlautzeichen anscheinend seltener fehlt wie
bei dem u resp. it. seltene anwendung des umlautzeichens beim
M M, aber ebenfalls um so häufiger beim o o zeigt die 'Aufs-
agung des hundert vnd neundten psalmen. . . . Doctoris Martini
Luther . . .' 1520 (Panzer Zus. s. 168 nr 9730- hier findet sich:
(Aj*") bruderliche, zu/'amenfugung , hulff, iungling , wuften (adj.);
(Aij^) gutter (bona); (Aiij'j vndergetruckt (subpressi) , kunig, de-
mütigen, gutter (bona), vbermutigen , gedrucket (pressus), kunig-
reych, kunig, kunig ftull neben: (Aij*) rmte; (Aiij') hutt euch,
hmigftul, ferner: (Aj'') das aller groß, volcker , frolicheit, alle
grofz (subst.); (Aiij*) troftlich, hohe, kbnig ftull, erhocht, neben
(Bj") wortlein, icortlin. wider fast gar kein umlaut, auch nicht
vom 0 zeigt sich in 'Eyn Sermon von der Betrachtung des
Heyligen Leydens Christi Doctoris Martini Luther . . .' 1520
(Weller Repertorium s. 185 nr 1590). weiter schwanken wider
völlig in der umlauthezeichnung 'Eyn Sermon von dem Wucher.
Doctoris Martini Luther . . .' 1520 (Panzer Zus. s. 171 nr 973'')
und derselbe in einem anderen, gleichfalls aus der Grunen-
bergischen officin im jähre 1520 hervorgegangenen drucke (Panzer
Annalen ii s. 66 nr 1300). ebenfalls schwanken, aber mit
gröfserer neigung zur durchführung, die drucke 'Eyn Sermon
von dem newen Testament .. . Doct. Mar. L.' 1520 (Panzer Zus.
s. 188 nr 974yyy) und 'Vonn der Freyheyt eynifs Christenn men-
334 KLUGE VON LUTHER ÜIS LESSrWG
sehen. D. Martinus Luther' 1521 ' (Weller Reperlorium s. 213
nr 1841). dagegen sehen wir nur sehr seltene umlaulbezeich-
nung wider in dem druck 'Auff das vbirchristlich . . . buch Bocks
Emfsers zu Leypczick Anlwortt D. M. L. . . .' 1521 (Panzer
Annaleu n s. 31 nr 1183); ebenso überwiegt die nichtbe-
zeichnuug des umlauts sehr bedeutend in der 'Aufsiegung der
Episteil vnnd Euangeli des Aduents. Martinus Luther. . . .'
1522 (Panzer Aunaleu ii s. 62 nr 1281); und schliefslich ist der
uralaut so selten, dass er last als ausnähme zu betrachten ist,
in dem Grunenbergischen druck aus dem jähre 1522 'Aufslegung
der Episteiln vn Euangelien die nach brauch der kirchen gelefsen
werden | vom Christag bifs auff den Sontag nach Epiphanie. Mar-
tinus Luther. . . .' (Panzer Annalen ii s. 62 nr 1283). so geht es in
buntem gemisch durch einander; von einer regel ist keine rede,
noch bemerkenswerter ist das verhalten der drucke Melchior
Lollhers oder Lotters des jüngeren, schon der vater dieses
druckers, der bereits seit 1518 in Leipzig Lutherische Schriften
druckte, verwendete nur n und o, hatte kein umlautzeicheu
für diese laute, und auch die gelegentlichen ue sind nur zeichen
für die länge des vorliegenden vocals. diesem principe blieb
auch der jüngere Melchior Lotther, der nach Wittenberg über-
gesiedelt war, zunächst treu, er druckte im jähre 1520 die
Schrift 'Von den guten Wercken: D. M. L ' (Panzer Zus. s. 181
nr 974'''*) ohne jede umlautbezeichnung und widerhoUe diesen
druck in gleicher weise in demselben jähre (Panzer Zus. s. 181
nr 974'^''). das gleiche princip wahrt er in 'Eyn Sermon von dem
newen Testament. . . . Doct. Mar. L. . . .' 1520 (Panzer Zus.
s. 188 nr974''^''), sowie in der septemberbibel 'Das Newe Testa-
ment Deutzsch Vuittemberg' [1522]. dagegen beginnt er mit der
anweudung von diakritischen zeichen, in gestalt eines nach rechts
offenen bogens, wenn auch noch schwankend, in dem druck
'Deutsch Auslegung des sieben vnd sechzigsten Psalmen . . .
Martinus Luther. . . .' aus dem jähre 1524 (Panzer Annalen ii
s. 248 nr 2143) und steigerte diese anwenduug sogar zur fast
consequenten durchführuug, nunmehr mit dem üblichen über-
gezeichneten e im jähre 1525 in dem druck 'Von den gutten
wercken. D. Martinus Luther. . . .' (Weller Repertorium s. 390
nr 3537; vgl. [i] suppl. s. 43), das er früher selbst ohne um-
lautzeichen gedruckt hatte (s. o.). von anderen Wittenberger
druckeru erwähne ich noch Hans Lullt, der noch im jähre 1524
in seinem druck 'Von Kauffshaudlung vnd wucher. Martinus
Luther. . . .' (Panzer Annalen ii s. 262 nr 2218) sich sehr
selten , wider besonders selten beim u, der umlautzeichen be-
dient, dieselben aber schon im folgenden jähr 1525 in der
schritt 'Der Funlfte Psalm Dauid . . . Mar. Luther. . . .' (Pan-
zer Annalen n s. 350 nr 2619) zu überwiegender anwendung
brachte, sowie Joseph Klug, der umgekehrt im jähre 1524 in
KLUGE VON LUTHER BIS LESSING 335
dem druck 'Widder den newen Abgott vnd allten Teuffel der zu
MeylTen sol erhaben werden. Martinus Luther. . . .' (Panzer An-
nalen ii s. 259 nr 2198) den umlaut last cousequent durchgeführt
hat, dagegen in dem druck 'Die sieben Bufspsalmen mit deutscher
aul'slegung verbessert durch Marlin Luther. . . .' aus dem jähre
1525 (Panzer Annalen ii s. 349 nr 2613) in der anwendung der
umlaulzeichen bedenkhchen Schwankungen unterlag, für letzteren
druck könnte man vielleicht eine typographische einwürkung der
älteren aufläge aus dem jähre 1517 annehmen, von Nickel Schir-
lentz standen mir drucke aus der anfangsperiode von Luthers
schriftstellerischer tätigkeit nicht zu geböte, ein druck wie der
des Hans Weyfs 'Eyn trostlichs buchleyn Martini Lutheri . . .
newlich gedeutscht durch Magistrum Georgium Spalatinum . . ,'
aus dem jähre 1525 (Panzer Annalen ii s. 355 nr 2640) kann
hier nicht in betracht kommen, ebenso wenig wie ich das für
die beurteilung der vorliegenden frage mit dem gleichfalls aus
dem jähre 1525 stammenden drucke des Jörg Rhaw 'Das Bene-
dictus odder weyssagung des heyligen Zacharie Luce. j. durch
D. Mart. Luther gepredigt vnd ausgelegt. . . .' (Panzer Annalen ii
s. 359 nr 2666) wagen würde, der in dem gleichen jähre und
aus der gleichen druckerei in hd. und nd. spräche herauskam,
aus dem angeführten geht aber zur genüge hervor, wie stark
das schwanken in der umlautbezeichnung sovvol in den drucken
verschiedener officinen gegen einander als in den drucken einer
und derselben ofücin unter sich war; und zunächst, so weit sie
umlautzeichen bei o und u anwandten, in entschiedenem Wider-
spruch zur gewöhnlichen schrift des reformators. die frage ist,
wie schon oben erwähnt, noch nicht endgiltig erledigt, aber ich
will nicht unterlassen, ein Wortspiel aus Luthers schrift 'Vom
Mifsbrauch der Messen. Martinus Luther. Wittemberg. 1523',
gedruckt von den gebrüdern Melchior und Michael Lotther zu
Wittenberg (Panzer Annalen n s. 142 nr 1654), anzuführen, das
wol geeignet wäre , als kriterium bei der erörterung der umlaut-
frage verwendet zu werden, es heifst dort bl. Qiiij^: Denn was
können wyr für ein ander heylig grab ver flehen j den die heylige
fchrifft I darynne die loarheyt Chrifti / durch die Papiften getödt
ift I begraben gelegen / wilchs die bottel j das ift / die bettel orden
vli ketzermeyfter / behut vnd bewart haben j das keyn Junger Chrifti
kerne vnd ftele fie? ... in der angedeuteten weise begonnen,
glaube ich, dass eine feststellung der spräche von Luthers druckern,
weiterhin eine spräche der drucker überhaupt, mit erfolg durch-
geführt werden könnte, vielleicht, dass dabei auch manches
andere über herkunft und leben der drucker an den tag käme,
wie ja zb. die gestalt jenes eifrigen Johannes Grunenberg immer
noch etwas schattenhaftes an sich hat. das beste und so weit
möglich vollständigste über ihn hat neuerdings AvDommer Luther-
336 KLUGE VON LUTllKK UlS LESSIISG
drucke auf der Hamburj^er sladlbibliolhek 1516 — 1523, Leipzig
1888, s. 1 11" gebracht, vielleicht, dass auf diesem wege auch
jeoe auHalleudeu lormeu wie uamenllich das wort ottergetzichte,
das sich bereits in Luthers erster periode, zb. in der september-
bibel 1522 iindet — des teuffels gezichle citierl Dietz bd. 2 (1 he-
l'eruug, Leipzig 1872) s. 123 schon aus dem jähre 1521 — und
seitdem auch fernerhin in der Lutherischen bibelübersetzung bei-
behaUeu wird, und das in seiner Schreibung zweilellos umge-
lauteten vocal aufweist, ihrer endgiltigen erledigung entgegen-
gehen würden, aucli der eintluss des druckers auf den autor
muss dabei in erwägung gezogen werden. freiUch , wo es der
mauuscripte ermangelt, ist eine solche Untersuchung weit schwie-
riger und ein erfolg des bestrebens, den anteil des verl'.s und den
des druckers in der spräche eines litteraturdenkmals zu Irenneu,
uur durch genaueste und sorgfältigste vergleichung möglich.
Diese und andere tiefer gehende fragen werden von K. nicht
des näheren erörtert, uur einmal, s. 56, kommt er auf die süd-
deutschen und schweizerischen nachdrucke der Lutherischen bibel-
übersetzung zu sprechen und constaliert die bekannten ver-
schiedenheilen in der Schreibung von ei und ai, resp. von ei au
eu und i u ü. sehr bemerkenswert aber ist die bei dieser ge-
legenheit von ihm angeführte äufserung des Strafsburger druckers
Wendel Hihel , der im jähre 1535 einen uachdruck von Luthers
bibel veranstaltete und sich dabei möglichst an die rechtschreibuug
Luthers anschloss, denn 'die Übung wird solchs auch wol ver-
ständig und gepreuchlicher machen . . .' (s. 56); vgl. dazu auch
s. 83. sonst begnügt sich K. im allgemeinen damit, gleichzeitige
Zeugnisse der Schriftsteller über das vermeintliche uuweseu der
drucker, wenn auch in reicher anzahl, beizubringen, wie weit
deren änderungen allerdings zuweilen gieugeu, dafür ist das
von K. (s. 57) angeführte erste, anonym ausgegangene Send-
schreiben Zwingiis an die Esslinger vom jähre 1526 ein beson-
ders characteristisches beispiel. denn der erste druck, der ohne
Zwiuglis vorwissen entstanden war, brachte ein solches sprach-
gemisch, dass Zwingli sich genötigt sah, in seinem zweiten Send-
schreiben an dieselben Esslinger vom jähre 1527 ausdrücklich
allen zweifeln an seiner Urheberschaft jener ersten schritt ent-
gegenzutreten, gewis war die aufgäbe, welche den buchdruckern
zutiel , den werken ihrer officin einen möglichst grofsen leserkreis
zu gewinnen , bei dem mangel einer einheitlichen Schriftsprache
schwer ; und von diesem standpuncte sehen wir ihre änderungen
au dem Originaltexte in einem anderen lichte, bei welchem der
schein blofser willkürlichkeit erblasst; vgl. auch K. s. 65 absatz 1,
s. 83 abs. 4, dazu auch s. 66 abs. 1. aber ein grofser spontaner
factor war und blieb immerhin die bequemlichkeit, in ihrem
eigenen dialecl, nicht in dem des verf.s zu drucken.
Noch eins bedarf aus diesem abschnitte der erwähnung. wenn
KLUGE \0y LUTHEU BIS LESSIWG 337
auch die dialectuiiterscbiede, mit denen die schriftsteiler zu kämpfen
hatten, grofs waren, so trat doch auch bald ein naturgemäfses
streben nach einigung hervor, das speciell durch den machtvollen
einlluss der spräche Luthers energisch unterstützt wurde, jedes-
falls ist es unrichtig, wenn K. behauptet, dass auch die Sprach-
lehrer jener zeit 'bei der manigfaltigkeit unserer mundart [siel]
völlig ratlos' gewesen seien, 'worauf ein lehrgebäude des deut-
schen aufzubauen' sei (s. 50), und als beweis hierfür noch aus
dem jähre 1531 die klageworle des Hans Fabritius aus dessen
Schrift über gleichlautende worte citiert, um an diesem beispiel,
das er nur durch die äufserung ^on Luthers corrector Christoph
Walther aus dem jähre 1563[!1 über die 'orthographische
Verwirrung von damals' (s. 50) unterstützt, die ratlosigkeit der
Sprachlehrer über das fundament eines lehrgebäudes der deutschen
spräche festzustellen, aber abgesehen davon, ob diese worte des
verzweifelten lehrers — sie lauten nach K., da das original mir
nicht zur Verfügung steht: 'ich weifs schier nicht, wie ich nieine
schulers leren soll der Ursachen halber, dass jetzunder, wo
unser nur drei oder vier deutsche zusammen koment, hat jeder
einen sonderlichen gebrauch, wolte gott, das es darhin komen
möchte, dass die kunst des Schreibens einmal wider in
ein rechten prauch komen möchte . . .' (s. 50) — sich würklich
auf die spräche oder nicht vielmehr lediglich auf die Orthographie
beziehen , sie waren für die Schriftsprache nicht mehr berechtigt,
denn in demselben jähre erschien Fabian Frangks Orthograpliia,
in welcher an jener bekannten stelle, in dem abschnitt 'Woraus
man Recht vnd rein Deutsch lerne' mit einer deut-
lichkeit, die nichts zu wünschen übrig lässt, au4 Luther und
die kanzlei verwiesen wird, die stelle mag hier nochmals mit-
geteilt werden : Aber das ftirnemlichft / fo zu diefer fach forder-
lich vnd dienftlich / ift / das man gutter Exemplar warnehme / das
ift I gutter dentfcher bucher vnd verbriefungen / fchriefftlich oder
im druck verfaft vnd ausgangen / die mit vleiffe lefe j vnd jnen in
dem das anzunehmen vnd recht ift j nachuolge. Vnnder welchen
mir ettwan I des teioern (hochloblicher gedechtnus) Keif er Maxi-
milians Cantzlej I vnd diefer zeit I D. Luthers fchrei-
ben I neben des Johann Schonnsbergers von Augsburg druck j die
emendirtften vnd reinften zuhannden komen fein j. . . und
wenn auch Fabritius das noch nicht einsah und von Frangks
schriftchen nichts wüste, K. muste es wissen, und er weifs es
auch , denn bereits s. 37 führt er das soeben widergegebene
citat Frangks und andere wenig spätere äufserungen gleichen
auf Luther bezüglichen inhalts an; um so seltsamer ist dieser
Widerspruch, auch konnte tatsächlich 14 jähre nach dem be-
ginn der reformation, als die reihe der rasch auf einander fol-
genden Schriften Luthers bereits eine achtung erregende zahl
338 KI.ÜGE VON LUTHER BIS LESSING
erreicht hatte, und bei dem einflusse, den die Lutherische Sprach-
norm uameutlich seit dem ersten erscheinen der bibel neuen
lestameuls im jähre 1522 gewonnen hatte, von einer völligen
rallosigkeit bei den gebildeten jener zeit — und dazu gehören
doch auch die Sprachlehrer — kaum mehr die rede sein.
Mit dem nun folgenden aufsatz über 'Schriftsprache und
mundart in der Schweiz' tritt K. in die erörterung derjenigen
dialecte ein, die der ausbreitung der emporkeimendeu Schrift-
sprache sich energischer widersetzten, zwar auch in der Schweiz
muss die Schriftsprache sich der von Mitteldeutschland vordringen-
den norm scbliefslich anbequemen , aber sie tut es erst nach
harten kämpfen, die erst mit der zweiten hälfte des 17 jhs.
(s. 70. 73) ihr ende erreichen, graphisch war der anschluss an
eine gemeinsame litteratursprache schon 'mit dem beginn der
buchdruckerkunst' (s. 63) für die Schweiz in vereinzelten fällen
vollzogen (vgl. anlautendes k für ch, sp usw. für scHp). auch
der versuch, die neuen diphthonge in schweizerische drucke ein-
zuführen, ist schon früh gemacht worden, aber so bald fasste
diese neuerung nicht wurzel. vor allem 'Wortschatz und wort-
gebrauch, Stammbildung und syntax' erhielten sich noch lange
in der alten eigenart (s. 67).
Aber ein Irrtum ist es, wenn K. (s. 72) meint, dass 'der
tütsch leermeister Job. Kolross' sein Encheridion (so!, nicht
Enchiridion lautet es auf dem titel der ältesten aufläge) erst
1564 veröffentlicht habe, denn Kolross starb nach der gewöhn-
lichen annähme bereits 1558. man könnte die Jahresangabe 1564
zunächst für einen druckfehler halten statt des jabres 1534, da
in dem letztwen die grammatische schritt des Kolross ebenfalls
erschienen war, wenn auch bereits in dritter resp. vierter auf-
läge; aber K. spricht selbst kurz vorher (s. 71) von dem ver-
loren gegangeneu sprachbüchlein des Schwytzer landschreibers
Balthasar Stapfer aus dem jähre 1540 als der ältesten deut-
schen grammatik, 'die auf schweizerischem boden entstanden
ist', und dann bringt uns von der annähme eines druckfehlers
vollends K.s äulserung am fufs von s. 72 zurück, wo er sagt:
'in Zürich . . . treffen wir noch 1656, also ... fast 100 jähre
nach Kolross einen grammatiker, der sein Schweizerdeutsch als
norm darstellt.' nein, die erste ausgäbe des Encheridions er-
schien bereits im jähre 1529 oder 1530, worüber, wenn diese
aufläge nicht zur band war, ein flüchtiger blick in die ADB
(Scherer) oder in Job. Müllers Quellenschriften und geschichte
des deutschsprachlichen Unterrichts s. 415 oder auch in Goedekes
Grundriss ii'^ s. 344 K. eines besseren hätte belehren können.
Ein merkwürdiger Zwiespalt in K.s auffassung muss hier
ferner, so sehr sonst gerade dieser abschnitt von neuem und
interessantem zu berichten weifs, noch erwähnt werden. Zwingiis
Verhältnis zur einheimischen dialectsprache und zu der um sich
KLL'GE VON LUTUER BIS LESSING ' 339
greifcDclen litteratursprache scheint dem verf. nicht ganz klar
geworden zu sein, denn während K. s. 62 ausdrücklich äufsert,
'dass die ältere gedruckte litteratur der Schweiz —
unsere beispiele stammen aus schritten Zwingiis — sich
mit der heimischen Volkssprache deckt', sagt er s. 68
mit derselben Überzeugung: 'wie Luther, so schrieb Zvvingli
eine vom dialect sich entfernende Schriftsprache',
die erstere auffassung scheint ihm allerdings geläufiger, denn
s. 69 sagt er, dass Luthers anklage gegen Zwiuglis deutsch 'sich
nicht sowol gegen die Schweiz, vocalgewandung von
Zwiuglis Schriften, als vielmehr gegen seinen Wortschatz'
richte, und dem fügt er s. 70 in demselben sinne hinzu: 'wer
die eigenart der schweizerischen mundart kennt und den gewaltig
grofsen abstand ermisst, der sie von der spräche der übrigen
mafsgebenden landschaften trennt, den wird es nicht wundern,
dass Zwingli treu an der heimischen mundart fest-
hielt oder, wie Luther sich einmal äufsert, dass sie ihm vü
bass gefiel als dem storcke sein klappern.'
Was K. in diesem aufsatze nur kurz berührt, die dillerenzen,
die sich im Wortschatz der litteratursprache und der dialecte,
hier des schweizerischen , zeigen , das führt er im nächsten capitel
'ober- und mitteldeutscher Wortschatz' unter besonderer berück-
sichligung der zwischen diesen beiden dialectgruppen vorhandenen
unterschiede in gröfserem umfange aus. in ausführlichen wort-
concordanzen zwischen Luthers bibel , der Übersetzung Ecks,
der VVormser prophetenübersetzung von Hätzer und Denkh 1527
und der Züricher bibel vom jähre 1530, dann zwischen Luthers
bibel, Adam Petris glossar und dessen uachdruckern in Strafs-
burg, Nürnberg und Augsburg weist K. die grofsen Schwierig-
keiten nach, mit denen Luther gerade in dieser beziehung zu
kämpfen hatte, und deren Überwindung durch den mitteldeut-
schen Wortschatz wir 'zweifellos Luthers bibelübersetzung' (s. 83)
verdanken, schon früher, in seiner bereits oben s. 329 er-
wähnten Jenaer antrittsvorlesung vom jähre 1886, hat K. sich
über den Wortschatz Luthers, dessen md. gepräge und seinen end-
lichen sieg in der nhd. Schriftsprache des näheren ausgelassen, vgL
meine bemerkung in der Zs. f. d. phil. 20 (1887), 48 f. der vor-
liegende abschnitt gehört zu den besten des buches.
Anschliefsend an das eindringen der Schriftsprache in die
Schweiz und in Oberdeutschland behandelt K. im siebenten auf-
satz den kämpf zwischen Schriftsprache und dialect in Nord-
deutschland. die dilferenzen im inneren Sprachbau traten hier
nicht so stark hervor, und daher fand der einzug und eudgiltige
sieg der litteratursprache hier früher statt, 'seit 1570 herscht in
den niederdeutschen landschaften die litterarische productiou in der
Schriftsprache fast ausschliefslich' (s. 105). den kämpf selbst illu-
striert K. durch eine menge von daten aus der Sprachgeschichte.
340 KLUGE VON LUTHER BIS LESSING
Wider ein schöner aufsatz ist der nun folgende achte Matein
und humanisnuis', in welchem nach kurzer betrachtung des durch
das aufleben der classischen Studien wider besonders begünstigten
eindriugens der Iremdwörter in die deutsche spräche der ge-
schicke unserer nanien in ausführlicher darstellung gedacht wird,
in der anwendung von fremdwörtern nimmt Luthers 'mafsvoller
purismus' (s. 112) eine besonders wichtige Stellung ein. auch
hierin weifs sich der reformator mit grofsem geschick den be-
dUrfnissen des volkes anzubequemen, wie seine ganze anwendung
der deutschen spräche überhaupt und seine immerwährende Sorg-
falt für dieselbe zunächst nur den ausgangspunct hat, mit seinen
Schriften auf das volk zu würken , und wie er erst in der folge
die spräche um ihrer selbst willen pflegt, so hat auch sein
verhallen gegenüber den fremdwörtern denselben grund. hier-
für beweisend ist auch die von K. s. 112 hervorgehobene tat-
sache, dass Luthers bibelüberselzung noch weniger fremdwörter
aufweist als seine sonstigen Schriften, und Luthers autorität
zeigte auch hier wider ihren einfluss. indessen wird gegen-
über dem iremdwörterunwesen, welches die classischen Studien
mit sich brachten , von K. andererseits mit recht die bereicherung
unserer spräche mit manchen nach classischem vorbilde ent-
standenen Sprichwörtern, die nicht zu den schlechtesten und
nicht zu den am wenigsten gebräuchlichen gehören , hervor-
gehoben; und deren einführung verdanken wir ebenfalls der zeit
der renaissance. nach kurzem hinweis hierauf geht K. dann aus-
führlich auf die namen , zunächst besonders die familiennamen,
dann die Vornamen ein, deren bei den humanisten so beliebte
latinisierungen, wenn auch äufserlichsler art, ja bekannt sind;
und auch hier weifs K. den kämpf widerstreitender richtuugen,
wie bereits für andere abschnitte seines buches anerkannt wurde,
lebendig darzustellen, namentlich der Stellung Fischarls zu dieser
frage und seiner nationalen teudenzeu wird ausführlich gedacht,
classische bildung und biblischer eifer waren die feinde der
deutschen namen.
Der neunte und letzte abschnitt 'Oberdeutschland und die
katholiken' beschäftigt sich mit den letzten geschicken der auf
md. sprachgruud basierten und durch Luthers autorität mächtig
geförderten Schriftsprache, hauptsächlich mit ihrem schliefslichen
sieg über die aus religiösen gründen in katholischen kreisen
Deutschlands zähe und energisch festgehaltene unebenbürtige
nebenstufe derselben, freilich als die lilteratursprache in ihrer
ausbreitung auch dies hindernis überwunden hatte, war sie nicht
mehr Luthers spräche, sie hatte sich bereits weiter entwickeil,
wenn dies auch in dem sprachlichen kämpfe zwischen katholiken
und Protestanten und den katholiken unter sich übersehen wurde,
und das ist es, was auch K. übersieht, wenn er zum schluss
seines buches (s. 142 f) nochmals die alte Streitfrage in erwäguog
KLUGE VON LIJTHEK BIS LESSING 341
zieht und sich dahin äufsert, dass mit Luther 'die neuzeit unserer
spräche' beginne.
Neben vielem bekannten bietet das buch manches neue und
regt alte fragen wider an , macht aber auch arge verstüfse (vgl.
im vierten aufsatz s. 50, im fünften s. 72, in demselben s. 68
und s. 62. 69. 70), die das gesammturteil über dasselbe erheblich
herabdrücken, dazu treten noch kleinere ungenauigkeiten. so
muss es s. 27 statt: 'syncopierte formen wie glaub, nam für
glaube, name heifsen: 'apocopierte'; s. 97 heifst es: '1597 über-
setzt Forstenow die hochdeutsche schrift Oldendorps "van radt-
slagende" (1530) ins hochdeutsche . . .'. andere flüchtigkeilen
finden sich s. 53 und s. 105 in der citierung, s. 101 im satzbau:
'dieser relativ schnelle anschluss der niederdeutschen
landschaften an die moderne litteratursprache und der darin
ausgesprochenen anerkennung.' aus alle dem geht mangel
an Sorgfalt beim abschluss des buches zur genüge hervor, die dar-
stellung ist fliefsend, und die häufige einfügung kleiner anec-
dotenartiger episoden (vgl. zb. s. 39. 57. 77) ist entschieden ge-
eignet, bei einem 'gröfseren publicum' das interesse für die
sache zu wecken und wach zu erhallen, ein versehen ist es wol
nur, wenn die schrift von KBurdach Die einigung der nhd.
Schriftsprache i, Halle 1884, unter den 'wertvollen quellenwerken
und hilfsmitteln für nhd. Sprachgeschichte' (s. viii) nicht genannt
wird, ich betrachte dies deshalb nur als ein versehen, wenn
auch ein recht unliebsames, da die autoritative Stellung, die
Burdach gerade in den hier behandelten fragen einnimmt, auch
von K. unmöglich übersehen sein kann , und Burdach von K. im
text (vgl. s. 45. 71.94) genau wie die übrigen 'wertvollen . ..
hilfsmitlel' nur mit seinem namen citiert wird , obwol in den
anmerkungen s. 53 und s. 103 — ein zeichen von inconsequenz
— dieses buch trotzdem dreimal mit vollem titel aufgeführt wird.
Berlin, im Januar 1889. Johannes Luther.
Jugendgediclite von Christian Wernigke. herausgegeben von dr LNeubaur
(aus der Altpreufsischen nionatsschrift bd. xxv. 1888. heft 1/2).
Königsberg i. Pr., verleg von Ferd. Beyers buchhandlung (COpper-
mann. CThomas). 44 ss. 8°. — 1,20 m.
Drei Jugendarbeiten des epigrammalisten Christian Wernicke',
die bis jetzt nur in einzigen exemplaren (auf der Elbinger stadt-
* ref. schreibt den namen so, wie ihn die weitaus gröste zahl der
politischen berichte zeigt, die Christian als dänischer resident in Paris seiner
regierung geschickt hat. das Kopenhagener actenmaterial ist vom ref. für
seine Wernicke-biographie, die gleichzeitig mit der arbeit Neubaurs als
Münchner dissertation gedruckt wurde, erschöpfend durchgearbeitet worden,
man findet noch die folgenden Schreibarten: Warneck, Warnack, Warnecke,
342 NEUHAUR .lUGENDGEDlCHTE VON WERMCKE
Itibliotliek) bekannt sind und schon durch Goedeke in der zweiten
aul'lage des Grundrisses (ni 339 f) verzeichnet wurden, gelangen
hier in sorgfältigem abdrucke zur ersten veröffenthchung. iür
den forscher handelt es sich zunächst nicht um den künstleri-
schen wert oder unwert dieser frühen dichtungen, sondern viel-
mehr um ihre eigenschaft als documentarische beitrage zu der
lebensbeschreibung des poelen und diplomaten. über Wernickes
geburtsjahr, lieimat, familie und erster geistesentwickeluug lag
eine schwer zu durchdringende hülle, die nun fortgezogen ist:
und darin vornehmlich beruht die wissenschaftliche bedeulung
der Neubaursclien publicalion. aus den reichen schätzen des
geheimarchivs und der kgl. bibliothek zu Kopenhagen, aus den
andeutungen, die sich in den vorreden und anmerkungen zu den
Uherschrifl'ten sowie Schäffer- gedichten finden und durch ein,
materiell gesichertes, combinatorisches verfahren sowol vermehrt
als im einzelnen erweitert wurden, sodann aus werken wie
BWedels Geheimen nachrichlen über Menantes liefs sich das
leben des mannes rückentwickelt darstellen, bis zu dem zeit-
puncte, da der Jüngling sich in den schütz und die lehre des
Kieler professors DGMorhof begibt. was vor dieser periode
ernster Studien liegt, war gegenständ einer hypothese, die durch
eintrage in dem ältesten lutherischen kirchenbuche der kurländi-
schen stadt Bauske hervorgerufen worden und der würklichkeit
sehr nahe zu kommen schien. Neubaur hat durch einen glück-
lichen fund und dessen geschickte philologische Verwertung den
sicheren schlussstein auf das gebäude einer Wernicke-biographie
gesetzt, bisher also bestand die nicht unbegründete Vermutung,
der dichter sei Sonnabend den 23 mai 1665 in Bauske als der
söhn eines Peter W. geboren, hiefs es doch ua. in der ein-
leitung zur 1 ausgäbe der epigramme (1697): der autor habe die
UberschrilTlen aufgesetzt, 'als er noch nicht zwantzig jähre alt
war.' dem gegenüber standen briefliche äufserungen aus den
Jahren 1712, 1715 und 1724. in einem berichte an könig Fried-
rich iv (Paris, 19 febr. 1712), worin er klage auf klage häuft
über den schlimmen zustand seines korpers und gemütes, heifst
es: 'er (der unglückliche mann) stände schon im 52 jähre seines
lebens.'i danach wäre er ehestens 1660 und spätestens 1661
geboren, aus den quellen, die früher dem forscher flössen,
gieng aufserdem hervor, dass die heimat Christians im deutschen
Osten oder nordosten zu suchen sei. JBircherod, W.s secretär
in Paris (1716 — 19), überliefert, sein 'principal' habe ihm oft-
mals gesagt, er stamme aus dem polnischen Preufsen, und
Warrneck, Warnicke, Wernich, Weriieck, Wernigk und Wernike. der
name seihst wird von dem aitsächsischen volke der Warini oder Werini
abgeleitet: aus Warinher oder Werinher wurde Warner oder Werner, denen
die diminuliva Warnecke und Wernicke (vgl. Heinrich und Heinicke) ent-
sprungen sind. Wernicke ist die nd. spracliform.
' geheimarch. zn Kopenhagen: Relaliones aus Franckreich.
>EUBAUR ju(;ei\I)Gei>[chte von werimokf. 343
ihm persönlich manches über dieses merkwürdige land erzählt',
wie denn VV. selbst sich in der anmerkiing zum epigramm Ileuraht
des alten Chlorus- einen Preufsen von geburt nennt, in der-
selben l'ufsnote finden sich auch bemerkungen über seine lamilie:
er sei 'von abkunfft väterlicher seite ein Sachse, von müt-
terlicher Seite ein Engelländer.'
Die fragen, welche die unbestimmte art dieser angaben offen
liefs, werden durch die Jugendgedichte und die in ihnen er-
schlossenen quellen nunmehr für immer klar und unzweideutig
beantwortet.
Elbing gibt Wernicke in den Jugendgedichten mehrfach als
seine geburtsstadt an; Elbing ist der druckort des bedeutendsten
Stückes — Die vom Himmel - Agamppen herstammende Krippe-
Klippen Beehret Mit nngeschihten Lippen Christian Wernigke oder
Lob-Gedicht Über die Gnaden-volle Geburt Christi (nr i) — und der
lateinischen totenelegie auf Catharina vDambitz, die gattin des
preufsischen historikers und Elbinger burggrafen Israel Hoppe
(nr m), was die familienverhältnisse Christians angeht, so schöpfte
der herausgeber neben der handschriftlichen widmung, welche
das Elbinger exemplar trägt (Seiner HochgeEhrten Fraw Muhmen
Der Edlen Viel Ehr und Tugend - Reichen Fr. Regina Offkien ge-
bohrnen Schmydtin von Cordleu usw.), aus verschiedenen gratu-
lationsgedichten zur hochzeit der eitern, den seit 1623 erhaltenen
taufregistern der Marienkirche, Carl Dietrich Zamehls Elbinger
nekrologien , den Genealogiae Elbingenses von Gottfried Zamehl
(beide im ms.), und einer grabschrift an der mauer des genannten
gotteshauses: aus diesem material liefs sich recht wol eine kurze
geschichte des geschlechtes entwickeln, zu deren erläuterung
zwei vortreffliche Stammtafeln hergestellt wurden. Sir Bernard
Burkes History of the landed gentry of Great ßritain and Ireland
(London 1882) erwies sich als ergibige hilfsquelle.
Johannes Wernicke, der vater, nannte das sächsische Als-
leben seine heimat; er, der 'so oft viel ungemach und unglücks-
sturm gesehen', landete von ungefähr im polnischen Thorn, wo
er sich schnell heimisch machte, zu Elbing suchte er sich eine
lebensgefährtin von Preusch- Engelländscher art: am 7 jan. 1647
fand seine Vermählung mit Cordula Smyth von Cuerdley statt, die
ihrer Freunde Zier, Und aller Jungfern Bluhm. der vater des
mädchens , Anton Smyth , stammte aus einem altenglischen ge-
schlechte, das vor einem Jahrhundert in dem polnisch -preufsi-
schen Elbing bürgerliche rechte erworben und mit anderen, zu-
meist adligen landsleuten eine handelskolonie begründet, es hatte
einst die tochter des begüterten und angesehenen Kaspar vDam-
bitz, Catharina, den Bichard Whitelocke de la Beche geheiratet;
die tochter dieses pares, gleichfalls Catharina genannt, war Cor-
' B.s tagebuch in der Kopenhagener kgl. bibliothek.
- Schweizer -ausgäbe 1749 s. 31.
344 iNEUnAÜR JUGENDGEDICHTE VON WERNIGKE
dulas mutier. Richards familie blickte aul eine ehrwürdige Ver-
gangenheit zurück, ein ahn, John Whitelocke von Berkshire,
der, reich an besitz, zu Zeiten Heinrichs vi lebte, hatte sich mit
einem uralten, schon in den tagen Wilhelms des eroberers
blühenden geschlechte durch heirat verbunden : dem hause de
la Beche. Johns urenkel Riciiard Whitelocke (geb. um 1533, gest.
in Bordeaux 1570) gab die ritterlichen traditionen der altvordern
auf und wurde kaulmaun. dieses ist der urgrofsvater unseres
Christian gewesen, sein zwillingssohn, Sir James W, (1570 bis
1632), ein hoher englischer gerichtsbeamter, erzeugte mit Eli-
sabeth Bulstrode den Sir Bulstrode W., eine persönlichkeit, die
in der geschichte ihres Vaterlandes eine bedeutende Stellung ein-
nahm (1605 — 1673; 1659 first commissioner of the great seal).
er war des jungen Wernicke grofsvetter, nicht (wie Neubaur sagt)
'grofsoheim'. dreimal verheiratet, hat er 17 kinder in die weit
gesetzt, von denen noch verschiedene am leben waren, als sich
Wernicke zu beginn der 90er jähre in Britannien aufhielt, eine
Schwester der niutter Cordula war mit Francis Olfley vermählt:
nach DZamehl ist dieser oheim Christians regis Angliae camerariiis
intimus gewesen und hat, von England heimkehrend, auf dem
meere seinen Untergang gefunden, das waren die familien, in
welche Johannes Wernicke hineinkam, in des sohnes epigramm
auf den tod der Cordula' steckt also etwas wesentliches: seine
'blulsfreunde' waren tatsächlich 'grofse herrn'. im jähre 1656
finden wir den vater Johannes als stadlsecretär zu Elbing, wo
Christian als zweites kind im Januar 1661 geboren wurde, ein
älterer bruder Daniel war sehr früh gestorben (1654 — 58). unter
dem 27 jan. ist der zweitgeborene als gelauft vermerkt; nach
verschiedenen ähnlichen eintragungen zu schliefsen, fiele der ge-
burlstag auf den 25 des monats. patricier und ein berühmter
arzt, Jakob Homodaeus mit namen, hoben den knaben aus der
taufe, in zartem alter verlor Christian den vater: Johannes
segnete am 22 april 1669 diese zeillichkeit. die anschauung,
dass die geistige und sittliche erziehung des jugendlichen Wer-
nicke die beste und edelste gewesen, findet man aufs neue be-
stätigt, er bezieht zunächst (mai 1667) das Elbinger gymnasium;
seine lehrer sind Friedr. HolTmann, Peter Behm, Daniel Holst, die
als treffliche philologen und gewandte lateindichter gepriesen
wurden. Holst trat später in die Stadtverwaltung ein und starb
als ratsherr; das Lobgedicht auf die geburt Christi ist mit über-
schwänglicben ruhmeserhebungen dem guten Behm zugeeignet
worden, auch innige freundschaften schliefst Wernicke auf der
schule, wie mit Christian Treschenberg, einer gleichgestimmten
Seele, die schlussverse der Krippen-Klippen , die der freund ver-
fassl hat, und eine gemeinsame dichtung (nr n) legen Zeugnis
davon ab. ein kurzer besuch des Thorne^" gymnasiums soll den
' Schw.-ausg. s. 202.
NEUBAUR JUGENDGEDICHTE VON WERNIGKE 345
siebenzehnjährigen für die Universität gehörig vorbereiten; die
oberclasse, wo lacultätswissenschaften gelehrt wurden, galt als
gediegene academische Vorschule, zwei lehrer des gymnasiums
machten sich in jener zeit um die anstalt und die Wissenschaft
besonders verdient: rector König, ein ausgezeichneter gelehrter
und tüchtiger schulmann, und professor Christian Hartknoch,
der bekannte kirchenhistoriker. so weit reicht stofflich Neubaurs
skizze.
Um die wende des 8 oder im beginn des 9 Jahrzehnts wurde
Christian nach Kiel geschickt und dem meister Morhof zur 'auf-
sieht und Unterweisung' anvertraut, es galt bisher als ausgemacht,
Wernicke sei 1685 in Kiel gewesen oder gar erst in diesem
jähre nach Kiel gekommen : man berief sich dabei auf ein epi-
gramm des vierten buches, welches die Überschrift Mopstis, ge-
schrieben zu Kiel 1685' trägt und für eines der ältesten stücke
in der Sammlung gehalten wurde, nun verlegt aber VV. selbst
den abschluss seiner Jugendpoesie in das jähr 1685 (ausgäbe
1697) — zwischen diesem zeilpuncte und dem Kieler aufent-
halte liegen jedoch drei jähre, welche er am hole der Amaryllis,
der gräfin Katharina Hedwig von Uanizau zu Rantzau, Breitenburg
und Drage, zul)rachte; er muste also spätestens im anfang des
Jahres 1683 Kiel verlassen haben, mithin geht man nicht fehl,
wenn man seinen eintritt in das haus Morliofs zeitlich so be-
stimmt, wie es oben geschehen, demgemäfs vvürde das epigramm
auf Mopsus nicht am anfang, sondern gerade am ende der
Jugenddichtung stehen, wohin es auch würklich gehört, denn
dieses kleine gedieht weist schon den grundzug eioer freieren
technik auf, als sie Wernicke auf der ersten stufe seines Schaf-
fens besitzen und ausüben konnte. 2 dem schüler Morhofs waren
kürze und prägnanz das oberste gesetz. in 30 versen wird eine
iigur hingestellt, die durchaus der würklichkeit nachgebildet ist:
einer jener armseligen , elegant herausgeputzten ritter des hof-
parketts mit leerem köpf und leerem magen. so beobachtet
kein unerfahrener Jüngling, der eben in das leben hineinguckt,
sondern nur der fortgeschrittene mensch, welcher sich in der
weit schon ein wenig umgesehen.
Unsere anschauungen über Wernickes allgemeine wissen-
schaflhche Vorbildung erleiden nun in so fern eine bestimmte
modification , als wir das wissen des angehenden hochschülers zu
niedrig angeschlagen hatten, er ist fertiger zu dem grofsen
Philologen gekommen , als man annehmen konnte, die jugend-
poeme geben über seine weitgreifende belesenheit in den alten,
mittleren und neuesten laleinern, über seine gründliche kenntnis
der bibel und kirchenschriftsteller, über seine gewandtheit, das
» Schw.-ausg. s. 93 — 95.
2 vgl. dazu einleitung zur ausg. 1704 bezw. Schw.-ausg. einleitung
2 bogen, 1 lilatt.
A. F. D. A. XV. 23
346 NEÜBAUR JUGENDGEDICHTE VON WERNIGKE
lateinische wie die miittersprache zu gebrauchen und dichterisch
zu verwerten, reichHchen und willkommenen aufschluss. manches
findet sich im keime vor, was durch Morhofs Unterricht zur
blute gebracht und veredelt worden ist. auf die sittliche er-
ziehung des kuaben hat unseres erachtens die mutter am stärksten
gewilrkt, welche Christian, frühe vaterlos, mit der ganzen liebe
seines jungen herzens umfieng. in lyrisch gestimmten epigrammen
klingen diese Jugendgefühle nach.' die feine, vornehme frau er-
weckte in ihm den aristokratischen sinn , welcher später ein
dement seiner eigenart wurde, lehrte ihn 'dasjenige zu erkennen,
was man hassen soll', bildete durch ein gutes beispiel seine
manieren und unterwies ihn, früh auf eigenen füfsen zu stehen.
Wernickes stolzes eingeständnis, 'er sei von Jugend auf gewöhnt,
nullius in verba jurare magistri', hat nicht blofs eine lilterarische
bedeutung. aber auch sein religiöses empfindungsieben erhielt
im eiternhause den entscheidenden character. seine Jugend stand
unter den eindrücken einer protestantisch -orthodoxen religions-
anschauung, in welcher er sein ganzes dasein hindurch verharrte,
gerade die einseitige klarheit, mit der er in den jähren der ver-
slandesreife das vernunftgesetz mit dem überlieferten gesetz des
Christentums in einklang zu bringen suchte, beweist, dass die
wurzeln seiner religiösen ansichten sehr tief und fest lagen, wenn
ihm das Christentum, wie es tatsächlich der fall war, nur ein
regulativ des lebens sein sollte, von dem er sich weder äufser-
lich noch innerlich lossagen konnte, so muste es in seiner jugend
ein bedeutendes bildungselement gewesen sein.
Im allgemeinen zeigte wol der junge Wernicke als haupt-
merkmale frühreife und Selbständigkeit; ein bewegtes leben, welches
eine sonderbare Vereinigung von Irrtum und wahrheit, von mangeln
und Vorzügen, von niederlagen und erfolgen aufweist, wartete
seiner und stellte ihn auf eine harte probe, nicht aus allen
fährlichkeiten gieng er mit heiler seele hervor, nach einer un-
ruhigen zeit der abenteuer und der not wird er von der dänischen
regierung nach Paris geschickt, eine beschränkte diplomatische
Stellung, in welcher es ihm trotz allem eifer nicht beschieden
war, den kreis seiner begabung ganz zu durchlaufen, rieb die
schönsten kräfte auf und Tiefs die litterarischen fähigkeiten nicht
zur entfaltung gelangen, er war nicht glücklich in dem glänzen-
den elend und traurig im alter.
Die frühreife offenbart sich auch in den drei Jugendgedichten,
die Wernicke — nach Neubaur — während des letzten aufent-
haltes zu Elbing und wahrscheinlich auch zu Thorn geschrieben
hat. der dichter beherscht die formen der zeitgenössischen poesie
mit erstaunlicher fertigkeit und glätte, und behandelt die spräche
mit überlegener gewandtheit. der dichterische ausdruck ist scha-
blonenhaft Hoffmannswaldau nachgeahmt, welchen Christian in
' vgl. Schw.-ausg. s. 132 f.
NEUDAUR .lüfiENDGEDICHTE VON WERNIGKE 347
der Jugend als held und abgott verehrte, in den jaliren der
reife aber als scliadenbringer verfolgte. Wendungen wie Tage-
Printz für sonne, der Künstler Opitzin für lerche, könnten wört-
lich in den gedichten des Schlesiers stehen, stofflich und dem
gedankeninhalt nach ist der hymuus auf Christi geburt das con-
fuse erzeugnis eines unklaren kopfes, der Jüngling prunkt mit
einer rohen Vermischung von christlicher religionsanschauung
und antikem sagenkram, die idee, statt des evangelischen engeis
den Sternen- Hirten- Printz , dh. den mond, nach Nazareth Maria
zu senden und ihn in einem sonnet die geburt des goltessohnes
künden zu lassen, ist abgeschmackt und töricht, entspricht aber
durchaus der zeit, die beiden gelegenheitsgedichte geizen nicht
mit den übertriebenen lobreden , die in jenen tagen selbst dem
unbedeutendsten Verdienste gespendet wurden.
München. Julius Elias.
Johann Elias Schlegel von dr Eugen Wolff, privatdocent an der Universität
Kiel. Berlin, Oppenheim, 1889. iv und 219 ss. 8". — 4 ni.
Johann Elias Schlegel, von professor dr Sef.i.iger. separat-abdruck aus
den Mitteilungen des Vereins für geschichte der stadt Meifsen. 1888.
bd.2, heft2 s. 145— 188.
Der verf. der ersten schrift hat in seiner dissertation über
Karl Gotthelf Lessing und in der einleitung zum* neudrucke von
dessen Mätresse (DLD 28) sich als guten kenner der stürm- und
drangzeit gezeigt; er ist aufserdem neuerdings mit einigen recen-
sionen und mit zwei flugschriften , einer gegen Sardou gerichteten
und einer zur empfehlung der 'moderne', der jüngsten deutschen
dichterschule, geschriebenen, hervorgetreten, auf grund der vor-
liegenden arbeit hat er sich in Kiel habilitiert und eine ausführ-
liche arbeit über Gottsched und seine zeit stellt er in aussieht.
Nachdem Danzel mit einer gerechteren Würdigung Schlegels
begonnen hatte, gab Söderhjelm 1884 in seiner schwedisch ge-
schriebenen monographie einen lebensabriss, eine gründliche
quellenanalyse der lustspiele und eine gehaltreiche characteristik
der übrigen werke des dichters; als treffliche ergänzung dazu
folgte 1887 vAntoniewiczs einleitung zum neudruck der ästheti-
schen und dramaturgischen Schriften Schlegels, über die ref.
Anz. XIV 273 berichtet hat. eingehender behandlung wert blieben
nun noch besonders die dramen, die lyrik, die dichterische
spräche und etwa das persönliche und schriftstellerische Ver-
hältnis Schlegels zu Gottsched, eine alles umfassende monographie
lief also bei der tüchtigkeit der vorarbeiten gefahr, zum guten
teile sich auf widerholungen beschränken zu müssen, wenn sie
nicht mit wichtigen neuen quellen arbeitete, und das ist bei
VV. tatsächlich nicht der fall; denn die schon oft sehnlich ge-
23*
348 WOLFF SCBLEGEL
suchten briefe Bodmers an Schlegel hat auch er nicht gefunden,
aus den ungedruckten briefen aber, die sich im besitze des justi-
tiarius Schlegel in Kopenhagen , des prolessor Litzmaun in Jena
und in GKestuers Sammlung finden, ist nur in kleinigkeilen
manche interessante ergänzung oder berichtigung gewonnen wor-
den, die vom verf. als ungedruckt bezeichneten briefe Schlegels
an Gottsched waren bereits in der an zweiter stelle zu besprechen-
den abhandlung gedruckt, am meisten interessiert noch eine auf
der Berliner königlichen bibliothek gefundene handschriftliche ge-
dichtsammlung von Schlegels vater, die auf des dichters jugend-
lyrik eingewürkt zu haben scheint.
Schade, dass die abhandlung ohne irgend welche gliederung
rein chronologisch des dichters geschicke und leistungen bespricht
und so, indem sie werke der verschiedensten gattungen durch
einander mischt, kein rechtes biki von dem ästhetiker, dem dra-
matiker, dem lyriker gibt, eine getrennte behandlung der einzel-
gebiete, wie sie Söderhjelm oder Minor in seinem Weifse gewählt
hatten, war gerade bei einem schriftsteiler besonders am platze,
dessen Iheorie und praxis keineswegs eng mit einander ver-
wachsen sind.
Von dem leben Schlegels wird sich der leser aus den zer-
streuten angaben kaum ein bild zusammensetzen können ; in
allem wesentlichen fufst W. auf Söderhjelm. dass sein vater das
opfer der Verfolgung von gewissen landadligen geworden sei
(s. 89), ist vvol' Phantasie, in diese unglitcklichen häuslichen
Verhältnisse bringt erst Seeliger licht. — für das verwickelte Ver-
hältnis Schlegels zu seinem lehrer G ottsched hatte schon
Danzel (Gottsched u. s. zeit s. 144) eine genauere darstellung ge-
fordert. W. beurteilt Schlegels neutrale Stellung zwischen Gott-
sched und den Schweizern wol richtiger als Söderhjelm, der ihn
geradezu Falslaffischer zweizüugigkeit beschuldigt, die slreit-
puncle in jenem zwiste waren meist für ihn ohne Interesse, und
dankbarkeit gegen seinen alten gönner Gottsched liefsen ihn den
bruch mit diesem vermeiden , während die hochachtung vor Bod-
mers einsieht ihn zur anknüpfung eines briefwechsels mit diesem
trieb, diese vorsichtige Zurückhaltung würde freilich an feigheit
streifen, wenn 'der friedliche Sachse', wie W, s. 80 meint, für
seine abhandlung von der nachahmung die farblose mathematisch-
demonstrative form wählte , weil sie beiden parteien genehm ge-
wesen sei ; für ahstracte Stoffe war das aber die allgemein übliche,
dass Schlegel sich in Leipzig zuerst aus sachlichen und persön-
lichen erwägungen von Gottsched fern gehalten, aufmerksam die
Schriften der gegner studiert und erst im zweiten Studienjahre
sich ihm genähert habe, wird (s. 26) behauptet, nicht begründet. —
bei den lyrischen gedichten ist (s. 58) der einfluss Hallers
hübsch nachgewiesen ; von ungedruckten liedern des dichters an
seine braut gibt der verf. eine probe in alexandrinern , die eine
VVOLFF SCHLEGEL 349
gelegentliche Veröffentlichung der übrigen wünschenswert er-
scheinen lässt.
Der besprechung der dramen hatW.leider nicht, wie in
seiner dissertation über Karl Lessing, kurze inhaltsangaben vor-
ausgeschickt; die ästhetische Würdigung derselben schwebt daher
in der luft; auch würde dann Schlegels Stellung zu den quellen
am ersten klar geworden sein , zb. bei den Trojanerinnen , die aus
drei antiken stücken zusammengearbeitet sind, etwas doctrinär
klingt der satz, dass Schlegel zwar von den Griechen ausgehe,
aber 'in unwillkürlicher erkenntnis von den gränzen seines talentes
und seiner zeit sich schrittweise den Franzosen nähere.' der verf.
bemüht sich, diesen gang der entwickelung nachzuweisen und
sieht daher das verdienst des ersten Stückes, der Trojanerin-
nen, desseu endgiltige, vom ersten entwurf erheblich ab-
weichende i'assung freilich erst in spätere jähre fällt, darin, dass
Schlegel unmittelbar auf die alten zurückgriff, ohne sich des
mafsstabes der Franzosen zu bedienen, und dass er dadurch
seiner tragödie eine von keinem Zeitgenossen erreichte würde,
besonders in der spräche, verlieh, beides bedarf einer ein-
schränkung. W. gibt selbst zu, dass der character des Aga-
memnon 'durch einmischung moderner züge aus der antiken
grundstimmuug der tragödie herausfalle.' dieser weinerliche und
doch aufgeklärte Agamemnon lehnt sich aber offenbar an den in
Racines Iphigenie, und ebenso hat Ulixes gegen die rauhheit
seiner antiken Vorbilder die höfliche Verschlagenheit des Racine-
schen eingetauscbt. aber auch sonst ist der einfluss der Gott-
schedischen, dh. der französischen regeln zu spüren: die scenen-
bindung wird eingehalten, längere monologe, an denen die
originale nicht arm sind, werden vermieden, die einfache hand-
lung wird durch zusammenziehen von drei stücken in eins ver-
wickelt und zur intrigue verdichtet, wenn andererseits die von
den Zeitgenossen , besonders von Nicolai gerühmte hoheit der
tragischen spräche Schlegels gewis auch auf den einfluss der
Griechen zurückzuführen ist, so steht sie doch und zwar in
diesem ersten stück nicht minder wie im letzten, im Canut, dem
classischen drama der Franzosen , dem es doch wahrlich auch
nicht an würde fehlt, schon durch den starken einfluss des
alexandriners auf satzbau und rede viel näher, an den Griechen
veredelte Schlegel im ganzen seinen geschmack; im einzelnen, zb.
in den stehenden metaphern machte er sich von dem banne Gott-
scheds und der Franzosen nicht los. leider geht W. auf die spräche
der dramen nicht näher ein. — das bestreben, einen fortschritt
zu erweisen , lässt den verf. den wert der etwa gleichzeitig ent-
standenen Jugendarbeit Or est und Pylades überschätzen, 'aus
der weise, in welcher Schlegel hier seine quelle bearbeitete,
spricht bereits die klare erkenntnis mancher unverwischbaren
unterschiede zwischen antikem und modernen empfinden' s. 11.
350 WOLFF SCHLEGEL
nüchtern gesagt, der junge schüler Gottscheds arbeitet nach
dessen Dichtkunst und im rationaUslischen sinne der zeit die
taurische Iphigeuie des Euripides um: so gibt er der hebiin eine
vertraute, Eulrophe, um den chor zu ersetzen, monoioge zu
umgehen und die sceneubindung moghch zu machen; so muss
sich Orest lür einen Trojaner ausgeben, damit die handlung ver-
wickelter vvinl usf. wenn W. 'die erbebung der ganzen label
auf die höbe moderner Sittlichkeit' rühmt, so haftet doch den
geschwistern in so fern ein makel an, als sie beide ihre griechische
abkunft verläugnen. W. bezieht sein überscbwänglicbes lob aller-
dings besonders auf den veränderlen schluss des Stückes: hier
stirbt Thoas, dessen characterzeichnung übrigens mislungen ist,
als Vertreter der barbarei, und der oberpriester Hierarchus, am
ende doch nur der ins rationalistische übersetzte deus ex machina
des Euripides, begrüfst, milde gestimmt durch einen unmotiviert
hervorgeholten orakelspruch, die drei gefangenen als schöpfer
eines reineren gotlesdieustes. ist das würklich 'der weg, auf
welchem später Goethe antike grofse durch das ideal moderner
humanität verklärte'? — 'was der Dido in den äugen der Zeit-
genossen hauptsächlich wert verlieb, war widerum die tragische
spräche.' wer sind diese Zeitgenossen? Gottsched nahm aller-
dings parteiisch und zu Schlegels verdruss dem Hermann gegen-
über 'die zärtlichen leidenscbaften und den natürlichen ausdruck'
der Dido in schütz. Bodmer fand das stück 'nicht übel', da-
gegen führt W. Schlegels eigene bemerkung an Bodmer an, dass
Dido nicht frei von kriechenden ausdrücken sei, und der bruder
sagt im Vorbericht geradezu: auch diejenigen, die von den schön-
heilen der Dido am meisten gerührt sind, werden in derselben
bin und wider die edle spräche vermissen , die von der iragödie
gefordert wird, und die den nachherigen arbeiten des verf.s so
eigen ist. Schmids Chronologie (s. 116) nennt 1775 das stück eine
matte und geschwätzige schülerarbeit, wenig wahrscheinlich ist des
verf.s Vermutung, dass die abweichungen im text der Dido im 5 band
der Schaubühne (1744) von dem in den Werken (1761) 'dem an-
scheine nach von unglücklichen änderungen Gottscheds herrühren'
dürften, wofür er ein beispiel , das erste aus dem ersten auftritt
des ersten aufzuges , anführt, wozu so unnötig steine auf Gott-
sched werfen? da Schlegel selbst seine Dido tadelt, da sein eifer
im ausfeilen seiner werke bekannt ist, da schliefslich der bruder
in der hs. immer noch manches als verbesserungsbedürftig an-
gestrichen fand, so druckte doch wol Gottsched die ursprüng-
liche fassung ab, und der herausgeber der Werke benutzte später
die handschrifllicben änderungen seines bruders. in der tat sind
diese änderungen fast immer stilistische Verbesserungen: füll-
silben sind beseitigt, frostige metaphern und derbe ausdrücke
durch geschmackvollere ersetzt, hier einige beispiele: ni 4 für:
allhier mit leichter müh heifst es: hier mit geringer müh, iv 2
WOLFF SCHLEGEL 351
für : wetin mein verzweifelnd herz den Ursprung seiner pein , den
henker der es kränket, — ohne den pöbelhaften henker: deti, der
durch untreii mich bis zur Verzweiflung kränket, ähulich iv 6
brüst lür eingeweyd iia. — mit dem Hermaiio macht nach W.s
meinuDg Schlegel gleich drei schritte auf einmal vorwärts (s. 43):
'der moderne geist(?) wird speciell national, der stoff gleichfalls
national, die technik durchaus modern und vorwiegend französisch'
(mit dem vieldeutigen wort 'modern' treibt der herold der 'moderne'
einen wahren misbrauch). der verf. badet sich förmlich in be-
geisterten phrasen: 'mit dem Hermann sehen wir ihn vollbewusl
den ersten schritt zur begründung eines deutschen nationaltheaters
wagen', 'er strebt nach einer modernen kunstform', 'Schlegels
Hermann muss als grundpfeiler der nationalen richtung im deut-
schen drama überhaupt gelten' usf. eine angäbe über inhalt und
aufbau des Stückes war lehrreicher, manches ist schief, so
soll Schlegel 'die äufserliche abfiuduug mit der regel von zeit
und ort bei Seite lassen.' das heifst doch wol, er setzt sich über
diese schranken hinweg? aber so sehr er theoretisch diese äufser-
lichen regeln bekämpft hat, in der praxis hat er sie peinlich
befolgt und so spielen zum grol'sen schaden für die würkung
des Stücks alle 5 acte in einem heiligen hain vom mittag die
nacht hindurch bis zum nächsten morgen. — den Lohenstein-
schen Arminiusroman , den noch Mendelssohn im 311 litteratur-
briefe sehr lobt, benutzte Schlegel vielleicht doch stärker, als W.
glaubt, der heilige hain, der die scene bildet, das bei Florus
nur angedeutete an Rousseau anklingende gespräch des Flavius
mit seinem vater über römische cultur und germanische sitten-
einfalt, Thusneldas teilnähme am kämpf, das alles erinnert an
Lohenstein. — der Vorwurf Söderhjelms, dass die charactere des
Stücks dem namen nach deutsch, in Wahrheit aber die alten
französischen typen seien, dass Hermann also keinen fortschritt
bedeute, ist nicht widerlegt. VV. erinnert selbst an die ähnliche
gruppierung in Corneilles Horace , was freilich schon Cholevius
getan hatte. Flavius, der römerfreundliche bruder Hermanns
und heimliche Verehrer von dessen braut, ist mit seiner Verliebt-
heit und gesprächigen unentschlossenheit ein ganz französischer
held. aber auch die hauptpersoneu, Hermann und Thusnelda,
deren 'gänzlich unpsychologische , angeblich heldenhafte leiden-
schaftslosigkeil' hier wie in den späteren Hermannsdramen 'ihre
ermüdenden patriotischen tiraden erklingen' lässt, haben im
gründe W.s beifall nicht, kurz , das übertriebene lob des Stückes
scheint nicht gerechtfertigt. — besser ungeschrieben wäre die
abschweifung auf die barden (s. 47) geblieben, unklar ist be-
sonders folgender salz: 'fast scheint es, als ob sich in Schlegels
auffassung des vielgedeuteteu Wortes barritus Irrtum und wahrheil
gemischt haben , denn die letzte nennung der barden geschieht
in folgender form:
352 WOLFF SCHLEGEL
0 Deutschland, freue dich! nun wirst du neugeboren.
Mir schallt der bar den lied noch immer vor den ohren;
Ihr mutiger gesang , der ein geschrei gebar,
Durch das er selbst gedämpft und überstimmet war!'
zu geschrei ist die aumerkuug gemacht: 'altfriesisch 6ar;'a = schreien.'
wenu das bedeuten soll, Schlegel habe mit dem geschrei etwas von
seiner etymologischen gelehrsamkeit in den text vervvel)en wollen,
so wäre es eine geschmacklosigkeit. — der von W. gebilligten
anschauung Gottscheds, dass die spitze des Hermann gegen die
Franzosen gerichtet sei , wird man um so weniger beipflichten , als
ein solches misbrauchen der kunst zu tendenziösen zwecken dem
bescheidenen, neutralen dichter, dem Verehrer der Franzosen, der
sein schreiben gegen Mauvillon später selbst als 'waschhaft' verur-
teilte, gewis fern lag. die Franzosen übersetzten also den Hermann,
nicht weil ihnen 'die beziehung des anti-Römerdramas auf sie selbst'
entgieng, sondern weil eine solche überhaupt nicht darin lag.
Den Inhalt und die mutmafslichen Vorbilder der lustspiele
Schlegels halte Söderhjelm auf 60 Seiten schon so gründlich be-
sprochen, dass sich W. auf eine nachlese von teilweise recht
ansprechenden ergänzungen beschränkt sah. gegen die be-
hauptung, dass mit dem langweiligen und breiten Geschäftigen
müfsiggänger, dessen gestallen W. einen erfreulichen realistischen
'erdgeruch' nachrühmt, das deutsche lustspiel 'aus dem buche
ins leben getreten' sei, hat schon MKoch unter hinweis auf
Krüger in einer besprechung der arbeit in der Zs. f. vgl. lit-
teralurgesch. ii 3 (in der übrigens aus dem Canut ein comet ge-
worden ist) mit recht bedenken erhoben, den auf sprachliche
gründe geslülzten beweis für die behauptung, dass von einer
1745 erschienenen Übersetzung des Glorieux von Deslouches
Schlegel den ersten teil, Gärtner den schluss geliefert habe
(s. 117 fl), konnte ref. leider nicht controlieren. dagegen spricht
freilich die gerade umgekehrte angäbe im 'uekrolog', die doch
nicht aus der luft gegriflen sein kann, und der umstand, dass
der bruder sie nicht erwähnt. VV. sagt, Übersetzungen wären,
mit besonders betonler ausnähme eines feenmärchens, in die
Werke nicht aufgenommen worden; er vergisst die Übersetzung
der Elektra des Sophokles im ersten , die lyrischen Übersetzungs-
proben im vierten bände.
Noch weniger konnte der verf. über die ästhetischen
und litterarhistorischen Schriften Schlegels etwas neues
nach vAntoniewicz vorbringen, wenn er auch an dessen einleitung
vieles zu tadeln hat, manchmal vielleicht mit recht (so anm. 162.
180. 350. 376). den Demokril, ein tolengespräch , in welchem
dieser philosoph , von Aristophanes unterstützt, dem dramatiker
Regnard nachweist, was für grobe anachronismen und regel-
widrigkeiten er in seinem Demokril begangen habe, erklärt W.
(s. 67) mit für das geistreichste, was Schlegel geschrieben hat.
WOLFF SCHLEGEL 353
es ist ihm eine 'blutige satire' gegen 'die classicistische manier
der Franzosen', der autor benutzt 'eine stillose historische komödie'
Regnards 'zum ausgangspunct einer allgemeinen begriiudung des
historischen stils' usf. aber in der unerbittlichen betonung der
nüchternen Wahrscheinlichkeit und der äufserlichen regeln für
das drama hält sich das gespräch streng auf Gottscheds stand-
punct, während die von W. so gerühmte formelle ausführung
keine rechte würkung tut, weil die Ironie, mit der Demokrit
und Aristophanes den armen Regnard behandeln, doch zu plump,
die figur des letzteren aber zu tölpelhaft und hilflos erscheint.
vAntoniewicz hatte also gewis recht, wenn er diese leistung nicht
recht 'auf der höhe der Situation' fand, übrigens scheint dem
verf. in der hellen begeisterung ein misverständnis untergelaufen
zu sein, 'natürlich', sagt er s. 68, 'kehrt der kämpf gegen die
französische handhabung der ortseinheit, welcher Schlegel durch
sein ganzes litlerarisches würken begleitet, auch hier wider' —
beiläufig: durch sein ganzes litterarisches würken? aber in den
trauer- und lustspieleu hat er doch die regeln von den einheilen
so streng eingehalten wie nur irgend ein Franzose — ; in dem ge-
spräch sagt nun Aristophanes zu Regnard (neudruck s. 65): 'du
hast das theater nicht nur einmal, wie du vorgibst, sondern
sehr oft verwandelt, und man weifs oft nicht, ob der ort zu
denen personen, die auf dem theater erscheinen, oder die per-
sonen zu dem orte gehen , oder ob der ort und die personen
einander entgegenkommen.' da tritt doch wol Aristophanes-Scblegel
gerade für die einheit des orts ein? —
Der Vorwurf, den W. in der Vierteljahrsschr. f. vgl. lit-
teraturgesch. ii 3, 236 seinem Vorgänger vAntoniewicz gemacht
hat: 'ein an sich erfreulicher jugendlicher forschenseifer(!) artet ...
nur zu oft in die übertriebene neigung aus, überall beeinflussung
zu wittern', kann ihm selbst nicht erspart werden, der Dido
erscheint der geist ihres gatten. VV. hält eine ein würkung der
scene im Hamlet ni 4 für denkbar und druckt einen teil derselben
ab, muss aber, da Dido 1739 geschrieben ist, Schlegels bekannt-
schafl mit Shakespeare aber erst 1741 beginnt, für diese 6 zeilen
der geistererscheinuug spätere einschiebung annehmen, für Schle-
gels bekanntschaft mit Hamlet führt er eine anmerkung in dessen
Wochenschrift Der fremde (Werke v 297) an, wo Hamlet 'der
verschlagene Ulysses des nordens' genannt wird , 'dessen list und
tapferkeit durch den Shakespear noch bekannter geworden', eine
characteristik , die eher dafür spricht, dass Schlegel das stück
nicht gelesen hatte. — viel Vorstudien hat dem dichter sein Triumph
der guten frauen gekostet, er verarbeitete nach W. s. 161 f
hinein: The tender husband von Steele, das 170 stück des Spec-
tator, Regnards Demokrit, Saint -Foixs Double deguisement, Ma-
rivauxs Petit-maitre und Triomphe de l'amour, ferner zwei züge
aus Molieres Tartuffe, und dabei wird noch eine weitere be-
354 WOLFF SCHLEGEL
nutzuug Molieres und Holbergs, die Söderhjelm, W.s hauptquelle
für diese angaben, angezogen halte, zurückgewiesen. — die i'rauen-
gestalten des genannten lustspiels würken auf die in Minna von
Barnhelm, wie Lessing überhaupt, 'von Schlegels litterarischen
taten hingerissen', 'sich an ihn in praxis und theorie anschliefst.'
von den lustspielen wird Der junge gelehrte auf den Geschäftigen
müfsiggänger, der Misogyn auf den Triumph zurückgeführt, für
die theorie hätte man ein genaueres eingehen auf das Verhältnis
der beiden erwarten können, weit hergeholt scheint die annähme,
Rlopstock sei in Pforta zu seinem Heinrich der Vogler durch
die blofse künde, dass Schlegel an einem epos Heinrich der Löwe
arbeile — denn dieses erschien erst 1766 — , angeregt worden. —
zumal scheint aber W. den einfluss Schlegels auf Goethe zu über-
schätzen, dass dieser Oresl und Pylades gekannt, ist glaublich,
dagegen sind für den einfluss des Hermann und des Canut auf
Götz nicht genügende beweise erbracht, denn in wie fern eine
prosabearbeitung des Canul, die 7 jähre nach dem Götz erschien,
die annähme einer abhängigkeit stützen soll (s. 133), ist nicht
ersichtlich.
Im ganzen ist für die litteraturgeschichte mit diesem werke
nicht viel gewonnen, zum grofsen teile widerholt es bekanntes,
die gebiete aber, die noch zur einzelbetrachtung herausforderten,
behandelt es ungleichmäfsig und nicht immer gründlich, doch ist
damit in der tat zum ersten male in deutscher spräche ein ausge-
führteres gesammtbild von Schlegels leben und würken gezeichnet
worden, einzelne ansprechende bemerkungen verdienen noch an-
erkeunung: dass die liebe zu seiner frau die weiblichen gestalten
im Canut und im Geheimnisvollen besonders hat gelingen lassen
(s. 141), dass der Demokril mit den Drei philosophen in innerem
zusammenhange steht (s. 70), dass das strenge festhalten an den
französischen Vorbildern zb. im Triumph der guten frauen , was
bei seiner immer freisinniger werdenden ästhetischen theorie be-
fremdet, sich aus der tätigkeit für das franzosenfreundliche,
dänische theater erklärt (s. 163) ua. zutreffend scheint auch die
art, wie W. zwei bisher ofl'ene fragen, die über die Verfasser
des wunderlichen Buches ohne titel und der Saint- Foix -Über-
setzung (anm. 321 und 481), löst.
Zu einigen bemerkungen fordert schliefslich noch die for-
melle Seite des buches heraus, die im ganzen ungeordnete schrift
leidet auch im einzelnen an einer gewissen planlosigkei t.
galt sie als habilitalionsschrift dem engeren kreis von fachgenossen,
so waren erläuterungen von worten wie witz (anm. 28), genie
(anm. 94), gelehrter (anm. 277), aufserdem ('das heutige sonst'
anm. 333) eulbehrHch. sollte die schrift populär sein, dann
durfte der Inhalt der stücke nicht als bekannt vorausgesetzt,
durfte zb. s. 12 nicht ohne erklärung vom 'Hierarchus' geredet
werden, dann gehörte litlerarhistorischer trödelkram wie die Glo-
WOLFF SCHLEGEL 355
rieuxübersetzung (s. 117 fl), die stürm- und drang-bearbcilungen
Schlegelscher dramen (s. 134 und 166), das törichte urteil eines
unniafsgeblichen Italieners über Canut (s. 136) ua. mindestens
in die anmerkungen. in der behandlung der anmerkungen ver-
missl man aber auch die gleichmäfsigkeit: wenn Ibsens Ge-
spenster s. 83 vorn im text spuken, warum wird bei einem
ähnlichen vergleich Gottschalls Pitt und Fox in die note (174)
verwiesen? warum steht erst in anm. 123 der volle titel von
Soderhjelms schritt, nachdem sie bereits ein halbes dutzend mal
citiert ist? warum gibt der verf. bei Stäudlins Briefen an Bodmer,
die er etwa 20 mal anführt, nie Seitenzahlen an, warum nicht für
die Hamletstelle im Fremden (s. 18)? bei den Schauspielen verfolgt
er, auf Süderhjelm gestützt, die geschichte der aufführungen,
aber unvollständig, so fehlt bei den Trojanerinnen (anm. 19)
die interessante stelle: Meyer, Leben Schröders i 14, nach der
der knabe Schröder bereits 1753 als Astyanax auftrat und ein
par von seiner multer hinzugedichtete verse sprach; bei Orest
und Pvlades (anm. 30) fehlen die stellen Meyer i 84. 87. 105.
228, bei Canut (anm. 366) i 16. 27. 71. 83. 132, beim Geheimnis-
vollen (anm. 343) muss es für 382 218 heifsen.
Was die spräche betrifft, so tritt das bestreben hervor, durch
geistreiche Wendungen, anspielungen auf die gegenvvart, ästhe-
tische allgemeinheilen und novellistisches aufputzen trockener
quellennotizen den an sich ja wenig anziehenden stoff schmack-
hafter zu machen, ref. hat sich von anfang an des gefühls nicht
erwehren können, dass W. sich die in ähnlicher manier, aller-
dings sehr geistreich geschriebene Studie Schienthers über frau
Gottsched zum muster genommen haben dürfte, die behandlung
der entstehung von Schlegels unvollendetem trauerspiel Lucretia
diene als beispiel. im vorberichl dazu sagt der herausgeber (Werke
II s. 3): 'die veranlassung, sich an ein so schweres sujet zu
wagen, war eine ganz fertige tragödie dieses namens, welche
der selige Koppe , der Übersetzer des Tasso , nach Leipzig über-
sandte, es war in derselben . . . nicht die geringste vorsieht
gebraucht , keusche obren zu schonen. . . . bey den urtheilen,
die über diesen missluugenen versuch gefället wurden, waren
einige so gutherzig, dass sie die schuld nicht sowohl der arbeit,
als der bearbeiteten materie beymesseu wollten , die sie ganz für
unfähig erklärten, auf ein theater gebracht zu werden, mein
bruder war dieser meynung nicht.' aus diesen angaben, die
uns Gottsched im kreise seiner schüler, vielleicht in seiner redner-
gesellschaft zeigen, wird bei W. s. 40 folgendes histörchen: 'eines
tages fühlten sich die keuschen obren der frau professorin durch
Verlesung einer Lucretia -tragödie, welche der Tasso -Übersetzer
Koppe für die Deutsche Schaubühne eingesandt hatte, beleidigt,
anwesende (?) mafsen die schuld ausschliefslich der behandelten
materie bei, und der herr professor erklärte dieselbe, im voll-
356 WOLFF SCHLEGEL
bewustsein seiner Unfehlbarkeit, einer theatralischen behancllung
für schlechtweg unfähig, Roma locuta est. nur Schlegel, eigen-
sinnig wie gewöhnlich (!), wagte zu widersprechen' usw. wie
kommt die frau professoriu herein? und mit welchem rechte be-
zieht W. die 'keuschen obren' auf sie, deren Hausfranzösinn
Lessing 'schmuzig, ekel und im höchsten grade beleidigend' fand?
In ausdruck und satzbau bleibt viel zu wünschen übrig,
mit nichtssagenden feuilletonwörtern wie 'köstlich', 'flott', 'glänzend',
'modern' wird eine wahre janitscharenmusik verführt, besonders
wenn der verf. ins loben gerät, spielt er das Instrument der
spräche fortissimo und fällt in den reclameton seiner flugschrif-
ten, wenn er sich auch nicht wider bis zu einem 'donnernden
wiegenliede* verirrt, wenig glücklich sind bildungen wie 'her-
zensöde', 'schanivoir, 'merkenswert', 'die hofierung eines mäd-
chens', 'das hofierende' (dh. werbende) mädchen, 'sturmkeim' ua.
vielfach sind die constructionen ungeschickt oder geradezu un-
richtig: s. 154 die 'Übereinstimmung Lessings' für 'Zustimmung
L.s' oder 'Übereinstimmung mit Lessing.' s. 68 'in formeller
künstlerschaft folgt die auflösung' für 'kunstvoll in der form.'
s. 66 'noch in humoristischer einkleidung, aber schon blutig
ernst in der sache liest sich Schlegels . . . folgende recension.'
s. 92 der alte Schlegel 'erscheint doch sonst, gegen alle väter
von gleichzeitigen dichtem gehalten , als ein wahres unicum von
Vorurteilslosigkeit.' solider klänge doch 'gegen die väter aller
gleichzeitigen dichter.' sollte übrigens W. etwas genajieres von
vater Giseke und Gärtner wissen? — die vergleichungen tragen
nicht immer zur klärung des gedankens bei, so s. 16: in der
Dido gibt gleich im anfang Äneas die absieht kund, zu fliehen,
'ab^r damit ist auch sofort der dramatische grundfehler des Stückes
gegeben: wie in der Schlussabteilung einer cyclischen darstellung
der antiken (genitiv singularis?) sehen wir das Verhängnis über
Dido von anfang an hereinbrechen.' er meint wol das letzte
stück einer trilogie. wenn er s. 76 das Verhältnis von Gryphius
zu Shakespeare durch das bild von der hauskatze und dem löwen
klar machen will, so hat er doch wol nicht den richtigen 'histori-
schen gesichtswinkel' getroffen; denn Schlegel stellt ja beide etwa
einander gleich.
Wertvolle beitrage zur kenntuis Schlegels liefert der erste
teil der abhandlung (s. 145 — 55) Seeligers. wir finden hier
eine sorgfältige geschichte der vorfahren Schlegels, die meist kur-
sächsische geistliche gewesen sind, wir erfahren manches über
des dichters geschwister, besonders fesselnd aber ist die cha-
racleristik des vaters: wie er durch litterarische neigungen und
sonstige liebhabereien seinem berufe als stiftssyndicus von Meifsen
sich immer raehr entfremdet, deshalb 1741 abgesetzt wird und
schwere tage über seine familie bringt, das wichtigste aber ist
SEELIGER SCHLEGEL 357
die endgiltige feststellung von Schlegels geburtstag: nicht, wie
(He biographie des bruders (Werke v s. vn) angibt, am 28 Jan.
1718, sondern nach ausweis des Meifsner kirchenbuchs und der
Portenser schiilerliste am 17 jan. 1719 ist er geboren, um so
mehr bewundern wir, wie reich an arbeit, reich an fruchten
dieser arbeit des dichters kurzes leben — er starb 1749 — ge-
wesen ist. als willkommene beigäbe hat der verf. die acht von
Schlegel aus Dresden und Kopenhagen an Gottsched gerichteten
briete abgedruckt, die auf der Leipziger Universitätsbibliothek
erhalten sind und die Danzel (Gottsched und seine zeit s. 150 f)
nur unvollständig veröffentlicht hatte. — der zweite teil der ab-
handlung (s. 155 — 73) gibt in knapper, klarer spräche und licht-
voller anordnung einen reichhaltigen überblick über Schlegels
leben, werke und bedeutung, die beste Würdigung des dichters,
die ref. kennt, schade, dass sie, in den Mitteilungen versteckt,
nur verhältnismäfsig engen kreisen bekannt werden wirdi
Plauen. J. Rentsch.
Einleitung in das Studium des altnordischen von JGPoestion. n. Lesebuch
mit glossar. Hagen und Leipzig, Risel & co., 1887. ix und 393 ss.
8«. — 4 m.
Die hoffnung, dass Poestion darauf verzichtet habe, dem
1882 erschienenen ersten teile seiner Einleitung in das Studium
des altnordischen einen zweiten teil folgen zu lassen, hat sich
nicht bestätigt; weder 'andere arbeiten, ... die inzwischen be-
gonnen und vollendet werden musten', noch körperliche leiden
noch der 'mangel jeglicher mithilfe' haben es zu verhüten ver-
mocht, dass dieser dilettant auch ein altnordisches Lesebuch mit
glossar zusammengestoppelt.
Die aufgenommenen texte sind: Islendingabök, Hrafnkels-
saga, Gunnlaugssaga, cap. 49 und 50 der Gylfaginning — über-
schrieben: 'Baldrs tod' und: 'Lokis bestrafung' — , cap. 39 — 42
des Skäldskaparmäls — überschrieben : 'Völsungen und Niflun-
gen' — , formäli der Heimskringla, Voluspö , Hamarsheimt, Baldrs
draumar, Grottasongr, Vplundarkvi^a und ein par stücke aus
den so genannten Hävamöl , nämlich die von Müllenhoff eruierten
eigenthchen 'Häva mal', einige priameln und die Gastregeln.
Alles dies füllt 123 ss.; die nächsten 3 bringen die pro-
saische Wortfolge der in der Gunnlaugssaga enthaltenen Strophen,
die nächsten 1 1/2 ss. so genannte 'anmerkungen' zu den eddischen
gedichten; auf sie folgt das 'glossar' und von s. 353 an ein
'namensverzeichnis'.
Dass bei der 'auswahl der lesestücke', wie das Vorwort ver-
sichert, 'vor allem practische rücksichten' gewaltet haben, ist un-
358 POESTION EIISLEITÜING IIS DAS ALTN. II
verkennbar; nur haben diese rücksichten weniger direct den er-
hofften benutzern des buches — so stellt nämlich das Vorwort
die Sache dar — als dem practisch rücksichtsvollen auswähler
selber gegolten, der Inhalt seines Lesebuches deckt, sich ja etwa
zur hälfte mit dem des Wimmerschen, für die Islendingabök
stand die ausgäbe von Mobius, für das stück aus dem Skald-
skaparniäl Wilkeos prosaische Edda zur Verfügung usw., und diese
'auswabl' nach berühmten mustern hatte natürlich ihren doppelten
vorteil; denn so konnte ja auch 'als grundlage für das glossar . . .
die anerkannt gute Wörtersammlung' des Wimmerschen buches
dienen ; 'wo ich andere texte habe' — gesteht der compilator — ,
'hielt ich mich an JFritzners Ordbog over det gamle norske
sprog, 2, resp. 1 auQ. (Kristiania 1883 ff resp. 1867), und an
ThMöbius Altnordisches glossar (Leipzig 1866) und Wörterver-
zeichnis zu Ares Isländerbuch (Leipzig 1869).'
Wie weit neben dieser art von practischen rücksichten auch
pädagogische würklich mit im spiele gewesen, kann ich nicht
deutlich erkennen, da ich von den lesern, welche sich Poestion
wünscht, keine klare Vorstellung habe. s. v sucht er sein
publicum unter den 'laien', s. vi tröstet er sich über seine 'zu-
meist' Wimmers Lesebuch folgende Orthographie unter anderem
damit, dass 'solche sprachliche subtilitäten' wie '/» für d, z statt
s in genit. nach auslautendem t oder d sowie nach II und nn,
0 und 0 . . . ja doch nur für denjenigen . . . von wesentlichem
werte sind, . . . der das Studium des altn. zu gelehrten zwecken
betreibt; ein solcher aber' — heifst es weiter — 'stellt sich
ohnehin rasch auf die eigenen füfse und schlägt dann seine be-
sonderen wege ein, um sich mit den wissenschaftlichen forschungen
an den quellen selbst bekannt zu machen'; s. 127 dagegen sollen
wir glauben, Grottaspngr und Volundarkvijia seien nur dazu 'fast
ganz in handschriftlicher Überlieferung (nach Bugges Norroen
fornkv.Tdi, Christiania 1867, s. 163—170 und 324 — 329) mit-
geteilt, um gelegenheit zu textkritischen wie nicht minder metri-
schen und z. t. auch grammatischen und sonstigen sprachlichen
Übungen zu bieten.' ich wüste keine 'laien', die dergleichen
sport betrieben, gibt es aber auch solche käuze, so werden
sie bei Zugrundelegung von Poestions text, glossar und gram-
matik schwerlich der ursprünglichen form und dem Verständnis
des Grottaspngr und der Vplundarkvijja viel näher kommen als
andere mit Übungen auf der kegelbahn oder dem zweirad. Poestion
muss vvol doch Übungen gemeint haben, welche ein lehrer mit
seinen schülern vornehmen solle; aber welchem lehrer ist zuzu-
muten, dass er seine schüler statt von der vorhandenen alten
handschriftlichen Überlieferung vielmehr von einer ganz frischen
Verfälschung derselben werde ausgehen lassen? 'nur die aller-
gröbsten Schreibfehler oder versehen' — wendet Poestion ein —
'sind berichtigt und die Orthographie mit derjenigen des übrigen
POESTION EINLEITUNG IN DAS ALTN. II 359
textes in einklang gebracht wordeo.' ja, aber schon das ist
eben gerade genug!
Der wahre grund, weshalb sich der herausgeber nicht ernst-
Hcher an diesen beiden gedichten vergriffen hat, ist übrigens
leicht zu erkennen: 'bei den Ijödahättr- Strophen' der Hävamol
hat er 'die langzeilen ESievers metrischen regeln in dessen Bei-
träge zur skaldenmetrik (in: Beiträge zur geschichte der deut-
schen spräche und litteratur b. v. vi. viii) unterworfen'; Volun-
(larkvij)a und Grottasongr hatte Sievers Beitr. vi 302 ausdrücklich
einstweilen von seiner Untersuchung ausgeschlossen.
Dass die Vpluspo', deren text sich ' — bis auf gewisse sprach-
formen und die Orthographie, die aus gründen der gleicharlig-
keit nicht angenommen werden konnten — vollkommen dem
texte Müllenhoffs' anschliefst, ohne conimentar für 'laien' und
'anfänger' absolut ungeniefsbar sei , scheint der Übersetzer von
Bangs epocheverschuldender abhandlung selbst eingesehen zu
haben; er rät wenigstens, sehr begeistert, den fünften band der
Altertumskunde zu vergleichen, sind nun aber die leser in der
läge, diesem rate, gleichviel ob mit oder ohne nutzen, zu folgen,
wozu um alles in der weit druckt er ihnen denn dann das ge-
dieht noch in ihr lesebuch hinein? blofs etwa, um ihnen Mogks
entdeckuug des 'Ginnungi' mitzuteilen oder den hund 'fyr Gnipa-
helW Gramr statt Garmr zu taufen und trotzdem zu behaupten,
der beiname festargramr (Gunnlaugssaga cap. 5) stehe 'ohne
zweifei für festargarmr = festarhimdr dh. kettenhund"?
Solcher besserungen wie Gramr, wozu ihm, beiläufig be-
merkt, wol Wimmer oder Fritzner unschuldig den anstofs ge-
geben, findet sich vielleicht noch eine und die andere in seiner
'Völuspä'; für die klarsten und offenkundigsten versehen Müllen-
hoffs aber hat er kein äuge: er druckt ruhig Strophe 13 und 48
ser statt sek oder se'k nach und lässt also — vermutlich mit
Müllenhoff noch öfter — die vpiva unerträglich aus der rolle
fallen, auch Hofforys in den Gott. gel. anz. 1885 nr 1 vorge-
schlagene correcturen und interpretationen sind ihm uoch nicht
bekannt.
Ungefähr eben so grofs wie um den text der poetischen
sind^ seine Verdienste um den text der prosaischen lesestücke,
die Islendingabök zb. gibt er zwar — auch abgesehen von seiner
anachronistischen Orthographie und einigen druckfehlern — keines-
wegs 'fast ganz in handschriftlicher Überlieferung', er lässt viel-
mehr, ohne sich irgendwo auf die bekannte Streitfrage einzu-
lassen , im anfang den absatz Halfdan hvitbeüY usw. sammt dem
inhaltsverzeichnis aus, bort mit dem ende des cap. 10 überhaupt
auf und hält die schrift so für vollständig — merkwürdiger weise
sogar für eine 'vollständige saga' — , aber die handgreiflichsten
Verderbnisse der Überlieferung bleiben natürlich unangetastet. Ari
kann unmöglich, aufser etwa durch versehen, cap. 3 pat var h
360 POESTION F.mLEITUNG IN DAS ALTN. II
vetrum eftir drdp Eadnmndar konnngs geschrieben , unmöglich —
worauf allein es hier ankommt — nach irgenil einem casus von
sex tigir das gezählte selbst in einen anderen casus als den
geniliv gesetzt haben , wie denn auch gleich drei Zeilen vorher
richtig Ix vetra überliefert ist. dass hier nicht etwa krankhafter
respect vor der schriftlichen , sondern nur fahrlässiger glaube an
die gedruckte tradition die bessernde band zurückgehalten, geht
sonnenklar zb. daraus hervor, dass wir auch cap. 1 ein En pat
vor dcccixx vetrum eftir burd Krists zu lesen bekommen, wo
zwischen der ziffer und eftir — oder vielmehr epter — gar
nichts überliefert, sondern erst von Arni Magnüsson ein vetrom
ergänzt ist, oder daraus, dass in der Zeitbestimmung ädr alpingi
vceri dtt (cap. 2) das handschriftliche att noch immer im schmucke
eines längezeichens auftritt.
Aber 'solche sprachliche subtilitäten' — so würde auch der-
gleichen vermutlich der fabrikaut unseres buches betiteln —
sind durchaus nicht die einzigen prüfsteine für die Wahrheit des
geständnisses, dass er sich 'nicht die concentrierte geistige Samm-
lung bewahren' konnte, 'welche doch gerade ein werk dieser
art in besonderem mafse erheischte.' sein ganzes glossar, obwol
es ja in allem richtigen und vielem falschen nur eine diffuse
buchstäbliche Sammlung aus anderen glossaren vorstellt —
bald mit nennung des echten geistigen eigentümers, bald blofs
mit anführungsstrichen, meist aber ohne beides — , sein ganzes
glossar kann als eine ausreichende beglaubigung jenes gestand-,
nisses gelten, nur hätte er, wollte er der Wahrheit so recht
die ehre geben, noch hinzufügen müssen, dass er auch nicht
entfernt die kenntnisse besitze, welche selbst bei noch so eifrigem
bücherwälzen gerade ein werk dieser art' verlangte, indes so
weit geht, wenn schon seine Selbsterkenntnis, seine Offenheit
doch auch hier nicht, die ausführlichkeit seines glossars, die,
wenn sie vvolüberlegt und harmonisch wäre, an und für sich
nur dank verdiente und , wenn der zusammensteller nicht ehedem
gemeint hätte, dass die copia verborum seiner formenlehre in
Verbindung mit dem Wortregister seiner grammalik für die erste
lectüre ein Wörterbuch beinahe überflüssig mache, gar keiner
rechtfertigung bedürfte, erklärt er zwar aus seiner menschen-
freundlichen tendenz, 'dem laien die bekanntschaft mit der alt-
nordischen litteratur vom anfang an so sehr als möglich zu er-
leichtern' usw., aber schliefslich fällt ihm doch noch ein, er
habe 'mit absieht gar nicht so selten dem eigenen denken und
wissen des sich schulenden lesers gelegenheit gelassen, sich zu
erproben', und diese Wendung verträgt sich nicht nur offen-
bar mit seinen vorausgegangenen mitleidigen Versicherungen viel
schlechter, sondern bringt vermutlich auch seinen eigentlichen
und innersten gedanken weniger reinhch und klar zum aus-
druck als der weise salz in den Gastregeln, welchen er s. 122
POESTION EIWLEITUNG LN DAS ALTN. II 361
selber abdruckt: engi pat veit, at kann ekki kann mma mceli
tu margt.
Ja, wenn es nur nicht so schwer wäre, das zu viel zu
vermeiden; denn das radicalmittel /)a?'s batst, at kann pegi kann
doch ein lexicograph schlechterdings nicht gebrauchen I der unsrige
hat es jedesfalls noch nicht heraus, sich zwischen Scylla und
Charybdis heil hindurchzuschlängeln, so erfährt denn einerseits
der arme 'laie' oder 'neuling' an zahlreichen stellen, wie mir
scheint, viel zu wenig, als dass er den text ohne sonstige nach-
hilfe exact verstehen konnte, muss sich aber andererseits gewis
auch der ergrauteste specialist bald hier, bald da die beschämend-
sten erweilerungen seiner einsieht und kenntnis gefallen lassen.
Eine solche harrt seiner bereits bei dem ersten satze der
Islendingabök, also auch dem ersten des Lesebuches, hier kommt
der dativ örmn (unseren) vor und als dessen noui. sing. masc.
wird im glossar würklich örr = vdrr angegeben, bemüht man
sich noch zu letzterer — der allein richtigen — form hin, so
findet man detaillierter: 'vdrr (älter örr), vdr (älter [v]ör), vdrt;'
und dazu, wenij^stens doch teilweis als erklärung auch der form
örr, die bemerkung: 'wo a in d d.i. ö umlautet, fällt y ab und
zu weg;' .... das übrige ist aus VVimmers glossar entlehnt;
der interessante anfang des artikels aber lässt argwöhnen, dass
Poestion sich irre, wenn er glaubt, 'neuere forschungeu . . .
grammatikalischer natur ... gewissenhaft berücksichtigt zu haben.'
Gleich für den zweiten satz des textes: En med [ivi at peim
likadi svd at hafa eda par vid auka, ... ist uns abermals eine
Überraschung bereitet, in der eigentümlichen sub auka vor-
getragenen Übersetzung: 'es (das buch) geüel ihnen in seiner
gestalt oder in erweiterter' wird zwar einer und der andere oder
mindestens doch Möbius leicht eine alte bekannte wider ent-
decken, allen aber dürfte es neu sein, dass 'gefallen' nicht nur
lika, sondern auch glika heifse. ein verbum glika ist freilich zu
belegen (vgl. LLarsson, Studier över den Stockholmska homilie-
boken s. 66j, aber es bedeutet bisher nur: 'gleichen', oder in
Verbindung mit eptir: 'es nachtun'.
Die nächste erwähnenswerte curiosität ist blindlings aus
Möbius entnommen: wenn Ari berichtet, köuig Harald habe die
auswanderung nach Island verboten af pvi at honum pötti land-
audn nema, so soll hier nema so viel sein wie n. stadar und
dies bedeuten: 'stattfinden, überhand nehmen'!
Die zugäbe cefri sub efri und efri, nebst wfstr sub efstr,
stammt wol zur abwechselung aus Fritzner her.
Der keim zu der lehre über die relativpartikel er: 'oft ist
er nach dem pronomen ausgelassen' lag wider schon in Möbius
Worten; doch gebürt Poestion der rühm, diesen keim zur ent-
faltung getrieben zu haben, an und für sich könnte jene lehre
zweideutig scheinen, aber glücklicher weise lässt die textstelle
A. F. D. A. XV. 24
362
POESTION EINLEriüNG IN DAS ALTN. II
des Lesebuches, auf die sie berechnet ist, keinen zweifei darüber,
dass von einer syutactischen freiheit der gesprochenen spräche
die rede ist und nicht etwa von einer flüchligkeit isländischer
Schreiber.
Und so geht es kritiklos und misverständnisvoll weiter und
weiter.
Darf demnach schon in der geschichte der nordischen phi-
lologie der name Poestion fürderhin den anbruch eines neuen
tages bedeuten, so wird eine andere Wissenschaft, die astro-
nomie, nun Poestions 'glossar' erschienen, überhaupt noch einmal
ganz von vorne anfangen müssen zu bauen, einer erkenntnis,
die — unübertrieben — die halbe weit zu interessieren geeignet
ist, kann ich mir nicht versagen, so viel in meinen schwachen
kräften steht, zur popularität zu verhelfen: Poestion hat — man
denke 1 — in der alten, ehrwürdigen tslendingabök einen wunderbar
einfachen und sicher den einzig wahren grund gefunden fiir die
zwar seit einiger zeit bekannte, speciell auf Island — nach Poestion
— etwa um die mitte des 10 jhs. zuerst beobachtete, aber ge-
wöhnlich nur mit complicierten theorien erklärte erscheinung,
dass nach der so genannten Sommersonnenwende die tage all-
mählich wider kürzer werden.
Aus Aris schlichter erzähluug ergibt sich nämlich : die Isländer
haben anfänglich ein jähr wie alle jähre zu 364 tagen oder
52 Wochen gerechnet, also keinerlei Schaltjahr gekannt; aber /«
merkdu peir at solar gangi at siimarit munadi aftr til värsins; en
pat kunni engi peim at segja, at degi einum var meir en viktim
gegndi, ok pat olli. und das ist, mit engstmöglichem anschluss
an Poestions glossar, in deutscher spräche: da merkten sie 'von'
— oder auch 'bei' — dem laufe der sonne, dass 'es gelüstete
den sommer zurück zum frühling, dh. der tag wurde wider kürzer';
aber niemand konnte ihnen sagen, dass 'um einen tag mehr als'
Wochen entsprach, vorhanden vi'ar und 'dies der grund war (näml.:
at sumarü munadi aftr til värsins)'!!
Die quelle der poesievollen und unübertrefflich stilgerechten
reproduclion : 'es gelüstete den sommer zurück zum frühling'
ist wider einmal leicht gefunden; die etwas abfallende Interpo-
lation: 'dh. der tag wurde wider kürzer' hat aber Poestion selber
gedichtet, und das, obwol Mobius, wenigstens doch in seiner
zusammenhängenden widergabe, die Umschreibung bietet: 'wie
der sommer immer mehr und mehr in den frühling zurücktrat.'
Was hier, wo es sich nur darum handelt, dass der kalen-
darische sommer und der solare sommer, weil das isländische
kalenderjahr um 'einen tag' zu kurz, jähr für jähr mehr dif-
ferierten, sich jähr für jähr weniger deckten — indem der
kalendarische sommer schon nach dem ersten umlaufe 'einen tag'
früher als der solare, und nach jedem weiteren umlaufe je 'einen
tag' mehr zu früh begann , der kalendarische sommer also nach
POESTION EINLEITUNG IN DAS ALTN. II 363
dem ersten umlaufe bereits mit dem letzten tage des solaren
frühlings einsetzte, nach dem zweiten umlaufe gar bereits mit
dem vorletzten tage des solaren frühlings usw. — , was hier das
widerkürzerwerden des tages zu suchen habe, ist zwar schwer
zu begreifen , doch wollen wir uns darüber den köpf nicht zer-
brechen noch auch mit so kleinlichen bedenken das glänzende
verdienst Poestions zu verdunkeln versuchen, nein, wir wollen
es rückhaltlos anerkennen, dass unseres wissens kein leser der
islendingabök vor ihm auch nur die möglichkeit leise geahnt,
dass das widerkürzerwerden des tages davon herrühren könnte,
dass das jähr nicht einfach 52 wochen , sondern 52 wochen und
'einen tag' lang!! und wenn Poestion so tut, als ob der Ver-
fasser der Islendingabök schon auf diesen genialen gedanken
gekommen, so treibt er die höflichkeit und bescheidenheit ja so
augenfällig über alles mafs und ziel hinaus, dass ich meine leser
wol nicht weiter vor dieser selbstlosen hingäbe seines ureigensten
Verdienstes zu warnen brauche.
Doch ich denke nachgerade überhaupt genug gewarnt zu
haben, wenn anders sich genug vor den altnordischen attrappen
warnen lässt, aufweichen der name JCPoestion als ein verfasser-
name gedruckt prangt, es wäre ja auch gewissenlos, durch
öffentliche aufzählung von allzu vielen seiner einzelfehler die un-
brauchbarkeit eines solchen machwerkes zu gefährden.
Berlin. Fr. Bürg.
LiTTERATURNOTIZEN.
Zur deutschen spräche und litteratur. vortrage und aufsätze von
Karl Biltz. Potsdam, AStein, 1888. 297 ss. 8». 3 m. —
dieser titel vereinigt eine reihe von arbeiten, welche teils in
Herrigs Archiv und in tagesblättern seit dem ende der sechsziger
jähre erschienen, teils bisher nicht durch den druck an die
öffentlichkeit gelangten, der Inhalt ist ein bunter, neben ety-
mologischen und lexicaliscben essays, zb. über sorge und über
posse, kommt insbesondere die kritik an dem modernen deutschen
drama und die Lutherforschung zu worl: war es doch vorzüglich
das Interesse für den grofsen reformator, welches den verf. zu
seinen Studien über die geschichte der nhd. spräche und ihres
Wortschatzes veranlasste, nicht allen aufsälzen wird man gleichen
wert und gleich überzeugende kraft beimessen können, die wich-
tigsten sind zweifelsohne die beiden über die entstehungszeit des
liedes Eine feste bürg ist unser gott (Januar 1529); aber allen
lässt sich beherschung der einschlägigen lilteratur, vorsichtige
beweisführung und anmutige, hin und wider durch leisen humor
gewürzte darstellung nachrühmen. St.
24*
364 LITTERATURNOTIZEN
Das erste Stadium des i- umlauts im germanischeD. von Emfl von
Borries. Strafsburger diss. Strafsbiirg, JHEHeitz (Heitz& Mündel),
1887. 82 SS. 8". 1,50 m. — unter dem ersten Stadium des
/■-umlauts versteht der verf. den durch ein i, j der folgenden silbe
bewürkten Übergang von europ. e zu germ. i. nachdem er eine
nicht sonderlich lichtvolle übersieht über die entwickelung der
vocaltheorien seit Grimm, wesentlich mit beschränkung auf die
frage der prioritätsverhältnisse zwischen a und e, sowie zwischen
e und i, vorausgeschickt, prüft er den Lefflerschen satz, eben
den Übergang von e zu i durch i-umlaut, ausführlich am ahd.
material, welches er nach einzelnen «-endungen gruppiert, über-
sehen ist dabei -it als 2 p. pl. ind. praes., die 2 p. sg. imp. und
vieles einzelne, die würklichen Schwierigkeiten, die noch in
nächster nähe dieses gebietes liegen , die frage nach der gestaltung
von europ. e bei u in der folgenden silbe, die so genannte
brecbung von europ. t, dann etwa das Schicksal von e und i in
alten lehnwörtern, sind gar nicht berührt, während der verf.
sich umständlich und mühsam mit dingen herumschlägt, die kaum
noch jemandem bemerkenswerte Schwierigkeiten darbieten, so
weit solche noch etwa vorhanden sind , ist ihre lösuug durch
die vorliegende Untersuchung kaum gefördert, dafür besitzt vB.
vorläufig auch weder die kenntnisse noch das geschick. die lit-
teratur ist ihm nur in geringem umfange bekannt und wird dann
nicht einmal gehörig ausgenutzt, auch fühlt man sich in dieser
linguistischen Untersuchung häufig von veralteten ansichlen son-
derbar angemutet: dass der verf. wini und andere /- stamme un-
befangen für yo- Stämme hält, ist noch eins der gelinderen bei-
spiele. man hat sogar allen grund zu zweifeln , ob sich vB. eine
irgendwie genügende Vorstellung von den grundzügen des idg.
oder germ. vocalismus verschafft habe; nicht einmal europ, e
und i scheint er genügend zu unterscheiden , wie ua. daraus her-
vorgeht, dass er zu laizjan usw. ein st. vb. ahd. *leran ansetzt
(s. 62). es ist wol auch grofsenteils das gefühl der Unsicherheit
und des noch sehr mangelhaften wissens, welches vB. hindert,
Probleme richtig zu erfassen und ihre lösung zweckentsprechend
anzugreifen, der einzig richtigen erkläruug, die für die meisten
Schwankungen zwischen e und i, welche er behandelt, in belracht
kommt, dem ausgleich, zeigt er sich zunächst ganz verschlossen,
später, für andere fälle, nähert er sich ihr, aber unbeholfen und
zaghaft, auch offenbart sich ein mehr als gewöhnliches Ungeschick
sowol in der anordnung des Stoffes, wie im ausdruck. doch wir
wollen nicht vergessen , dass wir es eben mit einer doctordisser-
tation zu tun haben, für das weitere publicum lohnt sich die
lectüre der auch recht schlecht gedruckten abhandlung kaum,
bemerkenswert ist höchstens die talsache, dass die abstracta auf
i mit einer gewissen regelmäfsigkeit, die auf -ipa häufig den
wurzelvocal wider an e angleichen, auch der excurs über -ipa
UTTERATURNOTIZEN 365
s. 42 ff, der auf den nachweis abzielt, dass dies suffix ursprüng-
lich nur von verben auf -jan ableite und in nächster beziehung
zum part. praet. stehe, verdient beachtung. J. Franck.
Gustav Burghauser, Indogermanische praesensbildung im germani-
schen, ein capitel vergleichender grammatik. — derselbe, Ger-
manische nominalflexion auf vergleichender grundlage. — der-
selbe, Die germanischen endsilbenvocale und ihre Vertretung im
gotischen, altwestnordischen , angelsächsischen und althochdeut-
schen. Wien, Prag, Leipzig, Tempsky & Freytag, 1887 — 88.
55,28, 17 SS. 8«. 1,0,60,0,50 m. — die aufgezählten Schriften
verfolgen den gleichen zweck wie die frühere desselben autors
Die bildung des germ. perfectstammes vornehmlich vom stand-
puncte der indog. vocaiforschung: sie wollen die resultate fremder
arbeit übersichtlich mitteilen, wobei aber der verf. sich vorbehält,
selbständig Stellung zu nehmen und wo möglich die noch un-
gelösten fragen zu fördern, von diesem vorbehält bat er freilich
nicht gerade viel gebrauch gemacht, denn im ganzen begnügt
er sich mit der rolle eines willigen , manchmal allzu gläubigen
Schülers der sog. 'Junggrammatiker', weil er, wie er sagt, 'sich
von deren methodischen principien überzeugt fühlt und sich den
grofsen positiven erfolgen Osthoffs, Brugmanns, Pauls ua. nicht
verschliefsen kann noch auch — will, wenn er ihnen gleich im
einzelnen nicht bedingungslos folgt.' man muss zugeben, dass
er sich seinen autoritäten nicht blindlings, sondern mit prüfung
und würklichem Verständnis auschliefst; aber er teilt mit anderen
der gleichen richtung den glauben, dass in bestimmten namen
von autoren und Zeitschriften die gesammte sprachwissenschaft-
liche littiratur erschöpft sei, aufserhalb deren es nichts zu be-
achten oder zu lernen gebe, die schule bekundet sich bei ihm
auch darin, dass auf grund von lautgleichungen ohne rücksicht
auf die bedeutung etymologien erzwungen werden (vgl. besonders
Praesensbildung s. 18 und s. 49 lipan und finpan) und den
theoretischen construclionen gegenüber die lebendige sprachauf-
fassung manchmal nicht zur geltung kommt, das altwestnordische
steht auf dem titel der letzten schritt doch wol nur deshalb, weil
in der vortrefflichen Brauneschen Sammlung bis jetzt dieser zweig
des nordischen allein behandelt ist. und durfte man nicht er-
warten , dass jemand, der über germ. grammatik schreibt, sich
vom alts. auch andere keuntnisse angeeignet habe, als aus Heynes
Alts, und altuiederfr. gramm. zu holen sind? aber B. fufst über-
haupt nicht auf eigenem Studium des germ. oder irgend einer
germ. spräche, sein horizont ist mit einer anzahl von gramma-
tiken und Specialuntersuchungen abgegränzt. wer einmal das
germ. durchforscht hat, wird nicht mit B. sagen, dass die stamm-
abstufung der grundsprache nur noch in schwachen reflexen be-
wahrt sei. die reflexe sind zahlreich genug, und es verlohnte
sich wol, sie einmal zusammenzustellen, es gibt jedoch auch
366 LITTERATÜRISOTIZEIS
manche enger zu seinem thema gehörige dinge, die dem verf.
entgehen , sohald sie nur in jüngeren schichten der germ.
dialecte deutlich wahrzunehmen oder nur dort erhalten sind,
von diesen mangeln abgesehen sind die arbeiten als lleifsige,
gründliche, verständige und auch übersichtliche referate durchaus
zu loben, die ihren zweck erfüllend eine übersieht über den
stand der fragen und die verschiedenen beliaudlungen geben, da
meistens fremde forschung geboten wird, hätte mehr, als es ge-
schieht, citiert werden sollen, und ein viel gröfseres publicum
würde nutzen aus den Schriften schöpfen können , wenn B. seine
themala ausführlicher erläuterte und sich etwas weniger des
liuguistenjargons bediente ; dahin rechne ich auch , wenn 'un-
organisch' genannt wird, was auf gewöhnliches deutsch 'un-
erklärt' heifst.
Der inhalt der an erster stelle genannten schrift erhellt
zur genüge aus ihrem litel. in der zweiten werden die enduugen
der germ. nominalflexion unter Verfolgung ihrer gestaltung bei
den verschiedenartigen wortstämmen auf bestimmte idg. endungen
zurückgeführt, in der letzten die endsilbvocale der conjugations-,
declinations- und adverbialendungen nach einzelnen lauten und
ihrer gestalt in den verschiedenen altgerm. sprachen zusammen-
hängend erörtert, der verf. ist ersichtlich bestrebt, zu möglichst
einfachen formulierungen zu gelangen, aber obvvöl einfachheit
an sich einnimmt, kann man doch seinen Sätzen nicht überall
glauben schenken, am meisten fordert die darstellung der aus-
lautgesetze zum Widerspruch heraus, zumal die annähme, dass
in fällen wie mih , joh, faz der auslautende vocal geschwunden
sei, nachdem durch die hd. Verschiebung die Wurzelsilbe posi-
tionslang geworden, im sächs. wäre also dann der grund der
kürzung ein anderer! freilich stellen sich auch, davon abgesehen,
bei der angenommenen fassung der auslautgesetze, wonach o, i, u
gleichmäfsig nur nach langer silbe, nach kurzer nur analogisch,
schwinden, die Verhältnisse bunt genug dar, sobald man unter
dieser Voraussetzung einmal die verschiedeneu typen im got., ahd.
und alts. verfolgt, es ist eben nicht glaublich, dass a nur nach
langer silbe lautgesetzlich geschwunden sei. J. Fränck.
Mouumenta Germaniae paedagogica herausgegeben von KRehrbach.
Berlin, Hofmann &cie, 1887. bd. iv: Die deutschen katechismen
der böhmischen brüder. kritische textausgabe mit kirchen- und
dogmengeschichtlichen Untersuchungen und einer abhandlung
über das Schulwesen der böhmischen brüder. nebst 5 beilagen
und einem namen- und Sachregister von Joseph Müller, xiv und
466 SS. 4*^. 15 m. — die secte der böhmischen brüder ist
hussitischen Ursprungs, ihre Schriften sind tschechisch verfasst;
mehrere unter ihren aposteln gehören zu den hauptförderern der
böhmischen Schriftsprache, vor allen Blahoslav; Comenius, der
aus ihrem kreise hervorgegangen ist, nennt unter den äufseren
LITTERATÜRNOTIZEN 367
Ursachen, die das Wachstum der böhmischen unität unterstützten,
'die fortgesetzte verüfTentlichung nützlicher bücher, welche auch
bei fremden gefallen fanden, die bekennen musten, dass die rein-
hfit der böhmischen spräche am vorzüglichsten in der unität
gewahrt werde' (s. 344). so ist auch der wichtigste teil der
deutschen denkmäler, die in diesem bände vorgelegt werden,
zuerst tschechisch verfasst gewesen, und sie sind, wie die brüder-
unität selbst, für die geschichte des geistigen lebens der böhmi-
schen Slaveo ungleich wichtiger als für die deutsche kultur-
geschichte. dennoch danken wir dem herausgeber für ihre
einbeziehung in seine grofse, rüstig fortschreitende Sammlung,
denn die würksamkeit der brüdergemeinden greift vielfach — und
nicht blofs in Böhmen — auf deutsches gebiet über und wird
ihrerseits von der reformatorischen bewegung in Deutschland
stark beeinflusst.
Die arbeit JMüllers ist besonders darum eine fruchtbare,
weil ihm — er ist diaconus und historiograph der brüder- unität
in Herrnhut — die vorhandenen quellen zur inneren geschichte
seiner kirche bequem und vollständig zur Verfügung standen, er
hat sie sorgfällig und im grofsen und ganzen auch unbefangen
ausgenützt.
Er begründet überzeugend, warum er zur mitteilung des
erreichbar ältesten textes des deutschen brüder -katechismus —
der Kinderlragen — das Wolfenbüttler exemplar verwendet, das
unter den älteren drucken derselben der zeit nach der jüngste
sein dürfte, und gelangt zum ergebnis, dass die (verlorene) vor-
läge um 1521/22 verfasst sein wird, sie ist eine Übersetzung
aus dem böhmischen, die beantwortung der frage nach der zeit
dieses ältesten böhmischen katechismus macht das eingehen
auf den theologischen streit zwischen brüder Lukas, dem damaligen
geistigen haupte der brüderschaft, und dem barfüfser Jan Vod-
nansky (Johannes Aquensis) notwendig, das resultat, dass der
böhmische katechismus von brüder Lukas verfasst und zwar
spätestens 1 502 schon fertig war, ist als sicher anzusehen.
in der quellenuntersuchung wird der Zusammenhang zwischen
den Rinderfragen und jenem in der Wiener hs. 4557 enthaltenen,
bereits von Palacky mitgeteilten katechismus nachgewiesen , der
auf Johannes Hus zurückgeht, ihr Verhältnis zu einem Raud-
uitzer katechismus wird nicht ganz klar, die lehre vom glauben
stammt von Hus her, die frage aber, wo der Ursprung jener
den böhmischen brüdern eigentümlichen Unterscheidung zwischen
'wesentlichen' und 'dienlichen' dingen liege, muss der verf.
offen lassen, nun findet sie sich auch im Waldenserkatechismus
wider, und hier berühren wir den schwachen punct der quellen-
untersuchung. damit nämlich, dass berühruugen zwischen den
Kinderfragen und hussitischer lehre unzweifelhaft vorhanden sind,
ist die frage noch nicht beseitigt, ob nicht auch in anderen
368 LITTERATURNOTIZEN
gleich- oder vorzeitigen reformversuchen ähnliches vorhanden
sei. ferner: aus jener berührung mit dem Hussitismus und
aus dem uachweis, dass die Kinderfragen im ganzen aus dem
lehigehäude der hrüderschaft, insbesondere aus den anschauungen
des bruders Lukas zu verstehen seien , glaubt M. auch indirect
nachgewiesen zu haben, dass sie nicht mit dem Waldenser-
kalechismus zusammenhängen und dass dieser die Kinderfragen
voraussetze, das ist entschieden zu viel geschlossen, jene Über-
einstimmung in der lehre vom 'wesentlichen' und 'dienlichen'
macht einen Zusammenhang höchstwahrscheinlich; aberweichen
weg die Übertragung gegangen sei, von den brUdern zu den
Waldensern oder umgekehrt, bleibt nach wie vor unentschieden.
An den ältesten katechismus schliefsen sich sehr über-
sichtlich seine bearbeitungen: der Waldenserkatechismus , dessen
einordnung an dieser stelle nach den eben — von rein philo-
logischem standpunct aus — geäufserten methodischen bedenken
zweifelhaft sein muss, zwei niederdeutsche und eine SGallische
bearbeilung — für die letztere wünschte man eine erörterung,
welchen theologischen anschauungen und bedürfnissen sie ihre
starken Zusätze verdankt; auf diese folgen die späteren brüder-
katechismen.
Aus der abhandlung über das 'Schulwesen der brüder' sei
hervorgehoben, dass der boden der unität anfangs nur dem
elementaren Unterricht, diesem aber in hohem grade günstig
war; ihre eigentümliche geistlich -sittliche anschauung war dem
humanismus abhold: sie verkünden das mit selbstbewustsein in
einer an Luther gerichteten schrift (s. 323 f). in einer epoche
aber, wie das Zeitalter der reformation war, zeigte sich bei dem
Wettbewerb der confessionen und den mittein, die dabei in an-
wendung kamen, den brüdern bald, dass es für sie lebensfrage
war, den humanistischen Studien wenigstens ein eingangspförtlein
zu verschaffen, wie ängstlich man dabei vorgieng, zeigt die
s. 349 abgedruckte Schulordnung für das gymnasium in Sobieslau
vom jähre 1613, und ein zeugnis der Schwierigkeiten, die zu
anfang der fortschrittlichen bewegung dem studienfreundlichen
Blahoslav sich entgegenstellten, ist seine im jähre 1567 ge-
schriebene schütz- und Streitschrift (s. 353 IT).
Von den 'beilagen' sei noch besonders das Gesprächsbuch
des Andreas Klatovsky (1540) genannt, gespräche in deutscher
und tschechischer spräche zum zwecke der erlernung beider,
das büchlein ist kulturhistorisch aufserordentlich anziehend, weil
die Stoffe der gespräche dem täglichen leben entnommen sind; mehr
als ein Jahrhundert lang wurde es gerne gebraucht und immer
wider neu aufgelegt, die grammatik des älteren nhd. wird zur
phonetischen bestimmung der laute der schrift einiges entnehmen
können, denn zuerst beschreibt ein Tscheche dem Deutschen
die tschechischen, dann der Deutsche jenem die deutschen laute.
LITTERATURNOTIZEN 369
der slavische verf. beobachtet richtig, dass deutsches 6 im ao-
laut wie p gesprochen werde, und auch im folgenden vergleicht
er die deutsche media mit der slavischen. er ist dabei gewis
unabhängig von den gleichzeitigen deutschen schreib- und Sprach-
lehren, denn diese wissen zwar (Kolrofs, Frangk ua.), dass b
und p im schreiben öfters verwechselt werden, aber der lebendige
laut wird nicht in den kreis der beobachtung gezogen, nur der
Schryfftspiegel (1527) scheint den unterschied auch mit dem ohr
aufgefasst zu haben: Dat klein b I mach in vyl worden j mi stat
eines p gesalzt werden und sunderlich so du schrijfft bat besser
baeser — es folgen noch mehrere wörler mit anlautendem 6 (Müller,
Quellenschriften 386), und erst der treffliche Helber weifs ge-
naueres: So man das B stark ausspricht, lautet es vast wie das
P. Also wirdt es ausgesprochen , wan es der erste Buchstab ist in
einein wort ... (s. 5 ed. Roethe). st, sp hörte Klatovsky als
seht, schp; w, wo es spirans war, sehr wahrscheinlich mit bila-
bialer ausspräche. Joseph Seemüller.
Gaston Paris, La litt^rature fran^aise au moyen age (xi* au
xiv« siecle). Paris, Hachette, 1888. vn und 292 ss. 8".
2,50 fr. — diese übersieht der altfranzösischen litteratur bildet
den I band eines Manuel d'ancien franfais, dessen folge gram-
matik, texte, Wörterbuch enthalten soll, es ist dazu bestimmt,
in diese Studien einzuführen, das wichtigste aus dem bisher für
die geschichte der altfranzösischeu litteratur geleisteten zusammen-
zufassen und zu eindringendem forschen in so fern den weg zu
zeigen, als überall die stellen angegeben sind, an denen zuletzt
über den einzelnen gegenständ gehandelt worden ist. über die
in folge dessen den litterarischen verweisen s. 245 — 273 gegebene
form wird man verschiedener ansieht sein können, es kann der
fall eintreten, dass der philologe, der sich zuletzt über einen
gegenständ geäufserl, weniger zuverlässiges bietet als sein Vor-
gänger, auch dass seine schrift weniger leicht zugänglich ist. so
hat ref. wegen des mit dem Eraclius verglicheneu Ptocholeon
sich erst spät einblick in das von GParis citierte buch von
d'Ancona verschaffen können, während ihm die eigentlichen
quellenschriften von Duulop-Liebrecht (hier ist s. 487 zuerst auf
die mit Eraclius verwandte sage hingewiesen worden) und von
Wagner, Carmina graeca medii aevi sofort zugänglich gewesen
wären, abgesehen von solchen nebenwünschen, wird man es
auch seitens der deutschen philologie dankbar begrüfsen, dass
die altfranzösische litteratur, welche unter den mittelalterlichen
litteraturen in den Volkssprachen eine centrale Stellung einnimmt,
nunmehr in ebenso zuverlässiger als bei aller knappheit reich-
haltiger Zusammenfassung vorliegt, für spätere ausgaben ist die
aussieht eröffnet, dass zu den jetzt streng nach gattuugen und
Stoffen getrennten Übersichten auch solche hinzukommen sollen,
welche die einzelnen perioden (vielleicht auch laudschaften ?) in
370 LITTERATURNOTIZEN
ihren gesammtleistungen vorführen, irrtümlich ist s. 20. 36 die
form scöps für die germanischen dichter: das o ist kurz, s. Zimmer
QF 13 und Wackernagels Litteralurgeschichte^ §22, 16. für den
Roman de Renart (§ 82. 83) sähe ich gern das datum 'nach 1165'
angeführt, welches für die brauche iv fest steht. E. Martin.
Louis DPetit, Bibliographie der middelnederlandsche taal- en letter-
kunde. Leiden, Brill, 1888. xvi und 299 ss. gr. 8^. 7,50 m.—
diese bibliographie hat den von der kgl. vlaamschen academie
ausgesetzten preis erhalten; die aufgäbe, von belgischen gelehrten
gestellt, ist von einem holländischen gelöst worden, in der tat
verdient die reichhaltigkeit, genauigkeit und Übersichtlichkeit des
buches alles lob. insbesondere hebt der verf. mit recht die der
wissenschaftlichen prosa geschenkte aufmerksamkeit als etwas
neues und gewis dankenswertes hervor, hier tritt namentlich
auch der starke austausch des niederländischen geisteslebens mit
Oberdeutschiand, zumal mit Slrafsburg hervor: unter den deut-
schen mystikern, die in den Niederlanden bearbeitet wurden,
erscheint auch Rulman Merswin neben Suso. eingeschobene
bemerkungen des verf.s weisen auf die stofflichen quellen und
die handschriftlichen Überlieferungen hin: hier wäre wol noch
eine erweiterung des geleisteten möglich, so existiert das Byenboek
(nr 994) auch in einer jetzt zu Strafsburg befindlichen hs. aller-
dings geht die berücksichtigung dieser quellen über das hinaus,
was man von einer bibliographie zu verlangen pflegt, einige
druckfehler, die den kundigen freilich nicht stören werden, haben
sich eingeschlichen, zb. s. 3 nr 23 praeteritem anstatt -tum;
s, 61 nr 454 Frigus statt Fergus; s. 82 nr 470, e: Raynert statt
Reynaert ua. der letztgenannte fehler begegnet auch im register,
welches übrigens, sorgfältig und ausführlich behandelt, den ge-
brauch des buches wesentlich erleichtert. E. Martin.
Über die niederdeutschen Übertragungen der Lutherschen Übersetzung
des N. t., welche im 16 jh. im druck erschienen, von dr Karl
Eduard Schaue. Greifswalder diss. Greifswald, druck von Julius
Abel (Halle a,S., Niemeyer in comm.), 1889. 75 ss. 8«. 2 m.—
vorliegende schrift dürfte philologen und theologen sowie jedem,
der für Lutherforschung, nd. liiteraturgeschichte oder Sprach-
wissenschaft sich interessiert, willkommen sein, auf grund sorg-
fältiger und streng kritischer Untersuchung gibt der verf. eine
klare und übersichtliche geschichte der nd. bibelversion ; zugleich
behandelt er eingehend die bisher ungelöst gebliebene Bugen-
hagenfrage, indem er die Verdienste Bugenhagens um die nd.
bibelübersetzuug im zweiten capitel des anhangs feststellt, den
schluss bilden textproben aus dem Matthaeus der vorlutherischen
Halberstädter bibel (1522) und der nachlutherischen neuen testa-
menle Hamburg 1523 sowie Wittenberg 1523 und 1524.
Horst in Pommern. Dr Th. ünrub.
Otto Schroeder, Vom papiernen stil. habet nescio quid latentis
LITTERATUR.NOTIZEN 371
energiae viva vox. Berlin, Walther & Apolant, 1889. 93 ss.
S^. 2 rn. — das Schriftdeutsch, in so weit es von der lebendigen
rede sich entfernt und constructionen, phrasen, ausdrücke ver-
wendet, welche man in gesprochener rede niemals hört, versteht
der verf. unter dem papiernen stil, den er befehdet, kurz cliarac-
terisiert er ihn im ersten aufsatz an reichlichen beispielen; einen
besonderen fall behandelt ausführlich , obwol im einzelnen nicht
frei von Vorurteil oder diflelei , das zweite capitel, welches die
geschichte des Wortes derselbe skizziert und den nachweis erbringt,
dass es erst im laufe der zeit neben seiner ursprünglichen func-
tion die jetzt fast allgemein übliche Vertretung des personal- und
Possessivpronomens der 3 person überkam, sicherlich ist ein-
zuräumen , dass die sinnlichen demente der spräche sorgsamste
pflege heischen, damit nicht abstractbildungen ohne saft und
kraft, bei denen niemand sich etwas vorzustellen vermag, über-
wuchern, und dass die geschriebene spräche, soll sie nicht ver-
knöchern, stets aus der gesprochenen sich verjüngen muss. wenn
aber beide der verf. kurzer band identificieren will, so schiefst
er über das ziel hinaus, im umgange bedienen wir uns eines
verhältnismäfsig geringen wortvorrats und verzichten auf alle
längeren perioden. anders verfährt der prediger, der redner, der
dozent. hinwiderum ist es eine bekannte tatsache, dass orato-
riscbe leistungen ersten ranges auf dem papier oft ihre würkung
gänzlich einbüfsen. während zb. der vortragende, wofern er nur
wechselnden tonfalls sich befleifsigt, in rascher folge die gleichen
Worte gebrauchen darf, stört den lesenden die widerkehr des-
selben ausdrucks empfindlichst. mündUche diction und schrift-
liche sind ihrem vvesen nach nicht minder verschieden als die
menschlichen sinne, welche von ihnen in anspruch genommen
werden, doch Seh. geht in der gleichsetzung von schrift und
rede noch einen schritt weiter, bis zu gewissem grade wünscht
er nämlich in der schrift auch der ausspräche rechnung zu
tragen, indem er, fufsend auf Scherers bekanntem essai — dessen
statistische daten übrigens mehrfach berichtigt werden — , dem
hiatus in der neueren deutschen dichtung seinen dritten abschnitt
widmet, trachtet er die scheu vor dem zusammenstofs zweier
vocale, welche seit Opitz nach antikem vorbild bei manchen
poeten herscht, auch unserer prosa mitzuteilen, er versteigt sich
zu der behauptuug, kein unverbildeter mensch sage habe ich,
Imigne ich, sondern hab ich, läugn ich, und schreibt dem geraäfs
durchweg bracht er, würd er usw. was für einen zweck solch
Stückwerk hat, bleibt mir verschlossen, denn hiaten sind in
längeren auseinandersetzungen kaum vermeidbar, will man nicht
der künstelei verfallen*; auch Seh. entgeht ihnen auf keiner seite.
* ich habe mir den scherz erlaubt, aus diesem kleinen artikel jeg-
lichen hiatus zu verbannen: gerade dabei sah ich aber ein, dass ihn unsere
spräche nicht perhorresciert.
372 LITTERATIJBNOTIZEN
mit seiner forderung setzt er sich ferner in Opposition zu den clas-
sikern : Goethes prosa kennt solche hiatusfurcht nicht, und eudhch
übt er mit ehsiouen wie lernt ich, dacht er einen widerwärtigen
zwang auf seine leser aus. der dichter darf und muss anzeigen,
wie seine verse zu lesen sind; analog zu verfahren besitzt der pro-
saist weder pflicht noch recht, das hochdeutsch entbehrt einer ein-
heitlichen ausspräche, tempo, tonhöhe, klangfarbe, der grad des
einllusses der mundart differieren so stark, dass es ebenso selten
Individuen gibt, welche ganz conform reden, wie menschen mit
gleichem gesichtsschnitt. mag einer oder der andere nicht blofs
im täglichen gespräch, sondern auch bei feierlichem anlass hab
ich, läuyn ich sagen*, die mehrzahl wird darin eine befremdliche
licenz erblicken, wir schreiben, damit uns jedermann verstehe;
wie die schrift er in den laut umsetzt, das stellen wir seiner
gewohnheit und seinem freien willen , dem vorzugreifen uns die
befuguis abgeht, anheim.
Aber ich bekenne zu guter letze gern, dass das zierliche
biichlein , trotzdem es aller orten zum Widerspruch herausfordert,
durch den reiz geschmackvoller darstellung und feiner ironie zu
fesseln weifs. St.
Die bestrebungen der Sprachgesellschaften des xvnjhs. für reinigung
der deutschen spräche, von dr HSchultz. Göttingen, Vanden-
hoeck & Ruprecht, 1888. 158 ss. 8«. 3 m. — der verf. ist,
wie schon sein motto aus Ciceros Officien andeutet, durch die
gegenwärtige sprachbeweguug bei seinem fleifsigen 'quellen-
mäfsigen berichl' mit bestimmt, der übrigens nicht blofs die
'hauptsächlichsten bestrebungen', sondern auch ihre letzten aus-
läufer gegen ende des jhs. berücksichtigt, diese stehen jedoch,
so weit sie sich nicht als im entwurf stecken gebliebene nach-
äffungen der grofseu gesellschaften ausweisen , bereits unter dem
mehr wissenschaftlichen einfluss der französischen und englischen
gesellschaften und sind somit schon vorboten einer neuen zeit,
die mit der sprachbeweguug des 17 jhs. fast keine fühlung mehr
hatte, wenn Seh. das bisherige urteil über sie falsch nennt, so
weifs sich der ref. zb. von dem Vorwurf frei , sie als 'verfehlt,
ja lächerlich' bezeichnet zu haben, allein, so notwendig gerade
dieser sprachstreit im leben der spräche begründet war, man
darf seine bedeutung widerum nicht überschätzen, die tatsache
jässt sich doch nicht umstofsen, dass unmittelbar nach der
würksamkeit der gesellschaften wie zum höhne die französische
fremdwörterei als 'ton de cour' hereinbrach, die schlacht bei
Rossbach und der einzige Lessing haben mehr dagegen und für
die widergeburt der spräche geleistet, als die tausend mitglieder
* es bedarf indes erst der Untersuchung, wie weit der brauch sich
erstreckt, ob hier in der tat der hiatus umgangen wird und nicht vielmehr
altdeutsche tonverhältnisse noch nachwürken, ob die kürzung nicht auch
vor consonanten eintritt (zb. ich hab das getan) usw.
LITTERATURNOTIZEN 373
jener vereine, s. 142 wird nach Haupt (Berliner acad. 1861
s. 629) Leibnizens wort über den philosophischen wert der deut-
schen spräche angeführt, da dies gegenwärtig sehr häufig ge-
schieht, so wäre darauf hinzuweisen gewesen, dass Leibniz dabei
am wenigsten die internationale wissenschaftliche terminologie im
äuge gehabt hat. hier zeigt gerade Hegel, wie unklar man trotz
einer ganz deutschen terminologie sein kann, des ältesten deutsch
schreibenden philosophen , nämlich Notkers, beispiel sollte auf der
anderen seite zu denken geben, die beiden blüteperioden der
deutschen spräche kannten keine sprachliche quarantaine. s. 45
würden wir es gern gesehen haben, wenn der verf. bei Schottel,
dem einzigen denker unter den damaligen deutschen gramma-
likern, nicht völlig auf eine Würdigung seiner nichtpurislischen
arbeiten verzichtet hätte, s. 29 f und 96 anm, müssen doch
wol als berichtigungen des ref. aufgefasst werden; aber nach
ihrem rechte hat er vergeblich gesucht, zumal s. 30 schliefslich
seiner motivierung der späten aufnähme Opitzens in die frucht-
bringende gesellschaft zustimmt, s. 105 war Harsdörffers ortho-
graphische Verunstaltung von Schupps landgut Avellin zu Abelin
anzumerken, dem namen liegt wol eine reminiscenz an Plinius
(15,88 AbelUna nux = Abellana, haselnuss) zu gründe; die bezüg-
lichen orte heifsen italienisch Avella, Avellino. Karl Borinski.
Schriftproben aus hss. des xiv — xvijhs. zusammengestellt von drBu-
DOLF Thommen. Basel, Detloff, 1888. vi, 18 ss, und 20 tafeln
hoch 4". 8 m. — es ist gewis ein dankenswertes unternehmen,
im anschluss an die schrifttafeln von WArudt ein hilfsmittel zu
bieten, welches speciell die dort zu kurz gekommenen Schrift-
arten des ausgehenden mittelalters berücksichtigt, aus den letzten
150 Jahren sind einige buchschriften und eine grofse fülle ver-
schiedener kanzleihände aus Baseler archiveo (mit ausschluss von
Urkunden) zusammengestellt, immer eine ganze seite in trefflicher
photolithographischer widergabe. gewis war gerade in dieser rich-
lung ein Übungsmittel ein bedürfnis, und diesem zweck entspricht
es auch, dass von allen tafeln eine vollständige Umschrift beigegeben
ist. alle ergänzenden buchstaben sind in cursivdruck gegeben,
eine m. e. unnütze quälerei; zweifelhaft kann es erscheinen, ob
nicht in den jüngsten schritten schon oft der abkürzungsstrich,
namentlich am schluss der worte, zum bedeutungslosen Schnörkel
geworden ist: ich würde deshalb nicht immer den endconsonant
verdoppeln, sondern mich auf eine allgemeine bemerkung be-
schränken.
Manche dieser rein geschäftlichen schriften sind schwierig
zu lesen, und leider ist auch die beigegebene Umschrift nicht
immer fehlerfrei, wir glauben das nicht übergehen zu dürfen,
weil ja die anleitung von anfängern beabsichtigt ist. auf s. 2
findet sich in der Überschrift des zweiten absatzes von tafel 2
ein ganz unverständliches sumrmim, während die ganz regelmäfsige
374 LITTERATÜRNOTIZEN
auflösiing der abkiirzung mit secnndum den richtigen sinn gibt,
auf s. 3, t. 5, ist dominicums nur ein druckfehler; es ist aber
nicht zu billigen, dass die gerade hier ganz sorgfältige und richtige
interpunclion nicht beibehalten ist; s. 4 z. 8 fehlt das n in lo-
querentnr. auf t. 6, s. 6, ist zweimal nu, nicht mm, zu lesen:
der abkürzungsstrich sieht anders aus. für das abgekürzte her
aber würde ich trotz dem genau genommen beweisenden zeichen
nicht herr lesen, weil ausgeschrieben nur her vorkommt; in dieser
späten zeit hört eiien die genaue anwendung der zeichen auf,
und man muss die sonstige gewohnheit des Schreibers beachten,
so ist es auch nicht richtig, das d mit folgendem zeichen, welches
wie z aussieht, als daz aufzulösen, wenn ausgeschrieben das vor-
kommt, auf t. 7 war nicht ct., sondern etc. zu lesen, da das
erste element das zeichen für et ist. auch ist im ersten absatz
verschrib <ii\hu]ösen, weil es singular ist: der Schreiber hat ganz
richtig unterschieden, auf s. 8, t. 8, I. kursinner, nicht kursinern.
Recht bedauerlich ist s. 8, t. 9, der nehstgessen pene statt
nehstgeschribenen: in solchen fällen sollte man sich doch billig
den sinn und Zusammenhang klar machen, verhenget (anm. 4) ist
nicht = veranlasst, sondern = gestattet, auf t. 10 ist statt ert
zu lesen ort. auf s. 11, t. 14, war allerdurchtigister nicht als
abgekürzt, sondern als Schreibfehler zu bezeichnen, da es richtig
wol kaum sein kann. s. 13, t. 15, steht uicht antwercker, sondern
antwercks, und es ist das handwerk, das amt, welchem genug-
getan werden soll. s. 14, t. 16, wird ein laie leicht irregeführt
werden durch das widerholle obiit: nicht der todesfall wird hier
gemeldet, sondern nachträglich die bemerkung zugesetzt, dass
diese personen inzwischen gestorben sind, auf t. 17 ist Georgii
martiris zu lesen , und mit kenntnis der ganzen hs. werden sich
auch die wunderlichen roten striche am rande erklären lassen,
s. 15 im 4 absatz \si anniversarium aufzulösen, und statt reemp^or
frater Rinfeldensis zu lesen reemptibües super Rinf eklen; in der
letzten zeile nicht artificits, sondern aliis. auf s. 16 darf man
das t mit folgendem zeichen , welches eigentlich is bedeutet , doch
nicht mechanisch so auflösen, weil es keinen sinn gibt, aber
eine bemerkung über die ausartung der zeichen wäre erforder-
lich, der Schreiber dieser eintragung heifst nicht confrater,
sondern Frater: der ansatz an dem majuskelbuchstaben ist mis-
verstanden.
Auf t. 19, s, 18, ist nicht Signatur, sondern sigtiificatur auf-
zulösen, z. 3 semper statt super, und z. 4 zu lesen aliqui propter
rutnam domus propinati pro parte, auch hier würde beachtung
des Sinnes der worte auf den richtigen weg geführt haben.
Ungern haben wir diese nicht wenigen ausstellungen ge-
macht, aber vielleicht lässt sich durch beachtung derselben die
an sich so verdienstliche Sammlung nutzbringender machen; sie
bringt auch dem inhalt nach willkommene stücke, so über den
LITTERATURNOTIZEN 375
krieg mit den Armagnaken, über das erdbeben von 1356, wobei
auch die bekannte Spielerei in der bezeichnung dieser zahl auf
t. 19 nachgebildet erscheint. W. Wattenbach.
Middelnederlandsch woordenboekvanwylen drEVERWus en dr JVerdam.
s'Gravenhage, Nijhoff. — von diesem Anz. x300 kurz besprochenen
vortreffhchen werke liegen jetzt bereits zwei bände, die bis zum
schluss des G reichen, abgeschlossen vor. die hoffnung auf sein
rasches fortschreiten, welcher ich im vertrauen auf die aufser-
ordentliche arbeitskraft Verdams ausdruck gab , hat sich also
durchaus erfüllt, hingegen scheint die forschung es sich noch
keineswegs in gebürender weise zu nutze zu machen. WBäumker
hat bei seiner publication der Niederländischen geistlichen lieder
(in der Vierteljahrsschrift für musikvvissenschaft 1888) in er-
mangelung eines mnl. Wörterbuchs sich mit dem Mnd. handwb.
beholfeu, und selbst EMartin kann QF 65 mnl. elwaer 'anderswo'
nicht nachweisen , obwol bei Verdam eine menge beispiele stehen ;
für ghenadelike 'gnadeheischend , erbärmlich' verweist er nur auf
Mullers Proefschrift, wo das wort zwar verteidigt aber nicht belegt
ist, während bei Verdam mehrere citate zu finden sind, unter
solchen umständen halte ich es für dringend geboten, die deut-
schen germanisten und Sprachforscher hier noch einmal nach-
drücklichst auf das unentbehrliche hilfsmittel aufmerksam zu
machen. J. Fraisck.
Vierteljahrschrift für litteraturgeschichte unter mitwürkung von Erich
Schmidt und Bernhard Süphan herausgegeben von Bernhard Seüf-
FERT. erster band. Weimar, Böhlau, 1888. vn und 544 ss. 8^.
10,40 m. — als mit dem 15 bände das Archiv für litteratur-
geschichte sein erscheinen einstellte, verlor die moderne deutsche
Philologie ihr vornehmstes organ. sie sah sich auf die germa-
nistischen zss. und auf die tagesblätter angewiesen, aber auch
wo das Programm jener die neuere litteratur nicht principiell
ausschliefst, können sie, von näher liegenden dingen vollauf in
anspruch genommen , ihr nur in geringem umfange gerecht
werden; was hingegen in diesen erscheint, verfällt zumeist früh-
zeitiger Vergessenheit und bleibt immer schwer zugänglich, darum
begreift es sich, dass auf vielen Seiten der lebhafte wünsch nach
einer neuen sammelstätte für material und Untersuchung rege
wurde, dieser wünsch ist schneller, als man erwarten, und
schöner, als man hoffen durfte, in erfüllung gegangen, vom
april bis zum december kamen in rascher folge die vier hefte
des ersten bandes der Vierteljahrschrift heraus, schlicht, wie das
für ein streng wissenschaftliches Journal sich ziemt, aber solide
von einem leistungsfähigen Verleger ausgestattet, und vortrefflich
geleitet von einem manne, der seine hervorragende begabung für
redactionelle tätigkeit zur genüge durcli die DLD bekundet hatte,
man mag es in Seufferts eigenstem interesse bedauern , dass er
das ebenso dornenvolle wie undankbare geschäft eines redacteurs
376 LITTERATURNOTIZEN
übernommen hat, man mag beklagen, dass die Veröffentlichung
seiner lang vorbereiteten Wielandbiographie, von welcher der
aufsatz Wielands berufung nach Weimar im dritten heft eine
wolgelungene probe gibt, nunmehr in weite ferne gerückt er-
scheint: doch die Zeitschrift konnte in keine geeigneteren bände
gelegt werden als in die seinen, er hat die mitarbeiter sorg-
samst ausgewählt, er hat darüber gewacht, dass kein völlig un-
brauchbarer beitrag aufnähme fand, er hat um seltene correctheit
des druckes sich bemüht, dass die so genannte Goethephilologie,
obwol ihr ein eigenes Jahrbuch zu geböte steht, sich über-
mäfsig breit macht, daran trägt nicht er die schuld, sondern der
herschende geschmack unserer zeit, auch dass im ersten hefte
mehrere herzlich unbedeutende kleinigkeiten begegnen, erklärt
sich leicht, nicht jeder zur mitwürkung aufgeforderte hatte
würdigen Stoff bereit liegen; aber er trachtete darnach, seinen
namen sofort vertreten zu sehen: also ward eine minutie oder
ein lesefrüchllein hübsch mit allerhand zierrat aufgeputzt, eher
erwecken andere beitrage bedenken, s. 471 ff sind drei arbeiten
über die Schildbürger und zwar in der reihenfolge, wie sie dem
herausgeber zukamen , abgedruckt, indessen vertragen sie sich
unter einander schlecht, treffen die beiden ersten, wie ich
keinen augenblick bezweifle, SeuCfert ebenso wenig bezweifelt
haben wird, das wahre, so kann die dritte nur irre führen, also
hätte sie abgewiesen werden sollen, zwar irgendwo gedruckt
worden wäre sie trotzdem: denn so töricht ist kaum etwas, dass
es nicht in einer unserer zss. Unterschlupf fände, aber ein
wissenschaftliches organ ersten ranges hat darauf zu halten, dass
mangelhaft oder ungenügend begründete hypothesen ihm fern
bleiben, und nicht minder soll es artikeln feuilletonistischer
natur, deren wert nur auf der form, nicht auf dem Inhalte be-
ruht, seine spalten versagen, der aufsatz über Thomasius, welcher
das erste heft eröffnet, gehört in diese kategorie: für die Neue
fr. presse hätte solch ein gewandt geschriebener, sachlich jedoch
nicht fördernder essai besser gepasst. doch die erhobenen ein-
wände gelten blofs wenigen vereinzelten misgriffen, welche sich
schwer vermeiden liefsen, wo bei der recrutierung der mitarbeiter-
schar manche rücksicht genommen, mancher empfindlichkeit rech-
nung getragen werden muste. in der hauplsache bietet der band
so gediegene forschungen und so reichen urkundenstoff, dass er
und seine nachfolger der teilnähme weitester kreise warm empfohlen
zu werden verdienen, nur lasse man sich durch den mangel kri-
tischer anzeigen nicht abschrecken, mit gutem bedacht hat SeufTert
auf dies wolfeile Zugmittel verzichtet: es wird in Deutschland von
berufener und unberufener seite so viel recensiert, dass weder
das bedürfnis nach einer Vermehrung der referieranstalten noch
die möglichkeit vorliegt, die wenigen wahrhaft competenten be-
urteiler in jedem falle zu gewinnen. St.
LITTERATCRNOTIZEN 377
Hermann Welcker, Dialektgedichte. Sammlung von dichtungen in
allen deutschen mundarten , nebst poetischen proben aus dem
alt-, mittel- und neudeutschen, sowie den germanischen schwesler-
sprachen. Leipzig, FABrockhaus, 1889. xxvni und 427 ss. 8".
5 m. — diese mit lust und liebe zusammengestellte auswahl ist
zugleich eine verbesserte und vermehrte aufläge der 1875 er-
schienenen Sammlung Die deutschen mundarten im liede. noch
mehr als früher sucht der herausgeber seine arbeit nach der
sprachlichen seite hin nutzbar zu machen, allein abgesehen von
anderen Schwierigkeiten, die sich dem entgegenstellen, bietet
eine Sammlung, welche grofseuteils dichtungen gelehrter und ge-
bildeter in der mundart darbietet, ein durchaus nicht zuver-
lässiges material für sprachliche beobachtungen. dichter wie Hebel,
Kobell, Carmen Sylva usw. schaffen immer nur eine ideale repro-
duction der gesprochenen mundart. das Volkslied selbst aber ist
jetzt wol in allen deutschen gauen darauf aus, hochdeutsche
formen zu gebrauchen, in welche sich nur unbewust und zu-
fällig auch dialectische einflösse einmischen, immerhin gewährt
auch so die Sammlung das, was der herausgeber zu zeigen
wünscht, ein bild der deutschen spräche in ihren stufenmäfsigen
Übergängen aus einer mundart in die andere, trefflich dagegen
ist die auswahl in so fern angelegt worden, als sie seite für
Seite ansprechende züge der gedanken, gefuhle, ausdrucksweisen
des deutschen volks in seiner manigfaltigen Stammesgliederung
darbietet, welche doch tiefinnerlich und von dem herausgeber
warm empfunden, eine innere Übereinstimmung verbindet, die
aarmeneien s. 250 sind nach der trierschen mundart nelken.
E. Martin.
Kleine Mitteilungen.
TDEüTSCHE MONATSNAMEN. Weiubold (Die deutscheu monatnamen
s. 15. 32) bezweifelt das nur einmal aus dem anfange des 14 jhs.
belegte barmanoth für Januar, zufällig fand ich den namen in
einem calendarium der Zürcher cantonalbibliothek (cod. Rhenov.
Lxxv), welches wegen des ansatzes für ostern B. G. vi. Kai. April.
= 27 märz) auf das j. 1065 weist, die 8 bll. dieses calendarium
enthalten oben in roter schrift die verse Principium lani usw.
(Riese, Anthol. lat. 640) sowie die monatsnamen, diese in ma-
juskeln. sie lauten — die bezeichuung für den juli fehlt fol. 4' —
folgender mafsen: \. Pa''r mmiot. 1. Hör nunc. d. Lencinmanot.
4. Ostermanot. 5. Wunemanot.- 6. Prahmanot. 8. Aranmanot.
9. VVitimanat. 10. VVindemanot. 11. Helicmanot. 12. VVinter-
manot.
Ich reihe zwei monatsverzeichnisse des 15 jhs. aus der
papierhs. der Zürcher Stadtbibliothek C 101/467 an. dieser oben
A. F. D. A. XV. 25
378 KLEINE MITTEILUNGEN
s. 140 besclirielione codex enthält fol. 34^ — 40'" einen deutschen
chio'pim» (Gallus presbyter haut geschrieben dis werck), welcher in
seinen üherschriften folgende namen bietet: \. Hartmont. 2. Hor-
nung. 3. Mertz. 4. Apprül. 5. May. 6. Brachmond. 7. Hew-
monde. 8. A^igst. 9. Herbstmond. 10. Winmont. 11. Winter-
mont. 12. der lestz mont. im texte sellist findet sich noch ful-
mand = septemher (Sy komen in des fülmandes gnos und Den
fulman sol man schriben by Das er drissig tag lang sy) und
schlachtmon = dezember (Nu ist der schlachtmon hie behaft).
Ebenda fol. 59^ steht ein lat, tractat de mensibus, welchem
am rande folgende deutsche namen beigeschrieben sind: 1. Genner.
2. Hornnng. 3. Mertz. 4. Apprille. 5. Mey. 6. Brachot.
7. Hewöt. 8. Äugst. 9. Herbst. 10. Löwpris. 11. Volrät.
12. Fülmonat.
Lenzburg. J. Werner.
Zu Ulrich von Lichtenstein, in meiner besprechung der neuen aus-
gäbe des Frauendienstes Ulrichs von Lichtenstein (DLZ 1888
sp. 1112 ff) habe ich eine genaue, dem heutigen stände der
kenntnis entsprechende nachweisung der historischen persönlich-
keiten in aussieht gestellt, welche in diesem werke vorkommen,
ich war mit der durcharbeitung des gedruckten materiales im
Sommer vorigen Jahres weit genug vorgeschritten, um sämmtliche
vom Lichtensteiner genannten ritter urkundlich belegen zu können,
als ich die damals abgebrochene arbeit jetzt wider aufnehmen
wollte, verschaffte mir ein glücklicher zufall einsieht in die Samm-
lungen und forscbungen des k. k. riltmeisters , hrn Alfred von
Siegenfeld, welcher seit geraumer zeit damit beschäftigt ist,
die steiermärkische abteilung der neuen edition von Siebmachers
Wappenbuch herzustellen, ich sah alsbald , dass die Studien des
genannten forschers den meinen an umfang und tiefe weit über-
legen sind, denn hr von Siegenfeld weist nicht blofs die geuea-
logie aller bei dem Lichtensteiner erwähnten herren nach, sondern
er zeigt auch aus den vorhandenen siegeln, mit welch geradezu
verblüffender exactheit Ulrich die wappen und helmzierden seiner
zeit- und standesgenossen beschrieben hat. ich gebe daher mein
vorhaben auf und räume der so viel besseren arbeit mit ver-
gnügen das feld.
Bei dieser gelegenheit bemerke ich noch, dass meine an-
gäbe über das steiermärkische geschlecht der Lichtensteiner (ADB
18, 620 ff) unrichtig aufgefasst wird, wenn man daraus schliefst,
ich habe mich gegen JvFalkes erweis ausgesprochen, dass die
steirischen Lichtensteiner mit dem heute regierenden fürstlichen
hause nicht verwandt seien, in dem vor diesem artikel ge-
arbeiteten aufsatze Zs. 26, 307 ff habe ich verschiedene kleine
einzelheiten in den angaben des Falkeschen werkes (Geschichte
des fürstlichen hauses Lichtenstein) über die familie Ulrichs von
Lichtenstein berichtigt; ich würde natürlich es auch mitgeteilt
KLEINE MITTEILUNGEN 379
haben, wenn ich in bezug auf jenen wichtigeren punct von
Falkes aufstellungen abgewichen wäre, ich bedauere um so mehr,
mich in dem biographischen artikel so knapp ausgedrückt zu
haben, als ich aus Germania 33, 507 ersehe, dass hr Jakob von
Falke mich für einen gegner der von ihm vorgetragenen ansieht
über die genealogie der Lichtensteiner hält.
Graz 6. 5. 89. Anton E. Schönbach.
Zu Anz. XV 176.
In seinen methodologischen auseinandersetzungen über epi-
sche kritik beruft sich Heinzel auch auf meine einleitung zur aus-
gäbe von Alphart, Dietrichs flucht und Rabeoschlacht. aber mit
unrecht sagt er, dass ich auch für den Alphart zugegeben hätte,
der dichter könne seine früheren angaben vergessen oder von
haus aus über irgend einen punct der erzählung unklare oder
unbestimmte Vorstellungen gehabt haben, die angeführte stelle
s. XXII bezieht sich nicht auf das Alphartslied, sondern auf dessen
l'ortsetzung. und hier ist der punct, an welchem ich (und wol
auch andere) einen unterschied machen muss, dessen Vernach-
lässigung von seilen Heinzeis seineu ausführungen in meinen
äugen alle Überzeugungskraft raubt, umarbeiter, Überarbeiter
älterer gedichte können freilich, den blick beschränkt auf den
kleinen teil der erzählung, der sie gerade beschäftigt, ihre Zu-
sätze oder abänderungen in Widerspruch setzen mit der übrigen
erzählung, zumal wenn sie, weit später als der ursprüngliche
dichter lebend , dessen sagenkeuntnis nicht besitzen, aber dem
ursprünglichen dichter eines liedes oder einer erzählung darf
man eine solche Verwirrtheit nicht zutrauen, ohne ihm den nämen
eines dichters abzusprechen. Heinzel selbst gibt das mafs, bis
zu welchem seine methode irre führen kann, indem er auch
Claus Wisse und Philipp Colin unbefangen als würkliche dichter
anführt und aus ihren confusionen Schlüsse auf die freiheit
dichterischer darstellung zieht, ich glaube nicht, dass sonst noch
jemand diesen sclavischen Übersetzern eines contaminierten und
interpolierten textes dichterischen wert beimessen wird, und meine,
dass wir, wenn wir von deutscher volksepik nichts hätten als etwa
das alte Heldenbuch , auch von dieser wenig aufhebens machen
dürften, nein, diese gedichte und ebenso Dietrichs flucht, die
fortsetzung des Alphart usw., sie dürfen uns als folie für die
echten, für die würklich von ursprünglicher poesie erfüllten werke
dienen: sie zeigen uns allerdings die bände, durch welche die
reste des volksepos uns teilweise überliefert sind, dass diese
plumpen bände sich auch mehr oder weniger an dem alten gute
vergriffen haben, und wie sie zum gold ihr kupfer zusetzten, das
380 zu ANz. XV 176
lässl sich da, wo verschiedene haadschriften vorliegen, noch
zeigen, wenn in den Nibelungen die gemeine lesart hinter 432
eine Strophe darbietet , wonach Siegfried beim kampfspiel mit
Briinliiid den ger umgekehrt zurückschleudert, sodass nur die
Stange, niciit aber die eisenspitze auf ihren panzer schlägt, so
erweist sich dies als zusatz dadurch, dass in der str. 433 vom
funkensprühen beim zusammenstofs die rede ist, wie es holz auf
metall unmöglich hervorbringen konnte, und wenn Heinzel die
von ten Brink angenommene müglichkeit läugnet, dass Varianten
zweier, von einander unabhängiger bearbeitungen desselben gegen-
ständes von einem dritten redactor mit einander verbunden werden
konnten, so darf ich ihn wol auf den Roman de Reuart hin-
weisen, wo in br. vM147 die hss. ABC das gewünschte Verhältnis
klar vor äugen stellen, was hier und sonst von dem verfahren
der interpolatoren durch die handschriftliche Überlieferung be-
zeugt ist, das anderwärts vorauszusetzen, wo innere gründe dazu
auffordern, wird philologischer kritik nicht verboten sein.
E. Martin.
Nach einer mitteilung ThMommsens enthält die früher Chelten-
hamer, jetzt im besitz der Berliner kgl. bibliothek befindliche
hs. 1741 saecl. 10 gesammelte ahd. gll. zu den Canones, welche,
so weit die gegebenen proben ein urteil verstatten , durchaus mit
nr DLXXxiii des zweiten bandes der Ahd. gll. übereinstimmen.
Zu im swerte sehen Anz. xv 216 verweist dr JMeier noch
auf eine stelle meister Sigehers, welche (MSH 2,362') lautet:
Ich twanc einen geist , unz er mich werte künftic dinc von kunst
ze sehene in einem swerte.
Der ao. prof. an der Universität Berlin dr Edward Schröder
wurde zum ordentl. prof. an der Universität Marburg ernannt,
der ordentl. prof. geh. regierungsrat dr RWeinhold von Breslau
nach Berlin versetzt, an der Universität Heidelberg habilitierte
sich dr HWunderlich für deutsche philologie.
Dmclc von J. B. Hirschfeld in Leipzig.
PF Zeitschrift für deutsches
3003 Altertum und deutsche
Z5 Literatur
Bd.33
PLEASE DO NOT REMOVE
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET
UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY
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