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Full text of "Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur"

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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

DEUTSCHES  ALTERTHUM 

UND 

DEUTSCHE  LITTERATÜR 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

ELIAS  STEINMEYER 

DREIUNDDKEISSIGSTER  BAND 
DER  NEUEN  FOLGE  EINÜNDZWANZIGSTEE  BAND 


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BERLIN 

WEIDMANNSCHE  BÜCHHANDLUNG 

1889 


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ßöOS 


INHALT. 


Seite 

^Aaxißoi'Qyiov  o^os,  von  Much 1 

Sagibai'o,  von  Kögel 13 

VolundarkviJ)a,  von  Niedner 24 

Mercisches  aus  der  lis.  Royal  2  A  2U  im  britischen  museum,  von  Zupitza  47 

Collation  der  altenglischen  gedichte  im  Vercellibuch ,  von  Napier  .     .  66 

Die  abfassungszeit  der  altdeutschen  Exodus,  von  Pniower     ....  73 

Zu  Minnesangs  frühling,  von  Schröder 98 

Diu  Line,  von  Zingerle 107 

Erianger  bruchstücke  aus  dem  Evangelium  iNicodenii,  von  Wolff    .     .  115 

Mhd.  kleinigkeiten,  von  Stosch 123 

Keltische  beitrage,     ii  Brendans  meerfahrt,  von  Zimmer    .     .     .       129.  257 

Lessing  und  der  Ineptus  religiosus,  von  Borinski 220 

Altenglische  glossen ,  von  Zupitza 237 

Lateinische  und  altenglische  glossen  ,  von  Steinmeyer        242 

Eneit  8374  fT,  von  KaufTmann 251 

Zu  Walther  vdVogelweide ,  von  Lucae  (t) 254 

Zu  Zs.  32,  472,  von  demselben 256 

Altdeutsche  funde  aus  Innsbruck,  von  Schönbach 339 

I    Waltbarius 340 

II    Christi  geburt 350 

III  Konrads  vFufsesbrunnen  Kindheit  Jesu 373 

IV  des  Strickers  Karl 379 

V    jüngere  bearbeitung  der  Kaiserchronik 380 

VI  Rudolfs  vEms  Weltchronik 383 

VII  ein  kreuzsegen 393 

Neue  bruchstücke  der  Trierer  Margaretenlegeflde ,  von  Strauch       .     .  394 

Eine  ergänzung  der  Warnung,  von  Borinski 402 

Bemerkungen  zu  den  Denkmälern,  von  Roediger 412 

Die  flexion  der  verba  iuon,  gdn,  stän  im  ahd.,  von  Wilmanns     .     .  424 


Seite 
Über   den    gebrauch    der    mhd.  conjunction    aber   in   der    frage,    von     ^^^ 

Die  vfrlrvom  ebei  in  der  Sangaller  Rhetorik,  von  demselben      .     .     437 
Zu  Helbiing,  von  Seemüller  


ASKIBOYPnON  0P02. 

Das  Riesengebirge,  %b^AaY.ißovQyiov  bgog  Ptol.,  ra  Ovav- 
öaliy.a  ogt]  Dio  Cass.  sind  bei  Zeufs  (Die  Deutschen  s.  7.  8)  als 
gleichwertige  begriffe  zusammengestellt,  gevvis  gehört  das  Riesen- 
gebirge zu  den  Wandalischeu  bergen,  da  aus  diesen  nach  Dio 
Cass.  55,  1  die  Elbe  entspringt;  doch  sind  sie  kaum  auf  jenes 
beschränkt,  vielmehr  dürtte  der  name  entweder  auf  den  ganzen 
gehirgszug  sich  beziehen ,  der  die  südlichen  suehischen  stamme 
von  den  Wandalen  in  weiterem  sinne  abschloss;  vgl.  Tacitus 
Germ.  43:  dirimit  enim  sdnditque  Suehiam  conlinuum  montium 
iugum,  ultra  quod  plnrimae  gentes  agunt.  ex  quibus  latissime 
patet  Lygiorum^  nomen  in  plures  civüates  diffusum;  oder  er  ist 
nicht  von  einem  allgemeineren  südlichen  standpuncte,  sondern 
im  besonderen  von  dem  der  Markomannen  aus  aufzufassen,  von 
denen  aus  doch  am  ehesten  ein  name  für  das  gebirge,  in  dem 
die  Elbe  ihren  Ursprung  nahm,  zu  den  Römern  übergieng.  diesen 
fall  vorausgesetzt,  wären  unter  den  OvavdaXr/.cc  oqy]  jene  er- 
hebungen  zu  verstehen,  die  das  Markomannenland ,  also  Boiohae- 
mum,  von  den  Wandalen  trennten. 

Die  Wandalen,  die  dabei  in  betracht  kämen,  wären  dann 
nicht  der  gesammte  stamm  dieses  namens,  sondern  das  volk  der 
^iliyyai,  die  späteren  Vandali  Silingi.  denn  östlich  von  der 
Elbe,  dort  wo  sie  Böhmen  verlassen  hat,  sind  nach  Vellejus  n  106 

1  da  der  name,  der  Lugier  mit  dem  der  Wandalen  wesentlich  zusammen- 
fällt, könnte  man  leicht  versucht  sein,  im  anschluss  an  ühland,  Schriften 
vm  139  die  Logafjoll  H.  Hund,  i  13.  15  und  ii  prosa  zu  12  als  'berge  der 
Lugier'  und  =  r«  Oiai'd'aÄtx«  op>?  aufzufassen,  was  sprachlich  wol  möglich 
ist;  vgl.  Ryger  Rogaland,  Häleyger  Hälogala?id,  Prs-nder  Pröndheimr  und 
Noreen  Aitn.  gr.  i  §  306.  der  Arasteinn  (H.  Hund,  i  14.  ii  prosa  zu  12), 
der  ein  teil  der  Logafjoll  ist,  würde  dann  auf  das  Adler-  oder  Erlitz- 
gebirge,  cech.  Orlüi  hory ,  hinweisen,  danach  hätten  wir  es  hier  ebenso 
mit  deutschen  localen  zu  tun,  wie  es  sonst  noch  mehrfach  gerade  in  den 
Helgiliedern  der  fall  ist,  so  bei  Hundland,  Svdvaland,  Myrkvidj',  Fjotur- 
lundr;  siehe  Müllenhoff  Zs.  xi  278  anm.,  xxm  139—141.  16911  und  Uh'land, 
Schriften  vm  139;  auch  die  Möinsheimar  H.  Hund,  i  45.  ii  22  gehören 
doch  wol  zum  Main,  Moenus,  aM.  Moin. 

Z.  F.  D.  A.   XXXIU.   N.  F.  XXI.  1 


2  ASRIBOYPriON  OPOS 

die  Semnonen  anzusetzen ;  wenn  es  nun  hei  Ptolemaeus  lib.  ii 
C.  XI  heifst:  näliv  vno  juev  rovg  ZsfAvovaq  olytovai  ^iXiyyai, 
so  kommen  diese  letzleren,  da  innerhalb  Böhmens  kein  räum 
für  sie  ist,  aufserhalh  seines  nordostrandes  zu  stehen,  hier  hegt 
auch  der  mittelalterliche  pagus  Silensis,  der  in  slavisierter  gestalt 
den  Silingennamen  forlhewahrl;    siehe  Milllenhoff  DA  ii  92  ff. 

Wenn  uns  nun  aufser  den  Ocavöalcyta  oQtj  auch  ein  'Aam- 
ßovgytov  ogog  genannt  ist,  so  spricht  doch  von  vorn  herein  eher 
eine  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  dieser  andere  name  auch  mit 
einem  anderen  begrifTe  sich  verbinde,  nehmen  wir  die  ersteren  für 
den  nordostrand  Böhmens  und  daran  anschliefsend  letzleres  für 
das  mährisch -schlesische  gebirge,  so  wäre  damit  eine  auffällige 
lücke  ausgefüllt,  denn  über  dieses  muss  schon  in  vorgeschicht- 
licher zeit  ein  Verkehrsweg  nach  dem  norden  geführt  haben,  der 
die  nur  durch  eine  niedrige  Wasserscheide  getrennten  March-  und 
Odergebiete  mit  einander  verband,  während  nach  osten  und  westen 
weithin  geographische  hindernisse  sich  vorschoben;  vgl.  Undset, 
Jernalderens  begyndelse  s.  53.  70.  102.  292.  und  hier  ist  später- 
hin die  östliche  bernsteinstrafse  zu  suchen,  es  wäre  befremdend, 
wenn  von  hier  aus  den  Römern  kein  name  für  den  höhenzug, 
den  diese  strafse  berührte,  zugekommen  wäre. 

Dass  des  Ptolomaeus  gradangaben  für  die  ntgata  des  ^Aa%L- 
ßovgyiov,  X^  vö  xal  ^lö  vßX',  d.  i.  39»,  54»  und  44»,  52«  30', 
eine  riesige  ausdehnung  voraussetzen  würden,  hat  geringe  be- 
deutung.  schon  die  benennung  verträgt  sich  nicht  mit  allzu  weiter 
erstreckung.  so  wie  dem  namen  Teutoburgiensis  saltus  liegt  wol 
auch  dem  des  'Aoxißoigyiov  ogog  ein  ortsname  zu  gründe;  im 
ersteren  falle  erweist  dies  völlig  sicher  die  ableitung  -ensis.  viel- 
leicht sind  es  nicht  ständig  bewohnte  plälze,  sondern  blofs  be- 
festigte Zufluchtsstätten,  etwa  umwallte  und  durch  verhaue  ge- 
schützte berggipfel,  nach  denen  in  beiden  fällen  der  umliegende 
bergwald,  der  nicht  weniger  als  künstliche  anlagen  ihre  Vertei- 
digung begünstigen  mochte,  seinen  namen  erhielt,  ob  diese 
namen  übrigens  bei  den  Römern  aufgekommen  oder  germanisch 
volkstümlich  sind,  wäre  noch  besonders  zu  erwägen,  zumal  im 
i'aWe  des 'Aomßovgycov  liegt  erstere  annähme  nahe,  weil  es  von 
Germanen  sonderbar  wäre,  einen  wald  nach  einer  bürg  zu  be- 
zeichnen, deren  name  selbst  schon  eine  andere  einfachere  be- 
nennung eben  dieses  waldes  im  sinne  von  eschwald  voraussetzt. 


AEKIBOYPnON  OPOS  3 

oder  sollte  '^oxißovgyiop,  Asciburgium  aus  Ascibergium  entstellt 
sein  unter  dem  einflusse  des  lehnwortes  burgus  und  der  Orts- 
namen auf  -biirgium,  im  besonderen  des  rheinischen  Asciburgium'? 
aber  auch  ein  'Eschvvald',  'Eschengebirge'  wie  ein  abgeleitetes 
'Eschenburger  wald'  ist  wol  als  name  einer  berggruppe  denkbar, 
als  solcher  eines  ganzen  gebirgssystems  jedoch  unpassend. 

Im  gegensalz  zu  der  grofsen  ausdehnung,  die  er  ihm  gibt, 
verwendet  Ptolemaeus  das  ^Aaxtßovgyiov  nur  in  einem  be- 
schränkten bereich  zur  bestimmung  der  Wohnsitze  von  Völker- 
schaften, zunächst  nennt  er  über  demselben  die  Aovyiot  Jovvoi. 
für  sie  ist,  nach  dem  was  oben  über  die  Silingen  gesagt  ist,  im 
norden  von  Böhmen  kein  platz  mehr,  sie  sind  darum  nordwärts 
von  Mähren  anzusetzen,  dahin  führt  auch  ohne  rücksicht  auf 
die  Silingen  die  reihenfolge  der  stamme  bei  Ptolemaeus:  vnb  dh 
Tovg  Bovyovvrag  —  diese  im  osten  der  Semnonen  zwischen 
Suebos  und  Vistula  —  Aovyioi  'Ofiavol'  vcp  ovg  Aovyioi 
Aovvoi  f.iixQi'  ''^ov  ^Aay.ißovQyiov  ogovg,  im  Süden  des  gebirges 
sind  Korkonten  und  Buren  erwähnt:  VTtd  t6  AoxißovQyiov  ogog 
KoQxovTOi  y.al  Aovyioi  Bovqol  f^ixQ^  "^^i^  y(.€(paXtig  tov  Ovi- 
atovXa  TiOTafiov.  dass  von  diesen  beiden  stammen  der  der  Ror- 
konten  mit  dem  oech.  Krkonole  Riesengebirge  zusammengehöre, 
woraus  man  einen  grund  für  die  gleichstellung  desselben  mit 
dem  'Aoxißovgyiov  entnehmen  könnte,  ist  nicht  wol  möglich, 
wie  zuletzt  MüUenhoff  DA  ii  373  gezeigt  hat.  über  die  Stellung 
der  Buren  handelt  DA  ii  325.  für  uns  ist  es  hier  nur  von  be- 
lang, dass  nach  des  Ptolemaeus  Vorstellung,  wenn  er  den  ge- 
nannten stamm  bis  zur  Weichselquelle  reichen  lässt  und  ebenso 
die  Aovyioi  Aovvol  als  einer  der  äufsersten  Germanenstämme 
selbstverständlich  bis  zur  Germanengränze,  d.  i.  der  Weichsel, 
sich  ausdehnen,  auch  das  sie  trennende  gebirge  bis  an  diesen  fluss 
reichen  muss;  und  richtig  deckt  sich  seine  gradangabe  für  das 
östliche  ende  des  'Aov.ißovQyiov,  d.  i.  fxd  vß  X ,  völlig  mit  seiner 
gradangabe  für  die  Weichselquelle,  kein  zweifei  also,  dass  unter 
dem  ^AoKißovQyiov  ogog  das  gebirge  im  norden  Mährens  zu  ver- 
stehen ist.  vgl.  DA  II  325:  'das  asciburgische  oder  schlesische 
gebirge.' 

Dann  fällt  es  aber  wesentlich  mit  dem  sogenannten  Gesenke 
zusammen,  dieser  name  ist  durch  deutsche  Volksetymologie  aus 
dem   bei  den  Slawen  üblichen  Jesenik,  Jasenik  umgebildet,   und 


4  ASKIBOTPriON  OPOS 

dies,  eine  ableitung  von  i- ecb.  jeseyi ,  jasen  esclie  ,  bedeutet  eben- 
falls eschwald.  Ireilich,  ob  der  alle  deutsche  name  von  den  Slawen 
übersetzt,  oder  ob  die  gleichgebliebene  natur  des  gebirges  zu 
einer  zweiten  gleichbedeutenden  aber  selbständigen  benennung 
anlass  bot,  ist  kaum  sicher  zu  entscheiden,  wenn  auch  erstere 
annähme  sich  besser  empfiehlt. 

Als  möglicher  weise  mit  dem  namen  ^AoKißoiQYiov  in 
mittelbarem  Zusammenhang  ist  noch  der  name  der  Oskava  be- 
merkenswert, eines  Zuflusses,  den  die  March  aus  dem  Gesenke 
empfängt,  bedenkt  man,  dass  der  wandel  von  kurz  a  zu  o  im 
slawischen  ein  historischer  process  ist,  so  könnte  Oskava  ebenso 
aus  einem  deutschen  Askaha  slawisiert  sein ,  wie  slawischem  Mo- 
rava  und  Ogra,  Ohre  deutsches  Maraha  und  Agara  oder  Agira 
zu  gründe  liegt,     doch  vgl.  auch  cecb.  osika  espe. 

Anschliefsend  an  das  eben  gewonnene  ergebnis  kann  ich  es 
mir  nicht  versagen,  einen  scheinbar  ganz  ferne  liegenden  gegen- 
ständ zu  berühren,  nämlich  die  frage  der  örtlichkeit  der  Goten- 
und  Hunnenschlacht  in  der  Hervararsaga.  der  Zusammenhang, 
denke  ich,  wird  bald  klar  werden. 

Zunächst  ist  es  aber  nötig,  die  stellen,  welche  die  zu  unter- 
suchenden Ortsangaben  enthalten,  herauszuheben,  es  sind  dies 
die  verse  in  Bugges  ausgäbe  der  Hervararsaga  s.  282,  9  ff.  283, 
1 1  ff  und  die  prosa  s.  285,  4.  ich  eitlere  den  text  sammt  den 
noten  über  den  stand  der  Überlieferung  aus  Heinzel,  Über  die 
Hervararsaga  s.  69  (Wiener  Sitzungsberichte  114  s.  483). 

Die  verse  lauten: 
s.  282,  9  Kendu  at  Dylgju  ok  d  Dimheidi 

ok  ä  peim  gllum  Jomrfjollum, 

par  opt  Gotar  gunni  hädu 

ok  fagran  sign  fraegir  vägu. 

9  Dylgm  k,  cod.  AM  203  fol.,  —  Dilgiu  1,  u,  —  Dyngio  i 
—  12  JosurfioHum  i,  —  Jössarfiollum,  vielleicht  aus  Jossurfiol- 
lum  corrigiert  1,  —  Jössarfiollum  k,  —  Jossafiolhm  s,  —  Jas- 
sarfiollum  u,  cod.  AM  203  fol. 

s.  283,  11  Byd  ek  ydr  at  Dylgju  ok  d  Dünheidi 

orrostu  undir  Josurfjollum. 

11  Dylgiu  k,  cod.  AM  203  fol.,  —  dilgiu  u,  —  Dyngio  i  — 
14  JosurfioHum  i,  —  Jössarfiollum  1,  —  Jössarfiollum  k,  — 
Jassarfiollum  cod.  AM  203  fol.,  —  Jassafipllum  u. 


ASKlBOrPriON  OPOS  5 

In  der  piosa  s.  285,  4 :  Talada  ek  vid pä  ok  stefnda  peim 
d  vigvpll  d  Dünheidi  ok  at  Dylgjudolum. 

5  duna  heidj  u  —  Dylgjudolum  k,  —  Dyngjodolum  i,  1,  — 
dingiodolum  u. 

Hier  wird  man  ziinächsl  an  dem  Widerspruch  zwischen 
s.  282,  10  und  283,  12  anstofs  nehmen,  da  es  überdies  allzu 
sonderbar  wäre,  eine  schlacht  auf  berge,  noch  dazu  auf  alle 
Josurberge  zu  vereinbaren,  kann  das  ok  d peim  ollum  s.  282,  10 
nicht  ursprünglich  sein.  dies  erkennt  auch  Bugge  aao.,  um 
schliefslich  zu  bemerken:  'lalfaid  synes  widir  eller  und  nodven- 
digt,  hvis  fjollum  er  rigtigt,'  durch  eine  derartige  änderung 
würde  ein  olTenbarer  fehler  beseitigt  und  eine  lesart  geschaffen, 
die  wenigstens  eine  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat. 

Doch  ist  damit  noch  nicht  jede  Schwierigkeit  behoben,  denn 
immer  noch  bleiben  zwei  locale  übrig,  Dylgja  und  Dünheidr. 
wenn  der  verf.  der  prosa  von  Dylgjudolum  spricht,  so  dachte  er 
sich  danach  Dylgja  vielleicht  als  namen  eines  flusses.  nicht 
aber  lässt  der  worllaut  der  Überlieferung  die  Vorstellung  eines 
einheitlichen  Schauplatzes  zu,  obwol  wir  einen  solchen  für  eine 
durch  vorausgehendes  übereinkommen  bestimmte  schlacht  not- 
wendig erwarten  müssen,  ein  besonderer  zufall  wäre  es  auch, 
wenn  aus  einer  gegend,  über  die  doch  gewis  nähere  geographische 
künde  fehlte,  zwei  allitterierende  namen  benachbarter  locale  zur 
Verfügung  gestanden  wären,  das  muss  uns  gegen  einen  dieser 
namen  mit  mistrauen  erfüllen  und  dasselbe  wird  sich  nur  steigern, 
wenn  wir  bedenken,  dass  dylgja  im  altnordischen  auch  ein  appel- 
lativum  ist  und  als  solches  unter  anderem  geradezu  schlacht  be- 
deutet, siehe  Egilsson ,  Lex.  poet.  s.  114'. 

Dann  aber  liegt  das  ursprüngliche  nahe  genug  und  wird 
sich  durch  eine  leichte  änderung  herstellen  lassen,  auf  die  frage 
Gizurs  s.  282,  6 : 

'Hvar  skal  ek  Hütium  hervig  kenna  ? ' 

wird  die  antwort  könig  Angantyrs  gelautet  haben: 
'Kendu  dylgju  d  Dünheidi 

und  peim  ollum  J o sur fj ollum  V 

und    dieses    auftrages    mochte    sich   Gizurr    entledigen   mit   den 
Worten : 

'Bifd  ek  ydr  dylgju  d  Dünheidi 

orrostu  undir  Josurfjollum.' 


6  ASRIBOTPriON  OP02 

der  text  der  prosa  s.  285,  4  ist  natürlich  schon  unter  dem  ein- 
flusse  des  misverständnisses  entstanden  und  auf  keinen  lall  von 
besonderem  belang,  wie  sehr  auch  metrische  gründe  für  die  vor- 
geschlagene änderung  sprechen,  braucht  nicht  weiter  ausgeführt 
zu  werden. 

Damit  wäre  zunächst  festgestellt,  um  welche  namen  es  sich 
eigentlich  handelt,     über  die  läge  von  Reidgotaland    in  der  sage 
siehe  Heinzel  s.  55  (469)  ff.    die  angaben  der  Hervararsaga  selbst 
entsprechen  verschiedenen  Vorstellungen,     teils  weisen   sie  nach 
Russland,   teils   auf  Jütland,   teils  auf  das  land  zwischen  Ostsee 
und    Rarpathen;    siehe   Heinzel    aao.      zum    letzteren    könnte    es 
auch  stimmen,  dass  man  die  gränze  zwischen  Goten  und  Hunnen 
durch  den  wald  Myrkvidr  gebildet  dachte  (s.  276,  7  ff),  falls  dieser 
name  seine  älteste  bedeutung  =  Hercynia  silva   (MüUenhoff  Zs. 
XXIII  169)   hier  fortbewahrt;   Hi'inalaud   wäre  dann  das  Hunnen- 
reich  der   geschichte,    das  ja    auch   in  der  deutschen  sage   seine 
läge    nicht  verändert   hat.     andererseits  gehört  die  gleichstellung 
der  Reidgoten  und  Dänen,  weil  gänzlich  unhislorisch,  sicherlich 
nicht  der  ältesten  Überlieferung  an,  wozu  auch  dasjenige  stimmt, 
was  Heinzel  s.  83.84  (497.  498)  über  deren   mögliche  Ursachen 
beigebracht  hat;  ebenso  ergibt  sich  für  die  Vorstellung  eines  süd- 
russischen Gotenreiches  ein  verhältnismäfsig  junger  Ursprung  aus 
dessen    einschlägigen  Untersuchungen,    siehe   zumal  s.  72  (486). 
Wenn  nun  innerhalb  des  ganzen  irgendwie  noch  in  betracht 
kommenden  bereiches  ein  gebirge  zu  suchen  ist,   wird   man  am 
ehesten  an  die  Rarpathen  und  ihre  nachbarschaft  denken  dürfen, 
und   dies   um   so    mehr   als   die   deutung   der  Harvadafjoll,    bei 
denen    nach   einer   vierzeile  s.  265,  8   der   Gotenkönig    Heidrekr 
ermordet   wird,  als   'berge   der  Chorvaten'   [Heinzel  s.  85  (499)] 
keinen   zweifei   zulässt.      die  Bjelochorvaten ,   die    dabei   gemeint 
sind,    'safsen   nördlich  von    dem  Beskiden    genannten   teile   der 
Rarpathen';  also  gegen  westen  etwa  bis  dorthin,  wo  nach  Ptole- 
maeus   das  'Aoy.ißovQyiov  ogog   endet,     kam   aus  dieser  gegend 
der  nordischen  sage  der  name  Harvadafjoll  zu,   so  wird  Josnr- 
fjoll  leicht  eine  hybride  bezeichnung  der  benachbarten  Jasenberge 
sein,    die  lesart  Jassafjoll,  die  sich  deshalb  empfiehlt,  weil  Josur- 
von  nordischen  namen  beeinflusst  sein  kann  [Heinzel  s.  71  (485)], 
wäre  dieser  auffassung   noch  günstiger,     die  endung   auf  a  statt 
en  könnte  würklich  unter  der  einwürkung  des  namens  der  Jassen, 


ASKIBOTPnON  0P02  7 

d.  i.  Osseten,  entstanden  sein,  den  Heinzel  aao.  vergleicht,  und 
der  lautlich  dem  slawischen  namen  der  esche  sehr  nahe  steht, 
siehe  Miklosich,  Elym.  \\b.  s.  100.  10\:jasenü  esche,  jasinü  alanus; 
doch  kann  auch,  ohne  dass  gerade  eine  solche  umdeutung  vor- 
liegt, die  analogie  der  zahlreichen  Ortsnamen,  die  ein  beslim- 
mungswort  im  genitiv  enthalten,  gewUrkt  haben,  da  im  folgenden 
gezeigt  werden  wird,  dass  die  aufnähme  des  namens  aus  dem 
slawischen  nicht  unmittelbar  ins  nordische,  sondern  zunächst 
und  zwar  bereits  im  5  jh.  in  eine  hochdeutsche  mundarl  erfolgte, 
so  wird  auch  in  dieser  Jaseti-  zuerst  als  genitiv  eines  a»-siarames 
aufgefasst  worden  sein,  was  sich  nahezu  mit  notwendigkeit  er- 
geben muste.  wenn  dann  zwischen  der  form  Jasin-,  die  sich 
somit  entwickelte,  und  der  nordischen  ein  alts.  Jasun-  vermittelt, 
so  konnte  dies  einerseits  regelrecht  durch  altn.  Jasa-  widergegeben 
werden,  daneben  aber  liegt  die  annähme  nahe,  dass  von  anfang 
an  im  nordischen  eine  form  Josur-  nebenher  gieng,  da  von  Ja- 
sun- aus  angleichung  an  den  personennamen  Josur  besonders 
leicht  war.  das  schwanken  zwischen  s  und  ss  ist  bei  einem 
Worte  fremder  herkunft  nicht  auffällig;  auch  unser  Weichsel,  aus 
nd.  Wissel,  geht  auf  slaw.  litt.  Wisla  zurück,  ob  freilich  in  den 
zahlreichen  deutschen  Ortsnamen,  denen  slaw.  jasen,  jesen  zu 
gründe  liegt,  so  weit  sie  ss  zeigen,  das  dem  einfachen  laute 
gegenüber  bedeutend  überwiegt,  dieses  schon  zur  zeit  der  ent- 
lehnuug  eintritt  oder  durch  spätere  silbendehnung  entstanden 
ist,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

Wie  das  %indir  Josurfjollum  zu  verstehen  sei,  kann  nicht 
zweifelhaft  sein,  da  man  sich  zur  zeit  der  schlacht  die  Hunnen 
bereits  in  das  Golenreich  eingedrungen  dachte:  gleich  dem  undir 
Harvadafjgllum  bezeichnet  es  eine  örtlichkeit  unter  dem  nord- 
abhange  des  gebirges.  dort,  an  der  oberen  Weichsel,  östlich  von 
den  Bjelochorvaten  safs  nach  dem  vordringen  der  Slawen  der 
stamm  der  Wislane  der  bairischen  Descriptio  civitatum,  Zeufs 
s.  601.  663;  und  nirgends  andershin  fällt  das  Wislelond  Alfreds 
im  Orosius  (ed.  Sweet  s.  16),  wo  nur  nordöstliche  und  südost- 
hche  läge  gleicher  weise  ungenau  als  östliche  aufgefasst  wird, 
wenn  es  heilst:  and  he  eastan  Maroara  londe  is  WisleloiuL  and  be 
eastan  pwm  sint  Datia,  pa  pe  in  wceron  Gotan.  konnte  aber 
ein  beer,  das  vom  mährisch -schlesischen  gebirge  herabzog,  an 
die  Vistula  und,    wenn  diese  schon  hier  wohnten,  zu  den  Wis- 


8  ASKIBOITIION  OPOS 

lauen,  ins  VVislelond,  gelangen,  so  wird  es  klar,  dass  von  der 
localvorstelluug  einer  Schlacht  imdir  Josurfjollnm  die  des  ags. 
Widsidh  nicht  verschieden  ist,  der  vers  119  ff  auf  kämpfe  der 
Goten  mit  den  leuten  des  Attila  am  Weichselwalde,  ymb  Wist- 
laiDudu  (v.  121),  anspielt,  dass  in  dem  Weichselwalde  eine  er- 
innerung  an  die  alten  silze  der  Goten  an  der  Ostsee  zu  er- 
kennen sei,  wie  auch  Müllenhoff  DA  ii  99  anzunehmen  scheint, 
hat  schon  Heinzel  s.  103  (517)  in  zweifei  gezogen. 

Es  bleibt  noch  Dünheidr,  die  Dunwildnis,  wie  in  Finnheidi, 
Müllenhoff  DA  ii  50,  das  bestimmungsvvort  ein  volksname  ist, 
kann  dies  auch  hier  der  fall  sein,  und  gerade  dorthin ,  wo  wir 
nach  dem  obigen  die  Dunheide  verlegen  müssen,  fallen  die  be- 
reits erwähnten  yiovyLOt  ^ovvoi,  juexQi-  tov  'yloY.ißovQyiov 
OQOVQ  des  Ptolemaeus.  Jovvol  steht  allerdings  nicht  in  den 
hss. ;  siehe  bei  Müller,  Ptolemaeus  s.  262  die  anmerkung  zur 
stelle:  ylovyoL  ol  Jlöovvoi]  sie  de  conj.  Wilberg.;  ylovyoi  ol 
^IdovvOL  X,  AovyoL  Jiöovvoi  ^0^P,  Aovyoi  Jidovvioi  Arg., 
AovyoLÖLdovvoL  BEZ,  ^ovytdidovvoL  ADFNPSJB^z,  Aovyyi- 
ÖLÖotvoL  CLMPRVW,  AoyyidiöovvoL  Ga.  Lugi  Diduni  edd.  Rom, 
Ulm.;  Lugi  Duduni  ed.  Yic.  Zeufs  p.  125  suspicatur  fortasse  leg. 
esse  Aovyoi  Jovvoi,  ad  eosque  pertinere  Lugidunum  opp.,  quamvis 
in  alia  regione  positum  §  13,  p.  270,  7.  dem  wäre  noch  MüUen- 
hoffs  ylovyiOL  zIl^ovvlol  Germ.  ant.  s.  129  beizufügen  und 
aufserdem  das  angebliche  Aovyoi  Jovvol  bei  Zeufs  in  Aovyioi 
Joivoi  zu  berichtigen,  dass  Zeufs  conjectur  am  meisten  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich  hat,  ergibt  sich  durch  die  erwäguug,  dass  die 
handschriftlichen  lesarten  auf  eine  grundform^OYT/^/^O  YIVO/ 
zurückweisen,  die  ganz  leicht  aus yiOYnOUOYNOI  entstanden 
sein  kann,  auch  das  Z0YM0Y2  bei  Strabo  290  ist  eher  aus 
J0YN0Y2  verderbt  als  aus  BOYPOY^,  wie  Zeufs  s.  126 
annimmt;  Müllenhoffs  KAIAI^OYAIOY^  statt  KAIZOY- 
M0Y2,  Germ.  ant.  s.  66,  wird  sich,  verglichen  m\i  Helvecones, 
AiXovaicoveg,  schon  des  Stammauslautes  wegen  nicht  empfehlen, 
die  einwendung,  dass  Strabo  290  die  Jovvoi  nicht  als  be- 
sonderen stamm  nach  Aovylovg  re,  fxeya  sO^vog  stellen  konnte, 
gälte  doch  auch  gegen  die  beiden  anderen  namen,  da  auch  Buren 
und  Elwekonen  Lugier  sind;  übrigens  braucht  man  Strabo  nicht 
allzu  genaue  kenntnis  der  Stammesverhältnisse  Ostdeutschlands 
zuzumuten. 


ASKIBOrPllON  OPOS  9 

Damit  sind  wir  dabei  angelangt,  nach  dem  geschichtlichen 
ereignisse  unischau  zu  hallen,  von  dem  die  behandelte  localvor- 
slellung  ihren  ausgang  genommen  hat.  ist  dieses  dort  nach- 
weisbar, wohin  uns  die  vorstehenden  namendeutungen  geführt 
haben,  so  wird  die  richligkeit  derselben  nur  noch  mehr  ein- 
leuchten, ich  finde  dieses  ereignis  in  einem  kample  der  Hunnen 
mit  den  Langobarden,  über  den  bei  Paulus,  Historia  Langobar- 
doruni  folgendes  berichtet  ist:  1 16  Igitnr  transmeato  Langobardi  de 
quo  dixeramus  flunüne,  cum  ad  nlteriores  terras  perveiiissent ,  Ulk 
'per  tempns  aliquod  commorabanlur.  Interea  cum  nihil  adversi 
snspicarentur  et  essent  quiete  longa  minus  solliciti,  securitas,  quae 
semper  detrimentorum  mater  est,  eis  non  modicam  perniciem  pe- 
perit.  Noctu  denique  cum  neglegentia  resoluti  cuncti  quiescerent, 
subito  super  eos  Vulgares  inruentes ,  plures  ex  eis  sauciant ,  multos 
prosternunt ,  et  in  tantum  per  eorum  castra  dibachati  sunt,  ut 
ipsum  Agelmundum  regem  interßcerent  eiusque  unicam  filiam  sorte 
captivitatis  auferrent.  17  Resumptis  tarnen  post  haec  incommoda 
Langobardi  viribus,  Lamissionem,  de  quo  superius  dixeramus,  sibi 
regem  consliluerunt.  Qui,  ut  erat  iuvenili  aetate  fervidus  et  ad 
belli  certamina  satis  prumptus,  alumni  sui  Agelmundi  necem  ulcisci 
cupiens,  in  Vulgares  arma  convertit.  Primoque  mox  proelio  com- 
misso,  Langobardi  hostibus  terga  dantes,  ad  castra  refugiunt.  Tunc 
rex  Lamissio  ista  conspiciens,  elevata  altius  voce,  omni  exercitui 
clamare  coepit,  ut  obprobriorum  quae  pertulerunt  meminissent  re- 
vocarentque  ante  oculos  dedecus,  quomodo  eorum  regem  hostes  iugu- 
laverint ,  quam  miserabiliter  eins  natam,  quam  sibi  reginam  opta- 
verant,  captivam  abduxerint.  Postremo  hortatur,  ut  se  suosque 
armis  defenderent,  melius  esse  dicens,  in  bello  animam  ponere  quam 
ut  vilia  mancipia  hosiium  ludibriis  subiacere.  Haec  et  huiuscemodi 
dum  vociferans  diceret ,  et  nunc  minis  nunc  promissionibus  ad  to- 
leranda  eorum  animos  belli  certamina  roboraret;  si  quem  etiam 
servilis  conditionis  pugnantem  vidisset,  libertate  eum  simul  cum 
praemiis  donaret :  tandem  hortatu  exemplisque  principis,  qui  primus 
ad  bellum  prosilierat ,  accensi,  super  hostes  inruunt,  pugnant  ati'o- 
citer ,  et  magna  adversarios  clade  prosternunt;  tandemque  de  vic- 
toribus  victoriam  capientes,  tarn  regis  sui  funus  quam  proprias 
iniurias  ulciscuntur.  Tunc  magna  de  hostium  exuviis  praeda  po- 
titi,  ex  illo  iam  tempore  ad  expetendos  bellt  labores  audaciores 
effecti  sunt. 


10  ASKIBOrPriON  0P02 

Dass  unter  den  Bulgaren  hier  Hunnen  zu  verstehen  sind 
(siehe  Miilleuhoir  DAii98),  ergibt  sich  aus  dem,  was  Zeufs 
s.  710  !T  über  das  Verhältnis  beider  namen  ermittelt  hat.  die 
Wohnsitze,  in  denen  die  Langobarden  der  angriff  traf,  sind  zwar 
von  Paulus  nicht  namentlich  bezeichnet,  doch  lässt  sich  ihre  läge 
annähernd  bestimmen,  denn  sie  gelangen  in  dieselben  nach 
c.  15.16  auf  dem  wanderzuge,  der  seinen  nächsten  ausgang  von 
den  nach  c.  13  durch  einige  jähre  von  ihnen  besessenen  land- 
schaften  Antaib,  Bantaib  und  Burgundaib  genommen  hat.  in 
seiner  läge  bestimmbar  ist  von  diesen  localen  freilich  nur  Bur- 
gundaib, die  alle  heimat  der  Burgunden  (DA  ii  98)  zwischen 
Suebos  und  Vistula.  da  das  land  über  der  Weichsel  von  Slawen 
dicht  besetzt  war,  stand  von  B%irgundaib  aus  nur  gegen  Süden 
zu  der  weg  offen,  seitdem,  nicht  lange  nach  406  (DA  ii  91), 
Rugier  und  Skiren  ihre  sitze  im  norden  des  gebirges  mit  solchen 
im  Süden  desselben  vertauscht  hatten,  die  Langobarden  aber 
hatten  das  gebirge  zur  zeit  ihres  kampfes  mit  den  Hunnen  gewis 
noch  nicht  überstiegen,  denn  erst  später,  c.  19,  wird  von  Paulus 
ihres  einzuges  in  Rugilant  nach  der  besiegung  der  Rugier  durch 
Odoaker  gedacht,  auch  wären  sie  im  Süden  der  berge  sicherlich 
der  hunnischen  macht  erlegen  und  wie  die  anderen  Germanen- 
stämnie  der  Umgebung  im  reiche  des  Attila  vereinigt  worden; 
dass  dies  aber  nicht  der  fall  war,  erhellt  abgesehen  von  obiger 
erzählung  des  Paulus  daraus,  dass  sie  nirgends  unter  den  unter- 
gebenen der  Hunnen  genannt  sind,  da  sie  aber  immerhin  an 
deren  machtgebiet  gränzten ,  wenn  auch  durch  eine  natürliche 
schutzwehr  gedeckt,  so  ist  ein  zusammenstofs  beider  Völker  von 
vorne  herein  nicht  unwahrscheinlich;  den  geschichtschreibern 
konnte  derselbe  freilich  leicht  entgehen,  weil  er  auf  einem  ganz 
abgelegenen  Schauplatz  sich  abspielte  und  Rom  und  Byzanz  nicht 
unmittelbar  dabei  berührt  waren. 

Zunächst  stimmt  hiermit  vollständig  die  läge  von  Hiinaland 
und  Reidgotaland  in  der  sage,  von  denen  nach  den  versen 
s.  279,  4  ff  jenes  südlich  von  diesem  zu  denken  ist,  nach  den 
versen  266,  20  ff  östlich ,  was  gerade  so  zu  nehmen  sein  wird 
wie  die  angäbe  in  Alfreds  Orosius:  .  .  .  Wislelond.  and  be  eastan 
pcem  sint  Datia.  und  wenn  nach  der  prosa  s.  276,  7 ff  (vgl.  die 
verse  s.  279,7  und  269,  13)  beide  reiche  durch  den  wald  Myrk- 
vidr  gelrennt  sind,   so  wird  man  nun,  was  oben  nur  vermutungs- 


ÄSKIBOTPriON  OPOS  11 

weise  ausgesprochen  wurde,  dass  der  wald  Myrkvidr  hier  die 
Silva  Hercynia  ist,  als  gesichert  annehmen  dürfen;  dabei  umfasst 
der  Myrkvidr  auch  die  Karpathen  wie  die  silva  Hercynia  bei 
Caesar  BG  vi  25. 

Waren  die  reiche  der  Hunnen  und  Langobarden  durch  das 
gebirge  geschieden ,  so  musten  die  ersteren  als  die  angreifer 
dieses  übersteigen  entweder  über  den  Jablunkapass  oder  vom 
Marchtale  aus.  und  würklich  berichtet  auch  die  Hervararsaga 
s.  276,  7  IT  von  der  Überschreitung  des  Myrkvidr  durch  das  beer 
der  Hunnen,  im  norden  vorgenannter  locale  müssen  dann  die 
kämpfe  stattgefunden  haben,  von  denen  Paulus  erzählt:  eben- 
dorthin  aber  haben  uns  die  localbestinimungen  in  der  Hervarar- 
saga und  im  VVidsidh:  undir  Josurfjpllum,  d  Dünheidi,  ymb  Wist- 
lawudii  geführt. 

Auch  sonst  decken  sich  die  Vorstellungen  der  sage  mit  den 
geschichtlichen  talsachen  in  wesentlichen  zügeu.  wie  Paulus 
weifs  auch  die  Hervararsaga  von  zwei  schlachten,  von  denen  die 
erste  den  Hunnen  günstig  verläuft;  weniger  genau  entsprechend 
ist  im  VVidsidh  v.  119  von  widerholten  kämpfen  die  rede,  der 
patriotische  character  des  kampfes,  der  bei  Paulus  so  stark  her- 
vortritt, wird  ebenso  in  der  Hervararsaga  s.  288,  6  ff  ausdrück- 
lich betont  und  auch  im  Widsidh  v.  122  angedeutet,  selbst  die 
Walküre  Hervor,  die  tochter  des  Gotenköuigs  Heidrekr,  die  in 
der  ersten,  unglücklichen  schlacht  fällt  (s.  278),  weist  auf  die 
langobardische  königstochter,  deren  gefangennähme  in  der  ersten 
Schlacht  berichtet  wird,  schliefslich  sind  im  Widsidh  sogar  noch 
langobardische  beiden  bei  Eormenric,  dem  Gotenfürsten,  und  in 
Verbindung  mit  der  anspielung  auf  die  Hunnenschlacht  genannt. 
V.  115  11  erzählt  uns  der  Sänger,  der  früher  schon  andere  namen 
aus  Eormenrics  Umgebung  genannt  hat: 

115  Seccan  söhte  ic  and  Beccan,  Seafolan  and  Peodric, 

Headoric  and  Sifecan,  Hlipe  and  Incgenpeow. 

Eädwine  söhte  ic  and  Elsan,  ^gelmund  and  Hnngnr 

and  pd  wloncan  gedryht  Wipmyrginga. 

Wuipiere  söhte  ic  and  Wyrmhere  :  füll  oft  p(pr  tcig  ne  alceg, 
12(1  ponne  Hroeda  here  heardum  sweordum 

ymb  Wistlawudu  wergan  sceoldon 

ealdne  epelstöl  ^tlan  leodum  usw. 
hier  ist  sicher  Eädwine  der  Langobardenkönig  Auduin  und,  was 


12  ASKIBOYPriON  OPOS 

besonders  bedeutsam  ist,  .^gelmund  eben  jener  Agelmundiis  ,  der 
nacb  Paulus  in  der  Iluuneuschlacht  umkommt,  auch  die  Wi|)- 
myrgingas  sind  entweder  selbst  'Langobarden,  die  einmal  in  Mau- 
runganien  gewohnt  haben'  (Heinzel  s.  101),  oder  Nordschwaben 
und  gehören  doch  auch  in  diesem  falle  zum  langobardischen  an- 
hang.  ob  auch  Hlijie  =  Lelhu  und  Elsa  gerade  ein  langobar- 
discher  Aliso  ist,  ist  hier  nicht  weiter  von  belang. 

Übrigens  ist  auch  der  bericht  des  Paulus  über  den  kämpf 
mit  den  Bulgaren,  so  wenig  man  seinen  wert  als  historisches 
Zeugnis  bezweifeln  wird,  bereits  epischer  Überlieferung  entnommen, 
es  bedurfte  nur  einer  vermitlelung,  um  dieselbe  anderen  germani- 
schen Stämmen  zugänglich  zu  machen  und  au  dieser  fehlte  es 
nicht,  der  weg,  auf  dem  die  langobardische  sage  von  den  Hunnen- 
schlachten nach  dem  norden  gelangte,  ist  derselbe  wie  der,  auf 
dem  das  altenglische  epos  mit  köuig  Albuin  in  Italien  bekannt 
wurde,  und  den  uns  Paulus  selbst  i  27  deutlich  kennzeichnet, 
da  er  meldet:  Alboin  vero  ita  praedarum  longe  lateque  nomen 
percrebuit,  ut  hactenus  etiam  tarn  aput  Baioariorum  gentem  quam- 
que  et  Saxomim,  sed  et  alios  eiusdem  linguae  homines  eins  libera- 
litas  et  gloria  bellorumque  felicitas  et  virtus  in  eorum  carminibus 
celebretur. 

Dass  aber  die  Langobarden  in  der  sage  später  den  Hreidh- 
goten  platz  gemacht  haben,  wozu  ja  schon  im  Widsidh  mehr 
als  der  ansatz  vorhanden  ist,  da  sie  hier  in  mitte  gotischer  beiden 
auftreten  und  mit  unter  die  Hr«das  gehören ,  denen  bereits  die 
kämpfe  mit  den  Hunnen  zugeschrieben  sind,  findet  leicht  seine 
erklärung  aus  der  ungleich  bedeutenderen  rolle,  welche  die  Goten 
in  geschichte  und  sage  als  gegner  der  Hunnen  spielen,  zumal 
eine  Verschmelzung  mit  sagenvorstellungen,  die  auf  die  schlacht 
auf  der  mauriacischen  ebene  zurückgehen,  war  deshalb  leicht 
möglich,  weil  auch  diese  mit  einer  niederlage  der  Hunnen  endete, 
weil  auch  hier  der  kämpf  patriotischen  characters  war  (Heinzel 
s.  52)  und  die  Hunnen  auf  ihrem  anzuge  den  hercynischen  wald 
passierten  (Heinzel  s.  51);  dazu  kommt  die  weit  überragende  be- 
deutung  dieses  ereignisses. 

Es  ist  nicht  wahrscheinlich ,  dass  ein  späterer  dichter  durch 
die  vorgefundene  Überlieferung  zu  einer  richtigen  Vorstellung  des 
locales  der  kämpfe  gelangt  sei  und  die  dieses  bezeichnenden 
namen  durch  andere  desselben  bereiches  aus  dem  Vorrat  seiner 


ASRIBOYPriON  OPOS  13 

geographischen  kenntnisse  ergänzt  habe,  dagegen  spricht  von 
anderem  abgesehen  der  umstand,  dass  es  sich  um  ein  gebiet 
handelt,  das  dem  späteren  germanischen  gesichtskreis  allzu  weit 
entrückt  war.  gerade  also  weil  sie  demselben  engen  umkreis 
angehören ,  müssen  die  besprochenen  namen  zusammen  in  die 
sage  aufgenommen  worden  sein,  von  welcher  zeit  an  die  Bjelo- 
chorvalen  ihre  späteren  sitze  inne  halten,  lässt  sich  nicht  fest- 
stellen, daher  ist  auch  das  alter  des  namens  Harvadafj oll ,  der 
ursprünglich  das  local  der  ersten  schlacht  bestimmt  haben  mag, 
wie  später  noch  den  ort,  wo  der  könig  umkam,  nicht  nach- 
weisbar. Wistla  aber,  die  altgermanische  namentbrm  gegenüber 
slaw.  litt.  Wisla,  gehörte  höchstens  noch  im  5  jh.  dem  lebendigen 
germanischen  sprachgute  an  und  auch  damals  zunächst  dem 
der  letzten  germanischen  anwohner  der  Weichsel,  der  Lango- 
barden, eine  erwägung,  durch  die  von  anderer  seile  der  lango- 
bardische  Ursprung  der  behandelten  localnamen  und  der  sage 
bestätigt  wird,  auch  Dnnheidr  weist  auf  das  5  jh.  zurück,  denn 
damals  waren,  wie  die  entlehnung  des  namens  der  benachbarten 
Silingen  durch  die  Slawen  beweist,  die  allen  stammnamen  im 
Osten  Deutschlands  noch  nicht  vergessen,  auch  in  Bantaib,  das, 
weil  es  leicht  durch  das  nebenstehende  Antaib  beeinflusst  sein 
kann,  nach  dem  Baynaib,  Bainaib  im  prol.  des  Edictum  Rotharis 
berichtigt  werden  muss  (Müllenhotf  Zs.  ix  243),  mag  ein  alter 
volksname  enthalten  sein ,  wobei  an  die  Baniiujas  des  Widsidh 
gedacht  werden  kann,  weil  ihr  name,  wie  Bainaib  mit  Burgun- 
daib,  mit  dem  der  Burgunden  allilteriert  im  v.  19:  Becca  Banin- 
gum,  Bnrgendum  Gifica;  sodass  danach  Bdningum  zu  lesen  wäre; 
vgl.  Bainobaiides  bei  Amm.  Marc,  und  das  altn.  adj.  beinn.  längs 
des  gebirges  aber  waren  um  die  mitte  des  5  jhs.  die  Slawen 
bereits  vorgedrungen :  siehe  DA  ii  92  ff;  es  darf  also  gar  nicht 
wunder  nehmen,  wenn  dem  namen  Josnrfjoll  bereits  die  slawische 
Übersetzung  eines  älteren  germanischen  namens  zu  gründe  liegt. 
Wien,  den  10  Januar  1888.  RUDOLF  MUCH. 

SAGIBARO. 

Rudolph  Sohm,  Die  fränkische  reichs-  und  gerichtsverfassung, 
Weimar  1871,  s.  54  ff  hat  den  titel  54  der  lex  Sahca  einer  ein- 
gehenden, ungemein  scharfsinnigen  Interpretation  unterzogen,  um 


14  SAGIBARO 

Stellung  und  amtsbefugnisse  der  'sacebaronen',  so  weit  es  dieses 
einzige  Zeugnis  ermöglicht,  aufzuhellen,  er  erkennt  in  ihnen 
königliche  beamte  anfsergerichllicher  function,  welche  für  die 
einzelnen  mallobergi  (liundertschaften  nach  Sohm)  in  zahl  von 
höchstens  je  drei  angestellt  seien,  um  Zahlungen,  die  dem  fiscus 
gebüren,  anzunehmen  oder  einzutreiben,  sie  concurrieren  in 
dieser  ihrer  function  mit  dem  grafen,  der  für  die  damalige  zeit 
noch  nicht  als  Vorsitzender  des  Volksgerichts,  sondern  als  reiner 
Verwaltungsbeamter  des  köuigs  zu  betrachten  sei.  was  der  graf 
für  den  gau,  sei  der  sagibaro  für  die  hundertschaft.  zur  zeit 
der  lex  Salica  waren  nach  Sohm  graf  und  'sacebaro'  einander 
coordiniert;  später  aber  habe  sich  das  Verhältnis  geändert:  'der 
sacebaro  ist  später  ein  Unterbeamter  des  grafen  geworden'  (s.  93). 

Der  letzte  punct  entbehrt,  wie  mir  scheint,  einer  ausreichenden 
begründung.  ich  kann  nicht  finden,  dass  die  von  Sohm  angenom- 
mene Unabhängigkeit  des  sagibaro  vom  grafen  sich  aus  den  Worten 
des  gesetzes  notwendig  ergebe,  glaube  vielmehr  durch  eine  sprach- 
liche analyse  des  Wortes  sagibaro  selbst  zeigen  zu  können,  dass 
sie  geradezu  unwahrscheinlich  ist.  die  etymoiogie  weist  meines 
erachtens  darauf  hin,  dass  die  sagibaronen  sich  im  ge folge 
des  grafen  befunden  haben  und  dass  sie  demnach  als  hilfs- 
beamte  desselben  angesehen  werden  müssen. 

Sohm  hat  sich  vielleicht  doch  einiger  mafsen  von  der  Kern- 
schen  ableitung  des  Wortes  beeinflussen  lassen  (Die  glossen  in 
der  lex  Sal.  s.  80),  wonach  sacebaro  veröffentliclier  der  sache 
bedeuten  soll,  er  macht  daraus  s.  94  nicht  ohne  gewaltsamkeit 
'einforderer  der  Strafsache,  bufse'  und  findet  nun  diese  erklärung 
'seiner  auffassung  im  höchsten  grade  entsprechend',  obwol  Kern 
dem  lateinischen  texte  nicht  gerecht  geworden  sei.  ich  muss 
erklären,  dass  die  von  Kern  aufgestellte  etymoiogie  des  altnieder- 
fränkischen  Wortes  gänzlich  unhaltbar  ist.  er  geht  aus  von  der  in 
nur  wenigen  hss.  überlieferten  lesart  -barro  und  führt  die  doppel- 
cousonanz  auf  rj  zurück,  indem  er  nun  das  so  gewonnene  -bario 
zu  altfr.  baria  'offenbaren,  kund  tun'  in  beziehung  setzt,  gelangt 
er  zu  der  obigen  erklärung.  aber  bei  seiner  auseinandersetzung 
laufen  bedenkliche  verstöfse  gegen  die  lautgesetze  unter,  einmal 
ist  die  assimilation  von  rj  zu  rr  ein  lautvorgang,  den  zwar  einige 
althochdeutsche  mundarten  (Braune  s.  85),  nicht  aber  die  nieder- 
ländischen   und    sächsischen   dialecte   kennen;    in   diesen   bleibt 


SAGIBARO  15 

vielmehr  rj  durchaus  inlact,  bis  dann  in  viel  späterer  zeit  j 
schwindet,  und  zweitens  gehört  haria,  wie  schon  das  fehlen 
des  Umlauts  zeigt,  nicht  der  ersten  sondern  der  zweiten  classe 
der  schwachen  verba  an ;  es  deckt  sich  nämlich  mit  ags.  dbarian, 
ahd.  giparöii  und  ist  erst  durch  secundäre  lautprocesse  in  einer 
verhältnismäfsig  späten  periode  aus  harojan  hervorgegangen  (Beilr. 
9,506).  mit  diesem  wortstamme  hat  -haro,  -barro  ohne  zweifei 
nicht  das  allermindeste  zu  schaffen,  wie  zum  überfluss  auch 
noch  die  nebenformen  mit  o  -boro,  -borro  dartuu.  für  -borro 
stellt  zwar  Kern  in  der  englischen  ausgäbe  der  lex  Salica  von 
Hesseis,  London  1880,  s.  542  eine  besondere  etymologie  auf, 
indem  er  altn.  byrja  zur  anknüpfung  benutzt;  aber  abgesehen 
davon,  dass  auch  diese  ableitung  mit  den  lautgesetzen  nicht  in 
einklang  steht  (die  form  müste  *-burio  lauten),  so  werden  sich 
gewis  nur  wenige  dazu  verstehen,  -baro  und -6oro  von  einander 
zu  trennen,  eine  erklärung,  die  anspruch  auf  Wahrscheinlichkeit 
erhebt,  muss  vor  allem  der  in  den  meisten  hss.  überlieferten  form 
-baro  gerecht  werden,  sie  darf  indes  auch  die  nebenformen  mit 
rr  und  0  nicht  ohne  weiteres  als  fehler  bei  seite  werfen,  sondern 
muss  sie  als  berechtigte  Variationen  der  normalen  gestalt  zu  er- 
weisen und  als  solche  zu  erklären  suchen,  ich  hoffe  diesen  be- 
dingungen  genügen  zu  können. 

In  dem  ersten  compositionsgliede  sah  Kern  früher  (Glossen 
s.  80),  auf  MüllenholT  fufsend  (bei  Waitz,  Das  alte  recht  der 
sal.  Franken  s.  292),  das  wort  saca;  jetzt  (bei  Hesseis  aao.)  be- 
zieht er  es  auf  ahd.  secchia.  aber  die  bedeutung  dieses  ahd. 
Wortes  ist  von  der  von  saca  ganz  verschieden,  wie  das  ent- 
sprechende got.  sakjö  heifsl  es  bekanntlich  streit  (es  glossiert 
rixa,  lis,  querela,  conlroversia  Graff  6,76),  und  wie  liefse  sich 
dieser  begriff  mit  der  von  Sohm  erwiesenen  aufsergerichtlichen 
tätigkeit  der  sagibaronen  in  sinngemäfse  beziehung  setzen  ? 

Wie  gegen  secchia  begriffliche  gründe  sprechen,  so  lassen 
sich  gegen  die  herleitung  von  saca  schwerwiegende  formelle  be- 
denken geltend  machen,  man  müste  doch  wol  allen  analogien 
zu  folge  bei  einem  rf- stamme  als  vocal  in  der  compositionsnaht 
ein  a,  oder  auch  ein  o,  u  erwarten,  die  Überlieferung  führt 
aber  mit  ziemlicher  Sicherheit  auf  ein  i  als  bindelaut ,  weil  auch 
e  in  der  Orthographie  dieser  romanischen  Schreiber  bei  deutschen 
Worten  meist  nur  i  meint;   sace-  ist  also  mit  saci-  gleichwertig. 


16  SAGIBARO 

dies  hat  auch  Kern  erkannt  und  offenbar  hauptsächlich  deshalb 
seine  frühere  erklärung  aufgegeben,  also  ist  weder  mit  saca 
noch  mit  secchia  etwas  anzufangen. 

Es  ist  merkwürdig,  mit  welcher  Zähigkeit  man  seit  Müllen- 
hoff  und  wol  grofseuleils  auf  seine  autorilät  hin  an  der  annähme 
der  echtheit  des  inneren  c  in  sace-  festgehalten  hat.  alle,  die 
sich  seitdem  mit  dem  worle  beschäftigt  haben,  Juristen,  historiker 
und  Philologen,  erkennen  nur  die  form  sact-  (sace-)  als  berechtigt 
an.  nun  ist  diese  zwar  in  cod.  1 — 4  (ich  benutze  die  ausgäbe 
von  Hesseis)  tatsächlich  überliefert,  aber  in  5  und  6  taucht  sachi- 
auf,  eine  Schreibung,  die  in  10  widerkehrt,  und  die  gruppe 
7 — 9  bietet  dazu  als  drille  Variante  sagi-  (das  genauere  bei  Hesseis), 
wenn  sich  nun  der  redactor  der  emendata  (Brunner,  Rechts- 
geschichte 1,  294  setzt  ihn  in  den  anfang  der  regierungszeit 
Karls  des  grofsen) ,  dem  doch  ohne  zweifei  ein  besseres  kriti- 
sches material  als  uns  zu  geböte  stand,  für  sagi-  entscheidet, 
was  berechtigt  uns,  in  diese  seine  entscheidung  zweifei  zu  setzen? 
ich  will  einer  kritik  dieses  redactors  keineswegs  principiell  die 
berechtiguug  absprechen;  aber  genügende  gründe  dafür  müssen 
doch  in  jedem  einzelnen  falle  beigebracht  werden  und  daran 
scheint  es  mir  hier  würklich  durchaus  zu  fehlen,  denn  es  ist 
gar  nicht  abzusehen,  weshalb  er  ein  ihm  überliefertes  saca-, 
seccia  -  (wenn  ich  mich  auf  den  standpunct  der  bisherigen 
erklärer  des  wortes  stelle)  einer  schrullenhaften  anlehnung  an 
sagen  zu  liebe  verworfen  haben  sollte,  ich  habe  im  gegensatz 
zu  der  jetzt  herschenden  ansieht  die  feste  Überzeugung,  dass  der 
bearbeiter  einen  uralten  salfränkischen  geschäflsausdruck  in  seiner 
echten  form  auf  uns  gebracht  hat.  die  etymologie  hat  nur  mit 
sagibaro  zu  rechnen. 

Für  g  spricht  zunächst  ganz  direct  das  schwanken  der 
Schreibung,  wo  sonst  g  ch  c  neben  einander  stehen,  liegt  — 
man  kann  wol  sagen  ausnahmslos  —  g  zn  gründe,  dass  ch  (d.  i. 
X,  das  zeichen  der  tonlosen  spirans,  welches  für  den  tönenden 
laut  verwendet  ist  wie  im  ags.  in  der  labialreihe  /"=  got.  6j  für 
etymologisch  berechtigtes  g  eintritt,  ist  eine  bekannte  orthogra- 
phische unVollkommenheit,  die  man  nicht  nur  in  fränkischen 
quellen  antrifft  (Weinhold,  Isidor  s.  88),  wo  sie  recht  eigentlich 
zu  hause  ist,  sondern  auch  zb.  in  den  SGallischen  Urkunden 
(Henning  s.  140),  in  den  Reichenau-Murbacher  denkmälern  (Beitr. 


SAGIBARO  17 

9,  304  f)  und  sonst  in  Alemannien.  und  c  ist  nur  nachlässige 
Schreibung  für  ch,  die  überall  begegnet,  wo  Romanen  deutsche 
werte  aufzeichnen,  die  deutschen  worte  der  lex  Salica  selbst 
beweisen,  dass  wir  das  volle  recht  dazu  haben,  c  ch  g  als  gleich- 
wertige zeichen  für  g  anzusehen,  ich  halte  es  für  zweckmäfsig, 
diese  orthographische  nachlässigkeit  durch  einige  beispiele  aus 
der  lex  Sal.  selbst  nachzuweisen. 

2,  1  calcium  1  calcio  2  challil  —  9;  2,  2  calcium  1  chalteo 
5  —  6.  10.  die  glosse  gehört  zu  forcellnm  lactantem  und  por- 
cellwn  qui  sine  matrem  possit  vivere.  man  weifs  längst,  dass 
dem  anlaute  des  Wortes  g  gebürt,  obwol  dieses  keine  hs.  würklich 
gewährt,  gemeint  ist  der  acc.  sg.  des  schwachen  femininums 
galiia  =  ahd.  galza  gelza  sucula,  mhd.  galze  geize,  ags.  gielle  gylte, 
nhd.  geize  'junge  sau'  (vgl.  Hildebrand  im  DWB  4,  1,  2,  3119  fl). 
das  wort  kehrt  in  einer  Zusammensetzung  2,  3  wider  und  auch 
da  bieten  die  hss.  im  anlaut  nur  ch  und  c. 

2,  4  drache  1  glosse  zu  porcum  annicuhim;  2,  9  drace  2 
drauge  3  diache  5—6  dracechalt  10  glosse  zu  tertussum  por- 
cellum  usque  ad  anniculatum ;  2,  10  drace  2  drache  5  —  6  dra- 
cechalt 10  glosse  zu  post  anniculatum.  Kerns  erklärung  der  glosse 
(zu  dragan,  Hesseis  s.  444)  befriedigt  nicht,  der  ausdruck  meint 
drangi,  contrahiert  drdgi  (au  zu  d  wie  zb.  im  Heliand  bäg  ring, 
/rt'^nmn  läugnen ,  bäm  bäum,  scäni  schön)  'trocken,  unfruchtbar, 
noch  nicht  zeugungsreif'  =  mnl.  di'öge,  weiches  ebenfalls  noch 
in  dieser  bedeutung  vorkommt  (Verwijs- Verdam,  Middelneder- 
landsch  woordenboek  2,427),  ags.  drige  drt/ge  aus  driege  d.i. 
*  drangi. 

2,  12  baraga  5  —  6  bartcho  bracho  7  —  9  barco  10;  2,  13 
barcho  2  bracho  5  —  6  bartho  7  —  9  brarecho  10:  glosse  zu 
majalis.  bekanntlich  =  ahd.  barug  ags.  bearng  altn.  borgr  mnl. 
bargh.  —  beiläufig:  2,  12  änömeo  10  (in  den  übrigen  hss.  ver- 
stümmelt) bedeutet  genau  das,  was  es  glossiert:  sacrivus,  votivus, 
vgl.  mhd.  benuomen  urkundlich  verheifsen  Lexer  1,  182,  ahd. 
chinömidi  'benenuung'  persona  Is.  eine  zweite  glosse  steckt,  wie 
auch  Kern  erkannt  hat,  in  amiteotho  b — 6  anitheotha  10,  herzu- 
stellen in  andchaittio  =  ahd.  anthaizzo  devotus  Graff  4,  1087  alts. 
andheti  acc.  sg.  f.  andhettia  anthettea  Schmell.  56';  vgl.  die  ana- 
logen Verunstaltungen  in  3,4  chariocito  2  aritheocto  5  —  6  che- 
recheto  10  =  charichaito  ahd.  *heriheizo. 

Z.  F.  D.  A.    XXXIH.    N.  F.   XXI.  2 


18  SAGIBARO 

16,  5  bka  bicha  higgeo  in  cod.  10  glosse  zu  cuncida  (=  con- 
cidem  1)  vel  sepe.  Grimm  (in  Merkels  ausgäbe  xlvmi)  hat  er- 
kannt, dass  wir  das  ahil.  piga  pigo  nhd.  beige  (DVVB  1,  1371)  'ge- 
schichteter holzhaufe'  vor  uns  haben. 

Ein  besonders  deutliches  beispiel  für  die  Verwendung  der 
zeichen  ch  und  c  =  g  gewährt  der  ausdruck  raginiburgius.  ich 
teile  die  Überlieferung  für  einige  stellen  nach  Hesseis  voll- 
ständig mit: 

50,  3  rachine-  1  rachini-  3  racine-  2  racem-  7  —  9  =  ra- 

gin-  emend. 
56,  1  rachine-  1.  5  —  6  racine-  2.  3  racem-  7 — Q  ==  ra- 
gin- emend. 

2  rachine-   1  rachini-   3  rachem-  5—6  racini-  2  ra- 
cin-  7  —  9  =  ragin-  emend. 

3  rachine-  1.  3.  5 — 6    racine-  2  racin-  7 — 9  =  ragin- 
emend. 

Ähnlich  in  tit.  57,  wo  jedoch  auch  die  emend.  rachin-  bei- 
behalten hat.  in  tit.  78  (Hilperici  regis  edictum)  steht  rachym- 
durch.  so  viel  ich  sehe,  fehlt  g  bei  diesem  worte  in  den  hss. 
der  alten  lex  vollständig  (von  der  extravagante  B  1  ist  natürlich 
abzusehen),  dennoch  hat  noch  niemand  bezweifelt,  dass  ch  und  c 
hier  eben  nur  g  meinen,  denn  es  liegt  ja  das  bekannte  vvo'rt 
ragin  vor.  zugleich  sieht  man,  wie  gut  der  redactor  der  emen- 
data  über  die  richtige  Schreibung  dieser  alten  termini  unter- 
richtet war. 

Gestützt  auf  diese  beobachtungen  betrachten  wir  die  form  des 
überarbeiteten  gesetzes:  sagibaro  als  die  richtige  gestalt  des  wortes 
und  wenden  uns  dazu,  das  nun  widergewonnene  sagt-  etymo- 
logisch zu  erklären. 

Sagi-  gehört  zu  der  wurzel  seq  folgen  (lal.  sequi  gr.  enofxai 
ind.  sac  begleiten)  und  ist  ein  davon  abgeleiteter  adjectivischeryo- 
stamm  sagja-  folgend,  begleitend,  welcher  gebildet  ist  wie  abktr. 
bairya-  tragend,  mainya-  denkend  ua.  (Schlüter,  Die  mit /a  ge- 
bildeten deutschen  nomina,  Göttingen  1875,  s.  8fi"),  vgl.  nutja- 
(niozan),  lugj'a-  (liogan),  ßiigja-(ßiogan)  uä.  dieses  sagja-  geht 
weiter  zurück  auf  *sagwja-  und  hat  sich  daraus  unter  verlust 
des  w  entwickelt  wie  altn,  ylgr  wölßn  aus  *wulgwjd-  oder  ags. 
mecg  pl.  mecgas  verwandter,  söhn  aus  *magwja-  zu  magu  got. 
magus  knabe,  kind  (vgl.  Sievers  Beitr.  5, 149.  Brugmann,  Grundriss 


SAGIBARO  19 

1,  331).  dieser  stamm,  in  älterer  gestalt  *sogwi6-,  deckt 
sich  auf  das  genaueste  mit  lat.  socius  aus  soquio-s  begleiter, 
dessen  Bedeutung  von  der  des  deutschen  wertes  kaum  um 
haaresbreite  abweicht,  und  weiterhin  mit  dem  medial  gewende- 
ten vedischen  sdcya-  'dem  man  beispringen,  den  man  wert 
halten  muss',  dessen  überzeugende  Zusammenstellung  mit  dem 
lateinischen  worte  wir  Brugmann  Grundr.  1,323  verdanken,  schon 
Beitr.  9,  531  habe  ich  das  lat.  socius  mit  dem  aUs.segg  vir  =  ags. 
secg  altn.  se^-^r  verglichen;  wir  erkennen  nun,  dass  dieser  uralte, 
aus  dem  gefolgschaftswesen  erwachsene,  später  nur  noch  der 
poesie  eigene  ausdruck  nichts  weiter  ist  als  unser  adjectiv  in 
substantivischer  lunction  mit  der  bedeutung  von  gisith,  gefolgs- 
mann.  wie  andere  worte  idinlichen  sinnes,  wie  erl  rinc  the- 
gan,  hat  es  im  verlaufe  der  zeit  von  seinem  allen  gehalte  ziemlich 
viel  eingebilfst,  sodass  es  nur  noch  im  sinne  von  vir,  homo  ver- 
wendet wird,  in  der  eddischen  Rigsl)ula  str.  24  ist  jedoch  seggr 
noch  als  synonymum  von  halr  drengr  holdr  ßegn  gebraucht  und 
seine  vollere  bedeutung  leuchtet  auch  aus  der  ags.  allilterierenden 
formel  seegas  and  gesidas  noch  hervor,  hinsichtlich  der  form 
bedarf  noch  der  mangel  der  westgermanischen  Verschärfung  in 
sagi-baro  eines  wortes. 

In  der  regel  bleiben  ja  die  ersten  compositionsglieder ,  wenn 
sie  ja-  oder  yrf- Stämme  sind,  davon  nicht  befreit  (vgl.  beispiels- 
weise Ecki-hart);  aber  eine  reihe  von  formen,  unter  denen  einige 
eigennamen  besonderen  wert  beanspruchen,  erweisen,  dass  der 
eintritt  der  geminata  in  diesem  falle  späteren  datums  und  erst 
auf  dem  wege  der  Übertragung  erfolgt  ist:  Chuniperhl  Chuni- 
piric  Chunihard  usw.  (Förstern.  1,  312  (T)  werden  regelmäfsig  nur 
mit  n  geschrieben ,  obwol  sie  zu  knnni  gehören ;  dasselbe  ist  bei 
den  compositis  mit  eli-  =  got.  alja-  wie  elilenti  der  fall  (GrafF 
1,223);  gleicher  beschaffenheit  sind  ferner  beti-keminada  GW.  2, 
486,  1  (SGall.  134)  und  miti-tagolichemo  meridiano  Gll.  1,520,46 
(in  zwei  hss.).  bezüglich  der  feminina  mache  ich  auf  Sunigart 
Mon.  Bo.  28,2,38  a.  840  —  66  Pruni-hilt  Förstern.  285  Egi- 
burga  ebd.  14  aufmerksam,  von  dieser  seite  lässt  sich  also 
die  hier  vorgetragene  erklärung  nicht  anfechten,  auch  der  ein- 
wand ,  dass  die  wurzel  seq  im  germanischen  in  ihrer  eigentlichen 
bedeutung  bisher  nicht  nachgewiesen  sei ,  lässt  sich  leicht  da- 
durch  entkräften,   dass   dieser   nachweis  erbracht  werden  kann. 

2* 


20  SAGIBARO 

aiifser  sagi-  haro  und  segg  gehurt  zu  seq  begleiten  zb.  noch  das 
westgolische  sagio  (in  jüngerer  Schreibung  saio,  vgl.  Arthur  Schmidt 
Zs.  f.  rechtsgesch.  9,235)  gerichtsbote,  biittel ,  eigentlich  einer 
der  auf  dem  fufse  folgt,  immer  zur  band  ist  (Diicange:  regii  ac 
magistratus  minislri  qui  ad  eorum  jnssa  exequenda  semper  praesto 
erant),  ein  wort,  welches  schon  deshalb  nicht  zu  sagen  gehören 
kann,  weil  diese  untergeordneten  beamten  nichts  zu  sagen  hatten, 
zwei  weitere  Vertreter  dieser  sippe  erkennt  man  leicht  in  sekko 
spelsekko  favor  N.  Mcp.  296''  Hatt.  (mit  gleicher  bedeutungsent- 
vvickelung  wie  lat.  secundus  günstig)  und  beinsegga  pedisequa 
(glosse  zu  Reg.  i  25,  42  qninque  pnellae  ierunt  cum  ea  pedisseqnae 
ejus,  übersetzt  Gll.  1,393,26  durch  peinsegga  b,  beinsegga  c, 
bemseggon  n  ==  peinseico  Rh.  1,412,38);  dieser  ausdruck  ist  dem 
damit  übersetzten  lateinischen  zwar  nachgebildet,  aber  nicht 
daraus  entlehnt. 

Gehen  wir  nun  zu  dem  zweiten  compositionsgliede  baro 
(barro  boro  borro)  über,  dieses  stellt  kurz  gesagt  dasjenige  deutsche 
wort  dar,  welches  im  17  jh.  in  der  gestalt  baron  aus  dem  franzö- 
sischen rückentlehnt  worden  ist.  alle  versuche,  das  in  deutschen 
quellen  oft  belegte  wort  baro  mann  zu  einem  romanisch-lateinischen 
lehnvvorte  zu  stempeln,  muss  ich  für  verfehlt  erklären,  weil  es, 
auf  deutschem  boden  von  alter  zeit  her  heimisch  ,  aus  dem  ger- 
manischen auf  einfache  weise  erklärt  werden  kann,  ich  glaube 
die  Untersuchung  Müllenhoffs,  der  sich  in  gleichem  sinne  wenn 
auch  weniger  entschieden  ausspricht  (bei  VVaitz  aao.  s.  279),  zu 
gunslen  der  deutschen  herkunft  des  ausdrucks  weiterführen  zu 
können,  es  soll  dabei  nicht  in  abrede  gestellt  werden,  dass  inner- 
halb der  romanischen  sprachen  auch  das  altlat.  baro  dummkopf 
(verwandt  mit  bardus  stumpfsinnig)  weiter  gelebt  haben  kann. 

Das  altgermanische  wort  baro,  zu  welchem  nach  dem  barus 
der  lex  Alam.  zu  urteilen  (Gia(T3,  153)  ein  stark  flectiertes  bar 
existiert  haben  muss,  bedeutet  ursprünglich  vir  strenuus,  fortis; 
weiterhin  mann  in  der  Umgebung  des  königs;  daraufgeht  es  in 
die  bedeutung  mann  überhaupt  über;  und  schliefslich  sehen  wir 
es  zur  bezeichnung  einer  art  von  halbfreien  leuten  verwendet. 

a)  die  bedeutung  'tapferer  mann,  held'  tritt  in  einer  bei 
Ducange  1,579*^  beigebrachten  glosse  auf:  baro  graece,  latine  vir 
fortis,  unde  barones.  diese  scheint  auf  die  aao.  gleichfalls  citierte 
Isidorstelle  zurückzugehen :  mercenarii  sunt  qui  serviunt  accepta 


SAGIBARO  21 

mercede,  iidem  et  barones  Graeco  nomine  quod  sint  fortes  in  la- 
boribus.  Isidor  deukt  bei  diesem  worle  au  fiagvg,  deshalb  muss 
das  ihm,  wie  ich  nicht  zweifele,  aus  dem  wesigotischeu  bekannte 
wort  aus  dem  griechischen  stammen. 

b)  baro  ==  cyninges  pegen  weist  Schmid ,  Die  gesetze  der 
Angelsachsen  s-SSS""  nach;  vgl.  auch  Duc.  aao.  die  stellen  Schmids 
sind  meist  jüngeren  datums;  am  wichtigsten  dürfte  der  beleg  aus 
den  gesetzen  Knuts  3,  26  sein:  episcopi  abbates  et  barones  mei 
non  calumjiiabuntnr  pro  venatione. 

c)  die  allgemeine  bedeutung  mann  (vgl.  oben  die  entwickelung 
von  segg)  ist  in  den  volksrechten  die  gewöhnliche.  Si  quis  ba- 
ronem  ingemium  de  via  sua  oslaverit  lex  Sal.  31,  1,  wo  die 
emendata  hominem  ingenuum  hat ,  und  diese  bedeutung  wird  auch 
durch  den  gegeusatz  in  §  2  si  quis  mulierem  ingenuam  de  via 
sua  ostaverit  gefordert,  ebenso  in  der  lex  Ripuaria  (ed.  Sohm, 
der  das  wort  im  index  durch  vir  erklärt):  quod  si  quis  hominem 
regium  tabularinm  tarn  baronem  quam  feminam  de  mundeburde 
regis  abslulerit  58,  12  (B  2  boronem,  wodurch  also  die  Variante 
sagi-boro  von  dem  verdacht  eines  blofsen  Schreibfehlers  gereinigt 
wird);  similiter  et  Uli  qui  tabulariam  vel  ecclesiasticam  feminam 
seu  baronem  de  mundeburde  ecdesiae  abstulerit  58,  13;  si  quis 
baro  seu  mulier  Ribuaria  per  maießcium  aliquem  perdiderit  83,  1 
(A  5  paro;  A  8.  10  uud  alle  hss.  von  B  vir  seu  mulier),  in  der 
lex  Alam.  tit.  76  wird  wie  oben  erwähnt  neben  baro  in  gleichem 
sinne  auch  barus  verwendet:  si  cui  mortaudum  barum  vel  feminam 
[imputant]  MG  LL  in  160,  6  =  si  quis  mordtotus  baro  aut  femina 
72,  15==si  quis  mortautus  fuerit  baro  aut  femina  37,3  (Pactus 
II  42) ;  si  femina  barotie  extra  rixa  subdulo  clamaverit  36,  3  (Pactus 
II  33),  vorher  (32)  si  femina  aliam  Stria  aut  erbaria  clamaverit. 
auch  im  Pactus  ii  37  (36,  13)  ist  der  baro  de  minoflidis  nur  der 
femina  minoßidus  entgegengesetzt. 

d)  dagegen  lässt  sich  baro  in  tit.  98  (80,  5  ff)  kaum  anders 
fassen  als  in  der  Urkunde  bei  Wartmann  nr  7  a.  741,  wo  eine 
frau  namens  Beata  unter  anderem  mancipios  tres  et  parones  quat- 
tuor,  die  zu  Lützelau  gehörten,  verschenkt,  hier  sind  die  parones 
deutlich  halbfreie,  mehr  als  die  mancipia,  weniger  als  die  ingenui. 
an  der  angeführten  stelle  der  lex  Alam.  wird  gleichfalls  der  baro 
vom  servus  unterschieden  und  er  steht,  wie  der  Zusammenhang 
ergibt,  mit  der  lesa  (d.  i.  leza  =  Idza  aus  Uta)  auf  gleicher  linie. 


22  SAGIBARO 

in  der  Lantfridana  finden  sich  die  worle  unverändert  wider  (116, 
6(1);  eine  hs.  hat  hier  punis  d.  i.  parus.  auffällig  bleibt,  dass 
in  der  lex  dieses  wort  in  zwei  so  verschiedeneu  bedeutungen 
verwendet  wird,  ist  etwa  dieses  baro  halbfreier  gauz  von  jenem 
6flro  manu  zu  trennen  und  mildern  ha\r.  parscalc,  dessen  recht- 
liche Stellung  nach  der  durch  reiches  belegmaterial  gestützten 
darlegung  Merkels  zu  lex  Bajuvv.  MG  LL  ui  s.  359  der  des  alem. 
baro  sehr  ähnlich  gewesen  sein  muss,  zu  verbinden? 

Wie  dem  auch  sei,  das  wert  baro  bärus  vir,  homo  hat  im 
deutschen  seine  wurzel.  längst  hat  man  erkannt ,  dass  es  sich 
deckt  mit  dem  mhd.  bar,  welches  in  der  bedeutuug  mann  (bar 
söhn  ist  vielleicht  fernzuhalten  und  eher  mit  got.  baür  zu  ver- 
knüpfen) mehrfach  belegt  ist  (Mhd.  wb.  1,  142^  Lexer  1,  126. 
3,  42).  man  wird  die  genaue  Übereinstimmung  des  mhd.  wertes 
mit  jenem  alten  ausdruck  der  gesetze  nicht  für  zufällig  halten 
wollen,  den  gedanken  einer  entlehnung  aus  dem  lateinisch-ro- 
manischen muss  man  definitiv  fallen  lassen,  wenn  gezeigt  wird,  dass 
dieses  mhd.  bar  mit  einer  reihe  von  unbestreitbar  germanischen 
Worten  ganz  nahe  verwandt  ist.  im  ahd.  zunächst  liegt  ein  ad- 
jectiv  par  'aufgerichtet'  vor  in  der  glosse  paremo  erecto  Gll.  1, 
503,  8  (in  zwei  hss.).  dieses  wort  hat  eine  uebenform  mit  rr, 
welche  aao.  eine  andere  hs.  gewährt  (parremo  Vindob.  2732). 
die  doppelform  kehrt  wider  in  dem  abgeleiteten  verbum  paren 
parren  Graff  3,  155;  mit  einfachem  r  ist  dieses  belegt  Gll.  1,  503, 
7.  595,  33.  dem  ahd.  bar  'aufgerichtet,  starr'  entspricht  genau 
das  ahn.  adjectiv  barr  strenuus  acer  vehemens,  welches  bei  Egils- 
son  38  mehrfach  nachgewiesen  ist.  der  stamm  des  nordischen 
Wortes  scheint  barra-  zu  sein;  enn  mödbarri  tynir  Egilss.  582  und 
der  eigenname  5arn  weisen  auf  doppel-r  hin.  was  der  doppel- 
consonanz  zu  gründe  liegt,  ist  nicht  klar;  doch  steht,  so  viel  ich 
sehe,  der  annähme  einer  anglerchung  aus  Hanta-  nichts  im  wege 
(vgl.  ferro,  sterro,  uuerra  krampfader  neben  uuerna).  durch  die 
parallelformen  bara-  barra-  erhalten  wir  nun  auch  eine  erklärung 
für  unsere  Variante  -barro  und  man  wird  zugeben,  dass  diese 
Übereinstimmung  in  dem  schwanken  zwischen  r  und  rr  die  richtig- 
keit  unserer  herleitung  bestätigt,  es  bleiben  noch  die  formen 
-boro  -borro  aufzuhellen,  ich  halte  das  lautpar  a:o  in  diesem 
Worte  für  uralt  und  erkläre  den  ablaut  in  Verbindung  mit  der 
doppelgestalt  des  consonantismus   aus  einer  uralten  flexion  bdro 


SAGIBARO  23 

*brn6s  ==  *bornös,  *borrös.  iu  einer  dritten  ablautsstul'e  zeigt 
sich  dieser  stanimabslufende  »-stamm  in  dem  westgermanischen 
Worte  bern  held,  fürst  (ags.  beorn,  ahd.  Pern-heri,  Umg-bern, 
Gund-bern,  Fridu-berti  usw.),  welches  sich  zu  baro  ähnlich  ver- 
hält wie  altn.  bjorn  bär  zu  ahd.  bero,  vgl.  auch  stern  zu  sterro. 
die  liefslufe  gewährt  noch  das  zu  derselben  wurzel  gehörige  ahd. 
bora-  sehr,  eigentlich  hoch,  in  Zusammensetzungen  wie  bora-lanc, 
während  alts.  baruuirdig  hochwürdig  die  höhere  stufe  aufweist, 
die  besprochenen  substantiva  dieser  sippe  gehen  von  der  grund- 
bedeutung  des  hervorrageus  über  andere  (zunächst  rein  körper- 
lich zu  denken)  über  in  den  begriff  des  sich  hervortuns  vor 
anderen,  vor  allem  natürlich  im  kämpfe,  und  sie  entwickeln  sich 
so  in  gerader  linie  zu  dem  sinne  von  Vorkämpfer,  held,  tapferer 
gefolgsmann.  fragt  man  nach  der  auswärtigen  Verwandtschaft, 
so  scheint  mir  die  bei  Fick  2,  166  zusammengestellte  gruppe,  zu 
welcher  gr.  qt^giegog  besser,  (pigiaioii  der  beste,  zd.  bairista 
hilfreichst  gehören,  am  nächsten  zu  liegen. 

Sagibaro  ist  demnach  ein  baro  (ein  königsdegen),  der  einem 
anderen,  höheren  folgt,  ihn  begleitet,  ihm  zur  hilfeleistung  zur 
Seite  steht.  eine  solche  benennung  würde  nicht  für  einen 
selbständigen,  nach  eigenem  willen  handelnden  beamten  passen, 
durch  die  analyse  des  Wortes  wird  also  die  Sohmsche  auffassung, 
wonach  die  sagibaronen  dem  grafen  coordiniert  sein  sollen,  als 
unhaltbar  erwiesen,  vielmehr  müssen  diese  beamten  eine  art 
Untergrafen  gewesen  sein,  hilfsbeamte  des  grafen,  die  in  kleineren 
bezirken  in  seinem  auftrage  tätig  waren,  eine  directe  bestätigung 
dafür,  dass  die  sagibaronen  nichts  weiter  als  eben  dieses  sind, 
gewährt  die  von  Sohm,  wie  mir  scheint,  nicht  genügend  gewür- 
digte alte  glosse  in  54,  1  cod.  1  Si  qiii  sacebarone  aut  obgra- 
fionem  occiderit  (denn  die  worte  aut  obgrafionem  sind  nur  ein- 
gefügt um  sacebarone  zu  erklären),  da  obgrafio,  wie  Kern  erkannt 
hat,  eben  untergraf  bedeutet. 

Es  sei  gestattet,  anhangsweise  dem  ausdrucke  graf  ein 
kurzes  wort  zu  widmen,  graf  bedeutet  nicht  so  sehr  schult- 
heifs,  als  Zahlmeister,  das  ags.  geroefa,  iu  jüngerer  gestalt  ^ere/a 
(refa  ohne  das  präfix  belegt  Schmid,  Gesetze  der  Angelsachsen^ 
s.  597';  groefa  ist  bei  Bosvvorth-Toller  430^  nachgewiesen)  würde 
in  gotischer  form  *gar6fja  lauten,  und  da  dieses  wort  unmittelbar 
zu   ahd.  röva  ruova  ruaba   zahl   gehört,   so   kann  es   als  nomen 


24  SAGIBARO 

agentis  zunächst  nichts  anderes  als  'zähler'  hedeutet  haben;  wie 
gut  dies  zu  der  ältesten  t'unction  dieser  beamten  stimmt,  leuchtet 
ein.  zu  dem  ags.  gerefa  stimmt  genau  das  altlV.  greva,  denn  auch 
in  dieser  spräche  stellt  sich  der  umlaut  von  6  als  e  dar.  die 
ahd.  form  grdvio  von  dem  anglofriesischen  worte  loszutrennen, 
wie  auch  Kluge  Etymolog,  wb."*  119  wider  tut,  halte  ich  für  ganz 
verfehlt,  da  für  ein  und  dasselbe  uralte  amt  nicht  zwei  durch 
und  durch  verschiedene  und  sich  doch  auch  wider  äufserlich  so 
ähnliche  termini  vorhanden  gewesen  sein  können,  allerdings  liegt 
dem  ahd.  worte  nicht  die  vorform  *gar6fjo,  sondern  ein  davon 
im  wurzelvocal  abweichendes  *garefjo  zu  gründe;  aber  man  weifs 
ja,  dass  dieser  ablaut  von  ö:e  durchaus  nicht  vereinzelt  dasteht, 
ferner  liegendes  bei  seite  lassend  erinnere  ich  nur  an  das  formen- 
par  ruowa,  rdwa  ruhe  und  an  die  uebenform  kildmo  frequenter 
Pa.  190,  23  (vgl.  auch  manldmi  menschhchkeit  N.  Bo.  102'')  zu 
-luomi  Graff  2,  212.  was  die  Verkürzung  des  präfixes  anlangt, 
so  lässt  sich,  glaube  ich,  erweisen,  dass  sie  vor  r  l  n  im  ahd. 
fast  mit  der  consequenz  eines  lautgesetzes  eingetreten  ist,  und 
zwar  nicht  erst  in  jüngerer  zeit,  wie  Braune  Ahd.  gramm.  s.  55 
meint,  sondern  im  gegenteil  in  der  periode  vor  dem  eintritt 
unserer  quellen ,  denn  eben  die  ältesten  denkmäler  gewähren  die 
interessantesten  beispiele.  es  würde  zu  weit  führen,  wenn  ich 
auf  diese  specialfrage  hier  eingehen  wollte,  hingewiesen  sei  noch 
auf  die  sachlich  interessante  glosse  kravio  odo  scnldheizzo  pro- 
curator  provisor  secularis  honoris  Gll.  2,  103,  20  sowie  auf  die 
bisher  ahd.  nur  aus  dem  Georgslied  bekannte  form  mit  gramma- 
tischem Wechsel  hurggrabo  praetor  Gll.  2,  77,  27;  grdho  verhält 
sich  zu  grdvo  wie  ruaba  zu  ruava. 

Leipzig,  16  juui  1888.  RUDOLF  KÖGEL. 


VOLUNDARKVlI^A. 

Volundarkvi|)a  v.  2  wird  die  Alvitr  als  Schwester  der  beiden 
vorher  erwähnten  schwanenmädchen  bezeichnet,  nach  v.  15  ist  die 
ihr  entsprechende  Hervor  nur  die  Schwester  der  Hlal3gu|)r-Svan- 
hvit  und  ihr  gemeinsamer  vater  Illojjver,  während  die  dritte  Wal- 
küre plrün  ausdrücklich  Rjärs  tochter  heifst. 

Diesen  Widerspruch  sucht  Ilildebrand  zu  beseitigen,   indem 


VOLÜNDARKVI^A  25 

er,  gestützt  auf  zwei  stellen,  wo  ein  gleicher  ausfall  des  r  vor  s 
slatlgefuüdeu  (Skirnisf.  39.  HHund.  ii  7),  peirra  einlach  als  einen 
Schreibfehler  für  peirrar  erklärt,  es  ist  indes  nicht  nur  an  sich 
wahrscheinlich,  dass  den  drei  brüdern  Egell-Slagfilir-Volundr  von 
alters  her  auch  eine  schwesierntrias  entsprochen  habe:  die  v.  15, 
welche  dem  allein  widerstreitet,  ist  in  mehrfacher  hinsieht  an- 
stöfsig. 

Zunächst  unterbricht  sie  als  einfacher  visuhelmingr  störend 
die  reihe  regelrechter  kvi|)uhättrstrophen.  sodann  hat  nur  sie 
allein  im  ganzen  liede  für  zwei  der  Walküren,  welche  sonst  stets 
Svanhvit  (v.  2. 5)  und  Alvitr  (v.  1.3.10)  heifsen,  die  namen 
HlaPgupr  und  Hervor,  endlich  gibt  sie  in  dem  zusammenhange, 
in  welchem  sie  überliefert  ist,  durchaus  keinen  sinn. 

Folgt  man  nämlich  der  handschrift,  so  bezieht  sich  das  Äd» 
der  V.  16  streng  genommen  auf  die  zuletzt  genannte  pirün  und 
nicht,  wie  der  sinn  erfordert,  auf  die  Hervor,  aber  selbst,  wenn 
man  dies  Grimm  einräumte  und  Wielands  frau  zurückkehrend 
sagen  liefse:  'mein  aus  dem  walde  kommender  mann  wird  sich 
schlecht  freuen',  was  der  einleitenden  prosa  widerstreitet  (vgl. 
ok  kvdmu  eigi  aptr),  so  kann  dieselbe  doch  unmöglich  an  dieser 
stelle  so  sprechen  und  noch  viel  weniger  Wieland  sie  so  redend 
einführen,  da  er  von  ihrer  rückkehr  nichts  weifs  (v.  10).  man 
müste  also  schon  mit  Grimm  und  späteren  an  eine  Umstellung 
nach  V.  3  denken,  wobei  indes  kaum  erklärt  werden  könnte,  wie 
die  Visa  von  dort  an  ihre  jetzige  stelle  geriet:  abgesehen  davon, 
dass  es,  wie  Bugge  (Edda  s.  166)  mit  recht  hervorhebt,  ein  recht 
müfsiges  sagenmotiv  wäre,  wenn  Alvitr  blofs  noch  einmal  erschiene, 
um  diese  rede  zu  halten,  und  dann  gleich  wider  entschwände, 
legt  man  aber  nach  ßugges  einlAichtender  ergänzung  die  v.  16 
der  königin  in  den  mund,  dann  schwebt  die  v.  15  erst  recht 
in  der  luft:  denn,  vom  dichter  gesprochen,  würde  die  walküren- 
genealogie  dort  den  Zusammenhang  in  der  sinnlosesten  weise 
unterbrechen ,  dass  aber  Wieland  am  schluss  einer  offenbar  doch 
erregten  Verteidigungsrede  gegenüber  dem  könige  diese  trockene 
notiz  sollte  angefügt  haben,  ist,  wie  schon  von  anderer  seite  her- 
vorgehoben (Germ.  17,  2),  eine  bare  Unmöglichkeit. 

Nach  dem  gesagten  gehört  die  v.  15  nicht  ursprünglich  zum 
liede.  sie  könnte  aus  einem  anderen  gedichle  genealogischen 
inhalts  stammen;  wahrscheinlicher  indessen  ist,  dass  sie  jemand 


26  VOLUNDARKVlt»A 

anhängte,  der  die  pirün  mit  einer  gleichnamigen  tochter  Kjärs 
(vgl.  Atlakv.  7)  verwechselte,  um  ausdrücklich  hervorzuheben,  dass 
sie  keine  Schwester  der  beiden  übrigen  sein  könne,  dass  er 
diese  dann  zu  löchtern  Hlo|)v6s,  des  auch  sonst  in  der  Edda 
wolbekannten  fränkischen  königs,  machte,  offenbar  im  hinblick 
auf  das  smman,  Myrkvip  igegnom  und  dröser  suprenar  der  ein- 
leituugsslrophe,  ist  nur  natürlich  (vgl.  Gul^rkv.  ii  25.  MüUenhoff 
Zs.  23,  167):  schon  die  allilteration  der  beiden  namen  Hlapgußr 
und  Hervor  zeigt  aber  die  bewuste  erfindung.  nach  tilgung  der 
Strophe,  deren  einschub  mit  ein  grund  für  den  Wegfall  der  von 
Bugge  nach  v.  30  glücklich  wider  ergänzten  worte  in  der  hs. 
gewesen  sein  mag,  schliefsen  sich  v.  14  und  16  passend  an 
einander. 

Nur  unter  dieser  Voraussetzung  erklärt  es  sich  genügend, 
warum  nur  zwei  der  walküren  doppelnamen  führen  ,  die  dritte, 
Olrün,  aber  durchweg  denselben  namen  trägt,  dass  aber  die  ein- 
leitende prosa  svanhvit  und  alvitr  den  beiden  anderen  namen 
anfänglich  als  epitheta  ornanlia  beigesellt,  während  sie  später 
dieselben  wie  im  gedieht  als  nomina  propria  gebraucht,  nicht, 
wie  Grundtvig  (Edda  s.  215  f)  annimmt,  in  folge  eines  misver- 
ständnisses,  sondern  weil  sie  auf  diese  weise  den  Widerspruch  im 
liede  beseitigen  wollte. 

Eine  ähnliche  vermittelung  sucht  nun  im  liede  selbst  offenbar 
die  v.  10,  welche  die  geliebte  Wielands  zwar  mit  dem  richtigen 
namen  Alvitr  nennt,  aber,  um  ihre  Identität  mit  der  v.  15  er- 
wähnten Hervor  festzustellen,  sie  gleichfalls  als  Hlot)v6s  tochter 
aufführt,  man  muss  dann  freilich  annehmen,  dass  auch  diese 
Strophe,  weil  sie  die  interpolation  voraussetzt,  nicht  ursprüng- 
lich zum  liede  gehört,  und  in  der  tat  führt  eine  andere  erwägung 
dazu,  dass  sie  als  schluss  eines  gröfseren  einschubes  anzusehen 
ist,  der  die  v.  6  — 10  umfasst. 

Jene  Strophen  sind  es  nämlich,  welche  die  rätselhafte  episode 
von  den  700  ringen  enthalten,  die  den  kritikern  von  jeher  anstofs 
erregt  hat.  sie  ist  zuletzt  eingehend  von  Detter  (Arkiv  for  nord. 
fil.  ni  309  —  319)  untersucht,  und  in  dem  6inen  puncte  ist  ihm 
unzweifelhaft  beizustimmen,  dass,  wenn  die  VolundarkviJ)a  in  der 
uns  vorliegenden  gestalt  aus  dem  geiste  6ines  dichters  heraus 
gedichtet  wäre,  dieser  bei  der  erzählung  von  der  wegnähme  des 
6inen  ringes,  bevor  die  übrigen  geraubt  werden,  nur  die  absieht 


VOLUNDARKVI^A  27 

gehabt  haben  kann,  einen  act  teuflischster  bosheit  des  köuigs  dar- 
zustellen: denn  nur  dann  ist  es  verständlich,  warum  Nil^ujir  bei 
seiner  unersättlichen  habsucht  nicht  gleich  sämmtliche  ringe  weg- 
nehmen lässt  (aao,  s,  313).  nun  kann  mau  weder  behaupten, 
dass  ein  lürst,  der  aus  reiner  bosheit  einen  mann,  der  ihm  nichts 
zu  leide  getan,  auf  die  niederträchtigste  weise  quält,  ein  sehr 
glückliches  sagenraotiv  wäre,  noch  dass  durch  die  ganze  episode 
der  gang  der  handlung  irgendwie  gefördert  wird,  vor  allem 
ist  es  aber  ganz  unmöglich,  dass  unter  den  ringen  schwanringe, 
dh.  ringe  welche  die  flugkraft  verleihen,  sollten  verstanden  sein. 

Nach  der  idee  des  dichters  nämlich  haben  die  walküren  ent- 
gegen dem  beliebt  der  einleitenden  prosa  (vdru  hjd ßeim  älptar- 
hamir  peirra)  keinerlei  schwanhemden ,  da  derselben  weder  bei 
ihrer  ankunft  noch  bei  ihrer  entweichung  erwähnuug  gelan 
wird  (s.  318).  es  bleiben  also  nur  zwei  möglichkeiten.  entweder 
die  mädchen  haben,  als  sie  ankamen,  ohne  weitere  hilfsmitlel 
ihre  vvalkürennatur  abgelegt  und  ebenso  widergewonnen  oder 
sie  haben  schwanriuge  besessen,  in  beiden  fällen  ist  es  ganz 
unverständlich,  weshalb  Wieland  noch  eine  solche  zahl  schwan- 
ringe für  die  Alvilr  verfertigt,  da  sie  dieselben  doch  gar  nicht 
nötig  hat.  dazu  kommt,  dass  die  in  v.  10  vermutete  rückkehr 
derselben  ganz  unbegreiflich  ist.  selbst  zugegeben,  dass  Sehnsucht 
das  motiv  ihres  widererscheinens  war  —  denn  sie  wüste  doch 
nicht,  dass  Wieland  für  sie  ringe  fertigte  (Detter  aao.  s.  313)  — , 
so  ist  nicht  abzusehen ,  warum  sie  gerade  mit  dem  einen  ringe 
verschwindet,  da  sie  einen  schwanring  gar  nicht  brauchte,  wenn 
sie  ihn  aber  etwa  aus  habsucht  genommen  hätte,  doch  schwer- 
lich ohne  die  übrigen  699  entflogen  wäre,  noch  unwahrschein- 
licher ist  es,  dass  der  ring  dem  gelähmten  Wieland  zur  freiheit 
verhilft  (aao.  s.  3151).  da  Wieland  jeder  zeit  in  der  läge  ist, 
schwanringe  zu  verfertigen  und  mit  ihrer  hilfe  zu  entfliegen  (v.  5), 
so  kann  die  bedeutung  des  von  Bo})vildr  zerbrochenen  ringes 
nur  die  sein,  dass  er  dem  Wieland  gelegeuheit  gibt,  die  königs- 
tochter  in  seine  gewalt  zu  bringen,  sein  warten  auf  dem  holm 
hat  nur  den  zweck ,  den  zweiten  grässlichen  racheact  zu  verüben. 

Sieht  man  von  den  genannten  vv.  6 — 10  ab,  so  verschwinden 
alle  Widersprüche,  und  zugleich  wird  klar,  wie  jemand  dazu 
kommen  konnte,  die  seltsame  episode  zu  ersinnen,  dann  ist 
nämlich  baugr   einfach   ein   besonders   kostbarer  ring,    den  ent- 


28  VOLUNDARKVlfA 

weder  Volundr  der  geliebten  bei  ihrer  Vermählung  gab  oder  auch 
uingekehrl  von  dieser  als  verlobungsring  empfieng  —  beides  kann 
Bopvildar  bangr  (v.  17)  bedeuten,  der  interpolator  aber,  welchem 
der  Zusatz  entstammt,  hat  anstofs  daran  genommen,  dass  in 
V.  17  und  26  fr  nur  von  6inem  ringe  die  rede  ist,  während  in 
V.  18  V)lundr  klagt:  'nun  trägt  Bp|)vildr  meiner  gemahlin  rote 
ringe';  er  wollte  den  einen  ring  auch  schon  im  ersten  teile  ge- 
bürend  hervorheben  und  liefs  ihn  daher  vor  allen  übrigen  rauben, 
dass  indes  der  Widerspruch,  welchen  er  zu  beseitigen  strebte, 
nur  ein  scheinbarer  ist,  hat  Bugge  (Edda  s.  166.  249  f)  über- 
zeugend erwiesen. 

Die  genannten  visur  erwecken  nun  auch  sonst  bedenken, 
nicht  weniger  als  4 mal  innerhalb  7  Strophen  würde  sich,  wären 
sie  echt,  der  anfang  sat  widerholen  (v.  5.  6.  10.  11).  v.  6,  3  f 
würde  sich  nach  v.  5,  1  f  sehr  schwerfällig  machen,  v.  9  ist  un- 
vollständig überliefert,  v.  8, 5  f  widerholt  und  erweitert  die  v.  4, 1  f, 
V.  7,  3  f  ist  nach  v.  16,  1  f.  30,  1  f  gebildet:  der  zweite  helmingr 
von  V.  6  aber  kennzeichnet  sich  schon  durch  sein  singuläres 
versmafs  (nöttom  föro  segger,  negldar  vöro  brynjor,  skilder  bliko 
peirra  vip  enn  skarpa  mdna)  als  nicht  hierher  gehörig,  bemerkens- 
wert ist  aufserdem,  dass  Wieland  zwar  auch  elbenfürst  heifst,  aber 
nicht  mit  der  im  Hede  sonst  üblichen  epischen  bezeichnung:  vise 
älfa  (v.  13.  32),  sondern  dlfa  Ijöpe  (v.  10).  einiger  mafsen  eigen- 
tümlich ist  es  auch,  dass  des  königs  mannen  zur  mchizeh  (nöt- 
tom v.  6)  kommen,  wo  sie  doch  gewärtigen  musten,  Wieland  zu 
treffen,  was  das  erste  mal  nicht  ihre  absieht  sein  konnte  (vgl. 
s.  27). 

Ich  glaube  daher,  dass  der  einschub  mit  den  wol  ursprüng- 
lich einfach  prosaischen  vvorten :  pat  spyrr  Nipupr  usw.,  die  der 
V.  5  entlehnt  sind ,  beginnt  und  mit  der  schon  s.  26  ausgeschie- 
denen v.  10  endigt:  denn  v.  11  nimmt  im  eingang  das  etm  einn 
Volundr  sat  i  Ülfdolom  der  v.  5  wider  auf  und  schliefst  sich 
durchaus  passend  an  dieselbe  an.  die  Interpolation  aber  würkte 
auf  die  letzte  langzeile  der  v.  5  zerstörend  ein.  dass  die  sie  jetzt 
vertretenden  beiden  langzeilen  (7 — 10)  ein  ganz  elendes  machwerk 
sind,  ist  längst  erkannt  (Germ.  17,4):  schon  dass  sie  in  einander 
übergreifen,  ist  bedenklich,  und  das  stümperhafte  ef  hönom  koma 
gerpe  hat  v.  10,8  v^re  hon  aptr  kamen  offenbar  verschuldet. 

Im  übrigen  ist  der  einschub  vermutlich  in  der  jetzigen  reihen- 


VpLUNDARKVlfA  29 

folge  geschehen ;  nur  v.  9,  welche  ein  sonst  ganz  gemütliches  genre- 
biidchen  entrollt,  ist  wol  durch  'das  berfjaH'  (v,  10,  1)  erst  ver- 
anlasst, die  neigung  zu  Wortspielen,  die  wir  im  echten  bestände 
des  liedes  finden  werden,  ist  aber  nachahmungsweise  in  törichte 
Spielerei  ausgeartet  (vgl.  v,  8,  1  — 4). 

Nach  tilguug  der  erwähnten  Zusätze  macht  nun  das  lied  den 
eindruck  eines  zum  mindesten  einheitlich  redigierten  ganzen, 
und  den  überlieferten  text  als  zusammenhangslose  fragmeute  älterer 
lieder  aufzufassen  liegt  kein  grund  vor  (Germ.  17,  1).  die  ver- 
bindende prosa  vor  v.  17  und  18  ersetzt  nur  scheinbare  lücken 
in  der  handln ng.  die  wegnähme  des  Schwertes  und  des  ringes, 
die  durchschneidung  der  fufssehnen,  endlich  die  gefangensetzung 
auf  SevarsloJ)  sind  durch  die  beiden  Strophen  17  und  18  im  munde 
der  königin  und  Wielands  genügend,  und  zwar  ergreifender  und 
würksamer  geschildert,  als  es  einfache  erzählung  tun  könnte, 
ebenso  ist ,  dass  Bojjvildr  reuig  vor  ihren  vater  getreten  sei ,  ge- 
nugsam aus  dessen  befehl  (v.  39)  zu  schliefsen,  und  die  Grundt- 
vigsche  ergänzung  dort  nicht  am  plalze  (s.  218). 

Für  die  autorschaft  6ines  dichters  spricht  aufserdem  die  im 
ganzen  liede  einheitliche  form  des  metrums  und  des  Stiles. 

Das  lied  ist  in  einer  altertümlichen  form  des  kvijjuhättr  ge- 
dichtet und  abgesehen  von  kleineren,  meist  schon  erfolgten  be- 
richtigungen ,  welche  fehlende  oder  überschüssige  langzeilen  be- 
treffen i,  finden  sich  nur  drei  unvollständige  helmingar,  nämlich 
v.  19.  32.  38,  und  eine  ganz  überfüllte  Strophe:  die  visa  33.  nun 
ist  es  gewis  kein  zufall,  dass  die  der  v.  19  voraufgehende  visa  ihren 
zweiten  helmingr  ohne  schaden  für  den  Zusammenhang  einbüfsen 
könnte;  die  beiden  Zeilen:  sä  er  mer  frdnn  m'ker  e.  fjarre  bo- 
renn  und  sekkak  pann  Volunde  tu  smipjo  borenn  widerholen  nur 

'  richtig  getilgt  sind  von  Grundtvig  bereits:  3,  5f.  17,  5f.  18,  5  f.  29,  9f. 
37,  7  f.  dazu  möchte  ich  in  v.  4  z,  5  f  streichen ,  die  für  den  sinn  völlig 
entbehrlich  sind,  und  v.  13, 1  f  (vgl.  v.  12.  17.  18.  22.  27.  31.  33.  37.  39.  41,  wo 
der  sprechende  überall  zu  erraten  ist  aus  der  Strophe  selbst),  v.  39,  3  — 6 
sind  (s.  0.)  zusammenzuziehen  in:  biß  fagrvarep  vip  fgJ)or  r»pa;  v.  5, 
7 — 10  (vgl.  s.  28)  mit  Grundtvig  in  beij)  pajjan  bjartrar  brüpar  kvdmo. 
v.  16,  1  ist  schon  von  Bugge  (vgl.  s.  26)  richtig  ergänzt,  v.  26,  3f  wird 
etwa  gelautet  haben:  Jjeim  er  Alvitr  unga  haffie.  nimmt  man  mit  Grimm 
keinen  ausfall  an,  so  ist  auch  v.  2,  3f  mit  Grundtvig  (s.  217)  zu  streichen, 
dagegen  ist  als  abschluss  des  ganzen  das  parallele  pathetische  zeilenpar 
(7  ff)  in  V.  41  wol  zu  dulden. 


30  VOLUNDARKVll'A 

den  gedanken  der  vier  ersten  Zeilen,  und  zwar  können  sie  schon 
wegen  des  doppelten  boretm  kaum  je  zusammengedichtet  sein: 
es  werden  einfach  die  Varianten  einer  und  derselben  erklärung 
eines  Schreibers  sein ,  die  dann  übrigens  zu  jener  eigentümlichen 
Verderbnis  in  v.  19  führten,  welche  aufgedeckt  zu  haben  Detters 
verdienst  ist  (aao.  s.  314).  v.  18  und  19  sind  daher  zu  schreiben: 
Leikr  Nipape  sverp  d  linda 

pat's  ek  hvesta  sem  hagast  kutma: 

nü  berr  Bppvüdr  brnpar  minnar 

—  bip  ek  pess  bot  —  bauga  raupa. 

ebenso  werden  in  v.  37  die  überflüssigen  Zeilen  5  f.  9  f  zu  tilgen 
sein,  zumal  sie,  wie  Detter  (aao.  s.  319)  bemerkte,  ein  motiv 
andeuten,  das  ganz  aus  dem  rahmen  unserer  erzählung  fällt, 
wodurch  v.  38  entsprechend  der  ihr  parallelen  v.  29,  1 — 4  zweiter 
helmingr  (zu  v.  37)  wird,  endlich  dass  die  v,  33  erweitert  ist, 
hat  bereits  Hildebrand  behauptet:  die  häufung  paralleler  Zeilen, 
welche  schon  zu  den  s.  29  genannten  Zusätzen  führte,  ist  hier 
ins  übermafs  gesteigert  (vgl.  z.  3  f  und  5  f .  7  f  und  9  f.  1 1  f  und 
13f):  eipa  skaltu  mer  äpr  alla  vinna,  at  pü  kveljat  kvdn  Vo- 
lundar  wird  der  ursprüngliche  bestand  sein,  der  dann  auch  mit 
V.  32  eine  Strophe  bildet. 

Im  Stil  zeigen  sich,  abgesehen  von  bestimmten  formelhaften 
Wendungen,  die  durch  das  ganze  lied  widerkehren ',  und  der  in 
echt  epischer  weise  zweimal  ganz  gleichartigen  erzählung  von 
Wielands  erster  rachelat  (v.  24,  1—25,8  und  v.  34,  5  —  36,  5 
vgl.  auch  21,  1 — 4  und  23,  5—8),  zwei  gleichklänge,  die,  wenn 
das  lied  nicht  einheitlich  wäre,  sehr  sonderbar  erschienen,  v.  l,5f 
heifst  es  von  den  walküren:  p^r  d  s^'varstrond  settosk  at  hvilask, 
V.  30,  5  f  vom  befreiten  Wieland :  enn  kann  d  salgarp  settesk  at 
hvilask;  v.  11,  3  f  wird  erzählt:  (Volundr)  vaknape  vüjalaiiss, 
in  V.  31,  1  f  sagt  der  könig'  von  sich:  vake'k  dvalt  viljalauss 
(vgl.  Bugge  s.  169).  dem  ganzen  liede  sind  ferner  merkwürdige 
zum  teil  unerklärliche  a/ra^  leyö/ASva  eigen,  so:  gimfdstan 
(R.  5,  4);  lind  bauga  (R.  5,  6);  besti  byr  sima  (R.  12,  3);  fen 
fjotors  (R.  24,  3;  34,  7);  ivip  gjarnra  (R.  28,  8);  fitjom  (R.  29,  2).2 

1  ^Ivär  unga  »rlpg  drygja  1,  3  f.  3,  9  f ;  Nipupr  Niara  dröttenn 
13,  1.  30,7;  liön  inn  um  gekk  endlangan  sal  16,  3  f.  30,  3  f;  visc  älfa 
13,  4.  32,  2;  kunneg  kvdn  Nipapar  30,  If.  16,  1  f,  vgl.  25,  3  f.  35,  7  f;  hle- 
jande  Volundr  höfsk  at  lopte  29,  5  f.  38,  1  f. 

2  über  ogorstund  und  vita  (v.  37.  41)  vgl.  Zs.  31,  250.  273. 


VpLUNDARRVlH  31 

auch  barne  auken  in  der  bedeutung  'gravida'  findet  sich  nur 
hier  und  nauper  in  der  bedeulung  fjotrar  nur  noch  einmal 
(Sigrdr.  1).  endlich  ist  durchweg  eine  neigung  zu  Wortspielen 
und  pointierten  gegenüherstellungen  unverkennbar,  aufser  dem 
gegensalz,  auf  den  schon  Grimm  wies,  hle'jande-grdtaiide-ökdtr 
(29.  38)  beachte  mau  v.  31,  5  f :  kell  mik  i  hofop,  kold  ero  mer 
rdp  pin.  in  bip  ek  pess  bot  (v.  19)  liegt  der  doppelsinn:  'ich  er- 
lange dafür  räche'  (vgl.  Grog.  4  und  Fjolsvm.  48)  und  'ich  werde 
seinen  dh.  des  ringes  schaden  reparieren'  (vgl.  Egilsson  56)  mit 
anspielung  auf  belta  (v.  27).  die  königin  hatte,  die  Bojjvild  er- 
wähnend, gesagt:  dmon  ero  augo  orme  peim  enom  frdna  und 
tenn  hunum  teygjask  (v.  17):  aus  den  'äugen'  und  'zahnen'  der 
knaben  bestehen  die  für  die  königin  und  Bojjvild  gefertigten  ge- 
schenke  (v.  25).  endlich,  wenn  durch  fjqtorr,  das  sonst  mit 
ausnähme  einer  stelle  (Sigrdr.  15)  nur  'fessel'  bedeutet,  in 
V.  24.  34  nach  Egilssons  erklärung  ein  teil  des  blasebalges  be- 
zeichnet wird,  so  enthält  dieser  ausdruck  wider  eine  boshafte 
anspielung  auf  v.  11.  wie  seine  füfse  mit  dem  fjotorr  umgeben 
gewesen  (fjotor  um  spentaji),  so  lägen  jetzt  der  knaben  füfse  unter 
dem  sumpf  des  fjotorr J 

Endlich  zeigt  die  erzählung  nirgends  Widersprüche,  die  an 
der  autorschaft  6ines  dichters  zweifei  aufkommen  lassen  könnten. 

Wieland  mit  seinen  zwei  brüdern  gewinnen  drei  schwanen- 
mädchen.  acht  jähre  bleiben  dieselben  bei  den  männern,  denen 
sie  sich  verlobt  haben,  dann  entfliegen  sie.2  da  kommen  die 
wetteräugigen  schützen  vom  waidwerk. 3  Egell  und  Slagfipr  ziehen 
aus,  um  die  geliebten  zu  finden,  VVieland  aber  bleibt  zurück  in 
'Wolfstalen',   schmiedet    nach    seiner   gewohnheit  kostbare  ringe, 

'  fen  fjotors  könnte  auch  appellativiscti  einen  grofsen  sumpf  bedeuten 
(Fjotorfen  wie  Fjqtorlundr  HHund.  ii  30). 

2  Grimm  ergänzte  bekanntlich  vor  v.  2  einen  helmingr,  welcher  den  raub 
der  schwanenhemden  darstellte:  dann  gienge  die  vi'sa  nur  bis  Ijosom  und 
der  rest  mit  einer  ebenfalls  von  Grimm  ergänzten  langzeile  bildete  v.  3. 
Grundtvig  dagegen  hob  mit  recht  hervor  (s.  217),  dass,  wenn  die  wegnähme 
der  schwanenhemden  geschildert  wäre,  auch  die  widergewinnung  derselben 
nicht  hätte  übergangen  werden  können:  daher  strich  er  (s.  29)  einfach  v.  2, 3f, 
und  ihm  schliefse  ich  mich  an:  die  art,  wie  die  schwanenmädchen  in  die 
gewalt  der  beiden  kamen ,  konnte  der  dichter  als  bekannt  voraussetzen 
(Helr.  Br.  6). 

3  Kom  par  af  veifje  vepreygr  skyte  fasse  ich  collect! visch  vgl. 
gongom  baug  sjd  (v.  23,4). 


32  VOLUNDARKVIH 

die  er  sorgPältig  verwahrt',  und  harrt  der  widerkunft  seioer 
braut,  so  schläft  er  ein.  erwacht  fühlt  er  sich  gefesselt^  und 
wird  von  künig  Nil)ul3r  zur  rede  gestellt,  dass  er  sein  gold  zuai 
schmieden  verwandt  habe,  trotz  seiner  Verteidigung  wird  er  auf 
anstiften  der  königin,  nachdem  ihm  sein  schwert  und  seine  ringe, 
deren  kostbarsten  des  königs  tochter  erhält,  genommen  sind,  auf 
einem  holm  SevarstoJ)  gefangen  gesetzt,  wo  er  für  den  könig 
koslbarkeiten  schmiedet,  die  beiden  knaben  des  königs  kommen 
seine  schätze  zu  sehen.  VVieland  fordert  sie  auf,  am  nächsten 
tage  wider  zu  kommen,  indem  er  ihnen  das  gold  verspricht,  doch 
niemand  etwas  davon  zu  sagen,  während  sie  in  die  truhen 
schauen ,  schneidet  er  ihnen  das  haupt  ah.  aus  ihren  hirnschalen, 
äugen  und  zahnen  verfertigt  er  nun  kostbare  geschenke  für  die 
königsfamilie.  inzwischen  hat  ßo|)vildr  den  ihr  vom  könig  ge- 
schenkten ring  zerbrochen  und  bringt  ihn  Wieland  zur  reparatur.^ 
dieser  listig  verspricht  ihn  wider  ganz  zu  machen,  setzt  der 
königslochter  hier  vor  und  überwältigt  die  trunkene,  die  im  sessel 
einschläft,  'nun',  ruft  er  frohlockend  aus,  'habe  ich  geahndet 
wol  meine  kränkungen  alle  aufser  einer  auf  boshafte  weise' 1*  er 
wird  vermöge  seiner  elbischen  Zauberkraft  zum  vogel.^     lachend 

•  vip  gim.  fastan=  ad  gemmam  fixani.  lukpe  zu  erklären:  'er  reihte 
sie  am  hast  auf  (Lüning  594)  oder  er  'schmiedete  sie  gut  zusammen'  (Egs. 
s.  539)  ist  sehr  künstlich,     über  Undbatiga  siehe  Bugge  s.  164. 

2  besli  byr  shna  ist  jedesfails  verderbt  und  trotz  allen  erklärungs- 
versuchen  ein  ungelöstes  rätsei :  es  scheint  aber  wie  lukpe  schon  vom  inter- 
polator  misverstanden  und  veranlasste  die  Schilderung  v.  7,  5 — 8. 

^  dass  die  königslochter,  ehe  sie  vater  und  mutter  zu  gestehen  wagt, 
dass  sie  den  kostbaren  ring  zerbrochen,  den  einzigen,  der  in  der  sache  com- 
petent  ist,  bittet,  ihn  wider  zu  reparieren,  ist  doch  nur  natürlich,  und  der 
dichter  braucht  dem  ringe  aufser  seiner  koslbarkeit  keine  andere  bedeutung 
beigemessen  zu  haben,  dass  er  die  kraft  besessen  haben  soll ,  schätze  zu 
erzeugen ,  ist  eine  einfache  erfindung  (Germ.  14,  295). 

*  der  Überlieferle  gen.  pl.  ivi^gjarnra ,  welcher  mit  einna  verbunden 
werden  müste,  gibt  keinen  sinn,  da  ivipgjarnr  'auf  bosheit  sinnend'  doch 
nicht  vom  hamii'  gesagt  werden  kann,  aufserdem  dem  allra  harma  (z.  6f) 
gegenüber  in  z.  7  nur  eine  kränkung  erwartet  wird,  ich  vermute  daher, 
dass  etwa  zu  schreiben  ist:  nü  liefe  ek  hefnt  harma  minna  7iema  eins 
allra  ivipgjarnla  (für  wipgjaimliga  vgl.  prägjarnliga  Gujjrkv.  ii  17.  31): 
der  lückische  elbe  freut  sich  seiner  eigenen  bosheit. 

5  verfta  d  fitj'om  ist  nag'  vnöpoiay  (vgl.  Zs.  31,  278)  gesagt  für  verpa 
(i  fölom  =  komask  d  fdtr  (Egs.  173),  und  dem  entsprechend  heifst  ^em 
7mk  iMiPaßar  ndmo  rekkar  (die  füfse,)  welche  [dh.  deren  gebrauch]  mir 
Nitut)rs   mannen   raubten:    die  Schwimmhäute  (filj'ar)  deuten  die  sich  voll- 


VOLUNDARKVlI^A  33 

erhebt  er  sich  iu  die  luit;  vveiuenil  verlässt  die  küuigstochter  die 
insel.  er  fliegt  auf  des  saales  sims ,  um  sich  vom  könig  höhnisch 
zu  verabschieden,  dieser,  von  der  köaigiu  geweckt,  macht  ihr  vor- 
würfe wegen  ihrer  bösen  rate  und  wünscht  mit  VViehind  zu 
sprechen.  der  elbe  verlangt  erst  einen  eid ,  dass  der  könig 
seine  buhlerin,  die  er  spottend  sein  weih  nennt  (v.  33),  nicht 
löten  wolle,  dann  verkündet  er  ihm,  was  er  getan,  'nie  wünscht 
ich  dich ,  Wieland ,  härter  zu  strafen'  (v.  37  vgl.  s.  30)  ruft  der 
könig  in  unnennbarem  schmerz.  dieser  aber  entfliegt,  der 
könig  lässt  Bolivild  vor  sich  kommen,  welche  ihre  schmach  ge- 
steht: 'ich  konnte  ihm  nicht  widerstehen,  ich  vermochte  ihm 
nicht  zu  widerstehen.'  mit  dieser  rührenden  klage  schliefst  das 
lied  stimmungsvoll  ab. 

Wir  haben  nach  dem  gesagten  die  Vplundarkvijja  als  ein 
vollständig  erhaltenes  gedieht  zu  betrachten:  dass  sie  aber  von 
keinem  unbedeutenden  dichter  heirührt,  ist  schon  aus  unserer 
bisherigen  betrachtung  klar,  mit  recht  hat  man  sie  sowol  wegen 
des  schlichten  epischen  Stiles  (Jessen  Zs,  f.  d.  phil.  m  44)  als 
der  freien  metrischen  form,  die  zur  einflechtung  jener  eigen- 
tümlichen sechssilbler  (s.  28)  führte  (Hoö'ory  GGA  1885  s.  32, 
1888  s.  160),  als  eins  der  ältesten  heder,  vielleicht  das  älteste 
der  ganzen  Sammlung  erklärt. 

Trotzdem  nimmt  Vigfüsson  (Corp.  poet.  bor.  s.  xxvii)  an, 
ziehende  verwandelung  Wielands  zum  schwan  an.  schwieriger  sind  die 
Worte  vel  ek  in  z.  1,  die  natürlich  nicht  enge,  eugepae  (Gr.  iv  763)  bedeuten 
können,  mit  leichter  änderung  könnte  man  vel  oder  velo  kvap  Folundr 
lesen  :  'durch  trug  möge  ich  werden'  usw.  der  dat.  sing,  stände  dann  ad- 
verbial wie  sonst  vip  velar  (ähnlich  der  blofse  daliv  magni  (vi)  für  afmagni 
Egilss.  542).  zu  der  Streichung  des  ek  vgl.  31,2,  wo  cod.  R  vilja  ek  laus 
überliefert,  aber  wol  sicher  mit  RKeyser  viljalauss  zu  schreiben  ist  (s.  30). 
unsere  erklärung:  'durch  kunst  oder  list  möge  ich  zum  vogel  werden'  ent- 
spricht aber  völlig  dem  Zusammenhang:  dass  nämlich  lediglich  die  ethische 
Zauberkraft  Wielands  seine  verwandelung  bewürkt,  und  dass  keineswegs, 
wie  Lüning  (s.  303)  annimmt,  der  dichter  der  Verfertigung  der  flöget  als 
eines  allbekannten  umstandes  blofs  keine  erwähnuog  getan  habe,  ist  nicht 
ZU  bezweifeln:  die  erzählung  von  der  Verfertigung  des  federhemdes  (f'ijjrekss. 
c.  77)  verrät  schon  ebenso  wie  eine  westfälische  sage  (Kuhn  nr  57),  wie 
Bugge  mit  recht  annimmt  (Stud.  1,  23)  griechischen  einfluss,  und  es  ist  nicht 
zulässig,  daraus  auf  eine  Verwandtschaft  des  Wieland  mitDaidalos  zu  schliefsen 
(Kuhn  Zs.  f.  Vgl.  sprachf.  4,  95).  in  dem  niedersächsischen  liede  (vgl.  s.  37) 
könnte  dann  ve/-^e7mi  noch  ein  Wortspiel  abgegeben  haben  nach  analogie 
der  s.  31  genannten. 

Z.  F.  D.  A.    XXXllI.    N.  F.    XXI.  3 


34  VOLUNDARRVlfA 

c 

dass  es  ein  von  einem  liebhaber  der  balladenpoesie  überarbeitetes 
älteres  gedieht  sei,  und  Jessen  glaubt  ebenfalls  den  ton  eines 
älteren  liedes  durch  das  überlieferte  gedieht  hindurchklingen  zu 
hören  (aao.  s.  44):  dass,  wie  er  hervorhebt,  zb.  v.  1  an  poeti- 
scher Schönheit  die  folgenden  überragt,  wird  man  ihm  auch  gewis 
zugestehen  müssen,  würde  sich  bestätigen,  dass  der  dichter  unserer 
VolundarkviJ)a  älteres  poetisches  material  verwertete  und  sei  es  eins 
sei  es  mehrere  antike  lieder  benutzte,  dann  würde  aber  seine 
kunst  ebenso  zu  bewundern  sein  wie  die  der  dichter  der  Skiruisfor 
(Zs.  30,  149fT)  und  des  Härbarl)sliedes  (Zs.  31,  238 ff),  die  eben- 
falls aus  alten  liedern  neue  kunstwerke  formten,  die  frage,  ob 
ältere  lieder  verwendet  sind,  könnte  daher,  wenn  sie  zugegeben 
wird,  noch  licht  über  die  'erfindungsgabe'  und  'technik'  des 
dichlers  verbreiten,  sie  kann  aber  lediglich  aus  der  methodischen 
prüfung  der  übrigen  Versionen  der  sage  beantwortet  werden. 

Nun  haben  bekanntlich  Rieger  (Germ.  3, 176)  und  nach  ihm 
KMeyer  (Germ.  14,  295)  die  identität  des  *wetteräugigen  schützen' 
(v.  4)  und  des  'elbenfürsten'  (v.  13)  auf  das  entschiedenste  geläugnet 
und  gemeint  dass  nur  eine  zufällige  namensgleichheit  der  beiden 
Vplundr  zur  Verknüpfung  zweier  ganz  verschiedener  sagen  geführt 
habe,  dagegen  ist  von  vorn  herein  zu  bemerken,  dass  in  v.  17  auch 
der  elbenfürst  —  denn  nur  dieser  kann  in  der  Bojjvildepisode  ge- 
meint sein  —  mit  einem  attribut,  das  sonst  dem  jungen  beiden 
eignet  und  an  dem  dieser  in  der  Verkleidung  erkannt  wird,  ausge- 
stattet ist  (vgl.  v.  17,  1  f  mit  Rigs|j.34:  olol  vno  augo  sem  yrnilinge 
und  HHund  u  2.  4).  es  wäre  ferner  sehr  merkwürdig,  worüber 
Rieger  und  Meyer  leicht  hinweggehen,  dass  beide  sagen  zufällig 
auch  einen  zweiten  beiden  gleichen  namens,  nämlich  Egell,  den  ge- 
mahl  derOlrün,  müsten  besessen  haben,  da  dieser  in  unserem  liede 
nur  während  der  schwaneuepisode,  in  der  Pijjrekssaga  aber,  die 
von  dieser  nichts  weifs,  an  Niduiigs  hofe  vorkommt  (c.  75 fl).  aufser- 
dem  könnte  die  Verknüpfung  beider  sagen  schwerlich,  wie  sie  be- 
haupten, erst  im  norden  erfolgt  sein,  das  deutsche  lied  (Hagens 
Germ.  7,  96  ff),  welches  dem  eingange  der  V()lundarkvi}}a  ent- 
spricht, muss  sie  gekannt  haben:  denn  dass  der  name  Wialant 
zweimal  unabhängig  in  Volimdr  sollte  gewandelt  sein,  ist  nicht 
glaubhaft,  zumal  nur  bei  dem  elbeukönig  die  volkselymologische 
anlehnung  an  volr  (got.  valus,  vgl.  volva)  erklärlich  wäre,  hierzu 
kommt,    dass   dem   deutschen   gedichte   auch   die  Bopvildepisode 


VpLUNDARRVlfȀ  35 

nicht  ganz  unbekannt  gewesen  sein  kann;  denn  auch  dort  hat  Wie- 
land aufser  seiner  ehe  mit  der  der  Alvitr  entsprechenden  Angel- 
burg (aao.  s.  105)  ein  kebsenverhältnis  mit  der  zvvergenkönigin 
Jerome,  dem  eine  tochter  entspross,  und  der  aufenthalt  bei  dieser 
in  einem  berge  (s.  98)  erinnert  doch  deutlich  an  des  elben  Wie- 
land aufenthalt  bei  den  zwergen  im  berge  Kallova  (I*i|)rekss. 
c.  58  —  61).  auch  dass  endlich  Egell,  eine  im  norden  populäre 
sagenfigur,  beiden  sagen  gemeinsam  gewesen,  und  der  name 
Vplundr  in  der  schwanenepisode  einen  älteren  namen  verdrängt 
habe,  worauf  die  lesart  des  cod.  Reg.  in  v.  2  zu  deuten  scheint*, 
ist  unmöglich ,  da  der  held  im  deutschen  Hede  (s.  99)  zweimal 
ausdrücklich  Wielant  heifst.  und  ganz  hinfällig  ist  das  ethische 
bedenken,  das  Meyer  aao.  geltend  macht,  dass  nämlich  derselbe 
held,  der  v.  5  so  sehnsüchtig  nach  der  Alvitr  schmachtet,  in 
V,  28  nicht  sollte  einem  anderen  weihe  nachstellen  können,  es 
überträgt  eine  moderne  anschauung  in  eine  zeit,  der  dieselbe 
völlig  fremd  war.  Wieland  macht  lediglich  aus  räche  die  Bo|)vild 
zu  se\ücr  fr ipla  und  nennt  sie  v.  33  höhnend  sein  weib  (s.  33); 
die  kebsung  der  königstochter  könnte  aber  in  den  äugen  der 
Alvitr  ihrem  glauben  an  Wielands  liebe  gewis  keinen  abbruch  tun. 
so  weit  sich  KMeyer  endlich  auf  die  ringepisode  stützt  (s.  286  f), 
sind  seine  bedenken    schon  durch  das  s.  26  ff  gesagte  widerlegt. 

Die  möglichkeit,  dass  zwei  auch  dem  beiden  nach  ver- 
schiedene lieder  in  unserem  gedichte  verquickt  seien,  ist  dem- 
nach ausgeschlossen:  der  Wielaud  Alvitrs  und  Bojjvildrs  ist  die- 
selbe person. 

Es  ist  nun  zu  bedauern,  dass  das  älteste  und  beste  zeugnis 
der  Wielandssage  zugleich  das  kürzeste  ist,  nämlich  die  aus  Eng- 
land, wo  der  kunstfertige  schmied  im  volksgesang  überhaupt 
noch  eine  rolle  spielt  (Beöv.  455.  Grein  i  254.  ii  306  f),  stam- 
mende klage  des  Sängers  Deör  (Grein  i  249  f).  der  dichter  er- 
wähnte natürlich  nur,  was  ihm  für  seine  betrachtung  Verwertung 
bot,  und  dem  lyrischen  character  gemäfs  fehlt  jede  detailerzählung. 
so  viel  aber  lässt  sich  mit  sicherheil  behaupten,  dass  er  von  der 
Schwanepisode  schwerlich  etwas  gewust  hat,  denn  die  Schilderung 
des  von  der  geliebten  verlassenen  tief  trauernden  beiden  halte  er 

'  in  V.  2  heifst  es:  Alvitr  herzte  den  weifsen  hals  des  '^Onondi'.  der 
name  ist  auch  sonst  im  norden  wolbekaniit,  und  es  würde  dann  auch  wie 
Egell-Olrün,  SlagfiJ)r-Svanhvit  das  dritte  par    Onondr-Alvitr  allitterieren. 

3* 


36  VOLüNDARKVlH 

c 

sich  kaum  entgehen  lassen,  dass  er  sie  aber  nicht  erwähnt,  ist 
ganz  sicher,  denn  selbst  wenn  man  die  handschriftlich  un- 
zweifelhaft verderbte  lesart  bewurmmi  mit  Grein  in  be  winiman 
für  wifman  (mulieris  causa)  emendierl',  so  könnte  doch  auf  das 
walkürenabenteuer  nicht  angespielt  sein,  da  es  in  z.  1  ausdrück- 
lich heifst,  Wielaud  habe  'verbannung'  erduldet.  dieses  exil 
aber  muss,  wie  die  widerholuug  (z.  4)  zeigt,  auf  die  episode  an 
Nil^ujjrs  hofe  bezogen  werden. 

Man  wäre  versucht,  unter  der  'winterkalteu  verbannung' 
Wielands  die  gefangeusetzung  auf  dem  holm  Se'varstoJ)  zu  ver- 
stehen.^  indes  abgesehen  davon,  dass  für  seinen  aufenlhalt  auf 
der  insel ,  wo  ihn  der  könig  und  die  königskinder  besuchen, 
wräc  immerhin  ein  eigentümlicher  ausdruck  wäre,  so  sprechen 
die  übrigen  Zeugnisse  dafür,  dass  in  der  tat  der  gefangennähme 
Wielands  eine  verbannung  voraufgegangen  sei.  die  I*iJ)rekssaga 
(c.  70)  erzählt  nämlich,  dass  der  held,  weil  er  den  truchsess  des 
königs  erschlagen,  in  die  verbannung  habe  gehen  müssen,  aus 
der  er  sich  dann  wider  als  steikari  verkleidet  an  den  hof  des 
königs  geschlichen,  und  auch  in  der  verworrenen  erzählung  aus 
dem  anhange  zum  Deutschen  heldenbuche,  wo  berichtet  wird, 
er  wäre  von  zwei  riesen  vertrieben,  die  ihm  sein  land  abge- 
nommen ,  ist  die  Vorstellung  der  landesQüchligkeit  Wielands  un- 
verkennbar; die  'verbannung'  ist  also  der  Bopvildepisode  ursprüng- 
lich eigen. 

Aufser  diesem  einen  zuge,  den  das  ags.  lied  allein  bewahrt, 
stimmt  dasselbe  mit  dem  nordischen  in  allen  puncten  überein : 
die  fesselung  und  lähmung  Wielands,  seine  gefangensetzung,  die 
tötung  der  knaben  und  die  Überwältigung  der  Beadohild-BoJ)vildr 
sind  daher  unzweifelhaft  alte  bestandteile  der  sage,  zumal  sie 
sich  auch  in  der  jüngeren  Pil)rekssaga  (c.  72  ff)  finden,  aber  die 
Übereinstimmung  der  beiden  ältesten  quellen  erstreckt  sich  nicht 
blofs  auf  die  latsachen,  sondern  zum  teil  auch  auf  die  worte, 
sodass  FMagnüsson  schon  mit  vollem  rechte  eine  nahe  beziehung 
beider  lieder   vermutete    (Lex.    mylh.  855).3     nun   ist   eine   be- 

*  Jacob  Grimm  besserte:  be  wyrmum  (apud  vermes);  auch  be  wylfum 
(apud  lupas)  vgl.  Vlfdaler  wäre  denkbar. 

^  hüfde  Mm  to  gesiiite  sorge  and  longat,  wintercealde  wräce,  silt- 
ä'an  Mne  Niihäd  on  nede  legde  swoticre  seonobende ,  on  syllan  mon. 

3  vgl.Deör:  (Beadohild)  edcen  was  und  Volkv.  36:  barne  auken  (an. 
Xty.  vgl.  s.  31);  Deor:  siä^fan  hineMdhdd  on  nede  legde  und  Volkv.  11: 


VOLÜINDARKVI^A  37 

uulzung  der  voiiiegendeu  VolundarkviJ)a  durch  das  ags.  lied  wegen 
dessen  höheren  alters  ausgeschlossen,  die  Verwertung  eines  älteren 
nordischen  liedes  durch  dasselbe  ist  aber  wegen  der  namensform 
Weland,  welciie  auf  deutsche  quellen  zurückweist  (Grimm  HS^  21), 
sehr  unwahrscheinlich,  der  nordische  dichter  aber  hat  schwer- 
lich fiJr  seine  erzählung  den  kurzen  lyrischen  erguss  des  Angel- 
sachsen, der  jeder  detailschilderung  ermangelt  (vgl.  s.  35),  zur 
Voraussetzung,  so  bleibt  nur  die  möglichkeil,  dass  beide  gedichte 
auf  ein  älteres  deutsches  lied  zurückgehen:  die  Volundarkvi|)a  in 
ihrer  jetzigen  einheitlichen  Ibrm  (s.  33)  aber  gewis  nicht  un- 
mittelbar, da  sie  in  einem  hauptpuncte  differiert  (vgl.  s.  36).  der 
dichter  muss  also  ein  älteres  lied  benutzt  haben,  welches  wie 
das  ags.  von  der  Verbannung  erzählte'  und  wie  dieses  direct  auf 
das  deutsche  lied  zurückgieng. 

Dass  nun  dieses  nur  ein  niedersächsisches  gewesen  sein 
kann,  ist  schon  wegen  der  namensform  Weland  klar:  auf  das- 
selbe weist  indirect  auch  zurück  der  bericht  der  Piprekssaga, 
der  nach  mündlichen  erzählungen  niedersächsischer  männer,  sei 
es,  wie  die  sage  angibt,  in  Westfalen,  sei  es,  wie  man  neuer- 
dings annimmt,  im  norden  aufgezeichnet  ist.  vergleicht  man  nun 
diesen  mit  der  erzählung  der  beiden  älteren  quellen,  so  zeigt 
sich  sofort,  wie  wenig  verlässlich  die  angaben  dieser  jüngeren 
Version  der  sage  sind,  der  umstand,  dass  Wieland  nicht  gleich 
zur  tötung  der  knaben  schreitet  (vgl.  s.  32),  wird  auf  eine  sehr 
künstliche  weise  motiviert  (c.  79),  zur  erklärung  von  Wielands 
flucht  wird  die  abenteuerliche  erzählung  von  der  Verfertigung  der 
flügel  und  ihrer  probe  durch  seinen  jungen  bruder  Egell  er- 
sonnen (vgl.  s.  33),  welche  dann  weiter  die  eingestandener  mafsen 
hier  völlig  unsinnige  einflechlung  der  geschichte  vom  Tellschüsse 
(c.  75  —  77  vgl.  KMeyer  aao.  s.  297)  zur  folge  hatte,  endlich  die 
den  beiden  allen  berichten  gemeinsame  Vorstellung  von  BoJ)vildrs 
lief  tragischer  schuld  und  bekümmernis  ist  einer  euhemeristischen 
auffassuug  gewichen,  indem  beide  noch  einmal  zusammentreffen, 
risse  ser  d  hondom  hofgar  nauper  (du  Xty.  vgl.  s.  31).  entsprechend  dem 
schluss  der  Volundarkvil)a  (s.  33)  heifst  es  bei  Deör:  ce/re  ne  meahte  priste 
gepencan,  hü  ymb  pät  sceolde 

'  dass  das  schwanenmädchenabenteuer,  welches  acht  jähre  währte, 
in  die  zeil  von  Wielands  Verbannung  etwa  gefallen  wäre,  ist  doch  sehr 
unwahrscheinlich,    hätte    auch    ein    vernünftig    erzählender    dichter    sagen 


38  VOLUINDAHKVIPa 

sich  ihre  gegenseitige  liebe  erklären  und  sich  später  sogar  heiraten 
(c.  76.  79  ff). 

Da  wir  nun  in  dieser  partie,  der  einzigen,  wo  wir  die  I*i- 
{)rekssaga  durch  die  beiden  alten  berichte  sicher  controlieren 
können,  sehen,  dass  der  sagaschreiber  seiner  neigung  zu  roman- 
hafter ausschmückung  den  freiesten  Spielraum  lässt,  aufserdem 
ohne  bedenken  fremde  sagen,  wie  die  Teilepisode,  hineinflicht, 
so  dürfen  wir  dies  auch  im  übrigen  verlauf  seiner  erzählung 
voraussetzen ,  und  nicht  am  wenigsten  bei  der  sonderbaren  moti- 
vierung  von  Wielands  Verbannung  (s.  36). 

Mit  recht  betonte  schon  RMeyer  (s.  295)  die  Ungereimtheit, 
dass  Wieland  wegen  eines  totschlages  (c.  70)  verbannt  wird ,  und 
wegen  eines  geringen  unfugs  später  die  genannte  grässliche 
strafe  erhält,  der  gegen  die  königstochter  verübte  frevel  muss 
jedesfalls  ursprünglich  eine  ganz  besondere  bedeutung  gehabt 
haben,  und  wenn  eine  Variante  der  sage  angibt,  dass  Wieland 
ein  liebesreizmittel  in  die  speise  der  königstochter  geworfen  habe, 
so  kann  man  wol  nicht  mehr  daran  zweifeln,  dass  dieser  in 
einer  nachstellung  der  königstochter  bestanden  habe,  und  eben 
dies  wird  auch  der  grund  von  Wielands  Verbannung  gewesen, 
die  sich  auch  sonst  in  sagen  Qndende  erzählung  von  einem 
neidischen  truchsessen  aber  von  anderwärts  hier  ebenso  wie  die 
Tellepisode  eingeflochten  sein,  dass  es  Wieland  auf  BoJ)vildr  ab- 
gesehen hat,  deutet  schon  das  versprechen  des  königs  an,  dem, 
der  ihm  den  siegstein  verschafft,  seine  tochter  zur  gemahlin  zu 
geben:  der  zweite  grässliche  racheact  (s.  32)  gewinnt  aber  da- 
durch an  bedeutung. 

Nun  bestätigt  sich  auch  im  ags.  liede  auf  das  schönste  jene 
Greinsche  conjectur,  wonach  Wieland  'um  eines  weibes  willen' 
Verbannung  erlitten  haben  soll  (vgl.  s.  36).  auch  dass  er  auf 
dem  holm  'sorge  und  sehnsucJit  empfunden',  was  auf  die  Alvitr 
nicht  gehen  kann  (s.  35),  wird  jetzt  im  hinblick  auf  sein  ver- 
langen nach  Bp|)vildr  gedeutet  werden  können,  und,  wenn  nicht 
alles  trügt,  so  zeigt  auch  das  altnordische  lied  wenigstens  noch 
eine  spur,  dass  es  in  dem  Hede,  welches  es  verwertete  (s.  37), 
die  Verbannungsepisode  vorfand,  die  worte  der  königin  nämlich: 
era  sä  nü  hyrr  er  ör  holte  ferr  (mhd.  er  enist  geMure  der  nz 
dem  holze  vert),  welche  in  dem  jetzigen  liede  (v.  16)  wol  pas- 
send sind ,    mögen  doch   ehemals   eine  andere  bedeutung  gehabt 


VOLÜNDARKVll>A  39 

c 

haben,  nämlich:  'er  ist  nicht  geheuer,  ihm  ist  nicht  zu  trauen, 
der  aus  der  Verbannung  zurückkommt.'" 

Ob  die  beschaffung  des  siegsteines  durch  Velint  auf  alter 
sage  beruht,  ist  hier  zunächst  gleichgiltig.  das  alte  nieder- 
sächsische lied  (s.  37),  auf  welches  der  ganze  zweite  teil  der 
Pifjrekssaga ,  wie  wir  sahen,  zurückweist,  brauchte  als  einleitung 
für  die  Wieland -BoJ)vildepisode  nur  die  notiz  (c.  68),  dass  Wie- 
land, der  berühmteste  schmied  seiner  zeit,  als  günslling  an 
Nidungs  hofe  gelebt  habe. 2 

Dass  nun  das  Verhältnis  Wielands  zur  königstochter  das 
eigentliche  motiv  zur  mishandlung  und  räche  desselben  einst 
gewesen  (vgl.  s.  38),  ergibt  sich  klar  aus  einer  anderen  bei  Saxo 
bewahrten  aulzeichnung,  welche  ziemlich  alle  Züge  der  jüngeren 
Version  der  sage  enthält  (Müller  s.  126 —  128).  die  sage  ist  frei- 
'  der  grund  für  die  Verwendung  von  holt  in  diesem  sinne  statt  des 
gewöhnlichen  skögr  ist  das  bedürfnis  nach  einem  mit  hyrr  aiiitterierenden 
Worte:  man  vgl.  Volospo  R  54,  wo  Idte  aus  demselben  gründe  für  das 
sonst  übliche  löge  (flamme)  sieht,  an  absichtliche  änigmatik  des  ausdrucks 
mit  bezug  auf  o/v/je  /»emi  enom  fräna  (v.  17)  zu  denken  —  holtskriße  ist 
heiti  für  serpens  (Vigf,  278'>)  —  ist  bei  dem  aller  skaldischen  manier  ab- 
holden Stile  unseres  liedes  (s.  33)  nicht  wol  zulässig. 

*  der  ganze  erste  teil  der  Wielandepisode  in  der  n])rekssaga  ist  daher 
für  uns  belanglos,  er  verfolgt  nur  den  zweck,  jene  notiz  (c.  68)  möglichst 
vielseitig  zu  illustrieren  und  zerfällt  in  drei  hauptabschnitte.  der  erste 
C.57  — 61  schildert,  wie  Wieland  die  schmiedekunst  erlernte:  sowol  sein 
der  Sigfridsage  nachgebildeter  aufenthalt  bei  JVlime  wie  sein  verweilen  bei 
den  Zwergen  im  berge  Kallova,  auf  den  auch  der  verworrene  bericht  im 
anhange  zum  Heldenbuche  weist  (vgl.  s.  35),  muss  in  einer  zeit  gedichtet 
sein,  wo  man  Wielands  elbische  natur,  der  die  schmiedekunst  eigentümlich 
war,  nicht  mehr  verstand,  der  zweite  abschnitt  erzählt  Wielands  ankunft 
beim  könige  (c.  62)  und  ist  ebenfalls  nach  fremdem  vorbilde  geschildert 
(Rieger  Germ.  3,  186).  der  dritte  endlich  zählt  Wielands  grofstateu  auf. 
hier  verrät  die  schmiedung  des  auch  sonst  oft  erwähnten  Schwertes  Mimung 
(HS^  278)  wider  einfluss  der  Nibelungensage  (vgl.  Sig.  ii  14).  sicher  später 
sind  ferner  die  episoden  von  Regln  (c.  65  vgl.  KMeyer  aao.  s.  296)  und  der 
messerverfertigung  (wol  nach  c.  71).  der  älteste  bestand  dieses  abschnittes 
scheint  die  Amiliasepisode  c.  64  —  68.  sie  könnte  auf  einem  eigenen  liede 
beruhen.  Amilias  von  der  wurzel  am,  die  in  altn.  ami  und  dem  eigennamen 
Embla  begegnet,  hiefse  der  'rührige'.  Wieland  und  Amilias  sind  aber  wol 
ursprünglich  dieselbe  person  und  ihr  Wettstreit  nur  der  mythische  ausdruck 
des  alten  gedankens,  dass  Wieland  in  einigen  seiner  werke  'sich  selbst 
übertrofFen  habe'  (vgl.  EHMeyer  Anz.  xiii  30;  auch  in  schwedischen  berichten 
ist  Smitta  (Smettc)  bald  der  name  für  Wieland,  bald  für  den  dem  Amilias 
entsprechenden  rivalen;  Hylten-Cavallius  Sagan  om  Didr.af  Bern  s.xwi.xxxiv). 


40  volundarrviPa 

lieh  dort  vod  Othinus  und  Rinda,  der  tochter  des  Rulheneuköüigs, 
erzählt,  da  wir  aus  den  nordischen  mylhen  über  den  0|)enn- 
Rindrmylhus  nur  sehr  dürftig  unterrichtet  sind,  so  wissen  wir 
nicht,  ob  wir  hier  nur  eine  andere  form  des  Wielaudmylhus 
haben  oder  eine  Verschmelzung  mit  einem  von  PEMüller  etwas 
eigentümlich  gedeuteten  naturmythus.i 

Saxo  erzählt:  'Othinus  aus  liebe  zur  Rinda  tut  kriegsdienste 
für  den  könig.  er  siegt  und  wird  freundlich  von  ihm  aufge- 
nommen, er  sieht  auch  das  mädchen,  aber  dum  a  puella  oscu- 
lum  peteret,  alapam  recepü  (s.  127).  er  kommt  nun  verkleidet 
zum  zweiten  mal  fabrilhimque  renim  officio  callere  perhibuit.  er 
bietet  dem  mädchen  armillam  annulosque  complures,  erhält  aber, 
als  er  sie  küssen  will,  wider  eine  ohrfeige  (colaphum).  er  er- 
scheint nun  widerum  als  miles,  wird  aber,  als  er  ihr  zu  nahen 
wagt ,  von  ihr  so  gestofsen ,  nt  mentiim  terrae  nutabundus  impin- 
geret,  diesmal  aber  macht  er  sie  cortice  carminibus  adnotato  con- 
tingens  zur  rasenden,  endlich  das  vierte  mal  kommt  er  als  weih 
und  wird  ihrem  gefolge  beigegeben,  die  königstochter  wird 
krank,  und  er  verordnet  ihr  einen  trank,  er  verlangt,  dass  sie 
gefesselt  werde,  und  überwältigt  sie  dann.' 

Aus  dem  drastischen  tone  der  ganzen  erzählung  sieht  man 
zunächst,  dass  das  hed ,  welches  Saxos  prosa  zu  gründe  liegt, 
zu  jener  auch  aus  der  Edda  wolbekannten  gattung  von  gedichten 
gehört,  in  denen  des  höchsten  gottes  liebeshändel  persiffliert 
wurden,  abgesehen  von  den  damit  zusammenhängenden  scurrilen 
Zügen  und  der  wol  der  Übertragung  auf  den  kriegsgott  Openn 
zu  verdankenden  erzählung  von  zweimaliger  kriegsleistung,  die 
von  PEMüller  nicht  sehr  glücklich  gedeutet  wird,  kehren  die- 
selben Züge  wie  sonst  in  der  Wielandsage  wider:  die  sieges- 
hilfe  (s.  38  f),  die  schmiedekunst  (s.  39),  die  bezauberung  der 
königstochter^  (s.  38),  endlich-  die  bewältigung  derselben  (s.  36). 
ja  auch  die  kostbarkeiten,  welche  Othinus  der  Rinda  schmiedet, 
entsprechen  den  brjöstkringlor  und  den  rauper  baugar  der  RoJ)- 
vildr,  und  dort  wie  in  der  Volkv.  28  wird  die  königstochter  nach 
Verabreichung  eines  trankes  entehrt. 

'  im  dänischen  voliisliede  heifst  Wieland  Jf^erland  und  ß^livildr  Buodell 
(Giuiidlvig  Daum,  folkev.  s.  68). 

■^  seine  Verkleidung  ist  mit  der  iu  der  ^it)rekssaga  als  steikari  (s.  36) 
zu  vergleichen. 


VpLÜNDARKVl^A  41 

Die  bedeutung  des  rioges,  der  in  dem  eddischeo  liede  (s.  27) 
als  Alvitrs  ring,  in  der  l*ij)rekssaga  (c.  74)  als  ein  sehr  kost- 
barer ring  figuriert,  wird  nun  aber  doch  erst  recht  ersichtlich. 
es  ist  ein  liebesring,  der  dieselben  zwecke  verfolgt,  wie  die 
übrigen  zaubermiltel  (vgl.  s.  38),  nämlich  die  spröde  widerstrebende 
maid  durch  dämonische  gewalt  an  sich  zu  fesseln,  abgesehen 
davon ,  dass  hierdurch  die  angst  vor  vater  und  mutter  noch  be- 
greiflicher wird  (vgl.  s.  32)  —  denn  durch  Vorzeigung  des  zer- 
brochenen ringes  würde  sie  ja  ihr  Verhältnis  zu  Wieland  offen- 
baren— ,  ist  es  jetzt  erst  recht  verständlich,  warum  die  köuigs- 
lochler,  obwol  sie  wissen  muss,  dass  Wieland  räche  brütet, 
unwiderstehlich  zu  dem  todfeinde  ihres  vaters  hingetrieben  wird. 

Andererseits  wird  durch  die  sage  bei  Saxo  erwiesen,  dass  der 
der  Bopvildr  gereichte  trank,  welcher  dem  beilager  voraufgeht, 
nicht  vom  dichter  des  Wielandsliedes  erfunden,  sondern  ein  alter 
sagenzug  ist,  welcher  wenigstens  dem  skandinavischen  norden' 
eigentümlich  war,  und  in  der  tat  wird  der  höhn  Wielands  um 
so  grässlicher,  wenn  er  einen  hochzeitsgebrauch  hier  auf  das  un- 
freiwillige beilager  Bo|)vildrs  überträgt. - 

Dass  nun  die  allen  Überlieferungen,  welche  die  Bojjviklepisode 
enthalten ,  fremde  geschichle  von  Wielands  abeuteuer  mit  den 
schwanenmädchen  ursprünglich  in  einem  besonderen  liede  be- 
sungen wurde  und  dass  auf  dieses  der  anfang  unserer  Volundar- 
kvi})a  mittelbar  zurückweist  (s.  37),  ist  jetzt  nicht  mehr  zu  be- 
zweifeln, 

*  schon  FiVlagnüsson  (Lex.  myth,  857)  vermutete,  dass  der  Fallevan 
des  schwed.  Volksliedes  mit  Volundr  identisch  ist,  und  Grundtvig  (Danm. 
folkev,  I  70)  hat  ihm  hierin  ohne  stichhaltigen  grnnd  widersprochen,  wenn 
sich  Vailevan  dort  für  eine  königstochter  von  England  ausgibt  und  unter 
weiblicher  maske  so  die  Jungfrau  gewinnt,  dann  aber  durch  wein  die  königs- 
tochter einschläfert  und  beschläft,  so  ist  ein  nachklang  unserer  sage  unver- 
kennbar, dazu  kommt  die  ähnlichkeil  der  trankscene  in  diesem  liede  und 
dem  verwandten,  in  welchem  Wieland  als  kränier  erscheint,  man  vgl. 
Volkv.  28 :  bar  kann  hana  björe  at  hön  i  sesse  um  sofnape  und  Geijer- 
Afzelius  II  174,  8:  de  drucko  sä  länge  det  klaraste  vin  at  jungfrun  uvi 
somnade  und  ebenda  i  93,  5:  och  jungfrun  druck  vijöd  .  .  .  tili  dess  att  hon 
somna. 

-  vgl.  Gottfrid  vStrafsburg  12644—12650:  wan  ez  was  in  den  zilen  site, 
daz  man  des  älliche  pßac,  swer  so  bi  einer  megede  lac  U7id  ir  den  bluomen 
abe  genam,  daz  eteswer  mit  wtne  kam  und  He  si  trinken  beide  samet 
an  underscheide.  man  vgl.  Geijer- Äfzelius  ii  174,  7:  Fallevan  sade  tili 
tj'enaren  sin:    ni  Itämten  mig  hit  det  klar  aste  vin. 


42  VOLüNDARKVlI>A 

Jenes  im  14  jh,  aufgezeichnete  oberschwäbisch  -  bayrische 
gedieht  von  Friedrich  von  Schwaben,  dessen  Zugehörigkeit  zum 
Sagenkreise  des  elben  Wieland  oben  (s.  34  f)  nachgewiesen 
wurde,  berichtet  folgender  mafsen:  'es  waren  drei  brüder,  des 
Schwabenherzogs  Heinrich  söhne,  der  jüngste,  Friedrich,  vert 
jagen  ze  holze  (vgl.  s.  38).  er  findet  drei  in  hirsche  verwandelte 
Jungfrauen,  verweilt  bei  ihnen,  wird  wegen  eines  wortbruches 
an  einem  äuge  geblendet^,  erhält  aber  beim  abschied  von  allen 
dreien  einen  ring,  er  erlebt  nun  verschiedene  abenteuer  und 
findet  endlich  bei  einem  brunnen  drei  als  tauben  erschienene 
Jungfrauen,  welche  dort  baden  wollen,  er  raubt  ihnen  ihre  ge- 
wänder,  liefert  sie  aber  wider  aus  unter  der  bedingung,  dass 
eine  derselben,  Angelburg,  seine  gemahlin  wird,  ihre  gefährtinnen 
aber  heiraten  dann  Friedrichs  brüder.' 

Wie  im  eddischen  Hede  ist  W'ieland  der  jüngste  der  brüder: 
sonst  findet  sich  von  übereinstimmenden  zügen  das  'ringgeschenk' 
und  die  auch  in  der  Vplundarkvij)a  (s.  31)  vorauszusetzende  'weg- 
nähme der  Schwanhemden',  wie  weit  die  Friedrich  geschenkten 
ringe  mit  den  von  Wieland  (v.  5)  geschmiedeten  zusammen- 
hängen, ist  bei  der  dürftigen  Überlieferung  nicht  zu  entscheiden: 
die  überlistung  der  Jungfrauen  aber  durch  kleiderraub  ist  ein 
echt  eibischer  zug  und  wird  auch  in  der  Nibelungensage  von  Hogne, 
dem  elbensohne,  berichtet  (WGrimm  HS''  179).  dem  eddischen 
Hede  entgegengesetzt  ist  aber  der  jüngere  brüder  hier  allein  der 
handelnde,  und  einem  ersten  zeitweisen  zusammenleben  mit  den 
mädchen  folgt  später  eine  dauernde  Vereinigung:  für  jenen  ersten 
zug  mag  das  bestreben  des  dichters  mafsgebend  gewesen  sein, 
seinen  beiden  Friedrich  möglichst  herauszustreichen ,  der  zweite 
ist  vermutlich  alt  und  ursprünglich,  da  sich  in  der  tat  kaum  ein 
anderer  abschluss  nach  dem  entfliegen  der  schwanenmädchen 
denken  lässt.  jedesfalls  wird  auch  in  dem  älteren  eddischen 
Hede  (s.  41)  Wieland  wie  seine  brüder  ausgezogen  sein,  um  die 
geliebte  zu  suchen  und  dem  austr  skreip  Egell  und  supr  Slagßpr 
wird  ein  Volundr  vestr  um  gekk  einst  entsprochen  haben,  da 
nach  den  angaben  des  liedes  (v.  1)  der  norden  ausgeschlossen 
war,  so  konnte  nur  der  süden,  Südosten  und  Südwesten  in  be- 
tracht  kommen ,  und  Wieland  wäre  in  die  südwestlich  von  INieder- 
•  eine  blendung  Wielands  findet  sich  auch  in  der  von  Meyer  (Anz. 
xm  30)  citierlen  sage  aus  dem  Sachsenwald. 


V0LUNDARKV1^A  43 

Sachsen  gelegene  fränkische  heimat  der  drei  walkiiren  (s.  26)  ge- 
langt und  hätte  auf  diese  weise  ähnlich  wie  im  deutschen  Hede 
auch  seinen  brüdern  wider  zu  ihren  gemahlinnen  verhelfen. 

Dass  nun  unser  deutsches  gedieht  nicht  unmittelbar  aus  ober- 
deutscher Volksüberlieferung  gedichtet  ist,  sondern  ein  älteres  lied 
zur  Voraussetzung  hat,  das  der  dichter  offenbar  sehr  flüchtig  aus- 
schrieb, dafür  genügt  wol  die  tatsache,  dass,  während  der  held  des 
liedes  sonst  Friedrich  von  Schwaben  heifst,  plötzlich  derselbe  ein- 
mal erklärt  (s.  99):  ich  pin  gmant  Wielant  und  gleich  darauf  der 
dichter  fortfährt :  ich  sage  wie  Wielant  der  man  dem  künege  diende 
triulich,  es  ist  ferner  überhaupt  fraglich,  ob  die  sage  jemals  in 
Oberdeutschland  heimisch  gewesen, 

Jedesfalls  ist  es  sehr  bedenklich,  mit  VVGrimm  (HS'  288.  341) 
aus  dem  schon  (s.  36)  genannten  bericht  im  anhange  zum  Deutschen 
heldenbuche  auf  ein  verloren  gegangenes  lied  zu  schliefsen:  die 
riesen,  welche  Wieland  sein  land  abnehmen,  sowie  sein  aufent- 
halt  im  berge  zu  Gloggensachsen  deuten  auf  Wielands  jugend- 
abenleuer,  wie  es  die  Pijjrekssaga  erzählt  (s.  39).  die  übrigen 
notizen  aber  sind  sehr  confuse.  der  köuig  Ilertwich  wird  wol 
auf  einer  Verwechselung  mit  dem  im  Biterolf  (v.  125 — 181)  neben 
Wieland  genannten  schmiede  Hertrich  beruhen,  die  zwen  süne, 
welche  Wieland  mit  seiner  tochler  zeugt,  scheinen  nur  einer 
zusammen werlung  der  geschichten  von  der  'knabentotung'  und 
'der  Schändung  Bödvildrs'  ihren  Ursprung  zu  danken. i 

Auch  im  deutscheu  volksepos  wird  W^ieland  zwar  genannt, 
aber  stets  nur  als  vater  Witeges'-'  und  ohne  nähere  characteristik. 
ja  die  einzige  stelle,  welche  eine  solche  versucht  und  sich  dabei 
als  quelle  auf  ein  buch  beruft  —  also  ebenfalls  nicht  direci  aus 
volksmäfsiger  Überlieferung  schöpft — (Biterolf  v.  125 — 181),  kennt 
ihn  keineswegs  als  den  berühmtesten  aller  meister,  sondern  er- 
klärt ausdrücklich,  dass  er  mit  den  schmieden  Mime  und  Hertrich 
nicht  welteifern  könne,    das  österreichische  gedieht   beweist  also 

•  so  wird  auch  kurz  vorher  erzählt,  dass  markgraf  fiüdiger  die  lochter 
des  Günther  erhalten  habe,  wo  Grimm  selbst  ein  misverständnis  annimmt 
(vgl.  Nib,  1617  ff). 

*  dass  diese  anknüpfung  eine  spätere  und  dem  alten  ags.  epos  noch 
fremde  ist,  hat  Grundtvig  (Danmarks  folkev.  i  70)  bereits  bemerkt,  sie  wie 
die  Verbindung  mit  seinem  angeblichen  vater  Wate  (MüllenholT  Zs.  6,  65  fl) 
haben  nur  den  zweck,  das  ursprünglich  elbische  wesen  in  die  heldensage 
zu  verflechten. 


44  V0LUNDARKV1^A 

zum  mindesten,  dass  Wieland  die  rolle  des  unübertroffenen  raeislers 
in  Obcrdeutschland  nicht  gespielt  hat. 

Demnach  wird  sovvol  der  hericht  des  Helden buches  wie  das 
bayrische  gedieht  auf  eine  niedersächsische  vorläge  zurückgehen, 
die  auch  dem  alten  Volundrliede,  das  nur  die  schwanepisode  ent- 
hielt, zu  gründe  lag:  denn  die  geographischen  notizen  der  vlsur 
1  —  3  sind  nur  unter  dieser  Voraussetzung  recht  verständlich 
(s.26).i 

Nach  dem  ergebnis  unserer  Untersuchung  ist  die  Vigfüsson- 
Jessensche  Vermutung  dahin  zu  modificieren ,  dass  der  dichter 
der  Volundarkvil)a  zwei  ältere  lieder,  von  denen  das  eine  nur 
die  schwanenepisode  enthielt,  das  andere  nur  von  Boj)vildr  sang, 
und  welche  beide  auf  niedersächsische  lieder  zurückgehen,  be- 
nutzt hat.  sein  gedieht  ist  aber  ein  beweis  dafür,  wie  geschickt 
schon  in  alter  zeit  compiliert  wurde,  da  es  (s.  33  f)  durchaus  als 
ein  wolgelungenes  kunstwerk  gelten  muss. 

Der  dichter  zeigt  sich  als  meister  der  composilion.  durch 
die  änderung,  dass  er  Volundr  in  Sehnsucht  der  geliebten  harren 
lässt,  sodass  dieser  von  Nil^uprs  mannen  im  liebestraume  ge- 
stört wird,  hat  er  ein  bild  von  grofser  würkung  gewonnen,  und, 
da  er  die  liebesringepisode  im  plan  seiner  verquickung  der  beiden 
gedichte  nicht  brauchen  konnte,  den  ring  geschickt  zum  ver- 
lobungsringe  Alvitrs  gemacht,  auch  aus  eigener  erfindung  hat 
er  gestalten  hinzugedichtet,  so  den  knecht  PakkräJ)r  (v.  39)  und 
vor  allem  die  köuigin  (kunneg  kvdn  Nipapar).  sie  finden  sich 
in  keiner  sonstigen  version  der  sage,  und  insbesondere  die 
letztere  ist  doch  zu  gewaltig  und  bedeutsam ,  als  dass  man  an- 
nehmen könnte,  dass  sie  in  den  anderen  berichten,  ohne  auch 
nur  eine  spur  zu  hinterlassen,  vergessen  sei.  aber  durch  die 
Schöpfung  dieser  figur,  welche  die  eigentliche  triebfeder  zu  Wie- 
lands mishaudlung  wird,  ist  auch  der  character  des  königs  wesent- 
lich verfeinert,  aus  dem  boshaften  fürsten  ist  ein  im  gründe 
guter2,   aber  durch   die   ratschlage  seines  bösen  weibes  betörter 

*  auf  Niedersachsen  weisen  auch  alle  übrigen  Zeugnisse:  von  dort  drang 
die  sage  nach  Skandinavien  und  England,  und  in  das  französische  helden- 
epos  gelangte  Wieland  nicht  von  Deutschland,  sondern,  wie  die  namensform 
Galan  (aus  Folundr)  beweist,  aus  dem  norden  durch  die  Normannen:  die 
drei  'brüder'  im  afz.  Fierabras  entsprechen  den  eddischen  beiden  (Depping 
Weland  le  forgeron  s.  41),  und  beweisen,  da  sie  kunstvolle  schmiede  sind, 
wider  die  Identität  der  beiden  Volundr  (vgl.  s.  34  0-  ^  die  wegnähme 


VOLÜINDARKVI^A  45 

held    geworden,    und   die    klage    des    vaters   (v.  31.  37)    gewinnt 
durch  die  liineintraguug  dieses  macbethischen  zuges  an  rührung. 

Mit  Sicherheit  sind  als  neubildung  des  dichters  nun  anzu- 
sehen V.  5  (s.  40),  V.  11 — 19  ^  welche  aber  doch  alte  ausdrücke 
benutzen  (vgl.  s.  36  f.  38),  v.  30.  31,5 — 8,  da  sie  das  eben  ge- 
schilderte Verhältnis  voraussetzen,  und  v.  39  (s.  44).  es  begreift 
sich  aber  auch,  dass  die  am  eingange  unserer  Untersuchung  gel- 
tend gemachten  metrischen  und  stilistischen  iibereinslimmuugen 
(s.  30 f)  nur  für  die  geschicklichkeit  des  dichters  sprechen,  mit 
der  er  seinen  Stoff  auch  in  sprachlicher  hinsieht  verarbeitete:  so 
erklärt  sich  der  erste  der  dort  genannten  eigentümlichen  gleich- 
klänge ,  indem  der  dichter  für  die  von  der  künigin  handelnde 
V.  30  die  v.  1  des  schwatienliedes  benutzte,  und  der  zweite,  in- 
dem er  die  anknüpfung  an  die  schwanepisode  mit  hilfe  eines 
ausdruckes  des  alten  Bojtvildliedes  vollzog  (vgl.  v.  11.31). 

Was  wir  also  s.  34  vermuteten,  bat  sich  durchaus  bestätigt; 
wir  müssen  in  dem  dichter  der  Volundarkvij)a  einen  nicht  minder 
bedeutenden  künsller  sehen  wie  in  denen  der  Skirnisfor  und  des 
Härbarjjsliedes. 

Die  kritik  unseres  liedes  hat  nun  zugleich  ergeben ,  dass 
von  einer  finnischen  herkunft  des  beiden,  welche  jüngst  WMüller 
(Mythologie  der  deutschen  heldensage  s.  138)  aus  der  prosaischen 
einleitung  geschlossen  und  durch  wenig  stichhaltige  gründe  zu 
stützen  gesucht  hat  (vgl.  EHMeyer  Anz.  xiii  23  0),  oicht  im  ent- 
ferntesten die  rede  sein  kann,  da  wir  die  sage  lediglich  in  der 
form  kennen ,  in  der  sie  auf  dem  für  schmiedemylhen  überaus 
günstigen  boden  Niedersachseus  ausgebildet  wurde,  so  ist  ein  ver- 
gleich mit  sagen  anderer  vülker  übei'haupt  schwierig  und  nur 
sehr  behutsam  anzustellen,  als  göttermythus  wird  die  sage  ver- 
mutlich einmal  der  ganzen  germanischen  weit  eigen  gewesen  sein, 
und  vielleicht  haben  wir  in  der  s,  40  f  besprochenen  erzählung 
Saxos  noch  einen  nachklang  desselben ,  zumal  das  dämonische 
ringen  und  werben  um  die  Jungfrau  dort  noch  schärfer  zu  tage 
tritt:  die  Übertragung  auf  den  den  elbischen  wesen  doch  ursprüng- 
der  ringe  geschieht  nur  aus  habsucht,  und  man  sieht  nun  erst,  wie  wenig 
die  interpolation  (s.  26)  in  den   rahmen  des  übrigen  liedes  passt. 

'  in  dieser  partie  verrät  v.  14  einfluss  der  Nibelungensage  durch  die 
erwähnung  von  SigurJ)rs  ross  Grane  und  der  fjoll  Rinar.  in  der  Verteilung 
der  Worte  folge  ich  Bugge,  der  nur  die  hälfte  der  strophe  Wieland  in  den 
mund  legt,  nicht. 


46  VOLUNDARRVlfA 

licl)  nahe  verwandten  wind-  und  luftgott  Wodan  würde  dann  auch 
leichter  verständhch  werden. 

Die  Germanen  aher  haben  die  gestalt  des  elbischen  dämons 
aus  ihrer  arischen  zeit  überkommen:  denn  die  identität  der  drei 
brüder  mit  den  indischen  Rbhus,  und  speciell  des  Volundr  mit 
dem  Rbhuksa,  wird  schwerHch  zu  läugnen  sein,  ob  indes  die 
hauptpuncte  des  mylhus  schon  in  der  urzeit  ihre  ausbiklung  er- 
fahren haben,  kann  ledighch  eine  genaue  Untersuchung  der  ve- 
dischen  hlteratur  nach  den  von  EHMeyer  (aao.  s.  31  ff)  angegebenen 
gesichtspuncten  erweisen. 

Eine  nähere  Verwandtschaft  muss  jedesfalls  innerhalb  der 
arischen  gemeinschaft  noch  zwischen  dem  germanischen  und  helle- 
nischen mylhus  bestanden  haben,  da  nicht  nur  der  deutsche 
Wialant  dem"H(faiOTog  der  griechischen  volkssage  durchaus  ent- 
spricht (vgl.  WGrimm  HS*  323)  —  Welandes  geveorc,  Welandia  fa- 
brica  wird  wie  das  griechische  rjq)aiaTÖTev}<.rov  oder  rjqtaiotOTVxeg 
zur  bezeichnung  grofser  kunstwerke  gebraucht  — ,  sondern  auch 
im  einzelnen  überraschende  Übereinstimmungen  sich  finden. 

Wie  Wieland  ist  auch  Hephästos  an  beiden  füfsen  und  in 
folge  gewaltsamer  Verletzung  lahm,  wie  jener  auf  dem  auf  die 
see  deutenden  holm  Se'varstoJ)  weilt  er  bei  Thetis  und  Eurynome 
im  meere.  der  Verbannung  Wielands  vergleicht  sich  die  durch 
Zeus  oder  Hera  erfolgte  gewaltsame  entfernung  des  griechischen 
gottes  vom  Olymp,  wie  ferner  Wieland  die  Baduhilt,  deren  name, 
zweimal  den  begriff  'kämpf  enthaltend,  auf  eine  nordische  ^A^r]va 
7iQÖf.iaxog  deutet,  überwältigt,  als  sie  ihm  ihren  ring  zur  repa- 
ratur  bringt,  so  stellt  Hephästos  der  Athene  nach,  da  sie  waffen 
bei  ihm  bestellt,  und  erzeugt,  allerdings  auf  sonderbare  weise, 
mit  ihr  einen  söhn,  wie  endlich  Wieland  der  gemahl  des  lichten 
schwanenmädchens,  ist  Hephästos  der  gatte  der  schönen  Aphrodite, 
die  zu  den  schwanenjungfrauen  jedesfalls  in  naher  beziehung 
steht  (LvSchroder,  Griechische  gütter  und  heroen  s.  39(1),  und 
wie  Alvitr  den  Volundr  verlässt,  so  wird  bekanntlich  Aphrodite 
dem  Hephästos  untreu,  auch  in  der  griechischen  sage  aber 
stehen  die  sagen  von  Hephästos-Aphrodite  und  Hephästos-Athene 
ursprünglich  ebenso  wenig  in  einem  näheren  zusammenhange 
wie  die  von  Wieland -Alvitr  und  Wieland -Baduhilt,  und  so  erhält 
unser  ergebnis  (s.  44)  auch  von  dieser  seite  eine  bestätigung. 
BerUn  20.  12.  87.  FELIX  NIEDNER. 


MERCISCHES  47 


MERCISCHES  AUS  DER  HS.  ROYAL  2  A  20  IM 
BRITISCHEN  MUSEUM. 

Die  hs.  der  königlichen  Sammlung  des  Brilischen  museums 
2  A  20  enlliält  von  einer  band  des  8  jhs.  allerlei  lateinische  stücke 
religiösen  inhalls,  darunter  23gebele,  deren  jedes  n)it  einem 
anderen  buchstaben  des  alphabets  beginnt  und  die  auch  in  der 
alphabetischen  reihenfolge  ihrer  anfange  stehen  abgesehen  davon, 
dass  das  b-gebet  hinter  das  e-gebet  geraten  ist.  zwei  bände  (siehe 
unten  anmerkung  zu  60  f)  aus  dem  ende  des  10  oder  dem  anfange 
des  1 1  jhs.  haben  dann  allerlei  englische  glossen  und  notizen 
beigefügt  und  die  eine  aufserdem  den  inhalt  jener  alphabetisch 
geordneten  gebete  in  englischer  spräche  angegeben,  eine  ein- 
gehende beschreibung  der  hs.  findet  sich  im  Catalogue  of  ancient 
manuscripts  in  the  British  museuni  pari  ii  latin  (London  1884) 
s.  60  f,  wo  auch  ein  facsimile  von  fol.  14^'  (=379  —  421)  als 
plale  21  beigegeben  ist. 

Was  die  glossen  anbelangt,  so  sind  dieselben  gelegentlich 
nur  angedeutet  worden :  46  forgef  dimütimns  statt  forgefap, 
494  geh  intercede  sl.  gebide.  stall  eines  casus  obliquus  steht  der 
uom.  sing.;  187  megden  ancellae  st.  megdenes,  226  heorte  cordis 
sl.  heortan ,  83  fi"  se  halga  gast  de  spirüu  sancto  st.  from  pcBm 
halgan  gaste;  307  from  weoruld  a  saeculo  sl.  from  weorulde; 
715  weoruld  sceculi  sl.  weorulde.  el)enso  sind  wol  in  den  inlialls- 
angaben  633  stenc  und  540  costnng  zu  lieurleilen.  ein  adjectivum 
oder  partieipium  wird  in  unfleclierter  form  gesetzt:  dd'2  liis  haiig 
cydnisse  testamenti  s?«'  sancti  (falls  nicht  etwa  hier  haligcydnisse 
zu  schreiben  ist),  32  hlaf  ur  panem  nostrum  und  78  d  ur  do- 
minum nostrum  st.  urne  (oder  ist  ur  subst.  gen.?),  215  ondred- 
dende  timentibus  sl.  ondreddendum ,  551  all  omnibus.  l>ei  355 
deowende  seruiamus  fehlt  we  beon,  bei  405  hcenisse  ex  alto  fehlt 
from,  wie  bei  83  ff  (siehe  oben). 

Manchmal  hat  der  glossator  etwas  zu  viel  gesetzt:  so  se  13 
in  se  is  gehalgad  sancti ficetur ,  321  f  to  dege;  ferner  hat  er  aus 
dem  vorhergehenden  widerholt  on  75,  doppell  gesetzt  wes  253. 
255  (wes  gemyndig  wes  recordatus  est),  us  283.  288  (us  up  verde 
.  .  .   US  erexit  .  ..  nobis),   his  300.  303,   witgena  302,  gec(e)ged 


48  MERCISCHES 

370.  373,  sitlap  410.  414;  vgl.  490f  o  on  mintie  fnltum  in 
auxilinm  meum.  403  ff  gibt  ufan  cumende  das  oriens  ex  alto 
schon  hiulänglich  wider,  es  folgt  dann  aber  ooch  hcBnisse. 

Von  UDgenauigkeiten  sei  zunächst  die  Verwendung  des  sing. 
statt  des  plurals  oder  umgekehrt  erwähnt,  wobei  natürlich  von 
fällen,  bei  denen  der  englische  Sprachgebrauch  eine  änderung 
des  numerus  nahe  legte  (wie  128  ff.  141.  316.  457.  473.  503), 
abgesehen  wird:  382  weg  was,  27  heofenum  caelo ,  112  segon 
uidisti,  114  gelefdon  credidisti.  ferner  steht  gelegentlich  ein 
falscher  casus:  der  accusativ  statt  des  nom.  (voc.)  45  us  nos 
(nom.),  172  f  mine  saule  anima  mea,  207  noman  nomen  (nom.), 
478  ff  siman  7  monan  sol  et  luna  (voc);  der  acc.  st,  des  dat. 
47  f  scylde  nre  debitoribus  noslris;  der  gen.  st.  des  acc.  500  f 
pines  eges  timorein  tuum;  der  dat.  st.  des  acc.  71  hcelende  lesum 
(falls  hier  nicht  hcelende  =  hcelendne) ,  421  wege  uiam.  statt  der 
ersten  person  finden  wir  die  zweite  181  pinre  st.  minre  (oder 
eigentlich  minum)  meo,  statt  der  dritten  die  zweite  203  eart  est, 
(zugleich  imper.  st.  conj.)  126.  lAQ  gehald  custodiat,  \i2  bletsa 
benedicat,  148  eteaw  ostendat,  157  gecer  conuertat,  164  sele  det. 
was  das  tempus  anbelangt,  so  ist  zb.  82  geecnad  wes  natus  est 
natürlich  berechtigt,  aber  ungenau  sind  176  geßhd  exultauit, 
184  gelocap  respexit,  222  tostencd  dispersü,  240  gefylled  impleuü, 
309  lessep  liberauit,  320  feodon  oderunt.  der  ind.  st.  des  conj. 
steht  14  is  gehalgad  sanctißcetur,  das  part.  präs.  für  das  part.  fut. 
pass.  334  doyuie  swergendan  ad  msmrandnm.  ein  subst.  ist  statt 
eines  adj.  gesetzt  140  ecnisse  sempiierna,  245  pa  iveolan  diuites, 
271  gebletsung  benedktus;  der  umgekehrte  fall  liegt  vor  218 
moehtige  potentiam.  ein  adv.  statt  eines  adj.  finden  wir  33 
deghweamlke  cotidiamim.  vereinzelte  uugenauigkeiten  sind  22 
sie  fiat,  28.  44  ond  et  (=  auch),  113  pa  et  oder  qiiia,  121  xpi 
Christus,  137  f /er  hioer  ubiqiie,  149 p^m  -que,  391  drihtnes  dei. 
aus  377  cer  onseone  ante  fadem  darf  man  gewis  nicht  folgern, 
dass  wr  auch  locale  functiou  hatte  (vgl.  Hicketier,  Anglia  10,  589). 

Offenbare  Schreibfehler  sind  72  crit  st.  crist,  \Q9siDi  st.  si  (ver- 
anlasst durch  das  folgende  swe),  \Sb  eadmodnisnisse  (der  Schreiber 
setzte  in  der  neuen  zeile  die  ganze  endung  nisse  statt  zu  dem 
schon  vorher  geschriebenen  nis  das  se  hinzuzufügen),  223  oferd- 
hydge  st.  oferhydge,  316  hodum  st.  hond\im  (vgl.  zu  315),  370 
gecged  st.  geceged,   629  leoh  st.  kokt.     436  steht  angela  wol  st. 


MERCISCHES  49 

angelas,  oder  haben  wir  darin  einen  plural  nach  der  «-dechnation 
zu  sehen  ?  vgl.  Sievers  Gr.  273,  2.  50  f  nu  is  über  ne  nos  ist 
vvol  für  ne  us  verschrieben,  weniger  wahrscheinUch  kommt  mir 
aber  vor,  dass  275  scede  uisitauit  für  neosade  (vgl.  402)  ver- 
schrieben sein  könnte:  schwebte  dem  glossator  etwa  nuntiauit 
st.  uisitauit  vor?  47  ist  debitorihus  nostris  durch  scylde  ure  wider- 
gegeben, als  ob  debita  nostra  dastände  (vgl.  41).  wenn  279  f 
pJebi  suae  durch  he  gefylde  übersetzt  wird,  so  ist  suae  ganz  un- 
berücksichtigt geblieben  ,  plebi  aber  scheiül  =  pleui  =  impleui  ge- 
nommen, aufserdem  aber  wegen  uisitauit,  fecit,  erexit  in  der 
nachbarschalt  die  vermeintliche  erste  person  durch  die  dritte  er- 
setzt worden  zu  sein,  ein  ähnliches  versehen  liegt  wol  387  f  bei 
gefyd  hio  plebi  eins  vor:  gefyd  wäre  dann  iiir  gefyld  \'e\&chr'\ehen 
(vgl.  240  gefylled  impleuit),  eius  für  eos  genommen,  was  sich 
aber  der  glossator  denken  mochte,  als  er  486  os  über  hos  setzte, 
vermag  ich  nicht  zu  raten. 

Die  spräche  stimmt  in  allen  wesentlichen  puncten  zu  der 
im  Psalter  der  Cottonschen  hs.  Vespasian  A  1  (=  VP)  und  zu  der 
des  priesters  Farman  in  den  Rushworthevangelien  (=R'),  also 
zu  deiikmäleru,  die  jetzt  allgemein  als  mercisch  gelten,  aufser 
auf  die  arbeilen  von  Zeuner  über  VP  (Die  spräche  des  kentischen 
psalters,  Halle  1881)  und  Svensson  über  R^  (Om  spräket  i  den 
förra  (merciska)  delen  af  Rushworth-handskriften  i  Ljudlära,  Göte- 
borg 1883,  disserl.  von  Upsala)  werde  ich  regelmäfsig  auf  Napier 
in  der  Anglia  10,  135  ff  verweisen,  wo  eine  mercische  vorläge 
für  das  Leben  des  heiligen  Chad  wahrscheinlich  gemacht  ist. 

1.    a  =  urgerm.  a  erscheint 

a)  =  Wests,  a  idagas  364  (vgl.  R*  s.  1,  dagegen  VP  s.  34 
dcegas) ,  nacodnisse  573  (R'  1  namd);  vgl.  das  fremdwort  apo- 
stolos  686. 

b)  =  Wests,  a,  o  vor  einem  resonanten:  fram  673  neben 
sechsmaligem  from  (s.  5c):  R'  s.  11  einmal  fram  neben  71  from, 
VP  immer  o  vor  resonanten  s.  10.  aufserdem  ist  hier  nur  noch 
ayigeJa  436  anzuführen  (vgl.  angel  in  Bouterweks  glossar  zu  den 
Altnordh.  evaugelien:  VP  s.  14  und  R*  s.  33  haben  cengel  neben 
engel;  a  erklärt  sich  aus  einwürkung  des  lateinischen). 

c)  =  wests.  ea  ohne  jede  ausnähme  vor  gedecktem  l:  ge- 
hald  126.  146,  gewaldQlQ,  siofenfaldlicum  593;  all  551,  alle  195. 
363.  423.  475.  487.  503,  alles  627,  allra  317,  allum  496,  gallan 

Z.  F.  D.  A.     XXXIII.    N.  F.  XXI.  4 


50  MERCISCHES 

597,  endlich  mit  vereinfachuDg  der  gemination  almahtig  116,  al- 
■mahtigne  67.  dies  stimmt  zu  VP  s.  24  f,  vgl.  Napier  135,  3.  R' 
hat  auch  gewöhnlich  a,  aber  daneben  ea  s.  22  f. 

d)  =  wests.  ea,  ie,  i  vor  ht:  almahtig  116,  ahnahtigne  67 
(vgl.  aber  2b,  3g,  4g).  auch  VP  zeigt  gelegentlich  mäht  s.  9.  33, 
dagegen  nicht  R'  s.  2  f.  38  f. 

2.  8ß  =  urgerm.  a  erscheint 

a)  =  wests.  ce:  fcedor  (gen.)  615,  fmdrum  264,  fqderum  328 
(im  übrigen  s.  3d);  auch  R'  zeigt  in  diesem  worte  cb  s.  4,  da- 
gegen VP  nur  e  s.  11  oder  ea  s.  27. 

b)  =  wests.  ea,  ie,  i  vor  ht  (vgl.  Id,  3g,  4e):  mwhtig  202, 
mcBhtiggan  2d0,  mcehtige  2\S,  ncehte  131  in  Übereinstimmung  mit 
VP  s.  33  und  R'  38. 

c)  =  wests.  e  als  umlaut  von  a:  hcelwearum  674  (im  übrigen 
s.  3b);  VP  hat  nur  hei  s.  14,  aber  gesloBcce,  cengel;  R'  zeigt 
häufiger  ce  s.  32. 

3.  e  erscheint 

a)  =  wests.  e  =  urgerm.  e:  gebed  506,  gebede  527.  607,  seile 
(dat.)  232,  sprecende  261.  297,  weg  382,  wege  421.  VP  hat  für 
dieses  e  nur  sehr  selten  ce  s.  19  f,   weit  öfter  aber  R'  s.  7  f. 

b)  =  wests.  e,  gelegentlich  aber  auch  ie,  y  =  umlaut  von  a 
(vgl.  2c):  hehhap  431.  443.  454.  470,  gereccenne  416,  ege  349, 
eges  501,  stenc  633,  tostencd  222,  ancendan  76,  hendum  535, 
halwendan^  182,  idelhende  247,  meniscum  544,  penninge  blT, 
gecer  ibi,  swergendan  ddb,  hergap  450.466,  hergiat  A21 ,  here- 
gap  439,  heregiap  482,  asette  228,  seilende  346,  sellenne  384, 
sele  34.  164.  497. 

c)  in  einsilbigen  unbetonten  Wörtern  oder  präfixen:  in  dem 
artikel  se  83.  123,  dem  allgemeinen  relativum  pe  1(?).  305.337. 
409.  461  USW.  de  318.  546,  in  der  präposition  he  508.  513. 
521.  525.  528  usw.  (niemals  hi:  R'  s.  51  hat  18  he  neben  10 
hl),  ebenso  in  heforan  361,  helec  630,  hetwih  703  (VP  s.  62 
200  hi  gegenüber  40  he;  W  s.  51  immer  he;  denn  hisöBC  ist  lat. 
hisaccium),  endlich  in  dem  präfix  ge-  2.  b.  ib.  S\  usw.  (auch  VP 
s.  62  und  R'  51  niemals  gi-). 

»  Zeuner  VP  s.38  und  SweetOIdest  english  texts  569^  sehen  in  dem  ersten 
e  von  haiwende,  woneben  in  VP  halwijnde  vorkommt,  den  umlaut  von  u: 
aber  dagegen  streitet  doch  der  umstand,  dass  dem  jedesfalls  gleichgebildeten 
lää'wende  ahd.  leidwendi  entspricht  (Grimm  zu  Andr.  und  Ei.  s.  172). 


MERCISCHES  51 

(1)  =  wests.  ce:  her  569,  cwep  61.  69.  90.  92.  94.  96.  98. 
100.  102,  degdl,  deghweamlice  dd,  dege  129.  322,  et  693.  711, 
etemo  148,  etfest  612,  fede7'  8.  66.  343  (vgl.  aber  2a),  festenne 
538,  sigerfestnisse  652,  megden  187,  megne  476,  nesdyrlnm  640, 
w?es  82.  253.  255.  260.  296,  weter  459,  /es  681,  des  590.  596, 
/ef  3.  347.  485.  603.  auch  VP  s.  11  ff  zeigt  regelmäfsig  e  (vgl. 
auch  Wapier  135,  1),  dagegen  R'  meist  ce  s.  4. 

e)  =  wests.  ie,  y,  i  nach  einem  palatal  =  urgerm.  e:  forgef 
39.  46  {\ner  =  forgefap);  ebenso  VP  s.  19,  R^  s.  6  f;  vgl.  Kapier 
136,  10. 

f)  =  wests.  ie,  y,  i  als  umlaut  von  urgerm.  a  vor  gedecktem 
/•;  berigde  602,  berignesse  598  (vgl.  altn.  bergja).  auch  VP  14  f 
zeigt  e,  W  s.  30  e  und  ce;  vgl.  Napier  136,  4. 

g)  =  wests.  ea,  ie,  y,  i  vor  ht:  ne[h]t  695  (vgl.  Id).  neht 
erscheint  auch  VP  s.  33,  dagegen  nicht  in  R^  s.  38  f,  obwol  dieses 
e  in  anderen  Wörtern  vor  ht  zeigt;  vgl.  Napier  136,  8. 

h)  =  wests.  eo  vor  rc:  loerc  424;  ebenso  VP  s.  36,  R'  s.  39 
icerc  neben  wcerc  und  weorc;  vgl.  Napier  136,  8. 

i)  =  wests.  eo,  ie,  y,  i  vor  ht  (vgl.  4e):  rehtwisnisse  360. 
auch  VP  s.  34  hat  reht  als  selbständiges  wort  und  in  Zusammen- 
setzungen, R'  s.  39  freilich  neben  unreht  auch  riht,  unriht;  vgl. 
Napier  136,  8. 

k)  in  den  suffixen  -nes,  -eng  neben  -nis  (4c),  -ing  (4c)  und 
ung  (6b):  berignesse  598,  hyrigenge  669.  auch  VP  57  und  R^  50 
kennen  -nes  neben  häutigerem  -nis;  -eng  aber  erscheint  weder 
VP  58  noch  R'  50. 

4.  i  ist  mit  ausnähme  eines  einzigen  Stammes  (s.  7c)  von 
y  ganz  reinlich  geschieden,     wir  finden  es 

a)  =  wests.  i  =  indogerm.  i:  ondwlite  159,  eriste  (dat. ;  ist 
etwa  i  anzusetzen?)  672,  Ms  74.  151  usw.,  him  356.  362  usw., 
hine  216.  432  usw. 

b)  =  wests.  i  ==  indogerm.  e:  gebiddan  5,  bist^  369,  bip  691. 
699.  701.  709,  ic  62.  488,  in  11.  26.  52.  54  usw. 2,  inlehtan  406, 
innopas  394,  is  14.  507,  micel  200  (vgl.  aber  7c),  mid  241.  326. 
495.  657,  middangeardes  Q2S,  middre  694.  704,  mildheortnisse^  210. 

*  bist  und  biß  gehören  hierher,  in  so  fern  sie  ihren  vocal  der  würzet 
es  verdanken. 

^  in  den  meisten  fällen  steht  in  als  präpos.,  was  gegen  wests.  Ursprung 
der  glossen  spricht:  s.  Napier  139,  18. 

3  ob  ?nilde  hierher  gehört  oder  zu  a,  ist  zweifelhaft. 

4* 


52  MERCISCHES 

257.  325.  395,  gemildsige  155,  sibbe  166.  420  (vgl.  4),  siger- 
festnisse  Q5'2,  sint  A6A,  sittap  4^10.  414,  swingelhimbdO,  willa23, 
/js505,  pissum  191.407. 

c)  io  den  suifixeo  ~nis,  -ing  (vgl.  3k):  alesnisse  21S,  cyd- 
nisse  333,  eadmodnisse  185,  ecnisse  140,  forletnisse  392,  halignisse 
358,  hwnisse  405,  mildheortnisse  210.  257.  325.  395,  nacodnisse 
573,  rehtwisnisse  360,  sigerfestnisse  652,  swißmodnisse  654,  upastj- 
nisse  611 ;  penninge  bll :  siehe  VP  57  f,  R' 50.  vgl.  auch  cneo- 
rma  196. 

d)  ==  Wests,  «e,  y,  i  als  umlaut  von  eo;  pe^A<f  176.  auch  VP 
46  kommt  einmal  gefüid  und  einmal  gefiht  vor  neben  dem  häufigen 
gefid;  R*  33  ist  das  wort  nicht  belegt. 

e)  =  wests.  eo,  ie,  y,  i  vor  ht:  cniht  252.  368,  cnihtes  293 
(vgl.  3i).  Fl'  s.  39  hat  nur  cneht,  cncBht,  aber  daneben  riht:  VP 
kennt  nur  e  s.  34. 

f)  =  wests.  eo  vor  h 

a)  =  indogerm.  i:  betwih  703.  Sievers,  der  diese  form  des 
Wortes  aus  anglischen  denkmälern  Beiträge  9,  269  belegt  (vgl.  R^ 
s.  66) ,  nimmt  betwih  an ,  weil  betwih  über  betweoh  ergeben  hätte 
betweh;  aber  auch  seohpe  ergab  sihpe,  siehe  ß. 

ß)  =  indogerm.  e:  sihpe  188;  dieselbe  form  R^  s.  39  öfter, 
während  VP  s.  33  sehde  hat. 

g)  =  wests.  ea,  ie,  i  vor  ht:  niht  705  (vgl.  Id);  ebenso  R' 
s.  39,  aber  VP  33  nur  nceht,  neht. 

h)  =  frühwests.  y  =  umlaut  von  u :  drihten  118.  144.  158. 
174.  601.  626,  drihtnes  379.  397.  512.  606.  656,  driH  abgekürzt 
499,  «fabgekürzt  77.  150.  272.  425.  426.  437.  438.  449.  465. 
481.  der  Schreiber  sprach  in  diesem  worte  offenbar  i.  VP  schreibt 
immer  y:  Zeuner  s.  38,  Sweet  Oldest  e.  texts  572^;  R'  s.  34  f 
gibt  45  mal  dryhten  neben  10  drihten. 

5.    0  ist 

a)  ==  wests.  0 

a)  innerhalb  der  e- reihe:  for  6,  for-  39.  46.  246.  375.  392, 
forjwn  183.  197.  274,  beforan  361,  hörn  286;  vgl.  den  dem 
lat.  Corona  entlehnteu  ersten  teil  von  corenbege  (dat.)  555. 

ß)  innerhalb  der  w-reihe:  bodunge  514,  costung  540,  costunge 
55,  god  (oder  zu  a?)  65.  115.  273.  549,  gode  180,  loccum 
644,  ofer  429.  441.  452.  462.  468.  484.  556.  638,  ofer- 
223.    662. 


MERCISCHES  53 

b)  =  wests.  u:  porh  393  (vgl.  aber  6b).  diese  form  gilt  als 
mercisch:    Sievers  Beiträge  9,  200. 

c)  =  wests.  0,  a  =  urgerm.  a  besonders  vor  resonanten:  gonge 
520,  forgonges  375,  honccrede  707.  712,  honda  580,  ho[n]dum 
316,  hondum  351.  586,  on  29.  64.  70.  75.  128.  130  usw.,  o 
490,  onwled  692.  700.  710,  ondreddende  215,  onfeong  249, 
onsiene  152,  onseone  378,   ondwlite  159,  pon  623,  forpon  183. 

197.  274,  r/onnc  334;  o/ercom  (oder  d?j  662,  from  58.  211.  306. 
311.  315.  541  (doch  vgl.  Ib),  lichoman  132.  572,  iwma  17,  noman 
207.  die  copulalive  conjunction  wird  immer  abgekürzt  28.  38. 
44.  49.  86  usw.  (über  40 mal);  die  form  des  Schreibers  war  gewis 
ond.  VP  s.  10  hat  vor  resonanten  immer  o,  R*  10  f  weit  häufiger 
0,  als  a.     hierher  gehört  auch  of  190.  231.  350. 

6.  U  ist  =  wests.  u 

a)  innerhalb  der  w-reihe:  scuan  (falls  das  wort  nicht  A  hat) 
413,  sunan  478,  sunu  73,  nfan  403. 

b)  innerhalb  der  e-reihe:  fidtum  A9d,  gemunan  SdO,  wunde 
647,  purh  298  (vgl.  aber  5b),  suföx  -ung  (vgl.  3k  und  4c)  in 
gebletsnng  271,  hodiinge  514,  costung  540,  costunge  55,  pro- 
wunge  516,  drowungge  621. 

c)  =  älterem  wi:  cumende  404  (nach  anderen  zu  b). 

d)  in  unbetonten  silben  aus  helleren  vocalen  entstanden : 
fnltnm  493,  licumliare  509. 

7.  y  erscheint 

aj  als  umlaut  von  u:  gebyrde  510,  byrigeiige  6Q9,  byrpenne 
563,  cywe  19,  ?oc«/me  683,  c^n  214,  c«/nne  212,  gefylled '240,  ge- 
fyd  387  (für  gefyld?),  gefylde  280,  hyngriendan  239,  gemyndig 
254,  sci/Wa  41,  sc^/We  47,  s?/Hna  391,  wyrgelse  637,  «//e/e  59, 
nesdyrlum  640,  pyrnenan  554.  aber  es  heifst  immer  drihten; 
s.  4h.  dass  nie  ein  e  als  umlaut  von  m  erscheint,  schliefst 
bei  einem  denkmal  von  der  gränze  des  10  und  11  jhs.  ken- 
lische  herkuuft  aus.  VP  s.  38  f  und  R*  s.  35  haben  fast  immer 
y,  selten  i. 

b)  in  der  reduplicationssilbe   des  Präteritums  von  dön :  dyde 

198.  217.  277.  R'  s.  13  hat  immer  dyde,  VP  s.  118  einmal 
daneben  diden. 

c)  für  älteres  i  in  myclap  171  unter  einfluss  von  lytel  neben 
micel  (4b):  VP  (siehe  Sweet  Oldest  e.  texts  511)  und  R*  s.  9  haben 
in  dem  stamme  immer  i. 


54  MERCISCHES 

8.  ea  steht 

a)  =  urgerm.  a  oline  jede  ausnähme  (vgl.  Napier  135,  3)  vor 
gedecktem  r:  earma  576,  earme  221,  eart  10.  108.  203,  mid- 
dangeardes  628,  gearwien  380  (dagegen  vor  gedecktem  l  bleibt 
a:  Ic).  R'  s.  23  hat  neben  ea  auch  a,  VP  s.  22  neben  ea  vvol 
eo,  cea,  e,  aber  kein  a.  dieses  ea  schliefst  nordhumbrische  her- 
kunft  aus;  vgl.  Sievers  Gr.  §  158,  1. 

b)  =  wests.  a  unter  dem  einÜuss  eines  dunkeln  vocals  der 
nächsten  silbe:  hwlweanwi  QU  (a  bleibt  aber  vor  gutturalen: 
s.  la);  vgl.  VP  s.  29,  Napier  136,  9;  R'  27  f  kein  sicherer  beleg. 

c)  =  eo  =  wests.  ie,  i,  y,  eo:  heara  390 ;  vgl.  VP  s.  30.  64. 
R*  s.  28  zeigt  io,  eo. 

d)  =  wests.  w,  d  =  urgerm.  ai:  deghweamlke  33.  VP  s.  141 
hat  deghwcBmlice,  aber  hweam  verhält  sich  zu  hwcem,  wie  VP  s.  30 
deara  zu  dara. 

9.  eo  (nur  einmal  io  in  siofenfaldlicum  593)  ist 
a)  =  wests.  eo 

a)  vor  gedecktem  r  (aufser  r  +  patatal:  s.  3  h):  eorpan  30, 
heorte  226,  heortan  502,  mildheortnisse  210.  257.  325.  395.  neben 
eo  zeigen  VP  22  f  und  R^  s.  25  f  gelegentlich  auch  ea  (vgl.  8c) 
und  e. 

ß)  vor  einfacher  consonanz :  heofenas  448.  462,  heofenos  679, 
heofenum  12.  27,  siofenfaldlicum  593,  weondd  141.  307.  457.  473. 
715,  weorulde  270.  434.  446. 

b)  ==  wests.  e,  eo 

a)  in  seolfa  566,  seolfum  585.  VP  s.  26  zeigt  nur  eo,  R^ 
s.  26  e  neben  eo. 

ß)  in  weolan  245. 

c)  =  wests.  e:  cweodad  194;  vgl.  VP  s.  31  cweodad,  R*  29 
cweopap. 

ü)^  wests.  ie,y,i:  geofumbM;  vgl.  VP  s.  30,  R'  s.  28. 

10.  ä  ganz,  wie  im  wests.;  zu  belegen  ist  es  nur 

a)  als  präfix:  ales  56,  alesnisse  278,  asette  228,  tipastj- 
nisse  677. 

b)  ==  urgerm.  öl :  a<f336,  ancendanlQ,  gast  85.  125.  178. 
611,  gastes  592,  halgastes  682,  haiig  205.  332,  halga  84.  124, 
halgan  591,  haligra  301,  halignisse  358,  halgastes  6S2,  halwendan 
182,  gehalgad  15,  hlaf  d\,  saule  134.  173, />a  236.  238  usw., 
da  229. 


MERCISCHES  55 

c)  in  dem  temporalen  pa  564. 

11.  a»  kommt  vor  ~ 

a)  ==  Wests.  (2  als  umlaut  von  urgerm.  ai:  onceled  692.  700. 
710,  cer  377,  foemnan  89,  ha>l)nan  661,  hcelend  120,  hwlende  71, 
hcelo  168.  287.  386,  Icede  f)d,  pcem  149.  399.  553.  584.  658; 
vgl.  12e. 

b)  =  wests.  ea  vor  anderen  consonanten ,  als  palatalen  (vgl. 
12g,  17a) 

«j  =  urgerm.  om:  cedigllA:,  ceronaQiS,  hwfde  obS,  hcenisse 
405.  VP  s.  48  hat  gelcefsum,  was  Zeuner  für  einen  Schreibfehler 
hält,  und  einige  mal  e;  K'  s.  20  einmal  edmodap ,  sonst  ce  nur 
vor  palatalen  (s.  40). 

ß)  =  urgerm.  a  vor  h:  t§rum  523;  VP  s.  53  tear. 

c)  in  swde  275,  das  wol  =  scegde  R'  3,  segde  VP  117  zu 
nehmen  ist. 

12.  ß  erscheint 

a)  =  urgerm.  und  gemeinenglisch  e:  Äer  135,  forlet2Aß; 
vielleicht  gehört  auch  ecnisse  140  hierher. 

b)  =  gemeinenglisch  e  durch  dehnung  im  auslaut:  he  227. 
248.  259  usw.,  me  110.  127.  143.  147  usw.,  pe  188,  se  13.  80. 
109  usw. 

c)  ==  wests.  e,  nh.  ce;  bletsa  142,  bletsiat  422,  durch  "&  abge- 
kürzt 435.  447.  458.  474.  477,  gebktsad  106,  gebletsung  271, 
demdon  550,  fet  418.  da  niemals  mehr  ce  vorkommt,  ist  nord- 
humbrischer  Ursprung  der  glossen  ausgeschlossen.  übrigens 
schreibt  auch  VP  s.  43  stets  bledsian,  bledsung,  und  auch  sonst 
kommen  hier  gelegentlich  Wörter  mit  e  statt  mit  oe  geschrieben 
vor  s.  44;  noch  öfter,  als  VP,  zeigt  R*  s.  36  f  e  (auch  ce)  neben 
oe:  neben  zweimaligem  gebloetsad  hat  es  je  einmal  bledsade,  blet- 
sade,  gebletsade. 

d)  =  wests.  ce  =  ahd.  d:  ondreddende  215,  eriste  672,  hwer 
138,  forhtnisse  392,  sede  268,  segon  112,  swe  25.  43.  170.  258. 
294,  per  137;  in  honccrede  707.712  ist  möglicher  weise  kürzung 
eingetreten,  da  das  e  hier  auch  im  wests.  steht  (vgl.  Sievers  Bei- 
träge 9,  200).  da  niemals  ce  erscheint,  ist  wests.  Ursprung  aus- 
geschlossen; vgl.  Napier  135,2.  auch  VP  s.  42  zeigt  niemals  ce, 
wol  aber  R*  s.  17  neben  e  s.  16  f. 

e)  nur  ausnahmsweise  =  wests.  w  =  umlaut  von  urgerm.  ai 
(siehe  IIa):  rerde285,/ere88.646,  ^er  4  (?).    auch  in  VP41  finden 


56  MERCISCHES 

sich  gebreded,  aledde,  emie,  lered,  flesc,  flesce,  wozu  noch  s.  140  f 
(las  häufige  dere  kommt,  und  noch  mehr  belege  für  e  in  R'  36. 
das  pron.  pere  setzt  Sievers  Beiträge  6,  572  mit  kurzem  e 
=  got.  i  an. 

f)  =  Wests,  ie,  i,  p 

a)  als  Umlaut  von  ea  (vgl.  aber  17b):  gecege  4S9,  geceged 
373  (auch  370  beabsichtigt),  gelefu  63,  gelefdon  114,  ?essey^  309, 
aJes  56,  alesnisse  278;  auch  371,  wenn  he  zu  hestan  zu  er- 
gänzen, westsächsischer  Ursprung  ist  hierdurch  ausgeschlossen; 
vgl.  Napier  136,  5.  auch  VP  s.  48  zeigt  immer,  R'  37  f  ge- 
wöhn heb  e. 

ß)  als  umlaut  von  eo  (vgl.  19a):  inlehtan  406,  das  aber  auch 
unter  einwürkung  des  palatals  für  unumgelautetes  (vgl.  18c) 
itileohtan  stehen  könnte,  sowol  VP  s.  36  als  auch  R'  s.  34  zeigen 
in  diesem  verbum  immer  i. 

g)  =  wests.  ea  ohne  ausnähme  vor  palatalen  (vgl.  IIb):  coren- 
bege  bbb,  geecnad  S\,  belec  630.  VP  s.  50f  zeigt  e  aufser  dcßh, 
W  s.  40  e  und  ce. 

13.  1  ist  von  p  reinlich  geschieden  und  steht  nur 

a)  =  urgerm.  i:  idelhende  247,  lice  665,  lichoman  132.  572,. 
licnmlicre  509,  min  177,  niine  172,  minne  492,  rice  21,  sidan 
650,  wisdom  385,  rehtwisnisse  360,  wttga  372,  wügena  302,  ßin 
16.  20.  24,  pines  500,  pinre  181;  vgl.  cri[s]t  72,  cristes  515.  522. 
531  usw.  das  suffix  lic  scheint  in  dem  denkmal ,  wie  im  spät- 
wests,,  durchweg  langen  vocal  zu  haben,  da  für  i  nirgends  e  ein- 
tritt: deghweamliceS3,  so///ce  189. 376.504,  licnmlicre  bQ9,  siofen- 
faldlicum  593. 

b)  ==  urgerm.  i  mit  dehnung:  upastjnisse  677,  swipmodnisse 
654;    vgl.  swi  verschrieben  für  si  169   (siehe  auch  unten  19b). 

14.  6  bietet  nichts  vom  wests.  abweichendes;  es  ist  zu 
belegen 

a)  =  urgerm.  ö:  domum  545,  wisdom  385,  donne  324,  fota 
519,  godum  2A'2,  hof  2db,  gelocap  184,  mode  224,  eadmodnisse 
185,  swipmodnisse  Qb4t,  rode  560.  582.619,  roddebQS,  swordZQ, 
to  18.  36.  161  usw.,  tocyme  683,  proiounge  516,  droioungge  621. 

b)  aus  ursprünglich  kurzem  vocal  gedehnt:  soplice  189.  376. 
504,  tostencd  222. 

c)  =  got.  e,  ahd.  d  vor  einem  resonanten :  mona  690.  698, 
monan  480. 


MERCISCHES  57 

d)  =  gol.  ai:  no  111.  auch  VP  (Sweet  Oldest  e.  texts  585") 
und  R*  s.  19  haben  no. 

15.  Ü  zeigt  ebenl'alls  nichts  vom  wests.  abweichendes;  es 
kommt  vor 

a)  =  urgerm.  ü:  butan  348,  huse  290;  up  hatte  wol  auch 
noch  langen  laut,  da  es  nie  mit  pp  geschrieben  wird:  234.284. 
430.  442.  453.  469.  677. 

b)  gedehnt  aus  u:  mup  299,  ur  32.  78.  119,  ure  7.  48.  352. 
365.  417,  urum  263.  312.  327.  342,  ns  35.  40.  45.  57  usw., 
usic  401,  nser  600,  usser  625,  uses  396.  655,  nsses  511.  605,  ussa 
42;  pu  9.  107.  201.  367.  374,  nu  50(?). 

16.  y  ist  zu  belegen 

a)  als  Umlaut  von  «.cj/f/nme  333,  oferdhydge  223.  hierdurch 
ist  kentischer  Ursprung  ausgeschlossen. 

b)  im  instrumental  ßy  636;  ebenso  VP  141  und  W. 

17.  8a  ist 

a)  =  wests.  ea  (vgl.  aber  IIb  und  12g):  eadige  192,  ead- 
modnisse  185,  eadmodan  237. 

b)  mit  unterbliebenem  umlaut  =  wests.  le,  i,  ^:  e^eato  148; 
bei  diesem  verbum  unterbleibt  der  umlaut  auch  in  VP  s.  49  (wo 
aber  eo  neben  ea  vorkommt)  und  R*  s.  58. 

18.  ßo  (nur  zweimal  ist  to  geschrieben:  Aio  388.  547)  ent- 
spricht 

a)  wests.  eo  =  urgerm.  eu:  beon  344,  ciieorissa  196,  deofle 
542,  leoh[t]  629,  neosade  402;  vgl.  hw  388.  547. 

b)  anderweitigem  wests.  eo:  feonda  353,  feondum  313,  feodon 
320,  gefreode  354,  deowende  355. 

c)  mit  unterbliebenem  umlaut  wests.  ie,  i,  p  (vgl.  12f /?  und 
19a):  onseowe  378,  deostrum  4[2.  der  umlaut  unterbleibt  immer 
in  R'  s.  38  und  so  gut  wie  immer  VP  s.  50.  vgl.  auch  Na- 
pier  136,  7. 

d)  wests.  e  in  folge  einer  analogiebildung :  onfeong  249 ;  VP 
s.  101  und  R*  s.  8  haben  onfeng. 

19.  le  ist  nur  zweimal  zu  belegen 

a)  =  wests.  ie,  i,  p  als  umlaut  von  eo:  onsiene  152  (neben 
onseone  18c).     in  VP  50  zeigt  dieses  wort  immer  ie. 

b)  in  dem  ursprünglich  zweisilbigen  sie  22  (vgl.  si  13b).  auch 
in  VP  s.  96  ist  dies  die  gewöhnliche  form. 

20.  die  consonanten  bieten   nur  zu  wenigen  bemerkungen 


58  MERCISCHES 

anlass.  unberechtigte  geminalion  finden  wir  in  loccum  644,  honc- 
crede  707.  712,  ondreddende  215,  rodde  568,  mivhtiggan  230, 
drowungge  621,  donne  334,  lessep  309.  umgekehrt  wird  im  iu- 
laut  nur  ein  consonant  geschrieben  statt  der  geniination  in 
meniscum  544,  snnan  478.  man  vgl.  ferner  sint  464  statt  sind 
und  t  statt  p  im  ausJaut  bletsiat  ATI,  hergiat  427.  g  ist  mit 
vorhergehendem  ^■  zu  i  verschmolzen  in  upastjnisse  677;  vgl. 
auch  halgastes  682  =  haliggastes.  w  hat  sich  vocaiisiert  in  saule 
134.  173. 

21.  was  die  verbalQexion  anbelangt,  so  finden  wir  als  1  pers. 
sing,  praes.  ind.  gelefu  63,  daneben  aber  auch  gecege  489  (VP 
s.  92  f  hat  in  der  regel  die  enduug  u(o),  nur  selten  e) ;  als 
2  forgonges  375,  aber  bist  369  (VP  94  zeigt  meist  s,  aber  es 
heifst  auch  hier  gewöhnlich  bist);  als  3  gefihd  176,  tostencd  222, 
vielleicht  auch  gpfylljd 'dSl ,  et  fest  Gl  2  (das  aber  auch  für  etfeste 
verschrieben  sein  konnte),  dagegen  gefylled  240,  lessep  309; 
ferner  gelocap  (a  aus  e  gebessert)  184,  mydap  171;  aufserdem 
bip  690.  699.701.  709  und  is  14.  507:  mit  den  syncopierten 
formen  sind  in  VP  94  cyd,  gefihd  (gefiht),  gefoeht,  seid  zu  ver- 
gleichen, im  plural  sind  zu  belegen  cweodad  194,  sittap  410. 
414,  forgef  statt  forgefap  46;  aufserdem  sint  464.  vom  conj. 
praes.  kommt  nur  die  3  pers.  sing,  vor:  cyme  19,  gemildsige  155, 
sie  22  (vgl.  swi  für  si  169).  imperative  sind  ziemlich  viel  vor- 
handen: forgef  ^9,  sihpe  (vgl.  oben  At'ß)  188,  geb  st.  gebide  494:, 
gehaldna.  146;  sele34.  164.497,  Iwde  53,  gecer  157,  eteaw  148, 
ales  56;  6/efsa  142;  im  plural:  hebbad A'dl.  443.  454.  470,  here- 
gap  439,  hergap  450.  466,  heregiap  482,  aber  auch  hergiat  427 
und  bletsiat  A22  (öfter  durchs  abgekürzt:  siehe  oben  12c).  von 
infinitiven  kommen  vor  unflectiert  gebiddan  5,  inlehtan  406, 
^earwjen (so!)  380,  ^emMna/t  330,  6eoH  344;  flectiert  seZ/e/aie  384, 
gereccenne  416  (VP  98  kennt  kein  -anne),  donne  324.  participia 
praesentis:  sprecende  261.  297,  cumende  404,  swergendan  335, 
ondreddende  215,  seilende  346,  hyngriendan  239,  deowende  (vgl. 
VP  114,  INapier  137,  14)  355.  im  prät.  sing,  sind  nur  belege 
für  die  3  person  vorhanden:  cioe/  61.  69.  90.  92.  94.  96.  98.  100. 
102,  wes  82.  253.  255.  260.  296 ;  ber  569,  ofercom  662 ;  belec  630 ; 
hof2dö,  sujor  339;  forlet  2AQ,  onfeong  2A9.  asette  22S,  gefylde 
280,  rer(/e  285,  berigde  602,  scßrfe  275;  neosac/e  (VP  s.  114  f  hat 
bei   schw.    verben    der    2  classe  überwiegend   -ade)  402;    dyde 


MERCISCHES  59 

198.  217.  277.  prät.  pl.  segon  112;  gelefdon  114,  demdon  550; 
feodon  320.  partic.  praet.  geceged  370.  373,  onceled  692.  700. 
710;  gebletsad  106,  geecnad8\,  gehalgad  \b  (VP114f  zeigt  im 
partic.  der  schw.  verba  2  cl.  fast  immer  a);  flectiert  gefreode  354. 
22.  aus  der  declination  ist  nur  weniges  hervorhebenswert. 
im  nom.  acc.  pl.  der  männlichen  a- stamme  kommt  neben  der 
viermal  zu  belegenden  endung  as  (heofenas  448.  463,  dagas 
364,  innopas  394)  zweimal  os  vor:  apostolos  686,  wo  man  an 
den  lat.  acc.  pl.  denken  könnte,  aber  auch  heofenos  679.  angela 
436  ist  verschrieben  statt  angelas  oder  eine  bildung  nach  der 
M- declination.  beim  st.  fem.  finden  wir  im  casus  obl.  der  ver- 
balsubst.  auf  -eng,  -ing,  -ung  nur  die  endung  e,  nicht  a;  gen. 
prowunge  516,  dat.  bodunge  514,  byrigenge  669,  penninge  bll^ 
drovDungge  621,  acc.  costnnge  55  in  Übereinstimmung  mit  VP  126. 
mildheortnisse  ist  210  nom.  sing,,  wie  VP  s.  125;  weoruld  141. 
456.  473  acc.  sing.,  wie  VP  s.  129.  neben  scylde  47  und 
weorulde  446  finden  wir  als  pl.  auch  scylda  41  und  cneorissa 
196,  während  VP  s.  126.  129  bei  den  a-  und  ^•-femininen  für 
den  nom.  acc.  pl.  nur  die  endung  e  kennt,  vom  st.  neutrum 
seien  die  pl.  loerc  424,  «oefer  459,  megne  476  erwähnt,  von  der 
schwachen  declination  der  gen.  pl.  a>rona  643  neben  witgena  302. 
die  declination  \on  feder  lässt  sich  im  sing,  vollständig  belegen: 
nom.  feder  8,  gen.  fcedor  615,  dat.  feder  343,  acc.  feder  66; 
vom  pl.  nur  dat.  fcedrum  264  und  fqderum  328.  neben  dem 
dat.  sing,  iiöehte  131  kommt  auch  neht  695  und  niht  705  vor. 
aus  der  declination  der  adjectiva  ist  zu  erwähnen,  dass  der  st. 
nom.  acc.  pl.  aller  geschlechter  auf  e  ausgeht:  363  alle  dagas, 
aWe  503,  mcBhtige  21S,  oferdlujdge 'l'!^,  idelhende  247;  alle  cneo- 
rissa 195;  alle  werc  423,  alle  megne  475.  beim  pronomen  der 
1  person  ist  der  acc.  pl.  neben  ms  (57.  310  usw.)  auch  noch 
usic  401  (ebenso  VP  140),  während  das  wests.  usic  nicht  kennt, 
der  nom.  acc.  pl.  des  geschlechtigen  pronomens  ist  nur  als  hio 
388.  547  zu  belegen,  der  gen.  nur  als  heara  390  (vgl.  VP  140). 
das  Possessivpronomen  ur  32.  78.  119  (daneben  ure)  kommt  auch 
VP  140  vor;  pl.  fem.  ussa  42. 

'^ge 
5'  ^pe  am  rande  rechts      8'  Audiens     rechts  am  rande  ^pet 
10^ oben  am  rande^/ersjft  (nicht  ganz  sicher)  10^ oben  ^gebiddan  ^for^ 
*  einiges  hier  für  mich  unlesbar. 


60 


MERCISCHES 


IV  Oratio  dominica.i 


'' ure      ^  feder     ^  pu  ^°  eart  ^^  in  ^^  heofemim 
Pater   ooster,     qui     es         in         caelis, 
^^  pin     "  nonia  ^^  to  ^^  cyme     '^'^  pin     ^Wice 
Domen   tuum.      adueuiat      regaum    tuum. 
-*  ptn     ^'  swe     -^  in     ^'  heofenum     ^*  7     ^^  on 
tua,      sicut        in  caelo,  et        in 


'>e  '"  IS  '*  gehalgad 

sancliücetur 
sie     ^  willa 
at     uoluntas 
'  eorpan    ^'  hlaf 
in         terra.       panem 
to  ^'deg     ^'7     ^\forgef 
hodie.         et      dimitte 


^'^  nr     ^^  deghweamlice     ^^  sele     ^^  us 
nostrum    colidianum^  da      nobis 

*°iis        "^  scylda      '''^  nssa        ''^  swe         '"'7       "^  us  "^for-gef 

nobis         debita         nostra,       sicut           et         nos  dimitlimus 

^^  scylde      "^  ure    ''^  7  '""  nu^     ^Us  ^'^in^^lcede^  ^Un  ^^  costunge 

debitoribus  nostris.  et       ne       nos  inducas(12'^)  in  teratationem, 


sed  libera     nos 


^*  from 
a 


"yfele 
malo. 


' petrus''     ®^  cwep 


Symbulum  apostolicum.ß 

^^  gelefu  ^^  on  ^^  god  ^^  feder 
Credo  in  deum  patrem  omnipo- 
tigne  ®*  andre  ^^  cwep  '"'  on  '^  hcelende  "^^  crit^  "  sunu  "  Ms 
lentem       et  in         lesum     Christum,  filium      eius 

"  on     ■'^  ancendan        "  d         '^  ur       ^^  iocobus^   *"  se    ^'  geecnad 

unicum,  dominum  nostrum,  qui       natus 

^^wes     ^^  se     ^^halga    ^^  gast    ^"7     ^'' mariam     ^^  pere    ^^  fcemnan 

est        de       spiritu    sancto     et  Maria  uirgine. 

im  folgenden  nur  noch  vor  den  einzelnen  artikeln   ^°  cwed  ^'  iohen- 
nas^   ^^  cwed  ^^pkilippus  ^'^  cwed  ^^  bartholomeus 
'•*'  cwed   ®^  matheus    ^*"'  cwed    ^°*  iacohus    '"^  cwed 
theus^     "^  mathias 


cwed 


tomas 
'^  ta- 


12' 


^  ge-bletsad 
Beatusio 


°'pu 

es, 


eart 


qui 


me 


non 


112 

uidisti 


'"/a   ^^'' ge-lefdon 
et'i      credidisli. 


1  Überschrift  rot.  -  cotidianum  auf  rasur,  auch  dahinter  noch 

rasur.         ^  nu  wol  und  nicht  hu;  auch  in  "noma  ist  der  erste  strich  von 
n  etwas  höher,  als  der  zweite.  '•  de  und  zum  teil  ce  aufgefrischt. 

5  a  les  über  sed.  "  Überschrift  rot.  '  60.  61.  68.  69.  79.  90  —  105 

scheinen  mir  von  anderer   mit  den  glossen  gleichzeitiger  hand  geschrieben, 
von   der  auch  die  notizen  auf  44''  herrühren  (siehe  unten  nr  688 — 712). 
8  so  hs.  ^  tatheus  zweimal  geschrieben,   aber  das  zweite  mal  getilgt. 

>°  anfang  von  Christi  brief  an  Abgar.  "  quia  über  et. 


MERCISCHES 


61 


'''god             '''almahttg         >"  7  ''' drihten          ''' ur 

13^  Deus           omuipotens           et  dominus          noster 

?lend      '^'xpi^      ''^7     '^se     '^'halga  '^^  gast       ''"  ge-hald 

sus        Christus       et            spiritus  sanctus       cuslodiat 

i      '^'on       '^'dege       ""ow       ''' nwhte  ''- lichoman      "^7 

diebus  ac         noctibus,  corpus            et 

-  '-      '"'          '""^      '-"ber      '""hwer  ''' on     '">  ecnisse 


lesus        Christus 
'""me      '^'on      ''' dege 
me  diebus  ac 

"*saul€      "'her      ""7 
animam,         hie  et 

"'  weoruld 
saecula. 

'*'^  bletsa         '"  me 
ßenedicat  me 

^*^eteaw       ^''^  p^m 


137  ^g^ 


r      "^  hwer      '^^  on     ""  ecnisse 
ubique  in     sempiterna 


'^^  drillten 

dominus 

'"  his 


145  7 

et 


146 


■  -  gehald       "^  ?ne 
custodia!         me, 

153  ^g  154  7 


"efeaio       "«/»cw        '^o  ^       '"  Äis       '^'^  onsiene       '"' me       '"7 
ostendat  que         dominus         faciem  suam-  mihi         et 

^  gemildsige     *°^  me      '"  gecer      *^^  drihten      '^^  ondwlüe      '^°  ä?s 
miserealur        mei:     conuertat      dominus         uultum  suum 

*fo      •«='me      '''7      '''sele     ''' me     ''' sibbe     '''7      '''hado 
det         mihi       pacem        et     sanitatem. 


"  gemiiasigi 
miserealur 

"» to      '''  me 
ad  me 

170 


'  swP 


"'  mydap 
Masnificat 


13^  Hymnus  sanctaß  Marise.4 

"^  mine     "^  saule      '"  drihten 
auima  mea        dominum, 

in        ^^^  Qode        ^^^  ßinre^ 


deo 


'"  gast 

mens  in 

^^"^  gelocap^ 
respexit 
'*^  soplice 
euim 

'^^  flWe       ''^  cneorissa      ' 
omnes     generationes; 
^  mcehtig       ^°'  earf 
polens 
7     ^°*  Äjs 


'^^  eadmodmsinisse^ 

humilitatem 
'"o/"       ''>'pissim 
ex  hoc 


"    »HU 

Spiritus 
"^  forpon 

quia 
>»»  sjÄ/e 

ecce 
"^  cweodad 

dicent 
^""  mjceZ 
magna, 
^"■^  noman^ 

eins,  et  misericordia  eins 

^"  in       ^"'  c^n      ^**  ondreddende 

in     progenies       timentibus 
^'^  on         ""  his         ^■-'  earme 

in  brachio  suo, 


salutari 


'7 

et       exultauit 

'^^  halwendan 

meo: 


ancellaeä 
*''-  eadige 
beatam 


en 


'°'pu 
qui 


forpon 
quia 

204  J 

est,  et 

mild-heortnisse 


*  so.         ^  sua?n  über  der  zeile. 
1,46 — 55.         ^  a  über  e  dieselbe  hd. 
'  so!  zwischen  den  beiden  teilen  dt 


^^*  dyde      '^^  me 

fecit        mihi 

^''  haiig      ^  his 

sanctum     nomen 

"^  from     ^^^  cynne 

a  progenie 
dyde       ^^^  mwhtige 
fecit         potentiam 
^^^  oferd-hydge"' 
dispersit  superbos 

so  hs.  "•  Überschrift  rot;  Luc. 
^  der  strich  bedeutet  zeilenschluss. 
wertes  steht  ein  punct  in  der  hs. 


^''  hine       "" 

eum. 
'-^  to-stenzd 


62 


MERCISCHES 


^"  mode      "'  his 
mente       cordis 


"•^  heorte 
sui. 

233  y 


238 


'''  seile 
de  sede  et 

pa         -^'-^  hyngriendan 
esurientes 
37    ^''pa     -'Uceolan    ^'^  for-let 
et  diuites  dimisit 

"  israhel 
Israhel, 


^'^  he    2^«  ase«e 
deposuit 

'  «P  235  y^^^ 


exaltauit 

^'"gefylM 

impleuit 


his       2^2  cw^/i? 
puerum  suiim, 


^"  idel-hende 
inaues. 

^^  wes 


his      ^^^  mild-heort-nisse 
misericordiaei        suae, 
to     ^®^  wrwm     2"*  fcüdrum 
patres         noslros, 
«H       2'"  weorulde 
usque  in     saeculum. 


ad 

269 


2SS  jyjg  259  /jg 

sicut 
Abraham 


'  </a     ^°mcehtiggan 

potentes 
/a       -^'  eadmodan 

humiles. 
mid         2"^  godum 
bouis 
2''«Ae    ^'^onfeong 
suscepit 
''  gemyndig       ^^^  wes 
recordatus  est 

wes     2®^  sprecende 
locutus  est 
^  /»s        ^^*  secZe 


260  , 


et 


et 

284 


14'  Canticum  Zachariae.2 

'^'  ge-bletsung        ^^^  ff        ^"^  ^-orf  ^^  forpon       ^^^  sfcde 

BEuediclus       dominus   deus  Israhel,      quia  uisilauit 

^'•' dyde     ^-"  alesnisse    ^''he   ^'^  ge-fyl-de     ^''7  ''^  he    ^''' us 
fecit     redemtionem   plebi          suae           et  erexit 


up 


2^'  dauides 

Dauid, 
'''ßurh 


rerde 

^'^his 
pueri 


est 

303  his 

suorum, 
309  lessep 
liberauit 
315  ^Y-om^ 
de 


"99  mup 
per 

304^^  30, 

qui 

310  ^g  31 

nos 

3'^  hodum^ 
manu 
322  rfe^e       323  fQ 


2«e  Äom 

cornu 

293  cnihtes 

sui, 

OS 

306  ßg 


2«^  A(B?0 

salutis 

294  5y,g        29! 

sicut 
30'  haligra 
sanctorum 

306  f^Q^ 

a 


'  in      290  ^^jg 
in  domo 

29^  sprecende 


312 


oderunt. 


^  /rom        •"'  wrwm 
ab  inimicis 

3"  allra        '''  de 
omni'um,        qui 
32*  donrie 
ad       faciendam 
32^  f^derum  329  7 

noslris  et 


nobis 

locutus 
3*'2  witgena^  wit-gena* 

prophetarum 

30^  Mjeon(/rf  '"'  7 

saeculo    sunt.       et 

3'3  feondum        ^'*  7 

nostris  et 

9  HS        ^20  feodon 

nos 

^  mildheortnisse       326  ^j-^Z 

misericordiam 


^"  gemunan 
memorari 


cum 

331  his 


patribus 

1  m*eri  undeutlich.  2  Überschrift  rot;  Luc.  1,  68 — 79.  3  ^  über 

der  zeile,         ■*  so  doppelt  in  der  hs.  ^  obgleich  das  wort  ausgeschrieben 

ist,  steht  doch  ein  strich  über  0:  vielleicht  war  dieser  für  die  nächste  glosse 
bestimmt.  ^  so  statt  hondum;  vgl.  die  vorhergehende  anm. 


MERCISCHES 


63 


^^2  haiig         ^^^  cydnisse 
testamenti  sui  sancti, 

337 ^g  338  /jg  339  ^^^y. 


'°  to         ^"^  habrahame 

ad  Abraham, 

^'^  seilende        ^'' pet 


quod  iurauit 

^'^  /ierfer        ^^'  6eon        ^''•'^  ws        ^^^ 
uostrum,  daturum  se  nobis*,  ut 

349  g^ß       330^^       siihojtdum       ''^ure'^       ''' feonda 
de  manibus     inimicorum    noslrorum 

^^^  deo-wen-de     ^^*  /??m     ^^'  in     ^^*  halignisse     ^^^  7 

seniiamus  illi  in 

30«  öe/braH      3«2  /j«m       ^63  ^^^g 

coram  ipso       omnibus 

3«8  cw«Af      ^«^  bist      3^°  5ec<7e(f5 

puer,  propheta 

"^  pu      ""^'^  forgonges     ^'^^  soplice     •"■  cer      •""  onseone 

praeibis  enini 

^^^  gearwien        ^*'  his       '"'^^  weg 

paraie  uias  eius 


^^^  ^o«7ie  ^^^  swergendan  ^^^  ad 

iusiurandum, 

^  -  wr?mi 
patrem 

sine  tiinore 
^^^  gefreode 
liberati 

sanclitate         et  iuslitia 

''Ulagas      ''' ure  ''^7      ^^' pu 

diebiis       nostris.  et           tu, 

^"  he : :  :*     ^^^  witga  "*  geceged 

allissimi  uocaberis^; 


•"'  wr 
ante 

ad 


drihtnes 


''ncelo        ''' gefyd^        "'' hio-i  '''in 

salutis             plebi              eius  in 

^^^  for-let-nis-se          ^' porh  '^*  innopas 

peccatorum  eoium  per  uiscera 

^^^uses        ^^'^  drihtnes        ^'^  on  '^^ pwm 

dei**                noslri,               in  quibus 
''°'  ufan        '"^  cumende 
oiiens 

'^pa  '°'pe 


sittap 
qui     in 
sittap      ''Uo 


i'aciem  (14^)  doniini 

^^^  sellenne       '''"  loisdom 

dandani  scientiani 

^^^  heai^a        ^"^  syntia 

remisioueni 

'^'  mild-heortnisse 

misericordiae 

^o"  he         ^°'  us-ic 

uisitauit 

"^  hcenisse  ""^  inlehtati 

ex  allo  inlumiuare 

^^'^  deostrum 


^"  in 
tenebris 


'°  gereccenne 
dirigeudos 


d 


d 


""  ure 
pedes 


hergiat 


""-  neosade 

nos 

'^'^'^  pissum 

his, 

■^'^  sciian^ 
et  in  umbra      mortis         sedent,        ad 
''' fet        ''^in         '^"sibbe         '-' wege 
nostros         in  uiam  pacis. 

^22  Uetsiat         ^^  alle    '-'  werc 
lö'^Benedicite^o^    omnia      opera     domini,  domino;    laudate 
428  7      ^^ofer      ''°up      '^'hebbad     ''' hine      '''in      '"weomlde 
et  superexaltate  eum  in  saecula. 

*  daturmn  se  nobis  über  der  zeile  nachgetragen  von  derselben  hd. 
2  dahinter  etwa  8  buchstaben  radiert.         ^gQfjjgj^g.  vgl.  373.        ''mehrere 
buchstaben  unerkennbar:   zu  erwarten  hesian.  ^  b  über  getilgtem  u. 

^  so  hs.  für  gefyldl   vgl.  glosse  280.  ''  so  hs.  »  die  hs.  hat  dei 

(abgekürzt),  nicht  rfoTwm/.  ^u  undeutlich;  die  glosse  gehört  natürlich 

zu  timbra.  *°  Daniel  3,  57—62.     auf  s.  15  steht  oben  am  linken  rande 

gebdas;  vgl.  glosse  494. 


64  MERCISCHES 


'''t          '^ttngela^ 

*3'  ^          ^3«  ä          '''  heregap 

4407 

5,               augeli 

domini,     domino;           laudale 

et 

'''  ofer        '''  up 

'''hebbap         '"hine        '"in        '" 

weorulde 

superexaltate                         eum            in 

saecula. 

^"t       '''heofenas 

'"d      "nergap       '''7       "'ofer       "'up 

B,              caeli, 

domino;     laudale           et          superexaltate 

'''  hebbap        ■'"'  hine 

1         '''in        "'iceoruld        "'t 

'^^  weter 

eum 

in             saecula.            ^, 

aquae. 

''°pa         '''pe 

^62  Qß^                   463  JißQßyids                   '''  Siut 

465^ 

quae 

super               caelos               sunt, 

domino; 

"''  hergap         ^"  7 

'''  ofer         "'  up         ""  hebbap 

'■"  hine 

laudate             et 

superexaltate 

eum 

''^  in      ""  weoruld 

"'  t      '■"  alle      ""  megne 

in           saecula. 

^,        omnes       uirtutes     domini, 

domino ; 

"'t         "^sunan        "^7        ''°monan 
laudate  et  superexaltate.      B,  sol  et  luua, 

481  ^        482  jiß^ggiap         '^^  7         '''  ofer 
domino ;        laudale  et  superexaltate  eum  in  saecula. 

19' oben  rechts  ^''^ef       "' os'^       "'alle       "' ic      "' gecege 
Hos        omnes  inuocabo 

490^,3      491  j,^      '^'minne        ">' fultwn 
in  auxilium  meum.     sancla  Maria  semper  uirgo, 

494  ^gJ4  495  ^^^         496  ^H^^ 

beata  et  gloriosa  dei  genelrix,  inlercede  pro  me   cum       omnibus 
simul  sacris  uirginibus. 

'^^  sele      '^'me      '^^  drifi      ^'^pities      ^°' eges       '■"-heortan 

12^  üona     mihi,      domine,     timorem       tuum,  cordis 

conpunclionem. 

^"'  alle      ^  soplice 

2A^  Omnis  autem  rede  quaesiuit,  quem  tu  recte  quaerere 
fecisti. 

25"^  oben  am  rande  f  ^^pis  gebed  is  he  licum-licre  ^^'^  gebyrde 
usses  drihtnes.  anfang  des  gebeles  Altus  auctor  omnium  cre- 
aturarum. 

29'^  oben  am  rande  ^'^  be  hodunge  ^'*  cristes  prowunge  7  his 
fota  ^^°  gonge,  anfang  Cunclis  uia  es  ad  uitam.  ebenda  in  der 
mitte  ist  über  dem  anfang  Domine,  deus  meus,  qui  es  fons  omnis 
innocenliae  eingeflickt  ^^'  be  cristes  tqrum  7  ^^^  be  his  ge-be-de. 

30'^  in  der  mitte  über  Ego  seruus  tuus,  lesu,  tili  magni  dei 
eingeflickt  ^^®  be  his  '"'^  swingellum  cristes  7  be  his  ^'^  benduni. 

'  so  hs.         2  so  hs.         ^  von  a.  hd.  zu  oJ>.         *  dh.  gebide. 


MERCISCHES  65 

30'' oben  am  rande  ""  6e  cristes  festenne  7  ^^^  costung^  from 
deofle  über  Beata  benedicta  incarnataque  clemenlia.2 

31'  oben  am  rande  "He  meniscum^  ^''^  domum  de  Mo  on 
god  ^^°  dem-don  über  P'idelium  omnium  aequissimus  iudex,    inner- 

"'  all 
halb  dieses  gebetes:  ab  omnihus  absohie   iiiuculis.     in  der  mitte 
der  Seite   ^^-  be  poem  pyrnenan  ^^^  corenbege  ofer  cristes  hcefde  on 
^^°rode  eingeflickt  über  Gentium  sola  uitae  expectatio.4 

31^  zvviscben  4  und  5  zeile  ^^^  be  cristes  byr[)enne  pa  ^^^  he 
seolfa  his  rodde^  ber  eingeflickt  über  Humilis,  excelsa ,  sancta 
singularisque  pietas. 

32'  oben  am  rande  ^™  be  cristes  lichoman  na-cod-nis-se  über 
lesu ,  domine  deus,  uia,  uita  ac  ueritas  caelestis.  ebenda  ziem- 
lich weit  unten  ""  be  "*  cristes  earma  penninge  7  his  **°  honda 
on  ro-de  über  Karitatis  auctor,  castitatis^  doctor. 

32''  mitle  ^^^  be  pcem  ^'^  seolfnm  hondum  cristes  7  his  ^^°  des 
halgan  gastes  siofenfaldlicmw  geofnni  eingeflickt  über  Lux  lucis 
inluminans  mundum. 

33'  zwischen  4  und  5  zeile  ^^^be  des  gallan  berig-nesse  de 
"^^  user  drihten  berig-de  eingeflickt  über  Magister  hone,  deus  mens, 
deus  exercituum. 

33^  oben  am  rande  '^°^ pet  und  dann  weiter  unten  und  rechts 
be  ^°^  Misses  drihtnes  gebede  de  he  ^'°  his  gast  et-fest  on  his  "'*  fwdor 
gewald  über  Nomen  tibi  est  Emmanuhel^,  noui  testamenti  lauda- 
bilis  lator. 

34'  oben  '^"  be  cristes  rode  '*^*'  7  dro-wnng-ge  über  0  uuige- 
nitus  dei  ülius,  qui  mihi  munus. 

34^^  oben  ^-'- be  pon  pe  ^-^  usser  drihten  alles  middan-geardes 
leoh"^  ^^'^  belec^  über  Princeps  pacis,  patientiae  doctor.  ebenda 
zwischen  der  5  und  4  zeile  von  unten  ^^^  be  cristes  stenc'  7  ^^^be 
py  wyrgelse  ofer  cristes  ^^°  nes-dyrlum  über  Quaes,o^  te,  praeclare, 
clementissime  deus,  ut  tu,  qui  omnium  odore  repletus  fuisti  uir- 
tutum  et  in  suppremo  fine  uenerabilis  uitae  narem  claudendo 
omisisti  spiritum  usw. 

35'  mitte   ^''^  be    cristes   cerona  loccum    über   Rex   regum   et 
1  so  hs.         ^  dieses  gebet  hätte  das  zweite  sein  sollen!         ^  so;  i  über 
der  zeile  nachgetragen  von  derselben  hd.         ''  s  vor  p  getilgt.        ^  hs.  castatis. 
^  das  zweite  m  über  der  zeile.         '  so  hs.         ^  belec  nicht  ganz  deut- 
lich; in  dem  gebete  heifst  es  ua.:  cum  fuisti  oblatus  patri  pro  salute  mundi, 
tua  uenerabiüa  per  mortem  clausisti  lumina.  ^  Quae  :  so. 

Z.  F.  D.  A.    XXXm.    N.  F.    XXI.  5 


66  MERCISCHES 

dominus  dominantium,  tu,  qui  aures  tuas  pro  me  miscro  in  mortis 
articnlo  claudere  permisisti   usw. 

35"^  zwischen  2  und  3  zeile  ®^*  be  pere  lounde  on  cristes 
"°  sidan  über  Sancte  saluator,  sanitas  pereuntium. 

36^  zwischen  2  und  3  zeile  ^^'  be  siger-festnisse  7  sioipmod- 
nisse  ^'^  nses  drilitms  mtd  pcem  he  ^°°  pa  ha/man  ofer-com  über 
Te,  forlissime,  magne,  potens  domine,  qui  solus.^ 

36^^  zwischen  5  und  6  zeile  *"'^  6e  cristes  ^^^lice  7  be  his  by- 
rigenge'^  über  Verus  largitor  uilae  perpetuae. 

37'"  mitte  ""  be  cristes  eriste  fram  hcelweanim  über  Christel, 
qui  es  uita  morientium  et  salus. 

37"^  oben  ^'''^be  cristes  npastjnisse  on  heofe-nos*  über  Ymnorum 
solus  dignus  laudibus. 

3S'  zwischen  7  und  8  zeile  ^^°  be  pes  halgastes^  tocyme  on 
®**  cristes  apostolos^  über  Zelotis ,  sempiterne  deus. 

39'  rechts  am  rande  ®"/a. 

44'  am  rande  rechts^  ^^^  lanuarins  se  ^^°  mona  bip  onceled 
et  middre  ^^^  ne[h]t^  feoruari[us]"  se  mona  hp  ''^onceled  bip^ 
o[n]^  betwih  middre^  ™^  niJit  7  honccrede:,  martius  bi[p]^^  '''"  onceled 
et  honccred[e]^^  a>2 

50'  im    Carmen  Sedulii   de  natale  (so  I)   doraini   nostri  lesu 
''^  cedig      ''^^  weoruld 
Christi:     Beatus  auctor  steculi. 

*  von  beiden  finde  ich  nichts  in  dem  gebet:  nur  antiqiium  siipei-asti  ini- 
micum.  ^  ri  durch  ligatur,  ^  xpe  hs.  *  so  hs.  ^  von  derselben  band, 
die  12'"  die  apostelnamen  hinzugefügt  hat  (siehe  s.  60  anm.  7).  ^  das  h 

am  ende  der  zeile  weggeschnitten,  '  s  und  ein  teil  von  u  am  ende  der 

zeile  weggeschnitten.         ^  n  teilweise  weggeschnitten,    der  Schreiber  wollte 
offenbar  onceled,  wie  bij),  widerholen.  ^  e  über  der  zeile.  '°  p  weg- 

geschnitten.        *i  e  zum  teil  weggeschnitten.  ^^  war  jedesfalls  anfang 

von  aprilis, 

Berlin,  pflugsten  1888.  JULIUS  ZUPITZA. 


COLLATION  DER  ALTENGLISCHEN 
GEDICHTE  IM  VERCELLIBUCH. 

Es  dürfte  nicht  ganz  ohne  nutzen  sein,  wenn  ich  das  ergebnis 
einer  vergleichiing  der  in  der  hs.  von  VerceUi  enthaltenen  ae.  ge- 
dickte, die  ich  bei  einem  mehrwöchigen  auf  enthalt  daselbst  in  diesem 


COLLATION  DER  AE.  GEDICHTE  IM  VERCELLIBÜCH  67 

Sommer  vorgenommen  habe,  hiermit  der  öffentlichkeit  übergebe,  von 
einer  mitteihmg  meiner  collation  der  Elene  konnte  ich  absehen,  da 
sie  Ziipitza  für  die  demnächst  erscheinende  neue  aufläge  dieses  ge- 
dicktes benutzt,  die  nachfolgende  collation  umfasst  daher  nur  den 
Andreas  und  die  kleineren  gedickte. 

Die  ks.  selbst  ist  bereits  von  Wülker  (Grundriss  s.  237  ff) 
ausführlich  beschrieben  worden:  es  sei  mir  indessen  gestattet ,  einige 
puncte  kurz  zu  berühren,  betreffs  deren  ick  den  ansichten  W.s 
nicht  ganz  beistimmen  kann,  die  hs.  bestekt  aus  19,  nickt  aus 
20  lagen,  läge  xis.  umfasst  nämlich  fol.  129  — 135.  fol.  135  ist 
nickt  angeheftet,  sondern  hängt  mit  fol.  130  zusammen,  hinter 
fol.  135  muss  ein  blatt,  das  mit  fol.  129  zusammenhieng,  verloren 
gegangen  sein,  sodass  diese  läge,  wie  die  meisten  atideren  der  ks., 
ursprünglich  aus  8  blättern  bestand,  ich  glaube  nicht,  dass  man  an 
allen  stellen,  wo  sich  zwischen  zwei  blättern  ein  schmaler  falz  be- 
findet, was  in  der  Vercellihs.  häufig  der  fall  ist,  annehmen  darf, 
dass  dieser  falz  der  rest  eines  herausgeschnittenen  Mattes  sei;  ich 
möchte  vielmehr  glauben ,  dass  der  Schreiber  manckmal  pergament- 
stücke gebrauch  habe,  die  nicht  grofs  genug  waren,  um  in  der 
mitte  gefaltet  zwei  blätter  zu  liefern,  um  nun  solche  pergament- 
stücke nähen  und  einheften  zu  können,  muste  er  sie  am  rande 
umbiegen,  wodurch  sich  ein  schmaler  falz  bildete,  der  allerdings 
das  aussehen  hat,  als  sei  er  der  rest  eines  herausgeschnittenen 
blattes.  solche  falze  finden  sich  nach  fol.  29,  35,  38,  50  und  53; 
ick  glaube  aber,  dass  an  keiner  von  diesen  stellen  ein  blatt  kerausge- 
nommen  ist.   dagegen  ist  wol  nack  fol.  42  und  1 03  je  ein  blatt  verloren. 

Was  die  schrift  anbelangt ,  so  meint  W.  (aao.  239)  zwei  oder 
drei  hände  unterscheiden  zu  können,  ick  kalte  dies  nickt  für 
richtig,  glaube  vielmehr,  dass  trotz  den  scheinbaren  verschieden- 
keiten  in  der  schrift   die  ganze  hs.  von  einem  sckreiber  kerrükrt. 

Die  folgende  collation  ist  nack  dem  Grein -Wülkerscken  texte 
angefertigt,  nur  abweichungen  von  diesem  sind  angeführt,  die 
großen  und  kleinen  buchstaben^,  die  interpunction  der  ks.  und  die 
Worttrennung  kabe  ick  unberücksicktigt  gelassen,  sonst  glaube  ick 
alles  wesentlicke  angegeben  zu  kaben. 

^  in  der  hs.  kommt  häufig  die  hohe  über  die  zeile  verlängerte  form 
des  i  vor:  in  solchen  fällen  ist  aber  der  buchstabe  gewis  als  minuskel, 
nicht  als  majuskel  aufzufassen,  wie  fF.  dies  stets  tut,  vgl,  seine  anm.  zu 
Andreas  81  uo. 

5* 


68  COLLATION  DER  AE.  GEDICHTE  IM  VERCELLIBÜCH 

AJNDREAS.  38  haelejj]  j)  aus  einem  anderen  hnchstahen. 
61  grelle]  r  aus  f.  120  lice]  hinler  e  stand  ganz  deutlich  s, 
nicht  ein  dicker  punct,  icie  Wülker  angibt,  der  untere  teil  dieses 
s  ist  ausradiert,  der  obere  noch  vorhanden.  123  togläd]  a  aus 
36,  d  auf  rasur.  158  hinter  gerimes  rasur  von  einem  oder 
zwei  buchstaben.  301  die  hs.  hat  deutlich  faeled  (ebenso  deutlich 
wie  z.  478).  301  nefeoh  auf  rasur.  332  scealas  (mit  einem  t), 
das  c  kann  möglicher  weise  aus  t  gebessert  sein,  ich  glaube  es  aber 
nicht.  338  zwischen  ge  und  hvvaes  rasur  von  w.  439  cunne- 
dau]  e  auf  rasur,  501  die  hs.  hat  deutlich  lanisceare.i  503  awec- 
gan]  g  aus  c.  507  am  linken  rande  ist  gekritzelt  leof.  562  ich 
glaube  mit  Sicherheit  No  lesen  zu  können,  das  o  ist  freilich  sehr 
undeutlich.  578  hreofum]  f  aus  r.  638  zwischen  afVefred  und 
}}<im  rasur  von  dam.  651  hinter  sylf'es  rasur  von  etwa  3  buch- 
staben,  660  blid]  i  ist  ganz  deutlich,  d  verblasst,  jedoch  noch  mit 
Sicherheit  zu  erkennen.  667  alrinibredj  so  die  hs.  (nicht  gelimbred). 
von  dem  m  ist  nur  noch  der  erste  strich  vorhanden,  der  zweite 
und  dritte  sind  verschwunden,  sonst  ist  alles  deutlich.  710  J)eah 
hie  (nicht  he).  754  7  (nicht  and).  758  ys  (nicht  is).  810  1)JBS 
( 7iicht  \)cßr).  819  die  hs.  hat  ganz  deutlich  berede,  nicht  berede. 
846  die  hs.  hat  |)ä  he  hira.  862  Vs.  885  heah]  a  auf  rasur. 
911  hinter  sedeliug  ist  kein  fehler  im  pergament,  sondern  rasur 
von  etwa  zwei  buchstaben,  das  folgende  od  steht  ebenfalls  auf 
rasur.  923  gespreec]  p  aus  einem  anderen  buchstaben.  949  am 
unteren  rande  von  fol.  41'^  ist  gekritzelt  eadgi}) ,  aber  wider  aus- 
radiert. 962  bysinredou]  b  aus  einem  anderen  buchstaben.  964  vor 
slogon  scheint  ein  buchstabe  ausradiert  zti  sein.  967  röd]  d  aus  d. 
988  hinter  belolden  rasiir  von  172  cm.  1008  gnorn]  das  erste 
n  auf  rasur.  1019  wynnü.  1031  crung.  1040  waua  })e  tiftig 
steht  am  anfang  der  zeile.  1042  leordaü]  a  aus  0.  1066  zwi- 
schen vveorca  und  gil'ede  rasur  von  vve,  nicht  |)a.  1070  hinter 
J»a  rasur  eines  tinvollständigen '  buchstaben.  1072  hycgende]  g 
aus  c.  1103  teledon]  n  aus  m.  1112  wees]  s  aus  f.  1149  aly- 
sed]  lys  auf  rasur.  1206  weoroda]  weor  auf  rasur.  \2i59  nach 
Jjreal  rasur  von  d.  1286  welle]  w  aus  u.  der  Schreiber  schrieb 
also  zuerst  neile  und  änderte  es  dann  zu  wille.  1302  J^a,  1308  die 
hs.  hat  ganz  deutlich  deor.  1354  freme.  1425  die  hs.  hat  ganz 
deutlich  tosiopen  und  adropen,    das  d  ist   aus  d  geändert,     frei- 

'  der  senkrechte  strich  deutet  hier  und  im  folgenden  zeilensehluss  an. 


COLLATION  DER  AE.  GEDICHTE  IM  VERCELLIBÜCH  69 

lieh  hat  der  Schreiber  den  querstrich  des  tt  mir  unvollständig  aus- 
radiert, sodass  er  noch  deutlich  zu  sehen  ist.  1481  nicht  in  mia, 
sondern  in  mycel  hat  das  m  die  form  des  grofsen  buchstahen. 
1-^81  gemet]  dahinter  rasur  von  einem  buchstaben.  1493  die  hs. 
hat  ganz  deutlich  sweras.  1506  hinter  onsende  rasur  von  einem 
buchstaben.  1514  hinter  syd}jaü  rasur  von  zwei  buchstaben  (der 
zweite  war  o).  1526  Äs.  gajiz  deutlich  scerwen.  1528  lifebende 
mit  einem  h.  1567  i'rol'rej  das  erste  f  aus  r.  1598  gepioga] 
über  dem  ge  stand  noch  einmal  ge;  es  ist  wider  ausradiert. 
1601  ti\e.  1643  der  zweite  der  ausradierten  buchstaben  war  o, 
nicht  e.  1648  wis|fcestne.  1648  wordes]  w  auf  rasur.  1698 
fysan]  s  aus  f.     1714  hs.  ganz  deutlich  seolh  padii. 

APOSTEL.  18  Jireodode^ö,]  unter  dem  he  ist  kein  7,  sondern 
nur  ein  verxoeis^ingszeichen.  43  gelsedde]  dd  deutlich  aus  dd.  der 
querstrich,  der  durch  beide  dd  hindurchgeht ,  ist  nur  zum  teil  aus- 
radiert  und  noch  ganz  deutlich  zu  sehen.  49  hs.  ganz  deuilich 
J)as  (jiicht  Jises).  50  priste]  dem  e  ist  ein  kleiner  hakenförmiger 
strich  angehängt,  der  aber  tool  nichts  zu  bedeuten  hat.  52  on- 
lihted]  i  aus  u.  85  hs.  Dvs,  nicht  Dys.  mit  z.  95  schliefst 
fol.  53'',  auf  54^  oben  folgt  der  schhiss  des  gedichtes  (siehe  unten), 
ich  glaube  nicht,  dass  zwischen  fol.  53  und  54  ein  blatt  ausgefallen 
ist  (vgl.  oben  s.  67). 

REDE  DER  SEELE.  1  evRv.  17  hwan]  n  aiis  b.  24  onj 
n  atis  r.  38  göd]  d  aus  d.  48  die  hs.  hat  deutlich  uieda,  nicht 
nieda.  63  vor  minum  rasur  von  7.  65  dreanias]  m  ans  einem 
anderen  buchstaben.  87  Wülkers  sceolde  ist  natürlich  nur  druck- 
fehler.  die  hs.  hat  sceolde.  137  hs.  gretgej),  der  Schreiber  schrieb 
zuerst  gretaj),  dann  änderte  er  a  in  se.  138  wine  leofesta  ah 
die  auf  rasur.  145  hinter  nie  rasur  von  vier  oder  fünf  buch- 
staben.    148  ]3on]  on  auf  rasur?     162  heofonü]  n  atis  r. 

PREDIGTBRUCHSTÜCK.  4  leon]  n  aus  einem  anderen  buch- 
staben.    28  gehaturn.     33  drefed]  d  aus  d. 

TRAÜMGESICHT  VOM  KREUZE.  27  pa.  29  holtes]  h 
aus  einem  anderen  buchstaben'?  71  syddau.  75  Ijfer.  155  vvuldre] 
d  aus  d. 

Die  folgenden  accente  hat  Wülker  übersehen:  Andreas  249  6ce. 
628  ag6f,  nicht  ägef.  779häbrähäme.  1128  föasceafl.  1483  örde. 
Apostel  27  häde.     30  effesia. 


70     COLLATION  DER  AE.  GEDICHTE  IM  VERCELLIBUCH 

Der  \schhiss  des    ae.  gedicktes  Fata   apostolorum. 

Die  ersten  herausgeher  der  Fata  apostolorum,  Thorpe  und 
Kemble,  nahmen  an,  dass  das  gedieht  ein  fragment  und  sein  schluss 
verloren  gegangen  sei.  Wülker  dagegen  (Grundriss  s.  239  und  242) 
meinte,  dass  höchstens  ein  par  verse  fehlen  könnten,  indem  viel- 
leicht der  Schreiber,  um  das  gedieht  noch  unten  auf  dem  blatte 
beenden  zu  können,  einige  schlussverse  seiner  vorläge  weggelassen 
habe,  meine  collation  hat  ergeben,  dass  Thorpe  und  Kemble  recht 
hatten;  nur  ist  der  schluss  des  gedicktes  nicht  verloren,  sondern 
noch  in  der  ks.  erkalten,  und  zwar  auf  der  folgenden  seite.  z.  95 
der  F.  a.  steht  bekanntlich  unten  auf  fol.  öS"",  während  nack  Wal- 
kers angäbe  auf  fol.  54^  oben  eine  neue  predigt  heginnen  soll,  diese 
angäbe  berukt  indessen  auf  einem  verseken,  die  predigt  hebt  erst 
fol.  54"^  an,  auf  fol.bi^  befinden  sick  die  bisher  ühersekenen  sckluss- 
verse  der  F.  a.,  die  ich  unten  zum  abdruck  bringe,  wie  schon 
s.  67  erwähnt,  glaube  ick  nickt,  dass  zwiscken  fol.  53  und  54  ein 
blatt  herausgeschnitten  ist,  ich  nehme  vielmehr  an,  dass  die  mit- 
zuteilenden Zeilen  sich  unmittelbar  an  z.  95  des  gedicktes  an- 
sckliefsen. 

Was  diesen  schlussversen  ein  besonderes  interesse  verleiht,  ist 
der  umstand,  dass  hier,  ebenso  wie  in  Crist ,  Juliana  und  Elene, 
der  dickter  sick  durck  eingestreute  runen  zu  erkennen  gibt  und 
dass  wir  somit  berecktigt  sitid ,  fortan  auck  die  F.  a.  als  echtes 
werk  Cynewulfs  zu  betrachten. 

Eine  grofse  rasur  zieht  sich  schräg  über  das  blatt  hin,  wo- 
durck  leider  viele  buckstaben  ganz  versckwunden  sind,  die  be- 
treffenden stellen  sind  in  folge  der  anwendung  von  reagentien  ganz 
braun  geworden. 

1.    Genauer   abdruck   der    kandschrift. 

Der  text  ist  zeile  für  zeile  nack  der  hs.  gegeben,  cursiver 
druck  deutet  an,  dass  die  betreffenden  buckstaben  zwar  verblasst, 
aber  dock  nock  mit  vollständiger  Sicherheit  zu  lesen  sind,  cursive, 
in  klammern  eingeschlossene  buckstaben  dagegen  sind  entweder  sehr 
verblasst  oder  überhaupt  nur  noch  teilweise  zu  sehen,  sodass  ich 
nicht  absolut  sicher  sein  kann,  richtig  gelesen  zu  haben,  näheres 
über  die  einzelnen  fälle  bringen  die  anmerkungen.  die  mutmafs- 
liche  anzakl  der  durck  die  rasur  getilgten  buckstaben  ist  mit  doppel- 


COLLATION  DER  AE.  GEDICHTE  IM  VERCELLIBUCH  71 

puncten  angedeutet,  und  zwar  ist  stets  die  höchste  zahl  angegeben, 
die  an  der  betreffeyideti  stelle  platz  hätte,  wenn  die  buchstaben  dicht 
hinter  einander  folgten  und  als  ein  icort  geschrieben  wären,  nimmt 
man  an,  dass  an  irgend  einer  stelle  mehr  als  ein  wort  gestanden 
habe,  so  wird  die  angegebene  zahl  zu  hoch  sein,  da  alsdann  auch 
die  die  einzelnen  worte  trennenden  Zwischenräume  mit  in  betracht 
gezogen  werden  müsten. 

Her  mseg  fintlan  for  jjances  ^^leaw.     sede  /tine  lysted  leod  gid 

dunga.     Hwa  JDas  fitte  fegde  .  ^  .  })ser  on  ende  standaj) 

eorlas  jiBes  oneordan  b(r)  :  ca\i.     Nenioton  hie  awa  aet 

somne  vvoruld  wunigende  .(r).  sceal  gedreosan  .h. 

on  edle  sefter  to  (h)  :::::::  (l) :  eue  lices  frjetewa  efne 

swa  .P.  to  glided.:   (swa).   (h)   (hf^  ?)   .crajftes   neotad.   nihtes 

nearowe  on  him. ::::::::::  ninges  l^eo  dorn.     Nv  du 

cuunon  miht  .  (h)  :::::::: :  (r)düm  wees  werO  on  cydig  Sie 

J)ses  ge  myndig  ::::::::::  (lujüge  Jiisses  gal  dres  begang 

J)set  he  geoce  :::::::::  re  fricle  ic  sceall  feor  heo 

2  das  runenzeichen  ist  etwas  verblasst,  aber  noch  ganz  deutlich  zu 
sehen.  3  br :  caj)]  dei'  zweite  strich  des  r  ist  verschwunden.  4  das 

erste  runenzeichen  ist  sehr  verblasst,  doch  kajin  man,  wenn  mari  das  blalt 
gegen  das  licht  hält,  einen  großen  teil  desselben  noch  erkennen.  5  to  h] 
hur  der  erste  strich  des  h  ist  noch  vorhanden,  darauf  folgt  ein  buch- 
stabe  mit  einem  unter  die  zeile  herabreichenden  strich ;  hinter  diesem  ist 
räum  für  zwei  buchstaben  und  dann  folgt  wider  ein  buchslabe  mit  einem 
unter  die  zeile  herabsteigenden  schenket.  6  zwischen  glided  .    und  swa 

glaube  ich  schwache  spuren  eines  buchstaben  zu  erkennen,  das  swa  selbst  ist 
sehr  undeutlich  und  ich  bin  keineswegs  sicher,  richtig  gelesen  zu  haben, 
darauf  folgt  ein  punct  und  hinter  diesem  glaube  ich  das  runenzeichen  \i 
erkennen  zu  können,  dahinter  sind  undeutliche  spuren  eines  zweiten 
runenzeichens  sichtbar,  die  darauf  schliefsen  lassen,  dass  ^  hier  ge- 
standen habe:  es  sind  dies  ein  l^j^  mm.  langer  senkrechter  strich,  ein 
3  mm.  langer  quersti'ich,  der  mit  dem  oberen  ende  des  ersten  einen  winket 
von  ca.  57"  bildet,  und  aufserdem  vier  kleine  puncto,  zioischen  den  beiden 
runenzeichen  ist  räum  für  einen  buchstaben  (etioa  ~\),  es  braucht  aber 
keiner  da  gestanden  zu  haben.  8  miht  .  li]  der  zweite  strich  des  zweiten 
h  ist  verschwunden.  10  von  dem  auf  geoce  folgenden  buchstaben  ist 

nur  noch  der  erste  strich  erhalten;  dieser  kann  der  erste  teil  eines  ni,  n 
oder  u  sein,  der  dem  re  unmittelbar  vorliergehende  sowie  der  drittletzte 
buchstabe  haben  lange  tinter  die  zeile  herabsteigende  schenket:  7iimmt 
man  an,  dass  frofie  hier  gestanden  habe,  so  würde  letzterer  dem  ersten  r, 
ersterer  dem  zioeiten  f  angehören. 


72  COLLATION  DER  AE.  GEDICHTE  IM  VERCELLIBÜCH 

nan  an  elles  (f?) ::::::  n/es  neosan  .sid  aseltan.  Nat 
ic  sylfa  Invscr  .o::(i)sse  worulde  wie  sindon  un  cud 
eard  7  edel  .Swa  (b):d  selcü  mann.  neni|)e  he  god  cundes 
gastes  bruce  .(A)h(u)tvL  we  1)6  geornor  togode  cleopigan 
15  seodan  iisse  bene  .on  |)a  beorhlau  gesceaft.  {)ael  we 
|)aes  bolles  brucan  motan  hames  in  hehdo  l)8er  is  hihta 
maest  J)3er  cyning  engla  .claenum  glided.  lean  uu  hwilen 
DU  ahis  lof  slanded  niycel  7  msere  7  bis  miht 
seomaj)  ece  7  ed  giong  .ofer  ealle  gesceaft.  ÖNit. 

11  dies]  nur  der  erste  strich  des  s  ist  noch  vorhanden,  hinter  elles 
scheint  mir  f  gestanden  zu  haben,  der  unter  die  zeile  herabreichende 
strich  ist  noch  deutlich  zu  erkennen,  auch  glaube  ich  die  beiden  quer- 
siriche    sehen  zu  können.  12  von  den   beiden  zwischen   o  und  isse 

stehenden  buchstaben  kann  man  nur  noch  mit  Sicherheit  erkennen,  dass 
der  erste  strich    beider   bis   unter  die  zeile  reichte,   was  zur  bestätigung 
der   annähme  dient,    dass  fj)   hier  gestanden  haben  müsse,     hinter  isse 
ist  in  folge  eines  fehlers  im  pergament  ein  leerer  räum  von  13  mm. 
1-4  utu]    nur  der  zweite   strich   des    ersten    u    ist   noch    vorhanden. 
IT  glided]   so  die  hs. 

2.    Hergestellter  text. 

Alle  ergänzungen  und  sonstigen  abweiclmngen  von  der  hand- 
schriftlichen  Überlieferung  sind  durch  cursiven  druck   bezeichnet, 
abkürzungen  habe  ich  aufgelöst  und  für  die  runenzeichen  die  ent- 
sprechenden Wörter  gesetzt. 
Her  mseg  findan  foreliances  gleaw, 
se  de  hine  lysted  leodgiddunga, 
hwa  J)as  fitte  fegde.     Feoli  \)ißr  on  ende 
slandej),  eorlas  J)a3S  on  eordan  bruca]). 

5  Ne  moton  hie  awa  eardian  setsomne, 
woruldwunigende.     Wen  sceal  gedreosan, 
Ur  on  edle;  sefter  iohreosap 
Isene  hces  frffitewa,  efne  swa  Lago  togbded, 
•  swa  Cen  ond  Yr  crseftes  neolad 

10  nihtes  nearowe  on  him 

5  zwischen  awa  und  setsomne  ist  in  der  hs.  keine  lücke,  jedoch  ver- 
langt sinn  wie  metrum  eine  ergänzung  und  zwar  eines  vocaUsch  an- 
lautenden verbums.  6  vgl.  Elene  1264  ff.  9  ich  habe  weder  diese 
noch  die  folgende  zeile  herzustellen  versucht.  10  sollten  vielleicht  in 
der  zweiten  halbzeile  die  beiden  fehlenden  runen  nyd  iind  eh  gestanden 
haben?  die  allitteration  verlangt  n. 


COLLATION  DER  AE.  GEDICHTE  IM  VERCELLIBUCH  73 

CJ/Dinges  J)eo(löm.     Mu  du  cunnau  mihi, 

hwa  Oll  pam  ^cordum  wses  vverum  oncydig. 

Sie  |)8es  gemyndig  inann,  se  de  lufige 

Jjisses  gaUlres  begang,  jjsel  he  geoce  me 

ond  frofve  fricle.     Ic  sceall  feor  heoiiao  15 

an  elles  i'ord  cardes  neosan, 

sitt  asetlan ,  nal  ic  sylfa  hwcer, 

of  p\sse  woriilde;  wie  sindon  uncuct, 

eard  ond  edel.     Swa  bnl  selcum  menn, 

nemlie  he  godcundes  gastes  bruce.  20 

Ah  utun  we  j)e  geornor  lo  gode  cleopigan, 

sendan  usse  bene  on  J)a  beorhtan  gesceaft, 

J)£et  we  t>8es  botles  brucan  motan 

hames  in  hehclo,  pser  is  hihta  maest, 

J)aer  cyning  engla  cisenum  gjYded  25 

lean  unhwilen ,  nu  a  bis  lof  standed 

mycel  ond  msere  ond  his  miht  seoma}) 

ece  ond  edgiong  ofer  ealle  gesceaft.     finit. 

12  der  sinn  scheint  mir  zu  sein:  jetzt  kannst  du  wissen,  wer  durch 
diese  (die  vorhergehenden)  worte  den  menschen  bekannt  gemacht  werden 
sollte,  oncydig  fasse  /cA  =  ondcydig ,  wofür  ich  freilich  keinen  beleg 
weifs;  es  ist  jedoch  zu  erschliefsen  aus  unondcydignis  {=  ignorantia) 
f^esp.  Psalter  24,  7.  neben  der  bedeutung  wissend  darf  man  wol  die  be- 
deutung  bekannt />V>  dieses  wort  voraussetzen,  vgl.  Arf.  kundig  7md  altn. 
kunnigr.  13  vgl.  Fata  apostolorum  88.  16  nach  elles  sollte  man 

hwaer  oder  h wider  envarten,  doch  kann  der  auf  elles  folgende  buch- 
stabe  unmöglich  h  sem.  ich  habe  daher  ford  ergänzt  (e.  f.  =  anders- 
wohin). 17  f  vgl.  Juliana  700  f.  21  utu  für  utun ,  der  Schreiber 
der  Fercellihs.  hat  vielfach  auslautendes  n  fortgelassen:  auf  fol.  116 
steht  zb.  zweimal  uto ;  fol.  113''  buta  (für  -an)  usw.  22  vgl. 
Elene  1089. 

Oxford,   26  august  1888.  "  A.  N APIER, 


DIE  ABFASSÜNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN 
EXODUS. 

Eine  datierung  der  Exodus  hat  zuerst  FVogt  in  seinem  auf- 
satz  über  die  Genesis  und  Exodus  (Beitr.  ii  284)  versucht,  auf 
grund   der   fortschritte ,   welche   das  gedieht  der  Genesis  gegen- 


74   DIE  ABFASSUNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS 

über  aufweist  iu  der  spräche  sowol,  namenllich  den  flexions- 
enduQgen,  wie  in  reimlechnik  und  metrik,  glaubte  er  es  ein 
menschenalter  später  als  diese  ansetzen  zu  dürfen  und  kam  so 
auf  die  zeit  um  1100.  —  zweifellos  ein  späteres  datum  hätte 
Scherer  gewonnen ,  wenn  er  seine  erwägungen  über  die  Zeit- 
bestimmung der  Genesis  (Geist),  poeten  i  59  f)  auch  auf  die 
Exodus  ausgedehnt  hätte,  aber  er  legt  sich  bei  diesem  gedieht 
die  frage  nach  der  abfassungszeit  nicht  vor,  und  so  ist  es  schwer 
ZU  sagen,  welche  anzahl  von  jähren  er  für  die  zwischen  Exodus 
und  Genesis  hervortretenden  differenzen  in  anrechnung  gebracht 
hätte.  —  was  Kossmann  in  seiner  ausgäbe  der  Exodus  (QF  lvii  4) 
über  die  dalierung  sagt,  ist  nicht  ganz  klar,  man  weifs  nicht, 
spricht  er  lediglich  von  der  Exodus  oder  von  Genesis  und  Exodus, 
falsch  ist  jedesfalls,  dass  er  sich  bei  der  allersbestimmung  der 
band  Schrift  K  noch  von  Diemers  annähme  leiten  lässt,  nach 
welcher  sie  vor  1122  geschrieben  sein  muss,  weil  die  investi- 
turstelle, die  auf  die  zeit  vor  diesem  termin  hinweist,  nicht  ge- 
ändert sei.  schon  Scherer  hat  Geistl.  poeten  i61  diese  argumen- 
tation  zurückgewiesen,  auch  ist  es  bei  Kossmann  falsch,  wenn 
er  Genesis  und  Exodus  deshalb  in  einen  ganz  nahen  Zusammen- 
hang rückt,  weil  sie  in  zwei  hss.  in  gleicher  weise  überliefert 
sind,  denn  darauf  ist  kein  gewicht  zu  legen,  wol  aber  auf  den 
umstand,  dass  in  K  die  Genesis  zwar  umgearbeitet  erscheint,  nicht 
aber  die  Exodus,  da  das  schon  auf  eine  beträchtliche  zeitliche  dif- 
ferenz  zwischen  beiden  gedichten  hindeutet,  übrigens  hat  bereits 
Vogt  davor  gewarnt,  sie  als  eng  zusammengehörig  zu  betrachten. 
Aber  so  folgerichtig  auch  dieser  von  seinem  standpuncte  aus 
die  abfassungszeit  des  gedichtes  bestimmt,  sein  resultat  scheint 
mir  doch  anfechtbar,  nur  wenn  man  die  Genesis  als  ein  ein- 
heitliches gedieht  auffasst,  kann  man  zu  seiner  datierung  gelangen, 
nimmt  man  dagegen  an ,  dass  -mehrere  Verfasser  an  dem  werke 
beteihgt  sind,  so  ist  mit  dem  jähre  1100  ein  viel  zu  früher  termin 
angesetzt,  in  so  fern  die  zeit  nicht  in  anschlag  gebracht  wird, 
welche,  wie  Scherer  s,  60  betont,  die  einzelnen  in  dem  gedichte 
hervortretenden  manieren  zu  ihrer  entwickelung  gebraucht  haben 
müssen,  auch  leidet  die  allersbestimmung  noch  an  einem  anderen 
mangel:  sie  stützt  sich  lediglich  auf  die  beobachtung  von  spräche 
und  verskunst.  sie  kann  darum  nicht  mehr  sein  als  wofür  sie 
sich   selbst  gibt:    eine   ganz   ungefähre  Schätzung,     denn   leider 


DIE  ABFASSÜNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS       75 

befähigen  uus  unsere  beobachlungen  und  erCahiungen  auf  diesem 
gebiete  noch  nicht,  die  entwickelung  dieser  darstellungsmillel 
in  Jahreszahlen  auszudrücken,  gilt  doch  heute  noch,  was  Scherer 
1874  schrieb,  Geistl,  poeten  i  60:  'sichere  Schlüsse  können  darauf 
nie  gebaut  werden  und  wir  wollen  lieber  die  geschichte  der 
flexionen  aus  den  anderweitig  ermittelten  altersbestimmungen  der 
gedichte  entnehmen  als  umgekehrt.'  glücklicher  weise  nun  fehlt 
es  auch  für  die  Exodus  nicht  an  der  möglichkeit,  von  anderen 
puncten  aus  als  spräche  und  reimkunst  zu  einer  ungefähren 
datierung  zu  gelangen. 

Zunächst  kommt  das  Verhältnis  des  gedichtes  zum  Vorauer 
Moses  in  betracht.  Scherer  warf  zuerst  (Geistl.  poeten  ii  48)  die 
frage  auf,  ob  der  verf.  dieses  Werkes  die  Exodus  gekannt  habe, 
und  trug  dann  die  stellen  zusammen,  die  ihm  auf  Verwandtschaft 
beider  zu  deuten  schienen,  aber  er  hütete  sich  es  für  sicher  zu 
erklären  und  fügte  der  frage  gleich  den  satz  hinzu,  dass  es  schwer 
zu  beweisen  sei.  auch  Roediger  spricht  in  der  anzeige  des 
Schererschen  buches  (Anz.  i  69  f)  nur  davon,  dass  der  verf.  des 
Moses  die  Exodus  gekannt  zu  haben  scheint.  beide  aber, 
Scherer  wie  Roediger,  hielten  den  Vorauer  Moses  für  jünger  als 
die  Exodus,  denselben  standpunct  nimmt  Kossmann  ein.  aber 
gestützt  auf  die  autorität  seiner  Vorgänger  behauptet  er  schon 
mit  mehr  Zuversicht,  dass  'der  Moses  sich  von  der  Exodus  be- 
reichert habe',  obwol  er  dabei  die  für  das  Verhältnis  der  beiden 
gedichte  wichtigsten  stellen  gar  nicht  einmal  ins  äuge  fasst,  und 
hält  es  für  ausgemacht,  dass  'eine  entlehnung  der  Exodus  aus 
dem  Vorauer  Moses  von  vorn  herein  abzulehnen  ist.'  man  sieht: 
in  ganz  kurzer  zeit  ist  die  auffassung  von  der  priorität  der  Exodus, 
der  Scherer  eben  nur  den  weg  öffnete,  schon  zu  einem  unumstöfs- 
lichen  axiom  geworden ,  dessen  stärke  sogar  eine  ganz  natürliche 
Schlussfolgerung  umzustürzen  vermochte.  Kossmann  nämlich  hatte 
schon  die  beobachtung  gemacht,  dass  in  denjenigen  versen,  in 
denen  der  Moses  und  die  Exodus  anklänge  an  ältere  gedichte, 
wie  den  Ezzoleich  und  das  Melker  Marienlied,  aufweisen,  jener 
den  'Wortlaut  widergibt',  diese  dagegen  nur  'den  ungefähren  reim, 
wie  er  nach  langem  im  obre  klingen  kann.'  er  streifte  also 
schon  hart  an  der  ansieht  vorbei,  dass  der  Moses  das  ältere  ge- 
dieht von  beiden  sei,  und  offenbar  nur,  weil  in  der  anscheinend 
hergebrachten,  in  würklichkeit  aber  nirgend  mit  ernstem  nach- 


76   DIE  AEFASSUNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS 

druck  behaupteten  aufCassung  befangen  war,  wagte  er  nicht,  jene 
sich  zu  eigen  zu  machen,    io  der  tat  kann  es  aber  nicht  zweifelhalt 
sein,  dass  die  von  ihm  verworfene  ansieht  die  allein  berechtigte  ist. 
Ausgehen  kann   man   bei  der  Untersuchung   der  frage  etwa 
von  den  versen  Exod.  2510  ff:     S6  ir  ez  wellet  ezzen  so  habet 
iimbemezzen  mit  guotem  gedanche  iwer  selber  lanche,  gegurtet  vaste 
mide  wol  usw.    sie  gehen  zurück  auf  Vulg.  xii  11  sie  autem  com- 
edetis  illnm;  renes  vestros  accingetis  und   bilden  die  einzige  stelle 
in    dem    ganzen    gedieht,   an  welcher   eine    allegorische   deutung 
nach  art  der  damals  beliebten  bibelexegese  angebracht  ist.    aber 
man  kann  nicht  sagen,  dass  es  mit  glück  und  in  sehr  verständ- 
licher weise    geschehen    ist.     weder  wird    der  gedanke   ernstlich 
durchgeführt,   indem  die  weiteren  anordnungen    über  das  oster- 
lamm   einem  gleichen  verfahren  unterworfen  werden,    noch   tritt 
die  deutung   in    ihrer  Vereinzelung  wUrklich    klar  hervor,     denn 
dass  der  gurt,  mit  dem  man  die  lenden  zu  umspannen  hat,  die 
guten  gedanken    bezeichnen  soll,   sieht  man  gar  nicht,    sondern 
erschliefst  es  nur  mit  mühe,     die  verse  haben  denn  auch  Ross- 
mann bedenken  erregt  und  er  hat  diese  damit  zu  beschwichtigen 
gesucht,    dass  er  darauf  hinwies,    wie  häufig  die   hier  vereinzelt 
und  ungeschickt  eingeflochtene  deutung  in  der  litteratur  der  da- 
maligen  zeit   vorgekommen    sein    wird,      und    gewis    kann    man 
einem    geistlichen    dichter,    dem    die    methode    der   allegorischen 
exegese  von  seiner  amtstätigkeit  her  geläufig  war,  zutrauen,  dass 
er  einmal  in  sie  verfalle,  ohne  es  eigentlich  zu  wollen  und  ohne 
sich  dessen  recht  bewust  zu  werden,   aber  noch  viel   besser  be- 
griffe man  doch  die  Unklarheit,  wenn  die  stelle  sich  als  poetische 
remiuiscenz,  als  anklang  an  ein  älteres  werk,  dessen  beuutzung 
auch  sonst  hervorträte,  erwiese,    denn  dass  die  dichter  der  älteren 
zeit  gerade  bei  einer  solchen  übernähme  von  versen  oder  reimen 
gedankenlos  verfuhren   und   eine   genaue  anpassung  aufser  acht 
liefsen,    ist  schon  häufig  genug   beobachtet  worden,     nun  bietet 
der  Vorauer  Moses,  der  die  taten  des  biblischen  beiden  erzählt, 
nur  um  allegorische  deutungeu  daran  zu  knüpfen,  unter  anderem 
auch  Diemer  41,  19  ff  eine  inlerprelatio,  in  welcher  die  in  betreff 
des  osterlammes  erlassenen  Vorschriften  sämmtlich  in  allegorischer 
manier   ausgelegt   werden,     das    lamm    ist  Christus   selbst,      wie 
jenes  gebraten  wurde,  so  ward  dieser  gemartert  und  getötet,    die 
schuhe  bedeuten  das  gute  leben,  das  wir  führen,  das  gürten  der 


DIE  ABFASSUNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS       77 

lenden  die  reinen  gedankeii,  von  denen  wir  erfüllt  sein  sollen, 
das  tragen  des  Stabes  den  gehorsam  usw.:  ist  unser  leben  guot, 
so  sin  wir  wol  geschuoht ;  dö  gurte  wir  die  lanche,  daz  sint 
die  reinen  gedanche;  sin  wir  gehörsam ,  s6  muge  wir  wol  den 
stap  tragen,  man  sieht:  es  ist  derselbe  satz  und  der  gleiche  reim 
wie  in  der  Exodus  und  man  wird  sich  um  so  eher  entschliefsen, 
den  Moses  als  die  quelle  anzusehen,  wenn  man  in  betracht  zieht, 
wie  leicht  sich  aus  seinem  Wortlaut  die  fassung  der  Exodus  erklärt, 
während  umgekehrt  der  versuch,  aus  dem  Wortlaut  der  Exodus  die 
l'assung  des  Moses  herzuleiten,  nicht  so  einfach  wäre,  im  Moses 
ist,  wie  wir  gesehen  haben,  die  deutung  der  art,  dass  das  gescuoht 
sin  allgemein  im  sinne  etwa  von  gerüstet  sein  gefasst  und  darum 
auf  das  ganze  verhalten:  daz  gnote  leben  bezogen  wird,  das  gürten 
und  stabtragen  dagegen  die  einzelnen  bedinguugen  des  guten 
irdischen  lebens:  gedankenreinheit  und  gehorsam  bezeichnen! 
von  dieser  auslegung  entlehnt  die  Exodus  nur  ein  einzelnes 
glied,  eben  den  satz  von  der  reinheit  der  gedanken.  diese 
specielle  bedeutung  aber,  die  in  dem  ganzen  gefüge  wol  am 
platze  ist,  mochte  der  verf.  allein  nicht  gerne  verwenden  und 
deshalb  suchte  er  sie  durch  eine  allgemeinere  zu  ersetzen,  in- 
dem er  aus  den  reinen  gedancheji  guote  machte,  gerade  dies 
epilheton  aber  gibt  die  spur  seiner  quelle  zu  erkennen,  denn 
eben  im  Moses  wird,  wie  wir  gesehen  haben,  vom  guoten 
leben  gesprochen.  —  eine  stütze  erhält  diese  argumentation  noch, 
wenn  wir  den  Ursprung  der  deutung  des  gürtens  ins  äuge  fassen, 
sie  stammt  aus  dem  gebet,  das  der  messe  lesende  priester  beim 
anlegen  des  cingulum  zu  sprechen  hat.  hier  heifst  es:  praecinge 
me,  domine,  cingulo  purit atis ,  woraus  ersichtlich  ist,  dass  die 
lesart  des  Vorauer  Moses  die  der  quelle  näher  stehende,  also 
vermutlich  ältere  ist. 

Die  nähere  betrachtung  dieser  einen  stelle  wäre  demnach 
schon  geeignet,  die  priorität  des  Vorauer  gedichtes  gegenüber 
der  Exodus  zu  erweisen,  es  kommt  aber  noch  eine  reihe  von 
anderen  stellen  hinzu ,  die  diese  auffassung  bestätigen  und  eben- 
falls auf  ein  directes  abhängigkeitsverhältnis  der  Exodus  von  dem 
älteren  gedichte  scbliefsen  lassen,  zunächst  eine,  wo  uns  wi- 
derum  eine  inconsequenz  des  dichters  auffällt,  die  sich  aber  hin- 
länglich erklärt,  wenn  wir  in  ihr  wie  in  der  eben  behandelten 
eine  reminiscenz  an  den  Moses  erblicken,    der  verf.   der  Exodus 


78   DIE  ADFASSÜNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS 

folgt,  wie  jeder  bei  der  oberflächlichsten  vergleichung  sieht,  dem 
gruadtext  ganz  sclavisch  und  gestattet  sich  Zusätze  nur  da,  wo 
er  heeresaiisrüstungen,  aufzüge  udgl,  schildern  oder  in  die  geleise 
der  volksniäfsigen  heldendichtung  einlenken  kann,  es  muss  daher 
auffallen,  wenn  er  v.  545  fl":  he'rre  wer  bin  ich  oder  wie  stet  iz 
nmbe  mich,  daz  ich  mit  Pharaöne  mnge  haben  gechöse  in  dem 
letzten  reimpar  auf  die  bevorstehende  Unterredung  mit  Pharao 
anspielt,  ohne  dass  die  Vulgata  das  motiv  an  der  entsprechenden 
stelle  (ui  11)  berührt,  sie  erwähnt  es  zwar  an  zwei  anderen 
stellen,  nämlich  iv  10,  wo  Moses  auf  seine  schwere  zunge  hin- 
weist, und  VI  30,  wo  er  widerum  ausruft:  en  incircumcisus  labiis 
sum,  qnomodo  audiet  me  Pharao?,  welche  beiden  sätze  der  verf. 
der  Exodus  auch  getreulich  mitüberträgt,  noch  nicht  aber  in  der 
jenen  versen  entsprechenden  partie.  nun  combiniert  aber  das  Vo- 
rauer  gedieht  nach  seiner  art  diese  drei  stellen  oder  übergeht  die 
erste  und  dritte,  sodass  es  das  motiv  von  der  schwerfälligen  zunge 
von  vorn  herein  in  den  Vordergrund  rückt  und  schon  D.  36, 10  sagt: 
mhi  mniit  der  ist  verhrnnnen,  mir  haftet  min  zunge,  ich  ne  mac  niht 
wole  chösen,  vil  icole  tnot  ez  Aron.  und  eine  erinnerung  an  diese 
stelle  wurde  dann,  wie  ich  glaube,  die  veranlassung,  dass  der  verf.  der 
Exodus  gegen  den  Vorgang  der  bibel  das  motiv  schon  an  der  ersten 
stelle  berührte,  zwar  wörtlich  nimmt  er  den  satz  nicht  herüber, 
da  er  den  namen  Arön,  der  in  der  bibel  erst  iv  10  erwähnt  wird, 
hier  noch  weniger  brauchen  kann,  als  er  streng  genommen  Pharao 
erwähnen  durfte,  aber  die  änderung  ist  so  leicht  und,  wenn 
man  auf  die  zu  gründe  liegende  stelle  in  der  bibel  blickt,  so 
natürlich,  dass  man  aus  ihr  keine  bedenken  gegen  unsere  an- 
nähme wird  herleiten  wollen.  derselbe  reim  erscheint  dann 
noch  v.  1188.     vgl.  zu  chösen  noch  v,  32. 

Noch  andere  stellen  kommen  für  die  priorität  des  Moses  in 
betracht,  stellen,  in  denen  unterschiede  in  der  form  und  technik 
die  kriterien  für  die  altersbestimmung  abgeben,  zwar  bei  Exod. 
V.  911,  wo  es  heifst:  er  offenote  aller  der  diete  zeichen  vile 
scöne  ähnlich  wie  im  Moses  an  der  entsprechenden  stelle  D.  37,20 
Do  er  in  daz  laut  cham  unde  er  offenön  began,  daz  si  got  der 
guote  dar  uz  geladet  hete  (Vulg.  iv  30  fecit  signa  coram  populo) 
oder  V.  2325  da  wirt  tms  eroffenöt  waz  welle  nemen  got  (Vulg. 
X  26  praesertim  cum  ignoremus  quid  debeat  immolari),  bei  diesen 
Übereinstimmungen   ist   die   frage    nach    der  priorität    schwer  zu 


DIE  ABFASSUNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS   79 

beantworten,  um  so  deutlicher  aberliegt  das  Verhältnis  bei  einer 
anderen.  D.  35,  19  bei  der  verwandelung  des  Stabes  von  Moses 
heifst  es:  got  sprach  ze  Möi/sen,  stöz  dine  haut  in  dinen  puosem, 
und  Exodus  v.  731:  du  stöze  dine  haut  sciere  in  daz  gewant.  ich 
weiz  er  iz  ne  liez,  in  den  buosem  er  si  stiez,  vgl.  noch  741  I'.  un- 
zweifelhaft liegt  hier  eine  benutzung  vor  und  zwar  ist  die  Exodus 
die  entlehnende,  da  sie  den  besseren  reim  und  die  bessere  metrik 
aufzuweisen  hat.  man  sieht  auch  noch  deutlich  das  verfahren 
in  der  änderung.  weil  der  verf.  an  dem  reim  Möijsen: puosem 
anstofs  nimmt,  beseitigt  er  ihn,  indem  er  eine  handlung  mehr, 
das  fassen  ins  gewand,  hinzufügt,  weil  er  aber,  breit  und  red- 
selig wie  er  ist,  an  der  blofsen  aufforderung  zur  handlung  sich 
nicht  genügen  lässt,  sondern  auch  die  ausführung  erwähnen  muss, 
fügt  er  unter  einschiebung  von  ne  Idzen  noch  den  zweiten  satz 
hinzu,  gleichzeitig  mit  dem  reim  ist  an  dieser  stelle  auch  die 
melrik  gebessert,  reinere  metrik  gegenüber  dem  Moses  zeigt  auch 
V.  213  f,  welche  stelle,  wie  Kossmann  bemerkte,  auf  D.  32,  13 
zurückgeht. 

Am  hellsten  wird  das  chronologische  Verhältnis  der  gedichte 
beleuchtet,  wenn  wir  die  Wandelungen  verfolgen,  die  eine  stelle 
aus  dem  Melker  Marienlied  bis  zur  Exodus  hin  hat  durchmachen 
müssen,  in  dem  Hede  heifst  es  str.  2,  1  f  Jü  in  dem  gespreidach 
Möyses  ein  fiur  gesach,  daz  daz  holz  niene  bran,  den  louch  sach 
er  obenan;  im  Moses  34,  28  f  dö  sach  er  ein  viur  an  eineme  ge- 
spreide,  daz  holz  niwenne  bran,  den  lonch  sach  man  obenan; 
in  der  Exod.  463  f  dö  erscain  ime  got  der  gewäre,  als  iz  lonch 
viures  wäre,  in  mittem  deme  gespreide  wole  verne  an  der  heide, 
daz  viur  was  dar  obenan  (so  wol  zu  lesen  st.  obenan  ane), 
daz  holz  iedoch  niene  bran.  das  dem  Moses  und  der  Exodus 
gemeinsame  gespreide  im  reim  auf  heide  gegenüber  der  form 
gespreidach  im  liede  zeigt  den  Zusammenhang  jener  beiden  ge- 
dichte. andererseits  offenbart  sich  das  jüngere  alter  der  Exodus, 
wenn  vom  Moses  der  satz  aus  dem  liede  wörtlich  übernommen 
wird,  bei  ihr  aber  freier  gestaltet  erscheint,  ferner,  was  lässt 
auf  den  jüngeren  Verfasser  schliefsen,  der  vers:  daz  holz  niwenne 
brän  mit  seiner  schwerfälligen  metrik  oder  der  entsprechende  in 
der  Exodus,  in  dem  alle  scansionsschwierigkeit  beseitigt  ist  und 
in  dem  durch  das  einschieben  von  iedoch  der  gegensatz  noch  in 
einer  mehr  modernen  weise  verstärkt  wird?  ich  glaube,  die  ent- 


80       DIE  AßFASSUNGSZElT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS 

Scheidung  kann  nun  nicht  mehr  zweifelhaft  sein,  und  haUe  zweierlei 
für  erwiesen :  dass  die  Exodus  später  als  der  Vorauer  Moses  ent- 
standen ist  und  dass  sie  ihn  widerholenthch  benutzt  hat. 

Ich  brauchte  nicht  hinzuzufügen,  tue  es  aber,  um  misver- 
ständnissen  vorzubeugen,  dass  durch  diese  auffassung  die  beur- 
teihing  des  Verhältnisses  der  Vorauer  Genesis  zur  Wiener  nicht 
im  geringsten  erschüttert  wird  und  dass,  wer  das  glaubt,  in  den 
oben  gekennzeichnelen  irrtum  verfällt,  als  ob  Genesis  und  Exo- 
dus auf  der  einen,  Vorauer  Genesis  und  Moses  auf  der  anderen 
Seite  eng  geschwisterlich  verbunden  seien. 

Dagegen  wird  durch  die  annähme,  dass  die  Exodus  jünger 
sei  als  der  Moses,  die  frage  nach  der  entstehungszeit  dieses  ge- 
dichtes  allerdings  anders  beantwortet  als  es  bisher  von  Vogt  ge- 
schah, denn  da  der  Vorauer  Moses  den  Joseph  der  Wiener 
Genesis  benutzt  hat  (Scherer  Geistl.  poeten  i  57.  n  46;  nach 
lloediger  Anz.  i  69  f  auch  die  Schöpfung  bezw.  Kaiu  und  Abel), 
der  Joseph  aber  das  letzte  gedieht  in  der  reihe  der  das  erste 
buch  Mosis  behandelnden  darstellungen  ist,  so  kommt  man,  wenn 
man  die  zeit  in  anschlag  bringt,  die  für  die  entwickelung  der 
einzelnen  in  der  Sammlung  hervortretenden  manieren  erforderlich 
ist,  schon  für  den  Moses  auf  ein  späteres  datum  als  1100.  denn 
dieses  wäre  die  allerfrüheste  zeit,  die  man  für  den  Joseph  selbst 
anzusetzen  hat.  fällt  nun  aber  der  Moses  schon  nach  1100,  dann 
muss,  bringt  man  die  fortschritte  in  reim  und  metrik  in  an- 
rechnung,  welche  die  Exodus  dem  Moses  gegenüber  aufweist, 
widerum  deren  abfassungszeit  noch  um  ein  beträchtliches  später 
angesetzt  werden,  schon  aus  dieser  betrachtung  ergibt  sich  so- 
mit, dass  die  Vogtsche  datierung  zu  einem  zu  frühen  termin  ge- 
langt ist  und  dass  die  abfassungszeit  des  gedichtes  bedeutend 
hinabgerückt  werden  muss.  zu  demselben  resultat  wird  man 
aber  auch  noch  von  einer  ganz  anderen  seite  geführt. 

Der  dichter  der  Exodus  findet  ein  sichtliches  behagen  an  der 
Schilderung  kriegerischer  ausrüstung  und  ritterlicher  aufzüge,  und 
zwar  äufserl  es  sich,  ohne  dass  er  darin  von  der  vorläge  irgend 
angeregt  wäre,  ja  es  bricht  selbst  dort  durch,  wo  der  grund- 
lexl  gar  keinen  anlass  dazu  bietet,  wie  v.  1342  f,  wo  es  sich  um 
die  darstellung  der  ersten  plage  handelt,  indem  der  dichter  hier 
die  schar  der  frösche  einem  beere  vergleicht,  dem  die  üblichen 
requisiten  wie  heim  und  brünne,  ross  und  maulesel,  schalt  und 


DIE  ABFASSUNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS       81 

bogen  usw.  fehlen,  verfällt  er  eben  durch  die  aufzähluug  des 
nicht  vorhandenen  in  die  beschreibung  einer  kriegsschar.  man 
wird  sich  deshalb  nicht  wundern,  wenn  er  v.  2877  f  beim  aus- 
zuge  der  Juden  aus  Egypten  die  gelegenheit  benutzt,  in  der  schar 
der  ausziehenden  das  ideal  eines  ritterlich  ausgestatteten  heeres 
darzustellen,  und  wenn  er  kurz  darauf  v.  3039  f  auch  um  das 
beer  der  nachfolgenden  Egypter  den  glänz  ritterlicher  bevvaffnuug 
und  ausriistung  zu  breiten  sucht,  den  eine  prachtliebende  zeit 
sich  so  gerne  vor  äugen  rückte,  gewann  er  doch  durch  diese 
Schilderung  gleichzeitig  den  vorteil,  den  contrast  zwischen  blühen- 
dem leben  und  jähem  tode  in  echt  dichterischer  weise  hervor- 
treten zu  lassen,  schon  diese  freude  an  dem  strahlenden  glänz 
des  rittertums  aber  deutet  auf  eine  zeit,  die  den  ersten  kreuzzug 
hinter  sich  hat,  weil  erst  durch  seine  sei  es  directe  sei  es  indirecte 
nachwürkung  der  ritterlich- kriegerische  sinn  auch  die  deutsche 
poesic  so  mächtig  ergreifen  konnte,  dass  selbst  geistliche  dichter 
mit  streng  religiösen  tendenzen  ihm  erliegen,  wir  werden  aber 
noch  bestimmter  über  die  zeit  von  1100  hinausgeführt,  wenn 
wir  diese  Schilderungen  in  ihre  bestandteile  zerlegen  und,  indem 
wir  uns  nach  parallelen  für  sie  aus  der  poesie  des  12  jhs.  um- 
sehen, festzustellen  suchen,  welche  altersgränzen  für  ihre  an- 
wendung  vorhanden  seien. 

1)  V.  1373  ein  here  gröz  unde  breit,  vgl.  auch  2877  daz 
her  breit,  das  epitheton  findet  sich  bei  scar  oder  her  in  der 
heldendichtung  dieser  zeit  häufig,  schon  im  Annolied  424.  455 
breite  scarin,  dann  im  Alexanderl.  3760.  4401  daz  her  breit, 
Kaiserchronik  386,  6  ir  scar  was  s6  breit,  in  Konrads  Rolands- 
lied scheint  das  epitheton  in  dieser  Verbindung  nicht  vorzukommen, 
wenigstens  ist  mir  kein  beleg  zur  band. 

2)  V.  1344  noh  die  hutteti  noh  gezelt.  die  ältere  poesie  ge- 
währt für  diese  Verbindung  keine  belege,  da  Vor.  Mos.  37,  24 
wol  mit  hüten  unde  gezelten,  nicht  hutten  (vgl.  Mhd.  wb.  1,  742^) 
zu  lesen  ist,  vgl.  Diem.  55,  24;  81,  6  ff .  aber  bei  Wolfram  und 
in  den  Nib.  begegnet  sie  öfter:  Wh.  16,  7  ir  hütte  und  ir  gezelt, 
Nib.  551,  3  und  Kudr.  1592  man  sack  vor  Mateldne  hatten 
und  gezelt. 

3)  V.  1343  iz  ne  vuorte  schilt  noh  daz  swert,  vgl.  Alexanderl. 
4806  hie  nist  daz  seilt  noh  daz  swert. 

4)  V.  1347  ff  in  rossen   noh  in  mülen  ....  noh  die  sou- 
Z.  F.  D.  A.     XXXIII.     N.  F.  XXI.  6 


82       DIE  ABFASSÜNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS 

märe  snelle  oder  träge,  vgl.  Rolandsl.  2509  ff  in  einer  aufzählung 
wie  hier  marh  .  .  .  vorloufte  .  .  .  olventen  .  .  mnle,  manegen  son- 
mdre  gelathen  vüe  swdre.  die  Chanson  de  Roland  hat  dafür  an 
der  stelle  nichts  unmittelbar  entsprechendes,  doch  findet  sich 
757  f  eine  aufzählung:  ne  mul  —  ne  runcin  ne  snmer,  vgl.  auch 
480  f,  genau  wie  in  der  Exodus  ros,  müh,  soumdre  zusammen- 
gestellt sind. 

5)  V.  2879  manege  halsperge  wize  die  fuorten  si  ze  vlize, 
vgl.  Kehr.  D.  225,  9  si  samenten  sich  mit  flize,  si  vuorten  manige, 
halsperge  icize  und  159,  20  dd  mähte  man  sehen  gUzen  manige 
halsperge  wize,  vgl.  Chanson  1042  hlancs  osbercs,  1329  le  blanc 
osberc,  ebenso  1022.  2499. 

6)  v.  2930  werden  hornpogen  erwähnt,  im  Rol.  findet  sich 
dasselbe  wort,  aber  nur  als  bezeichnung  für  die  damit  bewaffnete 
maunschaft,  nicht  für  die  waffe  selbst,  vgl.  v.  2625  und  4666. 
wol  aber  begegnet  in  der  Kehr.  224, 18  der  vers  sibenzec  tnsent 
man  mit  hornpogen  und  im  Alex.  v.  4502  und  spienen  ire  horn- 
bogen. 

7)  V.  1353  noh  hörn  neheiniz  grözez  nah  chleiniz  und  v.  2933 
manich  hörn  scelliz  grözez  und  helliz.  bei  der  kürze  der  Schil- 
derungen darf  die  doppelte  erwähnung  des  hornes  als  ausrüstungs- 
gegenstandes  immerhin  auffallen,  es  sei  daran  erinnert,  dass  in 
der  Chanson  wie  im  deutschen  Rol.,  ganz  abgesehen  von  der  be- 
deutung,  die  das  Olivantmotiv  gefunden  hat,  von  hörnern  oft 
genug  die  rede  ist  und  dass  ihrer  namentlich  beim  angriff  wider 
und  wider  gedacht  wird:  vgl.  Chanson  1629.1746.1454.2132. 
Konrad  v.  5482.  6683.  auch  an  Wates  hörn  in  der  Kudrun  darf 
erinnert  werden,  da  wir  wissen,  dass  gerade  dieses  gedieht  im 
beginne  des  12  jhs.  in  Baiern  bekannt  war  (vgl.  Scherer  QF  7,  63 
und  LG  s.  731).  sonst  herehorn  Annol.  v.  449  =  Kehr.  16,24 
und  einmal  im  Alex.  3239. 

8)  2918  ff  diu  swert  .  .  .  wdren  brnn  unde  wiz,  vgl.  Alex. 
4360  daz  brun  isen,  v.  1734.  4465  die  brunen  ecken.  Rol.  nur 
vom  heim  2661.  3345.  vgl.  Chanson  1043  luisent  eil  espiet  brun, 
1953  Halteclere  dunt  li  acers  fut  bruns,  2089  sespee  d'acer  brun, 
aber  auch  vom  heim   heifst   es  3603.  3926  rhelme  d'acer  brun. 

9)  v.  2883  heim  und  die  brunne  die  seinen  sam  diu  gimme, 
si  lühten  sam  die  Sterne,  die  chös  man  also  verne.  für  die  Zu- 
sammenstellung: heim  und  die  brunne  sei  zunächst  bemerkt,  dass 


DIE  ABFASSUNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS       83 

auch  io  der  Chanson  bei  der  darstellung  der  ausrüstung  die  Ver- 
bindung der  begriffe  begegnet,  vgl.  3078  Helmes  lacez  e  vestiies 
lur  brnnies,  2988  ad  vestue  brunie  Lacet  sun  keime,  v.  2572  sun 
keime  e  sa  brunie.  im  übrigen  findet  sich  der  erste  vergleich 
schon  Vor.  Mos.  56,  16  die  süle  darinne  die  lühten  sam  ein  gimme, 
derselbe  vers  Diemer  81,  11  nur  sam  diu  gimme,  der  andere, 
so  viel  ich  sehe,  erst  im  Alex,  und  Rol.  dort  v.  5982  si  lühten 
s6  die  sterren  näh  nnde  verre,  derselbe  reim  noch  6419.  7047. 
hier  v.  1552  Mhten  sam  thie  sterren  xoitker  äbant,  v.  3354  seein 
sam  tkie  sterren  unter  tken  wölken,  auch  8407  si  lühten  sam 
tkie  sterren  vone  golde  unt  vone  perlen!  das  motiv  an  sich,  den 
glänz  der  helme  hervorzuheben ,  findet  in  der  Chanson  reichste 
analoga  Vom  einfachen  l'helme  der  oder  flambius  3274.  3865. 
1022,  mit  dem  etwa  die  schinintin  keime  im  Annolied  zu  ver- 
gleichen sind,  bis  zu  formein  wie  1542.  1995.  2500  l'kelme 
ki  est  ad  or  gemmez  oder  v.  1452.  3306.  3616  l'helme  li  freint 
ü  les  gemmes  reflambent,  luisent  eil  helme  as  perres  d'or  gemmees 
oder  1326  l'helme,  ü  li  carbuncle  luisent,  die  unserer  stelle  schon 
ganz  nahe  kommen. 

10)  V.  2918  fr  der  swerte  gehilze  die  si  truogen  umbe  sich 
(zewdre  des  phlige  ich  mich)  diu  seinen  vil  verre,  Chanson  1364 
D'or  est  li  heiz  e  de  cristal  li  punz,  vgl.  noch  684  as  punz 
d'or  neielez. 

11)  V.  2891  si  wären  um  daz  ort  vil  chleine  gewieröt ,  vgl. 
Graf  Rudolf  A^  14  gewieröt  zu  den  orten  mit  dem  edelen  gesteine. 

12)  V.  3055  die  listen  alumbe  von  röteme  golde,  vgl.  Rol. 
v.  1616  ff  zobel  was  thar  under,  thiu  liste  nithene  umbe  thurh- 
soten  guldin. 

13)  zweimal  werden  in  der  Exodus  bunte  fahnen  erwähnt: 
V.  1357  zeichen  diu  wizzen,  röten  vanen  breiten,  den  ne  moht 
iz  geleiten,  wo  also  weifse  und  rote  genannt  werden,  und  v.  3041  ff 
si  keten  manegen  breiten  vanen  .  .  .  manich  zeichen  röt,  maneger 
gruone  unde  loiz.  zunächst  erscheint  das  epitheton  breit  bei 
vane  auch  Kudrun  v.  1373  noch  sihe  ich  hie  bi  weiben  einen  vanen 
breit  von  wolkenbldwen  siden,  die  drei  färben  aber  nur  im  Rol. 
und  in  der  Kehr,  dort  heifst  es  v.  632  manegen  helt  kuonen, 
manegen  vanen  gruonen,  manegen  röten  unde  wizen,  thie  velt 
sähen  sie  glizen,  hier  159,  15  fast  wörtlich  er  hete  manigen  helt 
kuonen,  manigen  vanen  gruonen,  manigen  wiz  unde  röt,  ebenso 


84       DIE  ABFASSUNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS 

308,  19  mmiigen  vaneii  wizen,  manigen  griione  unde  rot. 
aber  auch  io  der  Chanson  heilst  es  zweimal  v.  999  und  1800 
E  gunfanuns  blancs  e  blois  e  vermeilz,  sodass  nur  die 
gleichung  blois  =  gruone  der  erklärung  bedarf,  im  deutschen 
Roi.  werden  noch  öfter  die  färben  der  fahnen  erwähnt,  so  heifst 
es  V.  8179  manegen  vaneti  weihen,  gruone  und  weitin,  welche 
stelle  wegen  des  verbs  weihen  wie  wegen  der  blauen  färbe  an 
die  oben  citierte  der  Kudrun  erinnert,  und  v.  3343  vile  manegen 
wizen  vanen.  die  Zusammenstellung  der  drei  färben  erscheint 
noch  einmal,  wenn  auch  nicht  bei  fahnen,  v.  7175,  wo  es  heifst: 
thd  sack  man  glizen  manegen  phellel  wizen,  manigen  röten  unde 
gruonen.  hier  liegt  wol  eine  secundäre,  durch  Übertragung 
entstandene  anwendung  der  formel  vor.  denn  dass  diese  Zu- 
sammenstellung formelhaft  ist,  scheint  mir  unzweifelhaft,  schon 
der  umstand  beweist  es,  dass  alle  mal  das  manig  wider  erscheint, 
so  unwesentlich  es  auch  vom  sachlichen  standpunct  aus  ist.  die 
formel  scheint  da  angewendet  worden  zu  sein ,  wo  es  auf  die 
Schilderung  eines  mit  der  ausrüstung  fertigen  oder  im  anrücken 
begriffenen  heeres  ankam,  aus  dem  die  fahnen  als  das  sicht- 
barste herausleuchteten. 

14)  V.  2935  olhende  und  mule,  esil  vile  tiure  und  die 
schon  oben  citierte  stelle  1347  f  in  rossen  noch  in  muten,  ge- 
reiten  vile  tiuren,  vgl.  Rol.  v.  469  f  siben  hundert  mule,  guot 
unde  tiure,  siben  hundert  olbenten  und  v.  2509  f  unde  vor- 
loufte  tiure,  olventen  unde  mule,  endlich  v.  1078,  wo  dieselbe 
Zusammenstellung  bei  anderem  reime  erscheint:  ire  mule  und 
ire  olbenten.  davon  geht  die  erste  stelle  (vgl.  Golther,  Rolands- 
lied, München  1887,  s.  1)  zweifellos  auf  die  französische  vorläge 
zurück:  Chanson  31  f  set  cens  cameilz iiii  c.  muls,  wäh- 
rend für  die  zweite  uns  zwar  keine  direcle  entsprechung  vor- 
liegt, doch  aber  nach  den  spuren  in  der  Chanson,  auf  die  Golther 
s.  62  hingewiesen  hat,  zu  erschliefsen  ist,  vgl.  zb.  Chanson  847 
Muls  e  chevals  e  cameilz.  wegen  der  dritten  stelle  aus  Konrad 
v.  1078,  die  für  uns  nicht  in  demselben  mafse  wie  die  beiden 
anderen  in  betracht  kommt,  weil  ihr  der  characterislische  reim 
fehlt,  sei  auf  Golther  s.  59  verwiesen,  wozu  jedoch  die  anzeige 
des  buches  in  der  DLZ  1887  sp.  1336  verglichen  werden  möge. 

Wir  sind  weit  davon  entfernt,  allen  diesen  parallelen  gleichen 
wert   für   die   beantwortung   unserer   frage    beizumessen    und  zu 


DIE  ABFASSÜNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS       85 

glauben,  dass  der  anblick  dieser  tabelle  genügt,  um  jeden  von 
der  zeitlichen  Verwandtschaft  der  Exodus  mit  den  citierten  dicht- 
•werken  zu  überzeugen,  wir  wissen  genau  —  was  bei  der  phi- 
lologischen ausnutzung  von  Übereinstimmungen  oft  genug  über- 
sehen wird  — ,  dass  nicht  für  alle  nur  die  eine  erklärung  möglich 
ist,  dass  sie  aus  den  herangezogenen  gedichten  selbst  stammen, 
nicht  einmal  die  folgerung,  dass  sie  auf  der  gemeinsamen  be- 
nutzung  von  gedichten  beruhen,  die  in  derselben  zeit  neu  ent- 
standen sind,  ist  zutreffend,  von  den  angeführten  Übereinstim- 
mungen ist  ein  grofser  teil  sicher  der  art,  dass  sie  als  ahes  gut  der 
poetischen  technik  gelten  müssen,  fällt  doch  gerade  in  den  be- 
ginn des  12  jhs.  das  wideraufblühen  des  deutschen  helden- 
gesaoges,  dessen  kunstweise  auf  den  dichter  der  Exodus  nicht 
ohne  einwürkung  geblieben  sein  wird,  ja  es  ist  deutlich,  dass 
sie  an  ihm,  namentlich  so  weit  sie  sich  in  einer  reihe  altüber- 
lieferter formein  äufserte,  einen  treuen  und  eifrigen  nachahmer 
gefunden  hat.  wie  aber  sein  werk,  so  haben  auch  die  anderen, 
zb.  Alexanderlied,  Rolandslied,  Kaiserchronik  von  dieser  blute 
der  kunst  profitiert  und  spuren  jener  dichtweise  haben  sich  auch 
in  ihnen  erhalten,  wenn  wir  also  nicht  andere  kriterien  nach- 
zuweisen vermögen,  auf  grund  deren  die  Exodus  später  verfasst 
sein  muss  als  diese  gedichte,  dann  haben  wir  mit  einer  reihe 
der  aufgefundenen  Übereinstimmungen  nicht  mehr  festgestellt, 
als  dass  unser  werk  in  einer  zeit  gedichtet  wurde,  da  der  helden- 
gesang  im  schwänge  war.  diese  reihe  der  parallelen  wird  re- 
präsentiert durch  die  nummern  1 — 8,  in  so  fern  wir  in  ihnen  stil- 
mittel  jener  alten ,  damals  erneuerten  heldendichtung  erblicken. 
An  dieser  auffassung  kann  uns  zunächst  auch  nicht  der  um- 
stand irre  machen ,  dass  wir  für  4,  5  und  8  belege  aus  dem 
französischen  Rolandslied  beizubringen  vermochten.  wo  be- 
rührungspuncte  eines  deutschen  gedichts  mit  einem  französi- 
schen vorliegen,  da  ist  die  annähme  unmittelbarer  beeinflussung 
des  einen  durch  das  andere  nicht  das  einzige  erklärungsprincip.  die 
Übereinstimmung  kann  auch  in  einer  ganz  anderen  tatsache  ihren 
grund  haben,  wie  Frankreich  selbst  aus  zwei  elementen  erwuchs, 
einem  germanischen  und  einem  romanischen,  wie  seine  spräche 
aus  diesen  beiden  besteht,  so  muss  auch  sein  heldentum  aus 
beiden  erwachsen  sein,  folglich  muss  auch  die  heldenpoesie,  der 
niederschlag  des  heldenlums  von  ihnen  beiden  durchtränkt  sein. 


86       DIE  ABFASSUNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS 

es  fehlt  uns  auch  nicht  au  Zeugnissen  dafür,  dass  die  ursprüng- 
liche, germanische  heldensage  in  Frankreich  noch  forllehte,  vgl. 
KHofmann  Zs.  28,  143  f,  Müllenhoff  Zs.  12,  289  f  und  23,  159  f. 
demnach  sind  wir,  wenn  wir  in  der  deutschen  heldenpoesie  und 
ihren  abarten  auf  eine  reihe  von  moliven,  formein  und  ausdrücken 
slofsen,  die  auch  in  der  franzosischen  dichtung  begegnen,  noch 
nicht  berechtigt,  von  vorn  herein  auf  entlehnung  zu  schliefsen. 
oft  wird  es  sich,  ganz  abgesehen  von  solchen  motiven  und  phrasen, 
die  auch  zwei  durchaus  unverwandte  Völker  mit  einander  teilen 
können ,  um  Übereinstimmungen  handeln ,  die  sich  -aus  der  zeit 
herschreiben,  wo  beide  Völker  noch  eins  waren  oder  als  eins  sich 
fühlten,  gerade  aus  dem  kreise,  in  dem  wir  uns  hier  bewegen, 
bietet  sich  ein  lehrreiches  beispiel  für  die  beobachtung,  wie  sich 
ein  aus  so  früher  zeit  stammendes  motiv  in  den  poesien  erhielt, 
die  sich  nachher  getrennt  und  unabhängig  von  einander  in  eigener 
nationalität  entwickelten. 

Wie  die  leichname  verstorbener  wilden  tieren  preisgegeben 
wurden,  das  zu  erzählen,  wird  die  alte  poesie  oft  gelegenheit 
gehabt  haben,  und  es  weisen  noch  spuren  darauf  hin,  dass  das 
motiv  zu  einer  zeit  schon  Verwendung  fand,  als  Deutsche  und 
Franzosen  noch  eine  gemeinsame  poesie  hatten,  es  begegnet  in 
der  Chanson  zweimal  und  in  einer  weise,  dass  die  formeihaftig- 
keit  des  ausdrucks  noch  deutlich  durchblickt,  vgl.  v.  1751  n'en 
manger unt  ne  In,  ne  por  ne  chen  und  v.  2591  E  Mahumet  enz  en 
un  fasset  butent  E  porc  e  chen  le  mordent  e  defulent.  aber  die 
formelhaftigkeit  scheint  auch  für  die  deutsche  poesie  gesichert, 
wenn  Konrad  diese  stellen  nicht  wörtlich  widergibt,  sondern  nur 
ungefähr  überträgt,  indem  er  das  eine  mal  v.  6051  nur  von  den 
vögeln  Wime  seiden  then  vogelen  niht  ze  teile  werthen,  vgl.  noch 
V.  8500  thitien  boteh  ih  then  vogelen  lege,  das  zweite  mal  v.  7137 
thie  gote  hiezen  si  werven  under  thie  hunde  nur  von  den  hunden 
spricht,  und  wenn  er  dann  in  der  Kehr.  309,  22  f  beide  stellen 
zusammenfasst  und  von  vögeln  und  hunden  spricht:  Der  cheiser 
leit  den  bdbes  uf  den  hof.  man  sack  ie  dannoch  den  potech  ligen 
töten,  swie  in  zevuorten  genöte  die  vögele  jouch  die  hunde;  die 
netvalten  nehein  stunde,  alse  dar  an  wol  seein,  iz  wwre  hüt  oder 
bein,  al  daz  si  mähten  geniezen,  anders  si  dd  nieht  verliezen.  es 
kommt  hinzu,  dass  auch  schon  in  Cynewulfs  Eleue  der  gedanke 
hervortritt  in  den  versen  27  f :   fyrdleod  dgöl  wulf  on  walde,  wcel- 


DIE  ABFASSÜNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS   87 

riine  ne  mdd:  nrigfedera  earn  sang  dhdf  Iddum  on  Idste,  und 
eodlicb,  dass  auch  der  dichter  der  Exodus  das  motiv  behandeh, 
indem  er  v.  157  (T  in  derselben  negativen  weise,  in  der  er  bei 
der  darstellung  der  ersten  plage  einen  heereszug  schildert,  hier 
den  anblick  eines  leichenfeldes  sich  ausmalt,  die  anlehnung  an 
eine  überlieferte  formel  scheint  mir  auch  durch  diese  warme  und 
lebhafte  darstellung  noch  durchzuschimmern  und  die  ähnlichkeit 
mit  der  stelle  in  der  Elene  ist  unverkennbar,  der  dichter  will 
erzählen,  wie  die  ammen  Sephora  und  Fua  dem  befehle  nicht 
gehorchten ,  den  Pharao  in  bezug  auf  die  ermordung  der  neu- 
geboreneu  jüdischen  knaben  erlassen  hatte,  und  sagt:  dd  ne  dorfte 
der  rabe  bluotigen  snabel  haben,  dd  mähten  die  gire  verlieseyi  ire 
giwen,  jouch  der  wolf  grdice  nedorfte  dare  gdhen  noh  die  hesse- 
hunde  mit  himgerigen  munde.  .  .  . 

So  steht  uns  also  ein  sicheres  beispiel  dafür  zur  Verfügung, 
wie  lange  sich  ein  motiv,  das  einer  frühen  zeit  der  poesie  aa- 
gehörl,  erhält,  indem  es  noch  in  späten  epochen  national  ver- 
schiedener litteraturen,  die  aber  von  jener  alten  poesie  ihren  aus- 
gangspunct  genommen  haben,  widerkehrt,  und  nichts  hindert 
uns  für  die  Übereinstimmungen  in  den  nummern  4,  5,  8  diese 
analogie  uns  zu  nutze  zu  machen  und  sie  in  ähnlicher  weise  zu 
erklären,  dennoch  sind  auch  die  nummern  1  —  8  für  unsere 
frage  von  nicht  zu  verkennender  bedeutung.  wenn  ein  werk 
wie  die  Exodus,  das  seinen  rein  biblischen  stofT  in  religiöser 
tendenz  behandelt,  die  darstellungsmittel  der  heldensagendichtung 
entlehnt,  so  muss  diese  poesie  damals  bereits  sehr  im  Vorder- 
gründe des  allgemeinen  interesses  gestanden  haben,  dass  diese 
talsache  aber  für  die  datieruug  des  gedichts  nicht  gleichgiltig 
ist,  begreift  jeder. 

Nicht  so  leicht  wird  man  sich  eutschliefseu ,  bei  den  num- 
mern 9  und  10  vom  erklärungsprincip  des  gemeinsannen  ur- 
besitzes  gebrauch  zu  machen,  dass  schon  in  der  zeit  vor  der 
inneren  und  äufseren  Scheidung  der  Franzosen  von  den  Ger- 
manen die  poesie  in  dieser  weise  die  pracht  der  waffen  be- 
tont hat,  ist  möglich,  da  der  glänz  der  antiken  cultur,  der  die 
Germanen  in  die  südlichen  gefilde  lockte,  in  ihre  dichtungen  am 
ehesten  eingang  gefunden  haben  wird,  andererseits  aber  liegt  es 
nahe,  bei  der  frage  nach  dem  Ursprung  der  Übereinstimmungen 
daran  zu  denken ,  dass  das  ganze  ritterweseu  mit  seiner  Vorliebe 


88       DIE  ABFASSUNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS 

für  den  pruuk  von  Frankreich  aus  zu  uns  gedrungen  ist  und 
dass  mit  ihm  der  sinn  für  glänzenden  schein  und  strahlenden 
schmuck  eben  durch  die  poesie,  als  die  anerkannte  trägerin  neuer 
ideen,  uns  vermittelt  wurde,  doch  wollen  wir  uns  bei  dem  ge- 
ringen material,  das  uns  hier  zur  verlügung  steht,  in  dieser 
alternative  nicht  entscheiden  und  «lie  frage  offen  lassen,  nur 
daraufsei  hingewiesen,  dass  die  ganze  Schilderung  in  der  Exodus 
V.  2886  ff.  2901  f.  2916  f  usw.  schon  durchaus  von  jenem  sinn 
für  luxus  und  eleganz  erfüllt  zu  sein  scheint,  der  im  anfang  des 
12  jhs.  dank  der  einwürkung  Frankreichs  in  Deutschland  zu  er- 
wachen begann. 

Auch  der  blendende  einklang  in  nr  13  soll  uns  nicht  zu 
einem  voreiligen  urteil  verleiten,  in  der  Zusammenstellung  der 
drei  färben  könnte  immerhin  eine  uralte  volkstümliche  anschauung 
stecken,  wird  doch  bei  Walther  in  seiner  nicht  gerade  höfischen 
Elegie  die  farbenfrohe  weit  124,  37  diu  uzen  schoene  gleichfalls 
iciz,  grüene  unde  rot  genannt,  vgl.  75,  25  diu  weit  was  gelf,  rot 
unde  Md. 

Um  so  sicherer  dürfen  wir  aber  in  nr  14  einen  directen 
einfluss  der  französischen  poesie  auf  die  Exodus  erblicken,  hier 
kann  weder  von  einem  zufälligen  zusammentreffen  die  rede  sein, 
da  Chanson,  Exodus  und  Rolandslied  zu  genau  übereinstimmen, 
noch  kann,  um  es  kurz  auszudrücken,  ein  urzeilliches  motiv 
vorliegen,  unmöglich  können  damals,  als  Deutsche  und  Franzosen 
noch  eine  uation  bildeten  und  an  6iner  poesie  sich  erfreuten, 
in  ihr  kameele  als  lasttiere  des  heeres  erwähnt  worden  sein, 
die  kenntnis  von  ihrer  Verwendung  setzt  zweifellos  nahe  berührung 
mit  dem  Orient  voraus,  man  darf  an  die  kämpfe  der  Franzosen 
mit  den  Saracenen  in  Spanien  denken  und  vermuten,  dass  deren 
dichterische  verherlichung  das  motiv  einbürgerte,  man  begreift 
das,  wenn  man  in  VHehns  buche  Kulturpflanzen  und  haustiere^ 
s.  28  f  liest,  wie  in  älteren  Zeiten  bei  den  Semiten  das  kameel 
das  ross  völlig  vertrat,  auch  die  meinung,  zu  der  man  leicht 
kommt,  dass  auf  beide,  die  Chanson  wie  die  deutschen  gedichte, 
ein  drittes,  etwa  die  bibel  (vgl.  Jüngere  Judith  Diem.  134,  12 
er  vuorte  olhenten  dne  zal  genau  nach  dem  grundtexi),  gleich- 
mäfsig  eingewürkt  haben  könne,  sodass  sie  unabhängig  von 
einander  auf  dasselbe  motiv  gerieten,  hält  nicht  stich,  weil  dann, 
abgesehen  von  anderen  Schwierigkeiten,  die  Übereinstimmung  im 


DIE  ABFASSUNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS   89 

Wortlaut  der  Formel,  die  verbinduDg  vod  mauleselo  und  kameeleu, 
unerklärt  bliebe,  somit  ist  die  annähme  eines  inneren  zusammen- 
hanjjes  zwischen  der  französischen  formel  und  dem  deutschen 
ausdruck  uuabweislich.  sie  wird  noch  verstärkt,  wenn  wir  Exod. 
3043  die  al  swarze  möre  als  bezeichnung  für  die  Egypter  lesen, 
worin  gleichfalls  eintluss  der  französischen  epik  zu  erblicken  sein 
dürfte,  es  erhebt  sich  demgemäfs  nur  die  frage,  wer  von  jener 
formel  eher  gebrauch  gemacht  hat,  die  Exodus  oder  das  Rolands- 
lied, mit  anderen  worlen,  welches  der  beiden  gedichte  älter  ist. 

Für  den  ersten  augenblick  möchte  man  geneigt  sein,  das 
Rolandslied  für  älter  zu  halten,  weil  man  sich  eher  vorstellen 
kann,  dass  dieses  gedieht  mit  seinem  mächtig  ergreifenden  slofle, 
dessen  nachwürkung  auf  Jahrhunderte  sich  erstreckte,  auch  jenen 
Übertrager  beeintlusst  habe,  als  dass  umgekehrt  dessen  bescheidene 
arbeit  in  dem  grofsen  werke  spuren  hinterlassen  haben  sollte. 
aber  die  erwägung  ist  falsch,  schon  deshalb,  weil  sie  voreilig 
schliefst  und,  ohne  die  übereinstin)mungen  näher  zu  prüfen,  von 
vorn  herein  annimmt,  dass  sie  auf  directer  benutzung  beruhen, 
während  sie  ebenso  gut  durch  mittelglieder  veranlasst  sein  können, 
in  der  tat  ist  das  Rolandslied  jünger  als  die  Exodus,  wie  sich 
aus  der  betrachtung  der  reime  in  den  einzelnen  Übereinstim- 
mungen mit  Sicherheit  ergibt,  wenn  es  in  der  Exodus  v.  1351 
heifst:  tioh  die  soumdre  snelle  oder  t r d g e ,  im  Rolandslied  aber 
V.  2511  f  manegen  soumdre  gelathen  vile  siodre,  so  scheint  es 
klar,  dass  beiden  dichtem  dieselbe  formel  vorgeschwebt  hat  und 
dass  der  eine,  der  Verfasser  des  Rolandsliedes,  nur  ändert,  um 
den  reim  zu  modernisieren,  folglich  ist  er  der  jüngere  und 
jener  der  ältere  dichter,  die  entscheidung  wird  unterstützt,  wenn 
man  Exod.  3055  die  listen  alumbe  von  röteme  golde  gegen 
Rolandsl.  v.  1616  hält,  wo  es  heifst:  diu  liste  alumbe  thurh- 
soten  guldin,  oder  wenn  man  Exod.  1423  Die  gebruoder  ge- 
lieben von  dem  chunege  giengen  mit  Rolandslied  1728  und 
3225  Thö  sich  thie  gelieben  vone  ein  ander  gesciethen  ver- 
gleicht, beide  mal  handelt  es  sich  um  die  gleiche  erscheinung 
wie  vorher:  dieselbe  formel  tritt  dort  in  einem  älteren,  hier  in 
einem  jüngeren  gewande  auf. 

Wir  wissen  also  jetzt:  die  Exodus  ist  nach  demVorauer 
Moses  gedichtet  und  zwar  zu  einer  zeit,  wo  der  einfluss  der 
französischen    epik   im   südlichen  Deutschland  schon  mafsgebend 


90       DIE  ABFASSUNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS 

war  und  vor  1131,  iu  welches  jähr  nach  ESchrüder  (Zs.  27,  82) 
die  anfertigung  der  Übersetzung  des  Rolandsliedes  zu  setzen  ist. 
es  fragt  sich  nur  noch,  wie  weit  wir  mit  der  abfassungszeit  von 
jenem  terminus  a  quo  bis  zu  diesem  terminus  ad  quem  zu 
rücken  haben. 

Für  die  beantworlung  dieser  frage  kommt  es  zunächst  darauf 
an,  die  tatsache,  dass  in  der  Exodus  einvvürkung  der  französischen 
epik  sichtbar  ist,  in  ein  datuni  umzusetzen  dh.  festzustellen,  um 
welche  zeit  es  möglich  war,  dass  ein  gedieht  von  der  art  des  unseren 
in  dieser  weise  beeinflusst  wurde,  leider  ist  hierfür  eine  genauere 
bestimmung  nicht  zu  gewinnen,  weder  waren  die  Übereinstim- 
mungen zwischen  der  Exodus  und  der  Chanson  der  art,  dass 
man  sagen  konnte:  hier  liegt  eine  directe  beeinflussung  durch 
dieses  und  kein  anderes  gedieht  vor  oder  gar:  die  uns  vorliegende 
Chanson  und  keine  ältere  redaction  ist  von  dem  deutschen  dichter 
benutzt  worden ,  noch  wäre,  selbst  wenn  es  uns  gelänge,  dieses 
beides  nachzuweisen,  damit  viel  gewonnen,  denn  die  abfassungs- 
zeit der  uns  vorliegenden  redaction  fällt  nach  gewöhnlicher  an- 
nähme so  früh  (um  1100),  dass  aus  diesem  umstand  allein  für 
uns  nicht  mehr  zu  erschliefsen  ist,  als  wir  nach  der  Untersuchung 
der  beziehuugen  der  Exodus  zum  Vorauer  Moses  schon  wissen, 
und  an  einer  handhabe  für  den  nach  weis,  wann  die  Chanson 
vor  Ronrads  Rolandslied  nach  Deutschland  gelaugt  sein  könnte, 
fehlt  es  uns  gänzlich,  wir  können  also,  wollen  wir  dieses 
moment  vom  französischen  einfluss  in  der  Exodus  für  die  da- 
tierung  ausnutzen,  nur  ungefähre  erwägungen  von  der  art  an- 
stellen, wie  oben  s.  87,  wo  wir  gegenüber  dem  einfluss  des 
heldengesanges  den  character  unseres  dichters  und  die  art  seines 
Stoffes  hervorhoben.  wie  dort  müssen  wir  uns  gegenwärtig 
halten,  dass  nicht  ein  zunftmäfsiger  Sänger  vor  uns  steht,  der 
einen  altüberlieferten,  oft  behandelten  stoff  zu  bearbeiten  hat,  dem 
er  im  wettkampf  mit  concurrenten  und  um  die  gunst  eines  ver- 
wöhnten publicums  buhlend  durch  eine  neue  behaudluugsart  einen 
erhöhten  reiz  zu  verleihen  sucht,  sondern  ein  geistlicher,  der  ent- 
fernt von  weltlichen  interessen,  auch  abseits,  wie  es  scheint, 
von  dem  kämpfe  gegen  die  spielleute  und  rein  religiöse  tendenzen 
verfolgend  einen  biblischen  stoff  möglichst  wörtlich  überträgt, 
wie  mächtig  muss  also  der  einfluss  der  französischen  dichtung 
im  südlichen  Deutschland  schon  gewesen  sein,  wenn  es  möglich 


DIE  ABFASSUNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS       91 

ward,  (lass  ihn  ein  solcher  bearheiter  an  sich  erfuhr!  nun  ist 
aber,  wie  eine  directe  eiowürkuug  der  Chanson  in  der  Exodus 
für  uns  nicht  wahrnehmbar  war,  ein  unmittelbarer  einQuss  eines 
französischen  gedichtes  auf  sie  überhaupt  nicht  wahrscheinlich, 
in  so  fern  ihrem  verf.  die  kenntnis  der  fremden  spräche  kaum 
zuzutrauen  sein  dürfte,  folglich,  so  muss  man  schliefsen,  war 
schon  eine  reihe  französischer  gedichte  entweder  in  lateinischer 
Übertragung  —  der  schluss  des  deutschen  Rolandsliedes  weist  ja 
auf  das  Vorhandensein  solcher  Übertragungen  hin  —  oder  in 
ihrer  eigenen  spräche  im  südlichen  Deutschland  vorhanden ,  ehe 
der  verf.  der  Exodus  dazu  gelangte,  diese  gedichte  auf  sich  ein- 
würken  zu  lassen,  wir  dürften  somit  der  zeit  ganz  nahe  sein, 
wo  das  eindringen  der  fiemdländischen  litteratur  auch  schon  zu 
ihrer  directen  aneignung  führte  und  wo  das  erste  deutsche  ge- 
dieht auf  französischer  grundlage,  die  Übersetzung  des  Alexander- 
liedes, zu  Staude  kam. 

Diese  erwägungen  werden  durch  weitere  beobachtungen  unter- 
stützt, schon  die  nummern  1,  3,  6,  8  und  9  ua.  verrieten  nahe 
beziehungen  der  Exodus  zum  Alexanderlied,  Rolaudslied  und  zur 
Kaiserchronik,  das  sind  aber  durchaus  nicht  die  einzigen  stellen, 
in  denen  die  gedichte  übereinstimmen.  Rolandslied  und  Kaiser- 
chronik zeigen  auch  sonst  im  Wortschatz  wie  in  der  manier  eine 
solche  Verwandtschaft,  dass  auch  hieraus  auf  ein  nahes  zeitliches 
Verhältnis  geschlossen  werden  darf,  zunächst  mögen  einige  bei- 
spiele  in  bezug  auf  den  wortgebrauch  folgen. 

In  der  Exodus  heifst  es  v.  463  got  der  gewdre,  das  Koss- 
mann  mit  unrecht  in  zewäre  umänderte,  vgl.  Diem.  305,  3,  wo 
das  wort  in  derselben  Verbindung  belegt  ist.  ebenso  heifst 
es  im  Rolandslied  v.  9038  der  herre  ther  ist  getriuwe  unde  ge- 
wäre, auch  Kehr.  483,  11  si  sprachen  daz  der  herre  wäre  ge- 
triuwe unde  gewdre,  492,  30  unde  der  vater  wäre  getriuwe 
unde  gewdre,  495,  1  er  (Heinrich)  wäre  getriuwe  unde  gewdre. 
wenn  das  wort  auch  nicht  ganz  selten  ist ,  vgl.  Iw.  206  und 
dazu  Meier  Helmbreht  v.  253  und  1545,  so  scheint  die  Überein- 
stimmung, die  sich  darin  ausspricht,  dass  es  als  attribut  bei  got 
oder  herre  erscheint,  doch  characteristisch. 

Alterseine  Exod.  779.  1099.  1247.  2539  Rolandsl.  2089.  2772 
Kehr.  370,  12.  auch  im  Alex.  3796,  wo  es,  wie  dreimal  in  der 
Exodus,  bei  got  steht. 


92        DIE  ABFASSLi\GSZElT  DER  ALTDELTSCHEN  EXODUS 

Exod.  V.  792  ich  bin  neheine  frume,  Rol.  450  thin  vehten  ist 
neheine  frnm,  4303  tha%  in  ther  stdl  nehein  frume  ne  was,  Kehr. 
95,  31  daz  gebot  nehein  frum  ist,  ebenso  179,  23  daz  er  wider 
in  wäre  dehein  frum,  481,  21  erne  mähte  dem  ruhe  nehein  frum 
sin,  vgl.  auch  Jüngere  Judith  147,  22. 

Die  Exodus  hat  eine  offenbare  Vorliebe  für  das  verb  enblanden. 
sie  verwendet  es  nicht  weniger  als  fünfmal  und  dazu  kommt  noch 
zweimal  enblende  1952  und  2265.  aber  auch  im  Rolandslied 
findet  sich  v.  2328  wil  ih  iz  mir  enplanden,  vgl.  Exod.  872  diu 
ilt  ir  iz  enblanden,  Rol.  2450  wurthe  iz  in  enplanden,  2632  iz 
wart  in  harte  enplanden,  ebenso  7987,  vgl,  Exod.  1138  iz  wirt 
ime  enplanden,  dieselbe  construction  1965.  2290,  wo  bei  Koss- 
mann  der  dat.  pl.  in  fehlt,  und  3066.  auch  Kehr.  354,  8  dune 
wellest  dirz  enplanden,  vgl.  367,  25;  380,  26;  392,  8  iz  wirt  mir 
liebe  harte  enplanden. 

Der  alte  reim  erde :  werde  vgl.  Genes.  15,  29;  52,  11; 
79,  29,  Diem.  6,  12,  Jüngere  Judith  164,  12;  176,  22  findet  sich 
in  der  Exodus  923.  1237.  2190.  2595.  aber  auch  im  Rol. 
3769.  4183. 

Der  reim  Exod.  2467  vil  sicherlkhen  reine  ez  sol  sin  dne 
meile,  vgl.  noch  v.  2841,  erscheint  auch  Kehr.  119,  3  vil  küske 
unde  vil  reine  dne  alle  böse  meile;  ebenso  der  reim  Exod.  3157 
er  hiez  si  daz  si  vnoren,  sich  vil  drdte  uzhuoben  Kehr.  419,  23  f 
sie  sich  uzhuoben,  ingegen  dem  mer  si  vnoren,  vgl.  481,  31  und 
Alex.  612  mit  Kinzels  anm.,  auch  Rol.  3467. 

Dazu  kommen  uun  noch  einzelne  belege  für  verwandte  manier 
der  dichter,  ich  will  nicht  davon  sprechen,  dass  beide,  der  be- 
arbeiter  der  Exodus  wie  Konrad,  noch  einen  ausgedehnten  ge- 
brauch von  den  darstellungsmitteln  des  geistlichen  Stiles  machen, 
indem  sie  zb.  die  aus  der  predigt  überkommenen  beteuerungs- 
formeln  anwenden  wie:  ze  wdre  sagen  ih  iz  in,  ih  wil  dir  wdr- 
liche sagen,  thaz  wir  für  wdre  mugen  gehen,  wizzet  ze  wdre  udgl., 
vgl.  Exod.  269.  879.  965.  1501.  1636.  1647.  1671.  1875.  1992. 
2122.  2333.  2665.  2907.  3004.  3243,  Gen.  11,  3;  11,  13;  29, 
39  usw.,  Rol.  267.  1861.  3504.  3832.  3988.  4088.  5382.  oder 
salze  von  der  art  wie  vile  michel  ist  min  gewalt  Rol.  2318,  Anno- 
lied 146.  516,  Gen.  11,  39;  12,  20  oder  in  ist  niuweht  gelicli, 
vgl.  Exod.  226.  82.  2262,  Ezzo  8,  12,  Gen.  10,  5.  ich  will  nur 
von    der    inneren    stilistischen    behandlung   bei    beiden    dichtem 


DIE  ABFASSUISGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS       93 

spreclieu  und  nur,  in  so  weit  sie  auf  verwandte  geistesart,  auf 
gleichen  ideenkreis  scliliefsen  lässt. 

Demjenigen,  welcher  Kourads  Rolandslied  mit  der  Chanson 
vergleicht,  stufst  als  der  augenfälligste  unterschied  zwischen  quelle 
und  ühertragung  die  breite  auf,  welche  der  deutschen  bearbeitung 
gegenüber  der  französischen  dichtung  eigen  ist:  das  gedieht  ist 
in  der  Übersetzung  wol  auf  den  doppelten  umfang  angeschwollen, 
der  grund  davon  liegt  zum  teil  in  dem  character  des  deutschen 
Verses,  der  einerseits  kurz  ist  und  darum  nur  wenig  auszusprechen 
gestattet,  andererseits  aber  gereimt  sein  will  und  dadurch  leicht 
auch  nicht  ganz  treffende  oder  für  den  Zusammenhang  entbehr- 
liche gedanken  herbeizieht,  doch  erklärt  sich  die  breite  Kon- 
rads nicht  allein  durch  die  versart.  sie  beruht  auch  auf  seiner 
dichterischen  beschaffen heit,  da  sein  eigentliches  element  die 
Schilderung,  die  breite  darstellung  des  zuständlichen  ist. 
hierin  aber  trifft  er  zusammen  mit  dem  dichter  der  Exodus,  der 
auch  mit  Vorliebe  beschreibt  und  darum  besonders  eingehend 
bei  der  Schilderung  des  Wassermangels,  der  seuche,  des  aus- 
ziehenden heeres  usw.  verweilt. 

Hand  in  band  aber  mit  der  neigung  zum  zuständlichen  über- 
haupt geht  bei  Konrad  das  bestreben,  das  innere  leben  seiner 
gestalten  uns  vor  äugen  zu  stellen  und  ,  wie  Golther  auf  s.  137  f 
bemerkt,  im  gegensatz  zur  Chanson  'die  inneren  gedanken  der 
beiden',  die  'gefühle  der  handelnden  uns  vorzuführen',  er  er- 
reicht so  eine  durchgehende  verinnerlichung  des  Stoffes,  die  nicht 
blofs  an  die  übliche  deutsche  Sentimentalität  gemahnt,  sondern 
schon  die  mächte  ahnen  lässt,  die  in  nicht  mehr  ferner  zeit  eine 
deutsche  lyrik  heraufführen  sollten,  alle  gefühlvollen  momente, 
die  dem  Stoffe  nur  abzugewinnen  waren,  sind  von  Konrad  heraus- 
geholt, wie  er  für  Geneluns  verräterisches  handeln  in  der  ge- 
kränkten vaterliebe  die  erklärung  sucht,  so  weifs  er  auch  in 
einer  detaillierten  Schilderung  eines  abschieds  in  wehmütig-rühren- 
der weise  an  die  gefühle  zu  mahnen,  die  blutsverwandte  mit  einander 
oder  herren  mit  vasallen  verbinden,  genau  aber  wie  hier  Konrad 
das  empfindungsieben  im  vergleich  zu  seiner  vorläge  reicher  ge- 
staltet, genau  so  verhält  sich  der  dichter  der  Exodus  seiner  quelle 
gegenüber,  auch  er  versenkt  sich  mit  Vorliebe  in  das  gefühls- 
ieben und  innere  getriebe  seiner  gestalten  und  sucht  es  vor  uns 
auszubreiten,    wenn  es  von  den  Zauberern  Pharaos  in  der  vorläge 


94       DIE  ABFASSÜNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS 

IX  1 1  heifsl :  nee  poterant  stare  coram  Moijse  propter  ulcera,  quae 
in  Ulis  erant,  so  begleitet  er  sie  gleichsam  vom  hofe  zu  ihrer 
Wohnung:  v.  1765  si  giengen  zuo  ir  seleden  und  schildert  die 
gefühle,  die  sie  auf  ihrem  wege  empfanden,  wenn  die  hibel  das 
wunder  gottes,  durch  das  Moses  iiand  aussätzig  wird,  iv  6  rein 
tatsächlich  erzählt,  indem  sie  nur  das  äufsere  geschehen  dabei 
hervorhebt,  so  bemüht  der  dichter  sich  auch  den  seelischen 
zustand,  in  dem  Moses  sich  befand,  darzustellen,  indem  er  den 
satz  einschaltet:  der  man  was  in  sorgen,  das  misvergnügen  der 
Egypter  nach  dem  ungehinderten  abzuge  der  Juden  und  ihr  bren- 
nendes verlangen,  ihnen  nachzuziehen,  verstärkt  er  sehr  glück- 
lich durch  den  zusatz  eines  seelischen  motivs,  indem  er  den 
kriegerischen  ehrgeiz  in  ihnen  erwachen  und  sie  von  der  furcht 
ergriffen  sein  lässt,  jene  könnten  sich  des  sieges  rühmen,  sie 
selbst  aber  mit  schände  bedeckt  werden,  so  ist  er  oft  bestrebt, 
neben  der  treuen  widergabe  des  äufseren  geschehens  auch  die 
seelische  würkung  auf  die  beteiligten  nicht  aufser  acht  zu  lassen, 
man  vergleiche  222.  1622.  1787  f  usw.  einmal  verhilft  ihm  dieses 
bestreben  zu  einem  hübschen  idyllischen  bilde  333  f.  Moses  ist 
aus  Egypten  geflohen  und  lässt  sich  in  dem  fremden  land  an 
einem  brunnen  nieder:  iuxta  puteum  sedit.  mehr  sagt  die  bibel 
nicht,  unser  dichter  aber  eröffnet  uns  einen  einblick  in  die 
empfindungen,  von  denen  der  aus  der  heimat  verbannte  beseelt 
ist  und  schildert  seine  Verlassenheit,  in  der  er  niemanden  hat, 
dessen  rat  er  in  seiner  hilflosen  läge  erbitten  könnte,  abgesehen 
von  der  anschaulichen  scene,  die  er  bietet,  gewinnt  der  dichter 
so  noch  eine  vortreffliche  Vorbereitung  auf  Jethro,  Moses  künftigen 
Schwiegervater,  der  so  wie  ein  relter  aus  der  not  eben  wie  der 
vermisste  ratgeber  erscheint,  denn  gleich  darnach  fährt  er  fort: 
ein  ewart  was  in  Mddidn. 

Dieser  neigung  des  dichters,  innere  zustände  und  Stimmungen 
darzustellen,  entspricht  es,  dass  er  mit  einer  gewissen  Vorliebe 
affecte  schildert ,  dass  er  freude  oder  trauer  oder  zorn  gerne  dar- 
stellt und  dabei  sich  in  breiter  ausführlichkeit  ergeht,  man  ver- 
gleiche, wie  er  die  freude  der  Juden  ausmalt  v.  917 — 38  gegen 
Vulg.  IV  31  und  die  trauer  der  Egypter  2681  ff  gegen  Vulg.  xii  30. 
interessant  ist  auch  zu  beobachten,  wie  lebendig  und  mauigfach 
er  die  stereotype  Wendung  der  vorläge:  cor  Pharaonis  induratum 
est  widerzugeben  und  wie  er  dabei  Steigerung  zu  erreichen  weifs. 


DIE  ABFASSÜNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS   95 

vgl.  1449  ff.  1689  f.  1774  f.  1961  f.  2243  ff.  2337  f.  2982  ff.  aber 
auch  Konrad  bewegt  sich  in  diesem  element  nicht  ungern,  wie 
die  stellen  1537  f.  1898  f.  2052  ff.  2151  f.  2965  f.  6130  f  be- 
weisen, von  denen  einige,  zb.  1537  f.  6130  ff,  in  der  darstellung 
der  affecte  ausführlicher  sind  als  die  Chanson,  andere,  zb.  1898  f. 
2151  f,  von  Konrad  seihst  herzurühren  scheinen,  vgl.  Golther 
zu  den  stellen. 

Und  einmal  wählen  die  dichter  sogar  dasselbe  motiv,  um 
die  charactere  psychologisch  zu  bereichern,  sie  suchen  beide 
den  gegensatz  zwischen  den  kämpfern  dadurch  zu  verschärfen, 
dass  sie  die  einen,  die  beiden,  als  die  Vertreter  des  hochmutes, 
die  anderen  als  die  der  demut  und  ergebenheit  erscheinen  lassen, 
dieser  gegensatz  war  zwar  Konrad  durch  die  renommierscenen 
in  gewissem  sinne  gegeben  und  er  lag  auch  für  den  bearbeiter 
der  Exodus  in  der  gestalt  Pharaos  nahe  genug,  dennoch  ist  es 
beachtenswert,  dass  bei  beiden  der  gegensatz  religiös  gewendet 
und  in  den  Vordergrund  gestellt  wird,  vgl,  Golther  s.  121,  für 
die  Exodus  1330.  namentlich  wie  die  feinde  mit  Übermut  und 
voll  Zuversicht  in  den  kämpf  rücken,  um  dann  von  den  demütigen, 
nicht  sich ,  aber  gott  vertrauenden  schmählich  besiegt  zu  werden, 
hebt  Konrad  wider  und  wider  hervor,  vgl.  3468  mit  grözer  uber- 
muote  si  mioren  usw.,  4611  mit  ubermnote  chömen  si  dare.  aber 
auch  in  der  Exodus  heifst  es  v.  3075  f  hei  wie  si  sich  vermdzen 
dö  si  Af  dei  ros  gesdzen  l  vil  michil  was  der  ir  gelf,  dö  si  chömen 
an  daz  velt,  während  von  den  Juden  gesagt  wird  2927  si  vuoren 
iedoch  weiz  got  dne  aller  slahte  ubirmuot.  gelegentlich  begegnen 
sich  dabei  die  dichter  auch  im  ausdruck,  so  wenn  Moses  von 
Pharao  und  seinen  leuten  sagt  v.  1659  wände  ir  loider  got 
strebet  al  die  wile  die  ir  lebet,  im  Rolandslied  aber  3482  steht: 
thaz  er  allez  wither  got  strevet  so  wer  dne  got  levet. 

Während  es  aber  Konrad  über  die  blofse  gegenüberstellung 
kaum  hinausbringt  und  höchstens  zu  allgemeinen  betrachtungen 
über  die  künftige  bestrafung  des  Übermutes  und  belohnung  der 
demut  sich  erhebt,  vgl.  3361  f.  3487.  3510  f.  4604  f,  weifs  der 
dichter  der  Exodus  diesem  gegensatz  in  der  gestalt  Pharaos  wahr- 
haft dichterischen  ausdruck  zu  verleihen,  schon  die  bibel  lässt 
den  trotz  des  königs  wie  eine  probe  auf  seine  Überlegenheit  über 
den  willen  goltes  erscheinen  und  ihn  in  seinem  kraftgefühl  gleich- 
sam mit  dem  herrn  selbst  sich  messen,   vgl.  Vulg.  iv  23;  ix  14. 


96       DIE  ABFASSÜNGSZEIT  DER  ALTDEUTSCHEN  EXODUS 

der  (lichter  aber  verschärft  dieses  Verhältnis  noch  wesentlich,  vgl. 
865  f.  1723  f.  17591'.  1771  f.  1817,  und  spitzt  es  schliefslich  zu 
einer  persönlichen  antithese  zu.  als  Pharao  nach  dem  abzuge 
der  Juden  reue  darüber  empfindet,  dass  er  sie  so  leichten  kaufes 
habe  ziehen  lassen,  und  zu  dem  entschlusse  kommt,  ihnen  nach- 
zurücken, um  sie  wider  in  sein  land  zu  holen,  schliefst  er  seine 
erwägung  trotzig  mit  den  worten  3015  si  muozen  iemer  hie  sin, 
der  gewalt  ist  min.  als  dann  aber  die  Juden  das  meer  glück- 
lich überschritten  haben  und  Pharao  im  begriff  ist,  es  mit  den 
seineu  zu  durchwaten,  da  ergeht  von  gott  an  Moses  der  befehl, 
seine  bände  über  das  meer  zu  strecken  und  die  vvasser  zurück- 
zurufen, und,  wie  wenn  er  auf  jene  übermütigen  worte  direct 
bezug  nehme,  schliefst  er  seinen  befehl  mit  den  worten  3246 
der  gewalt  der  ist  min.  zugleich  sind  es  die  letzten,  die  in  dem 
gedieht  überhaupt  von  personen  gesprochen  werden,  und  es 
hätte  vielleicht  nicht  einmal  der  ausdrücklichen  Unterstreichung, 
die  in  der  widerholung  des  artikels  liegt,  bedurft,  um  sie  würk- 
sam  erscheinen  zu  lassen,  jedesfalls  sieht  man,  dass  der  dichter 
sich  auf  die  figur  des  contrastes  versteht  und  sie  mit  künst- 
lerischem bewustsein  zu  handhaben  weifs.  eben  dasselbe  aber 
kann  man  auch  bei  Konrad  beobachten,  wenngleich  er,  wie  er 
überhaupt  an  poetischem  können  hinter  dem  dichter  der  Exodus 
zurückbleibt,  ihn  an  würkung  nicht  erreicht,  er  hebt  den  Übermut 
der  beiden  vor  dem  kämpfe  gewis  auch  deshalb  so  stark  hervor,  um 
darnach  ihren  fall  um  so  liefer  erscheinen  zu  lassen,  vgl.  3995  ff. 
Für  das  ende  verspart  sich  der  dichter  der  Exodus  noch 
einen  ganz  besonderen  effect,  den  er  gleichfalls  durch  con- 
trastierung  erreicht,  als  er  das  dem  sicheren  tod  entgegen- 
eilende beer  der  Egypter  uns  noch  einmal  in  seiner  ganzen 
pracht  vor  äugen  führt,  versäumt  er  nicht,  refrainartig  auf 
das  nahende  Verhängnis  hinzuweisen,  es  gelingt  ihm  so,  seine 
hörer  mit  dem  schauder  zu  erfüllen ,  mit  dem  die  nähe  des 
todes  uns  anweht: 

si  heten  manigen  breiten  vanen, 

in  nähet  der  bane, 

si  heten  manich  zeichen  rot, 

in  nähet  der  tot, 

die  seilte  wären  diche  unde  breit, 

in  nähet  allez  leit.  .  .  . 


DIE  ABFASSUNGSZEIT  DER  ALTDEÜTSCEIEN  EXODUS       97 

Doch  wir  wollen  in  der  aufsuchung  der  ähulichkeiten  nicht 
weiter  gehen  und  brechen  ab.  die  angeführten  züge  reichen 
aus,  um  uns  für  beide  dichter  eine  gleiche  anschauungsweise  und 
eine  gleiche  geistige  atmosphäre  voraussetzen  zu  lassen,  mag 
man  auch  vieles  in  den  Übereinstimmungen  auf  den  gleichen 
beruf  zurückführen  wollen,  dem  die  dichter  angehörten,  die 
gleiche  Vorbildung,  die  sie  genossen,  die  gleichen  interessen, 
denen  sie  nachgiengen,  ohne  die  annähme  einer  ähnlichen 
dichterischen  anläge  und  einer  gewissen  geistigen  wie  morali- 
schen congeuialität  wird  man  sie  ausreichend  nicht  erklären 
können,  für  diese  aber  möchten  wir  doch  wider  gerne  ein 
nahes  zeitliches  Verhältnis  der  dichter  in  anspruch  nehmen,  zwar 
sind  wir  im  allgemeinen  durchaus  nicht  berechtigt,  bei  gleicher 
poetischer  disposition  zweier  dichter  auch  schon  auf  gleichzeitig- 
keit  oder  geringen  zeitlichen  abstand  zu  schliefsen ,  aber  hier, 
wo  wir  uns  durch  das  Verhältnis  des  gedichtes  zum  Vorauer 
Moses  einerseits,  dem  Rolandslied  andererseits  schon  innerhalb 
kleiner  gränzen  bewegen,  dürfte  es  gestattet  sein,  noch  die  ver- 
wandte manier  der  dichter  ins  feld  zu  führen  als  ein  argument 
mehr  für  die  ansieht,  dass  die  dichtungen  auch  chronologisch 
sich  nahe  stehen,  es  dürfte  es  um  so  eher  als,  wie  wir  sahen, 
die  eine  von  ihnen,  die  Exodus,  sich  auch  von  dem  einfluss  der 
französischen  epik  durchdrungen  zeigt,  dem  die  andere,  das 
Rolandslied ,  erst  die  entstehung  verdankt. 

Nach  alledem  kann  die  behauptung,  dass  die  Exodus  in 
der  zeit  von  1120  — 1130  verfasst  sei,  wol  kaum  mehr 
auf  Widerspruch  stofsen  und  auch  die  zu  erwartenden  forschungen 
Edward  Schröders  über  die  Kaiserchronik  dürften  ihr  nicht  ent- 
gegen sein,  hat  doch  Schröder,  der  zweifellos  über  reichere 
Sammlungen  verfügt  als  mir  hier  zu  geböte  standen,  und  der  be- 
sonders über  das  Verhältnis  des  gedichtes  zu  den  Schöpfungen 
Konrads  weit  bessere  auskunft  geben  kann  als  ich,  zuerst  DLZ 
1886  sp.  1339  auf  die  engen  beziehungen  hingewiesen,  die 
zwischen  den  drei  gedichten  bestehen,  er  ist  daher  auch  am 
besten  gerüstet,  der  frage  nach  der  heimat  der  Exodus,  die  wir 
nicht  zu  erörtern  wagten,  näher  zu  treten. 

Berlin,  den  23  September  1887.  OTTO  PMOWER. 


Z.  F.  D.  A.    XXXIII.    N.  F.    XXI. 


zu  MINNESANGS  FRÜHLING 


ZU  MINNESANGS  FRÜHLING. 

4,  1.  2  Diu  linde  ist  an  dem  ende 
nü  jdrlanc  sieht  unde  blöz. 
die  einzige  hs.  A  bietet  lieht  unde  blöz,  das  sich  sehr  wol 
halten  lässt.  lieht  'vom  Wachstum  enlblöfst'  (sodass  das  licht 
Zugang  hat,  durchbricht)  haben  wir  sowol  als  adjectivum  (vgl. 
Hechtes  laut  bei  Schmeller- Frommann  i  1431),  wie  in  den  Sub- 
stantiven 'lichte'  und  'lichluug'  (siehe  DWB  s.  vv.),  und  in  den 
synonymen  'lichte'  (vgl.  ouch  begunde  liuhten  sich  der  walt,  wan 
daz  ein  rone  was  gevalt  Parz.  282,  9)  und  'blöfse'  (an  einer 
blcßze  Iw.  3837)  haben  wir  ja  das  überlieferte  lieht  unde  blöz  neben 
einander.  —  für  sieht,  das  Haupt  einführt  und  Bartsch  Lieder- 
dichter* xcvni  44  übernimmt,  ist  jedesfalls  eine  näher  liegende 
bedeutung  nicht  bezeugt:  als  'kahl'  ist  es  nicht  belegt,  für  'leer' 
weisen  es  die  Wörterbücher  in  der  spräche  des  deutschordens- 
landes  um  1300  nach  (slehte  kästen  Pass.  Kulmer  recht),  man 
könnte  dafür  nur  anführen,  dass  sieht  unde  blöz  zusammengehören, 
so  gut  wie  ruh  unde  blöz  (Helmbr.  666),  ruh  unde  sieht  (MSH 1, 299^) 
gegensätze  sind,  unter  einem  rtihen  walde  aber  (vgl.  durch  ruhen 
walt  äne  wec  Er.  5313)  versteht  man  zunächst  nicht  einen  dicht- 
belaubten, sondern  einen  'dichtverästeten',  'struppigen'  wald. 

KÜRENBERGER. 

7, 1  auf  meinen  artikel  über  diese  stelle  Zs.  32, 137  ff  bat  Sievers 
ebenda  s.  389  tf  geantwortet  und  seine  conjectur  Verliesen  gegen- 
über meinem  verschlag  verkiesen  eingehend  verteidigt,  daraufhin 
habe  ich  meine  ausführungen  in  zwei  puncten  einzuschränken, 
ohne  dass  ich  sie  in  der  hauplsache  als  erschüttert  ansehen  kann, 
in  der  von  mir  angeführten  stelle  der  Limburger  chronik  braucht 
eine  ausdrückliche  Scheidung  des  schuldlosen  und  des  schuld- 
haften Verlustes  nicht  angenommen  zu  werden:  ich  halte  es  mit 
S.  sehr  wol  für  möglich,  dass  derjenige,  dem  wir  die  fassung 
der  zweiten  zeile  verdanken ,  an  alle  scholt  auf  den  freund  und 
nicht  auf  den  verherer  bezogen  wissen  wollte,  und  dann  be- 
steht zwischen  meinen  parallelstellen  und  der  Kürnbergerstrophe 
allerdings  ein  unterschied,  den  ich  erst  jetzt  herausfühle,  die 
sprichwörtliche  Wendung  der  die  sine  verkös,  der  wart  dike  sigelös 
uä.   besagt   im   crunde   nichts   anderes  als:    'wer  den   rat  seiner 


zu  MINNESANGS  FRÜHLING  99 

freunde  von  sich  weist,  hat  den  schaden  zu  tragen*,  an  unserer 
stelle  kann  von  einem  rat  nicht  die  rede  sein ,  das  verkiesen, 
das  ich  trotz  Sievers  festhalte,  muss  also  hier  in  anderer  weise 
erfolgen. 

Ich  will  gleich  an  die  stelle  anknüpfen,  mit  der  S.  offenbar 
seinen  haupttrumpf  ausspielt:  Freid.  98,  1  swd  friunt  mit  rede 
Wirt  verlorn,  dd  wcere  rede  baz  verhorn,  sie  ist  in  der  tat 
ganz  vorzüglich  geeignet,  um  den  unterschied  zwischen  verkiesen 
und  Verliesen  (der  ursprünglich  dem  von  amittere  und  perdere 
etymologisch  recht  nahe  kommt)  klar  zu  legen.  S.  scheint  zu 
glauben ,  ich  nach  meiner  auffassung  müsse  hier  ein  verhorn  er- 
warten, keineswegs,  denn  das  wäre  eine  trivialität,  wie  ich  sie 
in  der  Bescheidenheit  nicht  suche,  die  rede ,  mit  der  der  freund 
verlorn  wird,  ist  eine  unbedachte  rede,  mag  es  nun  ein  verletzen- 
des wort  ihm  ins  gesiebt  oder  eine  tactlosigkeit  hinter  seinem 
rücken  sein,  gewis  liegt  hier  eine  schuld  vor,  aber  dieselbe  wird 
nicht  durch  das  verbum  verlorn  ausgedrückt ,  sondern  durch  den 
ganzen  satz :  'äufseruugen,  die  einen  freund  uns  abwendig  machen, 
seinen  verlust  herbeiführen  können'  —  vor  denen  soll  man  sich 
hüten,  zu  einem  Vordersätze  swd  vriunt  mit  rede  wirt  v  er  körn 
würde  nur  der  nachsatz  etwas  gar  zu  naiv  klingen,  gegen  den 
ausdruck  an  sich  wäre  nichts  einzuwenden :  in  diesem  falle  hätte 
die  rede  den  zweck ,  den  freund  abzuschütteln ,  sei  es  nun  dass 
sie  dauernd  oder  auch  nur  in  einem  bestimmten  falle  seinen  rat 
ablehnt  (wie  Bari.  212,  16),  sei  es  dass  sie  ihn  vor  den  menschen 
geradezu  verläugnet,  —  oder  auch  dass  sie  seine  Werbung  (aus 
sprödigkeit,  laune,  hochmut)  zurückweist,  die  wendung  ist  all- 
gemein genug,  um  alle  diese  und  noch  ein  par  andere  fälle  ein- 
zuschliefsen. 

So  sehe  ich  denn  auch  nicht  ein ,  warum  die  Verbindung 
lieben  vriunt  verkiesen  anstöfsig  sein  soll  —  selbst  wenn  ich 
das  unterschriebe,  was  Sievers  über  den  rein  subjectiven  sinn 
von  liep  behauptet.*  denn  natürlich  ist  es  mir  nie  eingefallen 
zu  übersetzen  'einem  geliebten  freund  untreu  zu  werden',  wie  das 
S.  s.  391  tut,  sondern  nur  allein  'einen  lieben,  werten  freund 
fahren  lassen,  launenhaft  von  sich  zu  stofsen,  das  bringt  schaden' 
(oder  meinetwegen:   'kummer'). 

*  der  erste  sinn  von  liep  bleibt  doch  immer  'angenehm,  wert',  erst 
aus  der  Schätzung  dieses  wertes  ergibt  sich  die  bedeutung  'geliebt.' 

7* 


100  zu  MINNESANGS  FRÜHLING 

Der  schluss  der  Sieversschen  entgegnung  läuft  auf  einen 
streit  um  worte  hinaus,  der  für  unsere  stelle  wenig  bedeutung 
hat:  denn  ob  man  die  site  mit  'dies  verfahren'  oder  'dies  Sprich- 
wort' (sc.  das  ein  solches  verfahren  anrät)  übersetzen  will,  ist 
mir  im  gründe  gleichgiltig.  ich  habe  unseren  lexicographen  nicht 
zumuten  wollen,  für  site  eine  neue  bedeutung  anzusetzen,  sondern 
nur  gesagt,  dass  'sich  in  manchen  Wendungen  der  mhd.  zeit  site 
geradezu  nicht  besser  als  durch  'sprich vport'  widergeben  lasse.'  für 
die  stelle  Ls.  iii  205,  25  ist  eine  andere  Übersetzung,  wie  sie  zb. 
S.  vorschlägt,  einfach  sinnwidrig,  aus  dem  Eulenspiegel  kennen 
wir  ein  gereimtes  Scherzwort,  das  besagt:  ein  schmiedknecht 
und  'sein  gesell'  müssen  bei  der  arbeit  stramm  stehen;  dieser 
scherz  kehrt  in  der  obigen  stelle  des  Liedersaals  wider  und  wird 
dort  als  ein  gemeliclier  sit  eingeleitet.  S.  übersetzt:  'es  ist  doch 
etwas  komisches',  ja,  was  ist  denn  dabei  das  komische?  dass  ein 
schmiedknecht  stramm  stehen  muss  und  dass  ein  zers  ebenfalls 
stramm  stehen  muss ,  jedes  einzelne  an  sich  ist  doch  gewis  nichts 
komisches!  das  gemeUche  liegt  einzig  und  allein  in  der  Zusammen- 
stellung und  deshalb  finde  ich  wenigstens  an  dieser  stelle  keine 
andere  sinngemäfse  widergabe  als:    'ein  scherzhaftes  Sprichwort.' 

8,  13    der  halbzeile  des  gehazze  fehlt   eine  hebung  und  die 

herausgeber   unterlassen  einen  Vorschlag,   sie  zu  ergänzen,     ich 

meine,   es    liegt   im   hinblick   auf  die   parallele   Ivvein  2262   got 

hazze  (Bech  mit  BDE  gehazze)  iemer  sitien  lip  nahe  zu  schreiben 

des  gehazze  [iemer]  got  den  dinen  lip! 

MEINLOH  VON  SEVELINGEN.i 

Die  bedenkliche  stelle 

12,  1  Swer  werden  wiben  dienen  sol, 
der  sol  semeliche7i  varn 
(vgl.  Scherer  Deutsche  stud.  2,  24  [458],  Paul-Sievers  Beitr.  2,418, 
Burdach   Reinmar   und   Waliher  s.  87,    Sievers   Beitr.    12,  503) 
glaube  ich   endlich  befriedigend  bessern   zu  können,   und   zwar 
durch  einfache  zufügung  eines  z-striches:   der  sol  seinelichen 

^  ich  ergreife  die  gelegenheit,  auf  eine  ganz  evidente  besserung  Pfeiffers 
(Forscliung  und  krilik  i  17  anm.  3)  zu  Meinloh  11,4  hinzuweisen:  fuor  ich 
enwadele  unz  ich  dich  vant;  enwadele  oder  enwedele  varn  ist  nur  in 
Wernhers  Marienliedern  und  im  Helmbrecht  belegt,  gerade  der  Augshurger 
Wernher  steht  aber  dem  ülmer  Meinloh  sehr  nahe,  hätte  Paul  diesen  Vor- 
schlag gekannt,  so  würde  er  uns  gewis  nicht  mehr  zugemutet  haben,  aus  G 
ie  wallnde  mit  unmöglicher  kürzung  aufzunehmen  (Beitr.  2,418). 


zu  MINNESANGS  FRÜHLING  101 

vorn,  'der  soll  laogsam,  vorsichtig  zu  werke  gehen',  ob  er  sich 
u)ol  ze  rehte  gegen  in  kmine  bewarn,  das  in  B  überlieferte  se- 
melichen  ist  ebenso  abscheulich  prosaisch,  wie  wenn  ein  heutiger 
lyriker  'demgemäfs'  oder  'dementsprechend'  im  verse  brauchen 
würde;  mit  seledichen  C  ist  gar  nichts  anzufangen,  das  senelichen 
von  Paul  und  Sievers  aber  nimmt  ein  specielles  moment  voraus, 
das  sich  erst  aus  der  allgemeinen  Vorschrift  v.  2  ergibt  in  v.  5f 
s6  miioz  er  under  teilen  seneliche  siowre  tragen.  —  durch  meine 
besserung  ist  der  von  VVilmanns  Leben  Walthers  c,  in  anm.  14 
richtig  betonte  gegensatz  von  12,  14  zu  12,  1  noch  deutlicher 
geworden. 

SPERVOGEL. 

Bei  einem  ersten  debüt,  das  man  nicht  ernst  nehmen 
würde,  wenn  es  nicht  in  den  Beiträgen  erfolgt  wäre,  hat  John 
Meier  (11,  565)  die  oberdeutsche  heimat  des  anonymus  Sper- 
vogel  (oder  Herger)  gegen  Henrici  in  schütz  nehmen  zu  müssen 
geglaubt,  nötig  war  das  gewis  nicht  mehr,  und  wenn  M. 
selbst  schliefshch  auf  Alemannien  verfällt,  so  zeigt  er  sich  mit 
der  entvvickelung  unserer  litteratur  und  specieil  der  poetischen 
formen  noch  weniger  vertraut  als  Henrici,  der  sich  doch  immer- 
hin auf  den  pfälzischen  gönner  Walther  von  Hausen  berufen 
konnte. 

Den  dialect  unseres  spielmanns  characterisiert  als  oberdeutch 
aufser  dem  von  M.  angeführten  egerde  30,  10  auch  gässe  30,  34, 
sowie  der  reim  steme :  gerne  28,  24/26,  specieil  als  bairisch  das 
wort  stigele  26,  19  und  vor  allem  der  reim  stige :  schriet  27,  17/19, 
zu  dessen  Verständnis  ich  aus  der  engeren  heimat  des  dichters 
folgende  etwa  gleichzeitigen  formen  anführe:  svinstie  Sum.  51,18, 
sgafstie  Sum.  51,  20  (Monseer  glossen  des  12  jhs.)  und  scafstie 
Zs.  8, 129  (canticum  Abacuc  der  bekannten  Windberger  hs.  vom 
jähre  1187).  es  war  also  recht  unglücklich,  wenn  M.  ausgieng 
von  MF  27,  6.  7,  wo  Lachmann  ohne  zwingenden  grund  das  tuo 
:  vruo  der  hs.  in  tüeje :  vrüeje  ändert  und  dadurch  dem  Baiern 
in  der  tat  eine  echt  alemannische  form  zumutet,  dass  'die  con- 
struction  hier  sicher  die  zweisilbige  adjeclivform  verlange',  ist  wol 
nur  ein  lapsus,  der  M.  heute  schon  nicht  mehr  zustofsen  würde. 

Unter  den  obd.  Wörtern  führt  M.  auch  das  adj.  künde  30,  30 
auf.  eine  solche  form  ist  in  der  tat  ein  par  mal  in  den  Nibelungen 
und  in  der  Kudrun,  aber  nur  hier,  belegt  (etwas  häufiger  kommt 


102  ZU  MINNESANGS  FRÜHLING 

unkünde  vor,  siehe  Lexer  s.  v.),  an  unserer  stelle  aber  ist  sie 
kaum  ursprünglicli.  in  hss.  des  12  jhs.  finden  sich  mehrfach 
die  Wendungen  in  künde  (sclivverhch  adj.  inkunde)  sin,  werden, 
tuon,  so  Milsl.  slvl.  111.  129  dir  sint,  herre,  in  chunde;  Kehr. 
3202  wel  dir  üzer  siben  listen  frien  diu  dir  aller  Ibeste  in  künde 
sie;  Wiener  Exodus  (ed.  Kossmann)  415  ich  wart  in  chunde,  494 
tet  ich  ime  in  chunde,  784  unde  tuon  dir  in  chunde.  jüngere  hss., 
und  zwar  schon  solche  des  12  jhs.,  haben  den  ausdruck  meist 
beseitigt  und  zuweilen  misverständiich  ersetzt,  an  den  eben  an- 
geführten stellen  der  Exodus  schreibt  die  Milstäter  hs.  die  beiden 
letzten  male  einfach  chunde,  das  erste  mal  unchunde.  und  ähn- 
lich steht  es  Kehr.  3533  so  ivcere  dir  astronomia  in  chunde,  wo 
das  echte  nur  durch  die  drei  jüngsten  hss.  bewahrt  ist,  während 
die  Vorauer  und  Münchner  hss.  (1.  2)  vil  künde  (chunt),  die 
Heidelberger  (4)  unkunde  bieten,  i  halten  wir  nun  neben  die  Sper- 
vogelslelle  Milst.  skl.  111  dir  sint,  herre,  in  chunde  alle  meres 
gründe,  so  ist  es  gewis  erlaubt,  auch  hier  die  gleiche  formel  ein- 
zusetzen:    unt  elliu  abgrunde 

diu  sint  dir,  herre,  [in]  künde. 
HEINRICH  VON  VELDEKE. 

58,  12  dem  wünsch  ich  des rises 

dar  an  die  diebe  nement  ir  ende. 
die  ergänzung  [genen]  bei  Bartsch  Liederdichter^  vii42  ist  natürlich 
nur  ein  lückenbüfser,  wie  sie  Lachmann  und  Haupt  nicht  der  auf- 
nähme würdigten,  liest  man  in  den  Rechtsaltertümern  s.  682  (aum.), 
dass  der  missetäler  'an  einen  dürren  bäum  und  nicht  an  einen 
grünen'  gehängt  werden  soll,  so  kann  über  die  ergänzung  des  [dor- 
ren] rises  kaum  ein  zweifei  bestehen,  ich  habe  nur  den  bedenken 
derjenigen  zu  begegnen,  welchen  ein  dürres  'reis'  zu  schwach 
erscheinen  könnte,  von  den  beiden  beispielen,  die  Haupt  in  der 
anmerkung  z.  d.  st.  beibringt,  bedeutet  ris  im  Parz.  527,  19  die 
(grüne)  wite,  die  'gewunden'  und  an  den  ast  geknüpft  wird. 
Herbort  2825  aber  ist  es  der  ast  selbst ,  neben  dem  hier  aus- 
drücklich die  wite  erwähnt  wird,  ich  füge  noch  hinzu  Reinhart 
1842  (auch  im  alten  text)  der  si  beidiu  Menge  üf  ein  ris,  wo 
natürlich  nur  der  ast  gemeint  ist.  an  einem  'dürren  ast'  aber 
wird  niemand  anstofs  nehmen. 

^  auch  Deutung  der  messgebräuche  2ü8  (Zs.  1,275)  ist  sicher  in  chunde 
für  chunt  (:  in  dincm  munde)  einzusetzen. 


zu  MINNESANGS  FRÜHLING  103 

59,  23.  24  In  den  ziten  von  dem  jdre 
daz  die  tage  sien  lanc. 
der  conjunctiv  sien  (sint  BC)  rührt  von  LachmanD  her ,  der  damit 
die  fehlende  Senkung  heschafTen  wollte.  Veldeke  aber  hat  niemals 
eine  solche  zweisilbige  form,  obwol  bei  ihm  die  zahl  der  reim- 
wörter  auf  ie(n)  durch  den  ausfall  des  h  gröfser  ist  als  etwa 
bei  oberdeutschen  dichtem,  daher  wird  man  richtiger  im  an- 
schluss  an  57,  10  f  Ich  hin  frö  sU  uns  die  tage  liehten(t)  unde 
werden(t)  lanc  schreiben  das  die  tage  werden  lanc. 

59,  33  diu  mir  daz  .  .  .  hat  getan, 
daz  ich  von  der  riuwe  ke're. 
Lachmann  scheint,  indem  er  das  fehlen  der  Senkung  markiert,  ein 
substantivum  zu  vermissen,  denn  leicht  zu  ergänzende  partikeln 
usw.  pflegt  er  sonst  grundsätzlich  einzustellen,  es  fehlt  aber 
würklich  nichts  als  eine  solche  zeitpartikel  wie  mi,  das  zeigen 
die  folgenden  stellen :  Eneide  2288  f  mit  weliken  dingen  ich  dat 
doe,  dat  mir  Eneas  erleide  und 

MF64,  22— 24  got  ere  si  diu  mir  daz  tuot 
al  über  den  Rin, 
daz  mir  der  sorgen  [ist]  gebuot. 
an  der  zuletzt  angeführten  stelle  hat  Haupt  ist,  das  in  den  hss. 
(BC)  fehlt,    ergänzt,     richtiger  wäre  wol  (in  Haupts  Schreibung) 
Wirt  gebuot  oder  werde  huot,  vgl.  Eneide  3446  f/er  sorgen  wert 
heme  boet   und    4003  et  enmach  niet  ioerden   geboet  (besser  boet 
nach  GEHBw). 

HARTWIG  VON  RUTE. 

117,  24  und  von  so  süezer  handelunge 

ein  höhez  niuwez  liet  in  süezer  wise  sunge. 
gegen  süeze  handelunge  BC  habe  ich  starke  bedenken,  eine 
handelunge  'aufnähme,  behaudlung'  süeze  zu  nennen,  das  traue 
ich  wol  einem  Gottfried  zu,  der  im  Tristan  v.  18629  auch  einen 
antvanc  als  reine  und  süeze  bezeichnen  kann,  aber  nicht  unserem 
Hartwig,  dem  Ziererei  im  leben  und  im  Hede  gleich  fern  war. 
schreiben  wir  wandelunge,  so  hat  das  attribut  nichts  auffälliges, 
vgl.  Hadloub  bei  Bartsch  Schweizer  minnesäuger  xxvii  35  v,  1 
Wol  der  süezen  wandelunge !  swaz  winter  truobte  daz  ttiot  sumer 
cldr,  und  zugleich  gewinnen  wir  ein  sehr  hübsches  Wortspiel: 
wandelunge  ist  einmal  der  umschwuug  in  der  Stimmung  der  ge- 
liebten und  dann  der  unischwung  der  Jahreszeit,  diese  beziehung 


104  Zu  MINNESANGS  FRÜHLING 

deutet  aber  schon  v.  18.  19  an  enphdhet  siz  ze  guote,  so  stigt 
min  frönde  gegen  der  wtinnecUcher  zit.  das  lied,  das  durch  die 
wandelnnge  geweckt  wird,  gilt  eUen  dem  frühhng  draufsen  und 
drinnen,  ich  füge  noch  MF  19,  7.  13  und  ein  par  stellen  aus  Hart- 
wigs jilngerem  landsmann  Neidhard  an,  wo  ^\e:\Q\\h\h  wandelnnge 
und  sanc  eng  verbunden  sind:  79,  31  f  ich  gesnnge  ir  niuwen 
sanc  gegen  der  wandelunge  und  11,  16  Gegen  der  wandelnnge  singent 
wol  diu  vogellin.     den  vriimden  min  den  ich  gerne  sunge  usw. 

HEINRICH  VON  MORUNGEN. 

122,  4  alse  diu  mcBninne  verre  über  lant. 
das  verlassen  der  hslichen  lesart  der  mdne  wol  (BCC*)  hat  Paul 
Beitr.  2,  566  mit  recht  als  unnötig  bezeichnet,  dass  der  dichter 
nicht  etwa  zum  vergleich  mit  der  liebsten  einen  weiblichen  mond 
braucht,  zeigt  136,  6.7  und  saz  vor  mir  diu  liebe  wolgetdne  ge- 
blecket (?)  rehte  als  ein  voller  mdne.  es  wird  aber  obendrein 
durch  die  änderung  dem  Thüringer  eine  form  zugemutet,  die  er 
sicher  nicht  gebraucht,  vielleicht  gar  nicht  gekannt  hat.  das  femi- 
ninum  diu  mceninne  (mcenin),  jedesfalls  durch  gelehrten  eiufluss 
aufgekommen  (den  frühesten  beleg  bietet  Notkers  psalter),  findet 
sich  nach  ausweis  der  Wörterbücher  in  folgenden  werken  des 
11.  12jhs. :  Wiener,  Milsläter,  Vorauer  Genesis,  Wahrheit,  Mil- 
stäter  Sündenklage,  Speculum  ecclesiae,  Windberger  psalter;  über 
das  12  jh.  hinaus  reicht  nur  eines  ihrer  beispiele,  das  die  Melker  hs. 
der  kleineren  gedichte  des  Strickers  (Pfeiffer  Übungsbuch  27, 17  la.) 
bietet,  alle  belege  gehören  mithin  dem  gebiete  des  bairisch- 
österreichischen  dialects  an.^ 

127,  34.  35  Ez  ist  site  der  nahtegal, 

swan  si  ir  liet  volendet,  so  geswiget  sie. 
mit  liet  wird  die  Überlieferung  der  beiden  einzigen  hss.  CG*  ge- 
wahrt, die  aber  aus  verschiedenen  gründen  unhaltbar  ist.  das 
'lied  der  vögel'  ist  erst  ein  moderner  ausdruck ,  die  ältere  spräche 
pflegt  den  vögeln  nur  sanc,  wise,  doene  zuzuschreiben,  nicht  aber 
ein  liet,  von  dem  das  wort  unzertrennbar  bleibt,  das  einzige  bei- 
spiel,  das  man  dagegen  anführen  könnte,  MSH  1,  348"'  disiu  liet 

*  ein  scheinbar  mitteldeutscher  beleg  wäre  in  Hartmanns  Credo  v.  118 
unde  die  mcenin  beglimet  enthalten;  aber  schon  Zarncke  Mhd.  wb.  n  55' 
bemerkt,  dass  der  vers  wjane  verlange,  und  ich  kann  hinzufügen,  dass  der 
oberdeutsche  abschreiber,  der  sich  hier  verrät,  noch  andere  spuren,  nament- 
lich auch  interpolationen  hinterlassen  hat  (so  v.  1612  —  1615,  1908  — 1913, 
1946—1949). 


zu  MINNESANGS  FRÜHLING  105 

diu  hat  gesungen  vor  dem  walde  ein  vogellin,  zieht  natürlich  nicht, 
denn  hier  legt  eben  der  dichter  (Herrant  von  Wildonje)  schliefsend 
sein  eigenes  lied  dem  waldvügelein  in  den  schnabel.  überdies 
würde  liet  immer  nur  das  einmalige  singen,  nicht  die  gesammte 
sangestätigkeit  bedeuten ,  und  eine  trivialität  wie  die  'wenn  die 
nachligall  mit  ihrem  liede  zu  ende  ist,  schweigt  sie',  wird  niemand 
unserem  Morungen  zutrauen. 

Nun  greift  Bartsch  den  schreib-  oder  druckfehler  bei  Bodmer 
auf  und  schreibt  leit  (Liederdichter-  xiv  75);  Hildebrand  Zs.  f.  d. 
phil.  2,  218  (Kieler  philologenversamralung)  schlägt  umgekehrt 
liep  vor.  jeder  der  beiden  gelehrten  könnte  sich  aufser  auf 
V.  37  auf  die  berühmte  litterarische  stelle  Gottfrieds  berufen : 
Trist.  4770  ff  S(5  der  vil  liebe  vogelsanc 

der  werlde  ir  liep  beginnet  zalen. 
nu  sprechet  umbe  die  nahtegalen; 
die  sint  ir  dinges  wol  bereit 
und  kunnen  alle  ir  senede  leit 
s6  wol  besingen  nnde  besagen. 
auch   die   mittelalterlichen  dichter  hörten   also   aus  dem  lied  der 
Vögel  liep  und  leit  heraus,    gleichwol  ist  die  lesung  von  Bodmer 
und  Bartsch  unbedingt  zu  verwerfen,  denn  sin  leit  volenden  heifst 
'mit  seinem  leid   zu   ende   sein',   nicht   'sein  leid   im  liede  aus- 
klagen',  vgl.  140,  34  f  wenne  si  nünen  kummer  welle  volenden, 
und  auch  Hildebrands  fassung  würde  ich  mir  nur  gefallen  lassen, 
wenn  liep  'liebe'  und  nicht  vielmehr 'freude',  'glück'  hiefse.    beides 
leit  und  liep  ist  zu  speciell  und  zu  sentimental,  wir  müssen  einen 
allgemeinen  ausdruck  finden,  und  da  liegt  die  änderung  zit  auch 
graphisch  sehr  nahe,   zumal  bei   einem  mitteldeutschen  dichter: 

swan  si  ir  zit  volendet ,  so  gesioiget  sie. 
'die  nachtigall  hat  nur  ihre  kurze  sangeszeit  (nämlich  während 
der  liebesperiode),  ich  aber  mache  es  wie  die  schwalbe,  die  ihren 
gesang  nie  einstellt.'^  durch  liebe  noch  durch  leide  v.  37  braucht 
keine  so  wörtliche  beziehung  zu  v.  35  zu  enthalten,  wie  sie  B. 
und  H.  herstellen. 

130,  20.  21  In  dien  dingen  ich  ir  man 
und  ir  dienst  was  dö. 
so  hat  Haupt  geändert  statt :   In  dien  dingen  ich  ir  dienstman  und 

*  mit  der  schwermütigen  naclitigall  vergleicht  sich  dagegen  ein  lands- 
mann  und  schüler  Morungens,  der  tugendhafte  Schreiber  MSH  2, 15P. 


106  ZU  MINNESANGS  FRÜHLING 

ir  eigen  was  dö.  Paul  aao.  s.  549  tritt  für  die  überlieferuDg  ein 
und  er  liat  ganz  gewis  recht,  wenn  er  die  5  hebungen,  welche 
die  hs.  (C)  für  v.  20  bietet,  auch  in  den  entsprechenden  Zeilen 
23.  9.  12  gewahrt  findet  resp.  ihre  herstellung  für  notwendig  er- 
klärt und  rait  leichten  mittein  herbeiführt  (Gottschau  Beitr.  7,  360 
geht  darauf  nicht  ein),  aber  v.  21  würde  durch  beibehaltung  von 
eigen  eine  zweisilbige  Senkung  erhalten,  und  wer  mit  mir  der 
Panischen  kürzung  eign  (bei  einem  mitteldeutschen  dichter  des 
12  jhs.I)  keinen  geschmack  abgewinnen  kann,  dem  schlage  ich 
eine  einfache  vertauschung  vor: 

In  dien  dingen  ich  ir  eigenman 

und  ir  dienst  was  dö. 
die  zweite  zeile  bleibt  also  wie  sie  Haupt  hergestellt  hat,  auf  die 
fassung  der  ersten  zeile  aber  bin  ich  geführt  worden  durch  zwei 
landsleute  Morungens,  von  denen  der  jüngere  längst  als  ein 
treuer  nachahmer  unseres  dichters  bekannt  ist:  Rristan  von 
Hamle  MSH  1,  113*  als  von  rehte  ir  eigenman  und  Kristan 
von  Lupin  ebenda  2,  2V  ir  eigendiener  ivil  ich  iemer  sin. 

Dies  eigendiener  spricht  zugleich  gegen  die  rechtsgeschicht- 
lichen bedenken  Burdachs  (Reinmar  und  Walther  s.  97  anm.  32), 
der  mir  den  juristischen  sinn  von  dienest  zu  scharf  zu  fassen 
scheint,  indem  er  es  gleich  dienestman  setzt:  die  Wörterbücher 
bieten  dafür  keinen  einzigen  beleg. 

132,  3 — 5  Mtner  ougen  tougenlkhe  seje, 

die  ich  ze  boten  an  si  senden  muoz, 
die  neme  durch  got  von  mir  für  eine  fleje. 
die  Überlieferung  beider  hss.  (BC)  bietet  tougenliches  sehen:  — 
ainvlehen,  was  in  der  spräche  des  dichters  nur  als  senivlen  zu 
fassen  ist  (133,30— 36  ^esen.-yen.-üZm;  wer/enj,  also  einen  stumpfen 
reim  ergibt,  während  wir  einen  kHngenden  erwarten  müssen. 
Haupts  änderung,  die  diesen  einführt,  will  ich  nicht  verteidigen, 
aber  sonderbar  sind  doch  Pauls  einwendungen  dagegen.  Haupt 
hat  sich  ein  subst.  scehe  construiert  und  davon  eine  md.  form 
seje  gebildet,  dieses  substantivum  brauchte  durchaus  nicht  genau 
den  gleichen  sinn  zu  haben  wie  das  subst.  sehe,  über  das  P.  ganz 
richtig  bemerkt:  'sehe  ist  das  Sehvermögen,  welches  weder  aus- 
gesandt werden,  noch  als  offen  oder  heimlich  unterschieden 
werden  kann';  jedesfalls  müste  diese  möglichkeit  eines  bedeutungs- 
unterschiedes   (Haupt   hat  vielleicht  der   von   diu  spehe   und  diu 


zu  MINNESANGS  FRÜHLING  107 

spcehe  vorgeschwebt)  doch  von  P.  selbst  im  äuge  behalten  werden, 
der  mit  den  worlen  schliefst  'wir  müsseo  bei  der  hslicheu  lesart 
stehen  bleiben',  also  sehen  für  möglich  hält,  während  er  sehe  oder 
ein  ähühches  substantivum  ausschliefst,  nein,  auch  das  substan- 
tivierte verbum  sehen  koonen  wir  an  unserer  stelle  nicht  brauchen, 
denn  tougenliche  sehen  kann  nicht  da  gesagt  werden,  wo  von 
einem  freien  spiel  der  äugen  die  rede  ist,  es  lässt  sich  über- 
haupt, so  viel  ich  mir  ausdenken  kann,  nur  auf  zwei  fälle  an- 
wenden: auf  ein  heimliches  Stelldichein  oder  auf  einen  träum,  eine 
Vision,  für  unsere  stelle  aber  brauchen  wir  ein  wort,  das  sich 
zu  sehen  verhält,  wie  Iose7i,  horchen  zu  hoeren  und  das  bequemste 
dieser  Wörter  ist  spehen,  vgl,  124,  35  ich  muoz  iemer  dem  ge- 
liche  spehen,  als  der  mdne  sinen  schin  von  der  sunnen  schin  enpfdt 
und  namentlich  Kristan  von  Hamle  MSH  1,  113^  ei  soll  ich  in 
lange  stunt  tougen  spehen  in  rehter  ncehe.  so  ständen  wir  bei 
spehen :  vlehen  resp.  spe'n :  vle'n  und  über  dies  stumpfe  reimpar 
komme  auch  ich  nicht  hinaus,  denn  wenn  auch  der  dialect  des 
dichters  eine  anlehnung  an  Haupts  änderung,  also  spege :  vlege 
etwa,  zuliefse,  so  verbietet  das  die  bedeutung  des  subst.  spcehe, 
das  seit  ahd.  zeit  stets  nur  als  'sapieutia,  Ingenium,  geometrica', 
nie  als  'exploratio'  bezeugt  ist. 

Berlin.  EDWARD  SCHRÖDER. 

DIU  LINE. 

Im  Mhd.  wb.  sind  für  line  die  bedeutungen  'geländer,  ein 
über  die  wand  des  hauses  hervorragender  balkon,  gallerie'  an- 
gegeben; damit  wesentlich  übereinstimmend  erklärt  Lexer  in 
seinen  zwei  Wörterbüchern  die  line  als  'fenster  mit  herausgehen- 
dem geländer,  balkon,  gallerie.'  dahin  hat  auch  jüngst  wider 
RBechstein  in  seiner  ausgäbe  des  Frauendienstes  sich  ausge- 
sprochen, indem  er  zu  551,  2  (L.  182, 10)  bemerkt:  'der  in  den 
südlichen  ländern  noch  heute  übliche,  aufser  der  hauswand  an- 
gebrachte Vorbau,  gallerie,  veranda  oder  balkon'  und  dann  zu 
1133,  2  (L.  331,  14):  'solche  veranden  oder  balkone  auch  in 
schlossern'  unter  hinweis  auf  ASchultz,  Höf.  leben  i  85,  wo  wir 
lesen:  'ein  balkon  (liyie)  fand  sich  wol  nur  in  den  schlossern 
vor,  die  jener  oben  geschilderten  loggia  f/oi/fte,  liewe)  entbehrten, 
oder  wenn    nach   einer  seite   des  gebäudes  hin ,    die  mit  diesem 


108  DIU  LINE 

offenen  bogen  gang  nicht  versehen  war,  man  einen  blick  ins  freie, 
ein  plälzchen  zum  sitzen  in  der  frischen  luft  gewinnen  wollte.' 
die  ansieht,  dass  im  mittelalter  ein  vorbaii  so  bezeichnet  wurde, 
scheint  demnach  ganz  feststehend  geworden  zu  sein ,  —  stich- 
haltig ist  sie  gleichwol  nicht. 

Da  der  sonst  nicht  häufig  vorkommende  ausdruck  von  üvLich- 
tenstein  mehrfach  gebraucht  wird ,  sollen  dessen  angaben  zunächst 
erörtert  werden. 

182,  10  wird  erwähnt,   dass   bei  U.s  ankunft  und  empfang 
zu  Sacile  die  line  dd  wären  vrowen  vol;  ebenso  heifst  es  258,  26 
die  lin  da  waren  ninder  bloz, 
si  sdzen  alle  vrowen  vol, 
als  er  nämlich  in  Wien  mit  grofsem  gefolge  einmal  zum  stechen 
auszog,    ihn  selbst  finden  wir  hier  (s.  252,  17  ff)  und  in  Villach 
(197,  32  ff)  in    einer  line   seiner  herberge   sitzend,    während  vor 
dem  hause  tjostiert  und  buhurdiert  wird,  und  zu  Himburg  wird 
ihm  von   herzog  Friedrich    in   einer  line  das  turnierverbot   mit- 
geteilt:      503,  W  Er  nam  mich  güetlich  U  der  hant 
und  wiset  mich  von  dan  zehant. 
in  eine  lin  er  sitzen  gie: 
der  biderbe  fürst  mich  niht  erlie, 
ich  müeste  zuo  im  sitzen  dd  usw. 
von  geringerem  belang  für  unseren  zweck  ist  die  darstellung  von 
des  dichters  gefangennähme  zu  Frauenburg,  doch  lässt  sich  daraus 
entnehmen,    dass    die    schöne   bank    innerhalb  des  burgtores  bei 
einem    türme    stand,    die   darob    befindliche    line   also    dem    ge- 
nannten türme  angehören   und  eine  andere  sein  dürfte  als  jene, 
über  die  Pilgrim  den  Lichtensteiner  im  angesichte  der  belagerer 
hinauszuhängen  droht. 

Wichtigere  aufschlösse  gewährt  dagegen  die  erzählung,  wie 
Ulrich  vor  dem  schlösse  seiner  herrin  als  bettler  erscheint  und 
auf  ungewöhnlichem  wege  endlich  zur  verehrten  dame  gelangt, 
darnach  lag  deren  bürg  auf  einer  anhöbe,  an  der  eingangsseite 
von  einem  graben  umgeben,  vor  der  pforte  harrten  die  aus- 
sätzigen auf  die  täglich  gereichten  gaben,  ihnen  hatte  sich  der 
verkleidete  dichter  zugesellt,     da  gieng  er  nun 

331,  14  geiti  einer  line  hin  näher  st  an. 
dd  für  s6  was  ein  tepich  guot 
gehangen,  als  man  ofte  tuot 


DIU  LINE  109 

für  line,  da  man  wil  windes  nilit 
noch  lieht:  für  diu  zwei  ez  geschiht. 
vor  der  line  der  tepich  hie, 
dar  in  vil  kleine  iht  windes  gie. 
er   nahm    seinea   napf  hervor,    klopfte   so   laut,   dass  es  in  die 
kemenate  hallte,  und  bat  dann  um  ein  almosen.    darauf  sah  eine 
Jungfrau   uz  der  lin  her  und,    nachdem  sie   ihn  und  seinen  be- 
gleiter  wahrgenommen,   dö  tet  si  wider  zuo  die  lin,   begab   sich 
zu  ihrer  gebieterin,   um  hiervon  meidung  zu  tun,   und  brachte, 
üz  dem  tor  her  gehend,  in  deren  auftrage  jedem  der  armen  einen 
pfennig.    was  weiter  geschah  bis  zu  dem  abend ,  an  dem  Ulrich 
einlass  gestattet  wurde,  kann  übergangen  werden,  da  daraus  für 
die  localkenntnis   nichts  zu   gewinnen   ist.     interesse  bietet  erst 
wider  der  abschluss  des  abenleuers: 

343,  5  Für  die  hure  ich  aber  saz. 

ir  sült  für  war  gelouben  daz, 
ich  was  dar  kamen  also  fruo, 
dannoch  die  line  niht  giengen  zuo, 
als  man  doch  gern  gein  dbent  tuot. 
da  kam  die  Jungfrau  und  erötfnete  Ulrich,   dass    die  herrin  sich 
eines   bessern   bedacht   habe,     er  solle  bei   einbrechender  nacht 
wider  erscheinen  und  sich  dort  im  graben  bergen. 

344,  14  seht  ir  dort  jene  höhe  lin? 

s6  man  dar  wz  her  habt  ein  lieht, 
so  sümt  für  names  iuch  da  niht, 
ir  gdht  dar  under  snellecUch. 
da  vindt  ir  hangende  endelich 
Mach  zesamen  gebundeii  wol, 
dd  mit  man  iuch  üf  ziehen  sol. 
der  rat  wurde  befolgt,  und  als  die  burgwache  bei  ihrem  abend- 
lichen rundgauge  am  verstecke  vorübergezogen,  schlich  sich  Ulrich 
mit  seinem  gesellen  unter  die  line,  von  der  die  leintücher  herab- 
hiengen.     nachdem    ein   dreimaliger  versuch   ihn  hinaufzuziehen 
mislungen,    wurde   der  leichtere  begleiter  vorausgeschickt  —  dö 
er  kom  in  die  kemendt,  mit  küsse  er  dd  enpfangen  wart  —  und  mit 
dessen  hilfe  gelangte   nun  auch  er  selbst  an  die  line  und  stieg 
hinein  usw. 

Nach  dieser  Schilderung  scheint  die  line,  durch  welche  an- 
fänglich die  Jungfrau  herabsah,  und  jene,  die  zum  einstieg  benützt 


110  DIU  LINE 

wurde,  identisch  zu  seio.  sie  war  an  einem  seitwärts  dem 
tore  hart  über  dem  graben  sich  erhebenden  wohngebaude,  das 
an  dieser  stelle  die  ringmauer  ersetzte,  in  beträchtlicher  höhe  an- 
gebracht und  mit  der  kemenate  in  unvermittelter  Verbindung, 
davor  hieng  ein  teppich  und  dessen  Verwendung  bietet  einen 
anhaltspunct  bei  lösung  unserer  frage. 

Schultz  aao.  i  86  hat  die  stelle  herangezogen ,  aber  ungenau 
widergegeben  —  Ulrich  sagt  nicht,  dass  man  auf  den  limn  tep- 
piche  aufspannte  zum  schütz  gegen  den  wind  und  Sonnen- 
brand, er  spricht  nur  von  einem  teppich,  durch  den  wind 
und  licht  abgehalten  werden  sollte  —  und  sich  einer  erläuterung 
enthalten,  sodass  uns  verborgen  bleibt,  wie  er  sich  die  sache  vor- 
stellt, jedesfalls  müste  der  angebliche  balkon  mit  einem  dache 
versehen  und  an  den  beiden  Schmalseiten  etwa  mit  brettern  ver- 
schalt gewesen  sein,  sodass  der  am  dachbalken  befestigte  teppich 
allein  die  offene  Vorderseite  zu  decken  hatte,  denn  wie  konnte 
in  jedem  anderen  falle  gesagt  werden  d6  tet  si  wider  zuo  die  lin, 
wie  passten  sonst  die  ausdrücke  uz  der  lin  her,  dar  üz  oder,  um 
auch  das  gleich  abzutun,  die  stellen  in  Dietrichs  flucht 
4654  dö  neigte  sich  Hildebrant 

durch  die  line  unde  sprach 
und  4683  dö  leinten  sich  die  recken 

die  starken  und  die  kecken 

durch  die  line  hin  ze  tal. 
aber  selbst  mit  dieser  Vorstellung  kommen  wir  nicht  zurecht,  so 
lange  343,  8f  Lachmanns  text  festgehalten  wird.  Schultz  inter- 
pretiert hier  freilich,  dass  die  balkontüren  abends  geschlossen 
wurden,  doch  kann  folgerichtig  nur  an  den  früher  angegebenen 
gebrauch  gedacht  werden  und  auch  Bechstein,  der  die  hand- 
schriftliche lesart  beibehalten,  bemerkt:  'er  (Lachmann)  versteht 
den  satz  wol  vom  schliefsen  der  balkone  durch  teppiche.'  was 
sollte  damit  jedoch  bezweckt  worden  sein?  wenn  man  sich  schon 
des  abends  noch  auf  den  balkon  begab,  geschah  es  wol,  um  die 
aussieht  und  frische  luft  zu  geniefsen,  und  wenn  man  in  der 
kemenate  blieb ,  konnte  nach  belieben  die  jedesfalls  vorhandene 
balkontUre  zugemacht  werden;  ein  Vorhang  war  also  im  ersten 
falle  hinderlich,  im  zweiten  ganz  nutzlos  und  überflüssig. 

Lesen  wir  mit  der  hs.  Hute  oder/ew^e,  so  entfällt  zwar  dieses 
argument,   die   hergebrachte  erklärung  bleibt  aber  nach  wie  vor 


DIU  LINE  111 

bedenklich,   uud  hätte   man   sich  weiter  umgesehen,   so   würde 
ohne  zweifei  deren  Unrichtigkeit  erkannt  worden  sein. 

Bekannth'ch  wurden  im  mittelalter  nicht  nur  innenräume, 
sondern  auch  hölzerne  vorbauten  angegebener  art  louwe  oder  sölre 
benannt  und  sache  wie  nanie  hat  sich  heut  zu  tage  noch  erhalten, 
was  anlass  genug  gewesen  sein  sollte,  sich  zu  orientieren,  ob 
und  in  welcher  bedeutung  etwa  li'ne  noch  vorkommt,  man  hat 
das  leider  versäumt,  sonst  würde  vielleicht  schon  Schmellers  an- 
gäbe imB\VBil482:  Hendel,  fensterbalken,  die  dann  zugemacht 
die  fenslerlade  bilden  (dabei  ein  citat  aus  Stekhammers  gedichten) 
vor  dem  irrtume  bewahrt  haben,  noch  mehr  geeignet,  auf  den 
richtigen  weg  zu  leiten,  ist  kärntisch  lina,  dachfenster,  erker, 
fenster  ohne  Scheiben  (siehe  Jarnik,  Versuch  eines  etymologikons 
der  slovenischen  mundart  in  Innerösterreich  s.  83)  und  das  im 
Defreggentale  gleichfalls  für  ein  fenster  ohne  Scheiben  gebräuch- 
liche liene,  demin.  Hendl,  namentlich  in  der  Verbindung  gloggn- 
liene,  die  glockenfenster  im  kirchturme  (siehe  VHintner,  Beiträge 
zur  tirol.  dialeclforschung  s.  269).  durchweg  handelt  es  sich 
also  um  ein  fenster  und  es  ist  beachtenswert,  dass  speciell 
solche  ohne  Scheiben  und  auch  die  fensterladen  so  bezeichnet 
werden,  beides  deutet  auf  alte  cullurverhältnisse  hin  und  wir 
sind  deshalb  um  so  mehr  berechtigt,  für  das  mhd.  line  eine  ähn- 
liche bedeutung,  wie  sie  dem  entsprechenden  dialectworte  zu- 
kommt, anzusetzen. 

Um  eine  genauere  bestimmung  vornehmen  zu  können,  haben 
wir  uns  die  betreffenden  mittelalterlichen  Vorrichtungen,  die 
fensteröffnungen  und  deren  verschluss,  zu  vergegenwärtigen, 
erstere  waren  in  den  gebäuden  des  früheren  mittelalters,  die 
kirchen  nicht  ausgenommen ,  keineswegs  zahlreich  und  von  sehr 
bescheidenen  dimensionen.i  noch  im  12  und  13  jh.  glauben 
dichter  bei  Schilderung  fürstlicher  bürgen  und  gemacher  die 
existenz  von  vielen  und  grofsen ,  weiten  fenstern  als  Vorzug  her- 
vorheben zu  müssen,  und  wenn  wir  solche  bauten  aus  jener  zeit 
betrachten ,  finden  wir  vorzüglich  säle  und  corridore  in  der  weise 
ausgestattet,  die  gewöhnlichen  Wohnräume  hingegen  weit  weniger 
*  das  beweist  auch  die  notiz  im  anhange  der  Kolmarer  annalen:  Civi- 
tates  Argentinensis  et  Basiliensis  in  muris  et  aedifidis  viles  fuerunt,  sed 
in  domibus  viliores.  Vomus  fortes  et  hone  fenestras  paucas  et 
parvulas  habuerunt  et  lumine  caruerunt  (siehe  Böhmer,  Fontes 
II  s.  xn). 


112  DIU  LINE 

mit  licht  und  luft  bedacht,  die  feDSlerOffnungeQ  wurden  zunächst 
einfach  in  der  mauer  ausgespart,  und  wo  diese  eine  ansehnliche 
dicke  besafs,  war  der  ausblick  ein  mehr  oder  minder  beschränkter, 
rücksiclilen  defensiver  natur  und  bequemlichkeit  haben  darum 
eine  änderung  herbeigeführt,  indem  man  entsprechend  tief  ein- 
springende nischeu ,  welche  in  der  folge  mit  sitzen  versehen 
wurden,  anbrachte. 

Was  den  verschluss  betrifft,  so  sei  erinnert,  dass  dazu  in 
profanbauten  wahrscheinlich  erst  gegen  das  13  jh.  hin  glas  ver- 
wendet zu  werden  anfieng  und  dass  dessen  gebrauch  noch  ende 
des  mittelalters  selbst  in  grüfseren  Städten  nicht  allgemein  war.i 
in  ermangclung  desselben  behalf  man  sich  auf  andere  weise,  ua. 
mitteppichen2,  gittern  und  laden,  mangelhaften  und  mit  mancherlei 
unbequemhchkeilen  behafteten  ersatzmitteln,  die  uns  begreifen 
lassen ,  warum  man  in  kemenaten ,  Stuben  und  kammern  mit 
fenstern  möglichst  sparte,  bei  nicht  zu  ständigem  aufenthalte 
dienenden  localen  verhielt  es  sich  anders,  in  gangen,  dach- 
räumen udgl.  bedurfte  man  nicht  so  des  Schutzes  gegen  die  Un- 
bilden der  Witterung;  deshalb  wurden  hier  weite  Öffnungen  nicht 
gescheut,  deshalb  und  aus  anderen  Ursachen  erfuhr  der  ver- 
schluss, so  weit  er  nicht  ganz  unterblieb,  auch  nicht  jene  Ver- 
vollkommnung, die  eine  fortschreitende  cultur  in  dieser  beziehung 
herbeiführte,  es  blieb  bei  der  alten  methode  —  in  manchen 
gegenden  bis  auf  den  heutigen  tag. 

Diese  bemerkungen,  zusammengehalten  mit  den  bisher  bei- 
gebrachten mittelalterlichen  belegstelleu ,  sprechen  entschieden  zu 
gunsten  der  volkstümlichen  auffassung,  und  zudem  kann  die 
blenkendiu  lin  im  Jüngling  des  KvHaslau  v.  919,  die  schon  Haupt 
als  'fenster,  das  sich  im  winde  (klappend)  hin  und  her  bewegt' 
erklärt  hat  (Zs.  8,  577),  ungezwungen  nur  in  diesem  sinne,  ge- 
nauer als  fensterladen ,  gedeutet  werden,  dass  dies  aber  nicht 
die  gesuchte  und  ursprüngliche  bedeutung  ist,  erweist  das  com- 

'  über  fensterverglasung  im  mittelalter  hat  ua.  Falke  in  den  Mitteilungen 
der  k.  k.  centralcommission  f.  k.  und  h.  d.  viu  1  ff  g^ehandelt  und  dabei 
auch  Frauendienst  331,  14  ff  besprochen,  ohne  indes  über  die  einrichtung  ins 
klare  zu  kommen,  da  er  Ime  als  leine,  schnür  auffasste. 

2  wenn  auch  zur  zeit  Gregors  vTours  kirchen  bereits  glasfenster  be- 
safsen,  so  waren  in  Tegernsee  noch  im  10  jh,  die  kirchenfenster  durch  alte 
tücher  geschlossen,  wie  aus  einem  briefe  des  abtes  Gosbert  hervorgeht 
(siehe  Kugler  Kunstgeschichte  ii  22). 


DIU  LINE  113 

posilum  lineberga,  womit  neben  reclinatorium,  fulcrum  noch  can- 
celli  und  pinnaculum  verdeutscht  werden,  unter  cancelli  verstand 
man  im  altertum  ein  aus  gerade  oder  schräg  in  die  höhe  gehenden 
und  schräg  über  diese  gelegten  lallen  oder  eisenstangen  bestehendes 
gitter,  im  miltelalter  vornehmhch  ein  derartiges  fenstergitter,  über- 
tragen das  fenster  selbst,  nicht  aber  balkon,  wie  Schmeller  Lat. 
ged.  s.  230  angibt  (siehe  Ducange  s.  v,  cancellus).  so  heifsl  es  im 
Ruodlieb  i  52  bei  Schilderung  des  abschiedes  Ast  'per  cancellos 
post  hunc  pascebat  ocellos  mater  und  xiii  131  mox  ad  dominas 
repedabant ,  qnas  ad  cancellos  inuenerunt  speculantes,  wo  Seiler 
(einl.  s.  40)  ohne  grund  'an  den  zinnen'  übersetzt;  auch  iii  66 
ist  nicht  ohne  weiteres  an  einen  erhöhten  platz  für  den  Sprecher 
zu  denken,  in  welchem  falle  sich  der  dichter  wol  anders  als 
Tunc  per  cancellos  legatus  dixit  ad  illos  ausgedrückt  haben 
würde,  sondern  wider  an  ein  fenster  des  im  hofe  befindlichen 
hausesi,  durch  das  der  legatus  zur  versammelten  menge  herab- 
spricht. Seemüller  bemerkt  allerdings  zu  Williram  c.  37  Sihes 
du  uuie  der  da  obe  stet  ze  den  linebergon,  so  er  sbrehhan  uuil  ze 
den,  die  da  nidana  sint ,  sih  nah  in  neiget  in  ähnlicher  weise 
(QF  XXIV  104  anm.)  'Williram  versteht  unter  cancelli  der  Vulgata 
nicht  gitter  sondern  lineberga  lehne,  erhöhter  sitz,  Stand- 
ort', aber  eine  solche  auslegung  scheint  mir  hier  ebenso  wenig 
wie  dort  am  platze,  hatte  Williram  etwas  anderes  im  sinne,  was 
mich  selbst  nicht  unwahrscheinlich  dünkt,  da  die  bibelstelle  Cant. 
cant.  II  9  en  ipse  stat  post  parietem  nostrum  respiciens  per  fe- 
nestras,  prospiciens  per  cancellos  (in  der  Übertragung  (QF 
XXVIII  12)  Sine,  uua  er  selbo  stet  hinter  unser  uuente,  unte  sihet 
üz  den  uenstron,  unte  uudrtet  uz  uön  den  linebergon)  eine 
Unterscheidung  sehr  nahe  legt,  so  kommen  meines  erachtens  am 
ehesten  zinnen  in  betracht.  im  allgemeinen  lässt  sich  mit  der 
Situation  etwa  die  vom  dichter  des  Himmelreiches  gezeichnete 
vergleichen 

1  von  einem  haus  ist  allerdings  nicht  die  rede,  doch  siehe  wegen 
curtis  Inama  Untersuchungen  über  das  hofsystem  im  mittelalter  s.  57  ff.  — 
V  163  erscheint  eine  curtis  lata  cancellis  amp/üprehensa.  für  cancelli 
gibt  Seiler  die  bedeutung  schranken  an,  doch  darf  nicht  aufser  acht  ge- 
lassen werden,  dass  der  dichter  offenbar  eine  bestimmte  der  landschaftlich 
variierenden  zaunformen  im  äuge  hatte,  sonst  würde  er  das  gewöhnliche 
sepes  (curtis  sepe  circumcincia  ist  die  herkömmliche  bezeichnung)  ver- 
wendet haben. 

Z.  F.  D.  A.    XXXIII.    N.  F.    XXI.  8 


114  DIU  LINE 

V.  1   Michil  bis  du  herro  got  und  lobelih  harte, 

michil  ist  diu  chraft  uf  dere  himilisken  warte . . . 
und  daselbst  v.  232  bei  beschreibung  der  himmelsburg  begegnen 
uns  aucb  liliebergen,  womit  nach  Diemer  (Gen.  und  Exod.  u  178) 
und  Lexer  zinnen  gemeint  sein  sollen,  hier  passt  zwar  diese 
erklärung  nicht,  schon  weil  dem  Verfasser  cinne  geläufig  war 
(siehe  v.  227  und  auch  83)  und  weil  dann  der  vers  nichts 
weniger  als  sinnreich  wird,  doch  dass  sie  nicht  überhaupt  zu 
verwerfen  ist,  erhellt  daraus,  dass  durch  lineberga  pinnacuhim 
glossiert  erscheint,  zb,  Matth.  4,  5  Tunc  assumsit  emn  diabolus  in 
sanctam  civitatem  et  statuit  eum  super  pinnacuhim  templi  (siehe 
Ahd.  gll.  I  709,  42).  ireifen  wir  schon  hier  und  da  eine  andere, 
ungenauere  auffassung",  des  etymologischen  Zusammenhangs  mit 
pinna  waren  sich  die  meisten  Übersetzer  sicher  bewust^  und  beide 
ausdrücke  wurden  auch  nicht  streng  aus  einander  gehalten. 
Zeugnis  dessen,  dass  sowol  pinna  wie  pinnaculum  durch  wintberge 
widergegeben  wird  (siehe  Graff  ni  174.  Ahd.  gll.  n  618,  60. 
Sumerl.  s.  50.  Diemer  aao.  ii  277  unter  wintperge  und  wintwere). 

Bezeichnet  aber  lineberga  die  zinne,  so  kann  der  erste  be- 
standteil  des  compositums  blofs  auf  die  scharteubrüstung  bezogen 
werden,  und  wenn  ich  noch  beifüge,  dass  die  brustwehr  selbst 
bei  weniger  massiven  befestigungsanlagen  eine  geringere  dicke 
als  der  unterbau  aufweist,  dass  der  innere  wehrgang  bei  ring- 
raauern  nicht  selten  überdacht  war,  dass  bei  zinnengekrönten 
bauvverken  das  dach  vielfältig  den  zinnen  aufgelegt  wurde  und 
dass  die  mehr  oder  weniger  weiten  scharten  ebenfalls  feusler 
hiefsen  (siehe  Kudriin  1384  uö.),  dürfte  die  sache  nun  ziemlich 
klar  liegen. 

Unter  line  als   baubestandteil  haben  wir   in  erster  linie  die 

*  allgemein  als  summitas  templi  zb.  bei  Otfrid  n  4,  53,  Tatian  15,  4, 
Zs.  f.  d.  pliil.  XII  22;  dagegren  SPaüler  predigten  s.  49  do  chömen  si  beide 
aber  sd  üf  ein  w  entelstein,  üfein  höliez  gezimber,  wonach  der  Verfasser 
sich  den  tempel  mit  einem  türme  versehen  vorstellte,  schon  auf  dem  alten 
SGaller  grundriss  zeigen  die  kirchtürme  Wendeltreppen,  die  eine  beischrift 
lautet:  ascensus  per  cocleam  ad  tiniversa  super  inspicienda. 

^  Ahd.  gll,  II  263,  32  Pinnacuhim  a  pinna  diminutiuum  quidam  di- 
cunt.  quod  sint  manaperaga  (=  cancelli  Ahd.  gll.  i  457,  10.  544,  19)  dh, 
hier  wol  eine  art  von  schirmdächern  vor  den  zinnenscharten,  wie  sie  schon 
von  den  Römern  angewendet  wurden?  cancelli  ==  interstitium  inter  pro- 
pugnacula  —  propugnacula  nicht  nach  römischer  terminologie,  sondern 
=  brustwehr,  zinne  —  würde  dazu  stimmen. 


DIU  LINE  115 

brusllehne  eines  fensters  uach  mittelalterlichem  begriffe,  sei  sie 
aus  holz-  oder  maiierwerk  hergestellt,  zu  versteheo,  dann  auch 
dessen  verschluss  (gitter,  laden)i  und  die  fensteröffnung ,  bei 
UvLichtenstein  speciell  ein  mit  sitzen  versehenes  nischenfenster. 
Wackernagels  angäbe  in  seinem  vs^örlerbuche  'lin,  line  lehne, 
fenster  (mit  mau  er  oder  geländer  als  brustlehne)' 
hätte  also  nicht  unberücksichtigt  bleiben  sollen,  fenster  mit 
herausgehendem  geländer,  wie  Lexer  annimmt,  gab  es 
meines  vvissens  in  so  früher  zeit  nicht,  hölzerne  vorbauten, 
unseren  gedeckten  balkonen  ähnlich,  aber  ursprünglich  zur  Ver- 
teidigung dienend,  treten  übrigens  bei  deutschen  bürgen  erst 
seit  dem  12jh.  auf,  was  einiger  mafsen  befremdet  —  in  anbetracht 
dessen  nämlich,  dass  bei  karolingischen  meierhöfen  schon  sölIer 
wie  bei  unseren  bauernhäusern  üblich  gewesen  zu  sein  scheinen, 
nebenbei  gesagt  sind  die  franz.  estres  nicht  'balkons'  (Schultz 
aao.  s.  86),  sondern  sie  lassen  sich  ungefähr  unserer  line  ver- 
gleichen (siehe  Constans,  La  legende  d'Oedipe  s.  Lxvm). 

Zum  Schlüsse  mache  ich  darauf  aufmerksam ,  dass  nur  inner- 
halb eines  noch  genauer  zu  begränzendeu  gebietes,  das  sich  nach 
einer  seite  bis  ins  üefreggental  erstreckt,  die  Volkssprache  den 
ausdruck  line  aufweist,  im  grofsen  ganzen  gehört  er  Inneröster- 
reich an  und  da  ist  UvLichtenstein  und  KvHaslau  zu  hause,  da 
hat  auch  der  dichter  von  Dietrichs  flucht  seine  heimat. 

*  line  und  lineberga  wechseln  übrigens  schon  frühzeitig. 

Innsbruck,  im  april  1888.  OSWALD  ZINGERLE. 


ERLANGER  BRUCHSTUCKE  AUS  DEM 
EVANGELIUM  NICODEML 

1514  stiftete  markgraf  Friedrich  iv  von  Bayreuth  bei  Gold- 
kronach auf  freiem  fehle  das  franziskanerkloster  SJohst,  begabte 
es  reichlich  und  liefs  es  von  Hof  im  Voigtlande  ans  mit  10  mönchen 
besiedeln  (SWOetter  Sammhing  verschiedener  nachrichten  aus  allen 
teilen  der  historischen  Wissenschaften  ibd..  Erlangen  1749,  s.  2 /fj. 
dasselbe  wurde  bald  darauf  wider  zerstört,  seine  bibliothek  aber 
nach  Bayreuth  gerettet  (aao.  s.  15;  vgl.  SGOetter  De  memorabilibus 
hibliothecae  monasterii  SJodoci,  progr.  des  Erlanger  gymn.  1746. 
40),   von  wo   sie   1794  an  die  Universität  Erlangen  kam  (Ver- 


116       ERLANGER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  EV.  NICODEMI 

zeichnis  der  aus  dem  ehemaligen  kloster  SJohst  nach  Erlangen  ge- 
brachten mss.  und  bücher,  gefertigt  von  AFPfeifjfer,  1794,  ms. 
auf  der  Erlanger  bibliothek;  Erlanger  rectoratsprogramm  von 
JGFPapst,  mai  1796,  fol.  s.  4  und  anm.).  in  einer  der  zahl- 
reichen incunabeln  dieses  bücherschatzes  (Breviloquus  vocabularins, 
Coloniae  1486  =  Panzer  Ann.  i  s.  296  nr  141),  welche  die  SJohster 
nummer  266  trägt  und  jetzt  als  nr  IIA  gezeichnet  ist,  fand  ich 
zum  ankleben  des  buchrückens  an  den  decket  pergament  verwendet, 
welches  verse  aus  dem  Evangelium  Nicodemi  Heinrichs  vHesler 
enthielt,  hr  bibliothekar  dr  Zucker  liefs  dasselbe  auslösen,  es 
kamen  nun  6  streifen  zum  Vorschein,  unter  diesen  xoaren  die 
2  gröfseren  (6,  4—6,0  cm.  X  27,4  cm.  und  6,6— 7,9  cm.  X  27,4  cm.) 
der  breite  nach  in  einer  höhe  von  1  cm.  umgebrochen  gewesen,  der 
art,  dass  das  schmale  stück  innerhalb  des  buchrückens  geklebt,  der 
übrige  teil  hingegen  zwischen  vorder-  bzw.  rückendeckel  und  dem 
ersten  bzw.  letzten  blatte  der  incunabel  hervorgeragt  hatte:  wo 
das  pergament  gefaltet  war,  ist  es  stellenweise  ausgebröckelt,  die 
vier  anderen  streifen,  welche,  gleich  jenen  beiden  gröfseren  an  die 
fäden  der  lagen  geheftet,  den  rest  des  5,5  cm.  starken  buchrückens 
an  dem  umschlage  befestigt  hatten,  sind  0,9;  1;  1,05;  0,9  cm.  hoch 
und  haben  eine  breite  von  26,8;  27;  27;  25,8  cm.  sämmtliche 
stücke  gehören  zu  einem  und  demselbeii  mit  dinte  linierten,  zwei- 
spaltig in  abgesetzten  versen  beschriebenen  doppelblatte  aus  dem 
ende  des  xmjhs.,  das  der  buchbinder  den  verszeilen  ziemlich  parallel 
in  streifen  schnitt  und  diese  letzteren  dann  am  rechten  oder  linken 
ende,  ungefähr  entsprechend  der  höhe  der  incunabel  {21,1  cm.), 
verkürzte,  fünf  von  diesen  streifen,  der  zuerst  genannte  gröfsere 
und  die  vier  schmäleren  in  der  oben  angegebenen  folge,  passen  voll- 
kommen an  einander  und  bilden  ein  zusammenhängendes  fragment 
(=  i)  von  10,6  cm.  höhe,  welches  etwa  die  mitte  des  doppelblattes 
ausmachte;  dabei  ergibt  der  Wechsel  an  einander  gereihter,  bald 
rechts  bald  links  beschnittener  streifen ,  dass  die  ursprüngliche  breite 
des  doppelblattes  ca.  30  cm.,  die  jedes  einzelnen  blattes  also  ib  cm. 
betrug,  das  sechste  stück  (=  ii)  ist  das  unterste  ende  des  doppel- 
blattes. 

Bl.  1  =  Seite  1  und  2  der  fragmente  enthält  verse  aus  dem- 
jenigen abschnitte  des  Evangelium  Nicodemi,  welchen  Pfeiffer  Übungs- 
buch s.  1—22  (=  P)  abdruckte,  und  zwar:  i  1"  v.  1013—1034; 
n  V  1039—1048;  —  i  l''  1054—1075;  n  l"^  1080—1089;  — 


ERLANGER  RRÜCHSTÜCKE  AUS  DEM  EV.  NICODEMI        117 

I2M096— 1116;  ii  2^  1121—1130;—  12"  1137—1158;  ii  2»^ 
1163 — 1172.  da  der  letzte  vers  von  ii  mich  der  letzte  der  spalte 
ist,  so  folgt  daraus,  dass  die  colnmnen  \^,  2*  je  41  zeileji  zählten, 
2^  dagegen  42.  dieser  unterschied  kann  nur  darauf  beruhen,  dass 
der  Schreiber  einen  vers  ausliefs  oder  ihn  auf  serhalb  der  zeile 
nachholte,  denn  jede  seite  der  hs.  ist  in  der  weise  liniert,  dass 
zuvörderst,  von  links  gerechnet  in  den  abständen  1,6:  5,2:  1: 
5,2 :  2  cm.,  vier  senkrechte  striche  vom  obersten  rande  bis  zum 
untersten  gezogen  wurden,  welche  die  spalten  einfassen  sollten; 
zwischen  den  ersten  und  vierten  strich,  von  diesen  begränzt,  sind 
dann  die  wagrechten  linien  gelegt,  sodass  zum  mindesten  jede 
columne  derselben  seite  gleichviel  Zeilen  aufweisen  muste.  darum 
zählte  wahrscheinlich  auch  spalte  V  41  verse,  und  das  unvei^sehrte 
hlatt  begann  mit  P  1008.  übrigens  ist  aus  der  gefundenen  verszahl 
der  spalte  auch  annähernd  die  höhe  der  ganzen  hs.  zu  erschliefsen. 
vor  I  1*  fehlen  5  verse,  die  einen  räum  von  2,1  cm.  beanspruchen; 
wird  angenommen,  dass  zu  an  fang  der  seite  so  viel  räum  leer 
blieb,  als  am  Schlüsse  derselben,  so  sind  nach  analogie  von  n  3,9  cm. 
hinzuzurechnen,  es  hätte  also  das  oben  vom  blatte  abgetrennte 
stück  die  höhe  von  6  cm.  gehabt,  darauf  folgt  i  1"  mit  10,6  cm., 
dann  eine  lücke  von  4  versen  =  1,6cm.,  zum  schluss  ii  r  =  6,6 cm.; 
die  summe  dieser  maße  und  mithin  die  höhe  der  hs.  würde  also 
ca.  24,8  cm.  betragen. 

Bl.  2  =  seite  3  und  4  der  bruchstücke  bringt  verse,  welche  im 
Zusammenhang  bisher  noch  nicht  veröffentlicht  sind,  und  deren  ge- 
naue stelle  im  gedieht  sich  nur  aus  den  citaten  ermitteln  lässt, 
icelche  KAmersbach  in  den  programmen  des  Konstanzer  gymnasiums 
von  1883  imd  1884:  Über  die  identität  des  verf.s  des  gereimten 
Evangeliums  Nicodemi  mit  Heinrich  Hesler  usw.  [==  A  i,  A  ii]  nach 
einer  von  RPWülcker  gefertigten  abschrift  und  collation  der 
Schweriner  und  Görlitzer  hss.  [=  W]  mitteilt,  welche  zeilen  der 
fragmente  bei  A  citiert  sind,  ist  unten  im  abdruck  bemerkt;  es 
lässt  sich  daraus  berechnen,  dass  die  auf  seite  3  und  4  überlieferten 
stellen  den  folgenden  versen  bei  W  entsprechen:  i  3^  4484 — 4506; 
II  3^  4511  —  4519;  —  i  3"  4525—4547;  ii  3''  4552—4560;  — 
I  4*  4567—4588;  n  4"  4594—4601 ;  —  i  4''  4607—4629;  ii  4" 
4634  —  4642.  auch  auf  diesem  blatt  zählt  jede  spalte  41  zeilen: 
seite  3  begann  darum  mit  TF  4479. 

Wie  viele  verse   zwischen  den  seiten  2  und  3  =  bl.  l  und  2 


118        ERLANGER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  EV.  NICODEMI 

standen,  lehrt  die  Umsetzung  der  Pschen  Zählung  in  die  Wsche; 
aus  den  citaten  bei  RPWülcker  Das  Evangeliiim  Nicodemi  in  der 
abendländischen  litteratur,  Paderborn  1872,  s.  A%f  anm.  12b  f  (vgl. 
den  text  s.  ASff)  ist  zu  entnehmen,  dass  P  1  W  2325  entspiicht. 
da  2"  mit  P  1172=  VF  3496  schloss,  y  mit  IF  4479  beginnt, 
so  liegen  zioischen  innen  4478 — 3496  -=  982  verse  ==  (abgerechnet 
ein  versehen  von  2  Zeilen)  24  spalten  =  3  doppelblätter.  das  letzte 
blatt  dieses  quaternio  bildete  unser  zweites,  wie  die  auf  s.  4  unter- 
halb der  querlinien  zwischen  dem  2  und  3  verticalen  striche  ein- 
geschriebene bezeichnung  iij^  beweist,  voraus  giengen  also  2  lagen, 
welche  nach  W  3331  verse  nmfasst  haben  miisten,  denn  P  1008, 
mit  welchem  die  dritte  läge  beginnt,  ist  gleich  VF  3332.  da 
3331  Zeilen  51  verse  mehr  als  10  doppelblätter  brauchen  würden, 
so  ist  es  wahrscheinlicher,  dass  derjenigen  hs.,  zu  welcher  die 
Erlanger  fragmenle  gehörten,  der  prolog  von  368  (nicht  369) 
versen  ebenso  mangelte,  wie  es  bei  den  meisten  übrigen  der  fall 
ist  (Wülcker  aao.  s.  45;  JHaupt  Über  das  mhd.  Buch  der  märtyrer, 
Wien  1872,  s.  12;  Äi  s.  \f):  dann  gewinnen  wir  mit  dem  ge- 
ringen fehler  von  12  versen  9  doppelblätter ;  es  würden  also  der 
3  läge  unseres  ms.  ein  quaternio  und  ein  quinternio  voraus- 
gegangen sein,  wie  viele  blätter  folgten,  ist  bei  der  Verschieden- 
heit der  fassung  und  länge  des  Schlusses  des  gedichtes  nicht  zu 
bestimmen. 

Im  einzelnen  bemerke  ich  noch,  dass  rote  initialen,  welche  hier 
iind  da  vom  Schreiber  am  rande  vorgezeichnet  waren,  die  absätze 
bezeichnen,  und  dass  fast  immer  auf  eine  initiale,  welche  2  zeilen 
einnimmt,  ein  grofser  buchstabe  folgt,  der  zuweilen  auch  rot 
durchstrichen  ist.     das  i  trägt  häufig  einen  strich. 

Darnach  stimmt  das  Erlanger  bruchstück  zu  keinem  der  bisher 
veröffentlichten ,  auch  nicht  zu  demjenigen,  welches  nach  Seiten  der 
äufseren  ausstattung ,  der  Orthographie  des  Schreibers  und,  so  viel 
aus  den  wenigen  versen  zu  ersehen  ist,  auch  des  textes  grofse 
Verwandtschaft  zeigt,  nämlich  den  von  Schönbach  Zs.  24,  82  ff  aus 
dem  Retzer  archive  publicierten  'fragmenten  eines  unbekannten 
mhd.  gedichtes'  (=  R).  auch  diese  gehören  Heinrichs  gedichte  an, 
denn  R  i  V  v.  1 — 3  ist  =  Thennenbacher  fragm.  Mones  Anz.  iv 
328/"  ü.  108—110;  Rn  V  v.  l— 3  =  Mone  329  v.  113—115 
=  W  1682—1684  (vgl.  A  i  16  zeile  7  v.  o.);  —  Ä  ii  2"  «.  l 
vgl.  AnU  itewiz;  v.  2.  3  =  W  1765  f  (A  ir  26  zeile  5  /  v.  u.) ; 


ERLANGER  BRÜCFISTÜCKE  AUS  DEM  EV.  NICODEMI        119 

R  i  2"^  V.  1  =  W  \19S  (A  i  U  z.  2  V.  u.).  R  3  tind  4  stehen 
bei  P  und  ergeben  zugleich,  dass  die  spalten  derjenigen  hs.,  der 
die  Retzer  fragmente  entstammen,  39  zeilen  zählten  —  ich  setze 
die  versconcordanzen  vollständig  hierher  — ;  Ä  i  3*  =  P855 — 857  ; 
Ä  n  3^  =  P  860—861 ;  —  Ä  i  3"^  =  P  894—896;  Ä  ii  3"^  =  P 
899—901;  —  fi  i  4*  =  P935— 937;  R  ii  4»  =  P  940— 942;  — 
Ä  I  4*'  =  P  974-976;  /?  ii  4"  =  P  979—981. 

Der  abdruck  der  bruchstücke ,  loelche  hier  und  da  durch  Wurm- 
fraß gelitten  haben,  ist  ein  diplomatischer. 

Erlangen.  G.  WOLFF. 


Pl0l3Dine  goteheit  bedecken ^ 
vn  ein  mensce  vol  recken 

1015  Daz  golliche   getreide 
Daz  ein  sloz  einer  meide 
In  ir  warnen  den  besloz 
D'  deme  hiemele  ist  zv  groz. 
vn   deme  die  w'lt  ist  zv  enge 

1020  Daz  was  ein  hart  gemenge 
vn  ein  edele  gewerp. 
Daz  d^  deisme  was  so  derp 
Daz  vch  zwei  zv  sanine  wal 
Dine  stat  vn  des  menscen  val. 

1025  Daz  wäre  brot  wart  so  los 
Da  got  daz   erbe  vleisch   erkos 
Die  vil  borgen  erden 
vb^  einen  also  w^den 
Geist,     siner  maiestat 

1030  Daz  was  ein  na  gerate  rat 
An  min  v^terpnisse 
DAz2  is  nicht  wisse 
So  wol  ich  doch  weiz  alle  dinc 
Owe  mensce  din  gesprinc^ 


D^ 


II  V 

len  gebvrt* 

Des  wirt  min  ere  hie  kvrt 
Min  volge  harte  dvnne 
von  .enslichem  kvnne 

0  spch  die  helle  menie  zv  im 
belzebvb  nv  v^uim 
wie  vSvorfen  vS  v^jorne 
vö  vnsis  hVen  zorne 
vö  allen  dinen  geuozen 
wier  sin  dvrch  dich  v^stozen. 

I  1" 

siner  g  .  .  .  .  n^ 

Da  dv  vns  abe  v^saztes 
vn  mit  dier  selben  vaztes 
vn  dise  ewige  v^lvst 
Dv  Variete  mit  vnkvst 
vrowen  even.vn.  adame. 
Ob  sie  daz  obiz  gename. 
Sie  wrden  vntotlich  den  goten. 
So  wol  wart  ez  en  geboten 
wan  biz  sie  wurden  betrogen 


1   die  oberen  spitzen   dei'  buchstaben  von   heit  bedecken   sind  fort- 
geschnitten. -  D  ist  links  über  die  linie   der  spalte  hinausgerückt. 


die  unteren  spitzen  von  gesprinc   sind  abgeschnitten. 


1040 


1045 


1055 


die  unteren  spitzen  der  buchstaben  sind  erhalten, 
spitzen  der  buchstaben  sind  erhalten. 


nur  die  unteren 


120        ERLANGER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  EV.  NICODEMI 


Da   haslv   mit  vi'  dich   gezogen 
1065  Mit  rechte  vrteilen  krist 
D^  war  got  vn  mensce  ist 
vü  richit  menscen  anden 
Nv  erst  wirt  dierz  zv  scandeo. 
Daz  dv  adamen  ie  betr  .  A 
1070  Doch  nehastv  in  din  Ivg.. 
Betrogen  nicht  die  mens  .  .  . 
Do  hettes  ir  war  vor  geseit 

alleine  wis 

Dv  spreche 

1075  Ob  ir  vch  de2 


Daz  wier  vf  dich  wol  kage  mvge 
wan  hierzv  hastv  vns  bebt 
wier  waren  vbile  bedacht 
Daz  wier  dier  volgete  mite 
an  deme  starke  vb^  trite 
Diner  vppige  hocvart 
Daz  wier  wid^  vnse  art 
vnvellic.    vellic  machten 

6  eile  swachte 

ugen  vns  hate 

am  von  dime  rate 

0  d^  vUorne 


II  P  

1080  Do  h^  diz  vleichs  gescv.    so  rich^     n 

Daz  vö  adames  sippe  qwam 

Daz  ez  got  sider  an  sich   nam 

.  .  .  IS  h  .  i .  sich  .... 

Daz  ime  daz  nicht  irgrozte 
1085  Daz  h'  was  got  vö  vrier  kvr 

vn  nam  doch  an  sich  mescen  n* 

Daz  ime  die  nicht  ir  wengete 

Siner  kraft  h'  sich  engete 

vf  gap  sich  ZV  vremdem  wilH 


I  2' 
1096  Daz  h^  bedachte  ir  arbeit^ 

vn  ir  vil  iem^lichen  rvf. 

Die  h^  da  nach  ime  gescvf 

wier  arme  blibe  vngelost 
1100  wan  wier  han  vns  so  v^bost 

Daz  wier   zv  losene   nicht  tvge 


n  2' 

.  than  sich  scvlde  svs 
.  h  vnsir  h^re  ihc 
.  orf  die  sin^  herscaft 
.  .  .  otlich.n  k.fts 
^lezame.  vTi.  begeinte 
t  mines  vat^  geseinte 
ach  mier  sin  erbild? 
aret  ein  teil  vSvild? 
d^9  tvvel  vch  vViet 
o^mt  min  heilige  diet 


12" 
In  deme  holze  v^los^^^ 
Do  adam  mich  v^kos 
vi!  sich  selben  valte  nid' 


1105 


1110 


1115 


1121 


1125 


1130 


1137 


1069  — 1075   sind  am  rajide  beschnitten. 


2  nur   die  oberen 


lUSO  — 1083    stark   abgescheuert, 


enden  der  buchstaben  sichtbar. 
1083  auch  durchlöchert.  *  das  ende  der  zeile  ist  abgeschnitten. 

^  von  dem  vorhergehenden  verse  sind  nur  die  unteren  spitzen  der  buch- 
staben erkennbar.  ^  die  folgenden  17  zeilen  an  der  seile  beschnitten. 
'  nicht  sicher.  ®  durch  löcher  zum  teil  zerstört.  ^  d  und  o 
sind  nur  zur  hälfte  zu  erkennen.  *°  nur  die  unleren  spitzen  der 
buchstaben  erkennbar. 


ERLANGER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  EV.  MCODEMI        121 


d: 


1140  IS'v  han  ich  dich  gekovfl  wiiP 

ancleme  holze  des  krvzes 

Lvin  et^oe  Ivcis 

Daz  qvvit  des  ewige  Hechtes  sein 

Belzebvb  sol  imm^  sin 
1145  Ind'  helle  an  dine  stat 

In  sinen  hals  h^  ime  trat 

vn  tolle  da  den  tot 

Denie  slange  h^  gebot 

Mit  wewen  vn  mit  ruwen. 
1150  Die  helle  imni'  buwen 

kO  sprachen  die  sele  alle 
Mit  mang^  venie  valle 

Jesvs  d^  v^lorne  trost 

Sit  daz  dv  vns  has  irlosl 
1155  Mit  din^  heiligen  kvnft 

Mit  des  krvzes  sigenvft 

hVre  xpisl  so  stelle 

Ein  zeichen  vb^  die  helle 

II  2" 

Tel  W  vber  der  helle  grvnt^ 

Ein  krvze  dri  stvnl 
1165  Do  sanc  die  helle  an  einen  hovf 

Belzebvb  d^  besovf^ 

In  denie  heizen  vure 

Do  irarnele^  vil  tvre 

Daz  h^  adame  ie  betrovc 
1170  Zv  xpc  vuzen  sich  do  bovc 

Adam  signende  vil  Ivle 

Disen  salm  den  ich  iv  bedvte 

I  3^ 
W4484Noch  von  dem  bettegesten 
vor  mangen  iaren  da  bevor 


Die  vrowe  trvc  daz  bilde  enpor 

vn  gienc  zv  hove  mit  mvzen 

D^  kvng  vil  ime  zv  vuzen 

he  spch  min  liebe  h^re  ihv  xpist^ 

Alse  wMiche  alse  dv  ein  got  bist  4490 

Alse  hilf  mier  von  dirre  not 

Die  vrowe  daz  bilde  dar  bot 

vn  tet  zv  drin  slvnden. 

vb^  den  vngesvnden. 

Ein  krvze  inden  drin  namen^    4495 

Die  ein  war  gol  sin  entsamen.^ 

Do  wart  d^  kvng  sa  zv  stvnt 

An  sime  libe  wol  gesvnt 

TTkO  hiez  veronen. 

Irre  vHe  wol  Ionen. 
Nach  keyserlich'  mille 
vn  hiez  vnsis  h^ren  bilte 
In  gymme.  vü.  in  gölte 
Bewirken  so  h^  solle 
Alsez  alle  die  Ivte 
hvteß 


4500 


4505 


n  3^ 
Daz  sie  en  beide  bete 
Swes  sie  willen  hete 
Des  w^e  h^  en  gereite. 
Daz  he  ir  arbeite 
wol  gelonte  da  mite 
volvsian   spch  ich  bile 
h^re  din  selbes  gnisf 
Daz  dv  geloybes  an  krist 
vn  dich  tovfen  lazes 

I  3" 
Des  ewigen  heten^ 


4511 


4515 


4525 


'  nur  die  unteren  spitzen  der  buchstaben  erkennbar.  ^  besovf 

zum  teil  zerstört.  ^  =  ^  11  25  z.  if  v.  u.  *  =  J  u  22  z.  11  f 

V.  o.         ^  =  J  ii9  z.6  V.  0.         ^  nur  die  oberen  spitzen  der  buchstaben 
erhalten.  ">  =  A  nl2  z.26  v.  o.  «  nur  die  unteren  spitzen  er- 

kennbar: heten  nicht  sicher. 


122        ERLANGER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  EV.  NICODEMI 


g; 


vü   euliat  nicht  erbeten 

Mit  sinie  sceph^e  gole 

W  in  sime  geböte 

hiemel.   vn.   erde  held? 
4530  vü  allir  diuge  weld.  ..i 

Daz  vnsir  h're  ihc  k^.  .  .  .2 

D'  war  got.  vn.  mesce  ist 

W  sich  ZV  d*  martere  gap. 

vn  liez  sich  lege  in  ein  grap 
4535  vor  al  d^  wMde  missetat 

Da  geloybe  an  daz  ist  min  —  ^  t 
.^Ergnespch  lyberivs 
Ich  geloybe  daz  ihc 

D'  meide  svn  ist  gotes 
4540  vü  die  apgole  ein  to  .  .& 

vn  bew^rere  des  siechten 

\n  irr^e  des  rechte 

Storere  des  waren  vrides.^ 

Do  hiez  h*  tempivm  ysides 
4545  In  die  tyb^e  senken. 

vS  die  apgote  irtrenken. 

vü  bot  den  Romeren 

n  3'' 
H  spch  he  ...  ."^ 
Da  nimm^  wnne  mer  zvrgat 

In  sin^  h *  stat 

4555  Sime  vater  glich  vn  eben,   h^9 
Do  was  d^  leid^  mer 
Die  von  d^  tovfe  gienge. 
Dan  die  sie  entfienge. 


Daz  erzvrnete  tyb'ivsio 
vü  beb  ir  hof.  vü.  ir  hvs 


11  hiez  .  .  .«  e  albane 
o  vndHane 
sie  do  nanle 
te  siez  volc  mante. 
yb^ivs  dar  i.^ne  lac. 
izet  .  .  .8  disen  tac. 
lach  lyb.^o 
ivs  d^  wart  do 
set  d^  starp. 

gi2ola  daz  riebe  irwarp. 
n  h.mensce  art 
s   nach   ime   kvng  wart 
nach  ime  neren 


4570 


4575 


4580 


.  nastasivs 
d  deme  vaspasianvs 
vur  mit  vrlobe.  vü.  mit  Ife 
Iq  ivdeam  vb^  mer 
vü  gwan  iotaplate 
Die  svlchen  naiü  hate^^ 
Ine  weiz  wie  sie   nv  si  genant 
Josephvm  h^  vb^  want^* 


4585 


II  4= 


Zv  vaspasiane 


anastasivs  v^end?  hat 
2  =  .4  II 25 


4595 


1  an  diesen  stellen   ein  loch.  ^  ^  ^  n  25  z.2f  v.  u.  ^  ein 

loch  in  der  hs.  *  am  rande  ein  schwarzes  G  vorgezeichnet. 

5  diese    verse   am  rande   beschnitten.  ^=^  l  13  ä,  14  v.o. 

'  nur  die  unteren  spitzen  sind  noch  zu  sehen.  ^  ein  loch  in  der  hs. 

9  -^  .i  II  11  z.  27  V.  o.  »0  =  .4  II  4  2.  5  V.  u.  »'  4567—4581 

an  der  seite  beschnitten.  ^^  g  nicht  deutlich.  ^^  vor  hate  steht 

durchstrichenes  hahe.  ^*  von   der  nächsten  zeile  sind  bue/istaben- 

spitzen  erkennbar.  '^   durch   ein   loch  zerstört;    buchstabenspitzen 

noch  zu  sehen. 


ERLANGER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  EV.  NICODEMI         123 


Dv  bist  all  siae  stat  gekorii 
wie  hastv  dan  die  stat  v^Iofq 
Sit  dv  vor  weist  gescichte^ 
4^00  Ich  holte. en. vor  die  richte^ 
Lange  zite  wol  gesait' 

I  4" 


vi!  bellten  ime  daz  ni^e 
Daz  h^  ZV  Rome  vv'e  irkoru 
Die  vursten  hette  ime  gesworu 
Daz  h^  daz  riebe  neme 
Swenne  h^  wider  qweme 
In  sine  gewaldeklichen  gew^ 
Do  halp  teilte  h^  sin  h^e 
vü  liez  en  svrien" 
vursten  grave  vrien. 
Die  wol  torsten  striten.^ 


4625 


d: 


4ie  irvare  ich  die  warheit^ 
Daz  dv  mier  hast  geseit 
Daz  ich  zv  Rome  erkorn  si 

4610  Die  boten  sint  hie  nahe  bi 
Die  dier  die  m^e  bringe 
Habe  ich  an  disen  dingen 
war  geseit  laz  mich  genesin, 
vn  dier  diensthait  wesin. 

4615  Si  des  nicht  so  tote  mich 
Da  mite  sciede  sie  sich, 
gienc^ 
Er  kvng  an  sin  gemach 
vnd^  des  daz  dit  gescach 
So  qwam  die  Rom'e 

*  rechts  am  rande  von  einer  hand  des  wij'hs.    Sitz  icli.  ^  vo7i 

derselben  hand  am  gleichen  rande  helt  en  was.  ^  von  derselben  hand 

wie  vorher  gestalt;  unter  diesen  vers  schreibt  sie  in  den  leeren  unliriierten 
teil  der  spalte:    mater   gracie  mater  misericordie   |    tu  nos  ab  hoste  4)tege. 
''  durch  ein  loch  zerstört;  buchstabenspitzen  noch  zu  sehen.  ^  die 

oberen  spitzen   der  größeren  buchstaben  abgeschnitten.  '  vor  gienc 

imd  zwischen   kviig   und   an    verweisungszeichen.  ''  =:  A  i  30   z.  1 

V.  u,  *  die  unteren  spitzen  der  buchstaben  sind  fortgeschnitten. 

^  die  oberen  spitzen  von  H  spch  sal  ich  fortgeschnitten.  *°  ==  ^  ii  20 
z.  16  v.  u.  ''  dieselbe  hand  wie  oben  bl.  4»  hat  in  den  leeren  teil  der 

spalte  3  linien  gezogen  und  darauf  geschrieben:  Da  must  er  am  galigen 
hangn  |  kein  (oder  kern)  frewd  an  dich  ein  kne  (?)  |  schews  in  dich  ein 
pfeill  I  darunter  ohne  linie  p  pfeill  pfeill. 


n  4" 
H  spch  sal  ich^  gesvnt  wesin 
Ich  kvme  iv  wid^  drate 
Mit  den  h'  do  hate 
Bevalch  h^  sich  dem  winde 
D^  treip  en  also  swinde 
Biz  daz  h^  zv  Rome  qwä.i» 
Do  wart  h^  alsez  kvnge  zam 
vö  den  Römern  entfangen 
Do  sin  wille  was  ergangen  i^ 


4635 


4640 


MED.  KLEINIGKEITEN. 

1.    MF  30,  4  i'  sicenn  er  urlohes  ger, 

daz  es  im  au  dem  wege  niht  enwerre. 
die  wunderliche   deutuug,    welche   EHeurici  Zur   geschichte    der 
mittelhochdeutschen   lyrik    (Berlin  1876)    s,  52   von   dieser   nur 


124  MHD.  KLEINIGKEITEN 

schwer  misverständlicheii  stelle  gibt,  ist  schon  von  Steinmeyer 
(Anz.  II  146)  zurückgewiesen  und  dagegen  die  dem  sinn  allein 
angemessene  ei  klarung  nrlobes  gern  =  sterben  verteidigt,  da 
Henrici  hervorbebt,  dass  der  ausdruck  in  dieser  bedeutung  sonst 
nicht  belegbar  sei,  will  ich  auf  ein  allerdings  erst  nach  seiner 
schrill  (Zs.  20,  19311)  veröffentlichtes  Grazer  predigtconcept  hin- 
weisen, wo  es  (s.  195)  heifst:  oh  indert  ein  mensch  gegenwurtig 
wer,  dem  got  urlab  wolt  gehest  in  demjar,  in  der  wochen,  an 
dem  gegenwurtigen  tag,  das  im  der  almechtig  got  verleich  ain  wäre 
rew,  ein  lautre  Reicht,  ein  wirdigew  emphahnuz  des  heiligen  leichnam 
unsers  herren  und  nach  dem  eilenden  leben  das  ewig  leben* 

Hat  auf  diese  ausdrucksweise  vielleicht  das  tiunc  dimittis  zu 
anfang  von  Simeons  lobgesang  (Luc.  2,  29)  eingewürkt?  ich 
finde  allerdings  die  bibelworte  selbst  nie  so  übersetzt,  und  die 
bezeichnung  ist  wie  unser  heutiges  'abschied  nehmen'  für  sterben 
so  nahe  hegend  (vgl.  Myth.  cap.  xvii),  dass  sie  sich  auch  ohne 
anlehnung  kann  gebildet  haben. 

2.  MF  30,  13  ff  Krist  sich  ze  marterenne  gap  .... 

er  getuot  es  niemer  mer. 

dar  an  gedenke  swer  söder  loelle. 
vgl.  Wh.  218,  28ff  sih,  der  enstirbet  nimmer  mer 

durch  man  noch  wibes  schulde. 

nu  wirb  umb   sine  hulde.      vgl.    auch  König 
Tirol  23,  2.  7. 

Zu  gründe  liegt  1  Pelr.  3,  18:  quia  et  Christus  semel  pro 
peccatis  nostris  mortuus  est.  .  .  .  Hehr.  9,  28:  sie  et  Christus 
semel  oblatus  est  ad  multorum  exhaurienda  peccata. 

3.  MF  42,  12f  (ich)  lerne  des  ich  nie  began, 

trüren  unde  sorgen  pflegen. 
eine  formelhafte  wendung.^    vgl. 

Wh.   101,  16  f      nu  lern  ich  des  ich  nie  began, 
eins  jaemerliches  tröstes  gern. 
weiter  ab  stehen 

Trist.  2365  (ich  wil)  des  ich  nie  began,  heginnen. 

Rubin  HMS  i  311''  so  singe  ich  des  ich  nie  began. 

4.  das  thema  vom  geraubten  kuss,    das  Reinmar  (MF  159, 
[*  bei  dieser  gelegenheit  verweise  ich  noch    auf  Welschen   gast  5392 

(die  weit)  git  uns  urlonp  mit  dem  tot.    St.] 

1  auch  die  nächste  zeile  in  Hausens  liede,  des  was  vil  ungewent  mm 
lip,  ist  formelhaft,  wie  Meyer  Zs.  29,157  nachwies. 


MHD.  KLEINIGKEITEN  125 

37  ff)  in  die  deutsche  poesie  eingeführt,  Walther  111,  32 ff  paro- 
diert und  54,  7  ff  dahin  umgeändert  hat,  dass  er  statt  vom  ge- 
raubten vom  geliehenen  kuss  spricht,  worin  ihm  dann 
graf  Konrad  von  Kilchberg  HMS  i  24*  nachfolgt  (vgl.  Wilmanns 
zu  VValth.  54,  15),  —  dasselbe  thema  ist  auch,  wie  ich  noch  nicht 
bemerkt  finde',  von  Ulrich  von  Lichtenstein  im  ersten  büchlein 
seines  Frauendienstes  50,  20  ff.  51,  7  ff  in  engem  anschluss  an 
Reinmar  behandelt,  der  dichter,  welcher  sein  büchlein  als  boten 
zur  geliebten  sendet,  redet  ihm  von  dem  roten  mund  seiner 
herrin:  sd  an  der  selben  stunt 

wolt  ich  dar  ab  ein  küssen  stein. 

daz  soll  ab  du  mit  triwen  heln. 

sola  ichz  mit  heile  pringen  dan, 

wer  wcBr  ich  danne,  ich  scbUc  manl'^  . . . 

hat  ab  mich  min  tumber  danc 

an  stein  ode  an  deheinen  kranc 

verleitet  gegen  der  vrowen  min, 

bot,  daz  sol  versteigen  sin 

und  niht  ze  mwre  werden  brdht, 

wan  ich  sin  weiz  got  nie  gedäht. 

mir  wcBr  der  danke  alze  vil. 
5.    Walth,  20,  34  ff  wie  möht  ein  wunder  grcezer  sin? 
ez  regent  bedetithalben  min, 
daz  mir  des  alles  niht  enwirt  ein  tropfe. 
die   freigebigkeit   des  fürsten  mit  dem  regen    zu  vergleichen  ist, 
wie  Wilmanns  zu    der  stelle  bemerkt,   ein  biblisches  bild  (Pro- 
verb. 16,  15).     aber  auch  das  'wunder',    dass  der  dichter   mitten 
im  regen   unbenetzt  bleibt,    ist   wol    einem    biblischen   wunder 
nacherzählt,  das  Jud.  6,  36  ff  von  dem  feil  des  Gideon  berichtet 
wird.    Gideon  hatte  als  zeichen  vom  herrn  erfleht,  dass  ein  feil, 
welches   er  auf  die  teune   gebreitet   hatte,    in  der  ersten  nacht 
allein  vom  tau  benetzt  ward ,  während  es  ringsum  trocken  blieb, 
und  in  der  folgenden  allein  trocken  blieb,  während  ringsum  der 
tau  fiel.    Walthers  auspielung  auf  diesen  letzteren  Vorgang  wurde 
von  seinen  zuhörern  gewis  recht  gut  verstanden,  denn  wie  der 

*  auch  in  der  neuen  ausgäbe  des  Frauendienstes  von  RBechstein  fehlt 
der  hinweis. 

^  vgl.  Reinmar:   git  got  deichz   mit  mir   bringe  dan und 

waz  tuon  ich  danne,  unscelic  man? 


126  MIII).  KLEINIGKEITEN 

erstere,  die  wunderbare  benetzung  des  feiles,  in  geistlichen  ge- 
dichten    gern   auf  die  jungfräuliche  empfängnis  Mariae   gedeutet 
wurde   (vgl.  Wallh.  5,  19  fl),   so  war   gewis   auch  der  zweite  im 
ma.    nicht   unbekannt.   —   im    übrigen  vergleiche    ich  noch  den 
Germ.  33,  172  aus  einer  Leipziger  hs.  mitgeteilten  spruch: 
Ich  bin  ein  <jut  gesell  vndt  nmss  mich  ducken, 
Wanns  glnckh  regnet,  so  bleib  ich  wohl  trucken; 
Wanns  aber  vngluck  regnet  oder  schneit. 
So  werdt  ich  vil  nässer  als  ander  lenth. 

6.  VValtli.  24,  31  f  daz  an  mir  iht  erwinde 

daz  din  vil  götelich  gebot. 
welches  gebot?  Wilmanns  meint,  Walther  denke  an  Matth.  28, 20: 
'ich  bin  bei  euch  alle  tage,  bis  an  der  weit  ende.'  aber  diese 
Worte  sind  kein  gebot,  sondern  eine  verheifsung.  richtig  hatte 
schon  früher  Fasching  (Germ.  22,  435)  auf  Ps.  90,  11  verwiesen: 
qnoniam  angelis  suis  mandavit  de  te,  nt  custodiant  te  in  Omnibus 
tuis  viis.     vgl.  Malth.  4,  6.  Luc.  4,  lU. 

7.  Parz.  725,  7  ff    ern  welle  unschulde  rechen, 

sus  muoser  hin  zir  sprechen, 
sin  dienst  nach  minnen  bieten. 
die    stelle   ist   von    den    Übersetzern    und    Bartsch    misverstanden 
worden, 
bei  Simrock  lautet  sie:  will  er  dies  nicht  an  ihr  rächen, 

so  muss  er  freundlich  zu  ihr  sprechen 
und  ihr  dienst  für  minne  bieten. 
hei  San-Marte:  witl  keine  schuld  er  an  ihr  rächen, 

muss  nun  er  zärtlich  zu  ihr  sprechen, 
um  minnedienst  ihr  anzutragen. 
Bötticher  hat  sie  ausgelassen.  Bartsch  erklärt  (zu  xivl387): 
'wenn  er  nicht  ein  ganz  schuldloses  wesen  kränken  will.'  er 
muss  demnach  gleichfalls  die  folgende  zeile  als  nachsatz  aufge- 
fasst  haben,  allein  einmal  ist  es  ganz  unerhört,  dass  sus  (statt 
so)  den  nachsatz  einleitet,  und  zweitens  dürfte  nicht  im  be- 
dingungssatz  das  praesens  (welle),  im  folgesatz  das  praeteritum 
(muoser)  stehen.  Simrock  und  Sau-iMarle  übersetzen  freilich  in 
letzterem  das  praesens,  ern  welle  utischulde  rechen  ist  vielmehr 
der  inhalt  der  rede  des  Gramoflanz,  und  sus  weist  darauf  zurück: 
'er  wolle  Unschuld  nicht  kränken  (sie  vielmehr  belohnen),  so 
muste  er  zu  ihr  sprechen ,  seinen  minnedienst  anbieten.' 

8.  Wh.  58,  15  ff      ir  gunerten  Sarrazin, 

ob  bediu  hunt  unde  swin 
iuch  trüegen  und  dd  zuo  diu  wip 
sus  manegen  werlichen  lip, 
für  war  möht  ich  wol  sprechen  doch 
daz  iwer  ze  vil  wcer  dannoch. 
die  Worte  sind  Bech  (Germ.  7,  303  f)  unklar,    an  stelle  von  und 
da  zuo  V.  17  will   er   gegen  sämmtliche  hss.  als  iezuo  oder  alse 


MHD.  KLEINIGKEITEN  127 

nno  legen,  sodass  sich  der  sinn  ergäbe:  'ihr  verwünschten  Sa- 
razenen I  wenn  ihr  auch  lauter  hunde  und  schweine  wäret  in 
der  weise  als  ihr  nun  streitbare  männer  seid,  so  inüste  ich  selbst 
dann  noch  bekennen,  dass  euer  zu  viel  wären,' 

Der  richtigen  erklärung  näher  ist  Strobl  (Germ.  15,  94)  durch 
eine  stelle  im  Apollonius  des  Heinrich  von  Neustadt  gekommen, 
in  welcher  die  rede  Willehalms  nachgeahmt  ist.  die  verse  lauten 
(ausgäbe  von  Stroh!  s.  xxxiii): 

dö  sie  (die  feinde)  der  Tyrus  ersach 

ouz  einem  tobenden  muote  er  sprach: 

'zwdre  ez  mac  wol  Pnlgwr  regen 

oder  sie  toahsent  under  wegen! 

ir  ist  doch  so  vil  erslagen. 

hieten  sie  den  stein  getragen, 

ir  wcBre  dannoch  ze  vil, 

ob  ich  die  icdrheit  reden  wil. 
darnach  erklärt  Strobl  die  worte  VVoüVams:  'wenn  hunde  und 
Schweine  euch  getragen  hätten  und  dazu  die  trauen  so  n)anchen 
kampftüchligen  mann;  ich  könnte  doch  sprechen,  dass  euer 
immerhin  zu  viel  wären.'  ich  verstehe  aus  dieser  Übersetzung 
nur  nicht,  wie  Strobl  die  worte  sus  manegen  werlichen  man  auf- 
gefasst  hat;  uimmt  man  sie  als  object  zu  einem  zweiten,  hinler 
diu  icip  zu  ergänzenden  trüegen:  'wenn  buude  und  schweine 
euch  getragen  hätten  und  dazu  die  frauen  so  manchen  kampf- 
tüchtigen mann  (getragen  hätten)',  so  gibt  das  mit  dem  folgenden 
zusammen  keinen  sinn.  Strobls  interpunction  lässt  aber  kaum 
eine  andere  aufiassung  zu.  es  ist  vielmehr  hinter  wip  ein  komma 
zu  setzen ,  sodass  sns  manegen  werlichen  lip  apposition  zu  iuch 
bildet,  'wenn  alle  drei  zusammen,  hunde,  schweine  und  die 
fraueu  euch  geboren  hätten  —  euch,  die  ihr  so  viele  wehr- 
hafte krieger  seid  — ,  auch  dann  noch  wäre  eure  zahl  zu  grofs.' 
sns  ist  die  reine  demonstrativpartikel,  die,  wie  Sievers  Beitr. 
12,  500  bemerkt,  ihre  bestimmung  nicht  erst  durch  eine  bei- 
gefügte correlation,  sondern  durch  die  begleitende  geste  empfängt, 
diese  'begleitende  geste'  muss  man  sich  zu  den  Worten  NViliehalms 
hinzudenken:  er  hält  auf  der  höhe  und  weist  mit  der  band 
herab  auf  die  im  felde  Aliscbanz  sich  ausbreitenden  Sarazenen. 
9.  Wh.  62,  11  ff  sölh  sileze  an  dime  Übe  lac: 
des  breiten  mers  salzes  smac 
müese  al  zukermcBzic  sin, 
der  din  ein  zehen  würfe  drin. 
die  Bataille  d'Aleschans  bietet,  so  viel  ich  sehe,  nichts  entsprechen- 
des; das  wunderliche  und  fast  geschmacklose  bild  wird  also  wol 
Wolframs  eigentum  sein,  ein  späterer  dichter  scheint  es  nach- 
geahmt zu  haben;  mit  einer  zehe  aber  nicht  zufrieden,  lässt  er 
deren  zwei  in  das  meer  fallen,  in  einem  von  Graff  in  den  Diu- 
tiscai321  mitgeteilten  gedieht  lobt  eine  dame  ihren  liebhaber: 


128  MHD.  KLEINIGKEITEN 

kerne  sin  in  daz  mer  zwo  zehen. 

es  milste  deste  milter  loerden  (1.  wesen:  genesen). 

10.  Weinsclnvelg  5  (T    den  dnhten  hecher  gar  enwiht, 

er  wolde  näpf  noch  kophe  niht: 
er  tranc  nz  grözen  kannen. 
ähnlich  im  Reuaus  (Wagners  Archiv  i)  v.  367  ff 

wenn  im  das  glas  nit  weren  kan, 

so  nimt  er  sich  der  kandel  an, 

die  sezt  er  denn  an  seinen  munt 

und  tut  daraufs  ein  langen  slunt.  .  .  . 

11.  Weinschwelg 378  f  er  tranc 

s6  ser  daz  sich  diu  kanel  bouc. 
Schröder  wird  mit  seiner  erklärung  (Anz.  xiii  117)  'er  trank  die 
kanne  his  zur  neige,  sodass  sie  sich  in  seiner  hand  vornüber 
beugen  muste'  wol  das  richtige  getroffen  haben,  ich  finde  den 
ausdruck  noch  einmal  in  den  Diutisca  i  316:  das  gesinde  in 
der  taverne      daz  trinket  also  swinde 

daz  sich  der  hecher  hinget. 
gemeint  sind  auch  hier  wol   die  'schweren'  trünke,   wie  sie  der 
weinschwelg  tut,  die  das  gefäfs  auf  einen  zug  leeren. 

12.  Kudr.995 

Die  schoenen  Küdrünen,       e  daz  er  dannen  gie, 

der  junge  kilnec  ze  zühte       siner  muoter  He. 

die  junge  küniginne       gemuote  ez  harte  sere. 

sich  loolte  ir  niht  geliehen,  swie  si  tCBte,  Gerlinde  lere. 
in  der  vierten  zeile  ist  sich  geliehen  eine  änderung  von  Bartsch, 
die  Martin  und  Symons  aufgenommen  haben;  der  letztere  schreibt 
aufserdem  swie  si  t(Bt{,  diu  Gerlinde  lere,  in  der  hs.  steht:  sy 
wolt  ir  doch  nicht  gelauhen  wie  sy  tet  der  Gerlinde  lere,  von 
dieser  Überlieferung  wird  man  nicht  mehr  abweichen,  seitdem 
Lucae  (Zs.  30,  365ff.  vgl.  Beitr.  12,  397  f)  mh(\.  gelouben  in  der 
bedeulung  'nacbgeben  ,  willfahren'  erwiesen  hat.  ich  machte  prof. 
Lucae  auf  die  vorliegende  stelle  aufmerksam,  kam  aber  zu  spät, 
denn  sein  a>ifsatz  war  schon  gedruckt,     man  wird  also  lesen: 

si  wolt  ir  doch  niht  glouhen,  swie  si  tCBte,  der  Ger- 
linde lere.^ 
si  zu  anfang  ist  Kudrun,  und  ir  wird  erklärt  durch  das  folgende, 
der  Gerlinde  lere.  'Kudrun  wollte  der  lehre  Gerlinds  (nämlich 
ihrer  zücbtigung),  was  sie  auch  tun  mochte,  doch  nicht  nach- 
geben.'    Sprenger   hätte    seine   müfsige  conjectur    in   der  Germ. 

32,  331    (si  wolte  sich  gelouhen der   G.   lere  =  sich   nicht 

kümmern    um  G.  lehre)    nach  Lucaes  aufsatz    sich  wol  ersparen 
können. 

»  so  schreibt  in  der  tat  Müllenhoff  s.  155.  an  der  form  glauben  ist 
nicht  anstofs  zu  nehmen,  wenn  man  die  beispiele  von  syncope  bei  Martin 
s.  XVI  f  vergleicht. 

Marburg  i/H.  JOHANNES  STOSCH. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  129 


KELTISCHE  BEITRÄGE. 

II.  BRENDANS  MEERFAHRT. 

Zu  den  verbreitetsten  und  beliebtesten  Stoffen  gehörte  im 
niittelalter  die  erzählung  von  Brendans  siebeüjähriger  meerfahrt 
auf  der  suche  nach  der  terra  reproraissionis  sanctorum.  die  aus- 
schliefsliche  quelle  für  die  verschiedenartigen  bearbeitungen  in 
Frankreich,  Deutschland,  Spanien,  Italien  ist  nach  allgemeiner 
annähme  die  lat.  Navigatio  sancli  Brendani.  so  viel  nun  auch  seit 
Jubinal  (La  legende  latine  de  Sßrendaines,  Paris  1836)  über  die 
beziehungen  der  einzelnen  bearbeitungen  zu  der  quelle  und  über 
das  auftreten  einzelner  sagenzüge  in  anderen  mittelalterlichen  er- 
zählungen  geschrieben  und  untersucht  worden  isl^  ein  versuch, 
die  Stellung  dieser  Navigatio  sancti  Brendani  innerhalb  der  iri- 
schen litteratur  selbst  zu  beleuchten,  ist  bis  jetzt  noch 
nicht  gemacht  worden. 

Den  freunden  mittelalterlicher  litteraturgeschichte  will  ich 
im  folgenden  material  der  verschiedensten  art  vorlegen,  welches 
sich  bei  meinen  Studien  in  irischen  hss.  zu  dem  genannten  sagen- 
sloff  angesammelt  hat.  ich  bemerke  ausdrücklich,  dass  ich  nicht 
speciell  daraufhin  gesucht  habe,  sondern  nur  über  solches  material 
verfüge,  welches  mir  beim  durcharbeiten  von  hss.  zu  grammati- 
schen und  lexikalischen  zwecken  aufgestofsen  ist  und  das  ich  je 
nach  der  mir  zur  Verfügung  stehenden  zeit  excerpiert  oder  ab- 
geschrieben habe,  ich  verteile  dasselbe  auf  3  abschnitte :  A.  B  r  e  n  - 
dans  meerfahrt  in  der  mittel  irischen  litteratur; 
B.  Brendans  meerfahrt  im  lichte  irischer  schiffer- 
sagen;  C.  die  terra  reproraissionis  im  lichte  der  iri- 
schen sage,  daran  schliefsen  sich  in  einem  abschnitt  D.  be- 
trachlungen  und  Schlussfolgerungen,  ich  werde  mich 
bemüheo,  das  material  so  vorzuführen,  dass  auch  diejenigen 
leser,  welche  mit  irischer  spräche  und  litteratur  nicht  vertraut 
sind,  über  den  wert  und  die  tragweite  der  einzelheiten  sich  ein 
urteil  bilden  können. 2 

'  vgl,  die  nachweise  in  Schröders  einleitung  zu  seinem  Sanct  Brandan 
(Erlangen  1871)  und  von  Suchier  in  Boehmers  Rom.  Studien  i  555  ff. 

2  abschnitt  A  und  B  wurden   wesentlich  in   der  vorliegenden  fassung 
Z.  F.  D.  A.    XXXIII.    N.  F.    XXI.  9 


130  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 


A.     ßrendans    oieerfahrt    in    der    mittelirischen 
litteratur. 

I.  Liher  hymnorum.  die  lateinische  Vita  sancti  Bren- 
daui,  die  von  Moran  (Acta  sancti  Brendani,  Dublin  1872)  ver- 
öllentlicht  ist^  hat  ihrer  composition  nach  keinen  räum  für  eine 
oceantahrt  zur  terra  repromissionis  sanctorum,  wogegen  nicht 
spricht,  dass  au  zwei  stellen  (cap.  25.  26)  ungeschickt  auf  die 
navigatio  hezug  genommen  wird  und  noch  ungeschickter  in  cap.  1 1 
dieselbe  in  der  hs.  des  13  jhs.  eingeschoben  ist.  hierauf  komme 
ich  in  abschnitt  D  zu  sprechen,  dagegen  weifs  die  Vita  von  einer 
bufsfahrt  Brendans  nach  Britannien,  bei  der  auf  der  rückreise 
nach  Irland  dem  Brendan  ein  abenteuer  begegnete  (Moran  cap.  17): 
der  kämpf  der  beiden  seeungetüme,  von  welchen  das  unterliegende 
sich  nur  durch  anrufung  der  Brigita  rettete,  man  sieht  leicht, 
dass  trotz  den  unterschieden  in  der  einkleidung  und  in  dem  aus- 
gang  hier  eine  anders  gestaltete  version  derselben  episode  er- 
zählt ist,  die  sich  in  der  Navigatio  vorfindet  (Schröder  s.  21, 
23  ff,  Moran  s.  111  ff). 

Diese  episode,  wie  sie  in  der  Vita  erzählt  ist,  findet 
sich  auch  in  der  vorrede  zum  sogenannten  Ultans  hymnus  in 
beiden  aus  dem  ende  des  11  jhs.  stammenden  handschriften 
(Liber  hymnorum  TCD  fol.  16''  und  Liber  hymn.  FCD  s.  39)  und 
wird  ausdrücklich  dargestellt  als  ein  ereignis,  das  dem  Brendan 
widerfuhr  navigans  mare  et  quaerens  terram  repro- 
missionis. es  werden  an  der  angeführten  stelle  im  Liber  hym- 
wähiend  des  sommers  1885  im  anschluss  an  die  gemeinschaftlich  mit 
dr  Güteibock  betriebene  lectüre  von  Imram  Maelduin  niedergeschrieben, 
das  alsdann  begonnene  Studium  von  Täin  bö  Cüalnge  führte  mich  auf  Unter- 
suchungen, deren  resultate  in  der  Zs.  f.  vgl.  sprachf.  28,  417  —  689  und  in 
dieser  Zs.  (32,  196  — 334)  vorliegen, 

•  Suchier  führt  Rom.  Studien  i  555  auch  eine  ausgäbe  der  Vita  SBren- 
dani  von  Rees,  Landovery  1853,  an.  eine  solche  existiert  nicht,  in  den 
Lives  of  the  Cambro  -  British  saints,  Landovery  1853,  gibt  Rees  s.  251— 254 
unter  dem  titel:  Vita  sancti  Brendani.  ex  Gott.  lib.  brit.  mus.  Vesp. 
A.  XIX  den  anfang  der  Navigatio  bis  Schröder  s.  5  zeile  32  und  Moran 
s.  90  oben,  dies  fragnient  der  Navigatio  hat  auch  Hardy  im  sinne,  wenn 
er  (Descriptive  catalogue  1 160)  behauptet,  dass  'a  fragment'  von  Rees 'in  the 
Liber  Landavensis'  (!)  gedruckt  sei.  von  der  lat.  Vita  sancti  Brendani 
existiert,  so  weit  ich  mich  vergewissern  konnte,  nur  die  ausgäbe  von  Moran 
nach  dem  Liber  Kilkenniensis,  einer  dem  13  jh.  zugeschriebenen  hs. 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  131 

norum  die  verschiedeneu  ansichten  über  den  verf.  des  altirischea 
liymnus  Brigü  he  bithmaith  aogegeben;  nachdem  er  Columcille 
oder  Brocan  oder  drei  angehörigen  ihres  klosters  zugeschrieben 
ist,  heifst  es:  wo  ü  Bienaitm^  dorigne  innimmunsa'^  navigans 
mare  et  quaerens  terram  repromissionis  audivit  bestiam 
aliam  damantem  et  adiurantem  voce  humana  bestiam  aliam  con- 
vocantem  et  rogantem  Brendinum  et  ceteros  omnes  sanctos  üiber- 
niae  insolae  excepta  Brigitta  ne  sibi  alia  hestia  noceret.  Et  nihilo 
minus  tarnen  vim  ab  alia  patientem  nsqne  dum  rogaret  Brigitam. 
Evadentem  vero  postqnam  rogaret  Brigitam  et  nihil  mali  a  per- 
sequente  patientem  interini  nt  diceret  alia  quae  eam  persequeretur : 
postqnam  Brigitam  adiurasti  nocere  tibi  non  possum.  Postqnam 
vero  Brendinns  haec  omnia  et  honorem  quem  dedit  bestia  Brigitae 
prae  ceteris  admiratns  est,  et  Brigitam  landavit  dicens:  Brigit  be 
bithmaith. 

Auf  dieselbe  begebenheit,  nur  ohne  beziehung  auf  den 
hymnus  Brigit  be  bithmaith,  wird  angespielt  Lib.  hymnorum  FCD 
s.  41  oberer  rand  in  einer  nole  in  irischer  spräche  zu  Broccäns 
hymnus  33  (Argairt  usw.).  auch  hier  wird  der  kämpf  der  beiden 
seeungeheuer  (beist)  als  eine  episode  der  7  jährigen  navigatio 
Brendans  betrachtet:  bu  Brenaind  vii  blia.  formuir  ociarrair 
tire  .  .  .  .  boi  beist  icoallnamain  (? )  frisinresin  indiaid  inchuraig. 
fecht  and  tanic  beist  aile  cuci  diamarbad  coroataig  (?)  inbeist  Bre- 
naind 7  noebu  Erend  olchena  frisinbeist  oh  7  nirosanact  co- 
roattaig  Brigit.  conerbairt  Brenaind  iarsen  nabiad  ni  fodsiriu 
formuir  noco  fessad  cid  arandernad  arBrigit  inßrtsa  sechcach. 
Tanic  iarum  Brenaind  forset  dosoegid  Brigte  7  rofoillsiged  doBrigit 
anisen  usw.  'Brendan  war  7  jähre  auf  dem  meere  auf  der 
suche  nach  dem  lande.  ...  eine  bestie  folgte  ihm  zu 
dieser  zeit  hinter  seinem  kahn.  einst  nun  kam  eine  andere  bestie 
zu  ihr,  sie  zu  töten,  sodass  die  (erstgenannte)  bestie  den  Brendan 
und  die  übrigen  heiligen  Irlands  wider  die  böse  bestie  anrief, 
und  sie  erlangte  nicht  rettung,  bis  sie  Brigita  anrief;  und  es 
sagte  Brendan  darauf,  er  würde  nicht  länger  auf  dem  meere  sein, 
bis  er  wisse,  warum  dies  wunder  vor  anderen  geschehen  sei 
von  Brigita.  Brendan  machte  sich  darauf  auf  den  weg  zu  Brigita 
und  der  Brigita  wurde  das  offenbart'  usw. 

Auch  die  Unterhaltung,  die  sich  in  der  Vita  (Moran  cap.  17) 
1  Broejiaind  in  FCD.  ^  Qjjgj.  Brendan  machte  den  hymnus. 

9* 


132  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

zwischen  Brendau  und  Brigila  entspinnt,  ist  identisch  mit  der 
im  forlgaiig  der  erzählung  an  beiden  stellen  des  Liber  hymnorum. 
da  nun,  wie  schon  oben  bemerkt,  die  episode  nur  eine  andere 
Version  der  erzählung  in  der  Navigatio  (Schröder  s.  21,  23ff, 
Moran  s.  111  ff)  ist,  so  scheint  für  das  ende  des  11  jhs.  in 
den  angaben  des  Liber  hymnorum  eine  recension  der  erzählung 
von  Brendans  oceanfahrt  nachgewiesen ,  die  von  der  uns  er- 
haltenen lat.  Navigatio  SBrendaui  abwich,  i 

II.  im  Book  of  Leinster,  einer  irischen  sammelhandschrift 
aus  der  ersten  hälfte  oder  der  mitte  des  12  jhs.,  findet  sich  s.  283\ 
14— 283^  13  folgende  erzählung. 

Drei  junge  kleriker  ziehen  zusammen  in  die  fremde,  aufser 
3  broten  nahmen  sie  keine  nahrung  mit  sich,  aber  einer  von 
ihnen  eine  kleine  katze  (cattme).  auf  der  höhe  des  oceans 
angekommen ,  warfen  sie  die  rüder  ins  meer  und  befahlen  sich 
gott.  bald  darauf  kamen  sie  denn  auch  mit  gottes  hilfe  zu  einer 
schönen  insel ,  welche  wasser  und  brennholz  in  menge  bot.  sie 
bauen  eine  kirche  auf  der  insel.  die  katze  macht  sich  unter- 
dessen nützlich  und  fängt  ihnen  lachse  in  fülle,  sie  fanden  je- 
doch, dass  dieses  einsiedlerlebeu  etwas  zu  bequem  sei,  und  be- 
schlossen, die  ihnen  von  der  katze  gelieferte  nahrung  nicht  zu 
geniefsen.  so  waren  sie  einige  zeit  ohne  nahrung,  bis  gott  ihnen 
selbst  solche  schickte:  ein  halbes  waizenbrod  für  jeden  und  ein 

'  auf  zwei  puncte  sei  noch  hingewiesen:  1)  durch  die  nachgewiesenen 
beziehungen  zwischen  Brendan  und  ßrigita  fällt  licht  auf  die  von  Schröder 
(Sanct  Brandan  s.  iv  anm.)  mitgeteilten  verse  aus  dem  satirischen  gedieht 
des  Nicoiaus  von  Bibera  auf  die  Erfurter  schottenmönche.  —  2)  die  episode 
von  dem  kämpf  der  beiden  seeungetüme  in  der  Navigatio  (Schröder  s.  21, 
23  ff ,  Moran  s.  111  ff)  enthält  eine  deutliche  anspielung  auf  einen  uns  er- 
haltenen altirischen  hymnus.  als  die  meerbestie  in  gefahr  drohende  nähe 
von  Brendans  schiff  kam,  venerabiiis  quoque  sencx  extensis  manibus  in 
celum  dixit:  'Domine,  liber a  servos  tuos  sicut  liber asti  David  de  manu 
Golye  gygantis!  Doinine,  libera  nos  sicut  liberasti  Jonam  de  jjotestate 
Ceti  magnU'  His  versibus  duobus  finitis  usw.  die  letzten  worte  beweisen 
deutlich,  dass  es  sich  nicht  um  einen  spontanen  ausruf  sondern  um  ein 
citat  handelt,  die  verse  finden  sich  in  Golmans  hymnus  30.  37  :  Ronnain 
amal  roanachi  Dauid  de  manu  Golai!  Amal  soeras  Jonas  faith  abrv 
mil  moir  -monar  gle-,  snaidsiunn.  noch  umfassender  ist  dieser  hymnus 
in  der  sogenannten  Oratio  SBrendani,  die  bei  Moran,  ActaSBrendani  s.27— 44 
gedruckt  ist,  verwertet,  dies  kann  nicht  wunder  nehmen,  da  die  Oratio 
nur  eine  weitere  ausführung  des  gebetes  in  der  Navigatio  SBrendani  (Schröder 
s.  21,  34  ff)  ist. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  133 

daumengrofses  stück  fisch  (ordu  eise)  fand  sich  auf  dem  altar.  dafür 
wollten  sie  sich  dankbar  erweisen  und  ein  jeder  legte  sich  be- 
sondere pflichten  auf:  der  eine  die  3  mal  50  psalmen  zu  jeder 
hora  und  bei  der  messe  täglich  zu  singen ;  der  andere  3  mal 
50  gebete  zu  gleichen  Zeiten  und  der  dritte  3  mal  50  das  Ymnum 
dicat  zu  denselben  Zeiten,  als  der  erste  gestorben  war,  teilten 
sich  die  beiden  anderen  in  sein  pensum  und  jeder  von  ihnen 
nahm  dessen  hälfte  noch  auf  sich,  bald  darauf  starb  auch  der 
zweite  und  nun  lastete  die  ganze  arbeit  auf  dem  dritten,  er 
wurde  misgestimmt,  dass  gott  jene  beiden  lieber  gehabt,  sie  zu 
sich  genommen  und  ihm  die  grofse  arbeit  (saethar  mör),  die 
drei  pensa  abzuarbeiten ,  gelassen,  er  beschloss  gott  durch 
fasten  zu  zwingen. ^  ein  engel  kam,  sprach  ihm  gottes  misbil- 
ligung  über  solches  vorgehen  aus  und  teilte  ihm  zugleich  mit, 
dass  er  sich  die  längere  lebensdauer  selbst  zuzuschreiben  habe: 
das  Ymnum  dicat  gewähre  langes  leben  und  das  hinnuelreich. 
nunmehr  war  er  beruhigt.  Bin  dino  inaindse  cohäts  7  chrine 
conidtarraid  Brenaind  forsindfhargge  conideside  rodhbeir  7  dorat 
commain  7  sacarbaic  dö  condechaid  dochum  nime.  Conidhe  Bre- 
naind adftt  inscdsin  'er  war  nun  auf  seiner  insel  bis  zum  alter 
und  zum  welken  der  haut  und  auf  ihn  traf  Brendan  auf 
dem  ocean  und  der  gab  ihm  das  abendmahl,  dass  er  zum 
himmel  eingieng.  und  Brendan  selbst  berichtete  diese 
geschichte.'  irgend  eine  bezugnahme  auf  die  uns  erhaltene 
Navigatio  SBrandani  liegt  hier  nicht  vor,  sondern  nur  ein  Zeugnis 
für  eine  oceanfahrt  Brendans.  vielleicht  dürfen  wir  den  schluss 
auf  eine  anschauung  beziehen,  wie  sie  in  den  mittelalterlichen 
deutschen  bearbeitungen  vertreten  ist,  wonach  Brendan  selbst 
in  einem  buche  seine  erlebuisse  beschrieben  habe. 

III.  in  den  SIsidorefragmenten  des  Book  of  Leinster  findet 
sich  (LL  373',  13  ff  des  facsimile)  eine  litanei,  von  der  auch 
eine  copie  im  Lebor  Brecc  (23^  13  ff)  vorliegt,  diese  alte^ 
litanei  enthält  wichtige  notizen  über  Brendans  meerfahrt,  es 
heifst  darin  (LL  373^  6  v.  u.  =  LBr  23'',  35):  Indaailithrech  dec 
dianrarnaic  Brenaind  innoenßer  ininis  inchaitt  imbetlm.    Trifichit 

*  ein  in  der  mittelalterlichen  kirchlichen  litteratur  Irlands  öfters  er- 
zählter Vorgang,   der  in  Indien  seine  vollen  parallelen  findet. 

2  sie  wird  gewöhnlich  dem  Oengus  Gele  De  (um  800)  zugeschrieben, 
wofür  jedoch  jeder  anhält  fehlt,  wie  schon  Stokes  Feiire  s.  5  hervorhob. 


134  KELTISCHE  BEITRÄGE  11 

fer  lolar  laBrenm'nd  dochungid  tiri  tarngiri  per  Jesum  .  .  .  Cethrur 
arfichit  de  Mnmain  lolar  laAilbi  forfargi  doathascnam  tiri  tarn- 
giri filet  and  imbethaid  cobräth.  Intanchara  forränic  Brenaind 
arachind  il'ir  thairngire  cusnahuilib  noemaib  torchratar  inhuibb 
insib  indociain.  '1.  die  zwölf  pilger,  von  welchen  Brendan  einen 
mann  lebend  traf  auf  der  insel  der  katze.  2.  die  60  mann,  die 
mit  Brendan  giengen,  das  land  der  verlieifsung  zu  suchen,  (rufe 
ich  zu  meiner  hilfe)  per  Jesum.  ...  3.  die  24  mann  aus  Munster, 
die  mit  Ailbe  auf  den  ocean  giengen,  um  das  land  der  verheifsung 
aufzusuchen,  welche  dort  lebend  sind  bis  zum  gericht.  4.  der 
anachoret,  welcher  dem  Brendan  entgegen  kam  im  lande  der 
verheifsung,  mit  allen  heiligen,  welche  fielen  auf  .  .  .  A  inseln 
des  oceans.' 

Hier  haben  wir  in  1  eine  beziehung  zu  der  unter  ii  be- 
trachteten erzählung,  nur  dass  die  litanei  von  12  ausziehenden 
weifs,  die  erzählung  blofs  von  3  klerikern.  eine  entferntere  be- 
ziehung zur  Navigatio  SBrendani  (Schröder  s.  15  — 18)  enthält 
litanei  3,  nur  dass  letztere  von  dem  zusammentreffen  Brendans 
mit  den  24  gefährten  des  Ailbe  nichts  meldet,  also  auch  hier 
kein  zeugnis  für  die  lat.  Navigatio  SBrendani,  sondern  für  eine 
oceanfahrt  Brendans  nach  dem  lande  der  verheifsung. 

IV.  das  Book  of  Lismore,  eine  im  jähre  18 14  in  der  graf- 
schaft  Waterford  aufgefundene  irische  pergamenthandschrift  tJes 
xvjhs.,  enthält  neben  viel  wertvollerem  malerial  zur  heldensage 
auch  eine  Sammlung  von  heiligenleben  in  irischer  spräche: 
Patrick,  Colum  Cille,  Brigita,  Senan,  Finnen,  Finnchua,  Brendan 
mac  Finnlocha,  Ciaran  von  Clonmacnois,  Mochua.  die  hs.  be- 
findet sich  im  besitz  des  herzogs  von  Devonshire  und  war  mir 
unzugänglich;  benutzt  habe  ich  die  moderne  copie  von  O'Longan- 
O'Curry  (vgl.  Göttinger  gel.  anz.  1887  s.  176—181),  die  in  der 
Boyal  irish  academy  zu  Dublin  aufbewahrt  wird,  meine  notizen 
und  auszüge  daraus  entstammen  dem  jähre  1880. 

S.  72'',  1 — 77%  1  findet  sich  Betha  Brenainn  mic  Finnlocha  in 
irischer  spräche,  er  ist  eine  Vereinigung  des  anfangs 
^  für  inhuibb  insib  von  LL  liest  LBr  anduib  indsib,  was  offenbar  eine 
besserung  sein  soll,  darf  man  ändern  innuib  [in Jinsib  indociain,  dann  igt 
der  sinn  leidlich:  'welche  fielen  (dh.  starben)  in  kähnen,  auf  inseln  des 
oceans.'  —  auf  dem  rande  von  LL  steht  familia  pricii  mit  abkürzungs- 
oder  w- strich  über  dem  ri  in  pricii:  demnach  zu  schreiben  familia 
Pfatjricii? 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  135 

der  Vita  mit  einer  Navigatio.i  erstere  geht  bis  s.  74%  2, 
wo  eine  ganz  eigenartige  recension  der  Navigatio  beginnt,  eigen- 
artig in  der  einleitung  und  in  der  ausführung,  sodass  sie  mit 
der  älteren  lat.  Navigatio,  welche  die  grundlage  für  die  be- 
arbeitungen  in  germ.  und  roraan.  sprachen  abgab,  nur  einiges 
material  gemeinsam  hat.  folgendes  wird  als  grund  der  meerfahrt 
angegeben: 

1.  die  liebe  zu  gott  wuchs  sehr  in  dem  herzen  Brendans, 
als  er  ordiniert  war;  es  überkam  ihn  der  wünsch,  eitern  und 
heimat  (ahardha)  zu  verlassen,  und  er  bat  gott  um  ein  ver- 
borgenes von  den  menschen  abgeschieden  gelegenes  land.  nach- 
dem er  in  schlaf  verfallen,  hörte  er  die  stimme  eines  engeis 
vom  himmel,  der  ihm  zurief:  stehe  auf,  Brendan,  gott  hat  dir 
gewährt,  was  du  batest,  nämlich  das  land  der  verheifsung 
(tir  tai'rngire).  Brendan  erhebt  sich  heiter,  geht  allein  auf  einen 
berg  und  blickt  auf  den  grofsen  ocean ;  da  sah  er  die  schöne 
insel  mit  dem  dienst  der  engel.  nach  3  lägigem  verweilen  kam 
wider  der  engel  goltes,  um  ihm  anzukündigen,  dass  er  ihn  immer- 
dar begleiten  und  ihm  die  schöne  insel  zeigen  werde.  Brendan 
geht  dankerfüllt  von  dem  berge  und  lässt  3  grofse  schiffe  bauen, 
3  reihen  von  rudern  auf  jedem  schiff,  3  segel  von  häuten  (do 
croicnib)  verfertigen ;  30  mann  gehen  in  jedes  schiff,  so  segelt 
Brendan  auf  den  ungeheueren,  schrecklichen  rauhen  ocean,  wo 
sie  viele  meerbestien  sahen  und  auf  viele  wunderbare  inseln 
stiefsen,  ohne  halt  zu  machen.  5  jähre  fuhren  sie  so  umher, 
ohne  auf  einen  menschen  zu  treffen  und  ohne  nahrung  zu 
brauchen. 

2.  als  Ostern  zum  ersten  mal  nahte,  da  drangen  die  be- 
gleiter  in  Brendan,  ans  land  zu  gehen,  um  ostern  zu  feiern. 
Astualang  dia  olBrenatnd  talam  dothabairt  ingach  inad  hus  ail 
dö.   iartoidhecht  imorro  nacasc  toccbats  inmil  mor  muiride  aßormna 

^  die  von  Hardy ,  Descriptive  calalogue  i  161  erwähnte  irische  Vita 
SBrendani  in  dem  ms.  Stowe  nr  xxxvi  ist,  wie  mich  1885  ein  flüchtiger 
blick  in  die  jetzt  in  der  Royal  irish  academy  befindliche  hs.  belehrte,  eine 
copie  von  obigem  text  aus  dem  17  jh.  Forbes,  Kaiendars  of  Scottish  saints, 
Edinburgh  1872 ,  handelt  274  ff  von  Brendan.  er  erwähnt  two  lifes  of 
SBrendan  in  the  Brüssels  ms.  Lives  of  the  saints  —  the  one  at  fol.  189, 
the  other  at  fol.  69.  nach  den  engl,  auszügen,  die  er  von  dem  einen  gibt, 
scheinen  zwischen  diesem  lat.  text  und  der  ir.  Vita  im  Book  of  Lismore 
beziehungen  zu  bestehen. 


136  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

anairdi  nastreathan  7  nastotmgar  inmara  ciirbo  falam  comtrom 
cobhsaid  et  tiaghaitsiwn  forsintabnainsin  7  ceilebrait  incaisc  arm ./. 
oetila  7  daoighlhi.  Jarndul  doihsium  analonguib  sceinneas  anbled- 
mil  fonmuir  fochedoir  7  bahamlaidsin  doceileabraüis  incaisc  cocenn 
,vii.  mblia.  fordruim  in  mil  moir  'golt  vermag,  sagte  Brendan, 
lantl  zu  geben  aü  jedem  ort,  wo  es  ihm  gefällt,  oachdem  oslern 
gekommen  war,  erhob  ein  grofses  meertier  seine  schulter  in  die 
höhe  über  das  meer  und  das  wogengebraus  des  meeres,  sodass 
nicht  schwankende  feste  erde  war,  und  sie  gehen  auf  dieses  land 
und  feiern  dort  ostern,  nämlich  einen  tag  und  zwei  nachte, 
nachdem  sie  wider  in  ihre  schiffe  gegangen,  sprang  der  walfisch 
sofort  unters  meer,  und  so  feierten  sie  ostern  7  jähre  lang  auf 
dem  rücken  des  grofseu  tieres.' 

3.  eines  tages  erblickten  sie  auf  dem  ocean  tiefe  dunkele 
meerstrüme  (Strudel)  und  ihre  schiffe  schienen  durch  die  gewalt 
des  Sturmes  hineingedrängt  zu  werden,  aller  blicke  hafteten  in 
dieser  grofsen  gefahr  auf  Brendan.  der  redete  das  meer  au, 
dass  es  ihm  genügen  solle,  ihn  allein  zu  ertränken,  aber  seine 
begleiter  zu  schonen,  da  besänftigte  sich  das  meer  und  drückte 
nieder  die  güsse  der  Strudel  (toirnes  flecheda  tiasoebchoire)  sofort ; 
von  da  an  nun  schadeten  sie  niemand  anders. 

4.  eines  tages  erschien  der  teufel  in  schrecklicher  gestalt 
und  liefs  sich  auf  dem  segel  nieder  dem  Brendan  gegenüber,  von 
dem  er  allein  gesehen  wurde.  Brendan  liefs  sich  in  ein  ge- 
spräch  mit  ihm  ein  und  fragte  ihn  nach  dem  eingang  zur  unter- 
weit, der  teufel  teilte  ihm  mit,  dass  jeder,  der  ihn  gesehen, 
sterben  müsse ;  nichts  desto  weniger  zeigte  er  ihn  Brendan ,  der 
einen  langen  blick  auf  die  unglücklichen,  ihren  Jammer  und  ihre 
strafen  warf,  von  denen  eine  ausführliche  Schilderung  gegeben 
wird;^  die  begleiter  Brendans  fragten,  mit  wem  er  sich  unter- 
halte, und  er  erzählte  ihnen  einiges  von  dem,  was  ersah,  einer 
der  begleiter  Brendans,  der  auch  einen  blick  in  die  unterweit 
warf,  starb  sofort.     Brendan  erweckte  ihn  wider  zum  leben. 

5.  bald  darauf  trafen  sie  auf  ein  zartes  erwachsenes  mädchen, 
weifser  als  schnee  oder  wogenschaum,  die  tot  war  in  folge  eines 
speerwurfs  durch  die  schulter.    riesig  war  die  grüfse  des  mädchens: 

*  dieselbe  erinnert  vielfach  an  die  älteren  Schilderungen  in  den  3  homi- 
lien  LU  27*  —  37'^,  ebenso  wie  die  beschreibung  des  paradieses  am  schluss 
(abschnitt  14)  vieles  daher  genommen  hat. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  137 

100  tufs  hoch,  9  tufs  zwischen  ihren  beiden  brustwarzen,  und 
7  liifs  betrug  die  länge  des  miltelfingers.  Brendan  erweckt  sie, 
tautt  sie  und  fragt  sie  nach  ihrer  herkunft.  sie  gehöre  den 
meerbewohnern  an,  sagte  sie.  Brendan  fragte  sie,  ob  sie  zum 
hinimel  wolle  oder  in  ihr  Vaterland  (atharda).  in  einer  spräche, 
welche  niemand  aufser  Brendan  verstand,  erklärte  sie  sich  für 
ersteres,  da  sie  engelstimmen  hörte,  nachdem  sie  leib  und  blut 
Christi  genossen ,  starb  sie  ohne  seufzer. 

6.  eines  anderen  tages,  als  sie  umherfuhren,  sahen  sie  eine 
schöne  und  hohe  insel,  fanden  aber  keinen  passenden  hafen. 
12  tage  trieben  sie  sich  um  dieselbe  umher,  konnten  aber  nicht 
auf  sie  gelangen,  sie  hörten  menschliche  stimmen  darauf  gott 
preisen  und  sahen  eine  hohe,  schöne  kirche.  nachdem  sie  die 
stimmen  gehört,  fielen  alle  —  Brendan  eingeschlossen  —  in 
einen  tiefen  schlaf,  als  sie  nicht  zur  insel  konnten,  wurde 
ihnen  von  oben  eine  mit  wachs  überzogene  tafel  (dar  ciartha) 
überreicht,  die  beschrieben  war  des  inhalts:  sie  sollten  sich 
keine  mühe  geben,  auf  die  insel  zu  gelangen;  aber  die  insel, 
welche  sie  suchten,  würden  sie  erreichen,  diese  sei  es  nicht; 
Brendan  solle  in  seine  heimat  zurückkehren,  sie  wenden  sich 
mit  der  tafel  von  der  insel. 

7.  eines  tages  erfasste  sie  grofser  durst,  sodass  der  tod  ihnen 
nahe  war.  da  erblickten  sie  herliche  ströme  von  einem  felsen 
herabstürzen,  die  begleiter  fragten  Brendan,  ob  sie  trinken 
sollten,  er  riet,  zuerst  den  segen  darüber  zu  sprechen,  und  da 
flössen  die  ströme  ab  und  sie  sahen  den  teufel,  der  das  wasser 
von  sich  ausgoss  und  die  leute  tötete,  welche  davon  tranken, 
der  see  wurde  über  dem  teufel  verschlossen ,  dass  er  von  da 
an  niemand  mehr  ein  leid  zufügte. 

8.  nachdem  Brendan  so  7  jähre  auf  seefahrt  (forloingius) 
gewesen  war,  wandte  er  sich  wider  seiner  heimat  zu,  wie  ihm 
an  der  insel  befohlen  worden,  er  wurde  freudig  begrüfst  und 
geehrt,  darauf  suchte  er  den  pflegevater,  bischof  Eirc,  und  die 
Pflegemutter  Ita  auf.  letztere  machte  ihm  vorwürfe,  dass  er  auf 
die  fahrt  gegangen,  ohne  ihren  rat  einzuholen,  sie  würde  ihm 
sonst  gesagt  haben,  dass  er  das  gesochte  heilige,  geweihte  laud 
nicht  mit  toten  häuten  erreichen  werde,  er  solle  sich  hölzerne 
schiffe  machen,  darauf  gieng  Brendan  nach  Connacht  und  ein 
grofses  schiff  wurde  von   ihm  gebaut,   in  welches  er  mit  seiner 


138  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

begleilung  stieg,  da  kam  ein  crosan^  und  batBrendan,  ihn  um 
goltes  willen  mit  zu  nehmen.  Brendan  erlaubte  es;  60  mann 
waren  im  schiff. 

9.  zuerst  begaben  sie  sich  zu  dem  ort,  wo  Enne  war,  und 
blieben  daselbst  einen  monat. 

10.  nachdem  sie  von  Aran  westlich  gesegelt,  sehen  sie  ein 
grofses,  hohes,  schönes  eiland.  dort  befanden  sich  zwerge  (lochni- 
pün)  wie  meerkatzen,  die  sofort  den  Strand  füllten,  um  sie  zu  ver- 
schlingen. Brendan  sagte  darauf  zu  dem  crosan:  'erhebe  dich, 
geniefs  Christi  leib  und  sein  blut  und  gehe  zum  ewigen  leben, 
denn  ich  höre  den  chorgesang  der  engel,  welche  dich  zu  sich 
rufen.'  er  befolgt  Brendans  aufforderung,  springt  mit  sehr 
grofser  freude  ins  meer  und  die  meerkatzen  frafsen  (conduatar) 
ihn  ganz  bis  auf  weniges  von  seinen  knochen. 

11.  nachdem  sie  die  insel  verlassen ,  ergriff  plötzliche  krank- 
heit  den  schmied  und  brachte  ihn  dem  tode  nahe.  Brendan 
stellte  ihm  anheim,  ob  er  in  das  himmlische  reich  sofort  ein- 
gehen wolle  oder  noch  länger  leben,  der  schmied  hörte  die 
stimme  des  herrn,  die  ihn  rief,  und  erwählte  das  erstere.  als 
nun  unter  den  begleitern  sorge  wegen  des  begräbnisses  entstand, 
da  kein  land  in  der  nähe  war,  da  begruben  sie  ihn  auf  Brendans 
befehl  in  den  wogen ,  wo  der  leichnam  lag  wie  auf  festem  lande : 
er  sank  weder  auf  den  grund,  erhob  sich  nicht  an  die  Oberfläche 
des  meeres  und  bewegte  sich  weder  hierhin  noch  dorthin. 

12.  nachdem  sie  den  ort  verlassen,  erblickten  sie  ein  kleines 
verlassenes  land,  wo  sie  in  den  hafen  einliefen,  alsbald  füllte 
sich  der  hafen  mit  dämonen  in  gestalt  von  pygmäen  und  zwergen 
(abhac  7  luchrnpan),  welche  schwarz  wie  kohle  waren.  7  tage 
lagen  sie  da  und  zogen  ab  mit  verlust  ihres  ankers,  den  sie 
nicht  heraufziehen  konnten,  als  sie  nun  betrübt  waren  über 
den  Verlust  des  ankers,  da  auch  der  schmied  gestorben  war, 
da  forderte  Brendan  einen  priester  aus  seiner  begleitung  auf, 
die  tätigkeit  eines  Schmiedes  zu  übernehmen,  nachdem  er  dessen 
bände  gesegnet  hatte,  gelang  es  demselben,  im  verlauf  eines 
monats  einen  ausgezeichneten  anker  herzustellen. 

13.  sie  rudern  auf  dem  ocean  eine  weile  westlich  und  ge- 

*  über  die  bedeulung   dieses  wortes  werde   ich  in  der  anmerkung   zu 
B  II 1  sprechen. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  139 

langen  an  eine  kleine,  liebliche  insel  mit  vielen  fischen,  auf 
der  fahrt  um  die  insel  erblicken  sie  eine  steinerne  kirche  und 
darin  einen  greis  beim  gebet,  der  greis  war  blut-  und  fleischlos, 
dünnes  leder  lag  auf  seinen  knochen.  derselbe  rief  Brendan 
zu,  zu  fliehen  vor  einer  meerkatze  von  der  gröfse  eines  jungen 
ochsen  oder  eines  3  jährigen  pferdes,  die  dort  hause,  sie  rudern 
rasch  auf  den  ocean,  erblicken  aber  bald  die  bestie  (inbiast  cat 
mutride)  hinter  ihrem  schifl"  herschwimmen.  Isannsin  gabus  cach 
dibsom  forernuighthi  fridia  armet  nahecla  rotasgabh.  Isann  asbert 
Brenann  :  ade  uilichumachtaigh  tairmisc  dophiast  dind  naronethadh. 
Eirghis  iarsin  bleidhmhil  mor  muiridhe  7  gabus  cach  dibli  ocba- 
dhudk  aceli  7  forcalhnghud  cncruaidh ,  cnrosbaidh  cach  acheli  dibh 
ifudhomain  inmara  7  nifacus  nechtar  dib  osin  imach  'da  begann 
jeder  von  ihnen  zu  gott  zu  beten  wegen  der  gröfse  der  gefahr, 
die  sie  befiel,  da  sagte  Brendan:  allmächtiger  gott,  halte  die 
bestie  von  uns  ab,  dass  sie  uns  nicht  Irisst.  darauf  erhob  sich 
ein  grofser  walfisch  und  die  beiden  begannen  sich  gegenseitig 
unterzutauchen  und  wild  zu  bekämpfen,  bis  sie  sich  gegenseitig 
in  die  tiefe  des  meeres  versenkten,  und  keins  von  ihnen  wurde 
wider  gesehen.'  Brendan  und  seine  genossen  danken  gott  und 
kehren  zurück  zu  dem  ort,  wo  der  greis  war.  der  begrüfste 
sie,  weinte  vor  freude  und  erzählte:  12  mann  hoch  seien  sie 
auf  die  pilgerschaft  gezogen ,  die  meerkatze  als  niedliches  kleines 
tier  bei  sich;  selbige  sei  sehr  gewachsen,  habe  aber  menschen 
bisher  nicht  geschädigt;  seine  11  genossen  seien  tot.  er  offenbart 
(foillsigius)  ihnen  noch  das  land,  welches  sie  suchten,  nämlich 
das  land  der  verheifsuug  (tir  tairrngairi) ,  nimmt  Christi  leib  und 
blut  zu  sich  und  stirbt,     feierlich  wird  er  dort  beerdigt. 

14.  'darauf  nun  erreichten  sie  das  land,  welches  sie  7  jähre 
suchten ,  das  land  der  verheifsung.'  als  sie  in  den  hafen  kamen, 
hörten  sie  die  stimme  eines  greises,  der  sie  begrüfste  und  auf- 
forderte, das  schiff  zu  verlassen,  ans  land  gekommen  küssen 
sie  sich  gegenseitig  und  der  greis  weint  vor  freude.  mit  seiner 
aufforderung,  die  geßlde  des  paradieses  zu  betrachten  (brnghe 
parthais  7  muighi  milidhi  intire  solusta),  verbindet  er  eine  be- 
schreibung  desselben  und  des  lebens  der  seeligen,  sie  wundern 
sich  sehr  über  diese  wunder  zwischen  den  wogen  des  meeres. 
der  greis,  der  keine  menschliche  kleidung  trug,  sondern  ganz  mit 
weifsen   federn   bedeckt  war,   wie   eine   taube  oder  ein  eisvogel 


140  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

(amal  cholum  no  fhailinn),  und  engelsprache  redete,  feierte  mit 
ihueu  hora  lerlia. 

Die  bis  hierher  gegebene  Schilderung  des  paradieses  erinnert, 
wie  schon  s.  136  anm.  bemerkt,  viellach  an  bekannte  ältere 
Schilderungen  des  himmels  und  seiner  treuden.  an  diesem  puncte 
nun  geht  der  verf.  unseres  textes  dazu  über,  vermittelst  eines 
geschickten  übergangssatzes  den  schluss  von  Fis  Adamnäiu 
anzureihen,  mit  dem  er  auch  schliefst:  nirolaimset  ni  dofhia- 
fraighedh  (sie  wagten  nichts  v^  fragen)  7  no  cemdais  ananmcair- 
dine  dho  laturcbaü  soiscela.  letztere  worte  sind  gleich  LU  31",  35; 
das  im  Book  of  Lismore  fol.  76'',  2  ende  bis  schluss  folgende 
entspricht  LU  31%  36— 3 P,  19  (flatha  nimi)  =  LBr  256%  15—43. 
der  text  des  Book  of  Lismore  hält  in  eigentümlicher  weise  die 
mitte  zwischen  dem  in  LU  und  LBr,  mit  jenem  stimmt  er  in 
dem  schon  angeführten  anfangssatze,  mit  ihm  (LU  31%  42  ff)  hat 
er  gemein  den  in  LBr  fehlenden  salz  ise  so  proicept  dorigne  Fa- 
bian comarba  Petuir  doPilip  mac  Gordi'an  dorigh  Romhan  diaro- 
creid  incoimdhi  7  diarocreüsett  ümhile  aile  annsin  7  bahessidi  ceidri 
doRomanchaib  docreü  incoimdi  JsnCrist ;  mit  LBr  hat  er  gemeinsam 
proicept  für  forcetol  von  LU,  ferner  den  schluss :  nach  den  worteu 
dobithaitribh  flatha  nimhe  (=  LU  31%  19.  LBr  256%  40)  fährt  näm- 
lich der  text  mit  den  worten  von  LBr  (beit  iarum  isinmorg- 
loirsin  usw.)  fort  und  schliefst  entsprechend  dem  Al(im)  Irocairi 
De  triaimpidi  Adamnain  mit  Ailim  trocutre  De  nasail  uilicumach- 
tuigh  treimpide  noemhBrenuinn  roairiltnighium  uile  ind.  ae.  sin 
roissam  roaitreabum  insecula  seculorum. 

Diese  meerfahrt'  Brendans  weicht  in  den  wesentlichsten 
puncten  von  der  composition  der  erzählung  in  der  verbreiteten 
Navigatio  SBrendani  ab.  verschieden  ist  die  grundlage  der  er- 
zählung, der  rahmen:  während  in  der  Navigatio  das  verlangen, 
die  von  Barrindus  geschauten  und  beschriebenen  wunder  zu 
sehen,  den  Brendan  zu  der  gefährlichen  meerfahrt  lockt,  ist  in 
diesem  Imram  Brenaind  wellmüdigkeit  und  die  Sehnsucht,  zu 
gott  zu  gelangen,  der  grund  der  doppellen  fahrt.2    nicht  in  einem 

*  da  der  technische  ausdiuck  für  solche  meeifahrten  wie  die  des  ßren- 
dao  in  der  irischen  litteratur  imram  (umherrudern)  ist,  so  nenne  ich  der 
kürze  halber  die  irische  erzählung  im  Book  of  Lismore  im  folgenden  Imram 
Brenaijid  zum  unterschied  von  der  lat.  Navigaüo  Brendani ,  der  vorläge 
für  die  bearbeitungen  in  germ.  und  rom.  zunge. 

-  O'Curry    sagt   (Lectures  on   Ihe    manuscr.  mater.  of    ancient  irish 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  141 

Wunderland  kommt  Brendan  schliefslich  an,  sondern  im  irdischen 
paradies,  wie  denn  auch  der  aufenthalt  der  seeligen  dort  in  den 
bekannten  homiheuphrasen  beschriehen  wird. 

Hinsichthch  der  einzelnen  abenteuer  ist  das  gemeinsame  in 
der  Navigatio  SBrendanii  ^nj  dem  Imram  Brenaind  auffallend 
gering,  gemeinsam  ist  beiden  Imram  2  und  Navigatio  9  (das 
abenteuer  mildem  greisen  fisch,  auf  dessen  rücken  7  jähre  hin- 
durch ostern  gefeiert  wird);  ferner  Imram  9  und  Navigatio  3 
(der  besuch  bei  Ende);  es  decken  sich  auch  Imram  13  und  Na- 
vigatio 14  (kämpf  der  beiden  meerungetüme)  und  zwar  gehen 
sie  zusammen  gegenüber  den  abweichungen  in  der  Vita  SBren- 
dani  und  den  nolizen  in  den  hss.  des  Liber  hymnorum  (oben 
s.  130  — 132),  wobei  zu  bemerken  ist,  dass  in  Imram  13  auch 
die  oben  s.  133  aus  LL  283%  14  (T  beigebrachte  episode  von  dem 
greis  auf  der  insel  der  katze  hinein  verarbeitet  ist:  darin  weichen 
Imram  13  und  litanei  1  von  der  episode  LL  283%  14  tf  ab,  dass 
12  kleriker   mit  der  jungen  katze  ausziehen,     auch  der  greis  in 

history  s.  289):  'Saint  Brendans  voyages,  for  he  made  two,  were  per- 
formed  about  the  year  560.'  diese  angäbe  wird  sich  wol  auf  den  text  im 
Book  of  Lismore  stützen. 

•  des  bequemeren  citierens  wegen  zerlege  ich  die  Navigatio  im  an- 
schluss  an  Suchier,  Rom.  Studien  i  556  in  26  abschnitte:  1.  Brendans  ab- 
stammung  und  heimat  (=  Schröder  s.  3,  1  —  4),  2.  erzählung  des  Barinthus 
von  der  terra  repromissionis  sanctorum  (Schröder  s.  3,  4 — 5,  25),  3.  Brendans 
Vorbereitungen  zur  reise,  besuch  bei  Ende  (Schröder  s.  5,  26 — 6, 10),  4.  bau 
des  Schiffes  (Schröder  s.  6,  11 — 25),  5.  drei  mönche  kommen  nach  (Schröder 
s.  6,25  —  34),  6.  die  insel  mit  der  wunderstadt  (Schröder  s,  6,35  —  7,32), 
7.  der  gestohlene  zäum  (Schröder  s.  7,  33  — 9,  15) ,  8.  die  insel  der  schafe 
(Schröder  s.  9, 16—10,  24),  9.  der  fisch  Jasconius  (Schröder  s.  10,  25—11, 13), 
10,  das  paradies  der  vögel  (Schröder  s.  11,14  —  14,22),  11.  die  insel  der 
genossen  des  Ailbe  (Schröder  s.  14,  23  —  18,  16),  12.  die  insel  mit  der  ein- 
schläfernden quelle  (Schröder  s.  18,  17 — 19,  11),  13.  die  feier  der  vier  feste 
(Schröder  s.  19, 11 — 21,22),  14.  kämpf  der  beiden  meerungetüme  (Schröder 
s.  21,23— 23, 10),  15.  die  insel  derknaben,  Jünglinge  und  greise  (Schröder 
s.  23,10—24,28),  16.  die  traubeninsel  (Schröder  s.  25,3—28),  17.  kämpf 
dei  greifen  (Schröder  s.  25,  29—26,  12),  18.  das  durchsichtige  meer  (Schröder 
s.  26,  13—27,2),  19.  columna  und  conopeum  (Schröder  s.  27,3—35),  20.  die 
insel  der  schmiede  (Schröder  s.  28,  1—29,  9),  21.  die  insel  mit  dem  rauchenden 
berg  und  der  tod  eines  mönches  (Schröder  s.  29,  10—29),  22.  Judas  (Schröder 
s.  29,  30  —  31,  33),  23.  Paulus  der  eremit  (Schröder  s.  31,  34  —  34,  17), 
24.  besuch  der  terra  repromissionis  (Schröder  s.  35,  7  —  36,  5),  25.  insel 
der  freuden  (Schröder  s.  36,5— 8),  26.  Brendans  heimkehr  und  tod  (Schröder 
9.  36,8  —  19). 


142  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

Iniram  13,  der  ihneu  ihr  ziel  als  nahe  offenbart,  erinnert  an 
Paulus  den  eremiten  in  Navigatio  23 :  bei  beiden  wird  die  letzte 
Station  vor  erreichung  des  zieles  gemacht,  noch  deutlicher  er- 
kennbar ist,  wie  schon  bemerkt,  der  alte  von  Imram  13  in  der 
oben  s.  132  aus  LL  gegebenen  erzählung:  äis  7  crlne  LL  283\  10 
sind  Imram  13  schön  illustriert  durch  die  Schilderung  asamlaid 
bat  insenotr  cenfhuil  cenfheoil  acht  leathar  tana  truagh  forsna- 
cnamhaib  'so  war  der  greis,  ohne  blut,  ohne  fleisch,  sondern  nur 
dünnes  elendes  leder  auf  seinen  knochen.'  zwei  abweichungen 
bestehen  zwischen  Imram  13  und  LL  283%  14  ff :  einmal  der 
Widerspruch  in  der  zahl  der  ausziehenden  kleriker  (12:3),  und 
dann  dass  Brendan,  wie  LL  283*^,  13  ausdrücklich  angibt,  nach 
dem  erlebnis  wider  heimkehrt,  während  er  im  Imram  direct  ins 
land  der  verheifsung  einzieht,  um  dort  zu  bleiben. 

Auftallende  Übereinstimmung  zeigt  Imram  Brenaind  mit  den 
notizen ,  welche  die  litanei  über  Brendans  meerfahrt  enthält 
(oben  s.  134):  die  12  mann,  von  denen  er  einen  auf  der  insel 
der  katze  traf  (1),  kennt  Imram  13,  sodass  sich,  wie  bemerkt, 
Imram  13  und  litanei  1  gegenüber  LL  283%  14  ff  stellen,  ferner 
stimmen  Imram  8  und  litanei  2  in  der  zahl  von  Brendans  ge- 
fährten,  60  gegenüber  14  (17)  der  Navigatio.  auch  der  ana- 
choret  in  litanei  4,  welcher  dem  Brendan  im  lande  der  ver- 
heifsung entgegentritt,  hat  seine  entsprechung  nur  Imram  14 
in  dem  greis,  der  die  pilger  bei  der  landung  begrüfst  und 
umherführt. 

Eine  episode  des  Imram,  die  begegnung  mit  der  meerjung- 
frau  (5),  erinnert  an  die  rolle,  die  Brendan  nach  Lü  40%  30 — 42 
in  der  sage  von  Liban  spielt. 

Wie  wir  uns  die  in  den  Zeugnissen  i  —  iv  (s.  130  — 140) 
vielfach  zu  tage  tretenden  beziehungen  und  Widersprüche,  wie 
das  Verhältnis  dieser  Zeugnisse  zu  der  lat.  Navigatio  SBrendani 
zu  erklären  haben,  werde  ich  in  abschnitt  D  erörtern,  woselbst 
ich  auf  grund  des  weiteren  im  verlauf  vorzuführenden  materials 
über  alter,  quellen  und  composition  sowol  der  Navigatio  SBren- 
dani als  des  Imram  Brenaind  handeln  werde. 

V.  eine  erwähnung  von  Brendans  meerfahrt,  jedoch  ohne 
dass  ein  ereignis  derselben  erzählt  würde,  findet  sich  in  dem- 
selben Book  of  Lismore  fol.  135'',  7  v.  u.  (Isannsin  dohhi  Bre- 
naind macFmdloga  intansin  ocsirthain  mara  agiarraid  tire  tairn- 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  143 

gaire)   iu    einer   geschichte   von  Diarmait  mac   Cerbail   und   der 
Schlacht  von  Cuil  Dreimne  (fol.  135"  — 136^  2).i 

*  weitere  notizen  über  Brendan  von  Clonfert  finden  sich  in  LL  noch: 
371%  8  V.  u.  K  (wo  seine  geburt  und  die  vision  der  niutter  erzählt  wird); 
349%  16  V.  u.  ff  (wo  seine  genealogie  gegeben  ist);  366»,  1  (wo  er  unter 
den  irischen  sacerdotcs  aufgezählt);  370<=,  9  (wo  er  mit  dem  apostel  Thomas 
imius  moris  genannt  wird,  was  sich  auf  die  zweifelsucht  beziehen 
könnte,  von  der  die  deutsche  bearbeitung  der  Brendanlegende  weifs  [Von 
sente  Brandan  zeile  44  ff,  bei  Schröder  s.  52]  und  die  ihr  zu  folge  der  grund 
der  Irrfahrt  wurde);  366  f,  6  (wo  er  unter  den  17  Brendans  an  zweiter 
stelle  genannt  wird);  LL  366  findet  sich  auf  dem  unteren  rande  ein  gedieht 
auf  ihn ,  beginnend  Machen  moehen  aBrciiaind.  eine  schöne  geschichte, 
die  Brenann  mac  Ui  Alta  in  Clonfert  7  jähre  vor  seinem  tode  mit  seinen 
klerikern  passierte,  steht  Rawl.  B  512  101.142^,1  und  Book  of  Lismore 
fol.  SS"^,  1.  2  erzählt.  —  zur  aufklärung  des  Verhältnisses  der  lat.  und  irischen 
naraensform  diene  folgendes,  die  lat.  formen  sind,  abgesehen  von  gelegent- 
lichen Schreibfehlern,  Brendanus,  Brendenus,  Brcndinus,  die  irischen  Bre- 
nand  (Brimann),  Brenund  (Bremutn),  wozu  die  genit.  resp.  voc.  Brenaind, 
Bvenuind  usw.  das  wort  ist  offenbar  eine  koseform  wie  Colmän,  Aidäii, 
Findän  usw.  und  aus  Bre/idän  sind  alle  belegten  formen  durch  reguläre 
lauten  t  Wickelung  entstanden.  1.  nrf  wurde  schon  im  altirischen  nn 
gesprochen,  wie  ich  Zs.  f.  vgl.  sprachf.  27,  449  —  468  nachgewiesen;  wird 
aber  noch  im  mittelirischen  und  neuirischen  historisch  nd  geschrieben ,  was 
zur  folge  hat,  dass  auch  vielfach  für  ?m  ein  7id  geschrieben  wird.  2.  die 
auf  die  tonsiibe  unmittelbar  folgende  silbe  ist  im  irischen  die  schwächste 
(Kelt.  Studien  ii  8)  und  ihr  vocal  wird  bis  zu  der  gränze  der  sprechbarkeit 
des  Wortes  reduciert.  so  muste  aus  altem  Brendän  des  6  jhs.  werden: 
Brendan,  Brenden,  BrendTn,  woraus  die  lat.  formen  klar  sind,  da  nun 
nd  in  der  ausspräche  mittler  weile  zu  nn  geworden  war,  so  war  die  aus- 
spräche des  8  und  9  jhs.  Brenn' n,  wie  noch  heutigen  tages  in 
Irland  der  name  gesprochen  wird  (wie  der  hd.  Infinitiv  brennen). 
dasselbe  Schicksal  wie  an  in  tieftonigster  silbe  hatte  natürlich  auch  in 
gleicher  läge  die  silbe  ind,  in  zweiten  gliedern  von  compositis  regulär  aus 
find  (albus,  beatus,  pulcher)  entstanden,  sodass  altes  cennind  (für  cennfind 
'weifshaupt')  zu  cennnd,  gesprochen  cennnn  (wie  hd.  kenn'n)  wurde,  dies 
cennnn  wird  geschrieben  cenand  oder  cenann,  und  darnach  das  gesprochene 
Brenn  n  Brenand,  Brenann.  dieselbe  analogiebildung  der  Orthographie 
hat  schon  im  altirischen  eine  ganze  categorie  von  nominibus  ergriffen:  die 
den  lat.  bildungen  wie  nömen,  scmen,  got.  namü  entsprechenden  neutralen 
Stämme  auf  -an  werden  irisch  geschrieben  anmann  noraina ,  anmannaib 
nominibus  (ZE  269  ff)  für  gesprochenes  anm'n,  anmnaib.  —  die  mittel- 
alterlichen etymologien  von  Brendan- Brenand  aus  broen  und  dlan  (LL 
37P,  30)  oder  broen  und  find  (Book  of  Lismore  fol,  76'',  2)  —  wonach 
sogar  im  Liber  hymn.  FGD  s.  39  Broenand  geschrieben  ist  —  bestätigen  nur 
die  bekannte  tatsache,  dass  man  im  11  jh.  in  Irland  ohne  kenntnis  der 
historischen  entwickelung  der  spräche  war  und  ebenso  schlechte  etymo- 
logien machte  wie  heutigen  tages. 


144  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 


B.     Brendans    meer fahrt    im   lichte    i  risc hei- 
sch iifer  sagen. 

lu  dem  schon  mehrfach  erwähnten  Book  of  Leinster  —  be- 
zeichnet LL,  sicher  vor  1160  compiliert  —  findet  sich  s.  ISO'', 
44 — 190"',  8  ein  tractat  über  die  anforderungen,  die  an  einen 
irischen  file  (dichter  und  gelehrter)  hinsichtlich  der  kenntnis  der 
nationalen  Stoffe  gestellt  wurden,  darnach  muste  er  7  mal  50  er- 
zählungen  kennen  zum  Vortrag  vor  königen  und  Fürsten,  unter 
diesen  7  mal  50  erzählungen  sind  5  mal  50  haupterzählungen. 
dieselben  werden  nach  ihrem  characteristischen  inhalt  unter  fol- 
gende 17  gruppen  zusammengefasst:  togla  (Zerstörungen),  tana 
(wegtreibungen,  nämlich  von  rinderheerden),  tochmarca  (Wer- 
bungen), catha  (schlachten),  natha  (furchtgestalten,  gespenster- 
erscheinungen),  imrama  (umherrudereien,  Seefahrten),  oüte  (er- 
mordungen),  fessa  (festlichkeiten),  forbassa  (belagerungen),  echtra 
(abenteuer),  aithid  (entführungen),  airgne  (plünderungen  und  Ver- 
wüstungen) ,  tomadma  (ausbrüche  von  seen) ,  ßs  (visionen) ,  serca 
(liebschaften) ,  sluagid  (kriegszUge) ,  tochomlada  (auswanderungeu). 
der  nach  diesen  gesichtspuncten  gegebene  sachcatalog  der  epischen 
Stoffe  des  irischen  mittelalters  enthält  187  titeU  von  erzählungen 
in  irischer  spräche!  für  uns  kommen  die  in  gruppe  6  genannten 
erzählungen  in  erster  hnie  in  betracht  LL  189%  29  fr:  Imrama 
dano  inso  .i-lmrom  M^leduin;  Lnrom  HuaCorra;  Imram  luinge 
Murchertaig  maic  Erca ;  Longes  Breg  Leith ;  Longes  Brecain ;  Longes 
Labrada;  Longes  Fothaid  'folgeudes  sind  nun  die  meerfahrten, 
nämlich:  1)  nieerfahrt  des  Maelduin,  2)  meerfahrt  der  O'Corra, 
3)  meerfahrt  des  scliiffes  des  Murchertach  Mac  Erca,  4)  schiff- 
fahrt von  Bri  Leith ,  5)  schifffahrt  von  Brecan ,  6)  schifffahrt  von 
Labraid,  7)  schifffahrt  des  Folhad.' 

Es  werden  hier  unter  dem  terminus  imrama  zusammen- 
gefasst erzählungen,  die  würklich  den  titel  imram  führen,  und 
solche,   die  als  longes  bezeichnet  werden,     letzleres  wort  ist  ein 

•  O'Curry  hat  zuerst  die  Wichtigkeit  des  sachcatalogs  erkannt  und  ihn 
ediert  (Lectures  on  the  manuscript  materials  of  the  ancient  irish  history 
s.  583— 593),  wobei  er  zugleich  den  versuch  macht  festzustellen,  was  von 
den  genannten  erzählungen  handschriftlich  noch  vorhanden  ist.  nach  der 
jüngeren  hs.  H.  3. 17  (TGD)  col.  797  ff  ist  er  abgedruckt  von  O'Looney  (Pro- 
ceedings  of  the  Royal  irish  academy  1879  i  215  ff). 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  145 

abstractum  zu  long  'das  schiff'  und  bezeichnet  ursprünglich  die 
in  folge  der  Verbannung  aus  Irland  in  ein  anderes  land  unter- 
nommene Seereise  und  concret  diejenigen ,  welche  diese  reise 
unternahmen,  in  den  ältesten  sagentexten  ist  jedoch  der  begriff 
der  Verbannung  über  see  so  weit  abgeblasst,  dass  longes  vielfach 
bedeutet:  1)  Verbannung,  2)  die  verbannten  überhaupt. ^  es  ist 
klar,  dass  eine  solche  Verbannung  aus  Irland  durch  ungünstige 
Witterungsverhältnisse  und  andere  umstände  zu  einer  meerfahrt 
mit  ihren  Schrecknissen  und  wundern  werden  konnte,  zu  dem, 
was  technisch  mit  imram  bezeichnet  wird. 2  die  lat.  Über- 
setzung dieses  irischen  technischen  ausdrucks  ist  navigatio, 
wie  sich  nachweisen  lässt.  der  oben  an  erster  stelle  genannte 
text  Imrom  M^'lednin  ist  uns  in  mehreren  hss.  erhalten :  im  Lebor 
na  huidre  (LU)  22%  31  hat  er  die  Überschrift  Immram  curaig 
Mailduin  inso  (umherfahrt  des  botes  des  Maelduin  folgt);  in 
H.  2.  16  (TCD)  col.  370  Indpit  doimrum  curaig  Maelduin  andso 
(es  beginnt  nun  Imr.  usw.)  und  nach  einem  kurzen  gedieht  folgt 
als  neue  Überschrift  de  navigatione  Maelduin;  in  Harleian  5280 
(Brit.  mus.)  fol.  1*  endlich  lautet  die  erste  Überschrift  entsprechend 
dem  incipit  doimrum  curaig  Maelduin  einfach  incipit  de 
navigatione  Maelduin.  ist  so  \dX.  navigatio  Übersetzung  des 
irischen  imram  resp.  imram  curaig,  welcher  ausdruck  technisch 
für  eine  bestimmte  litleraturgattung  verwendet  wird,  dann  dürfen 
wir  wol  folgern ,  dass  durch  den  titel  Navigatio  sancti  Brendani, 
der  sich  handschriftlich  findet,  schon  die  Zugehörigkeit  zu  der 
gattung  von  volkstümlichen  litteraturwerken ,  die  den  titel  imrama 
führen,  ausgedrückt  werden  soll,  diese  Zugehörigkeit  wird 
durch  vergleichung  des  Inhalts  der  Navigatio  sancti  Bren- 
dani und  der  erhaltenen  imrama,  vor  allem  des  Imram  Mael- 
duin, bis  in  die  einzelheiten  erwiesen. 

Wie  ein  longes  unter  umständen  zu  einem  imram  werden 
kann,  so  gibt  es  noch  eine  weitere  gattung  von  erzählungen 
unter  den  oben  aus  LL  aufgeführten  gruppen,  bei  denen  man 
zuweilen  —  je  nach  dem  standpunct  —  schwanken  kann ,  ob  sie 
nicht  zu  den  imrama  zu  rechnen  sind:    nämlich  die  gruppe  12, 

'  so  zb.  in  der  Täin  bö  Cüalnge. 

^  O'Gurry  definiert  den  unterschied  von  imram  und  longes  dahin ,  dass 
er  imram  'a  navigation  undertaken  voluntary'  und  longes  'a  voyage  entered 
upon  involuntary'  nennt  (Lectures  on  the  manuscr.  materials  s.  288.  289). 
Z.  F.  D.  A.    XXXIII.    N.  F.   XXI.  10 


146  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

echtrai.  das  wort  ecktra  ist  ein  abstractes  Substantiv  (suffix  jo) 
zu  dem  adverb  echtar  extra  und  bezeichnet  ein  abenteuer,  bei 
dem  jemand  activ  beteiligt  ist,  sowie  die  erzählung  davon,  die 
localen  Verhältnisse  bringen  es  mit  sich,  dass  in  Irland  aus 
solchen  abenteuern  öfters  expeditionen  zur  see  und  imrama 
werden,  dies  spricht  sich  auch  darin  aus,  dass  dieselbe  erzählung, 
welche  in  dem  catalog  von  LL  und  H.  3.  17  (TCD)  den  titel 
Imratn  luinge  Murchertaig  maic  Erca  fuhrt,  in  einem  durch  hss. 
des  15jhs.  erhaltenen  abweichenden  sachcatalog  (gedruckt  bei 
D'Arbois,  Essai  d'un  catalogue  s.  260  ff)  heifst  Echtra  Mtircer- 
taig  maic  Erca.  die  in  demselben  catalog  Echtra  Brain  maic 
Febail  betitelte  erzählung  führt  in  II.  2.  16  (TCD)  col.  395  die 
Überschrift  Imrnm  Bruln  maic  Febnil  andso  7  aeachtra  annsosJs. 
sieht  man  sich  jedoch  die  uns  erhaltenen  echtrai,  so  weit  sie 
überhaupt  hier  in  frage  kommen,  dh,  so  weit  sie  mit  einer  see- 
expedition  verbunden  sind,  näher  an  und  vergleicht  sie  mit  den 
erzählungen,  welche  den  namen  imrama  führen,  so  tritt  der 
characteristische  unterschied  beider  deutlich  zutage:  in  den  im- 
rama stehen  grund  und  ziel  der  meerfahrt  für  das  interesse  des 
erzählers  und  der  hörer  erst  in  zweiter  Unie;  in  erster 
linie  stehen  die  wunder  und  schrecken  des  oceans  und  deren  be- 
schreibung.  ganz  anders  bei  den  echtrai:  hier  ist  der  grund 
der  meerfahrt,  also  das  endabenteuer  die  hauptsache,  und  die 
erlebnisse  bis  dahin  haben  ganz  untergeordnetes  interesse,  werden 
daher  auch  nur  höchst  summarisch  behandelt,  dies  end- 
abenteuer ist  nun  in  den  mir  bekannt  gewordenen  hierher 
gehörigen  echtrai  —  die  schon  erwähnte  erzählung  von  Bran 
mac  Febail  eingeschlossen  —  immer  der  besuch  des  unbe- 
kannten Wunderlandes,  des  landes  d  er  verheifsung: 
die  beschreibung  desselben  in  den  verschiedenartigsten  einklei- 
dungen  bildet  daher  den  hauptvorwurf  der  hierher  gehörigen 
echtrai;  deshalb  fallen  die  mitteilungen,  die  ich  aus  ihnen  machen 
kann ,  unter  abschnitt  C  dieser  Untersuchung. 

Von  den  in  dem  sachcatalog  von  LL  unter  imrama  nament- 
lich angeführten  6  erzählungen  sind  uns,  so  weit  bekannt,  nur 
zwei  erhalten;  glücklicherweise  sind  es  jedoch  die  an  erster  und 
zweiter  stelle  genannten ,  die  offenbar  die  altertümlichsten  waren 
und  modelle  abgaben  für  jüngere  erzählungen.  zu  diesen  beiden 
(Imram  MaeJdmn  und  Imram  UaCorra)  kommt  aus  H.2.  16  (TCD) 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  147 

col.  391  —  395  noch  als  dritte  Imrum  Snedgusa  7  mak  Rlagla, 
von  der  die  allen  sachcalaloge  nichts  wissen,  ich  besitze  von 
diesen  3  erzählungen  das  gesammte  handschriftliche  material  zu 
einer  texlausgabe;  ich  sehe  jedoch  hier  von  einer  solchen  ab, 
da  sie  bei  dem  umfang  der  beiden  ersten  erzählungen  über 
den  rahmen  dieser  Beiträge  weit  hinausgienge.  hier  genügt  es, 
wenn  ich  diese  texte,  je  nach  der  Wichtigkeit  der  einzelnen  par- 
tien  für  die  Navigatio  sancti  Brendani,  teils  in  wörtlicher  Über- 
setzung, teils  in  ausführlicherer  oder  gedrängterer  Inhaltsangabe 
vorführe. 

I.  Imram  curaig  Maelduin.  dieser  text,  resp.  teile  des- 
selben, ist  uns  in  4  hss.  erhalten,  vollständig  liegt  er  blofs  vor  in 
H.  2.  16  (TCD)  col.  370—391,  dem  sogenannten  Yellow  book  of 
Lecan,  einem  sammelband,  der  handschriftliches  material  aus 
dem  14 — 16  jh.  enthält;  ich  bezeichne  diese  hs.  mit  d.  hin- 
sichtlich der  Vollständigkeit  kommt  zunächst  die  copie  in  Har- 
leian  5280  (Brit.  mus.)  fol.  1 — 9''  mitte;  der  text  geht  von  an- 
fang,  also  =  d  370,  bis  d  387  unteres  drittel  und  bricht  mitten 
im  Zusammenhang  ab;  da  nun  die  untere  hälfte  von  9''  frei  ist, 
ebenso  fol.  10,  so  ist  klar,  dass  der  Schreiber  wüste,  wie  viel 
noch  fehlte,  und  den  rest  nachtragen  wollte,  ich  bezeichne  den 
text  dieser  hs.,  die  man  in  das  15  jh.  setzt,  mit  c.  dem  um- 
fange nach  am  geringfügigsten  sind  die  fragmente,  welche  in 
Egerton  1782  (Brit.  mus.)  fol.  124  und  125  vorliegen:  es  sind 
2  blätter  aus  einer  copie  von  Imram  Maelduin ,  und  zwar  ent- 
spricht fol.  124  d  378  ende  —  383  anfang  und  fol.  125  ebenso 
d  388  ende  —  391  (schluss);  ich  nenne  den  text  dieser  frag- 
mente, die  gleichfalls  dem  15  jh.  zugewiesen  werden,  b.  ziem- 
lich die  hälfte  der  erzählung  ist  uns  erhalten  im  Lebor  na  huidre 
s.  22%  31—26''  ende  des  facsimile:  zwischen  s.  22  und  23  ist 
ein  blatt  verloren  gegangen,  zwei  blätter  sind  hinter  s.  26  aus- 
gefallen, wie  sich  aus  dem  vergleich  der  erhaltenen  partien  mit 
dem  vollständigen  texte  in  d  ergibt,  ich  nenne  diese  fragmente  a.* 
die  hs.  Lü  ist  die  älteste  der  grofsen  mittelirischen  sammelhss. ; 
ihr  Schreiber  starb  bekanntlich  1106  und  wir  dürfen  sie  wol 
dem  ende  des  1 1  jhs.  zuweisen,  das  material ,  welches  in  den 
auf  uns  gekommenen  resten  der  hs.  LU  vorliegt,  ist  anerkannter 

*  eine  vergleichende  tabelle  der  4  hss.  setze  ich  hierher,  die  den 
seilen  oder  columnen  von  c  und  d  beigefügten  exponenten  •*'<  sollen  an- 

10* 


148  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

niafsen  zum  grosten  teil  viel  älter:  einzelne  der  texte  des  ülster- 
sagenkreises  reichen  hinsichtlich  ihrer  ersten  aufzeichnung  wol  ins 

7  und  8  Jh.;  von  einer  reihe  derselben  habe  ich  Zs.  f.  vgl.  sprachf. 
28,417  —  682  zu  erweisen  gesucht,  dass  sie  eine  contaminierte 
recension  repräsentieren,  welche  auf  den  1056  gestorbenen  be- 
rühmten irischen  gelehrten  Fland  Mainistrech  zurückgeht,  alle 
diese  texte  tragen  dieselbe  (früh  mittelirische)  orthographische 
tünche,  dies  ist  auch  bei  den  fragmenten  von  Imram  Maelduin 
der  fall;  aber  unter  dieser  tünche  steckt  eine  spräche,  die  weit 
älter  sein  muss  als  das  ausgehende  11  jh.:  schon  der  freie  und 
ausgedehnte  gebrauch  der  pronomina  infixa  stellt  die  spräche 
des  lextes  von  Imram  Maelduin  auf  gleiche  stufe  mit  der  spräche 
der   grofsen  continentalen  glossenhss.,   rückt  sie  also  sicher  ins 

8  und  9  jh.     hierauf  komme  ich  im  verlauf  zurück. 

Der  text  ist  in  allen  4  hss,  derselbe:  sie  stimmen  nicht 
nur  in  einleitung,  zahl  und  reihenfolge  der  episoden  —  so  weit 
die  einzelnen  hss.  reichen  — ,  sondern  auch  in  allen  wesentlichen 
einzelheiten  der  erzählung  selbst  so  überein,  wie  mir  das  von 
kaum  einem  anderen  irischen,  in  mehreren  hss.  überlieferten 
texte  bekannt  ist.  die  jüngeren  hss.  haben  natürlich  öfters 
gegenüber  a  —  abgesehen  von  jüngerer  Orthographie  —  alte 
formen  ausgemerzt,  auch  hier  und  da  ihre  vorläge  misverstanden ; 
ebenso  oft  hat  aber  auch  eine  der  jüngeren  hss.  mit  a  das  alte 
und  richtige  bewahrt,  es  ist  klar,  dass  alle  4  hss.  dieselbe  recension 
repräsentieren  und  eine  bewuste  über-  oder  Umarbeitung  nicht 
stattgefunden  hat.  in  einem  puncte  stellen  sich  c  und  d  gegen 
b  und  a:  sie  lassen  nämlich  am  schluss  jeder  episode  eine 
kurze  versification  der  vorangegangenen  schlichten  prosa  folgen, 
wie  auch  das  ganze  mit  4  Strophen  eingeleitet  wird,    die  spräche 

deuten,  ob  ein  abschnitt  im  1.  2.  3  oder  4  viertel  der  seite  oder  columne 
endet  oder  anfängt. 


124 


d 

c 

370  • 

-370* 

1"- 

.lb3 

370" 

-374* 

lb3_ 

_4b3 

374* 

-378* 

4b3_ 

-6"* 

378*- 

-383^ 

6a4_ 

-8^2 

3832- 

-383* 

8a2_ 

-8»* 

383*- 

-387* 

8»*- 

_9b3 

387*- 

-  388* 

- 

- 

388*- 

-391 

- 

22», 

,31- 

-  22b,  37 

23%    1- 
25M4- 
26^,25- 

-25%  14 
-26^,25 
-26^,43 

125 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  149 

dieser  verse  ist  schwer  zu  beurteilen:  teils  machen  sie  den  ein- 
druck  gewöhnhcher  mittelirischer  reimereien ,  teils  überraschen 
sie  durch  alte  formen ,  die  allerdings  aus  der  prosa  genommen 
sein  können,  daran  darf,  wie  mir  scheint,  kaum  ein  zweifei 
obwalten,  dass  es  sich  nur  um  versification  der  älteren  prosa 
handelt,  nicht  um  eine  ohne  die  prosa  verständliche  poesie.  es 
handelt  sich  auch  nicht,  wie  ich  zur  Verhütung  von  misverständ- 
nissen  hervorhebeo  will,  um  verse,  die  in  eine  prosaerzählung 
eingestreut  sind,  sondern  die  einzelnen  abschnitte  sind  ver- 
sificiert. 

Da  c  und  d  in  diesen  reimereien  vollkommen  stimmen, 
repräsentieren  sie  in  gewissem  sinne  eine  besondere i,  jedoch  die 
prosa  nicht  tangierende  recension.  sie  bilden  zwei  von  einander 
unabhängige  quellen  dieser  recension,  da  keine  von  der  anderen 
abgeschrieben  sein  kann.  hs.  d,  die  allein  den  vollständigen  text 
bietet,  nimmt  auch  gegenüber  c  —  von  a  zu  geschweigen  — 
die  zweite  stelle  ein,  da  sie  arge  Schlimmbesserungen  aufweist,^ 
in  a  sind  die  einzelnen  episoden  auf  s.  22 — 26  (s.  22%  31— 22"' 
ende  enthält  die  einleitung)  am  rande  mit  römischen  Ziffern  ge- 
zählt (xi  —  xxvii).  numeriert  man  in  gleicherweise  die  auf  dem 
zwischen  s.  22  und  23  des  facsimile  verlorenen  blatt  nach  c  und  d 
anzunehmenden  episoden  rückwärts,  so  ergeben  sich  würklich 
10,  was  gewis  als  accessorischer  beweis  dafür,  dass  c  und  d  in 
dieser  partie   keine   sachlichen  änderungen  vorgenommen  haben, 

*  ganz  dasselbe  Verhältnis,  wie  es  zwischen  cd  und  a  (sowie  b)  ob- 
waltet, werden  wir  beim  Imram  UaCorra  zwischen  den  jungen  hss.  und 
dem  alten  text  im  Book  of  Fermoy  widerfinden,  hervorheben  will  ich 
jedoch,  dass  die  recension  cd  nicht  auf  die  hs.  LU  zurückgeht;  vgl. 
s.  160  anm. 

2  ein  beispiel  mag  genügen:  LU  26'',  36ff(a)  heifst  es  coctialalär  dano 
iarsain  guth  mor  solusglan  doüachtur  nacolomna  ut;  ebenso  Har- 
leian  5280  fol.  S^  (c)  cocualatar  usw.  doüachtur  nacalamhna  ut. 
dafür  bietet  H.  2.  16  col.  383  (d)  folgenden  unsinn :  cocualatar  dano  iai'siit 
anguth  mor  solosglan.  D ochotar  nacolomain  ut  ass!  in  der  vor- 
läge stand  wol  doöchtar  für  doüachtur  und  daraus  verlas  ein  Schreiber 
dochotar,  woran  sich  weitere  conjecturen  anschlössen,  um  einen  schein 
von  sinn  in  die  stelle  zu  bringen,  hinweisen  will  ich  auch  darauf,  dass  d 
in  der  ausmerzung  alter  formen  oft  viel  weiter  geht  als  c:  so  finden  sich 
episode  28  in  Harleian  5280  fol.  %^  die  alten  schönen  perfectformen  feotar, 
flu,  Hl,  während  H.  2.  16  col.  384  die  neubildungen /bwef,  faidis  und  das 
präs.  secund.  linaid  bietet;  ebendaselbst  hat  c  ronbi,  hingegen  d  benaig {{äz 
benaid)  uam. 


150  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

nicht  ohne  Interesse  ist.  im  folgenden  habe  ich  daher  das  ein- 
leitende capilel  mit  o  bezeichnet.  > 

Die  erzählung  hat  in  a  die  Überschrift  Immram  curaig  Mail- 
dnin  inso  .  trihlia  .  7  vii  .  mis  issed  böi  formerogod  üindocian 
'folgendes  ist  die  umherfahrt  des  kahnes  des  Maelduin.  während 
eines  jahres2  und  7  monate  war  er  umherirrend  auf  dem  ocean'; 
in  de  lautet  die  Überschrift  De  navigatione  Maldnin  anno  intigro 
7  VII .  mensihis  7  de  mirhuilihus  ignotis  quae  indivisa  trinüas  Uli 
ostenndit  in  ociano  infinitü. 

Ich  gebe  die  erzählung  in  engem  anschluss  an  das  original. 

0.3  Ailill  Ochair  Äga  war  ein  tapferer  und  angesehener  mann 
unter  dem  clan  Eoganacht  von  Ninus;  derselbe  war  der  vater 
Maelduins.  des  letzteren  mutter  war  eine  junge  nonne  (mac- 
caillech^),  Vorsteherin  eines  frauenklosters.  seine  erzeugung  und 
geburt  gieng  folgender  mafsen  vor  sich,    einst  machte  der  häupt- 

•  zur  ergänzun»  der  oben  s.  148  anm.  gegebenen  concordanz  der  hss. 
nach  Seiten  und  columnen  folge  hier  eine  nach  den  episoden:  o  in  d,  c 
und  a  zum  gröstcn  teil;  1  —  9  in  d,  c;  10  — 16  in  d,  c  und  a,  nur  dass  in 
letzterem  der  anfang  von  10  fehlt;  17  —  25  in  d,  c,  a  und  b;  26  und  27 
in  d,  c,  a  (anfang  von  27);  28  —  30  in  d,  c;  31  und  32  erste  hälfte  in  d; 
32  zweite  hälfte,  33  in  d  und  b. 

2  O'Looney  (Proceedings  of  the  R.  i.  a.  1879,  i  215  ff)  spricht  von  einer 
voyage  of  three  years  and  seven  monlhs;  ebenso  Joyce  (Old  celtic  ro- 
mances  s.  112).  beide  nahmen  offenbar  das  tri  in  triblia  für  das  zahlwort  3, 
ohne  zu  bedenken,  dass  bliadan  'jähr'  ein  femininum  ist,  es  also  in  der 
spräche  unseres  textes  heifsen  müste  teora  bliadnai  (vgl.  teora  bliadni 
BCrl  32«',  6;  mac  nateora  mbliadan  Windisch,  Ir.  texte  140, 14.  144,  22). 

3  mehr  freie  bearbeitung  mit  Umgebung  der  Schwierigkeiten  als  Über- 
setzung und  analyse  ist  das,  was  Joyce,  Old  celtic  romances  s.  112—176 
nach  hs.  d  gibt, 

*  macc  ist  der  'söhn,  knabe'.  wie  nun  ben  'frau'  als  erstes  glied  von 
compositis  verwendet  wird,  um  den  begriff  des  'weiblichen'  hinzuzufügen 
(dia  gott:  bandea  göttin,  cü  hund:  banchu  bündln,  nama  inimicus:  baU' 
nama  inimica  usw.  ZE  854),  so  wird  offenbar  mac  öfters  vorgesetzt,  um 
anzudeuten,  dass  sich  die  personen  in  jugendlichem  alter  befinden,  so  sind 
die  cethrur  macclerech  doferaib  Herend  (LL  28P,  40)  nicht  'four  sons  of 
the  clergy  of  the  men  of  Eriu'  und  die  triar  macclerech  (LL  283»,  14)  nicht 
'three  sons  of  the  clergy'  wie  Atkinson  in  den  conlents  zu  LL  s.  65  will, 
sondern  4  resp.  3  junge  kleriker.  macclerech  findet  sich  LL  278*,  37. 
281»,  40.  283»,  14.  283^,14.18.  28-5^,46.  286»,  1.  10.  22.  36.  37.  287»,  37. 
demnach  ist  maccaillech  'jugendliche  nonne',  in  welcher  bedeutung  es  noch 
LL  285'',  48.  286»,  5. 12  vorkommt,  vgl.  auch  banniaccrad  LL  67'',  40  =  ba7i- 
trocht  Ibid.  36. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  11  151 

ling  (ri)  der  Eoganachts  einen  zug  in  fremdes  gebiet,  wobei 
Ailiil  in  seinem  gefolge  war.  sie  schlugen  lager  an  einem  berge, 
in  dessen  nähe  sich  ein  frauenkloster  befand,  i  mitten  in  der 
nacht,  als  alles  im  lager  sich  zur  ruhe  begeben,  gieng  Ailiil 
nach  dem  kloster.  zu  derselben  zeit  gieng  genannte  nonne  die 
glocke  läuten  zur  nachtmelte  (doiärmeirgi).  Ailiil  fassle  sie  bei 
der  band,  hielt  sie  fest  und  tat  ihr  gewalt  an  (dogmi  acoblige). 
nicht  schön  ist  unser  handel ,  sagte  sie,  denn  ich  befinde 
mich  gerade  in  der  zeit  der  empfängnis.2  sie  fragte  ihn  nach 
namen  und  familie  und  sie  trennten  sich,  nachdem  der  häupt- 
ling  der  Eoganachts  den  mit  dem  plUnderungszug  verbundenen 
zweck  erreicht  hatte,  kehrte  er  nach  hause  zurück  und  Ailiil  mit 
ihm.  kurze  zeit  darauf  erscheinen  Seeräuber  an  der  küste,  töten 
den  Ailiil,  der  sich  nach  der  kirche  (? kloster)  von  Dubcluain 
geQüchtet  hatte,  und  äschern  die  kirche  über  ihm  ein. 

Das  Weibsbild  gebiert  nach  9  monaten  einen  söhn ,  gibt  ihm 
den  namen  Maelduin  und  bringt  ihn  heimlich  zu  der  frau  des 
Clanhäuptlings  in  der  gegend,  da  jene  ihre  freundin  war.  die 
gibt  ihn  für  ihren  söhn  aus  und  Maelduin  wuchs  mit  den  3  söhnen 
des  häuptlings  auf:  eine  amme  zog  (nährte)  ihn  auf  und  die 
3  söhne  des  häuptlings  in  demselben  korb,  an  derselben  brüst 
und  aus  demselben  holzbecher  (1.  foröenchüad  für  -chad).^  als 
kind  war  er  schön  wie  kein  anderes,  als  er  zum  knappen  heran- 
gewachsen, war  er  schön,  stolzgesinnt  und  in  den  spielen  der 
jungen  leute  (ballwerfen  ,  laufen  ,  springen ,  steinwerfen ,  wett- 
lauf mit  pferden)  allen  überlegen,  eines  tages  sagte  ein  anderer 
neidischer  knappe  zornig  zu  ihm :  'wie  kannst  du ,  von  dem  man 
clan  und  familie,  vater  und  mutier  nicht  kennt*,  uns  in  jedem 
•  in  d  und  c  ist  hinzugefügt  Cell  Dara  andiu  'Kildare  heutigen  tages'. 
in  Kildare  war  Brigita  erste  äbtissin. 

2  wie  hier  amser  comperla  für  die  zur  empfängnis  günstigste  zeit,  so 
LL  126'*,  50  inbaid  comperta. 

3  die  gewöhnliche  Verbindung  ist  foroenchlch  7  foroenglUyi  (vgl.  LL 
288*,  22),  wie  auch  c  und  d  für  das  seltenere  cuad,  cöd  (cuad  becc  crai?id 
H.  2. 16  col.  388.  389,  coud  cod  midguisce  Egerton  1782  fol.  125»)  bieten, 
wie  aitir.  cwaeA 'becher' aus  \d,l.  caticus,  so  könnte  cuad  cöd  'holzbecher' 
auf  ein  nicht  nachgewiesenes  caudus   zurückgehen    (vgl.  caudeus  hölzern). 

'•  diese  stelle  ist  recht  geeignet  zu  zeigen,  wie  die  jüngeren  hss.  sich 
gelegentlich  in  vergröberung  und  derbheiten  gefallen,  an  stelle  der  worte 
niconfes  mäthair  nä  hathair  'mutter  und  vater  werden  nicht  gekannt'  in 
a  (Lü  22'',  26)  heifst  es  in  d  nafes  cia  cu  rodcumtusmi  forothrach  'es  wird 


152  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

spiel,  welches  wir  mit  dir  wagen,  sei  es  zu  land,  zu  wasser 
oder  auf  dem  Schachbrett,  —  wie  kannst  du  uns  unterkriegen?* 
Maelduin  schwieg,  da  er  bis  jetzt  geglaubt  halte,  er  sei  der 
würkliche  söhn  seiner  pflegeeitern,  der  pflegemutter  aber  drohte 
er  mit  Verweigerung  der  nahrungsannahme,  bis  sie  ihm  gesagt, 
wer  sein  vater  und  mutter.  zuerst  sucht  sie  ihn  über  den 
klatsch  übermütiger  buhen  zu  beruhigen;  als  er  aber  auf  seinem 
verlangen  bestand,  brachte  sie  ihn  zu  seiner  würklichen  mutter. i 
diese  fragte  er  nun  nach  seinem  vater.  'auf  törichtem  beharrst 
du,  sagte  sie,  denn  wenn  du  es  auch  weist,  hast  du  keinen 
nutzen  davon  (nlfuil  ha  duit  de)  und  keine  freude  erwächst  dir 
daraus,  lange  ist  es  her,  dass  er  tot  ist.'  er  bestand  jedoch 
darauf,  die  Wahrheit  unter  allen  umständen  zu  erfahren,  nach- 
dem er  dieselbe  gehört,  gieng  er  zu  seinem  clan  mit  seinen  ge- 
fährten  (pflegebrüdern)  und  wurde  von  dem  geschlecht  seines 
Vaters  freudig  anerkannt. 

'Zu  einer  zeit  nun  war  eine  schar  von  jungen  leuten  damit 
beschäftigt,  auf  dem  kirchhof  von  Dubcluain  mit  steinen  zu 
werfen;  Maelduin  zielte  mit  seinem  wurf  auf  das  verbrannte 
dach  der  kirche  und  warf  den  stein  hinüber,  da  sagte  ein  gift- 
züngiger  mann  von  den  leuten  der  kirche,  Bricriu  mit  namen^, 
zu  Maelduin:  es  wäre  besser,  du  rächtest  den  mann,  der  hier 
verbrannt  wurde,  als  dass  du  steine  über  seine  blofsen,  ver- 
brannten knochen  wirfst.'     sofort   fragt  Maelduin,   wer  gemeint 

nicht  gewust,  vi'elcher  hund  dich  zeugte  auf  dem  dunghaufen'  und  in  c 
cia  cu  rotchac  foroihrach  'welcher  hund  te  cacavit  auf  dem  dunghaufen.* 

•  lehrreich  für  den  grad  von  Wahrheitsliebe,  den  irische  gelehrte  haben, 
wenn  es  gilt,  schmutz  im  irischen  altertum  —  und  er  ist  in  sexueller  hin- 
sieht reichlich  vorhanden,  vgl.  Zs,  f.  vgl.  sprachf.  28,  421  anm.  —  zu  ver- 
tuschen, ist  die  art,  wie  Joyce  aao.  die  einleitung  gibt:  'There  was  once 
an  illustrious  man  of  the  tribe  of  Owenaght  of  Ninus,  Ailill  by  name,  a 
goodly  hero  and  lord  of  his  own  tribe  and  territory.  One  time,  when  he 
was  in  his  house  unguarded,  a  fleet  of  plunders  landed  on  the  coast,  and 
spoiled  his  territory.  The  Chief  fled  for  refuge  to  the  church  of  Dooclone; 
but  the  Spoilers  followed  him  thither,  slew  him,  and  burned  the  church 
over  his  head.  Not  long  after  AiliU's  death ,  a  son  was  born  to  him.  The 
child's  mother  gave  him  the  name  of  Maiidun;  and,  wishing  to  conceal 
his  birlh,  she  brought  him  to  the  queen  of  that  country,  who  was  her 
dear  friend.'    das  wird  ausgegeben  als  Übersetzung  von  a  und  d! 

2  ßricne  in  prosa,  Bricriu  in  der  reimerei;  Bricriu,  Bricne  ist  in  der 
Ulstersage  das  bekannte  lästermaul. 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  153 

sei,  und  erfährt  die  Wahrheit,  zugleich  aber  auch,  dass  er  nur 
zu  Wasser  (formutr)  sein  ziel  erreichen  könne,  den  vater  zu 
rächen. 

'Er  gieng  darauf  nach  Corcomruad*,  um  den  druiden  Nuca 
um  das  glückliche  omen  für  den  anfang  des  schiffsbaues  zu  be- 
fragen, der  sagte  ihm  den  tag,  an  dem  er  das  schiff  beginnen 
sollte,  und  die  anzahl  von  den  leuten,  die  in  dasselbe  gehen 
sollte,  nämlich  17  mann  oder  60  nach  anderen;  und  er  sagte 
ihm ,  dass  weder  eine  gröfsere  noch  geringere  zahl  als  diese 
gehen  solle,  er  baute  nun  das  dreihäutige  schiff  und  es  waren 
bereit  diejenigen,  welche  ihn  darin  begleiten  wollten,  unter  ihnen 
waren  German  und  Diuran  Lecerd.  er  gieng  nun  zur  see  an 
dem  tage,  an  dem  ihm  der  druide  den  aufbruch  angeraten,  nach- 
dem sie  erst  wenig  vom  lande  weg  waren  mit  aufgespanntem 
segel ,  da  kamen  an  den  hafen  ihm  nach  seine  3  pflegebrüder, 
nämlich  die  3  söhne  seines  pflegevaters  und  seiner  pflegemutter, 
und  riefen  ihn  an,  sie  sollten  wider  zurück  ihnen  entgegen 
kommen,  um  sie  mitzunehmen,  wenn  wir  auch  zurück  kämen, 
sagte  Maelduin ,  so  würde  doch  nur  die  anzahl,  in  der  wir  jetzt 
sind,  mit  mir  gehen,  dann  werden  wir  dir  nach  ins  meer 
kommen,  bis  wir  darin  untergehen,  wenn  du  nicht  zu  uns  kommst, 
sie  warfen  sich  darauf  alle  3  ins  meer  und  schwammen  weit 
vom  lande,  als  das  Maelduin  sah,  wandte  er  um  ihnen  entgegen, 
dass  sie  nicht  ertränken,  und  nahm  sie  zu  sich  in  den  kahn. 

1.  den  tag  über  bis  zur  mitte  der  nacht  ruderten  sie,  bis 
sie  auf  zwei  kleine,  kahle  inseln  mit  zwei  castellen  sliefsen.  aus 
den  castellen  drang  lärm  und  geschrei  von  betrunkenen,  die 
sich  stritten,  zu  ihnen  in  die  stille  nacht  hinaus,  einen  mann 
hörten  sie  zu  einem  anderen  sagen:  'lass  ab  von  mir,  ich  bin 
ein  besserer  held  wie  du;  denn  ich  tötete  den  Ailill  Ochair  Aga 
und  äscherte  Dubcluain  über  ihm  ein  und  bis  jetzt  ist  mir  von 
seinem  geschlecht  dafür  kein  leid  widerfahren ;  du  hast  nichts 
ähnliches  getan.'  'der  sieg  ist  hier  in  den  bänden',  sagten  German 
und  Diuran  Lecerd.  während  sie  noch  berieten,  wie  sie  den- 
selben ausnutzen  wollten,  erhob  sich  ein  grofser  wind  und  warf 
sie  den  rest  der  nacht  und  den  folgenden  vormittag  umher,  dass 

*  Corcomroo  liegt  in  der  heutigen  grafschaft  Cläre,  an  die  grafschaft 
Galway  und  den  Galway-busen  gränzend.  ich  bin  von  Ballyvaghan  aus 
dort  gewesen  im  September  1880. 


154  KELTISCHE  BEITRAGE  II 

ihnen  jegliches  land  aufser  gesicht  kam  und  sie  nicht  wüsten, 
in  welcher  richliing  sie  fuhren.  Maelduin  befahl  nun,  mit  rudern 
aufzuhören  und  den  gang  des  Schiffes  golt  zu  überlassen,  sie 
trieben  nun  in  dem  grofsen ,  gräuzenlosen  oceau ,  und  Maelduin 
warf  seinen  3  pflegebrüdern  vor,  dass  ihre  aufnähme  über  die 
vom  druiden  vorgeschriebene  zahl  ihnen  dies  (unglück)  bewUrkt 
habe  (foruair  duinne  so). 

2.  darauf  fanden  sie  3  tage  und  3  nachte  kein  land.  am 
morgen  des  dritten  tages  hörten  sie  aus  nordosten  ein  getöse. 
'das  ist  Wellengetöse  ans  land',  sagte  German.  als  es  tag  wurde, 
näherten  sie  sich  dem  lande,  und  als  sie  eben  dabei  waren,  das 
loos  zu  werfen,  wer  von  ihnen  ans  land  gehen  solle,  da  kamen 
grofse  scharen  von  ameisen  (dosenganaib)  —  von  der  gröfse  eines 
füUens  war  eine  jede  (meit  serraig  cechaidib)!  —  an  den  Strand 
und  ins  meer  ihnen  entgegen,  als  selbige  verlangen  zeigten,  sie 
mit  ihrem  schiff  aufzuzehren,  flohen  sie  drei  weitere  tage  und 
nachte,  in  denen  sie  kein  land  sahen. 

3.  am  morgen  des  dritten  tages  hörten  sie  wogenschall  am 
Strand  und  erblickten  bei  tageslicht  eine  grofse ,  hohe  insel ,  um 
welche  terrassen  (?  forscamon  Oberlichter)  rings  herum  liefen,  eine 
niedriger  als  die  andere,  reihen  von  bäumen  hefen  um  sie  herum, 
auf  denen  zahlreiche  grofse  vögel  sich  befanden,  als  man  beriet, 
wer  ans  land  gehen  sollte,  um  die  insel  zu  untersuchen  und  ob 
die  Vögel  zahm  (cendsa)  seien,  erbot  sich  Maelduin.  er  gieng 
und  suchte  die  insel  ab,  fand  aber  nichts  gefahrbringendes  auf 
ihr.  sie  sättigten  sich  —  onahenaip  'von  den  vögeln'  setzt  c 
hinzu  —  und  nahmen  noch  mit  sich  in  ihr  schiff. 

4.  3  tage  und  3  nachte  waren  sie  wider  auf  dem  meer;  am 
morgen  des  vierten  tages  erblickten  sie  eine  grofse ,  sandige  insel. 
als  sie  dem  Strand  nahe  kamen ,  sahen  sie  ein  wesen  wie  ein 
pferd,  füfse  halte  es  jedoch  wie  ein  hund  und  rauhe  krallen. 
es  zeigte  sich  erfreut  über  ihr  nahen  und  war  vor  ihren  äugen 
icsurdlaigh,  denn  es  hatte  verlangen ,  sie  mit  ihrem  schiff  zu  ver- 
zehren, auf  Maelduins  rat  ruderte  man  ab  von  der  insel.  als 
das  tier  dies  bemerkte,  lief  es  an  den  Strand,  grub  den  Strand 
mit  seinen  krallen  auf  und  warf  nach  ihnen. 

5.  sie  fuhren  lange  und  erblickten  eine  grofse,  ebene  insel 
(maiginis).  dem  German  fiel  das  unheilvolle  loos,  sie  zuerst  zu 
besichtigen.    Diuran  Lecerd  erbot  sich  mitzugehen ,  damit  German 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  155 

ein  ander  mal  mit  ihm  gienge,  wenn  ihn  das  loos  träfe,  sie 
giengen  zusammen  und  fanden  eine  grofse,  breite  insel:  sie  er- 
blickten darauf  eine  grofse,  lange  wiese  mit  grofsen  fufsspuren 
von  pferden;  von  der  grofse  eines  Segeltuchs  für  ein  schiff  war 
eine  jede  hufspur.  nussschalen  sahen  sie  grofs  wie  cöedi^ 
und  grofse  anzeichen  von  vielen  menschen  dort,  sie  gerieten  in 
schrecken,  riefen  ihre  gefährten ,  welche  auch  nach  besichtigung 
in  furcht  gerieten,  sodass  alle  rasch  und  hastig  ins  schiff  zurück- 
kehrten, als  sie  etwas  vom  lande  entfernt  waren,  sahen  sie 
eine  grofse  schar  über  das  meer  der  insel  zueilen ,  woselbst 
sie  auf  der  wiese  ein  pferderennen  veranstalteten,  schneller  als 
der  wind  war  jedes  ross,  grofs  war  der  lärm  und  das  geschrei. 
Maelduin  hörte  darauf  die  schlage  der  peitschen  bei  dem  fest 
und  was  ein  jeder  von  ihnen  sagte:  'sieh  doch  das  goldgelbe  ross', 
'sieh  die  braune  stute  dort',  'schau  die  weifse  stute',  'mein  ross 
ist  schneller',  'besser  ist  der  lauf  meines  rosses'.  als  sie  diese 
Worte  hörten,  entfernten  sie  sich  möglichst  rasch,  denn  sie  waren 
überzeugt,  dass  sie  ein  dämonenfest  sahen. 

6.  eine  ganze  woche  fuhren  sie  in  hunger  und  durst,  bis 
sie  eine  grofse,  hohe  insel  fanden;  ein  grofses  haus  befand  sich 
am  Strand  des  meeres,  aus  dem  ein  tor  nach  der  ebene  der  insel, 
das  andere  nach  dem  meere  führte,  eine  steinerne  tür  (comla 
lecda)  \ersch\oss  letzteres;  eine  Öffnung  fdercj  befand  sich  darin, 
durch  welche  die  wogen  des  meeres  die  lachse  mitten  in  das 
haus  warfen,  sie  giengen  in  dies  haus  und  fanden  niemand  dort, 
sie  sahen  darauf  ein  geschmücktes  lager  für  den  herrn  des 
hauses  allein  und  lager  für  je  3  mann  seiner  begleitüng  und 
nahrung  für  je  3  mann  vor  jedem  lager  und  ein  gefäfs  aus  krystall 
(glas)  mit  gutem  trank  vor  jedem  lager  und  ein  krystallener  aus- 
teiler  (dahm  digläin)  auf  jedem  gefäfs.  sie  nahmen  speise  und 
trank  zu  sich  und  sagen  gott  dank. 

7.  nachdem  sie  diese  insel  verlassen ,  fuhren  sie  eine  lange 
weile  umher  ohne  nahrung,  hungrig,  bis  sie  eine  insel  fanden, 
um  die  herum  eine  grofse  klippe  (alt  mor  uimpi)  lief,  ein  sehr 
dünner  und  langer  bäum  befand  sich  auf  ihr.  Maelduin  fasste 
einen  zweig  (slat)  von  dem  bäum  in  seine  band  beim  vorbeifahren: 
3  tage  und  3  nachte  war  der  zweig  in  seiner  band,  während  der 

*  nach   LL  106'',  25   muss  coid  ein   sehr  grofses  holmafs   oder   etwas 
ähnliches  sein. 


156  KELTISCHE  BEITRÄGE  11 

kahu  an  der  klippe  entlang  segelte  (foseol  latoeb  inalla),  und  am 
dritten  tage  fand  er  einen  bUschel  (handvoll)  von  3  äpfelu  am 
ende  des  zvveiges  (crobong  ni  .  nuboll  forind  naslaite).  40  nachte 
sättigte  sie  jeder  einzelne  apfel. 

8.  sie  gelangten  darauf  zu  einer  anderen  insel,  um  die  ein 
steinerner  wall  gieng.  als  sie  nahe  kamen ,  erhob  sich  ein  grofses 
tier  auf  der  insel  und  lief  um  die  insel  rings  herum,  dass  es 
Maelduin  schneller  dünkte  als  der  wind,  darauf  gieng  es  auf 
die  höhe  der  insel  und  streckte  den  körper  dort,  dh.  sein  köpf 
war  unten  und  seine  fiifse  oben,  dabei  war  es  so:  es  drehte 
sich  in  seiner  haut  herum,  das  fleisch  und  die  knochen  drehten 
sich,  die  haut  aufsen  aber  war  ohne  bewegung;  oder  ein  ander 
mal  bewegte  sich  die  haut  aufsen,  wie  eine  mühle  sich  bewegt, 
die  knochen  und  das  fleisch  waren  unbeweglich,  nachdem  es 
lange  so  getan ,  erhob  es  sich  wider  und  lief  um  die  insel  herum 
wie  zuerst;  dann  gieng  es  an  seinen  früheren  ort  und  dies  mal 
war  die  untere  hälfte  seiner  haut  ohne  bewegung  und  die  obere 
drehte  sich  herum  wie  ein  mühlstein.  das  war  sein  gebahren, 
wenn  es  die  insel  umkreiste.  Maelduin  mit  seinen  genossen  ent- 
fernte sich  rasch,  als  das  tier  dies  merkte,  kam  es  zum  Strand 
und  versuchte  sie  durch  nachgeworfene  steine  zu  töten,  einer 
der  steine  erreichte  auch  das  schiff,  durchbohrte  den  schild  Mael- 
duins  und  drang  in  den  rückenstock  (drumlorg  kiel)  des  schiffes. 

9.  bald  darauf  fanden  sie  eine  hohe,  schöne  insel,  auf  der 
zahlreiche  tiere  waren  ähnlich  pferden.  jedes  von  ihnen  fasste 
einen  bissen  aus  der  seite  des  anderen  und  zwar  mit  haut  und 
fleisch,  sodass  ströme  roten  blutes  aus  ihren  Seiten  flössen,  dass 
die  erde  davon  voll  war. 

10.  in  eile  und  hast  entfernten  sie  sich  von  dieser  insel,  traurig 
seufzend  und  ermattet:  nicht  wüsten  sie,  wohin  sie  sich  wenden 
sollten  und  wo  sie  hilfe  oder  land  fänden,  nach  grofser  plage 
durch  hunger  und  durst  und  nachdem  sie  die  hoffnung  auf  hilfe 
aufgegeben,  erreichten  sie  eine  grofse  insel.  viele  bäume  be- 
fanden sich  auf  ihr,  welche  grofse,  goldige  äpfel  trugen,  kurze, 
rote  liere  wie  schweine  waren  unter  den  bäumen,  sie  giengen 
auf  die  bäume  zu  und  schlugen  mit  ihren  hinterfüfsen  gegen 
sie,  dass  die  äpfel  herabfielen,  welche  sie  dann  verzehrten,  von 
morgen  bis  Sonnenuntergang  taten  sie  dies;  von  Sonnenuntergang 
bis  morgen   erschienen  sie   überhaupt  nicht,   sondern  waren  in 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  157 

erdhölen.  zahlreiche  vügel  schwammen  um  die  insel  herum  auf 
den  wellen:  von  morgen  bis  mittag  schwammen  sie  ferner  und 
ferner  von  der  insel;  von  mittag  bis  abend  kamen  sie  der  insel 
näher  und  näher,  bisi  sie  nach  Sonnenuntergang  zur  insel  kamen 
und  darauf  die  bäume  leer  machten  und  ihre  äpfel  afsen.  wir 
wollen  ebenfalls  auf  die  insel  gehen ,  sagte  Maelduin,  es  ist  nicht 
schwieriger  für  uns  als  für  die  vögel.  einer  geht  auf  kundschaft 
und  der  ruft  alsbald  seine  genossen  ans  land.  die  erde  ist 
unter  ihren  füfsen  warm,  denn  die  tiere  waren  feurig  und  er- 
wärmten (notheigtJs)  die  erde  über  sich,  sie  nehmen  an  diesem 
tag  ein  weniges  von  den  äpfeln  mit  sich  und  verzehren  sie  in 
ihrem  schiff,  als  es  hell  wurde  am  morgen,  verliefsen  die  vögel 
die  insel  und  schwammen  auf  dem  meer.  zugleich  erhoben  die 
feurigen  tiere  ihre  köpfe  aus  den  holen  und  afsen  äpfel  bis 
Sonnenuntergang,  als  sie  sich  in  ihre  holen  zurückzogen,  kamen 
die  Vögel,  um  an  ihrer  stelle  äpfel  zu  essen,  da  gieng  Maelduin 
mit  seinen  genossen  ausländ:  sie  sammelten,  was  sie  erreichen 
konnten,  füllten  ihr  schiff  mit  ihnen  und  giengen  wider  zu  see. 
11.  nachdem  die  äpfel  ausgegangen  waren,  hunger  und 
durst  grofs  geworden  und  ihre  lippen  sowie  nasen  voll  von  fauligem 
meergeruch,  da  erblicken  sie  eine  kleine  insel,  auf  der  sich  eine 
bürg  (castell)  befand,  eine  hohe,  weifse  mauer  um  sie,  die  aus- 
sah, als  ob  sie  aus  gebranntem  kalk  hergestellt  oder  als  ob  sie 
ein  kalkfels  wäre,  grofs  war  ihre  höhe  vom  meere  aus,  dass 
sie  fast  die  wölken  zu  erreichen  schien,  die  bürg  war  geöffnet, 
schneeige,  weifse  häuser  ringsum  an  der  mauer.  als  sie  in  das 
gröste  von  den  häusern  traten ,  sahen  sie  niemand  darin  aufser 
einer  kleinen  katze,  welche  auf  dem  flur  auf  vier  daselbst  be- 
findüchen  Steinpfeilern  spielte,  sie  sprang  von  einem  pfeiler  auf 
den  anderen;  sie  schaute  einen  moment  nach  den  männern, 
unterbrach  aber  ihr  spiel  nicht,  sie  erblickten  darauf  3  reihen 
an  der  wand  des  hauses  rings  herum  von  einem  türpfosten  bis 
zum  anderen:  die  erste  reihe  bestand  aus  gold-  und  silberbrochen, 
deren  nadeln  in  der  wand  steckten;  die  zweite  reihe  aus  goldnen 
und  silbernen  halsketten ,  wie  fassreifen  eine  jede;  die  dritte 
reihe  bestand  aus  grofsen  Schwertern  mit  griffen  von  gold  und 
Silber,  die  lager  waren  mit  weifsen  federbetten  (polstern)  und 
glänzenden  decken  reichlich  versehen,  ein  gekochter  ochse  und 
•  hier  setzt  a  wider  ein  (LU  23*,  1). 


158  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

ein  gesalzenes  schwein  auf  dem  flur  und  grofse  gefäfse  mit  be- 
rauschendem trank,  'ist  dies  für  uns  liier  gelassen?'  sagte  Mael- 
duin  zu  der  katze.  sie  schaute  ihn  plötzlich  an  und  begann 
wider  zu  spielen,  dies  fasste  Maelduin  als  eine  bejahende  ant- 
wort  und  sieafsen,  tranken  und  schliefen  ein.  nachdem  sie  er- 
wacht, gössen  sie  den  Überrest^  des  trankes  in  die  schlauche 
und  sammelten  den  Überrest  der  speise,  als  sie  den  aufbruch 
beredeten ,  fragte  der  dritte  pflegebruder  Maelduins ,  ob  er  eine 
halskette  mitnehmen  dürfe,  nein,  sagte  Maelduin,  das  haus  ist 
nicht  ohne  schütz,  er  nahm  nichts  desto  weniger  eine  mit  sich 
bis  zum  flur  des  castells.  die  katze  kam  hinter  ihm  her  und 
sprang  durch  ihn  wie  ein  feuriger  pfeil  und  verbrannte  ihn,  dass 
er  asche  wurde,  dann  gieng  sie  wider  zurück  auf  ihre  säule. 
Maelduin  besänftigte  darauf  die  katze  mit  seinen  werten  und 
legte  das  armband  an  seinen  ort  und  reinigle  den  flur  von  der 
asche  und  warf  sie  in  die  tiefe  des  meeres.  darauf  giengen  sie 
in  ihren  kahn  gott  lobend  und  preisend. 

12.  am  frühen  morgen  des  dritten  tages  erblicken  sie  eine 
andere  insel;  ein  eherner  wall  teilte  die  insel  in  der  mitte  in 
2  teile,  sie  sahen  grofse  schafheerden  auf  ihr:  eine  schwarze 
heerde  auf  der  einen  und  eine  weifse  heerde  auf  der  anderen 
Seite  des  walls.  sie  sahen  einen  grofsen  mann  beim  sondern  der 
Schafe:  wenn  er  ein  weifses  schaf  von  der  seite  zu  den  schwarzen 
warf  über  die  mauer,  wurde  es  sofort  schwarz;  brachte  er  ein 
schwarzes  schaf  über  die  mauer  dorthin ,  so  wurde  es  sofort 
weifs.  sie  waren  in  furcht  bei  dem  anblick.  wir  wollen  zwei 
zweige  auf  die  insel  werfen,  sagte  Maelduin;  wenn  sie  die  färbe 
ändern,  werden  wir  sie  auch  ändern,  wenn  wir  die  insel  be- 
treten, sie  warfen  darauf  einen  zweig  mit  schwarzer  rinde  auf 
die  Seite ,  auf  der  sich  die  weifsen  schafe  befanden,  und  er  wurde 
alsbald  weifs.  darauf  warfen  sie  einen  abgeschälten ,  weifsen 
zweig  auf  die  seite,  auf  der  sich  die  schwarzen  befanden,  und 
sofort  wurde  er  schwarz,  es  ist  kein  schade  (sechbaid'^)  für  uns, 
sagte  Maelduin,  dass  wir  nicht  auf  die  insel  gegangen  sind,  denn 

>  über  diwad  in  dieser  stelle  siehe  meine  bemerkungen  Zs.  f.  vgl, 
sprachf.  30,54  fr. 

2  sechbaid  (noch  LL  27 1^,  44)  ist  von  saicli  (LL  64^,  15.  115^,  12.  280^, 
44  28.  39,  wo  LU  17%  36  olc  hat)  gebildet  wie  findbaid  (beatitudo)  von 
find  (beatus). 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  159 

uns  würde  es  fürwahr  nicht  hesser  ergangen  sein  als  den  zweigen, 
sie  zogen  sich  in  entsetzen  von  der  insel  zurück. 

13.  am  dritten  tage  hemerkten  sie  eine  grofse,  breite  insel, 
auf  der  sich  eine  heerde  schöner  schweine  befand,  sie  töteten 
ein  kleines  schwein  davon,  zündeten  ein  feuer^  an,  kochten  es 
und  trugen  es  in  ihren  kahn.  sie  erblicken  von  dort  aus  einen 
grofsen  berg  auf  der  insel  und  beratschlagten  eine  expedition  zur 
besichtigung  der  insel.  als  nun  Dlurän  Leccerd  und  Germän 
auf  dem  wege  nach  dem  berg  waren,  stiefsen  sie  auf  einen 
breiten,  nicht  liefen  ström.  Germän  tauchte  das  untere  ende 
seines  Speers  in  den  fluss  und  es  sank  unter,  als  ob  feuer  es 
verbrannt  hätte,  sie  giengen  nicht  weiter,  auf  der  anderen 
Seite  des  flusses  sahen  sie  grofse  hörnerlose  ochsen  liegen  und 
ein  grofser  mann  safs  bei  ihnen.  Germän  schlug  seinen  speer- 
schaft gegen  seinen  schiid,  um  die  ochsen  aufzuscheuchen,  warum 
erschreckst  du  die  dummen  (kleinen)  kälber?  sagte  der  grofse 
Schafhirt,  wo  sind  die  mütter  dieser  kälber?  fragte  Germän. 
hinter  jenem  berge,  erwiderte  er.  die  beiden  kehren  um  zu 
ihren  genossen  und  melden  ihnen  das  erlebnis.  darauf  fuhren 
sie  ab. 

14.  bald  darauf  trafen  sie  auf  eine  insel,  auf  der  sich  eine 
sehr  hässliche  mühle  befand  und  dabei  ein  grofser,  feuriger 
(?  bruichnech  für  bniithnech),  hässlicher  mUller.  man  fragte  ihn, 
was  es  für  eine  mühle  sei.  wahrlich,  sagte  er,  ein  kundiger 
fragt  nicht  unil  ihr  würdet  es  (als  unkundige)  nicht  heraus  be- 
kommen (erkennen) :  die  hälfte  des  getreides  eures  landes  wird 
hier  gemahlen,  jeder  gegenständ,  um  den  streit  entsteht,  wird 
hier  zermahlen  in  dieser  mühle.  bei  diesen  Worten  erblicken 
sie  schwere,  unzählige  lasten  auf  pferden  und  menschen  auf  die 
mühle  zuführen  und  auch  wider  ab  von  ihr;  aber  was  von  ihr 
weggetragen  wurde,  wurde  nach  westen  getragen,  sie  fragten 
widerum,  welches  der  name  der  mühle  sei.  die  mühle  von  Inber 
Tre  Cenand ,  sagte  der  müUer.  sie  bekreuzten  sich  darauf  mit 
dem  zeichen  des  kreuzes,  nachdem  sie  dies  alles  gehört  und  ge- 
sehen halten,  und  flohen  in  ihren  kahn. 

15.  als  sie  von  der  mühleninsel  weg  waren,  fanden  sie  eine 
grofse  insel   mit  einer  grofsen  schar  von  menschen,     dieselben 

'  adoud,  schöner  Infinitiv    zu   dem   Zs.  f.  vgl.  sprachf.  30,  98  ff  nach- 
gewiesenen adsöim. 


160  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

waren  schwarz  an  körper  und  kleidung  und  hatten  kopfbe- 
deckungeu  auf  und  hörten  nicht  auf  zu  weinen  (wehklagen, 
heulen),  dem  zweiten  pflegebruder  des  Maelduin  fiel  das  loos, 
auf  die  insel  zu  gehen,  als  er  zu  den  wehklagenden  leuten  kam, 
wurde  er  ihnen  gleichfarbig i  sofort  und  begann  mit  ihnen  zu 
wehklagen,  zwei  wurden  nun  ausgeschickt,  ihn  zurückzubringen, 
und  sie  erkannten  ihn  nicht  unter  seinen  genossen  und  begannen 
selbst  zu  wehklagen,  da  befahl  Maelduin ,  dass  4  mann  bewaffnet 
gehen  sollten ,  um  die  männer  mit  gewalt  zu  holen :  'schaut  nicht 
auf  die  erde  noch  in  die  luft,  legt  eure  kleider  um  eure  nasen 
und  mund  und  saugt  nicht  die  luft  des  landes  ein  und  heftet 
eure  äugen  auf  eure  männer.'  die  4  mann  taten  so  und  brachten 
die  beiden  zuletzt  gegangenen  mit  gewalt  mit  sich,  als  sie  ge- 
fragt wurden,  was  sie  am  lande  gesehen,  erwiderten  sie:  wir 
wissen  fürwahr  nichts  als  dass  was  wir  sahen  wir  taten,  eilig 
entfernten  sie  sich  von  der  insel. 

16.  sie  erreichten  darauf  eine  andere  hohe  insel,  auf  der 
sich  4  wälle  (mauern)  befanden,  welche  die  insel  in  4  teile  teilten, 
der  erste  wall  war  aus  gold,  der  zweite  aus  silber,  der  dritte 
aus  erz  (kupfer)  und  der  vierte  aus  glas  (krystall).  in  dem  ersten 
teil  waren  könige,  im  zweiten  königinnen,  im  dritten  Jünglinge, 
im  vierten  mädchen.  ein  mädchen  kam  ihnen  entgegen  (zu  ihrer 
begrüfsung),  geleitete  sie  ans  land  und  gab  ihnen  nahrung.  diese 
schien  ihnen  käse,  aberweichen  geschmack  ein  jeder  liebte,  den 
fand  er  darin,  sie  goss  ihnen  trank  ein  aus  einem  kleinen  ge- 
fäfs,  dass  sie  trunken  3  tage  und  3  nachte  schliefen,  auf  diese 
weise  wartete  das  mädchen  ihnen  auf.  als  sie  am  dritten  tag 
erwachten,  befanden  sie  sich  in  ihrem  kahn  auf  dem  meer  und 
sahen  nichts  von  der  insel  noch  ihr  mädchen.  sie  ruderten 
weiter. 

17.  sie  erreichten  darauf  eine  kleine  insel,  auf  der  sich  eine 
bürg  (castell)  befand,  ein  ehernes  tor  schloss  dieselbe  und  eherne 
ägai  waren  daran,  eine  gläserne  brücke  führte  zu  dem  tor.  als 
sie  aufwärts  auf  der  brücke  gehen  wollten,  fielen  sie  nieder  auf 
den  rücken,  da  erblicken  sie  ein  weibsbild  aus  der  bürg  treten, 
das  ein  gefäfs  in  der  band  hat.    sie  hob  eine  glastafel  der  brücke 

'  für  comthach  in  a  (LU  24»,  41)  ist  mit  cd  comdath  zu  lesen ;  die 
bearbeitung  cd  geht  also  —  was  auch  aus  anderen  stellen  klar  wird  — 
nicht  auf  die  hs.  LU  zurück,  sondern  auf  eine  von  ihr  unabhängige. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  161 

in  die  hölie  und  füllte  das  gefäfs  aus  der  quelle,  welche  sich 
unter  der  brücke  befand,  und  gieng  wider  in  die  bürg,  'es  soll 
eine  aufwartung  (steward)  für  Maelduin  kommen',  sagte  German. 
'Maelduin  fürwahr',  sagte  sie,  indem  sie  das  tor  hinter  sich  zu- 
schloss.  sie  schlugen  darauf  die  ehernen  ägu^  und  das  eherne 
netz,  das  auf  ihnen  war,  und  der  laut,  den  sie  hervorbrachten, 
war  liebliche,  sanfte  musik,  die  sie  in  schlaf  versetzte  bis  zum 
anderen  morgen,  als  sie  erwachten,  sahen  sie  dasselbe  weibs- 
bild  aus  der  bürg  kommen  mildem  gefäfs  in  der  band,  und  sie 
füllt  es  unter  derselben  (glas-)tafel.  'aber,  es  soll  bedienung 
zu  Maelduin  kommen',  sagte  German.  'wunderbar  sind  die  kräfte 
von  Maelduin',  sagte  sie  beim  schliefsen  der  bürg  hinter  sich, 
dieselbe  musik  warf  sie  in  schlaf  bis  zum  anderen  morgen.  3  tage 
und  3  nSchte  vergiengen  auf  diese  weise,  am  vierten  tage  kam 
das  Weibsbild  zu  ihnen,  schön  war  sie:  ein  weifser  mantel  um 
sie,  ein  goldzweig  (reif)  um  ihr  haar;  goldgelbes  haar  auf  ihr; 
2  schuhe  von  silber  um  ihre  weifspurpurnen  füfse;  eine  silberne 
broche  mit  goldenen,  kleinen  ringen  (also  kette?)  an  ihrem  mantel 
und  ein  hautähnliches  (?  streifiges)  seidenes  hemd  auf  ihrer  weifsen 
haut,  willkommen,  o  Maelduin,  sagte  sie,  und  nannte  einen 
jeden  mann  besonders  mit  dem  ihm  zukommenden  namen.  schon 
lange  ist  man  hier  über  dein  kommen  unterrichtet,  sagte  sie. 
sie  nimmt  sie  darauf  mit  sich  in  das  grofse  haus,  das  in  der 
nähe  des  meeres  lag,  und  hob  ihren  kahn  ans  land.  sie  er- 
blickten darauf  in  dem  haus  ein  lager  für  Maelduin  allein  und 
ein  lager  für  je  3  seiner  begleitung.  sie  teilte  ihnen  nahrung 
zu  aus  einem  geflochtenen  korb,  die  käse  glich;  je  3  mann  gibt 
sie  ihr  teil,  und  welchen  geschmack  ein  jeder  wünschte,  den 
fand  er  (in  der  nahrung).  den  Maelduin  aber  bediente  sie  be- 
sonders, das  gefäfs  füllte  sie  unter  derselben  glastafel  und  schenkte 
abwechselnd  je  3  mann  ein.    sie  erkannte,  als  sie  genug  hatten, 

*  aus  den  beiden  casus  nom.  plur.  ägai,  acc.  plur.  ägu  lässt  sich  ein 
«-stamm  erschliefsen ,  dessen  bedeutung  mir  unbekannt  ist.  c  und  d  kürzen 
au  erster  stelle;  an  zweiter  haben  sie  das  wort  nicht  verstanden  und  machen 
'eherne  Speere'  (nagäi  d,  inagai  c)  daraus,  im  Imram  curaig  UaCorra, 
worüber  unter  B  ii  zu  handeln,  ist  episode  11  deutlich  ein  auszug  aus  Imram 
Maelduin  17;  hier  heifst  es  sondach  umaidi  impi  7  tln  umaidi  arscarad 
arafiacluibh  sechtair  'eine  eherne  mauer  ist  um  sie  und  ein  ehernes  netz 
ist  darüber  ausgebreitet  auf  ihren  (der  mauer)  zahnen.'  der  excerptor  fasste 
also  die  ägai  als  'zinken'  auf  dem  ehernen  wall. 

Z.  F.  D.  A.    XXXill.    N.  F.    XXi.  11 


162  KELTISCHE'BEITRÄGE  II 

und  hörte  auf  ihnen  einzuschenken,  das  ist  eine  passende  frau 
für  Maelduin ,  sagte  ein  jeder  seiner  genossen,  sie  gieng  darauf 
mit  ihrem  korb  und  ihrem  gefäfs  weg.  die  genossen  sagten  zu 
Maelduin:  sollen  wir  ihr  sagen,  dass  sie  bei  dir  schlafen  soll? 
was  nimmt  sie  (? gatas)  von  euch,  wenn  ihr  es  ihr  auch  sagt?  er- 
widerte er.  am  anderen  morgen  kam  sie  wider,  sie  sagten  zu 
ihr:  wirst  du  freundschaft  (liebschaft)  mit  Maelduin  machen, 
wirst  du  bei  ihm  schlafen,  warum  bleibst  du  nicht  hier  über 
nacht?  sie  erwiderte,  dass  sie  nicht  erkannt  und  nicht  weifs, 
was  Sünde  sei.  sie  gieng  darauf  von  ihnen  zu  ihrem  haus  und 
kam  am  anderen  morgen  um  dieselbe  zeit,  um  sie  zu  bedienen, 
als  sie  trunken  und  satt  waren ,  reden  sie  dieselben  worte  zu 
ihr.  morgen,  sagte  sie,  wird  euch  antwort  darüber  gegeben, 
sie  gieng  darauf  zu  ihrem  haus  und  sie  schliefen  auf  ihren  lagern 
ein.  als  sie  erwachten,  waren  sie  in  ihrem  bot  auf  einer  klippe 
und  sahen  weder  die  insel  noch  die  bürg  noch  das  weib  noch 
den  ort,  wo  sie  vordem  waren. 

18.  als  sie  von  diesem  ort  wegfuhren,  hörten  sie  in  ost- 
nord  grofses  geschrei  und  lex  (=lectio?),  als  ob  man  beim  psalmen- 
singen  dort  wäre,  die  nacht  und  den  anderen  tag  bis  nachmittag 
ruderten  sie ,  um  zu  erfahren ,  welches  geschrei  oder  welche  lex 
sie  hörten,  sie  erblicken  eine  hohe,  bergige  insel  voll  von 
schwarzen,  braunen  und  gesprenkelten  vögeln  bei  geschrei  und 
grofsem  geschwätz. 

19.  sie  ruderten  eine  kleine  weile  von  dieser  insel  und 
fanden  eine  andere  nicht  grofse  insel.  zahlreiche  bäume  befanden 
sich  auf  ihr  und  zahlreiche  vögel  auf  ihnen,  sie  sahen  darauf 
einen  mann  auf  der  insel,  dessen  haar  sein  gewand  bildete,  sie 
fragten  ihn  darauf,  wer  er  war  und  woher  das  geschlecht,  ich 
gehöre  zu  den  männern  Irlands,  sagte  er.  ich  gieng  in  die  fremde 
in  einem  kleinen  kahn  und  mein  kahn  gieng  unter  mir  entzwei, 
als  ich  ein  wenig  vom  lande  abgekommen  war.  ich  gieng  wider 
ans  land,  sagte  er,  und  nehme  eine  schölle  (rasenstück)  meiner 
heimat  unter  meine  füfse  und  erhob  mich  darauf  aufs  meer.  der 
herr  liefs  diese  schölle  an  diesem  ort  grund  fassen  und  gott 
gibt  jedes  jähr  einen  fufs  ihrer  breite  zu  von  da  bis  heute  und 
lässt  jedes  jähr  einen  bäum  auf  ihr  wachsen,  die  vögel,  die  ihr 
auf  den  bäumen  seht,  sagte  er,  sind  die  seelen  meines  Stammes 
und  meines  geschlechts,   frauen  und  männer,  sie  erwarten  dort 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  163 

den  tag  des  gerichts.  ein  halbes  brod,  ein  zoll  (daumen)  fisch 
und  quellwasser  gab  mir  gott.  dies  kommt  mir  jeden  tag  zu 
durch  engeldienst,  gegen  abend  nun  (zur  nachmittagsstunde) 
kommt  für  alle  ein  halbes  brod  und  ein  stück  fisch,  für  jeden 
mann  von  ihnen  und  für  jede  frau.  quellwasser  ist  vorhanden 
genügend  für  jeden,  als  3  tage  und  3  nachte  der  gastfreund- 
schaft  um  waren,  verabschiedeten  sie  sich  und  er  sagte  zu  ihnen: 
ihr  werdet  alle  zu  eurer  heimat  kommen  aufser  einem  mann. 

20.  am  dritten  tage  darauf  gelangen  sie  zu  einer  anderen 
insel:  eine  goldene  mauer  um  sie  und  der  boden  weifs  wie  eine 
feder.  sie  erblicken  einen  mann  auf  ihr  und  dies  war  seine 
kleidung:  das  haar  seines  eigenen  körpers.  sie  fragten  ihn  darauf, 
welches  die  Sättigung  (uahrung)  sei,  von  der  er  das  leben  friste, 
es  ist,  sagte  er,  auf  dieser  insel  eine  quelle,  am  freitag  und 
mittwoch  gewinnt  man  molken  oder  wasser  aus  ihr;  an  Sonn- 
tagen aber  und  an  den  festen  der  märtyrer  gewinnt  man  gute 
milch  aus  ihr;  aber  am  fest  der  apostel  und  der  Maria  und 
Johannis  des  täufers  gewinnt  man  hier  und  wein  aus  ihr,  und 
auch  in  den  hohen  festzeiten.  um  die  nachmittagsstunde  darauf 
kam  ihnen  allen  vom  herrn  ein  halbes  brot  für  jeden  mann  und 
ein  stück  fisch  und  sie  tranken  zur  genüge  von  dem  trank,  welchen 
ihnen  die  quelle  der  insel  spendete,  und  er  warf  sie  in  schlaf 
bis  zum  anderen  morgen,  nachdem  sie  3  nachte  gastfreundschaft 
genossen,  hiefs  der  kleriker  sie  aufbrechen,  und  sie  rüsteten 
sich  zum  aufbruch  und  sagten  ihm  dann  lebewol. 

21.  als  sie  lange  auf  den  wogen  umhergeirrt,  erblickten 
sie  in  der  ferne  eine  insel;  als  sie  ihr  näher  kamen,  hörten  sie 
lärm  von  schmieden,  welche  glühende  massen  auf  dem  ambos 
mit  hämmern  schlugen ,  wie  das  schmieden  (dreschen)  von  3  oder 
4  mann,  als  sie  aber  nahe  kamen,  hörten  sie  einen  mann  einen 
anderen  fragen:  'sind  sie  nahe?'  'ja',  sagte  der  andere,  'wer 
sind  sie,  von  denen  ihr  redet,  dass  sie  da  kommen?'  sagte  ein 
anderer  mann,  'kleine  knabeu,  ich  sehe  sie,  in  einem  kleinen 
bot  von  dort  her',  sagte  er.  als  Maelduin  das  hörte,  was  die 
schmiede  redeten,  sagt  er:  'wir  wollen  zurückgehen,  aber  wir 
wollen  den  kahn  nicht  drehen,  sondern  sein  hinterteil  sei  nach 
vorne,  damit  sie  unsere  flucht  nicht  merken.'  sie  ruderten  darauf 
und  sein  hinterteil  vorwärts  (dem  lande  zu),  es  fragte  wider  der 
erste  mann,  der  in  der  schmiede  war:  'sind  sie  jetzt  dem  hafen 

11* 


164  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

näher?'  'sie  stehen  stille',  sagte  der  späher,  'denn  sie  kommen 
nicht  her  und  gehen  nicht  dorthin.'  nicht  lange  darauf  fragte 
er  wider:  'was  tun  sie  jetzt?'  sagte  er.  'es  scheint  mir',  sagte 
der  späher,  'dass  sie  sich  auf  der  flucht  hefiuden,  es  scheint 
mir,  dass  sie  jetzt  dem  hafen  ferner  sind  als  vor  kurzem.'  da 
trat  der  schmied  dort  aus  der  schmiede  und  eine  grofse  feurige 
raasse  in  der  zange  in  seiner  hand,  und  er  warf  diese  feurige 
masse  hinter  dem  kahn  her  ins  meer,  sodass  das  ganze  meer 
aufzischte,  aber  er  erreichte  sie  nicht,  denn  sie  flohen  eilig  und 
in  hast  in  den  grofsen  ocean  hinaus. 

22.  sie  fuhren  darauf  umher,  bis  sie  in  ein  meer  kamen, 
das  grünem  glase  ahnlich  war.  es  war  so  rein  (klar),  dass  die 
sonne  und  der  sand  des  meeres  durch  es  sichtbar  war.  sie  sahen 
weder  Ungetüme  noch  lebende  wesen  dort  zwischen  den  klippen, 
sondern  nur  die  reine  sonne  und  den  grünen  sand.  einen  grofsen 
teil  des  tages  fuhren  sie  in  diesem  meer  umher,  dessen  glänz 
und  Schönheit  grofs  war. 

23.  sie  gelangen  von  hier  aus  in  ein  anderes  meer,  das  dem 
nebel  (wölke)  ähnlich  war ,  und  es  schien  ihnen ,  als  ob  es  weder 
sie  noch  ihren  kahn  tragen  könnte,  sie  erblickten  darauf  in  dem 
meere  unter  sich  geschmückte  menschen  und  ein  liebliches  land 
und  sie  sehen  ein  grofses,  schreckliches,  bestienartiges  wesen 
auf  einem  bäum  dort,  und  ein  trupp  von  einer  heerde  von  rindern 
befand  sich  um  den  bäum  und  ein  mann  mit  seiner  ausrüstuug, 
mit  Schild  und  speer  und  schwert,  befand  sich  in  der  nähe  des 
baumes.  sobald  er  das  grofse  lebende  wesen  auf  dem  bäume 
erblickte,  begab  er  sich  sofort  auf  die  flucht,  das  ungetüm 
streckte  seinen  hals  aus  von  dem  bäume  und  senkte  seinen  köpf 
in  den  rücken  des  grösten  der  ochsen  der  heerde  und  schleppte 
ihn  mit  sich  auf  den  bäum  und  verzehrte  ihn  sofort  während 
des  zuckens  der  augenwimper.  sofort  fliehen  die  heerden  und 
die  hirten.  als  Maelduin  mit  seinen  gefährten  dies  erblickte, 
fasste  sie  grofser  schrecken  und  furcht,  denn  sie  vermeinten, 
sie  würden  nicht  über  es  (das  meer)  kommen  ohne  durchzufallen 
nach  unten  wegen  seiner  dünnigkeit  wie  nebel.  sie  gelangen 
darauf  unter  grofser  gefahr  darüber. 

24.  sie  fanden  darauf  eine  andere  insel,  und  das  meer  er- 
hob sich  um  dieselbe  in  die  höhe,  sodass  es  grofse  felsen  um 
sie  herum    bildete,     als   die  bewohner  der  insel  sie  bemerkten, 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  165 

begannen  sie  umher  zu  klagen  und  sagen:  'da  sind  sie  fürwahr,  da 
sind  sie  fürwahr',  in  einem  atemzug.  sie  (Maelduin  und  seine  ge- 
lahrten) erblicken  darauf  viele  menschen  und  grofse  rinderheerden 
und  rossheerden  und  zahlreiche  schafheerden.  ein  weibsbild  warf 
nach  ihnen  (M.  und  genossen)  von  unten  mit  grofsen  nüssen, 
dass  sie  oben  auf  den  wogen  um  sie  herum  waren;  sie  sam- 
melten viel  von  den  nüssen  und  nahmen  sie  mit  sich,  darauf 
entfernten  sie  sich  wider  von  der  insel  und  damit  hörten  die  weh- 
klagen auf.  'wo  sind  sie  jetzt?'  fragte  ein  mann,  der  auf  das 
wehklagen  hin  ihnen  nachkam;  'sie  sind  weggegangen',  sagte 
eine  gruppe  von  ihnen  *;  'sie  sind  es  nicht',  sagte  eine  andere, 
das  ganze  machte  den  eindruck,  als  ob  ihnen  prophezeit  gewesen, 
dass  ihr  land  verwüstet  würde  und  sie  daraus  vertrieben. 

25.  sie  erreichten  eine  andere  insel,  in  der  ein  wunderbares 
ding  sich  ihren  blicken  darbot,  ein  grofser  ström  erhob  sich 
am  strande  der  insel  in  die  höhe  und  gieng  wie  ein  regenbogen 
(ttiag  nime)  über  die  ganze  insel  und  liefs  sich  nieder  an  den 
anderen  Strand  der  insel  auf  ihrer  anderen  seite.  sie  giengen 
unter  ihm  durch,  ohne  nass  zu  werden,  und  sie  töteten  grofse 
lachse  über  sich  aus  ihm  und  es  fielen  sehr  grofse  lachse  aus 
dem  Strom  von  oben  auf  die  erde ,  sodass  die  ganze  insel  voll 
vom  geruch  derselben  war;  denn  es  war  niemand,  der  mit  dem 
sammeln  derselben  zu  ende  gekommen  wäre  wegen  ihrer  menge, 
von  der  vespertiua  der  nacht  auf  sonntag  bis  zur  antetertia  (co- 
anteirt)  am  montag  bewegte  sich  der  ström  nicht,  sondern  stand 
still  in  seinem  meer  um  die  insel  herum,  die  grösten  unter  den 
lachsen  brachten  sie  darauf  zusammen  und  füllten  ihren  kahn  mit 
ihnen  und  giengen  von  dieser  insel  zurück  auf  den  ocean  weiter. 

26.  sie  fuhren  darauf  umher,  bis  sie  auf  eine  grofse,  silberne 
Säule  trafen :  4  selten  hatte  sie ,  von  denen  jede  2  ruderschläge 
breit  war,  sodass  ihr  ganzer  umfang  8  ruderschläge  des  kahnes 
waren,  nicht  war  eine  spur  von  erdscholle  um  sie  sondern  der 
unbegränzte  ocean,  und  sie  sahen  nicht  ihr  unteres  ende  nach 
unten  noch  ihr  oberes  ende  oben  wegen  ihrer  höhe,  ein  silbernes 
netz  hieug  von  ihrem  oberen  ende  weit  von  ihr  ab  hinaus  (ins 
meer),  und  der  kahn  gieng  unter  segel  durch  eine  masche  dieses 
nelzes  und  Diuran  schlug  mit  der  schneide  seines  Speeres  über 

*  das  hier  gebrauchte  cefÄem  (schar)  noch  LL  174',  38.  256%  15.  Laud  610 
fol.  122%!,  weiter  unten  (H.  2. 16  col.  388). 


166  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

die  masche  des  netzes.  zerstöre  das  uelz  nicht,  sagte  Maelduin, 
denn  was  wir  sehen,  ist  das  werk  grofser  männer.  zum  preise 
des  namens  gottes  habe  ich  es  getan,  sagte  Diuran,  damit  um 
so  mehr  meine  erzählung  glauben  finde,  und  es  wird  von  mir 
auf  den  altar  von  Ardmacha  gelegt  werden ,  wenn  ich  je  Irland 
erreichen  werde.  2  unzen  und  eine  halbe  enthielt  es  nach  seiner 
abschätzung  in  Ardmacha.  sie  hörten  darauf  eine  laute,  hell- 
klare stimme  von  dem  oberen  ende  der  säule,  obgleich  sie  nicht 
wüsten,  welche  spräche  sie  redete  und  was  sie  redete. 

27.  sie  sehen  darauf  eine  andere  insel  auf  einem  fufs,  dh. 
ein  fufs  (säule)  trug  sie;  und  sie  fuhren  um  dieselbe  herum, 
um  einen  zugang  zu  ihr  zu  finden  i,  und  fanden  keinen  Zugang 
zu  ihr.  unten  am  fufse  aber  sahen  sie  eine  tür,  die  mit  einem 
schlösse  verschlossen  war.  sie  erkannten ,  dass  dies  der  eingang 
war,  der  zur  insel  führte,  und  sie  sahen  einen  pflüg  oben  auf 
der  insel,  obgleich  sie  niemanden  anredeten  und  niemand  sie 
anredete,     sie  brachen  von  ihr  auf. 

28.  sie  kamen  darauf  zu  einer  grofsen  insel,  und  eine 
grofse  ebene  war  auf  ihr  und  ein  grofser  berg  in  der  ebene, 
ohne  haidekraut,  grasig  und  schlüpfrig,  sie  sahen  eine  hohe 
befestigte  bürg  auf  der  insel  in  der  nähe  des  meeres  und  ein 
grofses,  verziertes  haus  dort  mit  guten  lagern;  17  erwachsene 
Jungfrauen  beim  zurüsten  eines  bades.  sie  giengen  an  die  insel 
und  setzten  sich  auf  den  hügel  am  tor  der  bürg.  Maelduin  sagte: 
ich  bin  überzeugt,  dass  das  bad  für  uns  dort  zugerüstet  wird, 
gegen  abend  darauf  sahen  sie  auf  die  bürg  zukommen  auf  einem 
prachtross  einen  reifer,  unter  dessen  sitz  gute  verzierte  pferde- 
gewänder.  blaues  kopftuch  und  einen  mit  säum  versehenen 
purpurmantel  trug  der  reiler,  handschuhe  mit  gold-pell  um  die 
eine  band ,  geschmückte  sandalen  um  seine  füfse.  sobald  er 
abgestiegen  war,  nahm  eine  von  den  Jungfrauen  das  ross  in 
empfang,  er  gieng  darauf  in  die  bürg  und  gieng  in  das  bad. 
sie  sahen  aber,  dass  es  eine  frau  war,  die  vom  pferd  sprang, 
und  bald  darauf  kam  eine  von  den  Jungfrauen  und  sagte:  seid 
willkommen,  tretet  in  die  bürg  ein,  die  königin  ruft  euch,  sie 
giengeu  darauf  in  die  bürg,  badeten  alle  und  die  königin  safs 
mit  den  17  Jungfrauen  in  der  einen  hälfte  der  halle  (eig.  des 
hauses,  das  wol  nur  aus  einem  grofsen  räum  bestand);  Maelduin 

*  hier  bricht  a  ab. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  167 

mit  seinen  17  genossen  in  der  anderen  hallte  gerade  gegenüber 
der  königin.  es  wurde  nun  ein  tisch  mit  guter  speise  darauf 
für  Maelduin  gebracht  und  glasgeläfs  mit  gutem  trank  dazu; 
weiterhin  ein  tisch  für  3  mann  aus  seinem  gefolge  und  ein  trink- 
geföfs  für  je  3  mann,  als  sie  die  mahlzeit  genossen,  da  sagte 
die  königin:  'wie  werden  die  gaste  schlafen?'  'wie  du  befiehlst', 
sagte  Maelduin.  'ein  jeder  von  euch  nehme  sich  seine  frau',  dh. 
sein  gegenüber  (afil  ana  ercomuir),  sagte  sie,  'und  sie  sollen 
gehen  auf  die  lager  hinter  ihnen.'  es  waren  nämlich  17  ge- 
schmückte lager  mit  guten  betten  hingebracht,  es  schliefen  darauf 
zusammen  die  17  mann  und  die  17  mädchen  und  Maelduin  schlief 
bei  der  königin.  bis  zum  folgenden  morgen  schlief  man.^  sie 
erhoben  sich  am  morgen,  'bleibt  hier',  sagte  die  königin,  'und 
nicht  soll  alter  über  euch  kommen  aufser  das  alter,  in  dem  ihr 
seid  (in-dub-tarras,  in  welchem  ihr  gefunden  wurdet),  und  ewiges 
leben  immerdar  wird  euch  sein ,  und  was  euch  letzte  nacht  wider- 
fuhr, werdet  ihr  jede  nacht  haben  ohne  irgend  welche  arbeit, 
und  ihr  werdet  nicht  länger  umherschweifen  von  insel  zu  insel 
auf  dem  ocean.'  'teile  uns  mit',  sagte  Maelduin,  'wie  lebt  ihr 
hier?'  'das  ist  fürwahr  nicht  schwer',  sagte  sie.  'es  war  ein 
guter  mann  auf  dieser  insel,  der  könig  der  insel,  von  dem  ich 
die  17  mädchen  dort  gebar,  deren  mutter  ich  bin;  er  starb (I) 
darauf  und  hinterliefs  keinen  männlichen  erben  und  ich  über- 
nahm die  herschaft  der  insel  nach  ihm.  ich  gehe  auf  die  grofse 
ebene,  die  auf  der  insel  ist,  um  urleil  zu  sprechen  und  zu  ent- 
scheiden unter  dem  volk  jeden  tag.'  'gehst  du  etwa  auch  heute 
von  uns',  sagte  Maelduin.  'wenn  ich  nicht  gehen  werde',  sagte 
sie ,  'wird  uns  das  nicht  kommen ,  was  uns  die  letzte  nacht  wider- 
fuhr.' 'bleibt  nur',  sagte  sie,  'in  eurem  hause,  ihr  habt  nicht 
nötig  etwas  zu  tun;  ich  werde  zum  urteilsprechen  gehen.' 

Sie  waren  so  die  3  wiutermonate  auf  dieser  insel  und  sie 
dankten  sie  3  jähre,  'wir  sind  schon  lange  hier',  sagte  einer 
von  Maelduins  genossen  zu  Maelduin;  'warum  streben  wir  nicht 
nach  unserer  heimat?'  'du  redest  töricht',  sagte  Maelduin,  'denn 
nicht  werden  wir  es  in  unserer  heimat  irgendwie  besser  finden, 

*  zur  weiteren  characteristik  des  s.  152  anm.  1  hervorgehobenen  be- 
strebens  irischer  gelehrten  bemerke  ich,  dass  Joyce  die  obige  stelle  'über- 
setzt': 'and  having  eaten  and  drunk  tili  they  were  satisfied,  they  went  to 
sleep  on  soft  couches  tili  morning.'  dem  gemäfs  ist  auch  das  folgende  ge- 
reinigt. 


168  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

als  wir  es  hier  habeo.'  sein  getolge  begann  grofses  gemurr 
gegen  Maelduiu  und  sie  sagten,  dass  er  grofse  liebe  zu  seiner 
frau  habe,  er  soll  bei  ihr  bleiben,  wenn  es  ihm  behagt,  sagte 
sein  gefolge,  wir  werden  zu  unserem  lande  ziehen,  'ich  werde 
nicht  zurückbleiben  nach  euch',  sagte  Maelduin.  eines  tages  nun 
gieng  die  kOnigin  zum  rechtsprechen,  wie  sie  jeden  lag  zu  gehen 
pflegte,  sie  giengen  dann  (nachdem  sie  weg  war)  in  ihren  kahn. 
sie  bemerkte  es  und  bald  kam  sie  auf  ihrem  ross  darauf  herbei  und 
warf  ein  knäuel  (bindfaden)  hinter  ihnen  her,  dessen  faden  (ende)  sie 
in  der  band  hielt;  Maelduin  fleug  es  auf  und  es  haftete  in  seiner 
band  und  sie  zog  den  kahn  vermöge  des  fadens  zu  sich  in  den 
hafen  zurück,  sie  blieben  darauf  bei  ihr  dreimal  drei  andere 
monate.  darauf  kamen  sie  zu  einem  entschluss.  'wir  sind  über- 
zeugt nun',  sagten  seine  genossen,  'Maelduin  hat  grofse  hebe  zu 
seiner  frau;  deshalb  fängt  er  das  knäuel  auf,  dass  es  in  seiner 
band  haftet,  um  uns  zurück  zur  bürg  zu  bringen,  es  soll  ein 
anderer  das  knäuel  auffangen,  und  wenn  es  in  seiner  band  haftet, 
soll  seine  band  abgehauen  werden.'  sie  giengen  darauf  in  ihren 
kahn,  sie  warf  das  knäuel  hinter  ihnen  her;  ein  anderer  mann 
im  kahn  fieng  es  auf  und  es  haftete  in  seiner  band.  Diuran 
schlug  ihm  die  band  ab,  dass  sie  mit  dem  knäuel  fiel,  als  sie 
dies  sah,  begann  sie  zu  jammern,  zu  wehklagen,  dass  das  ganze 
land  ein  Jammer  und  ein  wehklagen  war.  so  entkamen  sie  von 
ihr  von  der  insel. 

29.  lange  zeit  wurden  sie  darauf  auf  den  wogen  umher- 
getrieben, bis  sie  eine  baumbesetzte  insel  fanden,  die  bäume 
waren  ähnlich  der  weide  oder  hasel  (cosmaü  frisailich  no  coli); 
wunderbare  fruchte  waren  darauf  mit  grofsen  schalen  (bolca  mora 
foraib).  sie  pflückten  einen  kleinen  apfel  von  ihnen  darauf  und 
das  loos  wurde  von  ihnen  geworfen,  wer  die  frucht  prüfen  sollte, 
die  der  apfel  hatte,  das  loos  fiel  dem  Maelduin  zu.  er  drückte 
einen  teil  von  ihm  in  ein  gefäfs  und  trank  und  fiel  in  tiefen 
schlaf  von  der  stunde  bis  zur  ersten  stunde  des  anderen  morgens; 
nicht  wüste  man ,  ob  er  lebend  oder  tot  sei ,  und  der  rote  schäum 
war  um  seine  lippen,  bis  er  am  anderen  morgen  erwachte,  er 
sagte  zu  ihnen:  'sammelt  die  frucht,  denn  ihre  vortrefflichkeit 
ist  grofs.'  sie  sammeln  darauf  und  mischen  wasser  darunter 
(dh.  unter  den  saft) ,  um  die  trunkenheit  und  den  schlaf  zu 
mäfsigen.    sie  sammelten,  was  vorhanden  war,  drückten  aus  und 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  169 

füllen  damit,   was  sie  von  gefälseu  hatten,  und  fuhren  von  der 
insel  fort. 

30.  sie  gerieten  darauf  auf  eine  andere  grofse  insel.  auf 
der  einen  seite  derselben  befand  sich  ein  wald  von  eibenbäumen 
und  grofsen  eichen ;  auf  der  anderen  seite  war  ein  anger  (gras- 
bewachsene ebene,  machaire).  ein  kleiner  see  auf  ihr  und  grofse 
heerden  von  schafen.  sie  erblickten  eine  kleine  kirche  und  ein 
castell  dort,  sie  giengen  zur  kirche;  ein  greiser  kleriker  befand 
sich  darin  und  es  bedeckte  weifses  haar  ihn  ganz.  Maelduin 
fragte,  woher  er  wäre,  'ich  bin  der  15  mann  von  den  genossen 
(klosterfamilie)  des  Brendan  von  Birr;  wir  giengen  auf  die  Wander- 
schaft (in  die  fremde)  auf  den  ocean,  bis  wir  zu  dieser  insel 
kamen,  alle  aufser  mir  starben.'  und  er  zeigte  ihnen  darauf 
den  büchersack  Brendans,  den  sie  mit  sich  auf  die  Wanderung 
genommen,  und  Maelduin  kUsste  ihn.  'esst  euch  nun  satt',  sagte 
der  greis,  'von  den  schafen,  esst  aber  nicht  im  übermafs  über 
euer  bedürfnis.'  sie  lebten  dort  eine  zeit  lang  vom  fleisch  der 
schafe.  eines  tages  nun ,  als  sie  von  der  insel  weg  (in  den 
ocean)  schauten,  erblickten  sie  eine  wölke  im  Südosten,  auf  sie 
zukommend,  nach  einer  weile  nun,  als  sie  noch  immer  aus- 
schauten, bemerkten  sie,  dass  es  ein  vogel  war,  denn  sie  sahen 
die  flügel  beim  fliegen  (bewegen),  er  kam  auf  die  insel  und 
machte  hall  auf  einem  hügel  in  der  nähe  des  sees.  sie  gerieten 
in  furcht,  dass  er  sie  in  seine  krallen  nehmen  und  übers  meer 
tragen  könnte,  er  brachte  mit  sich  einen  zweig  von  einem 
grofsen,  unbekannten  bäum;  gröfser  als  eine  der  grofsen  eichen 
warder  zweig;  grofse  seitenzweige  an  ihm,  eine  buschige  kröne 
mit  frischen  blättern,  viel  schwere  frucht  daran,  rote  schalen- 
früchte  (bolga)  an  ihm  wie  Weintrauben,  nur  dass  sie  gröfser 
waren,  aus  einem  versteck  nun  schauten  sie,  was  er  machen 
werde,  eine  weile  war  er  ruhig  wegen  seiner  ermüdung.  dann 
begann  er  eine  von  den  fruchten  des  baumes  zu  essen,  darauf 
gieng  Maelduin  an  den  fufs  (forur  'an  den  rand,  das  ufer')  des 
hügels ,  auf  welchem  der  vogel  war ,  um  zu  erproben ,  ob  er 
ihm  übles  zufügen  werde,  und  er  tat  dies  nicht,  da  kamen  seine 
genossen  alle  ihm  nach  an  diesen  ort.  'ein  mann  von  uns  soll 
vorgehen',  sagte  Maelduin,  'und  soll  etwas  von  der  frucht  des 
baumes  vor  dem  vogel  aufraffen.'  es  gieng  darauf  ein  mann  von 
ihnen  und  sammelte  einige  von  den  beeren,   und  der  vogel  gab 


170  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

keiu  misfallen  zu  erkennen  und  sah  nicht  hin  und  es  kam  keine 
bewegung  von  ihm.  sie  giengen  darauf  18  mann  stark  mit  ihren 
Schilden  hinler  ihn  (forachido)  und  er  fügte  ihnen  nichts  übles 
zu.  um  die  abendzeit  sahen  sie  zwei  andere  grolse  vögel  von  Süd- 
osten, woher  der  grofse  vogel  gekommen  war,  die  vor  dem  grofsen 
vogel  sich  niederliefsen.  als  sie  eine  weile  ruhig  gewesen  waren, 
begannen  sie  auszulesen  (eclaim)  und  abzulesen  (lomrad)  die 
flöhe  (lause ,  inamil)  um  wangen  und  kinn  des  grofsen  vogels  und 
um  seine  äugen  und  seine  obren,  damit  waren  sie  bis  dunkel- 
werden  beschäftigt,  dann  begannen  alle  drei  von  den  beeren 
und  der  frucht  des  astes  zu  essen,  vom  morgen  des  anderen 
tages  bis  zum  mittag  begannen  sie  auszulesen  dieselben  tiere  von 
seinem  ganzen  körper  und  die  alten  federn  auszurupfen  und  die 
alten  schuppen  (kiele?)  des  aussatzes  (inasenland  tiaclaime)  sorg- 
fältig auszulesen,  zu  mittag  darauf  pflückten  sie  die  schalen- 
früchte  von  dem  zweig  und  zerbrachen  sie  mit  ihren  schnäbeln 
an  den  steinen  und  warfen  sie  darauf  in  den  see,  sodass  roter 
schäum  auf  ihm  war.  hierauf  gieng  der  grofse  vogel  in  den  see 
und  wusch  sich  darin  bis  nahe  dem  tagesende.  darauf  gieng  er 
aus  dem  see  und  setzte  sich  nieder  an  einem  anderen  ort  auf 
demselben  hügel,  damit  nicht  die  weggenommenen  tierchen  (an 
ihn)  kämen,  am  anderen  morgen  fuhren  die  vögel  fort  auszulesen 
und  zu  schlichten  (sliachtad^)  die  federn  mit  ihren  schnäbeln, 
als  ob  es  mit  einem  kämm  geschehen  wäre,  damit  waren  sie 
bis  zum  mittag  beschäftigt,  sie  ruhten  darauf  ein  wenig  und 
flogen  davon  nach  derselben  seite,  von  der  sie  gekommen  waren, 
der  grofse  vogel  blieb  noch  nach  ihnen  da  bei  seinem  federn 
und  schütteln  seiner  flügel  bis  zu  ende  des  dritten  tages.  zur 
dritten  stunde  am  dritten  tage  erhob  er  sich  und  flog  dreimal 
um  die  insel  herum  und  setzte  sich  widerum  ein  weilchen  auf 
denselben  hügel^  und  brach  dann  auf  nach  derselben  seite,  aus 
der  er  gekommen  war.  rascher  und  kräftiger  war  sein  flug  jetzt 
als  vorher,   sodass  es  ihnen  allen  klar  war,  dass  er  Verjüngung 

•  für  sliachtad  hat  O'Reilly  die  bedeutung  'piercing'.  ich  kenne  das 
wort  aus  LL  68*,  12,  wo  es  ganz  deutlich  'streichein'  bedeutet:  rogab  inri 
icsliaehtad  amäile  'der  itönig  (Conchobar)  begann  seine  (des  7jährigen  Gu- 
chulinn)  glatze  zu  streichein.' 

^  für  arinteccluim  cetna  ist  wo!  ariyitellaig  cetna  zu  lesen;  es  ist  eine 
falsche  aufiösung  der  vorläge. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  171 

erfahren  aus  dem  alter  zur  Jugend  nach  dem  vvort  des  propheten, 
der  da  sagt:  renouabilur  ul  aquil«  iuuentus  lua. 

Als  Diurao  dies  grofse  wunder  sah,  sagte  er:  wir  wollen 
in  den  see  gehen  zu  unserer  Verjüngung  an  die  stelle,  wo  der 
alte  vogel  verjüngt  wurde,  nein,  sagte  sein  genösse,  denn  der 
vogel  hat  sein  gilt  dort  zurückgelassen,  es  ist  unsinn,  was  du 
redest,  erwiderte  er;  ich  werde  zuerst  hineingehen,  er  gieng 
darauf  hinein  und  badete  dort  und  das  wasser  schwappte  in 
seinen  mund  und  er  trank  einen  schluck  davon,  vollständig  gesund 
am  ganzen  körper  (nile)  kam  er  heraus  und  blieb  es  zeitlebens: 
nicht  fiel  ihm  ein  zahn  aus  noch  ein  härchen  von  seinem  haar, 
nicht  kam  kraftlosigkeit  noch  schwäche  über  ihn  von  da  an. 

Darauf  sagten  sie  dem  greis  lebewol  und  nahmen  nahruug 
von  den  schafen  mit  sich,  sie  fahren  aufs  meer  und  durchsuchen 
den  ocean. 

31.  sie  gelangen  zu  einer  anderen  grofsen  insel ,  und  ein 
grofses  ebenes  gefilde  auf  ihr.  eine  grofse  menge  befand  sich 
dort  bei  spiel  und  unaufhörlichem  gelächter.  es  wird  darüber 
das  loos  geworfen,  wem  es  falle,  auf  die  insel  zu  gehen,  sie  zu 
prüfen,  es  fiel  dem  dritten  pflegebruder  Maelduins.  als  der  auf 
die  insel  kam,  begann  er  sofort  zu  spielen  und  andauernd  mit 
ihnen  zu  lachen,  als  ob  er  von  alters  her  bei  ihnen  wäre,  lange 
zeit  warten  sie  auf  ihn,  aber  er  kehrte  nicht  zurück  und  sie 
liefsen  ihn  darauf  zurück,  i 

32.  sie  sehen  darauf  eine  andere  nicht  grofse  insel  und 
eine  feurige  mauer  um  sie  herum,  und  es  lief  die  mauer  um  die 
ganze  insel  herum,  ein  tor  war  oifen  an  der  seile  der  mauer. 
wenn  nun  das  (offene  tor)  ihnen  gerade  gegenüber  (inanerco- 
mairsim)  zu  stehen  kam,  dann  übersahen  sie  die  ganze  insel  und 
das  leben  darauf  und  ihre  bewohner  alle:  viele  schöne  menschen 
auf  ihr  und  viele  verzierte  gewänder  und  goldene  gefäfse  in  ihren 
bänden  beim  schmausen  und  sie  hörten  ihren  biergesang  (corm- 
cheol)  und  schauten  lange  zeit  das  wunder  an,  das  sie  sahen, 
und  es  deuchte  sie  lieblich. 

33.  bald  nachdem  sie  von  dieser  insel  weg  waren ,  erblicken 
sie  etwas  in  der  ferne  zwischen  den  wogen  wie  einen  weifsen 
vogel.    sie  wenden  den  Vorderteil  des  kahnes  zu  ihm  nach  Süden, 

*  am  schluss  der  hier  angehängten  reimerei  endet  c  auf  fol.  9^  mitte, 
sodass  episode  32  und  die  erste  hälfte  von  33  nur  in  d  vorliegt. 


172  KELTISCHE  BEITRÄGE  11 

um  zu  erkennen ,  was  sie  wahrnahmen,  als  sie  in  die  nähe  des 
gegenständes  kamen,  sahen  sie,  dass  es  ein  mensch  war:  be- 
kleidet war  er  mit  dem  laugen  weifsen  haar  seines  eigenen  körpers 
und  mit  kniebeugungen  (genuflexionen ,  ocslechtanaib)  aut  der 
breiten  klippe  beschäftigt,  als  sie  ihm  nahe  kamen,  bitten  sie 
den  Segen  von  ihm  und  fragen  ihn,  von  woher  er  auf  diese 
klippe  gekommen,  von  Torach i,  sagte  er,  kam  ich  hierher  und 
in  Torach  wuchs  ich  auf.  es  traf  mich  nun,  dass  ich  koch  da- 
selbst (dh.  im  dortigen  kloster)  wurde,  und  ich  war  ein  schlechter 
koch,  denn  ich  pflegte  die  speise  der  kirche  daselbst  gegen 
schätze  und  kleinode  für  mich  selbst  (zu  meinem  nutzen)  zu 
verkaufen,  sodass  mein  haus  voll  wurde  von  köpf-  und  nacken- 
kissen  und  von  kleidung  jeder  färbe  aus  flachs  und  wolle,  von 
ehernen  krügen  und  kleinen,  ehernen  kesseln  ('?dithellendaib), 
von  brocheu  von  silber  mit  platten  (Pcopletaib)  von  gold.  und 
es  gab  nichts  von  allen  dingen,  die  einem  menschen  notwendig 
sind,  das  geliehen  gewesen  wäre  aufserhalb  meines  hauses.  ich 
grub  unter  die  häuser  der  kirche,  sodass  ich  viele  schätze  aus 
ihnen  wegtrug,  grofs  war  nun  mein  stolz  und  mein  Übermut. 
Eines  tages  wurde  mir  aufgetragen,  dass  ich  sollte  ein  grab 
graben  für  den  leichnam  eines  Attecolten,  der  an  die  insel  ge- 
spült war.  als  ich  bei  seinem  begraben  war,  hörte  ich  eine 
stimme  an  mich  aus  der  erde  unter  meinen  füfsen:  aber  grabe 
diesen  ort  nicht  auf,  sagte  die  stimme ,  lege  den  leichnam  eines 
Sünders  nicht  auf  mich,  mich  den  heiligen,  gläubigen  mann, 
sowol  mich  als  gott;  denn  ich  werde  strafe  (? räche?  lamed) 
geben  für  die  mir  bewiesene  geringschätzung.  ganz  gewis,  sagte 
sie  (die  stimme),  wenn  du  ihn  auf  mich  legst,  sagte  der  heihge 

1  Torach  ist  das  heutige  Tory  Island,  eine  insel  an  der  küste  von 
Donegal,  die  Annalen  der  4  meister  erwähnen  zum  jähr  612  die  Verwüstung 
der  insel  durch  eine  'meerflotte',  zum  jähr  616  den  wideraufbau  der  kirche. 
auf  dieser  insel  localisiert  die  sage,  wie  wir  früher  (Zs.  32,242  11)  sahen, 
die  als  piraten  gedachten  Fomöri,  die  von  hier  aus  jede  nacht  vor  sommer- 
ende den  tribut  von  den  bewohnern  Ulsterlands  eintreiben,  die  localisierung 
beruht  auf  der  identificierung  der  mythischen  Fomöre  mit  den  drangsalierenden 
Nordgermanen,  vielleicht  dürfen  wir  den  muirchoblach  muiride,  der  Tory 
Island  612  verwüstete  —  die  Annalen  von  Ulster  melden  das  ereignis  zum 
jähr  616,  Chronicon  Scottorum  zu  617  — ,  auf  die  Nordgermanen  beziehen 
und  Vorläufer  der  150  jähre  später  an  allen  küsten  Irlands  auftretenden 
Norweger  ia  den  plünderern  erblicken. 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  173 

manu,  werden  deine  lippen  nach  3  tagen ^  absterben  und  du 
wirst  hollenbewohner  und  er  (der  leichnam)  wird  nicht  hier  hegen 
bleiben,  ich  sagte  darauf  zu  dem  greis:  was  wirst  du  mir  gutes 
geben,  wenn  ich  ihn  nicht  auf  dir  begrabe,  den  mann,  in  ewigem 
leben  zu  wohnen  bei  gott,  erwiderte  er.  woher  soll  ich  das  er- 
kennen, sagte  ich.  das  ist  nicht  schwierig  für  dich,  sagte  er. 
schau  dich  um  (eigentlich:  sieh  nicht  hin,  na  aicce),  das  grab, 
welches  du  gräbst,  wird  sofort  mit  sand  gefüllt  sein;  daraus  wird 
dir  klar  werden,  dass  du  den  mann  nicht  auf  mir  begraben  kannst, 
wenn  du  es  auch  versuchst,  er  war  mit  dem  wort  noch  nicht 
zu  ende,  als  das  grab  mit  sand  angefüllt  war.  ich  begrub  darauf 
den  leichnam  an  einem  anderen  ort. 

Zu  anderer  zeit  nun  setzte  ich  einen  neuen  kahn  mit  roter 
haut  bezogen  ins  meer;  ich  gieng  in  meinen  kahu  und  meine 
rundsicht  (imchaissiu)  gefiel  mir  und  ich  liefs  nicht  das  geringste 
in  meinem  hause  zurück ,  sondern  nahm  es  mit  (in  den  kahn). 
als  ich  auf  diese  weise  das  meer  betrachtete  und  das  meer  still 
und  ruhig  war,  da  kommen  grofse  stürme  und  ziehen  mich  in 
das  meer  hinaus  (von  der  küste  ab),  dass  ich  weder  erde  noch 
land  erblickte,  mein  kahn  kam  dort  unter  mir  zur  ruhe,  dass 
er,  ohne  hin-  und  hergeworfen  zu  werden,  auf  einer  stelle  blieb, 
als  ich  mich  nach  allen  richtungen  umsah,  erblickte  ich  zu  meiner 
rechten  band  einen  mann  auf  der  woge  sitzen,  er  sagte  darauf: 
nach  welcher  richtung  gehst  du?  mir  gefällt  die  richtung,  wo 
ich  mich  auf  dem  meer  umschauen  kann,  dir  gefiele  sie  nicht, 
wenn  du  die  schar  kanntest,  die  dich  umgibt,  was  für  eine 
schar  ist  das?  sagte  ich  zu  ihm.  während  dein  rundblick  fern 
über  das  meer  und  aufwärts  bis  zu  den  wölken  reicht,  ist  eine 
einzige  schar  von  dämonen  um  dich  herum,  sagte  er  zu  mir, 
wegen  deiner  habgier  und  deines  Übermutes  und  hochmutes 
(diumus)  und  wegen  deiner  dieberei  und  deiner  übrigen  schlechten 
taten,  weist  du,  fragte  er,  warum  dein  kahn  still  steht?  ich 
weifs  es  nicht,  sagte  ich.  dein  kahn  wird  nicht  von  hier  weiter 
gehen  von  der  stelle,  auf  der  er  ist,  bis  du  mein  verlangen  er- 
füllt, gewis  werde  ich  nicht  im  stände  dazu  sein,  sagte  ich. 
du  wirst  aber  dich  den  strafen  der  hölle  unterziehen,  wenn  du 
dich  ihm,  meinem  verlangen,  nicht  unterziehst,     darauf  kam  er 

•  dia  tres  lai  de,  ein  neuer  beleg  zu  den  Zs.  f.  vgl.  sprachf.  30,  1  ff 
für  die  eigenartige  construction  von  dia  'tag'  angeführten. 


174  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

zu  mir,   legte  seine  band  auf  mich  und  ich  versprach  ihm  sein 
verlangen  (zu  erlülIeD).    wirf  also,  sagte  er,  ins  meer  den  ganzen 
gewinn,  den  du  hei  dir  im  kahn  hast,    es  ist  ein  Jammer  fürwahr, 
sagte  ich  ,   dass  es  verloren  geht,     es  wird   keineswegs  verloren 
gehen,  sagte  er,  es'  wird  sich  jemand  finden,  dem  es  nützen  wird, 
ich  warf  alles  ins  meer  mit  ausnähme  eines  kleinen  holzbechers. 
brich   nun   jetzt  auf,   sagte   er  zu  mir,   und  an  dem  ort,   den 
dein  kahn   erreichen  wird,   da  bleibe;   darauf  gab   er  mir  einen 
becher  molkenwasser  und  7  brote  zur  nahrung.    ich  fuhr  darauf, 
sagte  der  greis,  die  richtung,   nach  der  mich  und  meinen  kahn 
der  wind   trug,   denn    ich  hatte   meine  rüder   und  mein  Steuer- 
ruder (molni)  von  mir  geworfen,    als  ich  so  zwischen  den  wogen 
umher   getrieben  wurde,    wurde   ich   auf  diese  klippe  geworfen, 
und  ich  war  mir  in  zweifei,  ob  der  kahn  schwanke  (oder  ob  er 
fest  sitze),   denn   ich   sah  weder  land    noch  erde  hier,     da  kam 
mir  in   erinnerung,   was   mir   gesagt  worden  war:   an  dem  ort, 
wo  mein  kahn  fest  stehen  würde,   da  zu  bleiben,     als  ich  mich 
in  meinem  sitzen  erhob  darauf,  erblickte  ich  eine  kleine  klippe, 
gegen  die  die  woge  plätschernd  spielte   (eigentlich  Machte'),     ich 
setze  darauf  meinen  fufs  auf  den  kleinen  felsen,  und  mein  kahn 
entfernt  sich  von  mir,   sagte  er,   und  der  felsen  erhebt  sich  in 
die  höhe   und    die  wogen  bewegten   sich   leise  zurück.     7  jähre 
lebte  ich  hier  von  den  7  broten  und  dem  becher  molkenwasser, 
die  ich  miterhielt  von  dem  mann,  der  mich  entliefs,  und  schliefs- 
lich  hatte   ich   nichts   mehr    als   den  becher   molkenwasser,    der 
noch   übrig  war.     darauf  fastete  ich  3  tage;   nach  meinem  drei- 
tägigen   fasten    brachte    eine  otter   mir    gegen  abend  einen  lachs 
aus  dem  meer.     ich  überlegte  bei  mir  in  meinem  sinn,  dass  es 
mir  nicht  möglich  sei,   den  lachs  roh  zu  essen,    und  ich  setzte 
ihn  wider   ins   meer  darauf,   sagte  er,    und   fastete  drei  weitere 
tage,     am  dritten  nachmittag  darauf  sah  ich,  dass  eine  otter  mir 
den  lachs  widerum  aus  dem  meere  brachte,  und  eine  andere  otter 
brachte  brennholz  und  schichtete  es  und    blies  mit  ihrem  atem, 
bis  das  feuer  herausschlug,    ich  kochte  darauf  den  lachs.    sieben 
andere  jähre    lebte    ich  auf  diese  weise:    jeden  tag  kam  mir  ein 
lachs  und  der  fels  (die  klippe)  nahm  zu  in  seiner  breite,     nach 
7  Jahren  nun  kam  mein  lachs  nicht  mehr  und  ich  war  in  einem 

'  hier  setzt  b  (Egerton  L7S2    fol.  125^)   wider  ein,    sodass    bis    zum 
schluss  b  und  d  vorliegen. 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  175 

weiteren  dreitägigen  fasten ,  und  um  den  dritten  nachmittag  wurde 
mir  ein  halbes  waizenbrot  und  ein  stück  fisch,  mein  becher 
mit  molkenwasser  kam  mir  abhanden  und  dafür  ward  mir  ein 
gleich  grofser  becher  mit  gutem  trank  (hier),  der  hier  auf  dem 
leisen  ist.  er  wird  jeden  tag  gefüllt  und  weder  wind  noch  regen 
noch  hilze  noch  kälte  tut  mir  ein  leid  an  diesem  orte,  dies  sind 
meine  erlebnisse,  sagte  der  greis. 

Als  die  abendzeit  kam ,  da  kam  zu  ihnen  für  jeden  einzelnen 
mann  von  ihnen  ein  halbes  brot  und  ein  stück  fisch  und  in  dem 
becher,  der  in  der  nähe  des  klerikers  auf  dem  felsen  sich  befand, 
wurde  für  alle  genügend  gutes  hier  gefunden,  darauf  sagte  der 
greis  zu  ihnen :  ihr  werdet  alle  euer  land  erreichen  und  den 
mann,  welcher  deinen  vater  tötete,  o  Maelduin,  werdet  ihr  finden 
in  einem  castell  auf  eurem  wege  (arforcind);  tötet  ihn  nicht, 
sondern  gewährt  ihm  Verzeihung,  denn  gott  rettete  euch  aus 
vielen  grofsen  gefahren  und  ihr  wäret  aufserdem  männer  des 
todes  schuldig,  sie  nahmen  darauf  abschied  von  dem  greis  und 
giengen  auf  ihren  gewohnten  weg. 

34.  darauf  gelangten  sie  zu  einer  insel  mit  vielen  vier- 
füfslern,  mit  ochsen,  kühen  und  schafen.  häuser  und  menschen 
gab  es  auf  ihr  nicht  und  sie  essen  das  fleisch  der  schafe.  da 
sagten  einige  von  ihnen,  als  sie  einen  grofsen  falken  ('?errach) 
dort  erblickten,  dass  der  falke  ähnlich  sei  den  falken  Irlands, 
das  ist  wahr,  sagten  andere,  beobachtet  ihn,  sagte  Maelduin, 
dass  ihr  seht,  wohin  (in  welcher  richtung)  der  vogel  von  uns 
gehen  wird,  sie  sahen ,  er  flog  südöstlich  von  ihnen,  sie  fuhren 
darauf  dem  vogel  nach  in  der  richtung,  in  der  er  von  ihnen 
gieng.  sie  ruderten  diesen  tag  bis  zum  abend,  denn  das  ende 
des  tages  war  nahe,  als  sie  zu  rudern  begannen,  im  beginn  der 
nacht  erblicken  sie  land  ähnlich  dem  bodeo  Irlands,  sie  ruderten 
darauf  zu.  sie  gelangen  zu  einer  kleinen  insel  und  es  ist  die- 
selbe, von  welcher  der  stürm  sie  trug  in  den  ocean  im  anfang, 
als  sie  zuerst  zur  see  giengen.  sie  schieben  das  Vorderteil  des 
kahnes  darauf  aus  land  und  giengen  zu  dem  castell,  das  auf  der 
insel  war.  sie  horchten  und  da  waren  die  bewohuer  des  castells 
beim  schmausen,  sie  hörten  einige  von  ihnen  sagen:  es  wäre 
gut  für  uns,  wenn  wir  Maelduin  nicht  zu  gesiebt  bekämen,  der 
Maelduin  ist  ertränkt,  sagte  ein  anderer  von  ihnen,  vielleicht 
wird  er  es  sein,    der  euch  aus  eurem  schlaf  heben  wird,   sagte 


176  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

ein  aaderer  mann,  wenn  er  nun  jetzt  kiime,  sagte  ein  anderer 
mann,  was  würden  wir  tun?  das  ist  nicht  schwierig  zu  sagen, 
erwiderte  der  hausherr:  herzliches  willkommen  (failli  moir)  ihm 
bieten,  wenn  er  käme,  denn  er  war  in  grofser  bedrängnis  lange 
zeit,  bei  diesen  Worten  (lasodain)  schlägt  Maelduin  an  die  tür. 
wer  ist  dort?  fragte  der  türhüter.  Maelduin  ist  hier,  sagte  er 
selbst,  öffne  nun,  sagte  der  führer,  denn  deine  ankunft  ist  mir 
willkommen,  sie  giengen  darauf  in  das  haus  und  werden  herz- 
lich begrüfst  und  neue  kleider  werden  ihnen  gegeben,  es  werden 
darauf  alle  wunder  erzählt,  welche  gott  ihnen  zeigte  nach  dem 
wort  des  propheten,  der  da  sagt:  hoc  olim  meminisse  iuuabit. 
Maelduin  gieng  darauf  zu  seinem  eigenen  territorium  und 
Diuran  Lecerd  nahm  die  5  halben  unzen ,  die  er  von  dem  netz 
genommen ,  und  legte  sie  auf  den  altar  von  Ardmacha. 

Dass  uns  in  dieser  erzählung  die  hauptquelle  für  die  Navi- 
gatio  sancti  Brendani  vorliegt,  leuchtet  so  sehr  ein,  dass  ich 
mich  in  hervorhebung  der  Übereinstimmungen  kurz  fassen  kann. 

Sehen  wir  von  dem  motiv  der  meerfahrt ,  das  in  den  beiden 
erzählungen  ein  verschiedenes  ist,  ab,  so  beginnen  schon  die 
Übereinstimmungen  vor  beginn  der  meerfahrt.  Maelduin  geht, 
ehe  er  sein  schiff  baut,  zu  dem  druiden  INuca,  um  sen  und  solod 
'die  omina'  zu  erfragen;  ebenso  geht  Brendan  zu  Ende,  ohne 
einen  bestimmten  grund,  und  empfängt  dessen  benedictio. 
hinweisen  will  ich  noch  darauf,  dass  Corcomroo  und  Aran ,  wo 
Ende  lebte,  sich  nahe  liegen;  von  Ballyvaghan  an  derselben  nord- 
küste  von  Cläre,  wo  Corcomroo  liegt,  fährt  man  gewöhnlich 
nach  Aran  mör.  —  das  schiff,  welches  Maelduin  baut,  ist  tre- 
chodlide 'dreMuüg'  (H.  2.  16  col.371.  Harl.  5280  fol.  2^);  Bren- 
dans  schiff  ist  aufsen  mit  häuten  überzogen  et  miserunt  duas 
paraturas  navis  de  aliis  coriis  intus  in  navim  (Schröder  s.  6,  17  ff), 
es  war  also  ebenfalls  dreihäutig.  —  dem  Maelduin  kommen  die 
3  pflegebrüder  nach,  welche  über  die  vorgeschriebene  zahl  mit- 
genommen werden;  ebenso  kommen,  ehe  Brendan  abfährt,  noch 
3  fratres,  die  er  nachträglich  mitnimmt,  in  beiden  erzählungen 
sind  diese  3  männer  dem  tode  verfallen,  der  ganze  zug  ist 
recht  geeignet  zu  zeigen,  dass  die  Navigatio  Brendani  aus  Imram 
Maelduin  zusammengearbeitet  ist.  nach  Imram  Maelduin  ist  klar, 
warum  die  3  coma/fa?  Maelduins  umkommen  müssen:  sie  giengen 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  177 

über  die  vom  Schicksal  bestimmte  zahl,  während  Breadans 
auswahl  eine  freiwillige  ist;  daher  in  der  Navigatio  ein  grund 
erfunden  wird  (Scbröder  s.  6,  32  ff),  bei  denselben  episoden  wird 
in  beiden  erzählungeu  der  Untergang  der  drei  berichtet  (Imram 
Maelduin  11.  15,  31  =  Navigatio  Brendani  7.  15.  21):  der  erste 
fällt  wegen  des  diebstahls;  bei  den  beiden  anderen  ist  der  tod 
in  Imram  Maelduin  schön  motiviert,  während  die  art,  wie  Bren- 
dan  die  2  fratres  los  wird,  eigentümlich  ist.  —  auch  die  zahl 
der  genossen  in  Navigatio  Brendani  erklärt  sich,  sobald  man  an- 
nimmt, dass  der  verf.  sich  im  Irrtum  befunden  und  geglaubt 
habe,  die  zahl  der  genossen  Maelduins  sei  17  mit  den  3  pflege- 
brüdern:  dann  kommt  man  auf  die  bis  Septem  in  Navigatio  Bren- 
dani (Schröder  s.  5,  26). 

Was  nun  die  erlebnisse  auf  der  fahrt  anlangt,  so  lassen  sich 
sämmlliche  abenteuer  der  Navigatio  Brendani  mit  ausnähme  von 
9  (Jasconius)  und  14  (kämpf  der  beiden  meerungetüme)  im  Imram 
Maelduin  nachweisen :  sie  sind  entweder  direct  herübergenommen 
oder  zusammengearbeitet  aus  verschiedenen  Zügen,  die  verchrist- 
lichung  der  alten  volkstümlichen  sagenzüge  ist  wesentliches  motiv 
der  Umgestaltung. 

Navigatio  6  und  7  ist  Imram  Maelduin  11.  die  geschmückten 
wände  in  Navigatio  (Schröder  s.  8,  2ff)  erhalten  licht  aus  dem 
Imram.  das  frenum  ist  eine  'halskette',  womit  sich  Schröders 
bemerkung  s.  37  z.  3  v.  u.  erledigt,  aus  der  feurigen  katze, 
die  durch  den  dieb  fährt  und  ihn  zu  asche  brennt,  wird  der 
teufel  in  gestalt  eines  äthiopischen  knaben. 

Navigatio  8  wird  wol  aus  Imram  Maelduin  12  umgestaltet 
sein,  die  insel  der  schafe  ist  dieselbe,  nur  sind  die  weifsen  ge- 
blieben, hinzu  kommt  die  erinnerung,  dass  Maelduin  mit  seinen 
genossen  bei  verschiedenen  gelegenheiten  grofse  schafbeerden  auf 
Inseln  trifft  und  sich  davon  nährt  (30). 

Navigatio  10  ist  deutlich  Imram  Maelduin  18,  nur  weiter  aus- 
geführt in  kirchlichem  sinne. 

Navigatio  11  ist  Imram  Maelduin  19  und  20  zusammen- 
gearbeitet, die  auf  den  bäumen  sitzenden  seelen  der  geschlechts- 
angehörigen  sind  fratres  geworden  %  deren  jedem  ein  halbes  brot 

'  es  war  dies  die  beste  gelegenheit,  die  24  genossen  des  Ailbe,  welche 
uns  schon  oben   s.  134  in   der   iitanei  aus   LL    begegneten,  anzubringen: 
von  diesen  heifst  es  filet  and  imbethaid  cobräth   'sie  sind  dort  lebend  bis 
Z.  F.  D.  A.    XXXIII.    N.  F.    XXI.  12 


17S  KELTISCHE  BEITRAGE  II 

zu  teil  wird  wie  den  einsiedlern  in  Imram  19.  20.  in  beiden 
erzälilungeu  kommen  die  ausnahmen  an  den  festlagen  vor  (Schröder 
s.  16,  4  11").  auch  dem  Brendan  und  seinen  genossen  tritt  zu- 
erst nur    ein    senex  capillis  niveo  colore  et  clara  facie  entgegen. 

Navigatio  12  geht  auf  Imram  Maelduin  20  zurück,  aus  letz- 
terer erzählung  ist  die  verschiedene  behandlung  an  gewolinlichen 
tagen  und  festtageu  auf  die  speise  in  Imram  M.  19  übertragen 
und  daraus  Navigatio  11  gebildet,  es  bleibt  also  von  den  eigen- 
schaften  der  wunderbaren  quelle  nur  mehr  die,  dass  Maelduin 
und  seine  genossen  von  dem  trunk  in  schlaf  fielen,  dies  ist  in 
Navigatio  12  ausgeführt.  Maelduin  sowol  als  Brendan  verweilen 
3  tage. 

Navigatio  15  ist  aus  Imram  Maelduin  16.  15  entstanden,  die 
einteilung  der  bewohner  in  3  gruppen  ist  wol  aus  der  einteilung 
in  Imram  Maelduin  16  genommen,  wie  in  Navigatio  10  =  Imram 
Maelduin  18  die  in  der  quelle  nur  angedeutete  spräche  der  vogel 
weit  ausgeführt  ist  und  ihnen  bibelstellen  in  den  mund  gelegt 
werden ,  so  wird  hier  das  'unaufhörliche  wehklagen'  der  Insel- 
bewohner ausgedeutet,  in  beiden  erzählungen  bleibt  der  zweite 
der  nachgekommenen  auf  dem  eiland. 

Navigatio  16  ist  aus  dem  anfang  von  Imram  Maelduin  30  aus- 
gesponneu.  ein  sehr  grofser  vogel  trägt  einen  zweig  (ramns 
=  gesca)  Iliegeud  übers  meer  in  seinem  schnabel;  der  botrus 
magnus  mire  rubkmidüalis  entspricht  den  bolga  derga  fair  cos- 
maile  frifinemna.  indem  der  erzähler  der  Navigatio  den  vogel 
seinen  zweig  aus  den  lüften  in  den  kahn  werfen  lässt,  lag  die 
combination  nahe,  den  Brendan  eine  insel  aufsuchen  zu  lassen, 
wo  die  frucht  wuchs;  dieselbe  muste  ja  in  der  richtung  liegen, 
aus  der  der  vogel  kam.  damit  war  das  vorbild  verlassen,  von 
dem  jedoch  dieselbe  episode  30  den  gedankeu  abgab  für  ein 
weiteres  begebnis  in  der  Navigatio.     denn 

Navigatio  17  nimmt  seinen  Ursprung  aus  Imram  Maelduin  30. 
im  Ina  am  geraten  Maelduin  und  seine  genossen,  als  sie  den  für 
eine  wölke  gehaltenen  grofsen  vogel  auf  der  insel  sahen,  in 
furcht,  er  wolle  sie  forttragen,  ähnliche  furcht  hegten  Brendans 
genossen  (Schröder  s.  25,  32  ff),    aus  den  beiden  nachkommenden 

zum  gericht'  und  von  den  seelen  der  geschlechtsgenossen  heifst  es  im  Im- 
ram iMaeldiiin  atü  süt  ocernaide  lai  bratha  'sie  erwarten  dort  den  tag  dts 
gerichts.' 


KFXTISCHE  BEITRÄGE  II  179 

grofsen  vögeln  im  Imraai  Maelduin  wird  nun  der  zweite  griffa. 
bei  der  ausbildung  der  erzählung  in  der  Navigalio  ist  die 
oachahmung  von  Navigalio  14  (kämpf  der  beiden  wasserunge- 
tilme)  klar. 

Navigalio  18  hal  sein  vorbild  in  Imram  Maelduin  22  und  23, 
was  keiner  ausiühru ng  bedarf,  noch  weniger  ist  eine  solche  er- 
forderlich dafür,  dass 

Navigalio  19  gleich  Imram  Maelduin  26  ist.  das  conopeum 
ist  ein  grofses  nelz.  interessant  ist,  wie  die  episode  von  dem  ab- 
geschlagenen stück  der  masche  durch  Diuran  zu  einem  calix  de 
genere  cotiopei  und  einer  patena  de  colore  columpne  wird,  die 
irgendwo  in  einer  fensternische  der  säule  liegen!  dem  corop  mote 
chretir  moscel  'dass  um  so  eher  meine  erzählung  glauben  finde' 
entspricht  ad  credendum  mihi  dedit  isla  bina  munera  (Schröder 
s.  27,  32).  dieser  abschnitt  ist  lehrreich,  um  die  herausarbeitung 
der  episoden  in  der  Navigalio  aus  der  allen  volkstümlichen  er- 
zählung zu  beobachten. 

Navigalio  20  ist  zum  teil  ziemlich  wörtlich  Imram  Maelduin  21, 
nur  letzleres  anschaulicher  und  natürlicher,  für  den  sinn  von 
bruth  romor  ist  die  widergabe  durch  massa  ignea  de  scorio  im- 
mense magnitudinis  atque  fervoris  nicht  uninteressant. 

Navigalio  21  hal  mit  Imram  Maelduin  31  den  Verlust  des 
dritten  der  nachgekommenen  gemein,  wie  in  Navigalio  15  aus 
den  wehklagenden  menschen,  bei  denen  der  zweite  bleibt  (Imram 
Maeld.  15),  fromme,  singende  leule  geworden  sind,  so  wurdeu 
die  lachenden  und  spielenden  menschen  in  Imram  Maelduin  31, 
die  den  drillen  zurückhallen,  zu  sündigen  dämonen.  die  sonstigen 
Züge,  wie  ripa  magne  altitudinis  und  der  berg,  können  aus 
anderen  nicht  besonders  verwendeten  episoden  von  Imram  Mael- 
duin stammen  (zb.  13.  25). 

Navigalio  22  und  23  haben  ihr  vorbild  in  Imram  Maelduin  33. 
die  erzählung  ist  hier  zerlegt,  wie  ja  auch  Navigalio  16  und  17 
aus  Imram  Maelduin  30  stammen  und  zu  Navigalio  11  und  12  die 
episode  Imram  Maelduin  20  verwendet  ist.  die  Schilderung,  wie 
Brendan  und  seine  genossen  den  auf  einer  klippe  hangenden 
Judas  für  einen  vogel  hallen  und  näher  rudern  (Schröder  s,  29, 
30  fr),  ist  ganz  wie  im  eingang  zu  Imram  Maelduin  33.  die  beiden 
seilen  des  greises  im  Imram  Maelduin  33  —  der  Sünder  und  der 
fromme  anachoret  —  sind  in  der  Navigalio  unter  einfluss  christ- 

12* 


180  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

lieber  sagen  zu  zwei  besonderen  personen  verarbeitet,  die  meisten 
Züge  aus  der  quelle  finden  sich  bei  der  figur  in  Navigatio  23: 
erat  coopertus  totus  capillis  suis  et  barba  et  ceteris  pilis  nsque  ad 
pedes  et  erant  candidi  sicut  nix  pre  nimia  senectute,  nihil  aliud 
indumenti  erat  Uli  exceptis  pilis  que  egrediebantur  de  suo  corpore 
(Schröder  s.  32,  29  ff)  besagt  dasselbe  wie  ocus  se  tiiigthe  ofind 
fut  giul  a  chuirp  foidisin  'und  er  bekleidet  mit  dem  langen, 
weifsen  baar  seines  körpers'  (H.  2.  16  col.  387).  die  Unter- 
haltung beim  aufwerfen  des  grabes  findet  sich  in  beiden  texten; 
ebenso  stimmt  die  Schilderung,  wie  Paulus  auf  der  klippe  landet 
(Schröder  s.  33,  25 ff),  mit  der  Schilderung    im  Imram  Maelduin. 

Ferner  ist  die  geschiebte  mit  dem  seebund  (biber,  otter), 
der  den  lachs  bringt,  und  den  beiden,  von  denen  der  eine  einen 
lachs,  der  andere  brennbolz  trägt  (H.  2.  16  col.  389)  in  der 
episode  der  Navigatio  verwendet  (Schröder  s.  33,  29) :  dem  im- 
mon  nönai  entspricht  circa  horani  nonam  und  der  doborcha  (biber) 
'wasserhund'  ist  luter  'animal  amphibium  quod  Ävva  no- 
tccfÄiov  vocant  Aelianus  et  Aetius'  (DuCange  ed.  Favre  s.v.). 
das  allzu  wunderbare  der  schiffersage  ist  jedoch  in  der  INavigatio 
auch  hier  abgestreift,  endlich  stimmt  auch  der  schluss  in  den 
beiderseitigen  episoden  (Iniram  Maelduin  33,  Navigatio  Bren- 
dani  23).  der  greis  verkündet  dem  Maelduin,  er  werde  mit 
seinen  genossen  in  die  heimal  zurückkehren,  vorher  aber 
noch  die  insel  und  den  mann  treffen,  derentwegen  er 
d  i  e  f  a  h  r  t  unternommen,  ebenso  verkündet  Paulus  (Schröder 
s.  34,  10  fl),  dass  Brendan  mit  seinen  gefährten  in  die  heimat 
zurückkehren  werde,  nachdem  sie  vorher  noch  die  terra 
repromissionis  sanctorum  gesehen,  um  deren  willen 
er  die  fahrt  unternommen. 

Für  Navigatio  24.  25  bot  Imram  Maelduin  32,  wo  offen- 
bar die  insel  der  seeligen  beschrieben  ist,  den  ausgangspunct, 
wenn  auch  in  der  ausführung  andere  elemente  mitverwoben 
wurden. 

Sieht  man  also  ab  von  den  abschnitten  1  und  2  der  Navi- 
gatio, welche  Brendans  abstammung  und  die  erzählung  des  Ba- 
rintus  enthalten,  ferner  von  abschnitt  13,  der  die  feier  der  4  feste 
schildert,  sowie  von  dem  specifisch  kirchlichen,  so  ergibt  sich, 
dass  sämmtliche  episoden  der  Navigatio  Brendani 
aus  der  erzählung  vom  Imram  des  Maelduin  heraus- 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  181 

gearbeitet  si  n  d  m  it  ausnähme  zweier:  9  (fisch  Jascooius) 
und  14  (kämpf  der  beiden  meerungetiime). 

Diese  beiden  episoden,  für  welche  wir  im  Imram 
Maelduiu  kein  vorbild  finden,  hat  die  Navigatio  Brendani 
mit  dem  jüngeren  Imram  Brenaind  (siehe  oben  s.  1 34  bis 
142)  gemeinsam  (siehe  oben  s.  141).  und  dieselben  bei- 
den episoden  finden  wir  sonst  an  den  namen  Bren- 
dans,  wenn  auch  in  einzelheiten  abweichend,  geknüpft: 
hinsichtlich  des  abschoittes  Navigatio  14  =  Imram  Brenaind  13 
(kämpf  der  beiden  meerungeheuer)  kann  ich  auf  die  oben  unter 
Ai  (s.  130 — 132)  gesammelten  Zeugnisse  verweisen,  zu  abschnitt  9 
der  Navigatio  (Jasconius)  bat  schon  Schröder  s.  40  aus  dem  Leben 
des  hl.  David  (Acta  SS  märz  i  s.  44  note)  die  notiz  beigebracht, 
dass  der  hl.  Barrius,  der  durch  die  fluten  auf  einem  pferd  von 
Wales  nach  süd  -  Irland  ritt,  auf  Brendan  traf,  qtii  suyer 
marinum  cetuni  mirahilem  dncebat  vitam.  ein  weiteres 
Zeugnis  kann  ich  noch  aus  irischer  litteralur  beibringen.  Kelly 
gibt  in  seiner  ausgäbe  des  Martyrology  of  Tallagh  (Dublin  1857) 
im  anhaug  ein  von  Colgan  in  den  Actis  sanctorum  vielfach  ciliertes 
gedieht,  welches  nach  der  schlussstrophe  von  einem  Cuimin 
Coindere  dh.  Cuimin  vou  Connor  (in  der  heutigen  grafschaft 
Antrim)  herrührt,  und  in  je  einer  Strophe  die  hervorstechendste 
tugend  je  eines  heiligen,  oder  was  sonst  für  besonders  merk- 
würdig von  ihm  galt,  zu  schildern  versucht,  die  hier  unserem 
Brendan  gewidmete  Strophe  findet  sich  auch  in  dem  oben  s.  134  ff 
aus  Book  of  Lismore  besprochenen  Imram  Brenaind  am  schluss 
vou  episode  2  als  citat  und  lautet  dort  (fol.  74"^,  1)  in  etwas 
älterer  Orthographie  als  bei  O'Kelly  so: 

Carais  Brenaind  huandirahud  doreir  shenuid  is  shamhaidh 
.vn.  mbUad(na)  ardrm'm  inmilmoir  badocair  incoir  chrabaidh 
'Brendan  liebte  andauernde  abtölung  (des  fleisches)  gemäfs  dem 
beschlusse  der  synode  und  Versammlung:  7  jähre  war  er  auf  dem 
rücken  des  walfisclies ,  es  war  ein  schlechter  (dh.  mit  plage  ver- 
bundener) vertrag,  die  kasteiuugsvorschrift.'  in  einer  anmerkung 
ist  bei  O'Kelly  angegeben,  dass  dieser  aufenthalt  auf  des  Wal- 
fisches rücken  eine  Kerry -legende  sei.  mll  mdr  ist  im  Imram 
Brenaind  die  irische  bezeichnung  des  Jasconius  (siehe  oben 
s.  135). 

Soviel  steht  also  vorläufig  fest,  um  das  resultat  noch  einmal 


182  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

hervorzuheben,  dass  gerade  die  beiden  episoden  oder 
Züge  der  Navigatio  sancti  Brendani,  für  die  sich  im 
Imram  Maelduiu  kein  Vorbild  findet,  durch  ge- 
nügend zahlreiche  Zeugnisse  mit  dem  namen  Bren- 
dans  fest  verknüpft  sind,  allerdings  nicht  in  der  Ver- 
wendung, wie  sie  die  Navigalio  benutzt,  es  ist  demnach  die 
annähme  wol  nicht  zu  voreilig,  dass  diese  beiden  momente  aus 
Brendans  leben,  die  nicht  im  entferntesten  eine  oceanfahrt  im 
sinne  der  Navigatio  zur  Voraussetzung  haben,  die  nicht  einmal 
ohne  Umgestaltung  in  eine  solche  passen,  einer  jüngeren  zeit 
als  der,  aus  welcher  Imram  Maelduiu  stammt,  veranlassung  geben 
konnten,  ihn  zum  träger  der  alten  volkstümlichen  sagen  zu 
machen,     hierauf  komme  ich  im  abschnitt  D  zurück. 

n.  Imram  curaig  UaCorra.  dieser  texl,  resp.  teile  des- 
selben, ist  in  4  hss.  auf  uns  gekommen,  a)  die  älteste  ist  das  sog. 
Book  of  Fermoy  (R.  i,  a.),  eine  in  den  wesentlichen  teilen  dem 
15  jh.  angehörige  hs.  hier  findet  sich  der  genannte  text  auf  fol. 
lOö''— 109^  1  nach  alter  Zählung,  b)  dann  kommt  23.  M.  50  (R. 
i.  a,),  eine  papierhs.  aus  der  ersten  bähte  des  18jhs.;  der  text  steht 
s.  187 — 200.  c)  noch  jünger  ist  23.  N.  15  (R.  i.  a.).  unserem  jh. 
gehört  an  d)  das  fragmeut  in  23.  C.  19  (R.  i.  a.).  von  diesen  4  hss. 
bieten  a  und  b  einen  vollständigen  text;  das  kleinste  fragmeut  findet 
sich  in  d  (s.  158 — 161),  das  nicht  einmal  die  ganze  einleitung  ent- 
hält und  bis  105'',  1  mitte  in  a  und  s.  189  ende  in  b  geht,  die  hs.  c 
ist  unvollständig  im  anfang;  sie  beginnt  auf  s.  1  in  der  einleitung 
kurz  vor  der  stelle,  wo  d  abbricht,  und  enthält  dann  keine  lücke 
bis  zu  ende  s.  20.  sämmtliche  hss.  repräsentieren  6ine  recension. 
die  abweichungen  sind  untergeordneter  art  und  bestehen  in  den 
jüngeren  hss.  im  zusatz  ausschmückender  adjective,  gelegentlich 
auch  in  breiterer  beschreibung  der  kleidung  einer  frau:  gewöhn- 
liche freiheiten  von  Schreibern,  bedeutender  ist,  dass  in  b  die 
episoden  22  und  23  ausgefallen  sind,  die  sich  in  a  und  c  finden: 
es  liegt  bei  der  sonstigen  Übereinstimmung  offenbar  ein  versehen 
des  Schreibers  vor,  der  ein  blatt  seiner  vorläge  überschlug. ^    darin 

'  dass  der  Schreiber  von  b  gedankenlos  abschrieb,  dafür  nur  eine 
heitere  probe,  in  episode  19  liest  a  (fol.  1Ü8*,  2  ende)  tarfas  doib  iarsin 
saili  tennlige  7  eind  daine  nimda  innti  'es  zeigte  sich  ihnen  darauf  eine 
feurige  salzsee  und  die  köpfe  vieler  menschen  (daine  nimda)  darin', 
welche  gepeinigt  werden,  hier  liest  b  (s.  198)  tarfäs  doib  iarsin  säile 
teintighel  ein  daoine  naomtha  innte  'es  zeigte  sich  ihnen  darauf  eine 


KELTfSCHE  BEITRAGE  II  183 

weicht  c  von  a  und  b  ab  —  über  d  lässt  sich  wegen  des  geringen 
iimt'angs  nichts  in  der  beziehung  behaupten  — ,  dass  es  am  schluss 
der  einzelnen  episoden  eine  widerholung  in  reimen  enthält,  viel- 
leicht eine  nachahmung  des  älteren  Verhältnisses  beim  Imram 
Maelduin  (siehe  oben  s.  149  anm.).  die  Überlieferung  ist  eine 
aul fallend  junge  und  macht  es  bedenklich,  dem  text  ein  su 
hohes  aller  beizumessen,  wie  O'Curry,  Manuscr.  materials  s.  293  H' 
will,  ehe  ich  jedoch  auf  diese  frage  näher  eingehen  kann,  muss 
ich  die  erzählung  selbst  vorführen. 

1.  Conall  Derc  UaCorra  Find  war  ein  streitbarer  hundert- 
lacher  landlord  ( ßaithbriugaid  cetach  comrumach)  in  Connacht, 
ein  glücklicher,  reicher,  sehr  leutseliger  mann,  sein  haus  war 
immer  von  den  drei  geschreien  voll:  dem  geschrei  der  filtrierer 
beim  filtrieren  des  bieres,  dem  geschrei  der  pächter  (bauern, 
nanaithech)  über  den  kesseln  zum  kochen  (osnacoirib)  bei  der 
von  kriegszügen  ausruhenden  schar,  dem  geschrei  der  jungen 
edlen  über  dem  brettspiel ,  wenn  sie  über  genossen  den  sieg 
davon  trugen,  immerdar  befanden  sich  in  seinem  hause  die 
3  Scheffel  (miach):  ein  scheffel  malz,  um  es  der  hefe  zuzusetzen 
(?  zur  hefebereitung?  refrithailem  deasgaid) ,  ein  scheffel  waizen 
zur  Zubereitung  der  nahrung  für  die  gaste,  ein  scheffel  salz,  um 
jeder  nahrung  guten  geschmack  zu  geben,  seine  rotwangige 
(beereurote,  caorderg)  galtin  war  eine  tochter  des  güterverwalters 
von  Clothar.  ihnen  fehlte  nichts,  als  dass  sie  keine  nachkommen- 
schaft  halten;  sie  hatten  zwar  zwei  kinder  gehabt,  die  aber 
nach  der  geburt  starben. 

Eines  nachts  sagte  der  mann  zu  seiner  frau  im  bell:  es  ist 
traurig  fih-  uns,  dass  wir  keinen  söhn  haben,  der  nach  uns 
unseren  besitz  erbe,  was  willst  du  damit?  sagte  die  frau.  das 
feurige  salzsee  und  köpfe  heilig  er  (!)  mensche  rj  darin.'  wie  kann  ein 
guter  irischer  katholik  'geheiligte  —  naomtha  ist  part.  prät.  pass.  zu  naomaim 
c=  allir,  ?iö/Äim  sanclifico  —  niänner'  ins  fegfeuer  stecken?  in  Connacht  wird 
heutigen  tags  und  wurde  schon  längst  (siehe  Kelt.  Studien  i  45.  46)  der 
Vertreter  des  indogerm.  und  altirischen  oi,  geschrieben  ao,  gesprochen  i: 
also  aow  =  altir.  öin  wird  gesprochen  in.  so  sprach  der  Schreiber  daoine 
einfach  dlnc  richtig,  als  er  die  gelesene  zeile  niederschrieb,  liefs  er  sich 
verführen ,  nach  analogie  von  daoine  =  dine  für  das  nimda  der  vorläge, 
dh. n-mrfa,  gedankenlos  naomtha  zu  schreiben,  ohne  zu  bedenken,  welcher 
iinsinn  zu  stände  kam.  es  ist  so,  als  wenn  ein  franz.  Schreiber  für  das 
mit  se  im  ohre  liegende  cinq  der  vorläge  einfach  saint  schreiben  würde, 
das  interdum  dormitat  gilt  nicht  blofs  vom  guten  Homer, 


184  KELTISCHE  BEITRÄGE  11 

will  ich,  sagte  der  maoo,  dass  wir  beim  teufel  zur  communion 
gehen,  um  zu  sehen,  ob  er  uns  nicht  einen  söhn  oder  eine 
tochier  als  erbe  bescheert.  die  frau  willigt  ein  und  sie  fasteten 
lür  den  teufel i  und  die  frau  wurde  sofort  schwanger  und  nach 
9  monaten  gebar  sie  unter  grofsen  wehen  3  söhne:  einen  im 
anfang,  den  anderen  in  der  mitte,  den  dritten  am  ende  der  nacht, 
sie  wurden  in  der  heidnischen  manier  getauft  und  ihre  namen 
waren  Lochan  und  Enne  und  Silvester,  sie  wuchsen  heran  und 
waren  allen  altersgenossen  in  jedem  wettkampf  und  wissen  über- 
legen, als  sie  eines  tages,  um  auszuruhen  von  kriegerischen 
Übungen  (iarscis  amsa  7  imäna),  sich  an  die  vrand  des  elter- 
lichen hauses  lehnten,  sagten  leute  des  hauses:  wir  finden  keinen 
fehl  an  jenen  dreien ,  aufser  dass  sie  dem  teufel  angehören  (am- 
heith  arselb  Diab).  es  ist  schwer  für  uns  auf  diese  weise,  wenn 
wir  nicht  (dh.  dann  müssen  wir)  rauben,  streit  suchen  und  die 
feinde  des  teufeis  verfolgen,  wenn  er  unser  herr  ist,  nämlich 
die  kleriker  töten  und  kircheu  einäschern  und  verheeren. 

Da  erhoben  sie  sich ,  ergriffen  ihre  waffen  und  zogen  nach 
Tuaim  Da  Gualand,  verheerten  und  verbrannten  den  ort.  grofsen 
raub  und  plüuderung  verüblen  sie  durch  Connacht  an  kirchen 
und  klerikern ,  dass  an  allen  4  enden  von  Irland  ruchbar  wurde 
das  böse  und  der  abscheu  vor  ihrer  räuberei.  ein  jähr  lang 
trieben  sie  es  so,  dass  sie  eine  kirche  über  die  hälfte  der  kirchen 
Connachts  verwüstet  hatten,  da  sagte  Lochan  zu  seinen  brüdern: 
wir  haben  eine  grofse  vergesslichkeit  begangen  und  der  teufel 
wird  uns  nicht  dankbar  sein,  wir  haben  nämlich  noch  nicht 
unseren  grofsvater  getötet  und  seine  kirche  über  ihm  verbrannt, 
sie  machten  sich  zu  dem  unternehmen  auf.  als  sie  ankamen, 
war  der  archidiakonus  auf  der  wiese  der  kirche  umgeben  von 
den  klerikern ,  sie  bewirtend  mit  dem  besten  von  jeder  speise 
und  der  blume  jedes  trankes,  denn  er  wüste  ,  was  ihnen  bevor- 
stand, die  O'Corras  verschoben  die  ausführung  ihres  planes  nun 
bis  zur  nacht,  bis  kühe  und  rinder  des  ortes  an  ihre  aufent- 
haltsorte  zur  nacht  gekommen,  der  greis  gieng  mit  ihnen  zur 
Stadt  und  merkte  ihren  plan,  er  brachte  sie  in  einen  glänzenden 
Söller,  gab  ihnen  speise  und  trank,  bis  sie  berauscht  waren, 
darauf  wurden  ihnen  lager  und  hohe  betten  ausgebreitet,    da  flel 

*   troscad   fridemon,    um    ihn   durch    fasten    zu   zwingen;    vgl.   oben 
s.  133  anm. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  185 

tiefer  schlaf  auf  Lochan ,  sodass  er  eine  wunderbare  vision  hatte, 
er  wurde  durch  hininiel  und  hölle  geführt,  er  erwachte ^  und 
ebenso  die  beiden  anderen,  welche  sagten:  wir  wollen  uns  er- 
heben, um  diesen  ort  zu  verheeren  und  zu  verderben,  da  sagte 
Lochan:  es  dünkt  mich,  dass  dies  nicht  für  uns  geziemender 
ist,  denn  der  herr,  welchem  wir  dienten,  ist  böse  und  der  herr, 
an  dem  wir  raub  und  plünderung  bis  jetzt  begiengen,  ist  gut. 
ich  sah  eine  schreckliche,  schauerige  vision:  ich  wurde  weg- 
getragen, um  himmel  und  hülle  zu  sehen,  an  letzterem  ort  gibt 
es  eine  fülle  von  peinigungen  für  teufel  und  ihre  scharen,  ich 
sah  4  ströme  der  hölle:  den  ström  der  kröten,  den  ström  der 
nattern,  den  feuerstrom  und  den  schneestrom;  ich  sah  die  höllen- 
bestie  mit  zahlreichen  köpfen  und  füfsen,  und  die  menschen 
würden  bei  ihrem  anblick  sterben,  ich  wurde  darauf  getragen, 
um  den  himmel  zu  sehen:  ich  sah  gott  den  herrn  selbst  auf 
seinem  königsstuhl  und  eine  vogelschar  von  engein  ihn  durch 
gesang  erfreuen;  ich  sah  auch  einen  glänzenden  vogel  und  sein 
gesang  war  lieblicher  als  alle  musik :  es  war  Michael  der  erzengel 
in  vogelgestalt  vor  dem  schöpfer.  es  geht  also  mein  rat  dahin, 
dass  wir  die  waffen  weglegen  und  gott  alsbald  nachfolgen,  ob 
wol  gott  der  herr,  sagte  Enne,  bufse  von  uns  annehmen  wird 
bei  dem  grofsen  leid,  das  wir  ihm  zugefügt  haben? 

Sie  gehen  zum  grofsvater  und  befragen  ihn  darum,  der  be- 
jahte es.  gut,  sagte  Lochan,  dann  soll  für  uns  hier  eine  messe 
abgehalten  werden,  wir  wollen  reiseknüppel  aus  den  Schäften 
unserer  Speere  machen  und  wollen  Finden,  den  pflegevater  der 
heiligen  Irlands,  aufsuchen,  so  taten  sie;  sie  brachen  am  anderen 
morgen  nach  Cluain  Iraird  (Clonard)  zu  Finden  auf.  der  befand 
sich  auf  der  wiese  des  ortes.  wer  kommt  da  auf  uns  zu?  sagten 
die  in  der  Umgebung  des  heiligen  sich  befindenden  kleriker.  das 
sind  die  O'Corras,  die  räuber,  sagte  einer,  da  flohen  die  in 
Findens  Umgebung  und  liefsen  ihn  allein ,  da  sie  wähnten ,  die 

'  das  hier  gebrauchte  romuscail  'er  erwachte',  romuscidadar  'sie  er- 
wachten' (Book  of  Fermoy  fol.  105'',  1)  sowie  die  in  abschnitt  11  gebrauchte 
form  musclait  'sie  erwachen'  (fol.  107*,  2),  die  zu  neuh.  musglaim  'I  wake' 
gehören,  sind  sprachlich  höchst  interessant,  die  altirische  form  des  präsens 
würde  sein  immchloiin  'ich  wende  um';  immuscloit  'sie  wenden  sich  um', 
den  Ursprung  des  mä  =  altlat.  *ö«  hat  man  so  sehr  vergessen,  dass  man  im 
mittel-  und  neuirischen  mit  gewöhnlicher  apokope  der  prätonischen  silbe 
ein  müsclaim  'ich  erwache'  bildet  und  durchflectiert! 


186  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

Ü'Corras  kämen  zu  morden,  die  kleriker  fliehen  vor  uns,  sagte 
Lochan,  wir  wollen  unsere  keulen,  den  rest  unserer  waflen  weg- 
werfen und  uns  vor  ihm  auf  die  knie  werfen,  sie  taten  so.  was 
wünscht  ihr?  sagte  Finden,  glauben  und  gott  dienen  und  den 
herrn,  welchem  wir  bis  jetzt  dienten,  verlassen,  den  teufel.  kommt 
mit  mir,  sagte  der  kleriker.  sie  giengen  mit  ihm  in  den  ort 
und  da  hielt  die  Versammlung  der  kleriker  rat:  sie  sollten  als 
novizen  (maic  hecalsa)  Unterricht  geniefsen,  aber  zu  niemand 
als  dem  geistigen  pflegevater  reden  dürfen ,  und  der  Unterricht 
sollte  ein  jähr  dauern,  bis  sie  den  canon  lesen  könnten,  am 
ende  des  Jahres  kamen  sie  zu  Finden ,  lasen  vor  ihm  und  sagten : 
nun  ist  es  zeit,  dass  über  uns  das  urteil  gesprochen  werde  wegen 
der  grofsen  misselalen,  die  wir  begangen,  wie,  sagte  Finden, 
genügt  es  euch  nicht,  der  grofsen  gemeinschafi  anzugehören, 
in  der  ihr  seid?  es  genügt  uns  nicht,  sagten  sie.  welches  sind 
die  grösten  missetaten,  die  ihr  begangen?  fragte  Finden,  wir 
haben  mehr  als  die  hälfte  der  kirchen  Connachts  verbrannt,  und 
kein  bischof  oder  priester  fand  gnade  vor  unseren  äugen,  i  den 
menschen,  die  ihr  gelötet  habt,  könnt  ihr  das  leben  nicht  wider- 
geben, aber  was  ihr  könnt,  ist:  die  kirchen  wider  aufbauen, 
die  ihr  verbrannt,  und  wider  gut  machen,  was  ihr  sonst  in  den 
kirchen  beschädigt,  ich  werde  Schnelligkeit  und  kraft  von  100 
in  jeden  von  euch  legen  und  werde  ermüdung  der  füfse,  bände 
und  des  rückgrats  (midbac  droma)  von  euch  abwehren  und  werde 
nahrung  und  licht  euch  geben,  dass  kein  mangel.  sie  führten 
zuerst  iu  Tuaim  ihre  aufgäbe  aus  und  waren  ein  jähr  tätig,  in 
Connachl  kirchen  zu  bauen  und  herzustellen,  was  sie  vernichtet, 
nach  verlauf  des  Jahres  kamen  sie  zu  Finden  und  meldeten, 
dass  alles  wider  gut  gemacht  sei  bis  auf  einen  ort,  Cennmara^ 
nämlich,  das  ist  schade,  sagte  Finden,  das  ist  der  ort,  wo  ihr 
hättet  anfangen  sollen ,  der  ort  des  greisen  heiligen ,  des  alten 
Caman  von  Kiuvara;  geht  und  stellt  wider  her,  was  ihr  an  jenem 
ort  vernichtet,  und  jedes  urteil,  das  der  heilige  greis  über  euch 
fällen  wird,  dem  unterzieht  euch  willig,  sie  gehen  nach  Kinvara 
und  führen  den  auftrag  aus. 

Eines  tages,   als   sie   über   dem  hafenstrand  (osor  indiuain) 

*  ruc  maithium.  nanacuil  uaind  'erlangte  von  uns  erlass  des  begräb- 
nisses'. 

^  ist  Kinvara  (ende  des  meeres)  am  busen  von  Galway. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  187 

waren  und  die  sonne  nach  vvesten  gehen  sahen ,  da  wunderten 
sie  sich  sehr  über  den  weg  der  sonne,  welche  richlung  geht 
wol  die  sonne,  sagten  sie,  wenn  sie  in  den  ocean  taucht?  sie 
beschlossen,  einen  ihnen  in  der  gegend  befreundeten  Zimmer- 
mann (saer)  zu  sich  zu  nehmen ,  dass  er  ihnen  ein  dreihäutiges 
schiff  baue,  der  kahn  wurde  fertig  gestellt,  als  lohn  forderte 
der  Zimmermann  seine  mitnähme,  als  die  zeit  herankam,  an 
bord  ZU  gehen,  sahen  sie  eine  grofse  schar  vorbeiziehen,  eine 
schar  von  Wallfahrern  (?cliar  crosan^).  als  die  crosans  sahen, 
dass  der  kahn  ins  wasser  gesetzt  wurde,  fragten  sie,  wer  die 
männer  wären ,  die  den  kahn  in  den  ocean  liefsen.  der  spafs- 
macher  (Jongleur,  fuirseoir)  der  schar  erwiderte:  ich  kenne  sie: 
es  sind  die  3  söhne  des  Conall  Derc  O'Corra  Find  aus  Connacht, 
die  plünderer  und  rauher,  die  in  die  fremde  ziehen,  um  den 
herrn  auf  dem  meer  und  dem  grofsen  ocean  zu  suchen,  über- 
dies, sagte  der  spafsmacher,  bei  meinem  wort,  sie  haben  es  nicht 
nötiger  den  himmel  zu  suchen  als  ich.  bei  meinem  worte,  sagte 
der  führer  der  crosanschar,  es  wird  lange  dauern,  bis  du  deine 
Pilgerreise  antrittst,  rede  nicht,  sagte  der  spafsmacher,  ich 
werde  jetzt  ohne  verweilen  mit  ihnen  meine  pilgerreise  antreten, 
wir  haben  dein  wort,  sagten  die  crosans,  dass  du  unsere  (dh, 
die  von  uns  erhaltenen)  gewänder  nicht  mitnimmst,  denn  du  hast 
von  deinem  eigenen  kein  gewand  um  dich,  das  wird  mich  nicht 
•  etymologisch  kann  crosän  nur  eine  person  bezeichnen ,  die  zum  kreuz 
oder  crucifix  (cross)  in  irgend  einer  beziehung  steht,  in  dem  von  Stokes 
veröffentlichten  tractat  über  lat.  declination  aus  dem  ende  des  15jhs.  glos- 
siert crosan  das  lat.  sctirra  und  so  bedeutet  im  kymr.  das  dem  ir.  crosan 
entsprechende  croesan  'buffoon' :  es  kommt  schon  in  den  gesetzen  von  Hywel 
Da  vor.  die  Verbindung  stellt  Todd  (Nennius  s.  182  anm.  j)  so  her:  'the 
crossans  were  the  crossbearers  in  religious  processions,  who  also  com- 
bined  with  thal  occupation,  the  profession,  if  \ve  may  so  call  it,  of  singing 
satirical  poems  against  those  who  had  incurred  church  censure,  or  wäre 
for  any  other  cause  obnoxious.'  in  unserem  text  bezeichnet  crosara  jedes 
einzelne  mitglied  der  wallfahrerschar  (cliar  a'osan,  na  crosain) ; 
diese  mitglieder  der  wallfahrt  hatten  sich  unterwegs  einen  spafsmacher 
(Jongleur,  mimen,  fuirseoir)  mitgenommen  zu  ihrer  erheiterung.  nimmt  man 
an,  dass  man  ihm  nebenbei  auch  noch  das  tragen  des  oder  der  auf  Stangen 
befindlichen  crucifixe,  die  man  mitführte,  auftrug,  so  ist  verständlich,  wie 
crosan  'crucifixträger,  dh.  Wallfahrer'  zu  'spafsmacher'  wurde  und  für  fuirseoir 
eintrat,  dass  in  unserem  text  noch  die  bedeutung 'Wallfahrer' im  allgemeinen 
dem  wort  crosan  inne  wohnt  und  zwar  ausschliefslich,  ist  ein  zeichen  hoher 
altertümlichkeit. 


188  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

bei  euch  zurückhalten,  er  riss  alle  seine  kleider  von  sich  und 
sie  enlliefsen  ihn  ungestüm  ganz  nackend  (codiscir  derglomnocht 
'rot  nackend')  zum  kahn.  was  bist  du  für  ein  wesen?  fragten 
sie  (die  O'Corras).  ein  armer  mann,  der  mit  euch  auf  pilger- 
schaft gehen  will,  sagte  er.  es  wird  dir  nicht  zu  teil  werden, 
sagten  sie.  sagt  das  nicht,  o  Jünglinge,  erwiderte  er,  um  gottes 
willen  weist  mich  nicht  zurück:  ich  werde  euren  sinn  und  natur 
erfreuen  (durch  meine  scherze),  und  euer  glaube  wird  dadurch 
nicht  geringer,  sie  willigten  ein,  ihn  um  gottes  willen  mit  zu 
lassen,  so  waren  sie  nun  da,  nachdem  sie  kirche  und  altar  für 
den  herrn  auf  ihrem  erbe  erbaut  hatten,  wir  wollen  nun  in 
unseren  kahn  gehen,  sagte  Lochan,  nachdem  wir  die  verwüsteten 
kirchen  widerhergeslellt  und  nachdem  wir  dem  herrn  eine  kirche 
auf  unserem  erbe  erbaut  haben.  9  mann  stark  war  ihre  zahl 
und  darunter  war  ein  bischof ,  ein  priester  und  ein  diaconus.  ein 
diener  (gilla)  war  als  neunter  bei  ihnen.  ^  sie  richteten  in- 
brünstige gebete  zu  gott,  dass  sie  günstiges  weiter  (coirs'me) 
hätten  und  dass  der  herr  abhalte  von  ihnen  wogen  und  meer 
sowie  die  vielen  bestien. 

2.  sie  giengen  darauf  in  ihren  kahn  und  begannen  zu  rudern 
und  beratschlagten,  nach  welcher  richtung  sie  gehen  sollten,  die 
Seite,  nach  welcher  der  wind  tragen  wird,  sagte  der  bischof. 
darauf  nahmen  sie  die  rüder  in  den  kahn  und  überliefsen  sich 
gott.  kurz,  ein  starker  stürm  trieb  sie  in  den  ocean  des  grofsen 
meeres  in  gerader  richtung  nach  westen  und  sie  waren  40  tage 
und  40  nachte  auf  dem  ocean,  bis  ihnen  gott  viele  von  den 
manigfaltigen  wundern  zeigte,  zuerst  zeigte  er  ihnen  eine  insel 
von  leuten  in  kummer  und  trauer.  ein  mann  von  ihnen  (den 
insassen  des  bootes)  geht,  erkundigung  bei  den  inselbewohnern 
einzuziehen,  um  was  sie  so  wären,  er  begann  wie  alle  anderen 
zu  heulen  und  trauern,  sie  lassen  ihn  dort  und  ruderten  weiter 
ins  meer. 

3.  darauf  starb  ihnen  der  crosan  und  sie  waren  traurig 
darüber,  als  sie  so  da  safsen ,  sahen  sie  einen  kleinen  vogel  auf 
dem  rand  des  kahnes.  o  menschen,  sagt  mir  um  gottes  willen 
den  grund  der  trauer,  sagte  er.  ein  kleiner  crosan  war  bei 
uns  zu  unserer  erheiterung  und  der  starb  vor  kurzem  uns;  das 

'  also  3  UaCorras,  die  3  geistlichen,  der  Zimmermann,  spafsmacher, 
diener. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  189 

ist  der  grund.  ich  bin  euer  crosan,  erwiderte  der  vogel ;  seid 
nicht  länger  traurig,  denn  ich  werde  jetzt  zum  himmel  gehen. 
er  nimmt  darauf  abschied  von  ihnen. 

4.  sie  ruderten  darauf  weiter,  bis  ihnen  eine  andere  un- 
bekannte insel  erschien,  ein  eichwald,  lieblich  glänzend,  von 
saftigen  fruchten,  befand  sich  darauf j  ein  ström,  der  wein  führte, 
tloss  durch  den  eichwald.  wenn  aber  der  wind  die  wipfel  des 
eichwaldes  bewegte,  dann  war  das  geräusch  lieblicher  als  jede 
musik.  die  O'Corras  afsen  einiges  von  den  äpfeln  und  tranken 
etwas  von  dem  weinstrom  und  wurden  sofort  satt,  sodass  sie 
weder  wunde  noch  krankheit  an  sich  mehr  fühlten. 

5.  darauf  begannen  sie  lange  zeit  umher  zu  rudern,  bis 
ihnen  eine  andere  insel  erschien.  4  scharen  verschiedener  leute 
befanden  sich  auf  ihr.  sie  teilten  die  insel  in  4  teile,  in  einem 
teil  befanden  sich  die  bejahrten,  grauhaarigen;  fürsten  in  dem 
zweiten;  edle  in  dem  dritten;  diener  in  dem  vierten  teil,  sie 
waren  alle  lieblich,  schön,  sie  spielten  ohne  aufhören,  einer 
von  ihnen  (den  genossen  der  O'Corras)  gieng,  um  erkundigung 
bei  ihnen  einzuziehen,  der  war  schwarz  im  vergleich  zu  den 
glänzenden  leuten ,  zu  denen  er  kam.  er  begann  sofort  mit 
ihnen  zu  spielen  und  zu  lachen,  sodass  er  fröhlich  und  glänzend 
wie  sie  selbst  wurde,  und  er  blieb  bei  ihnen  auf  der  insel,  und 
die  O'Corras  waren  darüber  betrübt. 

6.  sie  rudern  darauf  weiter,  es  erschien  ihnen  eine  andere 
insel  und  ein  fufs  befand  sich  unter  ihr,  der  sie  über  das  meer 
in  die  höhe  hielt,  und  sie  hörten  grofses  geschrei  und  Unter- 
haltung der  menschen  oben  auf  ihr  und  konnten  sie  nicht 
sehen. 

7.  sie  verlassen  darauf  diese  insel  und  beginnen  auf  dem 
meer  zu  rudern,  sie  trafen  auf  einen  wunderbaren  ström;  in 
gestalt  eines  regenbogens  (stuag  nime)  erhebt  er  sich  auf  zum 
firmament  und  nicht  fällt  ein  tropfen  heraus,  bis  er  ganz  auf 
einmal  wider  in  den  ocean  fällt,  und  es  war  lieblich  sein  ge- 
räusch und  getös,  uud  nicht  erhob  er  das  haupt  vom  nachmittag 
des  samstags  bis  zur  dritten  stunde  am  montag  und  er  hat  honig- 
gescbmack. 

8.  es  zeigte  sich  ihnen  darauf  am  anderen  tage  ein  wunder- 
bares ding  im  ocean,  ein  ding  wunderbarer  als  jedes  andere 
ding  war   dieses,    nämlich    eine   grofse  silberne  säule,    die  vier- 


190  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

eckig  war  (cethareochair),  mitten  im  meere,  und  ein  fischernetz 
(77h  eise)  gieng  von  ihrem  gipfel  in  das  meer.  silber  und  find- 
ruine  war  das  ganze  netz.  Lochan  nahm  eine  masche  von  diesem 
netz  mit  sich,  welche  wog  3  halbe  unzen  silbers  und  findruine, 
und  zum  zeugnis  für  die  erzählung  nahm  er  sie  mit  und  Mael- 
(duin)  sah  dieselbe  sache  (7  roconnuic  Mael .  .  .  inni  cetna). 

9-  sie  rudern  darauf  weiter,  bis  sich  ihoen  zeigte  eine 
andere  insel,  und  ein  kleriker  (eii  mhac  eccalsa)  war  aut  ihr.  die 
insel  war  lieblich  und  ihre  Schilderung  wunderbar,  rote  blumen 
waren  auf  ihr,  die  honig  ausgössen  [ocsilad  7  octehorsin  mila); 
schöne  glänzende  vogelscharen  und  sehnsuchterregende  liebliche 
musik  bei  ihrem  singen,  sie  zogen  erkundigung  ein  bei  dem 
kleriker.  er  sagte:  ich  bin  Dega,  ein  schüler  des  Andreas,  des 
apostels,  und  ich  vergafs  mein  morgengebet  (iarmerge)  in  einer 
nacht  und  deswegen  schickten  sie  mich  auf  die  pilgerschaft  auf 
den  ocean ,  dass  ich  hier  weile  in  erwartung  des  gerichts,  und 
die  vogelschar,  die  ihr  seht,  sind  die  seelen  heiliger  menschen, 
sie  sagen  ihm  lebewol. 

10.  sie  ruderten  weiter,  bis  sie  eine  andere  insel  trafen: 
tote  menschen  auf  der  einen  hälfte  derselben,  lebende  menschen 
auf  der  anderen,  sie  erhoben  grofsen  lärm  und  gewaltiges  weh- 
geschrei,  wenn  die  rotleuchtenden  wogen  des  feurigen  meeres 
über  sie  giengen.  grofs  und  gewaltig  war  die  pein,  in  der  sie 
sich  befanden ,  und  eine  schar  von  ihnen  hatte  eiserne  füfse. 
sie  ruderten  weiter  und  sahen  die  schweren  feurigen  steine  und 
eine  schar  auf  ihnen,  die  geröstet  wurde,  und  rote  feurige  spiefse 
durch  sie.  sie  stiefsen  schwere  grofse  wehklagen  aus.  sie  fragten 
dieselben,  was  das  bedeute,  ein  stein  von  den  steinen  der  hülle 
ist  dies,  sagten  sie,  und  sagt  nur  jedem  menschen,  sich  vor  dem 
stein  in  acht  zu  nehmen,  denn  wenn  jemand  hierher  kommt, 
der  kommt  nicht  los  bis  zum  gericht. 

11.  es  zeigte  sich  ihnen  darauf  eine  andere  insel,  eine 
wunderbare,  glänzende,  und  ein  eherner  wall  war  um  sie  und 
ein  ehernes  netz  ausgebreitet  auf  seinen  zinken  (arafiaduibh  'auf 
seinen  zahnen'),  sie  lassen  ihren  kahn  am  ufer  des  meeres  und 
gehen  auf  das  castell  zu.  als  sie  den  gesang  des  windes  gegen 
das  netz  hörten ,  fielen  sie  auf  3  tage  und  3  nachte  in  schlaf, 
sie  erwachen  darauf  aus  ihrem  schlaf,  es  kam  ein  gewisses  weih 
zu   ihnen    aus   der    bürg.     2  scliulie    von  findruine   um    sie  und 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  191 

eio  ehernes  gelafs  in  der  einen  band  und  ein  silberner  schöpter 
in  der  anderen  band,  sie  teilte  ibnen  nahrung  zu,  die  sie  wie 
käse  dünkte  (amar  mcßthla  darleosan);  sie  schenkte  ihnen  wasser 
der  quelle,  die  sich  am  Strand  befand,  und  es  gab  keinen  ge- 
schmack,  den  sie  nicht  darin  fanden,  und  es  sagte  das  weib 
zu  ihnen:  geht  fort,  denn  hier  ist  eure  auferstehung  nicht,  wenn 
wir  auch  von  demselben  geschleclit  sind,  sie  nehmen  von  dem 
weib  abschied. 

12.  sie  rudern  den  kahn  auf  das  meer,  bis  ihnen  grofse, 
vielfarbige  vogelscharen  erscheinen,  deren  zahl  sehr  grofs  war. 
ein  vogel  liefs  sich  auf  dem  rand  des  kahnes  nieder,  es  wäre 
uns  angenehm,  sagen  sie,  wenn  er  böte  vom  herrn  wäre,  uns 
künde  zu  bringen,  der  weise  hebt  sein  angesicht  aufwärts  bei 
diesen  Worten:  gott  wäre  dies  möglich,  sagte  der  weise,  um 
euch  anzureden,  fürwahr,  bin  ich  gekommen,  sagte  der  vogel. 
kupferfarbig  war  die  färbe  dieses  vogels,  drei  liebliche  strahlen 
glänzend  wie  der  glänz  der  sonne  um  seine  brüst,  aus  Irland 
stamme  ich,  sagte  der  vogel,  und  ich  bin  die  seele  eines  Weibs- 
bildes und  ich  stehe  dir  anlwort  (m-ati-ces  duitsi  me),  sagte  sie 
zu  dem  weisen,  sage  mir  nun,  fragte  der  weise,  werden  wir 
zur  hülle  gehen?  ihr  werdet  nicht  dahin  kommen,  sagte  der 
vogel.  wir  danken  gott,  sagte  der  weise,  denn  wir  selbst  haben 
es  verdient,  in  unseren  leibern  zur  hülle  zu  gehen,  ihr  kommt 
zu  einem  anderen  ort,  die  vogelschareu  zu  hüren.  die  vogel- 
scharen, die  ihr  seht,  sind  die  seelen,  welche  zum  sountag  aus 
der  hülle  kommen,  wir  wollen  aufbrechen ,  sagte  der  weise,  wir 
werden  den  weg  gehen,  den  du  gehst,  sagten  sie.  als  sie  unter- 
wegs waren,  sahen  sie  drei  ungeheuere  strüme,  ausweichen  die 
vügel  über  sie  kamen:  den  otterstrom  (sruth  doborchon),  den  aal- 
strom  (sruth  doescanguib)  und  den  ström  von  schwarzen  schwanen, 
der  vogel  sagte:  gebt  euch  nicht  der  trauer  hin  um  die  gestalten, 
die  ihr  seht,  denn  die  vögel,  die  ihr  seht,  sind  menschenseelen, 
die  gepeinigt  werden  wegen  der  missetaten ,  die  sie  begangen, 
es  sind  dämonen,  die  in  den  gestalten  dort  stecken,  die  sie  ver- 
folgen ,  und  die  seelen  erbeben  lautes  geschrei  beim  fliehen  der 
Peinigungen  von  den  dämonen.  ich  selbst,  ich  bin  dabei,  sie 
zu  verlassen,  sagte  der  vogel.  mir  ist  kein  grofses  wissen  über 
euere  erlebnisse  anvertraut,  ein  anderer  wird  euch  berichten. 
sage,    erwiderte  der  weise,   was  bedeuten  die  drei  sehr  schünen 


192  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

strahlen  an  deiner  brüst?  ich  werde  es  euch  erzählen,  sagte 
der  vogel.  der  mann,  bei  dem  ich  im  leben  war,  (dem  wurde 
ich  untreu)  und  ich  tat  nicht  seinen  willen  und  nicht  hielt  ich 
an  gesetzlicher  ehe  fest  (nirlenus  dolanumnus  dligid).  er  lag  in 
krankheit  und  ich  war  nicht  um  ihn;  ich  gieng  jedoch  dreimal 
nach  ihm  sehen:  einmal  um  ihn  zu  sehen,  ein  anderes  mal  mit 
nahrung  und  das  dritte  mal  ihn  zu  pflegen,  und  dies  sind  die 
drei  sehr  schönen  strahlen,  welche  an  meiner  brusl  sich  be- 
finden, und  dies  wäre  überhaupt  meine  färbe,  wenn  ich  die  ge- 
setzliche ehe  nicht  verlassen,  darauf  gieng  der  vogel  von  ihnen 
und  nimmt  abschied  von  ihnen. 

13.  eine  andere  insel  zeigte  sich  ihnen,  eine  liebliche, 
glänzende,  weifses  gras  mit  der  buntheit  purpurköpfiger  blumen 
darauf;  viele  vögel  und  sehr  prächtige  bienen  singend  von  den 
köpfen  der  blumen.  ein  sehr  alter,  weifshaariger  greis  war  auf 
der  insel,  der  die  harfe  spielte;  er  sang  einen  gesang  lieblicher 
als  die  gesänge  der  weit,  ein  jeder  von  ihnen  segnete  den 
anderen  und  der  greis  forderte  sie  auf,  weiter  zu  ziehen. 

14.  sie  rudern  darauf  eine  lange  zeit,  bis  sie  einen  mann 
beim  graben  erblickten  und  einen  feurigen  spaten  in  seiner  band. 
es  kam  eine  riesige  rote  woge  über  ihn  und  sie  leuchtete  rot. 
als  er  aber  sein  haupt  erhob,  jammerte  er  traurig  beim  ertragen 
dieser  pein.  wer  bist  du,  o  mensch?  sagten  sie.  ein  mann, 
der  am  sonntag  grub,  und  dies  ist  meine  strafe,  um  gottes 
willen  betet  mit  mir,  dass  meine  pein  mir  erleichtert  wird,  sie 
beteten  darauf  mit  ihm  und  brachen  dann  auf. 

15.  es  zeigte  sich  ihnen  darauf  ein  grofser,  feuriger  müller, 
ungeschlacht,  kammdunkel,  hässlich.  seine  schamgegend  war 
unbedeckt.  1  es  schien  ihnen,  dass  es  auf  der  sichtbaren  (würk- 
lichen)  weit  nichts  an  kleinoden  und  schätzen  und  heerdenbesitz 
gab,  was  er  nicht  in  den  muüd  der  mühle  steckte,  warum  tust 
du  dies,  o  mann?  sagen  sie.  ich  werde  es  euch  sagen:  jedes 
ding,   um  welches  streit  entsteht  auf  der  weit,  das  gebe  ich  in 

'  wörtlich  ni7'ba  follus  doib  ni  foagahul  7  nifaictis  ni  tairis  'es  war 
ihnen  nichts  sichtbar  unter  seiner  gabel  und  nichts  sahen  sie  darüber',  dieser 
gebrauch  von  gabol  —  vgl.  auch  unter  16  oben  each  tened  amgabal  'ein 
feuriges  ross  zwischen  (in)  meiner  gabel'  —  stützt  aufs  schönste  die  von 
mir  (Zs.  f.  vgl.  sprachf.  30,  84;  Zs.  32,  269)  gegebene  deutung  von  bernbröc 
'kluftbröc'  als  bröc  für  die  schamteiigegend  (bern  kluft). 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  193 

den  mund  dieser  mühle  und  ich  bin  der  höllenmüUer  (muilleoir 
ifrinn).     sie  brechen  alsbald  aul. 

16.  darauf  zeigte  sich  ihnen  ein  riesiger  reiter  aut  dem 
meere.  eine  weile  gieng  die  woge  über  ihn,  eine  weile  weh- 
klagte er.  warum  kam  dies,  o  mann?  sagten  sie.  ich  werde  es 
euch  sagen,  ich  stahl  das  ross  des  bruders  und  ritt  darauf  am 
Sonntag  und  ich  werde  nun  hier  gestraft,  indem  ich  auf  einem 
feurigen  ross  sitze,  und  dieses  ist  die  strafe  für  jeden  menschen, 
der  am  sonntag  reitet. 

17.  es  zeigte  sich  ihnen  eine  insel  voll  von  menschen,  die 
beim  klagen  und  jammern  und  in  grolser  trauer  waren,  kamm- 
dunkle Vögel  mit  feurigen  schnäbeln  und  roten,  feurigen  krallen 
zerfleischten  und  brannten  sie  und  rissen  Schnäbel  und  klauen 
voll  aus  ihnen,  wer  seid  ihr,  o  menschen?  sagten  sie.  künstler 
in  metall  und  schmiede  (cerdal  goibne) ,  unwürdige,  sagten  sie; 
darum  flammen  unsere  zungen  in  unseren  köpfen,  weil  wir  jeden 
menschen  durch  unsere  angriffe  (mit  loser  zunge)  erröten  machten. 

18.  darauf  zeigte  sich  ihnen  ein  riesig  grofser  bauer  (un- 
hold, aitheach),  schwarz  an  kleidern.  gröfser  als  ein  widderfell 
war  jede  feuerflocke,  die  aus  seinem  hals  kam.  eine  eiserne 
keule  hatte  er  in  seiner  band,  die  gröfser  war  als  ein  mühlbaum. 
kohlen  auf  seinem  nacken  ,  eine  gute  last  für  einen  lastwagen. 
eine  zeit  lang  wurde  die  kohle  entflammt,  dann  wurde  er  gegen 
die  hilze  unters  meer  gelassen,  er  seufzte  beim  erdulden  der 
grofsen  pein ,  die  ihn  traf,  wer  bist  du ,  unglücklicher  mensch  ? 
sagten  sie.  ich  werde  es  euch  sagen:  kohle  fürs  feuerholz  (?cual 
conmiid)  trug  ich  jeden  sonntag  auf  meinem  nacken  und  dies  ist 
die  Vergeltung,  die  mir  auferlegt  wird. 

19.  es  zeigte  sich  ihnen  darauf  eine  feurige  salzsee  (saili 
tmtigi)  und  die  köpfe  vieler  menschen  darin  (inti),  und  die  ein- 
zelnen köpfe  stiefsen  an  einander,  das  ist  grund  (aba^)  zum 
sterben ,  was  wir  sehen ,  sagten  die  brüder  zu  dem  weisen. 

20.  die  beslien  zernagten  (rotreagdsat)  die  andere  haut 
unten  am  kahn.  das  soll  euch  keinen  kummer  bereiten,  sagte 
der  weise,  golt  ist  im  stände,  uns  zu  retten  auch  in  der  einen 
haut,    in    der  wir   (dh.    unser  kahn)   sind,     wenn    er  will,    dass 

»   23.  M.  50  (R.  i.  a.)  hat  hier  (s.  198)  adbur.     über  aba  siehe  Zs. 

f.  vgl.  sprachf.  30,  6,  wo  das  citat  (Book  of  Fermoy  foi.  108»,  2)  nachzu- 
tragen ist. 

Z.  F.  D.  A.    XXXlll.    N.  F.    XXI.  13 


194  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

wir  unseren  tod  durch  sie  (dh.  die  bestien)  erleiden  sollen  dort, 
kann  man  seinem  willen  nicht  entgegentreten. 

21.  darauf  zeigte  sich  ihnen  eine  andere  insel;  eine  lieb- 
liche, glänzende  baumebene  darauf  und  sie  war  voll  von  honig. 
grasgrüne  beide  befand  sich  auf  ihrer  mitte,  ein  wolschmeckeuder, 
glänzender  see  auf  ihr.  sie  blieben  eine  woche  auf  dieser  insel 
und  erholten  sich  von  der  ermUdung.  als  sie  die  insel  verliefsen, 
erhob  sich  eine  bestie  aus  dem  see  und  jeder  glaubte,  sie  würde 
sich  auf  ihn  stürzen,  sodass  sie  sehr  vor  ihr  zitterten,  sie  ver- 
schwand darauf  wider  an  ihren  früheren  ort. 

22.'  sie  giengen  von  dieser  insel  zu  wasser  und  ruderten 
eine  zeit  lang,  bis  sie  eine  insel  fanden  und  die  gefährten  von 
Ailbe  Imlech  (muinter  Ailbi  =  familia  Albei)  darauf,  mitten  in 
der  nacht  gelangten  sie  darauf,  sie  fanden  eine  quelle  am  Strand, 
die  trübe  (aufgerührt,  buaiderthe)  war,  sie  fanden  eine  andere 
quelle  und  diese  war  rein  glänzend,  der  bursche  (ingilla)  ver- 
langt aus  der  quelle  zu  trinken,  es  ist  besser,  erlaubnis  dazu 
zu  haben,  sagte  der  weise,  wenn  jemand  auf  der  insel  ist.  sie 
erblicken  darauf  helles  licht  und  gehen  auf  den  glänz  zu,  bis 
sie  12  mann  beim  gebet  erblickten,  und  es  befand  sich  kein 
licht  bei  ihnen,  aber  sie  waren  sonnenantlitzig.  einer  von  diesen 
kam  zu  ihnen,  begrUfste  sie  und  zog  erkundigungen  von  ihnen 
ein.  sie  erzählen  ihm  ihre  Schilderungen  und  baten  um  trunk 
aus  der  quelle,  er  sagte  zu  ihnen:  es  ist  euch  erlaubt,  euere 
gefäfse  zu  füllen  von  dem  klaren  (reinen)  wasser,  wenn  der  weise 
es  euch  sagen  wird,  wer  seid  ihr?  fragte  der  bursche.  die  ge- 
nossen von  Ailbe  Imlech,  sagte  er,  und  wir  sind  die  genossen 
des  zweiten  kahnes  von  Ailbe  und  wir  bleiben  am  leben  hier 
bis  zum  grofsen  gericht.  verlasst  unser  land,  sagte  er,  vor 
morgen,  denn  hier  ist  nicht  euere  auferstehung;  und  wenn  ihr 
es  nicht  tut  vor  morgen,  wird  es  um  so  schlimmer  für  euch 
sein ,  denn  die  trennung  von  ihr  (der  insel)  wird  eueren  sinn  er- 
bittern ,  wenn  ihr  sie  bei  tage  seht :  es  ist  daher  besser  für  euch, 
sie  bei  der  nacht  zu  verlassen,  alle  erfüllten  das,  was  er  ihnen 
sagte,  dürfen  wir  etwas  von  den  steinen  des  Strandes  mitnehmen? 
fragen  sie.  es  ist  besser ,  wenn  es  erlaubt  wird ,  sagte  der  weise, 
der  bursche  erlaubt  wider,  um  so  besser  ist  es,  dass  es  er- 
laubt wird,  sagte  der  weise,  indessen  wird  der  traurig  sein,  der 
1  episode  22  und  23  fehlen  in  23.  M.  50  (R.  i.  a.). 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  19& 

sie  mitnimmt,  und  es  wird  auch  derjenige  traurig  sein,  der  nichts 
mitnimmt,  einige  nehmen  einen  stein,  andere  zwei  steine,  noch 
andere  drei  steine,  als  der  morgen  des  anderen  lages  kam, 
trinken  sie  von  dem  (mitgenommenen)  wasser  der  insel  und  fallen 
in  tiefen  schlaf,  nachdem  sie  sich  aus  dem  schlafe  erhoben, 
blicken  alle  ihre  steine  an :  der  eine  stein  war  glas  (krystall), 
ein  anderer  silber  und  noch  ein  anderer  gold.  es  wurde  aber 
traurig  derjenige,  welcher  etwas  mit  sich  nahm  und  traurig  der- 
jenige, welcher  nichts  mit  sich  nahm:  jener,  weil  er  so  wenig 
mit  sich  genommen  (aralagat  tue  lais),  sodass  so  die  worte  des 
greises  erfüllt  wurden. 

23.  es  zeigte  sich  ihnen  darauf  eine  wunderbare  insel.  ein 
psalmsingender,  weiser  greis  und  schöne,  künstlerisch  verzierte 
Zellen  mit  lieblichen ,  glänzenden  altären.  herliches,  grünes  gras 
auf  der  insel.  honigtau  lag  auf  dem  gras,  kleine,  sehr  prächtige 
bienen  und  liebliche,  purpurköplige  vögel  sangen  auf  ihr,  sodass 
es  genügend  zur  erheiterung  war,  auf  sie  zu  hören. 

24.  sie  ruderten  darauf  weiter,  bis  sie  eine  andere  schöne 
insel  sahen,  eine  abgelegene,  verborgene  zelle  (recdes)  war  auf 
ihr.  ein  kleriker  (oenmac  heculsa),  ein  sehr  alter,  grauhaariger 
sang  seine  gebete  darin,  sie  schlugen  den  klopfer  (bascrand) 
gegen  die  tür.  ein  glänzender  vogel  kam,  um  sich  mit  ihnen 
zu  unterreden,  sie  erzählen  ihm  ihre  mitteilungen.  der  vogel 
erzählt  es  dem  weisen  (greis),  öffne  ihnen ,  sagte  der  weise,  der 
vogel  öffnete  ihnen  und  sie  segnen  sich  gegenseitig  und  schlafen 
die  nacht  dort,  am  anderen  morgen  heifst  der  weise  aufbrechen, 
weil  dort  nicht  ihre  auferstehung  stattfinde,  und  er  erzählte  ihnen 
ihre  zukünftigen  erlebnisse. 

25.  von  hier  kamen  sie  zu  einer  insel,  wo  sich  ein  schüler 
Christi  befand,  wunderbar  war  die  insel.  eine  zelle  und  eine 
kirche  befand  sich  darauf,  sie  sangen  das  pater  zu  gott  in  der 
tür  der  kirche.  das  sagte  der  weise,  der  in  der  kirche  war; 
willkommen  das  gebet  unseres  pflegevaters  Jesu,  sagte  er.  wie 
so?  sagte  der  weise,  der  in  der  tür  war,  an  welchem  orte  ver- 
liefsest  du  ihn?  ich  gehöre  zu  seinen  schüleru,  sagte  er,  und 
ich  mied  ihn  und  entfloh  von  ihm  aufs  meer,  bis  ich  zu  dieser 
insel  gelangte,  ich  afs  etwas  von  den  pflanzen  und  der  übrigen 
frucht  der  insel,  bis  ein  engel  vom  himmel  zu  mir  kam  und 
mir  sagte:    du  hast  nicht  recht  gehandelt;  nichts  desto  weniger 

13* 


196  KELTISCHE  BEITRÄGE  11 

wirst  du,  ohne  zu  sterben,  iu  diesem  leben  leben  bis  zum  ge- 
richt.  so  steht  es  nun  bis  heute  und  dadurch  kommt  nicht  an 
jedem  abend  eine  mahlzeit  zu  mir.  sie  giengen  darauf  in  ein 
haus  und  baten  um  speise  vom  himmel  für  sich,  da  sie  gebeten 
hatten,  dass  ihnen  die  mahlzeit  auf  ein  mal  gebracht  würde,  so 
kam  der  engel  zu  ihnen  und  liefs  ihre  mahlzeit  (aproinn)  auf 
einem  steinfels  (arlic  cloiche)  vor  ihnen  am  strande,  dh.  ein 
brod  für  jeden  mann  und  ein  stück  fisch  dazu,  welches  jeden 
geschmack  hatte,  den  jeder  von  ihnen  besonders  wünschte,  darauf 
nahmen  sie  abschied  und  der  greis  erzählte  ihnen  ihre  Wan- 
derungen und  die  Ordnung  (dh.  die  aufgäbe?)  ihres  lebens  und 
sagte  zu  ihnen:  ihr  werdet  von  mir,  sagte  er,  jetzt  kommen  auf 
das  meer  zur  spitze  (corind)  von  Spanien,  und  die  bemanuung 
eines  schiffes  (?  lucht  noenuidh)  \\\rd  euch  auf  dem  meere  treffen 
beim  fischfang  und  wird  euch  mit  sich  nehmen,  und  wenn  du, 
wandte  er  sich  an  den  bischof,  aus  dem  kahn  wirst  gegangen 
sein  ausländ,  wirf  dich  dreimal  nieder,  und  das  rasenstück,  auf 
welches  du  deinen  fufs  wirst  gesetzt  haben,  um  das  wird  die 
schar  von  jeder  seite  zuteilen  und  es  wird  kirche  und  aufent- 
haltsort  dort  genommen  werden,  dein  rühm  wird  nach  Rom  ge- 
langen und  der  nachfolger  von  Petrus  wird  dich  östlich  nach 
Rom  bringen  (rodbera),  und  du  wirst  den  priester  dort  an  dem 
orte  zurücklassen  und  du  wirst  den  diakouus  in  seiner  Sakristei 
(inasacrista)  zurücklassen  und  der  ort  wird  bewohnt  werden  (?inne 
gehabt  werden?  coimgebthur  Book  of  Fermoy,  comhedfnr  23.  M.50) 
bis  zum  gericht  iu  gewohnter  weise  (fognathugiid).  du  wirst  den 
burschen  bei  den  Brilten  (laBretnu)  zurücklassen  und  er  wird 
dort  bleiben,  so  lange  er  leben  wird. 

Sie  nehmen  darauf  von  dem  greis  abschied  und  verlassen 
die  iusel  und  es  wurde  ihnen  alles  erfüllt,  wie  er  es  zu  ihnen 
sagte,  von  anfang  bis  zu  ende,  es  kam  der  bischof  von  Rom,  wie 
wir  vorher  sagten,  und  der  bursche  erzählte  ihm  alle  diese  ge- 
schichten.i  der  bursche  starb  (fiel)  darauf  und  diese  geschichten 
blieben  bei  dem  bischof.  der  erzählte  sie  dem  bischof  Soeir- 
brealhach,  der  zu  seinem  gefolge  (damnintir)  gehörte,  dieser 
erzählte    sie    an   Mocholmuc   mac  Colmain   auf  Arran,    in   folge 


*   Tainic   intescah    oroim    amair    adubrammair    rpimuind   1    roin- 
dis    angilla     nascelasin    uHe    do     Book     of    Fermo^»<*wozu    23.    i\l.    50 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  197 

dessen  derselbe  die  worte  sagte:  die  O'Corras  von  Connacht  usw  ' 
hiermit  endet  die  umheri'ahrt  des  l)otes  der  O'Corras. 

Nach  den  in  dem  einleitenden  capitel  gegebenen  daten 
miiste  diese  meerfahrt  der  O'Corras  in  der  ersten  hälfte  des  6  jhs. 
staltgefunden  haben,  da  Finden  von  Clonard  im  jähre  548  starb, 
in  der  tat  sind  die  Verhältnisse,  wie  sie  in  der  einleitung  ge- 
schildert werden,  von  hoher  altertümlichkeit:  es  ist  die  zeit  der 
mischung  von  Christentum  und  heidentum  in  Connacht,  wo  das 
siegreiche  Christentum  schon  vorherschte.^  diese  zeit  ist  unter 
christlichem  gesichtspunct  dargestellt,  sodass  natürlich  die  heid- 
nischen götter  zu  teufein  wurden;  aus  diesem  gesichtspunct  wird 
denn  auch  der  rückfall  ins  heidentum  als  eine  taufe  nach  heid- 
nischer taufe  (isinhaisdeth  gintlidi)  bezeichnet,  ohne  dass  wir 
daraus  schliefsen  dürfen ,  dass  die  Iren  in  vorchristlicher  zeit 
eine  art  taufe  gekannt  hätten. 

Diesen  erwartungen  von  der  altertümlichkeit  der  erzählung 
widersprechen  zwei  ausschlaggebende  momente:  die  spräche  und 
der  inhalt  der  erzählung.  wenn  ich  von  vereinzelten  formen 
absehe,  von  denen  ich  nicht  entscheiden  will,  ob  sie  in  einem 
im  12  jh.  zum  ersten  mal  aufgezeichneten  texte  als  archaismen 

*  die  Slangzeilen,  aus  denen  sich  nichts  weiter  ergibt,  lauten: 

HuaChorro  doCondachtuib.     Centime  fritomiportuib. 

Osgrian  mara  mongair  trein.     arfis  anais  ingantuig. 

Ambircan  mbuan  mbennachtnach.    friseol  sasmhar  sonartnach. 

Dalotsam  damoilithre.     freseitiud  nasiangaoithi. 

Dodilgud  arcimädne.     dusfuil  ann  fath  fiafraige. 

Rocinsium  incrabudso.     aüochar  donciimachtaigh. 

Geratuillsium  mallaehtain.     nirmiUsim  arnudachtain. 

Rocromsat  acinda.  inclannsa  HuaCorro.  HuaC. 
2  zu  ende  des  4  jhs.  war  süd- Irland  christlich;  im  beginn  der  zweiten 
hälfte  des  5  jhs.  trug  das  Christentum  endgiltig  den  sieg  davon  über  das 
noch  vorhandene  heidentum  in  Leinster  und  ost-Ulster.  ist  es  da  wunderbar, 
dass  an  der  entlegenen  Westküste  in  Connacht  noch  in  der  ersten  hälfte 
des  6  jhs.  zustände  herschten  wie  um  die  mitte  des  fünften  in  Leinster  und 
Ulster?  es  handelt  sich  um  dieselben  winkel,  in  denen  heutigen  tages  die 
reste  irischer  zunge  mit  dem  siegreich  vordringenden  und  fast  überall  zur 
herschaft  gelangenden  englisch  im  kämpf  liegen,  wo  der  Ire  mit  seinen  Vor- 
zügen und  mangeln  am  reinsten  zu  treffen  ist.  ich  habe  den  Schauplatz, 
einschliefslich  der  Arran-inseln,  im  jähre  1880  auf  achtwöchentlicher  reise 
durchwandert  und  kenne  die  in  den  texten  genannten  orte  aus  eigener  an- 
schauung. 


198  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

eines  beleseueD  autors  vorkommen  können,  so  ist  der  ganze  text 
einscliliefslich  der  einleitung  sicher  nicht  älter  als  der  beginn 
des  12jhs.,  kann  sogar  jünger  ^  sein,  die  älteste  quelle  für 
Imram  UaCorra ,  das  Book  oi'Fermoy,  ist  so  ziemlich  gleichaltrig 
mit  den  quellen  c  und  d  (Harleian  5280  und  H.  2.  16  TCD)  vom 
Imram  Maelduin,  auch  die  Orthographie  ist  wesenthch  dieselbe: 
in  der  spräche  unterscheiden*  sich  aber  die  letztgenannten  von  der 
des  Imram  UaCorra  im  Book  ol  Fermoy  um  eine  reihe  von  Jahr- 
hunderten; noch  in  den  hss.  Harleian  5280  und  H.  2.  16  kann 
jeder  mit  irischer  Sprachgeschichte  vertraute  erkennen,  dass  unter 
der  tünche  des  15  jhs.  eine  ursprünglichere  niederschriit  stecken 
muss,  so  all  wie  die  ältesten  continentalen  glossen.  dagegen  kann 
kein  kundiger  auf  den  gedanken  kommen ,  dies  von  der  spräche 
des  Imram  curaig  UaCorra  zu  behaupten,  um  das  hohe  alter 
der  letzteren  erzählung  zu  retten ,  könnte  man  ja  annehmen ,  dass 
die  alte  erzählung  von  der  meerlahrt  der  söhne  des  Conall  Derc 
UaCorra  ende  des  11  oder  anlaug  des  12  jhs.  eine  durch- 
greifende anpassung  der  spräche  —  nicht  blofs  der  Ortho- 
graphie —  an  die  jener  zeit  erlitten  habe,  die  möglichkeit 
eines  solchen  Vorgangs  kann  ich  nicht  bestreiten ,  um  so  mehr 
aber  die  Wahrscheinlichkeit,  da  mir  kein  fall  der  art  bekannt 
ist,  was  bei  der  ziemlich  beträchtlichen  auzahl  von  alten  texten, 
die  in  mittelirischen  hss.  vorliegen ,  entschieden  in  die  wag- 
schale fällt. 

Vollends  unmöglich  gemacht  wird  die  annähme,  dass  der 
uns  überlieferte  text  des  Imram  curaig  UaCorra  nur  eine  sprach- 
lich durchgreifende  und  consequente  Umgestaltung  der  er- 
zählung aus  dem  7  oder  8jh.  sei,  durch  den  inhalt  dieses  textes, 
besonders  im  vergleich  mit  anderen  texten,  aus  letzterem  ergibt 
sich,  dass  der  auf  uns  gekommene  Imram  UaCorra  als 
ganzes  nicht  älter  ist  als  sein  sprachliches  gewand; 
dass  er  aus  mehreren  z,  t.  erhaltenen  quellen  deutlich  zusammen- 
gearbeitet ist. 

Als  compilation  ergibt  sich  die  erzählung  beim  durchlesen 
sofort  durch  mehrere  auffallende  puncte:  1.  wenn  man  zu  ende 
gelesen  hat,    fragt  man  unwillkürlich,  warum  der  text  den  titel 

1  hierfür  spricht  direct  der  umstand,  dass  schon  in  der  regel  in  der 
3  sing.  pras.  nur  absolute  form  erscheint,  also  coneirgid,  togbuid,  7ii- 
thuitid  usw. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  199 

Imram  curaig  UaCorra  führt,  iu  der  einieitung  lernen  wir  die 
3  O'Corras  als  tatkräftige  junge  männer  kennen,  gleich  energisch 
als  feinde  wie  als  anhäüger  Christi,  sie  rüsten  ein  boot  aus 
und  nehmen  einige  begleiter  mit.  mit  abschnitt  2  beginnt  die 
erzählung  und  die  UaCorras  werden  noch  2  mal  erwähnt  in  4 
und  5:  beide  episoden  sind,  wie  wir  noch  sehen  werden,  referate 
aus  Imram  Maelduin,  und  nichts  erforderte  die  nennung  gerade 
der  UaCorras;  es  könnte  einfach  tat  'sie'  stehen  wie  im  vor- 
hergehenden und  nachfolgenden,  in  8,  einer  episode,  die  deut- 
lich gleich  Imram  Maelduin  26  ist,  tritt  an  die  stelle  von  Diuran 
der  quelle  der  älteste  der  UaCorras,  Lochan.  von  hier  an 
(9  —  25)  sind  die  UaCorras  spurlos  verschwunden:  sie 
sind  nicht  gestorben,  es  wird  nicht  gesagt,  was  aus  ihnen  ge- 
worden, selbst  zum  schluss  erinnert  sich  der  compilator  der- 
selben nicht;  er  schildert  erlebnisse  eines  bischofs,  priesters,  des 
küsters  und  eines  dieners!  es  ist  klar:  die  ganze  erzählung 
2 — 25  ist  auf  die  einieitung  in  der  denkbar  ungeschicktesten 
weise  aufgesetzt;  im  anfang  fühlte  der  compilator  noch  einige 
male  das  bedürfnis,  den  verlauf  mit  der  einieitung  lose  zu  ver- 
knüpfen. —  2,  in  episode  20  (rotreaghdsat  napiasta  indara  cho- 
duil  inichtarach  donchurach.  natabrad  asnim  sibsi  sin  arimruith; 
astualang  Dia  arnanacul  gidh  isinoenchodhtiil  bem  arse)  wird  er- 
zählt, dass  die  bestien  die  zweite  haut  um  das  holzwerk  ab- 
nagten und  dass  besorgnis  entstand,  weil  nur  mehr  eine  haut 
um  den  kahn  war.  der  kahn  war  trecoblaidi  'dreihäutig',  dass 
die  bestien  schon  eine  haut  abgenagt,  ist  im  vorhergehenden 
nirgends  erzählt,  was  man  nach  der  darstellung  in  20  erwartet.  — 
3.  offenbare  widerholungen  wie  13  und  23  kommen  vor  (vgl.  auch 
24),  wobei  das  irische  noch  deutlicher  ist  als  eine  Übersetzung 
es  machen  kann.  —  4.  als  die  3  UaCorras  mit  den  bestimmten 
gefährten  abfahren  wollten  (intan  tra  ba  mithig  leo  dul  anacu- 
rach) ,  da  stellt  sich  noch  nachträglich  ein  crosan  ein,  den 
sie  auf  seine  bitten  mitnahmen,  letzterer  starb  bald  (3);  es 
kamen  aber  noch  zwei  weitere  insassen  des  kahns  ziemlich  bei 
beginn  der  fahrt  (2  und  5)  abhanden,  erinnern  wir  uns,  dass 
im  Imram  Maelduin  die  drei  nachträglich  gekommenen  pflege- 
brüder  Maelduins  das  ziel  nicht  erreichen,  indem  einer  stirbt 
und  zwei  abhanden  kommen  —  was  in  der  Navigatio  Brendani 
nachgeahmt  ist  — ,   so    können   wir  verstehen,   dass   im  Imram 


200  KELTISCHE  BEITRÄGE  11 

curaig  UaCorra  der  nachträglich  hinzugekommene  crosan 
stirbt,  warum  aber  noch  zwei  andere  insassen  des  kahns  ab- 
handen kommen,  ist  an  sich  nicht  klar,  dazu  kommt,  dass  man 
nicht  absehen  kann,  wer  es  gewesen  sein  soll:  bischof,  priester, 
küster  und  bursche  überstehen  die  fahrt;  aufser  den  UaCorras 
nahm  nur  noch  der  saer  (Zimmermann)  teil,  nimmt  man  auch 
an ,  dass  dieser  einer  der  beiden  gewesen ,  so  fragt  sich :  wer 
war  der  andere?  einer  der  UaCorras?  da  wäre  doch  wunderbar, 
dass  das  nicht  erwähnt  ist.  die  worte  in  episode  5  schliefsen 
zudem  geradezu  aus,  daran  zudenken,  dass  einer  der  UaCorras 
abhanden  gekommen  ist.  alle  zweifei  werden  gelöst,  wenn  man 
die  beiden  episoden  2  und  5  näher  ansieht:  es  sind  ganz  klar  die 
abschnitte  15  (=  ii  2)  und  16.  31  (=  ii  5)  aus  Imram  Maelduin, 
in  denen  die  beiden  letzten  pflegebrüder  Maelduins  abhanden 
kommen,  dies  passt  in  die  composition  von  Imram  Maelduin, 
aber  in  Imram  UaCorra  weder  zur  einleitung  noch  zum  verlauf 
der  erzählung. 

Hiermit  sind  wir  also  zu  einer  quelle  für  die  uns  erhaltene 
erzählung  vom  Imram  curaig  UaCorra  gekommen,  es  entsprechen 
sich,  wenn  wir  unseren  text  mit  ii  und  Imram  curaig  Maelduin  mit 
1  bezeichnen,  folgende  episoden:  ii  2  =  i  15,  ii  5  =  i  16.  31,  n  6 
=  I  27  (mit  I  24?),  ii  7  =  i  25,  n  8  =  i  26,  ii  9  =  i  19,  ii  U 
auszug  aus  i  17,  ii  15  =  i  14.  die  entsprechung  ist  allenthalben 
so,  dass  die  kürzere  darstelluug  durchweg  als  referat  der  er- 
zählungen  in  i  erscheint,  bei  n  8  =  i  26  ist  das  alter  von  Imram 
Maelduin  überdies  in  zwei  characteristischen  puncten  durch  die 
Navigatio  SBrendani  19  gestützt:  Imram  Maelduin  26  und  Navi- 
gatio  19  stimmen  darin,  dass  Maelduin  resp.  Brendan  durch  die 
maschen  des  netzes  fahren,  wobei  Diuran  eine  masche  aushaut; 
sie  stimmen  ferner  in  den  worten,  die  Diuran  resp.  Brendan 
beim  mitnehmen  sprechen,  wie  oben  s.  179  ausgeführt  ist, 
während  in  Imram  UaCorra  nur  über  die  worte  referiert  wird 
mit  doinchomhartha  tnsceoilsin  dorat  his  anisin  'zum  zeugnis  für 
diese  erzählung  nahm  er  es  mit  sich',  da  nun  Imram  UaCorra 
mit  Imram  Maelduin  in  der  angäbe  stimmt,  dass  ein  mocoll  indltn 
(i  26),  mogall  donUn  (u  8)  mitgenommen  wurdet  so  ergänzen  sich 

*  im  Imram  Maelduin  wird  zum  schluss  wider  auf  diese  episode  zuriicli- 
gekommen,  während  in  Imram  UaCorra  dieselbe  ebenso  spurlos  verschwunden 
ist  wie  Lochen  und  die  beiden  anderen  O'Gorras. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  201 

Navigatio  SBrendani  und  Imram  curaig  UaCorra  schön  zu  der 
erzählung  in  der  gemeinschaftlichen  quelle  Imram  Maelduin!  end- 
lich sei  nur  darauf  hingewiesen,  dass  der  erzähler  in  Imram 
UaCorra  8  sich  geradezu  auf  Imram  Maelduin  beruft ,  während 
doch  Imram  UaCorra  älter  sein  müste  als  Imram  Maelduin.  -r- 
ganz  deutlich  ergibt  sich  als  referal  oder  kurzer  auszug  aus  der 
umfänglichen  und  einheitlichen  episode  i  17  die  darstellung  in 
II  11,  wo  selbst  die  alten  Wörter  ersetzt  sind.  —  klar  liegt  auch 
in  II  15  =  1  14  vor  äugen,  dass  Imram  UaCorra  jünger  ist:  an 
stelle  des  einen  mythologischen  hintergrund  verratenden  mulend 
Inhir  Tre  Cenand  (die  mühle  der  mUndung  von  Tre  Cenand') 
trat  einfach  ismesse  muilleoir  ifirn  'ich  bin  der  höllenmüller'. 

Dass  dem  verf.  des  Imram  UaCorra  eine  schriftliche  auf- 
zeichnung  von  Imram  Maelduin  vorgelegen  habe,  dürfen  wir  kaum 
annehmen.  es  wären  sonst  zwei  dinge  schwer  verständlich: 
einmal  warum  er  nur  eine  beschränkte  auswahl  getroffen  und 
nicht  andere  episoden  auch  benutzt  hat;  sodann  der  umstand, 
dass  sich  keine  altertümlichkeiten  in  der  spräche  der  abschnitte 
finden,  was  sicher  der  fall  wäre,  wenn  er  nach  einer  vorläge 
mit  solchen  gearbeitet  hätte,  wir  müssen  wol  annehmen,  dass 
er  Imram  Maelduin  nach  der  erinnerung,  die  er  von  diesem 
sagenstofT  hatte,  benutzte,  dasselbe  werden  wir  auch  von  anderen 
quellen  anzunehmen  haben,  die  noch  herbeigezogen  sind. 

Eine  zweite  quelle  scheint  mir  mit  episode  12  zu  beginnen; 
sie  reicht  wol  bis  20.  in  dieser  partie  ist  von  den  wundern 
des  oceans  nicht  die  rede,  sie  braucht  auch  gar  nicht  aus  einer 
meerfahrterzählung  zu  stammen,  vielmehr  aus  einem  text,  wie 
Visio  Tnugdali ,  Purgatorium  Patricii,  oder  aus  texten  in  irischer 
spräche,  wie  Fls  Adamnäiu,  Scela  lalhi  brätha  (LU  27' — 34%  24), 
es  werden  einzelne  Stationen  —  wenn  ich  so  sagen  daif  —  aus 
hölle  und  fegfeuer  vorgeführt,  mehrere  partien  erinnern  lebhaft 
an  die  Schilderungen  in  Fls  Adaranäin,  so  die  ströme  in  12  an 
LU  31%  öff,  abschnitt  17  an  LU30%28ff,  beide  an  LU  33%24ff. 
abschnitt  13  und  16  sind  dazwischen  geraten,  während  umge- 
kehrt abschnitt  10  (vgl.  LU  33%  30)  dazu  gehört,  auch  die  art, 
wie  eine  reihe  von  episoden  nach  einander  eingeführt  wird  (tar- 
fäs  döib  'es  zeigte  sich  ihnen'),  lässt  manchmal  ganz  vergessen, 

*  Cenand  ist  mir  dunkel;  man  wird  erinnert  an  Cenandos,  den  alten 
namen  für  das  heulige  Keils  (aus  *Ken-nos,  *  Kenlos ,  *Kellos), 


202  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

class  es  sich  um  eine  oceaufahrt  handelt,  sodass  selbst  in  der 
Navigatio  SBreiidani  und  im  Imram  Brenaind  der  character  der 
erzählungsgattung  besser  gewahrt  ist. 

Diese  neue  quelle  characterisiert  sich  noch  durch  andere 
momente:  die  O'Corras  sind  total  aus  der  er  Zählung 
verschwunden,  worüber  ich  in  anderem  Zusammenhang  schon 
gesprochen  habe,  dafür  tritt  eine  mystische  persönlichkeit  auf, 
die  mit  insridth  bezeichnet  wird,  ich  habe  das  wort  mit  'der 
weise'  übersetzt,  es  bezeichnet  gewöhnlich  den  'weisen  alten', 
wie  auch  in  abschnitt  24  der  oenmac  heculsa  forarsaid  finnliath 
'der  eine  sehr  alte,  grauhaarige  Kleriker'  im  verlauf  sruith 
genannt  wird  (Book  of  Fermoy  109%  1);  ebenso  wird  25  der 
'Schiller  Christi'  im  anfang  sruüh  und  gegen  ende  senoir  ('greis') 
genannt,  dieser  srwrtA  dient  von  12  an,  wo  er  zuerst  erscheint, 
als  berater,  Sprecher  und  führer  und  erinnert  aufs  lebhafteste  an 
den  vir  cht  in  der  Navigatio  SBrendani.  beziehungen  zwischen 
Imram  UaCorra  und  Navigatio  SBrendani  constatierten  wir  schon 
oben  s.  200,  aber  so,  dass  beide  unabhängig  aus  Imram  Maelduin 
geschöpft  haben,  enger  sind  diese  beziehungen  bei  n  22  und 
Navigatio  11;  hier  stehen  sie  aufs  nächste  zusammen  bis  in  einzel- 
heiten :  beide  kennen  eine  klare  und  eine  trübe  quelle  (fons  tur- 
bidus  Schröder  s.  15,  36  ==  ttpra  buaiderthe  Book  of  Fermoy 
fol.  108\  1).  in  n  22  will  der  bursche,  in  Navigatio  11  wollen  die 
fratres  trinken;  darauf  hindert  es  in  n  22  der  sruith,  in  Navi- 
gatio 11  der  vir  dei:  jener  mit  den  worten  asfearr  acheatugad 
maata  mach  isininsi  'es  ist  besser,  dass  es  erlaubt  wird,  da 
jemand  auf  der  insel  ist',  dieser,  indem  er  sagt:  nolite  peragere 
illicitam  rem  sine  licentia  seniorum  qui  in  hac  insula  commo- 
rantnr  (Schröder  s.  14,  33).  die  bewohner  der  insel  sind  nach 
Navigatio  11  familia  Ailbei,  24  mann  stark,  in  ii  22  mninter  Ailbi, 
welches  die  irische  bezeichnung  ist  (vgl.  Zs.  f.  vgl.  sprachf.  30, 
35—43).  oben  habe  ich  nachgewiesen  (s.  177),  dass  die  episode 
Navigatio  11  aus  Imram  Maelduin  19  und  20  zusammengearbeitet 
ist.  in  den  eben  angeführten  puncten  stimmen  nun  n  22  und 
Navigatio  1 1  nicht  nur  zusammen,  sondern  sie  weichen  auch  ge- 
meinschaftlich von  I  19.  20  ab.  es  muss  also  für  n  22  und  Na- 
vigatio 11  eine  gemeinsame  aus  i  19.  20  abgeleitete  quelle  an- 
genommen werden  —  was  aus  vielen  gründen  unwahrscheinlich 
ist  — ,    oder   ir  22  und  Navigatio  11    müssen    von    einander   ab- 


KELTISCHE  BEITRÄGE  11  203 

häDgig  sein,  hier  kann  man  nun  keinen  moment  zweifeln ,  dass 
Jmram  UaCoira  22  von  Navigatio  11  abhängig  ist,  da  die  Na- 
vigatio  11  noch  züge  aus  Imram  Maelduin  19.  20  hat,  welche  in 
II  22  fehlen :  vor  allem  die  ausnahmen  an  den  festlagen  (Schröder 
s.  16,  4ff.  LU25^15ff).  wir  lernen  also  als  dritte 
quelle  von  Imram  UaCorra  die  Navigatio  SBrendani 
kennen. 

Ein  weiterer  zug  aus  der  Navigatio  findet  sich  in  ii  12:  die 
enlaühi  mora  ildatha  'die  grofsen ,  vielfarbigen  vogelscharen'  ent- 
sprechen dem  paradysus  avium  in  Navigatio  10.  in  letzterer  er- 
zählung  kommt  una  ex  Ulis  avibus,  setzt  sich  auf  die  yrora  des 
Schilfes  und  beginnt  eine  Unterhaltung  mit  dem  vir  dei  (Schröder 
s.  12,  5  ff),  im  Imram  UaCojra  12  toirnes  m  dib  forbord  in- 
curaig  'ein  vogel  liefs  sich  auf  dem  raud^  des  kahnes  nieder' 
und  beginnt  eine  Unterhaltung  mit  dem  sruith! 

Nachdem  wir  gesehen  haben ,  wie  in  zwei  aus  Navigatio 
SBrendani  genonmienen  zügen  der  S7^uith  dem  vir  dei  der  quelle 
gleichstellt,  können  wir  auf  diesen  sruith  zurückkommen,  vir 
dei  ist  in  Navigatio  SBrendani  nur  eine  andere  bezeich- 
nung  für  Brendan  selbst,  wie  sanctus pater  ua. ;  allerdings 
tritt  diese  bezeichnung  im  verlauf  der  erzählung  sehr  häufig  auf, 
häufiger  als  ßrmrfawus  selbst,  sodass  man  bei  oberflächlicher 
und  flüchtiger  lectüre  momentan  vergessen  kann,  dass  es 
Brendan  ist  und  nur  sein  kann,  ein  solcher  irrtum  kann  noch 
durch  einen  anderen  umstand  verstärkt  werden :  in  der  Navigatio  8 
erscheint  plötzlich  ein  vir  habens  sportam  plenam  panibus  usw. 
(Schröder  s.  9,  36),  den  wir  uns  als  gesandten  gottes  denken 
müssen;  derselbe  ist  noch  öfters  zur  passenden  zeit  vorhanden, 
führt  im  verlauf  die  bezeichnung  ]?/ocwrafor  und  leistet  dem  Brendan 
und  seinen  gefährten  gute  dieuste:  er  führt  sie  in  die  terra  re- 
promissionis  (Schröder  s.  35,  1  ff)  und  verabschiedet  sich  von 
ihnen,  als  sie  von  dort  zurückkehren  (dimisso  benedicto  procu- 
ratore  et  juvene  Schröder  s.  36,  3).  vir  dei  und  procurator 
sind  hinsichtlich  ihrer  persönlichkeit,  ihres  ersten  auftretens  und 
abtretens  klare  persönlichkeiten  in  der  Navigatio  SBrendani,  wäh- 
rend von  dem  sruith  in  Imram  UaCorra  gerade  das  gegenteil 
gilt,    in  episode  12  heifst  es  plötzlich  togbtäd  insruth  aaged  suas 

*  man  beachte  das  erst  in  der  vikingerzeit  in  die  irische  spräche  ge- 
kommene nordische  lehnworl  bord  (siehe  Zs.  32,  464). 


204  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

'der  sruüh  erhebt  sein  angesicht  in  die  höhe',  ohne  dass  man 
weifs,  wer  er  ist,  noch  sich  denken  kann,  wer  er  sein  könnte'; 
im  anfang  von  25  ist  er  noch  da,  und  ist  dann  ebenso  spurlos 
verschwunden  wie  die  O'Corras,  dh.  es  ist  nicht  die  rede  von 
ihm,  ja  seine  anwesenheit  ist  am  schluss  ausgeschlossen,  wenn 
man  nicht  die  unwahrscheinhche  annähme  machen  will,  dass 
einer  der  3:  bischof,  priester,  kiister,  darunter  gemeint  gewesen, 
es  kann  daher  in  dem  srnith  nur  eine  erinnerung  an  den  vir 
dei  der  Navigatio  stecken  in  Verbindung  mit  dem  procnrator 
derselben  erzählung. 

Wir  haben  also  als  wahrscheinliche  quellen  des  uns  er- 
haltenen Imram  curaig  UaCorra  erkannt:  1)  den  alten  erhaltenen 
Imram  Maelduin,  2)  eine  visio  ähnlich  wie  mehrere  auf  uns  ge- 
kommen sind,  3)  die  erhaltene  lat.  Navigatio  SBrendani  und  — 
4)  den  alten  Imram  curaig  UaCorra.  das  einstmalige 
Vorhandensein  einer  alten  erzählung  mit  dem  titel  Imram  curaig 
UaCorra  glaube  ich  aus  verschiedenen  gründen  annehmen  zu 
müssen,  wäre  eine  solche  erzählung  nicht  vorhanden  gewesen, 
so  ist  nicht  abzusehen,  woher  das  uns  vorliegende  machwerk 
gerade  diesen  titel  erhalten,  da  ja  die  üaCorras  gar  keine  rolle 
spielen  auf  der  seefahrt.  eine  rolle  spielen  sie  in  der  einleitung 
(abschnitt  1),  und  diese  wird  ihrem  wesentlichen  inhalt 
nach  aus  der  alten  erzählung  stammen,  dann  erklärt  sich,  wie  in 
einem  jungen  machwerk  des  12  jhs.  das  colorit  der  weit  voraus- 
liegendeo  zeit  so  schön  getroffen  wurde  (siehe  oben  s.  197).  diese 
einleitung  enthält  auch  noch  einen  ganz  eigenartigen  zug ,  der, 
soweit  ich  sehe,  nirgends  entlehnt  ist:  ein  mann  findet  nach- 
trägliche aufnähme,  der  crosan.  darin  unterscheiden  sich  Imram 
UaCorra  und  Imram  Maelduin,  und  in  diesem  eigenartigen 
zuge  erblicke  ich  —  abgesehen  von  der  alten  bedeutung,  die  das 
wort  crosan  hat,  'Wallfahrer'  im  allgemeinen  (siehe  oben  s.  187 
anm.)  —  eine  hohe  altertümlichkeit,  worauf  ich  in  abschnitt  D 
zurückkomme,  auf  die  alte  erzählung  können  auch  noch  epi- 
sode  3  und  20  zurückgehen,  allerdings  weder  inhaltlich  noch 
sprachlich  in  der  vorliegenden  fassung.  zweifelhaft  ist  mir,  ob 
in  der  alten  einleitung  die  begleiter  der  O'Corras  dieselben  waren 
wie  in  der  umgestalteten;  wenn  man  bedenkt,  dass  die  erhaltene 

'  ebenso  unverständlich  ist  nach  dem,  was  vorangegangen,  die  erste 
frage  des  sruitk  an  den  vogel:   'gehen  wir  zur  hölle?' 


KELTISCHE  BEITRÄGE  11  205 

erzählung,  so  weit  sie  nicht  gedaukenlose  compilation  ist,  erleb- 
oisse  eines  bischols ,  priesters,  küsters  und  burschen  schildert, 
so  ist  nicht  unmöglich,  dass  diese  unter  die  begleiter  der  O'Corras 
eingeschmuggelt  sind,  natürlich  lag  dem  compilator  unseres  textes 
die  alte  erzählung  vom  Imram  derUaCorras  nur  in  bruchstücken  vor, 
die  sich  aus  den  stürmen  der  vikingerzeit  ins  11  jh.  gerettet  hatten 
und  die  ihm  die  veranlassung  zu  seiner  plumpen  lälschung  boten. 

Ältere  Zeugnisse  für  Imram  UaCorra  kenne  ich  2:  einmal 
die  erwähnung  des  titeis  in  dem  sachcatalog  epischer  Stoffe  in 
LL  (siehe  s.  144  ff);  ich  halte  diesen  catalog  für  entschieden 
viel  älter  als  den  uns  erhaltenen  text,  er  bietet  also  ein  Zeugnis 
für  den  alten  Imram  UaCorra.  sodann  werden  in  der  oben 
s.  133  ff  angeführten  litanei  auch  angerufen  (LL  373^  12  v.  u.) 
tri  h.  Chorra  conamorfessiur  'die  3  O'Corras  mit  ihren  7  mann', 
auch  dies  wird  ein  Zeugnis  für  die  alte  erzählung  sein,  wenig- 
stens stimmt  die  zahl  der  genossen  nicht  mit  den  angaben  in 
unserem  text,  der  nur  6  gefährten  kennt  einschliefslich  des  crosan, 
also  nur  5  ohne  ihn. 

So  wenig  uns  auch  vom  alten  Imram  UaCorra  erhalten 
ist,  so  reicht  dies  doch  hin,  um  zu  erkennen,  dass  dieser 
text  älter  war  als  der  uns  erhaltene  Imram  Maelduin.  Finden 
von  Cluain  Iraird ,  in  dessen  klostergemeinschaft  die  O'Corras 
aufnähme  finden  und  bei  dessen  lebzeiten  sie  ihre  meerfahrt  an- 
treten (Imram  UaCorra  1,  oben  s.  185  ff),  starb  im  jähre  548. 
Maelduin  trifft  mit  seinen  genossen  auf  der  nieerfahrt  (episode  30, 
oben  s.  169)  einen  einsiedler,  welcher  der  letzte  der  15  genossen 
aus  der  (kloster-)familie  des  Brendan  von  Birr  war,  die  Bren- 
dans  von  Birr  buchersack  als  reliquie  mit  sich  nehmend  sich 
auf  den  ocean  begeben  hatten,  um  sich  in  die  einsamkeit  zurück- 
zuziehen, dieser  Brendan  von  Birr ,  auch  Brendan  der  ältere  ge- 
nannt, starb  565.  hieraus  folgt  allerdings  direct  blofs,  dass  die 
meerfahrt  der  UaCorras  als  ein  älteres  ereignis  gedacht  wurde 
denn  Maelduins  fahrt;  noch  nicht  unbedingt,  dass  auch  die 
Schilderung  der  meerfahrt  der  O'Corras  älter  sein  muss  als  der 
text  Imram  Maelduin.  dies  ergibt  sich  erst  unter  vergleich  der 
eigeutümlichkeit  des  Imram  UaCorra,  dass  ein  mann  nach- 
trägliche aufnähme  (indet,  mit  dem  gleichen  zug  in  Imram 
Maelduin,  dass  drei  mann  nachträgliche  aufnähme  finden;  hierauf 
komme  ich  in  anderem  Zusammenhang  unter  D  ii  zurück. 


206  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

Die  s.  198  —  204  angestellteu  erörterungen  werden  keineu 
Zweifel  darüber  gelassen  hal)en,  dass  der  in  einer  hs.  des  15jhs. 
auf  uns  gekommene,  oben  s.  183  — 197  gegebene  text  Imram 
curaig  UaCorra  nicht  die  alte  im  7  oder  8  jh.  entstandene 
Schiffererzählung  repräsentiert,  sondern  ein  relativ  junges,  nicht 
übers  12  jh.  hinausgehendes  mitlelirisches  und  aus  z.t.  erhaltenen 
quellen  zusammengestelltes  product  ist.  einen  weitereu  beweis 
dafür,  der  zugleich  eine  in  der  irischen  hagiographie  noch  nicht 
beachtete  tatsache  ans  licht  stellt,  will  ich  hier  noch  beibringen. 

Über  Ende,  den  berühmten  heiligen  von  Aran,  Brendans 
des  Seefahrers  und  Ciarans  von  Clonmacnois  (f  548)  freund, 
herscht  hinsichtlich  seiner  herkunft  in  verschiedenen  quellen  auf- 
fallender Widerspruch,  das  inhaltlich  und  der  Überlieferung  nach 
älteste  denkmal,  der  heiligenkalender,  genannt  Martyrologium  von 
Tallaght,  hat  zum  21  märz:  Ennoe  Äirni  mac  Ainmire  maic  Ronain 
de  Cremthannaib  'Ende  von  Aran,  der  söhn  des  Ainmire,  des  sohns 
des  Ronan  von  den  Cremthanns'  (in  county  Meath)  LL  357^  13. 
dem  gegenüber  bat  die  glosse  zum  Feiire  21  märz  in  LBr  84: 
isnJ  mor  Enna  Airne,  mac  Conaill  Deirg  Airgiallach  7  ingen  Ainmire 
rig  fer  nArda  amüthair  'ein  grofses  ding  ist  Ende  von  Aran, 
der  söhn  des  Conall  Derg  der  Airgiallachs,  und  die  tochter  des 
Ainmire,  des  kOnigs  der  männer  von  Aird,  war  seine  mutter.' 
hiermit  stimmen  die  anderen  jüngeren  quellen:  in  den  genealo- 
gien  irischer  heiligen  LL  347^,  55  lesen  wir:  Enna  Airni  mac 
Conaill  maic  Damine  maic  Corp(ri)  Daimar(gait)  maic  Crimth(ain), 
und  im  Book  of  Ballymote  217^,  30  heifst  es:  Ende  Airne  mac 
Conaill  maic  Daimine  maic  Cairpri  Daimargaid  maic  Crimthain 
'Ende  von  Aran,  der  söhn  Conalls,  des  sohns  von  Daimln,  des 
sohns  von  Caipre  Damargait,  des  sohns  von  Crimlhan';  im  LBr 
14®,  33  ist  der  Stammbaum  weiter  geführt:  Enna  Airne  mac  Co- 
naill Deirg  maic  Doimine  maic  Cairpri  Doimargaid,  maic  Ech( ach), 
maic  Crimth(ainn),  maic  Fheic,  maic  Dega  D(uirn),  maic  Roch(ad)a, 
maic  Colla  Fochrich  'Ende  von  Aran ,  der  söhn  von  Conall  Derg, 
des  sohns  von  Doimin,  des  sohns  von  Coirpre  Domargait,  des 
sohns  von  Echaid ,  des  sohns  von  Crimthan ,  des  sohns  von  Fiac, 
des  sohns  von  Daig  Duirn,  des  sohns  von  Rochaid,  des  sohns 
von  Colla  Fochrich.'  —  in  den  genealogien  der  mütter  irischer 
heiligen  LL  373^  25  und  Book  of  Ballymote  213^  32  finden 
wir:    Aebfind  ingen  Ainmere  maic  Ronain   rJ  nanArdda  mäthair 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  207 

Ennoe  Airne^Aehünd,  die  tochter  des  Ainmire,  des  sohns  von  Ro- 
nan,  des  köoigs  (der  männer)  von  Aird,  war  die  multer  vod  Ende 
vou  Aran.'  mit  diesen  irischen  quellen  stimmen  die  von  Colgan, 
den  Bollaudisten  (Acta  sanctorum,  märz  ni  267 — 274)  und  O'Kelly 
(Calendar  of  irisli  saints  s.  101)  beigebrachten  lateinischen  quellen, 
welche  alle  ebenfalls  viel  jünger  sind  als  das  Martyrologium 
von  Tallaghl:  Marianus  O'Gorman  (1167)  sagt  Enda  virgineus  de 
Arania,  filius  Conaill  Rubei  de  Clochar  quiescü  in  Arania;  die 
von  den  Bollaudisten  benutzte  Vita  des  Ende,  die  1340  am  Loch 
Ree  von  Augustinus  Magraidiu  aus  2  älteren  hss.  zusammen- 
geschrieben wurde,  nennt  Conallus  cognomento  Derc,  id  est  rubeiis, 
de  nohilibus  Ergelliensium  als  seinen  vater  und  Brig  filia  Anme- 
rini  als  seine  multer;  Cathaldus  Maguir  (1498)  nennt  Ende  von 
Aran  filius  Conalli  rubei  filii  Dameni  de  Origielliis  et  filia  An- 
mirii  principis  FeiArdorum  fuit  ejus  mater. 

Wir  haben  also  folgendes  factum :  auf  der  einen  seile  steht 
die  älteste  quelle,  der  offlcielle  heiligenkalender  der  irischen 
kirche  mit  der  bestimmten  angäbe ,  dass  Ende  der  söhn  des 
Ainmire  mac  Rouain  gewesen  sei.  andererseits  behaupten  die 
angeführten  jüngeren  quellen,  Ende  sei  nur  der  söhn  der  tochter 
dieses  Ainmire  mac  Ronain  gewesen  und  sein  vater  habe  Co- 
nall  Derc  geheifsen.  conciliante  naturen,  welche  die  stimmen 
nicht  wägen  sondern  zählen,  werden  den  gegensatz^  leicht  ver- 
kleistern durch  die  annähme,  dass  man  in  der  ältesten  quelle 
nur  an  der  band  der  jüngeren  ein  ingine  zwischen  mac  und 
Ainmire  einzuschieben  brauche  'söhn  [der  tochter]  des  Ainmire'. 
gegen  diesen  lösungsversuch  sprechen  nun  —  abgesehen  von 
dem  kritischen  bedenken ,  dass  jüngeren  quellen  grundlos  ein 
wert  beigelegt  wird,  den  ihnen  eine  wissenschaftliche  betrach- 
tung  nie  zugestehen  kann  —  chronologische  erwägungen.  am 
ausgangspunct  der  genealogie  von  Ende  steht  väterlicherseits  Colla 
Fochrich.  die  3  Collas  nun  —  Colla  Uais,  Colla  Menn  und  Colla 
Dach  rieh  oder  Fochrich  —  entthronten  nach  den  irischen  aunalen 
im  jähre  323  den  oberkönig  von  Irland,  wurden  326  durch  Muire- 
dach  Tirech  nach  Schottland  verjagt,  und  kehrten  327  zurück;  im 
'  die  Bollandisten  heben  den  Widerspruch  scharf  hervor  (his  accedit 
vetustissiTnum  Tamlactense  inarlyvologium :  sed  in  eo  manifexte  ce- 
teris  c antra  die it  omnibus,  quod  eurn  faciat  filium  Anmirei,  quem 
omnes  alii  seribmit  fuisse  SEndei  avum  mateimum),  machen  aber  keinen 
versuch,  ihn  zu  erklären. 


208  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

kampi'e  gegen  die  ülsterleute  tiel  der  zweite  der  brüder  331 
(siehe  O'Donovan,  Annais  of  Ireland  i  122  ff),  wir  haben  also 
für  den  ahnherrn  Endes  als  ausgangspunct  das  jähr  330.  von 
Colla  Fochrich  ist  Ende  die  zehnte  generation  nach  dem  Stamm- 
baum, sodass  wir  —  die  generation  zu  30  jähren  gerechnet  — 
auf  630  für  Ende  von  Aran  kämen  1  dasselbe  resullal  erreichen 
wir  auf  anderem  wege.  der  grofsvater  Endes  ist  nach  dem  ein- 
stimmigen Zeugnis  der  jüngeren  quellen  Daimin  mac  Cairpri  Dai- 
inargait.  es  meldet  nun  das  Chronicon  Scoltorum  zum  jähre  566: 
mors  Daimine  mk  Coirpre  Daimargaid ;  dasselbe  berichten  die 
Ulsterannalen  zu  564  und  die  Annalen  von  Irland  zum  jähr  560.' 
ferner:  nach  dem  Zeugnis  sämmtlicher  jüngeren  quellen 
istConall  üerc  der  söhn  des  genannten  Daimin  und  vater  des 
heiligen  Ende  von  Aran.  den  tod  dieses  Conall  Derc  überliefern 
uns  nun  wider  die  annalen:  Conall  an  ghae  dheirc  mac  Daim- 
hene  do  mharbhadh  laUibh  Meith  Macha  'Conall  mit  dem  roten 
Speer,  der  söhn  des  Daimin,  wurde  von  den  O'Meilh  Machas  ge- 
tötet' melden  die  4  meister  zu  605,  und  die  Ulsterannalen  zu 
608 :  mors  Conaill  mic  Daimeni.  wir  kommen  also  für  Ende  bis 
auf  die  zeit  von  630!  und  von  diesem  berühmten  Ende,  der 
doch  zu  den  wenigen  gehörte,  die  /rar^oc  ocQeiovg  genannt 
werden  können,  wissen  die  annalen  nichts  1 

Kurz,  die  angaben  der  jüngeren  quellen  über  des  berühmten 
Ende  von  Aran  abstammung  väterlicherseits  stehen  nicht  nur  in 
Widerspruch  zu  der  ältesten  quelle,  dem  Martyrologium  von  Tal- 
laght,  sondern  auch  —  von  dem  eben  entwickelten  gesichtspunct 
aus  betrachtet  —  zu  der  gesamm ten  tradition,  und  nicht 
zum  wenigsten  widersprechen  sie  sich  selbst,  die 
tradition  und  die  lat.  Vita  melden  übereinstimmend,  dass  Ende 
sein  geliebtes  Aran  von  dem  ersten  christlichen  könig  von  Munster, 
Oengus  mac  Nadfroich,  erhielt;  dieser  Oengus  üel  nach  dem 
übereinstimmenden  zeuguis  der  4  meister  und  der  Ulsterannalen 
im  jähre  489,  das  Chronicon  Scottorum  setzt  die  schlacht  bei 
Cell  Osnaig  und  den  tod  des  Oengus  ins  jähr  487.  ferner 
stimmen   alle   nachrichten,   auch   die  Vita,    darin    überein,   dass 

1  die  differierenden  angaben  dürfen  nicht  als  ein  schwanken  der  Über- 
lieferung über  den  lod  von  Daimin  gefasst  werden;  sie  beruhen  viehnehr 
in  der  gesammtchronologie  der  einzelnen  werke  zu  einander,  die  ganz  be- 
kannte historische  ereignisse  jener  zeit  mit  denselben  Schwankungen  be- 
richten. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  11  209 

der  548  am  9  September  im  alter  von  33  jähren  gestorbene  be- 
rühmte Ciarau  von  Clonmacnois  als  schüler  Endes  einige  zeit  in 
Aran  verweilte,  endlich  soll  Brendan  der  Seefahrer  (geb.  c.  484, 
t  576)  den  berühmten  Ende  vor  der  meerfahrt  besucht  haben, 
dieser  berühmte  Ende  von  Aran,  der  sich  vor  489  auf  dem  heid- 
nisclien  Aran  ansiedelte,  in  dessen  kloster  der  548  gestorbene 
Ciaran  von  Clonmaicnois  als  Jüngling  lebte,  kann  doch  nicht  der 
enkel  des  566  gestorbenen  Daimin,  der  söhn  des  605  (608)  ge- 
töteten Conall  Derc  sein! 

Wir  werden  also  von  allen  seiten  gedrängt,  die  angaben  der 
jüngeren  quellen  über  Endes  abstammung  väterlicherseits  als 
jüngere  erfindung  über  bord  zu  werfen,  die  zeit  dieser  erfindung 
lässt  sich  annähernd  bestimmen,  unmöglich  ist  anzunehmen,  dass 
man  im  7  und  8  jh.,  der  blütezeit  der  irischen  lilteratur,  den 
heiligen  Ende  von  Aran,  den  väterlichen  freund  Ciarans  von 
Clonmacnois,  zu  einem  söhn  des  608  ermordeten  Conall  Derc 
machen  konnte,  mit  dem  ende  des  8  jhs.  begann  die  für  Irland 
so  verhängnisvolle  200jährige  periode  der  vikingereinfälle:  klöster 
wurden  aller  orten  verbrannt,  die  bücher  durch  feuer  und  wasser 
vernichtet  (Cogadh  Gaedhel  re  Gallaibh  s.  138)  und  die  wissen- 
schalt erhielt  in  Irland  einen  stofs,  von  dem  sie  sich  nie  mehr 
ganz  erholte,  im  10  jh.  war  man  unwissend  genug,  um  Ende 
zu  einem  söhne  Conall  Dercs  machen  zu  können,  und  unwissend 
genug,  um  so  etwas  zu  glauben,  hierzu  tritt  nun  das  zeugnis 
des  Martyrologiums  von  Tallaght.  wann  dasselbe  angelegt  wurde, 
wissen  wir  nicht,  es  hat  aus  dem  9  jh.  die  eintragungen  Blalh- 
macc  (t  823),  Feidilmid  mac  Crimthain  (f  845),  Coirpre  Crom 
(t  899) ,  aber  daraus  schliefsen  zu  wollen ,  dass  es  erst  nach  900 
zusammengestellt  sei,  wäre  albern,  es  folgt  daraus  blofs,  dass 
in  die  uns  LL  355  ff  erhaltene  abschrift  oder  vielmehr  in  deren 
vorläge  nach  899  keine  eintragungen  mehr  gemacht  wurden,  es 
kann  also  um  900  die  angäbe  über  Endes  von  Aran  abstammung 
von  Conall  Derc  mac  Daimin  aus  Clochar  mac  uDaimeine  noch 
nicht  vorhanden  gewesen  sein  oder  wenigstens  nicht  solche  geltung 
erlangt  haben,  dass  sie  in  das  officielle  document  der  irischen 
kirche  aufnähme  fand. 

Was  war  nun  die  Veranlassung  für  die  erfindung  des  10  jhs.  ? 
es  ist  klar ,  dass  eine  ungezwungen  sich  darbietende  lösung  dieser 
frage   den   passenden   schlussstein   dieses   excurses   bildet,     eine 
Z.  F.  D.  A.     XXXllI.     N.  F.  XXI.  14 


210  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

solch»!  ist  vorhanden  und  führt  uns  wider  zu  dem  ausgangspunct 
(s.  206):  man  identificierle  im  10  jh.  den  berühmten 
heiligen  Ende  von  Aran  mit  dem  zweiten  der  (Ja 
Cor  ras,  der  auch  Ende  heifst.i  die  drei  O'Corras  heifsen 
Lochan,  Ende  und  Silvester;  ihr  vater  ist  Conall  Derc  UaCorra 
Find  und  ihre  multer  ist  die  tochter  des  airchinnech  (kirchen- 
gutsverwalters)  von  Clothar  (ist  ha  bancheile  du  caorderg  ingen 
airchinnig  Clothair  23.  M.  50  s.  187).  durch  identiOcalion  des 
berühmten  heiligen  Ende  von  Aran  mit  dem  zweiten  der  O'Corras, 
Ende  dem  söhn  des  Conall  Derc,  welcher  seineu  grofs- 
vater  mütterlicherseits  in  Clothar  halle,  gab  das  10  jh. 
<iem  Ende  von  Aran  den  Conall  Derc  (f  608)  von  Clothar 
na  mac  Daimeine  zum  vater!  war  so  Ende  von  Aran  zum  söhne 
des  Conall  Derc,  enkel  des  Damin  geworden,  von  dem  Clochar 
na  mac  uDameine  (das  heutige  Clogher  in  county  Tyrone)  seinen 
namen  hat,  dann  ergab  sich  die  weitere  genealogie  in  LBr  und 
Book  of  Ballymote  von  selbst,  die  Clochar  —  schlechte  Ortho- 
graphie Clothar  —  sind  in  Irland  so  zahlreich  wie  in  Deutsch- 
land die  Ortsnamen  Stein,  Steinach,  denn  clochar  ist  collectiv  zu 
doch  'stein';  und  das  Clochar,  wo  der  grofsvater  mütterlicher- 
seits von  Ende  O'Corra  wohnte,  hat  mit  dem  Clochar,  das 
nach  dem  angeblichen  grofsvater  väterlicherseits  von 
Ende  von  Aran  seinen  namen  hat,  nichts  zu  tun. 2 

Voraussetzung  nun  für  die  identificierung  von  Ende  von  Aran 
*  der  name  Ende  oder  Enne  ist  bei  den  Iren  nicht  ungewöhnlich:  ein 
Eada  mac  Gathbada  fällt  456  nach  den  4  meistern,  455  nach  dem  Chronicon 
Scotorum;  zur  zeit  Patricks  war  ein  Ende  O'Censelig  könig  von  Leinster; 
Crimthann  mac  Etinai  Cinselig  schlägt  den  irischen  oberkönig  Ailili  Molt 
(LL  300»,  3.  392d,  16  ff  und  die  Annalen  der  4  meister  478,  Ulsterannalen  483; 
vgl.  Chronicon  Scot.  487).  dieser  Crimthan,  söhn  des  Ende  Censelig,  ist 
der  Schwiegervater  von  Oengus  Nadfroich,  welcher  Aran  an  Ende  von  Aran 
verschenkte  (siehe  Chron.  Scot.  487).  andere  persönlichkeiten  des  namens 
Ende  aus  verschiedenen  jhh.  finden  sich  in  den  indices  zu  den  Annalen  der 
4  meister  und  zum  Chronicon  Scotorum. 

-  für  nachdenkende  leser  habe  ich  wol  kaum  nötig  zu  beweisen,  dass 
ebenso  wenig  wie  Ende  von  Aran  söhn  des  Conall  Derc  mac  Daimine  sei» 
kann,  er  auch  nicht  Ende  söhn  von  Conall  Derc  UaCorra  Find  sein  kann. 
es  genügt  schon  der  hin  weis,  dass  die  3  O'Corras  als  junge  männer  in  dem 
kloster  des  greisen  Finden  von  Clonard  christlichen  Unterricht  empfiengen  ; 
Finden  starb  548.  der  Ende,  der  bei  dem  greisen  Finden  als  junger 
manu  aufnähme  fand,  kann  nicht  vor  489  Aran  von  Oengus  Nadfroich  er- 
bitteth;  da  muste  er  schon  seine  meerfahrl  hinter  sich  gehabt  haben. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  211 

mit  Ende,  dem  mittleren  der  O'Corras,  dem  einen  teilnehmer 
an  der  berühmten  meerfahrt  —  Voraussetzung  ist  eine 
andere  erzählung  als  die  uns  unter  dem  titel /mram 
curaig  UaCorra  überlieferte,  wir  können  wol  so  viel 
mit  Sicherheit  schliefsen ,  dass  im  alten  Imram  UaCorra  die 
3  O'Corras  heimkehrten  und  sich  —  wie  nach  ihrer  ausbildung 
in  Clonard  natürlich  —  ins  kloster  zurückzogen,  in  so  fern 
ist  die  nachgewiesene  identificierung  der  beiden  Ende  im  10  jh. 
ein  beweis  für  die  kenntnis  vom  alten  Imram  UaCorra  in 
jener  zeit. 

Aus  der  identification  des  Ende  von  Arau  mit  dem  meer- 
fahrer  Ende,  söhn  des  Conall  Derc  UaCorra  Find,  erklärt  sich 
noch  ein  zug  in  der  Navigalio  SBrendani.  wir  sahen  oben  s.  176, 
dass  Brendan  vor  der  fahrt  zu  Ende  von  Aran  geht  in  nach- 
ahmung  eines  zuges  im  Imram  Maelduin ,  wo  Maelduin  erst  zu 
dem  druiden  Nuca  nach  Corcomruadh  sich  begibt,  ehe  er  sein 
schiff  baut,  warum  Brendan  gerade  zu  Ende  geht,  klärt  weder 
die  vorläge  tier  Navigatio  auf  noch  der  bericht  in  der  Navigatio 
selbst  (Schröder  s.  6,  8 — 1 1).  war  aber  dem  verf.  der  Navigatio 
SBrendani  die  identification  des  Ende  von  Aran  mit  dem  meer- 
fahrer  Ende  im  Imram  UaCorra  bekannt,  dann  wird  klar,  warum 
er  den  Brendan  gerade  zu   Ende  auf  3  tage  gehen  lässtl 

Bekannt  war  der  Imram  UaCorra,  sei  es  unsere  erzählung, 
seien  es  fragmente  der  alten,  dem  verf.  von  Imram  Brenaind 
(oben  s.  134 — 140);  hieraus  hat  er  den  crosan,  der  auch  im 
beginn  der  fahrt  umkommt,  wenngleich  in  ganz  anderer  weise 
als  in  Imram  UaCorra  3.  es  ist  wol  möglich,  dass  Imram  Bre- 
naind 10  darin  dem  alten  Imram  UaCorra  näher  steht  als  das 
unter  diesem  iiamen  auf  uns  gekommene  machwerk.  auch  dem 
verf.  des  gleich  zu  besprechenden  textes  war  wahrscheinlich  die 
alte  erzählung  bekannt. 

III.  Imrum  Snedgnsa  7  Maie  RJagla.  dieser  text, 
dessen  titel  uns  in  keinem  der  alten  sachcataloge  überliefert 
wird  und  für  den  ich  auch  kein  Zeugnis  aus  der  ütteratur  kenne, 
tindet  sich  blofs  in  H.  2.  16  (ICD)  col.  391  — 395  in  directem 
anschluss  an  den  unter  i  gegebenen  Imram  Maelduin.  er  teilt 
mit  ihm  die  eigentümlichkeit,  dass  auf  die  prosaerzähluug  der 
einzelnen  abschnitte  eine  reimerei  folgt,  i 

*  seit  diese  blattet    gesciirieben    sind ,   ist   der  text  mit    Übersetzung 

14* 


212  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

1.  die  männer  von  Boss  litleu  sehr  unter  der  herschaft  von 
Fiacho  mac  Doninaill:  er  liefs  ihnen  weder  vvaffen  noch  farbige 
kleider.  als  er  ein  jähr  herschte,  kam  er  zur  Boynemündung 
und  fordert  die  männer  von  Boss  vor  sich,  als  sie  ihm  erklärten, 
aufser  stände  zu  sein,  mehr  zu  leisten,  Uefs  er  sie  auf  seine 
haud  spucken  und  erst  die  hälfte  des  speicheis  war  blut.  nun 
befahl  er  ihnen  die  höhen  in  die  täler  zu  bringen,  bäume  in 
die  ebenen  zu  pflanzen,  eines  tages  erhebt  sich  ein  stück  rot- 
wild  in  ihrer  nähe,  dem  das  gefolge  des  königs  nachsetzt,  die 
männer  von  Boss  bemächtigen  sich  ihrer  vvaffen  und  töten  Fiacho. 
dafür  überzog  sie  Dondchad,  der  bruder  Fiachos,  und  trieb  sie 
zu  paren.  wegen  der  strafe,  die  er  über  sie  verhängen  sollte, 
schickte  er  zu  Columba  nach  Hi.  der  sandte  2  mönche ,  Snedgus 
und  mac  Biagla,  mit  dem  entscheid,  60  pare  der  schuldigen  be- 
völkerung  auf  das  meer  zu  setzen  und  gott  das  urteil  und  die 
strafe  zu  überlassen,     dies  wird  ausgeführt. 

Snedgus  und  mac  Biagail  machen  sich  auf  die  rückreise 
nach  Hi.  unterwegs  beschliefsen  sie,  freiwillig  sich  in  den  ocean 
auf  Wanderschaft  zu  begeben ,  wie  die  60  pare  unfreiwillig  ge- 
tan hatten. 

2.  sie  drehen  zur  rechten  und  der  wind  trieb  sie  nord- 
westlich in  den  äufseren  ocea'n  (dh.  aufserhalb  der  irischen  see). 
nach  3tägigem  fasten  erfasste  sie  grofser  durst,  der  unerträglich 
wurde,  da  erbarmte  sich  Christus  ihrer  und  bringt  sie  auf  einen 
Strom  von  geschmack  wie  laue  milch  (lemnacht);  sie  werden  da- 
von gesättigt,  sie  danken  gott,  beschliefsen,  sich  ihm  ganz  zu 
überlassen,  und  ziehen  die  rüder  ein. 

3.  sie  wurden  darauf  zu  einer  anderen  insel  getrieben,  ein 
wall  von  Silber  lief  über  ihre  mitte;  ein  fischwehr  war  auf  ihr, 
welches  aus  einer  silbernen  bretterverbindung  bestand,  gegen 
dieses  wehr  sprangen  grofse  lachse  an,  von  denen  jeder  gröfser 
war  als  ein  ochsenrind.     sie  wurden  von  ihnen  satt. 

4.  sie  trieben  darauf  zu  einer  anderen  insel:  auf  ihr  be- 
fanden sich  viele  junge  männer  mit  katzenköpfen.  ein  junger 
mann  irischer  abkunft  war  auf  ihr,  der  an  den  Strand  kam,  sie 
begrül'sle  und  sagte:  ich  bin  ein  Ire  (diferaib  Gaidel  damsa),  wir 
kamen   als   bemannung   eines   botes   hierher   und   ich  bin  allein 

von  Stokes  gedruckt  in  Revue  celUque  9,  14—26.    ich  habe  versucht,  dem 
splitlerrichter  Stokes  wenigstens  einige  balken  aus  dem  äuge  zu  ziehen. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  213 

übrig  geblieben;  sie  erlitten  den  martertod  durch  die  fremden 
bewohner  dieser  insel.  er  gibt  ihnen  nahrung  in  den  kahn  und 
sie  verabschieden  sich  unter  gegenseitigen  Segenswünschen. 

5.  darauf  blies  sie  der  wind  zu  einer  insel,  auf  der  ein 
grofser  bäum  war  mit  lieblicher  vogelschar,  über  derselben  be- 
fand sich  ein  vogel  mit  einem  goldenen  köpf  und  silbernen  flügeln 
und  er  erzählt  die  dinge  vom  anfang  der  weit  und  die  gehurt  Christi 
durch  Maria  die  Jungfrau  und  dessen  taufe  und  leiden  und  auf- 
erstehung  und  er  erzählt  die  ereignisse  des  (jüngsten)  gerichts, 
und  da  schlügen  alle  vögel  mit  ihren  flügeln  an  ihre  seiten, 
dass  sie  blutstropfen  (blutregen)  aus  ihren  seiten  fliefsen  liefsen 
aus  furcht  vor  den  zeichen  des  (jüngsten)  gerichts.  comnai  und 
cretra  (communiones  und  creaturae)  war  dies  blut.i  der  vogel 
gibt  den  klerikern  ein  blatt  von  den  blättern  dieses  baumes  und 
dieses  blatt  hatte  die  gröfse  einer  grofsen  ochsenhaut;  er  befahl 
den  klerikern ,  es  auf  Colum  Cilles  altar  zu  legen,  es  ist  'Colum 
Cilles  wedel'  und  befindet  sich  heutigen  tags  in  Keils,  der  ge- 
sang  dieser  vögel  war  lieblich  —  sie  sangen  psalmen  und  can- 
lica  zum  preise  des  herrn  — ,  denn  es  war  die  vogelschar  des 
himmlischen  gefildes,  und  weder  stamm  noch  blätter  dieses  baumes 
welken. 

6.  sie  sagten  darauf  den  vögeln  lebewol  und  fahren  zu 
einem  schrecklichen  land ,  in  welchem  menschen  mit  hundsköpfen 
und  mahnen  von  vierfüfslern  waren,  auf  befehl  gottes  geht  ein 
kleriker  von  der  insel  zu  ihnen  zu  ihrer  hilfe,  denn  sie  waren 
ohne  nahrung:  er  gibt  ihnen  fisch  und  wein  und  waizen. 

7.  sie  fuhren  darauf,  bis  sie  ein  land  erreichten,  wo 
menschen  mit  schweinsköpfen  sich  befanden:  sie  waren  .  .  .2 
und  viele  erntearbeiter  waren  bei  ihnen  beim  einernten  (icbuain) 
des  korns  in  der  mitte  des  sommers. 

8.  sie  giengen  darauf  in  ihren  kahn  und  singen  ihre  psalmen 
und  beten  zu  gott,  bis  sie  ein  land  erreichten,  in  welchem 
generalionen  von  Iren  waren,   und  die  frauen   der  insel  sangen 

1  vgl.  LL  279b,  2. 

-  hier  muss  in  der  lis. ,  die  keine  lücke  zeigt,  etwas  ausgefallen  sein, 
die  reimerei  macht  nichts  klarer: 

Cid  bud  inganto  dofarfas  foracoraib.    meithil  anguirt  cocendaib  muco 

f'ota  foraib. 
Formna  sine  samraid  rochain  roithnes  curpu.    fir  triuln  talcu  ba  hand 

tocbatnr  angiirto. 


214  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

ihnen  einen  sianan  sofort,  welcher  den  klerikern  lieblich  klang, 
singt  weiter,  sagte  der  kleriker,  es  ist  dies  ein  irisclier  sianan 
hier  (asse  sianan  naihrinn  annso).  wir  wollen,  o  kleriker,  sagten 
die  frauen ,  zum  hause  des  königs  der  insel  gehen,  wo  uns  will- 
kommen und  erfrischung  werden  wird,  die  Trauen  und  klerikei- 
gehen  in  das  haus  und  der  könig  bewillkommte  die  kleriker 
und  sie  ruhen  aus  und  er  fragte  sie  nach  ihrer  herkunft.  wir 
sind  Iren,  sagten  die  kleriker,  und  wir  gehören  zu  den  geführten 
Colum  Cilles.  wie  steht  es  in  Irland,  fragte  er,  und  wie  viel 
söhne  Domnalls  leben?  der  kleriker  erwiderte:  3  raac  Domnaiü 
sind  am  leben  und  Fiacha  mac  Domnaill  fiel  durch  die  männer 
von  Ross  und  wegen  dieser  tat  wurden  60  pare  von  ihnen  auf 
den  ocean  gesetzt,  das  ist  eine  wahre  erzählung  von  euch:  ich 
bin  es,  der  den  söhn  des  königs  von  Tara  tötete,  und  wir  sind  es, 
die  auf  den  ocean  gesetzt  wurden,  uns  gefällt  es,  denn  wir  werden 
hier  sein,  bis  die  aburteilung  (am  tage  des  gerichts)  kommen  wird; 
und  es  gefällt  uns,  dass  wir  ohne  siinde,  ohne  böses,  ohne 
unsere  sündhafte  begierde'  hier  sind,  die  insel,  auf  der  wir 
uns  befinden,  ist  gut,  denn  auf  ihr  befinden  sich  Elias  und  Enoch 
und  vornehm  ist  der  wohnorl  des  Elias,  er  bewillkommte  die 
kleriker  herzlich  und  sagte:  zwei  seen  sind  in  diesem  lande, 
ein  see  mit  wasser  und  ein  see  mit  feuer,  und  sie  würden  schon 
längst  Irland  überflutet  haben,  wenn  nicht  Martin  und  Patrick 
fürsprache  einlegten,  wir  möchten  gern  Enoch  sehen ,  sagten 
die  kleriker.  er  ist  an  einem  verborgenen  ort,  bis  wir  alle  (zum 
kämpf) 2  gehen  werden  am  tage  des  gerichts. 

9.  sie  fuhren  darauf  von  dieser  insel  weg  und  waren  auf 
dem  wogengebraus  des  meeres  lange  zeit,  bis  ihnen  grofse  hilfe  von 
gotl  kam,  denn  sie  waren  ermüdet:  sie  sahen  nämlich  eine  grofse, 
buhe  insel,  und  was  daraufwar,  war  lieblich  und  geheiligt,    der 

'  in  der  hs.  steht  cenpeccad  cenolc  cengail  arcinad:  das  ist  in  cen- 
gaile  ai'Cinad  zu  bessern,  worauf  auch  die  verse  mit  ihrem  cenpeccad 
cencol  cencesad  cengaile  hinweisen,  die  bedeulung  von  gaile  cinad  wird 
klar  aus  LBr  172'',  20,  wo  duine  noem  7  flrin  cengaile  cinad  von  Jesus 
nur  bedeuten  kann  'der  heilige  und  gerechte  ohne  sündige  begierde'.  dies 
gaile  ist  wol  das  gewöhnliche  gaile  'der  magen'  (vgl.  bruthgaile  LU  33'',21) 
in  übertragener  bedeutung  wie  iat.  g7//a,  engl.  *<omacA. 

"^  für  corrisam  uile  illo  anmessa  der  prosa  haben  die  verse  cotiasam 
uile  doncath  arcind  armartrai;  eine  solche  oder  ähnliche  ergänzung 
wird  nach  corrisam  und  bei  der  Zeilbestimmung  (illo)  erfordert. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  11  215 

könig  auf  dieser  iosel  war  gul  und  heilig  und  gerecht  und  seine 
schar  (ashiag)  war  grofs  und  seine  wohnung  vornehm,  denn  es 
waren  100  tore  in  dem  haus  und  ein  altar  bei  jedem  tor  und 
ein  priester  (fergraid)  bei  jedem  altar  beschäftigt ,  Christi  leib  zu 
opfern,  die  kleriker  giengen  darauf  in  das  haus  und  man  segnete 
sich  gegenseitig,  und  darauf  giengen  alle,  frauen  und  männer, 
die  grofse  schar,  zur  comraunion  bei  der  messe,  wein  wird 
ihnen  darauf  ausgeteilt  und  der  könig  sagt  darauf  zu  den  klerikern: 
sagt  zu  den  männern  Irlands,  grofse  strafe  wird  über  euch 
kommen,  es  werden  nordmänner  (allmaraig)  übers  meer  kommen 
lind  siedeln  bis  zur  hälfte  ihrer  insel  und  sie  werden  belagerung 
auf  euch  legen;  und  dies  bringt  ihnen  diese  strafe,  nämlich  die 
grofse  misachtung,  welche  sie  gegen  die  geböte  gottes  und  seine 
lehre  zeigen,  ein  jähr  und  einen  monat  seid  ihr  auf  dem  ocean 
und  ihr  werdet  (eure  heimat)  gesund  i  erreichen  und  tut  kund 
alle  eure  nachrichten  den  männern  Irlands. 

Dass  diese  erzähluug  nicht  so  alt  sein  kann  wie  das  er- 
eignis,  das  sie  berichtet,  ist  aus  inneren  gründen  vollkommen 
klar.  Domnall  mac  Aeda  maic  Ainmireach  starb  639.  seine  nach- 
folger  in  der  würde  des  oberkönigs,  die  söhne  des  Maelcoba, 
starben  656  nach  den  Annalen  der  4  meister.  da  nun  die  er- 
raordung  des  Fiacho  mac  Domnaill  ein  jähr  nach  antritt  seiner 
herschaft  stattgefunden  haben  soll,  so  kämen  wir  aufs  jähr  640.2 
damals  war  Colum  CiUe  fast  50  jähre  tot  und  er 
konnte  das  urteil  nicht  abgeben.  O'Curry,  Manuscr. 
mat.  s.  333  hilft  sich  auf  eigentümliche  weise;  er  sagt:  'Fiacha's 
brother,  Dounchadh,  came  upon  them  in  reveoge;  but  he  stayed 
his  vengeauce  until  he  should  consult  bis  anmchara  (lit.  soul's 
frieud  [dh.  beichtiyer]),  the  comharba  (successor)  of  Sai  nt 
Colum  Ci II e,  to  whom  he  sent  a  message  to  Jona,  to  ask  his 
advice  on  the  case.  the  comharba  of  Colum  Cille  sent  over 
two  of  his  confidential   clerics'  usw.     die  betretfende   stelle   der 

•  da  rosechim,  so  weit  mir  sein  gebrauch  bekannt  ist,  nie  allein  be- 
deutet 'heimkehren',  sondern  nur  'erreichen,  kommen'  (vgl.  LU  'iö"»,  10  rose- 
saidsi  uli  dofortir  'ihr  werdet  kommen  alle  zu  eurem  lande'),  so  ist  in 
rosessigh  inlan  etwas  ausgefallen,  inlaji  steht  vollkommen  regelrecht  für 
i?idslän;  vgl.  indadbol ,  indlaigiu,  inmär ,  incliian,  inchomocus  aus  den 
glossen  ZE  608. 

^  oder  643,  wenn  man  den  tod  Domnalls  mit  anderen  quellen  642 
ansetzt. 


216  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

hs.  lautet:  Baandsin  asbertsom  fesin.  nlcoir  dam  angmmso  do- 
denom  cenchomairle  frimanamcharaü  friColnm  Cille.  Tiaghar 
uadh  coColum  Cille.  Tic  Snedlighus  7  Mac  Riaghla  oCholum  Cille 
cocomairle  leo  rfö.'da  sagte  er  (Dondchad)  selbst:  es  ziemt  sich 
nicht  für  mich,  diese  tat  zu  tun  ohne  rat  mit  meinem  beichtiger, 
mit  Colum  Cille.  mau  geht  von  ihm  zu  Colum  Cille.  es  kommt 
Snedgus  und  mac  Riagla  von  Colum  Cille  mit  einem  rat  für 
ihn.'  von  einem  nachfolger  Colum  Cilles  ist  keine  rede  und 
O'Currys  angaben  sind  nur  versländlich  unter  der  annähme,  dass 
er  flüchtig  comairle  in  comarba  verlesen  und  noch  flüchtiger  die 
conslruction  und  den  ganzen  passus  betrachtet  hat.i 

Der  verC.  unserer  erzählung  dachte  offenbar  an  die  grofse 
reichsversammlung  von  Druim  Ceta ,  zu  der  Colum  Cille  von  Jona 
gekommen  war,  um  einen  streit  zu  schlichten,  der  den  grofs- 
vater  von  Fiacho  und  Dondchad,  den  Aed  mac  Ainmirech  he- 
traf.  eine  solche  confusion  der  tatsachen  war  aber  sicher 
erst  geraume  zeit  nach  640  möglich,  und  aus  diesem  gründe 
schon  werden  wir  die  erzählung  um  200  jähre  herunlerrückeu 
müssen. 

Innere,  aus  dem  Inhalt  der  erzählung  gewonnene  gründe 
sowie  das  sprachliche  gewand  scheinen  mir  darauf  hinzuweisen, 
dass  wir  in  diesem  Imram  ein  product  des  ausgehenden  9  oder 
des  10  jhs.  vor  uns  haben. 

Die  auf  der  fahrt  von  der  ßoynemündung  nach  Jona  be- 
grifl'enen  kleriker  werden  durch  nordwestlichen  wind  in  den 
äufseren  ocean  getrieben  (2)  und  gelangen  nach  3  tagen  auf 
einen  ström  von  geschmack  wie  laue  milch,  dass 
hiermit  der  westlich  von  den  Hebriden  vorbei- 
fliefsende  golfstrom  gemeint  ist,  lehrt  ein  blick  auf  die 
karte,  sie  kommen  dann  zu  verschiedenen  inseln :  (3)  insel  mit 
dem  lachswehr,  (4)  insel  mit  den  hundskOpfigen  menschen,  unter 
denen  sich  ein  Ire  befindet  als  rest  der  mannschaft  eines  kahnes, 
während  die  anderen  durch  die  fremden  hewohner  getötet  worden 
waren ;  dann  trieben  sie  zu  einer  insel  mit  grofseu  vogelschareu  (5). 
habe  ich  nötig,  an  die  fahrten  irischer  kleriker  im  7  jh.  nach 
den  Orkneys,  Shettlandsinseln  und  Fseroern  zu  erinnern  (Greith, 
Altir.  kirche  s.  169  ff)?  darf  ich  die  in  der  früheren  Studie  (Zs. 
32,  231)  angeführten  worte  des  Iren  Dicuil  (825)  hierher  setzen: 

'  von  all  dem  hat  Stokes  Rev.  cell.  9, 15  nichts  gesehen. 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  217 

sunt  aliae  inmlae  multae  in  septentrionali  Britanniae  oceano ,  quae 
a  septentrionalibus  Britanniae  insulis  duorum  dierum  ac  noctium 
recta  navigatione  plenis  velis  assiduo  feliciter  vento  adiri  queunt. 
aliquis  presbyler  mihi  rettulit  quod  in  duobus  aestivis  diebus  et 
nna  intercedente  nocte  navigans  in  duorum  navigula  transtrorum 
in  unam  illarum  introivit.  illae  insulae  sunt  aliae  parvulae  fere 
cunctae  simul  angustis  distantes  fretis,  in  quibus  in  centum  ferme 
annis  [also  um  725]  heremitae  ex  nostra  Scottia  navigantes  habi- 
taverunt.  sed  sicut  a  principio  mundi  desertae  semper  fuerunt, 
ita  nunc  causa  latronum  Nortmannorum  vacuae  anachoritis,  ple- 
nae  innumerabilibus  ovibus  ac  diversis  generibus 
inultis  nimis  marinarum  avium  (Parlliey,  Dicuil  s.  44)? 

Kanu  mau  zweifeln,  dass  uns  in  abschnilt2  —  5  eine  poetische 
Schilderung  einer  reise  irischer  kleriker  gegeben  ist,  die  durch 
einen  starken  nordweslvviud  vom  curse  abgetrieben  in  den  golt- 
strom  gerieten  und  so  zu  den  F«roern  kamen?  die  bewohner 
der  Inseln  in  4  sowie  in  6  und  7  sind  heidnische  nordleute: 
in  den  versen  zu  episode  4  heilst  es  ausdrücklich :  Dochotar 
martrai  laheclitrando  ceniris,  hite  trebaid  cencuid  cubais  isinninis 
'sie  erlitten  marter  durch  die  ungläubigen  fremden,  welche 
auf  der  insel  wohnen  ohne  eine  spur  von  bekenntnis  (cubais 
=  confessio).  dass  dieselben  als  katzen-,  hunds-  und  schweins- 
köpüg  geschildert  werden ,  darf  man  nicht  wörtlich  nehmen,  der 
Atecollenusurpalor  Cairbre  führt  den  beinamen  Cinncait  (Cait- 
chenn)  'katzenköpfig',  und  ein  angesehener  nordischer  führer  der 
vikingerzeit  Amiaib  (Olaf)  hat  das  epitheton  CenncairecJi  'Schafs- 
kopf (Annalen  der  4  meister  931.  934.  935).  in  diesem  sinne 
sind  die  menschen  mit  köpfen  von  katzen,  huuden  und  Schweinen 
zu  verstehen:  es  sind  verächtliche  vergleiche  der  abweichenden 
gesichtsbildung  einer  anderen  rasse. 

Das  Vorbild,  wonach  die  der  episode  5  zu  gründe  liegende 
vvürklichkeit  umgestaltet  wurde ,  ist  uns  noch  erhalten :  es  ist 
die  alte  erzählung  LU  17%  111=  LL  280%  43 ff.  hier  wird  be- 
richtet, wie  Elias  unter  dem  bäume  des  lebens  im  paradies 
(fochrund  bethad  hipardus)  steht,  umgeben  von  den  seelen  in 
vogelgestalt;  die  evangelien  hat  er  in  seiner  band;  er  öffnet  sie 
und  predigt  ihnen  von  den  dingen  am  tage  des  gerichts.  amal 
dünas  iarom  inclerech  (dafür  hat  LL  Eli)  alebor,  doberat  indeöin 
angäir  essib  7  tuargit  anette  riatüebaih  cotöegat  asrolha  fola  essib 


218  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

arömon  lathe  brätha  'wenn  nun  Eli  das  buch  schliefst,  stofsen 
die  Vögel  ihren  schrei  aus  und  schlagen  ihre  flügel  wider  ihre 
seilen,  sodass  ihre  stiöme  blutes  aus  ihnen  fliefsen  aus  furcht 
vor  dem  tage  des  gerichtes'  LU  17',  33 ff  =  LL  281%  24 ff.  dieser 
salz  findet  sich  sogar  fast  wörtlich  in  unserem  texl:  hahandside 
notuairctis  anenlaith  uile  conaneitib  atoebo  cosiltis  ambrcenu  fola 
assataebuib  aromnn  airde  mbratha  'da  schlugen  alle  vogel  mit 
ihren  flügeln  an  ihre  seilen ,  sodass  sie  ihre  blutströme  aus  ihren 
seilen  fliefsen  liefsen  aus  furcht  vor  den  zeichen  des  gerichts' 
H.  2.  16  col.  392.  mit  dieser  erzählung  conlaminiert  der  verf. 
einen  anderen  uns  schon  bekannten  zug.  in  der  einleitung  zum 
alten  Imram  UaCorra  erfahren  wir  (siehe  oben  s.  185),  dass  Lochan 
im  iraum  in  den  himmel  geführt  wird:  gott  ist  umgeben  von 
den  engein  in  vogelgeslalt,  die  durch  gesang  erfreuen;  unter 
diesen  engein  ragt  ein  glänzender  hervor,  nämlich  der  erzengel 
Michael. 

Der  verf.  von  Imram  Snedgusa  schuf  aus  den  diversis  ge- 
neribns  mnltis  nimis  marinarum  avium  (Dicuil)  auf  den  Fseroern 
die  erzählung  in  episode  5  und  8:  an  stelle  des  Eli  war  der  en 
mor  cocind  dir  7  conetib  argait  'der  grofse  vogel  mit  dem  köpf 
von  gold  und  den  flügeln  von  silber',  dh.  Michael,  getreten,  und 
,Elias  und  Enoch  aus  LU  17%  1  fl'  (=  LL  280%  43  ff)  wurden  nun 
frei  für  ihre  Verwendung  in  episode  8.  das  übrige  von  8  liegt 
in  der  composition  gegeben. 

Die  zeit  nun,  in  der  Imram  Snedgusa  entstand,  scheint  mir 
durch  die  letzte  der  zu  betrachtenden  episoden,  durch  9  angedeutet : 
allmaraig,  die  übers  meer  gekommen  sind,  ohne  spur  von  glauben 
(cen  chuit  irse),  wie  in  den  versen  hinzugesetzt  wird ,  halten  Irland 
zur  hälfle  unter  ihrer  botmäfsigkeit.  es  ist  die  zeit,  in  der 
die  invasion  der  Norweger  und  Dänen  ihre  gröste 
ausdehnung  erreicht  hat,  ende  des  9jhs.  oder  lOjh.i 
hiermit  stimmt  die  spräche  unseres  texles  durch- 
aus: ich  erinnere  nur  an  die  schönen  accusalive  plur.  wie 
lasnadeirchiu,  frisnacleircho,  branu  folo,  den  voc.  plur.  a  cliarcho, 
an  den  freien  gebrauch  der  infigierten  pronomina.^ 

*  1014  wurde  l>ei  Clontarf  die  macht  der  nordleute  gebrochen. 

2  Stokes  hat  den  wahrhaft  tollen  einfall  (Revue  celtique  9,  25),  die 
Weissagung  in  abschnitt 9  'to  the  anglo-norman  invasion'  zu  beziehen, 
also  die  Engländer,   die  mit  einer  bulle  Hadrians  iv  vom  jähre  1154  an  der 


KELTISCHE  BEITRÄGE  11  219 

Die  tendenz  der  erzählung  ist  klar:  es  ist  der  mahurut  eines 
Iromnien,  patriolischeu  Ireu  aü  seine  landsleule,  gottes  geböte 
und  seine  lelire  mehr  zu  beachten,  damit  die  strafe  gottes  von 
ihnen  genommen  werde,  versteckte  und  doch  allen  hörern  er- 
kennbare hiebe  auf  die  im  lande  sitzenden  eroberer  fallen  in  4. 
6.  7:  sie  sind  ja  die  nachkommen  der  katzen-,  hunds-  und 
schweinsköpfigen  bewohner  der  Faeroer  mit  ihren  mahnen  wie 
vierfüfsler;  mancher  von  ihnen  trug  ein  ähnliches  beiwort  in 
irischem  munde. 

Dass  aber  der  uns  unbekannte  verf.  dieses  pamphlets  aus 
dem  9  oder  dem  10  jh.  iür  seinen  mahnruf  an  die  landsleule 
die  form  des  imram  wählte,  setzt  die  imrama  als  beliebte 
lilteraturgattung  in  der  damaligen  zeit  voraus,  wie 
wir  ja  auch  kenntnis  eines  solchen  oben  s.  218  für  ihn  an- 
nahmen. 

IV.  die  übrigen  Imramas.  von  den  in  den  sachcatalogen 
noch  genannten  ist,  so  viel  bekannt,  keiner  auf  uns  gekommen, 
über  Imram  luinge  Murchertaig  maic  Erca  wissen  wir  nichts; 
Murchertach  war  von  504  —  526  oberkönig  von  Irland,  aber  die 
annalen  geben  keinen  anhält  dafür,  dass  er  einen  imram  unter- 
nommen, auch  Reating  wüste  nichts  von  einem  solchen ,  da 
er  sich  sonst  nicht  vollständig  ausschweigen  würde.  —  was  wir 
über  die  4  aufgeführten  (siehe  s.  144)  Longes  wissen  —  er- 
küste  von  Leiüster  1171  landeten,  sollen  altmaraig  'auf  fremden  meeren  sich 
umhertreibende  Seeräuber',  cenchuil  irsi  'ohne  spur  von  Christenglauben'  ge- 
nannt sein  I  für  den  ständigen  gebrauch  von  allmaraig  zur  bezeichnung 
der  norwegischen  piraten  brauche  ich  nur  auf  meine  ausführungen  Zs.  32, 
245  ff  zu  verweisen,  und  in  welche  zeit  muss  Stokes  unseren  text  herab- 
drücken ,  wenn  er  nicht  würklich  an  eine  reise  irischer  kleriker  lebendigen 
leibes  in  den  himmel  und  an  ihre  Unterhaltung  mit  gott  glauben  will!  doch 
in  den  anfang  des  13jhs.  wie  stimmt  dazu  die  spräche  unseres  textes?  es 
wäre  eher  glaublich,  dass  Gottfrid  von  Strafsburg  Otfrids  Evangelienbuch 
verfasst  habe,  als  dass  Imram  Snedgusa  im  13  jh.  geschrieben  sei.  ich 
weifs  wol ,  was  Stokes  für  sich  anführen  wird :  die  bemerkung  über  den 
wedel  Colum  Gilles  :  andlu  aCenandus  ataside  'heutigen  tages  ist  er  in  Keils'. 
O'Curry  hat  nämlich  nachgewiesen  (Manuscr.  mater.  s.  334  ff),  dass  diese 
reliijuie  nebst  anderen  im  jähr  1090  aus  dem  norden  nach  Keils  kam.  be- 
achtet man  aber,  dass  die  worte  dem  text  conidlii  cuilefaid  Col.C.  nach- 
hinken, dass  die  verse  über  die  noliz  von  dem  Vorhandensein  der  reliquie 
in  Keils  nichts  wissen,  so  ist  klar,  dass  in  einer  älteren  vorläge  die  worte 
andlu  aCenandus  ataside  beigeschrieben  waren  und  erst  durch  einen  copisten 
in  den  text  gerieten. 


220  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

halten  ist  nichts  — ,  hat  O'Curry,  Manuscr.  mal.  s.  251  ff  zu- 
sammengestellt, lür  unsere  Untersuchung  sind  die  notizen  be- 
langlos. —  seeabenleuer  kommen  in  der  erzählung  Eachua  Thaidg 
mic  Cein  vor  (Book  of  Lismore  fol.  159%  I  ff),  durch  Cathmann, 
söhn  desTabhurn,  kOnig  von  Frieseuland  (rl  üre  firailli  Fresen), 
waren  Tadgs  weih  uud  seine  beiden  brüder  nebst  beute  weg- 
geschleppt worden ,  und  Tadg  entschloss  sich  zu  einer  seeexpe- 
(litiou  ins  Friesenland  (cricha  Fresen),  das  sich  der  erzähler  in 
der  nähe  Spaniens  südöstlich  dachte  (ferunn  sein  fil  icomair 
Easpaine  sairdes).  auf  dieser  meerfahri  treffen  sie  auf  viele 
abenteuer.  leider  gestattete  mir  meine  beschränkte  zeit  im  herbst 
1880  nicht  mehr  als  eine  flüchtige  durchsieht  des  textes  nach 
grammatischen  und  lexikalischen  gesichtspuncten ,  und  meine  no- 
tizen über  den  inhalt  sind  mir  nach  so  vielen  jähren  nicht  mehr 
alle  klar. 

(Schluss  folgt.) 

Greiiswald,  juli  1888.  H.  ZIMMER. 


LESSING   UND   DER   INEPTUS   RELIGIOSUS. 

Die  reitung  des  Ineptus  religiosus  (Lachmauu  vi  68.  Mal- 
zahn 69.  Hempel  xiv  1,  47)  findet  in  Lessings  gelehrter  jugend- 
schrift  gewöhnlich  die  geringste  beachtung.  die  biographen  be- 
gnügen sich  mit  der  blofsen  anführung  (Danzel-Guhrauer  i-  226} 
oder  mit  kurzer  beschreibung  (Erich  Schmidt  i  221  f).  gleichwoi 
ist  sie  für  die  deutsche  litteraturgeschichle  und  die  Lessing- 
forschung merkwürdig,  es  handelt  sich  darin  um  die  Zurück- 
weisung des  Hamburger  bibliophilen  pastor  Vogt  (über  ihn  siehe 
Mensel  Lexikon  14,  277),  der  in  seinem  Verzeichnisse  rarer 
bücher  (Catalogus  librorum  rariorum,  Hamburgi  1732,  12**  uö., 
jedoch  erst  in  der  2  verm.  auQ.  von  1747  sub  litt.  1)  ein  theo- 
logisches schriftchen  des  17  jhs.  mit  dem  zusatz  'ein  höchst  seltenes 
aber  böses  und  gottloses  büchlein'  ('libellus  summe  rarus  at 
malus  et  impius')  erwähnt,  nach  Lessiiig  ist  es  'ein  sehr  gutes 
und  rechtgläubiges  bücheichen',  sogar  ein  beitrag  der  ortho- 
doxen zum  synkretistenstreit,  in  diesem  sinne  macht  er  litterar- 
historische  conjecturen  über  den  verf.,  in  deren  Oberflächlichkeit 
er    nur   von    seinem    herausgeber   bei    Hempel    übertroffen  wird. 


LESSmr.  UND  DER  INEPTÜS  RELIGIOSUS  221 

durch  die  gütige  vermittelung  der  Berlioer  kgl.  bibliothek  hal)e 
ich  aus  der  kgl.  seminarbibliothek  zu  Wittenberg  das  wol  von 
Lessing  dort  benutzte  exemplar  des  Mibellus  summe  rarus'  (an 
dem  willkürhch  zum  gipfelpunct  der  conlroverse  gemachten 
§  45  findet  sich  mit  roter  feder  ein  anmerkungszeichen  ||  )  ein- 
sehen können  und  fand  meine  schon  aus  Lessings  Übersetzung 
der  Schrift  gewonnenen  Vermutungen  bestätigt,  das  schriftchen 
ist  weder  'ein  sehr  rechtgläubiges  bücheichen'  noch  ein  beitrag 
zum  synkretistenstreit.  da  es  nun  aber  nicht,  wie  der  heraus- 
geber  bei  Ilempel  meint,  'eine  ziemlich  plumpe  satire',  sondern 
'ein  sehr  gutes  bücheichen'  ist,  so  dürfte  es  sich  aus  doppelten 
gründen  verlohnen,  von  litlerarhistorischer  seile  diesem  sonder- 
baren fall  einer  rettung  vor  den  rettern  trotz  dem  wenig  an- 
lockenden hintergrunde  näher  zu  treten. 

Lessing  hat  diese  art  'satire'  des  17jhs.  ähnlich  misver- 
standen,  wie  seiner  zeit  noch  Gervinus,  der  ein  erzeugnis  der- 
selben auf  lilterarischeni  gebiete  für  das  muster  einer  der  zeit 
überlegenen  geifselung  der  damaligen  schulpoesie  ausgab,  wäh- 
rend es  gerade  aus  dem  grimmigsten  lager  derselben  gekommen 
war  (vgl.  meine  Poetik  der  renaissance  in  Deutschland  s.  297  ff), 
da  nun  Lessing  überdies  damals  den  theologischen  Verhältnissen 
des  ITjbs.,  wie  das  hier  auch  der  nichtkenner  alsbald  heraus- 
fühlt, so  gegenübersteht,  dass  für  diese  zeit  wenigstens  die 
äufserung  Karl  Schwarzs  über  Lessings  relativ  späte  nähere  be- 
teiligung  an  der  theologie  ihr  recht  behält ,  so  wurde  es  ihm 
möglich,  grundgedankeu  und  beziehungen  der  schrift  ganz  irrtüm- 
lich zu  bestimmen,  ein  dunkles  gefühl  hiervon  hat  er  wol  gehabt, 
denn  etwa  die  hälfle  des  büchleins  hat  er  ausgelassen ,  weil  er 
wahrnehmen  muste,  dass  sie  gegen  seine  meinung,  'der  (ortho- 
doxe) verf.  sage  immer  das  gegenteil  von  dem,  was  er  sagen 
will',  gar  zu  offenbar  protestiere,  die  auslassungen  befinden  sich 
nicht  immer  am  Schlüsse  der  paragraphen ,  wie  seine  etc.  an- 
deuten, sondern  in  ihrer  mitte  verstreut,  §  7  sogar  am  anfang. 
wir  lassen  sie  in  folgendem  selbst  sprechen,  indem  wir  auch 
solche  von  Lessiug  übersetzte  stellen  einmischen,  deren  original 
in  diesem  sinne  abweicht  und  die  zugleich  für  das  ganze  be- 
deutungsvoll sind.  sie  sind  durch  gesperrten  druck  hervor- 
gehoben. 

1.     ...  Ecmt  alii  per  sahbras,  faciant  per  gyros  iter,  f'atigent 


222  LESSING  UND  DER  INEPTUS  RELIGIOSÜS 

cerebri  vertiginem ;  miseri  Uli  tiesciunt  quid  sibi  quid  hodierno  seculo 
debeant ;  etiam  frugibus  inventis  glande  vesci  cupiunt  et  cythera 
(cythara)  reperta  utrem  amant. 

2.  ...  Olim  forte  et  apud  seculum  prius  servitutem  hanc 
servire  coacti  sumus.  .  .  . 

3.  ...  sie  multi  horrent  ea  et  metuunt  quae  pueriliter  me- 
tuenda  credunt.  est  et  haec  multorum  laborum  causa  quod  me- 
liorem  viam  ignorent. 

4.  ...  Qtii  ante  nos  fuerunt  non  Domini  sed  Duces  nostri 
fuenmt.  sequendi  sunt,  si  modo  rede  praecesserint ,  dicit  alicubi 
Seneca. 

5.  ...  quisquis  suos  patiemur  manes.  doctum  hodie  seculum 
est  praesertim  quia  tanta  tamque  opportuna  librorum  copia  est.  .  . 
loquendi  certe  et  respondendi  promptitudine  multis  parasangis  saepe 
eos  antecedunt  (nämlich  weltleute  die  schulgelehrlen).  olim  forte 
eruditio  aptid  solos  doctos  fuit ,  Monachortim  ventres  sali  sapientes 
habiti,  Musae  in  solis  Academiis  habitarunt ,  sed  haec  seculi 
labes  erat. 

7.  Quanto  igitur  satius  est  cum  hominibus  integris  sensibus 
integroque  judidio  praeditis  conversari.  hos  dixi,  iterumque  dico 
esse  qui  domi  sunt  educati,  simplicis  candidique  pectoris  qiii  rem 
cere  pensitant  de  qua  loquuntur  quibus  sive  veritas  sive  falsitas 
nee  damno  est  nee  lucro  denique  qui  non  didicerunt  sophisticandi 
et  syllogizandi  artes.  erst  hier  selzl  Lessings  iihersetzung  des 
§  7   ein. 

8.  ...  Penetrabit  in  pectus  quod  ex  penetralibus  pectoris 
prodiit.  sed  nee  tarnen  ex  cuius  quamvis  eloquentissimi  sapientia 
omnia  te  discere  puto.  ita  tuum  ingenium  subactius  fiet,  si  cum 
multis  .  .  .  conversaberis. 

9.  ...  Quid  est  sapientia  sine  animo\^  optimus  ille  et  ge- 
nerosus  nihil  timide  agit  nee  temere.  sitae  scientiae  confisa  mens 
persuadet  sibi  se  scire  quod  seit  et  se  aestimat  praebetque  se  aesti- 
mandum.  quomodo  in  mari  stat  rupes  nee  ad  ßuctuum  ventorum- 
que  impetum  cedit ;  ita  ille  ad  hominum  aliornm  nutus  fkcti  nescit. 

10.  ...  Magnanimitatem  dico  quae  opponitur  pusillae  menti, 
qua  hodie  premuntur  quotquot  se  sublevare  nolunt  (lies :  volunt). . .  . 
haec  minutias  Grammaticorum  videt,  Dialecticorum  ineptias  con- 
temnit.  haec  ad  veterum  placita ,  praejudicata,  pacta  et  sanctiones 
non  stupet. 


LESSING  UND  DER  INEPTUS  RELIGIOSUS  223 

11.  ...  ipsa  etiam  Scriptnra  teste  (nämlich:  können 
wir  fehlen),  denique  nimis  abjectum  atqne  humile  est  in  unius 
castris  milüare  quippe  hoc  jam  publice  et  vulgo  fit.  a  vulgi  autem 
studiis,  qui  vir  est,  abhorret  atque  abslinet. 

13.  .  .  .  Est  genus  prudentiae  alios  etiam  aestimare  nee 
prorsus  despicere.  ultra  monles  etiam  habitare  homines,  dicunt 
Germani.  humiles  illae  mentes  sunt,  quae  extra  pomoeria  nihil 
sapienliae  esse  putant.  illa  anathemisatio  fons  et  radix  est  bel- 
lorum  et  discordiarum  omnium. 

15.  ...  Mira  autem  res  est,  homines  putare  talia  ut  sunt 
Adiaphora ,  id  est,  quae  salva  ßde  omitti  aut  teneri  possunt  eos- 
que  tarnen  mordicus  ea  observare. 

17.  ...  Saepe  cervam  putat  esse  Minervani  et  ranam  üianam 
(nämhch:  der  überstudierte),  quid  obstat  quo  minus  talia  apud 
te  ipsum  conciliare  possis;  praesertim  si  animum  attenderis? 

18.  ...  Sunt  Biblia  animi  pharmaca  ut  S.  Pater  ille  ait. 
0  si  [ad]  animo  tuo  imprimere  possem ,  ut  Commentatores  et  Glos- 
satores  fugeres  et  Scripturam  solam  legeres,  quam  esses  beatusl 
vere  dico  nemo  hodie  sine  praejudicio   ad  commentandum  accedit. 

19.  ...  Habes  in  Bibliis  omnia.  .  .  .  quicquid  ex  praescripto 
facimus,  coacti  facinms:  nullum  autem  violentum  et  coactum 
Deo  est  gratum. 

20.  .  .  .  Ellipses  et  Hiatus  saepe  sunt  in  orationibus  Sancto- 
rum.  .  .  .  sie  vero  in  lalibus  esse  te  velim,  plurimum  ut  tibi 
credas  nee  cuiquam  satis  confidas  ut  monuit  Plinius. 

21.  Quis  veterum  talia  verba  somniavit?  (nämlich  haeccei- 
tates,  enteitates  und  ähnliche  scholastische  ausdrücke.)  vel  ex 
hoc  uno  argumento  disce  quam  declinemus  hodie  a  vetustate  et 
veritate.  .  .  .  adeo  enim  vitiis  innutriti  sumus,  ut  vitia  virtutes 
putemus.  nee  quicquam  se  docte  scribere  putat  nisi  tenebris  plus 
quam  Cimmeriis  omnia  involvat  et  a  sui  lectione  simplices  abs- 
terreat. 

23.  ...  Neque  ego  dum  elegans  dico,  intelligo  Rhetorculorum 
quorundam  ineptias  qui  nil  nisi  docte  lascivire  ut  Fabius  ait  et 
altas  Metaphoras  fundere  nil  nisi  obsoleta  et  arguta  verba  dicere 
queunt:  sed  proprium  constantem  et  facilem  intelligo  stylum  qui 
sine  offensione  liquidissimi  fluminis  instar  labitur  qui  periodis  bene 
sonantibus  claudit'ur  qualis  veterum  fuit  qui  Ciceronis  aevo  quam 
convenientissimus  est.     hac  laude  excellunt  Arminianorum  libri.  . .  . 


224  LESSING  UND  DER  INEPTUS  REIJGIOSÜS 

hör  um  vestigia  panci  moderni  piemunl.  primum  antem  animi 
constantis  mdicimn  est  apte  loqui.  fit  et  plerumque  nt  qui  optime 
loquuntur  optime  sentiant.  quid  vero  sapientiae  speres  ex  iis  qui 
nequidem  loqui  mit  scribere  didicerunt?  quid  constantiae  requiras 
qui  desultorio  orationis  genere  utentes  ne  constantem  quidem  periodum 
absolvere  possunt?  quid  sunt  homines  qui  sine  delectu  verborum 
qnicquid  in  buccam  venit  scrihunt?  qui  Haecceitates  et  Enteitates 
crepant?    denique   in  quorum  sermone   ne  mica  quidem  salis  est? 

24.  ...  Modestia  certa  illa  bonae  et  compositae  mentis  socio. 
Videos  quosdam  adeo  immodestos  ut  slomachari,  bilem  effundere, 
adversarium  mendacem,  truncum,  asinum,  vejovem  appellare;  adeo 
inverecundos  ut  ad  stercora  et  obscaeniora  eum  ablegare  nulla  sit 
religio,  ex  hoc  autem  ungue  leonem  nosce!  qui  dissentientem  ferre 
non  potest ,  qui  protinus  damnat  et  ad  orcum  detrudit,  hie  niger 
est,  hunc  tu  Romane  caveto!  tuus  autem  scriptor  mitis  sit  man- 
suetus  et  clemens  qui  memor  Christianae  charitatis,  memor  dicti 
Salvatoris:  nolite  judicare,  memor  praecepti  Paulini:  si  quis  est 
contentiosior  inter  vos,  nos  consuetudinem  illam  non  habemus 
neque  Ecclesia  Bei. 

25.  .  .  .  Fax  optima  verum  qua(quam)  homini  novisse 
datum  est.  .  .  . 

26.  .  .  .  Affectuum  motus  impedit  animum  ne  possit  cernere 
verum.  .  .  .  praeceptum  hoc  non  est  Aristotelis  sed  majoris  cujus- 
dam:  sit  sermo  vester  Est  Est.  Non  Non;  quid  super  est,  a 
malo  est. 

27.  ...  Optimus  liber  est  qui  spiritu  libero  et  stylo  heroico 
compositus.  omnis  ars  suspecta  res  est.  scriptores  qui  omnium 
accuratissime  se  scribere  Simulant,  omnium  maxime  fallunt. 

28.  ...  Vel  ex  hoc  solo  indicio  constat  quam  minime  veri- 
tatem  ferre  mundus  possit.  plus  quam  Papistica  tyrannis  est,  in 
libera  Republica  prohibere  libros  edi  et  vendi.  miraque  seculi  est 
patientia,  quae  talia  aequo  animo  ferre  potest. 

31.  ...  regulae  breves  .  .  .  quas  si  observaberis  scopum 
quem  tibi  fixisti  lange  felicius  attingas. 

32.  .  .  .  Nova  autem  et  majora  fac  ut  aucuperis.  quemad- 
modum  nemo  vir  puerilem  induit  togam,  ita  nee  fas  nee  jus  est 
ut  nugas  pueriles  immisceas  virili  aetate. 

33.  ...  Semper  tibi  in  ore  sit  etc.  Pontificis  Romani  aulo- 
ritas   competens,   potestatis    civilis    et    Ecclesiasticae    differentia   et 


LESSING  UND  DER  INEPTUS  RELIGIOSUS  225 

similia.  .  .  .  nunquam  tarnen  etiam  periculosissimas  et  profundis- 
simas  quaestiones  fugias.  qnomodo  enim  miles  qui  in  praecipitio 
et  periculosissima  acie  parte  solitns  ad  majorem  fortitudinem  majus- 
que  rohur  succrescit  quam  is  qui  post  principia  latet:  ita  in  ven- 
tilandis  operosissimis  animosior  et  fortior  evades,  quam  si  ad  quae- 
stiones parvas  et  humiles  te  dimittas. 

35.  ...  Nullius  etiam  conspectitm  fugito,  sive  Abbas  sit  sive 
Praelatus,  in  ejus  fadem  verum  et  rectum  quod  videbitur,  in- 
stanter eloquere.  .  .  .  nee  in  popin  a  qui  dem  aut  caupona 
consideas  sine  studio  discendi  et  docendi.  nulla  dies 
nullus  locus  sit  sine  linea. 

36.  .  .  .  Aciiit  etiam  discursus  Judicium  et  äuget  experientiam. 
frigidi  hominis  est  ad  audita  omnia  tacere. 

37.  .  .  .  Est  enim  quod  ingeniosissimi  optimi  et 
doctissimi  viri  m.ala  plurima  frequenter  ex  invidia 
patiantur.  intelliges  autem  ex  eorum  sermonibus  quare  odio 
habeantur;  nimirum  quod  aliis  hircum  mulgentibus  ipsi  cribrum 
supponere  nolint ,  quod  amarani  veritatem  profiteamur  (!  pro- 
fiteantur?)  quod  singularem  eruditionem  sectentur,  denique  soda- 
libus  et  amicis  destituantur. 

38.  ...  Saepe  quo  minime  credis  gurgite  piscis  erit ,  semper 
itaque  tibi  pendeat  hamus. 

39.  .  .  .  Falsa  plerumque  sub  involucris  verborum  praeferri 
solent:   contra  veritas  amat  intelligi. 

40.  Hac  una  virtute  (sc.  placabilitate)  omnibus  iis  major  eris 
quorum  abjecta  et  plus  quam  terrestria  ingenia  humi  serpunt  et 
sui  ventris  privata  commoda  publicae  tranquillitati  hoc  tempore 
praepommt:  sacerdotulos  dico  et  Theologulos  qui  incendia  et  vul- 
nera  publica  ahmt  atque  augent.  o  ferrea  pectora  quae  litibus 
Ulis  et  dissidiis  delectantur  et  modum  irarum  ponere  nesciunt. 
Theologi  sunt  homines  morosi ,  dif fidles  obstinati,  ut  jamdudum 
fassus  Sleidanus  Historicns :  si  adhiberentur  htiic  rei  homines  mites 
et  pacifid  longe  felidor  successus  sperari  posset. 

41.  Vetera  omnia  et  usitata  tibi  sordeant.  ridetur  chorda 
qui  semper  oberrat  eadem. 

42.  ...  Saepe  ex  imbeciUitate  humana  utrinque  peccatum 
est.  ...  terminis  etiam  scholasticis  solum  inter  se  saepenumero 
pugnant. 

Z.  F.  D.  A.    XXXIII.    N.  F.    XXI.  15 


226  LESSING  UND  DER  INEPTUS  RELIGIOSUS 

50.  ...  Tandem  si  in  articulis  fulei  perfectns  jam  dis- 
putator  fueris,  in  statum  publicum  inquirere  etc. 

51.  ...  Saepe  rogare  rogata  teuere,  retenta  docere 
Haec  tritt  discipulmn  facrunt  superare  magistrum. 

52.  .  .  ,  Maledictus  est  qui  florem  aetatis  Diabolo  et  foecem 
Deo  consecrat.  ne  suspendeas  itaque  Judicium  de  talihus  ad  seram 
iisque  senectutem,  uhi  aliud  habes  qnod  agas.  periculosa  etiam. 
mora  est.  vigent  in  juventute  mens  et  senstis  omnia:  contra 
in  senio 

Sanguis  hebet  frigentque  effoetae  in  corpore  vires. 

Wer  diese  ratschlage  und  Warnungen  eines  deutschen  theo- 
logen  des  17  jhs.  getrennt  liest,  der  wird  sie  sehr  angebracht 
finden,  der  autor  hat  Bacon  gelesen  und  macht  eine  dec  frühesten 
anwendungen  der  'instauratio  magna'  auf  die  deutsche  theologie. 
hält  er  sie  mit  den  übrigen  ausführungen  zusammen,  so  wird  er 
vielleicht  zu  der  ansieht  des  'herrn  Harenberg  in  der  vermischten 
Hamburgischen  bibliothek'  (i!i581)  gelangen,  von  der  Lessing  mit 
unrecht  den  pastor  Vogt  abweichen  lässt:  dass  man  nämlich  nicht 
wisse,  ob  der  autor  im  ernst  oder  im  spott  rede,  denn  Vogt 
hat  nicht  unterlassen,  die  siguatur  des  von  ihm  benutzten  exemplares 
in  seine  beschreibung  des  büchleins  aufzunehmen,  aus  der  das- 
selbe erhellt,  nämlich  folgende  worte  des  Erasmus:  mente  cares 
si  res  tibi  agitur  seria:  rursus  fronte  cares,  si  sie  ludis  amice 
Faber.  aus  dieser  nachträglichen  anführung  am  Schlüsse  seines 
beweises  scheint  auch  hervorzugehen,  dass  Lessing  mit  dem  när- 
rischen theologen  schliefslich  nicht  viel  mehr  anzufangen  gewust 
hat,  als  die  beiden  Hamburger  gelehrten. ^  das  rätsei  löst  sich 
aber  sehr  bald  und  sehr  einfach,  wenn  man  die  schrift  nicht  für 
sich  allein,  sondern  litterarhistorisch  betrachtet,  denn  sie  steht 
durchaus  nicht  allein,  sondern  hat  in  ihrem  Jahrhundert  viele 
Schwestern,     und  nur  das  eine  ist  dabei  rätselhaft,   wie  eine  so 

*  es  scheint  auch  nicht,  als  ob  'herrn  Vogt'  die  Lessingsche  Interpretation 
eingeleuchtet  hat.  zum  mindesten  'hat  es  ihm  nicht  gefallen  —  wie  Lessing 
ihn  auffordert  — ,  sich  in  einer  neuen  ausgäbe  seines  Verzeichnisses  darüber 
zu  erklären.'  erst  in  der  lange  nach  seinem  tode  —  von  dem  cand.  Krucken- 
burg  zu  Nürnberg  —  herausgegebenen,  stark  vermehrten  ausgäbe  findet  man 
nach  dem  unveränderten  urteil  die  magere  noliz:  'Adde  Lessings  kl.  sehr, 
p.  m  und  83.'  dagegen  hat  ein  Lessingverehrer  in  das  Berliner  exemplar 
fast  den  ganzen  Lessingschen  beweis  mit  vielfachen  Übertreibungen  einge- 
tragen. 


LESSING  UND  DER  INEPTÜS  RELIGIOSUS  22/ 

verbreitete  lilterarische  mode,  als  die  'burleske  Schreibart*  um  die 
mitte  des  17  jhs.  ist,  den  gelehrten  um  die  mitte  des  achtzehnten 
schon  völlig  unverständlich  sein  konnte,  um  so  mehr  als  ihre 
letzten  ausläufer  noch  fast  bis  an  sie  heranreichen,  denn  nach 
der  manier  der  Deutschen,  fremde  moden  tot  zu  hetzen,  findet 
sich,  hier  in  dem  unausstehlichen  Jargon  der  VVeiseaner  noch 
im  18  jh.  die  burleske  conserviert.  damals  war  sie  neu  und  die 
Schriftsteller,  die  sich  ihrer  bedienten ,  noch  nicht  so  geschmack- 
los, ganz  schulmäfsigen  Unterricht  in  diese  angemessene  form 
zu  packen,  wol  aber  benutzte  man  sie  zu  anscheinend  harmloser 
Verbreitung  von  Wahrheiten ,  einfallen  ,  ausstellungen  ,  die  sich  im 
nüchternen  ernst  nicht  hervortrauten,  die  beziehung  einiger 
gelehrter  dieses  Zeitalters  zu  den  früheren  hofnarren  hat  bereits 
Gervinus  angemerkt,  das  sehr  einfache  mittel  besteht  hier  wie 
beim  clown  des  theaters  darin,  durch  fortwährende,  ganz  un- 
vermutete einstreuung  von  schnurren,  gemeinplätzen,  sprichwört- 
lichen redensarten,  verkehrten  ratschlagen,  die  sofort  an  der 
Übertreibung  oder  zwecklosigkeit  kenntlich  sind,  niemals  den 
gedanken  aufkommen  zu  lassen,  dass  man  im  ernst  rede,  aber 
man  redet  im  ernst  und  derselbe  bricht  zur  bekräftigung  stellen- 
weise ganz  nackt  durch,  ein  exemplar  dieser  gattung  haben 
wir  nun  auch  in  unserem  Ineptus  religiosus  vor  uns. 

Seine  wahre  meinung  ist  demnach  unschwer  zu  erkennen, 
besonders  im  original,  wo  der  derb  zufahrende  ton  der  Lessing- 
schen  Übersetzung  wegfällt,  seine  ratschlage,  die  sich  als  ver- 
kehrt geben,  sind  sehr  oft  ernst  gemeint,  er  warnt  vor  schul- 
knechtschaft,  grillenfängerei,  Scholastik,  willkürlicher,  endloser 
und  zänkischer  bibelauslegung.  welcher  'orthodoxe'  könnte  sich 
damals  in  dieser  weise  blofsstellen !  andererseits  trifft  er  secten- 
wesen  und  ä-la-mode-theologie,  jedoch  gutmütig  und  ohne  partei- 
leidenschaft.  seine  mahnungen  zu  Selbständigkeit,  weitverkehr, 
Verständlichkeit  sind  damals  zu  selten  und  zu  wol  angebracht, 
um  sie  nicht  in  obigem  sinne  als  närrischen  ernst  zu  nehmen. 

Mit  dem  synkretistenstreit  (vgl.  zwei  neuere  Schriften,  die 
ihn  von  verschiedenen  standpuncten  darstellen,  von  HSchmid, 
Erlangen  1846,  und  HGass,  Breslau  1846,  sowie  die  betr.  artikel 
von  Henze  und  Tholuck  in  Herzog-Plitts  Realencyklopädie)  kann 
das  büchlein  nichts  zu  tun  haben,  die  Schriften ,  welche  in 
diesem   streit  gewechselt  wurden,   haben   alle  bestimmte  motive, 

15* 


228  LESSING  UND  DER  INEPTÜS  RELIGIOSUS 

von   denen   keines    hier   auch   nur  anklingt,     unter  den  secten- 
namen   in    16  und  21   dürften    die  'Sündechristen'  nicht  fehlen, 
an  ausbeute  für  einen  'ineplus  religiosus'  hätte  es  wahrlich  nicht 
gemangelt  (vgl.  Arnold,  Kirchen-  und  ketzerhistorie  ii  147).    aber 
die  Schrift   mit  ihrer   durchgehenden   Zugrundelegung  englischer 
und    holländischer   religionsverhältnisse    weist    entschieden    nach 
dem  nordwesten ,  während  der  synkretistenstreit  in  Mitteldeutsch- 
land  und    dem    äufsersten   nordosten ,   wesentlich    im   damaligen 
Brandenburg-Preufsen  tobt,     Helmstädt,  Wittenberg,  Königsberg 
sind  die  herde,  die  länder  des  grofsen  kurfürsten,  der 'die  syn- 
kretisten  begünstigte  —  den  'seelenmörder  seines  Volkes'  nennt  ihn 
Calovius,  Historia  syncretistica  s.839  — ,  der  eigentliche  Schauplatz 
des  kampfes,     hauptargument  gegen  Lessings  annähme   sind  die 
manigfachen   anspielungen   der   schrift   auf  wütenden   antikatho- 
licismus  (14,  33).      den   synkretisten    wie    allen    unionisten   des 
17  jhs.  wurde  von   den   strengen    reformierten   und   lutheranern 
gerade   hinneigung   zum   pabsttum,  ja   kryptokatholicismus   vor- 
geworfen,    trotz   alle  dem  findet  sich   aber  wider  nicht  der  ge- 
ringste  grund,   den   autor  auf  synkretistischer  seite  zu  suchen. 
Lessings   meinung,    der   §  21    mit    seinen   ausfällen   gegen    den 
scholastischen  betrieb  der  theologie  (die  nebenbei  überhaupt  kern 
des  buches  sind)  richte  sich  gegen  den  Helmslädter  Superinten- 
denten Hoffmann  und  dessen  'hass  gegen  die  weltweisheit'  (wäh- 
rend diese  tendenz  damals  in  der  zeit  des  aufblühenden  Jansenismus 
geradezu  in  der  luft  liegt),  zeigt  am  deutlichsten  seine  damalige 
geringe  Vertrautheit  mit  den  Verhältnissen,     auch   die  ein  wenig 
lieblose  hineinziehung  Jacob  Böhmes,  von  dem   man  erst  gegen 
ende  des  jhs.  uotiz  zu  nehmen  begann,   ist  ein  solches  parade- 
stück ,  wie  bereits  Erich  Schmidt  aao.  222  tadelnd  angemerkt  hat. 
die  schrift  ist   ein   ganz  unschulmäfsiges,   rein  litterarisches  er- 
zeugnis.   ihre  abfassungszeit  nach  dem  erscheinungsjahr  bestimmen 
zu  wollen ,   wäre  voreilig,     gerade  solche  erzeugnisse  waren  da- 
mals meist  nur  für  einen  engen  kreis  bestimmt  und  wurden  ge- 
legentlich wider  wissen   und  willen   der   autoren    gedruckt,     die 
idee  des   1.  r.  stammt  offenbar  aus  einer  zeit,   in  der  von  syn- 
kretisten  noch    gar   nicht   die   rede  war,   sie  wendet   sich  nach 
Holland  und  England  (siehe  das  prooemium)  und  handelt  zumeist 
von  remonstranten  und  contraremonstranten  (11.30),  deren  kämpfe 
in  das  zweite  und  dritte  Jahrzehnt  des  17  jhs,  fallen,    unionisten 


LESSING  UND  DER  INEPTÜS  RELIGIOSUS  229 

(siehe  Barlaeus  §  13,  Hugo  Grotius  und  andere  irenistische 
autoren  der  'religio  Grotiana'  §  30)  gab  es  schon  lange  vor  dem 
synkretistenstreif.  nun  glaube  ich  aber  einen  chronologischen 
anhaltspunct  gefunden  zu  haben,  der  die  abfassung  des  büchleins 
würklich  vor  jenes  erste  kriegsjahr  des  synkretistenslreits  rückt, 
es  heifst  §  30  in  merkwürdig  persönlicher  und  familiärer  weise 
von  Hugo  Grotius:  'weiches  buch  (nämlich  die  Religio  medici 
des  Thomas  Brown)  Hugo  besonders  wegen  der  reinheit  seiner 
Schreibart  vielen  anzupreisen  pflegte.'  Lessing  meint,  Grotius 
könne  dies  buch  gar  nicht  gekannt  haben,  da  es  'eigentlich 
englisch  geschrieben'  und  die  lateinische  Übersetzung  erst  nach 
Grotius  tode  herausgekommen  sei.  allein  seine  glänzende  bücher- 
kenntnis  hat  ihn  hier  im  stich  gelassen,  er  denkt  off'enbar  an 
die  Strafsburger  ausgäbe  dieses  philosophen  für  die  weit  des 
17  jhs.  mit  den  anmerkungen  von  L.  N.  M.  E.  N.  (Levin  Nicolaus 
von  Moltke  siehe  Placcius,  Theatrum  anonymorum  s.  26),  Strafs- 
burg 1652,  während  gerade  die  Leydener  ausgäbe  der  lat.  Über- 
setzung von  John  Merry  Weather  mit  den  anmerkungen  von 
Kenelm  Digby,  welche  das  buch  erst  berühmt  machte,  1644  er- 
schien, dies  könnte  das  buch  sein,  auf  welches  sich  Grotius  in 
nr  699  der  familienbriefe  (s.  965  der  Amsterdamer  folio-ausgabe 
von  1687)  als  eben  übersendet  bezieht  mit  dem  urteil:  Scribü 
etiam  latinius  etc.  admiscet  dicta  quaedam  elegantiora  .  .  .  (vgl. 
Conringii  epistolae  in  Opp.  p.  vi  559).  Grotius  starb  am  18.  8. 
1645.  auf  jener  verhängnisvollen  reise  nach  Stockholm  zur 
leitung  der  regierung  einer  launischen  königin,  von  der  zurück- 
kehrend er  an  der  deutschen  küste  einen  plötzlichen,  einsamen 
tod  fand,  hatte  Grotius  Hamburg  berührt,  dort  war  ihm  von 
dem  holländischen  gesandten  DSchrasvius  ein  glänzender  empfang 
bereitet  worden  (siehe  Epist.  nr  1760  aao.  s.  749).  er  war  in 
Deutschland  gerade  damals  sehr  populär,  der  autor  unseres 
büchleins  könnte  sich  also  sehr  wol  auf  Hamburger  aussprüche 
des  kürzlich  verstorbenen  beziehen,  nun  weist  aber  die  schrift 
durchaus  auf  Hamburg,  denn  1)  bezieht  sie  sich  auf  die  Ver- 
hältnisse einer  libera  respnblica  (28)  im  gegensatz  zu  jeder 
monarchie  (50).  dass  dieselbe  volkreich  und  geistig  regsam  ist, 
erhellt  aus  dem  ganzen,  die  leichtigkeit  des  litterarischen  Ver- 
kehrs wird  §  30  besonders  angemerkt.  Hamburger  gelehrte  sind 
es  ferner,   die  sich   um   das  büchlein   bemühen  (Harenberg  und 


230  LESSING  UND  DER  INEPTÜS  RELIGIOSUS 

Vogt),  wie  wenn  wir  nun  auch  einen  Hamburger  Schriftsteller 
als  seinen  verf.  nachweisen  könnten! 

Der  autor  zeichnet  mit  M.  J.  S.  in  dem  M.  wird  man  mit 
Lessing  das  gewöhnliche  'magister'  zu  sehen  haben,  an  den 
nahezu  ein  meuschenalter  jüngeren  'atheislen'  Johann  Steller 
aber  hätte  Lessing  für  sein  'orthodoxes  bUchelchen'  überhaupt 
nicht  denken  dürfen,  auch  Josua  Schwarz  (holsteinischer  general- 
superintendent  f  1709)  hat  Lessing  nur  aufs  gerate  wol  auf- 
gestellt, da  er  von  den  'holsteinschen  troublen'  dieses  ortho- 
doxen declaranten,  die  schon  ins  18  jh.  fallen  (vgl.  Moller, 
Cimbria  litterata  ii  825)  vielleicht  in  seiner  Jugend  noch  reden 
gehört,  tatsächlich  war  dieser  Josua  Schwarz  1652  erst  20  jähr 
alt  und  bezog  eben  die  Universität,  gänzlich  verfehlt  ist  es  auch, 
wenn  von  dem  herausgeber  Lessings  bei  Hempel  der  Witten- 
berger Professor  Job,  Scharf  herangezogen  wurde,  das  'scherflein' 
im  synkrelistenstreite  —  HSchmid  s.  103  nennt  ihn  den  'unge- 
schicktesten der  gegner  des  Calixt'  — ,  dessen  geistesgaben  der 
studentenvvitz  mit  den  Worten  characterisierte:  Schar fius  interdum 
Stumpßus  esse  solet  (Arnold  aao.  ii  149).  seine  mageren  Schriften 
sind  unter  dem  durchschnitt  stehende  ansammluugen  theologischer 
loci,  überhaupt  kommen  nicht  allzu  viele  der  damaligen  deutschen 
autoren  bei  dieser  mindestens  durchaus  individuellen  schrift  in 
frage,  unter  diesen  aber  bietet  sich  bei  erwägung  aller  um- 
stände mit  nahezu  an  gewisheit  gränzender  Wahrscheinlichkeit 
für  M.  J.  S.  magister  Johannes  Schuppius  dar. 

Schuppius  ist  in  Deutschland  der  erflnder  und  während  des 
ganzen  jhs.  der  classische  Vertreter  des  oben  beschriebenen  bur- 
lesken Stiles,  seine  Schriften  De  opinione,  De  nihilo,  De  lana 
caprina  ua.  teilen  genau  den  oben  beschriebenen  character  unserer 
schrift.  in  seinem  lueptus  orator  (Marburg  1638,  bis  1642  dreimal 
aufgelegt  und  nachgedruckt,  alsdann  von  Kindermaon  ins  deutsche 
übersetzt  in  den  gesammtausgaben)  liegt  alsbald  das  directe  Vor- 
bild für  den  Ineptus  religiosus  vor.  die  schrift  ist  zusammen- 
gesetzt aus  wörtlichen  und  sachlichen  parallelen  nicht  blofs  mit 
dieser,  sondern  mit  allen  echt  Schuppischen  schritten,  über  die 
eine  specialunlersuchung  sehr  am  platze  wäre,  nur  die  haupt- 
sächlichsten können  wir,  um  diese  Untersuchung  nicht  über 
gebür  auszudehnen,  anführen,  der  Ineptus  orator  (siehe  ed.  m, 
Marpurgi  1642,   s.  10)    stellt    sich   dem   De   oratore   des  Cicero 


LESSING  UND  DER  INEPTUS  RELIGIOSUS  231 

gegenüber  (Librum  hunc  ad  Garamantos  et  Indos  relegate),  er- 
ledigt aber  gleich wol  ganz  ernsthalt  (s.  14  If)  die  damaligea  06- 
jectiones  contra  Rhetoricam,  gegen  qiüdam  solidae  eloquentiae 
sicarii  und  schildert  s.  16  den  vernünftigen  stil  bei  den  theo- 
logen  (sermonis  elegantiam  cum  verum  e  limpidissimis  Israelis 
fontibus  petüarum  majestate).  vgl.  damit  I.  rel.  §  23  über  den 
elegans  sermo,  qui  sine  offensione  limpidissimi  ßuminis  instar  la- 
bitur.  dagegen  nun  die  Rhetorum  scholasticorum  ineptiae  quibus 
hodie  juvenes  scholis  fatigantur  (anhang  iii  zum  I.  or.  aao.  s.  33), 
die  haecceitates ,  Johanneitales  (ebd.  s.  16.  die  Spöttereien  über 
diese  scholastische  ausdrücke,  die  praedicamenta  essentiae  (Scbr.^ 
w  133),  kehren  bei  Schupp  lortwährend  wider)  im  vergleich  mit 
den  §§  10  und  23  des  I.  rel.  schriftsteiler,  in  quorum  sermone 
ne  mica  quidem  salis  est  (1,  rel.  §  23),  quibus  salarium  vix  sal 
suppeditavit  (I.  or.  s.  19),  qui  sine  delectu  verborum  quicquid  in 
buccam  venit  scribnnt  (l.  rel.  §  23) ,  tu  die  quid  in  buccam  venit 
(I.  or.  s.  10).  Ex  tempore  tarnen  ad  quaevis  respondere  assuesce. 
omne  ingenium  magnum  est  extemporaneum  (1.  rel.  §  41),  omnia 
quae  profers  die  esse  extemporanea  (I.  or.  s.  10).  der  ratschlag 
des  I.  rel.  §  44:  si  collocutor  quidam  acutior  erit ,  vide  ut  sal- 
sum  dicterium  in  promptu  habeas ,  qiiod  isti  vulpeculae  scholaslicae 
in  barbam  injicias.  poterit  et  haec  responsio  tibi  prodesse,  quod 
(1.  quam)  collocutor  non  intelligat  etc.  certum  est  multos  homines 
quaedam  loqui  quae  ipsi  non  intelligant  usw.  entspricht  sachlich 
genau  dem  des  I.  or.  s.  10:  si  verborum  penuria  aegrotas  pro- 
tinus  finge  verba  pro  arbitrio  tuo.  si  barbarismus  aut  soloecis- 
mus  exciderit  confestim  in  promptu  sit  nomen  poetae  alicmus  vel 
scriptoris  alius  qui  nee  est  nee  fuit  unquam  in  rerum  natura, 
cita  . .  .  qui  aut  non  sunt  in  omnium  manu  aut  non  in  omnium 
mente  usw.  zu  dem  ratschlag,  sich  bescheiden  auszudrücken, 
exempli  gratia  sehr  fein  vnd  wol  redet  Piaton  usw.  I.  or.  s.  1 1 
halte  man  den  §  43  des  I.  rel.  die  ampullae  ex  Amadiso  sive 
ex  Arcadia  comitissae  de  Pembroek  petitae  I.  or.  s.  13  spiegeln 
sich  in  der  gleichfalls  ironischen  behandlung  dieser  lectüre  I. 
rel.  §  20.  die  sorge  um  die  äufsere  ausstattung  der  bücher  I. 
or.  s.  14.  I.  rel.  §  27.  zu  I.  rel.  §  5  Loquentibus  nostris  pueris 
Tidlius  ipse  si  viveret  tacere  cogeretur  vgl.  I.  or.  s.  18,  wo  die 
Schüler  jetzt  Cicero  übertreffen ,  weil  dieser  das  florilegium  Langii 
et  theatrum  Zwingeri  et  magnum  illud  opus  Reyerlingii  entbehrt 


232  LESSING  UND  DER  INEPTUS  RELIGIOSUS 

habe,  die  aus  ernst  und  scherz  zusammengesetzte  erhebung  der 
librorum  copia  des  Zeitalters  in  §  5  entspricht  dem  scribacissimum 
seculuni  uhi  steriles  concipiunt,  ubi  eunuchi  gignunt  et  nemo  ca- 
caturiens  se  cohibere  potest  I.  or.  s.  14.  auch  das  Dixi  seines 
Schlusses  hat  der  I.  rel.  mit  I.  or.  (s.  14)  gemein,  zeigt  sich 
bis  hierher  der  I.  or.,  was  von  vorn  herein  wahrscheinlich  ist, 
nur  als  Vorbild  des  I.  rel.,  so  vervollständigen  die  beziehungen 
zu  den  übrigen  Schriften  Schupps  unseren  beweis,  besonders 
eigentümlich  ist  Schupp  der  kämpf  gegen  die  falsche  academische 
erziehung,  die  überflüssigen  disputationen,  gegen  den  scholasti- 
schen hochmut,  der  auch  den  I.  rel.  kennzeichnet,  'es  ist  nicht 
alle  weifsheit  an  Universitäten  gebunden'  ist  das  thema  einer 
langen  ausführung  im  Unterrichteten  Studenten  (Sehr.  anh.  407  f) 
wie  I.  rel.  §  5  Musae  in  solis  Academiis  habitarunt.  in  denselben 
ausdrücken  wird  darüber  gespottet  I.  rel.  §  37  aliis  hircum  mul- 
gentibus  ipsi  cribrum  supponere  nolint.  De  lana  caprina  (Volumen 
orationum,  Giessae  1656,  i  50)  cum  hircum  mulgenti  cribrum 
supponeret.  I.  rel.  §  1  cythara  reperta  utrem  amant,  I.  or.  (s.  14) 
utrem  pro  cithara  gaudet  habere  (Midas),  ego  non.  sub  invo- 
lucris  verborum  (1.  rel.  §  39) ,  sub  involucris  fabularwn  (Proteus, 
Vol.  or.  11  109).  die  heilige  schrift  mit  andacht  lesen  (Schr.^ 
II  171)  und  den  katechismus  recht  verstehen ,  gibt  einen  besseren 
prediger  als  alle  gelehrsamkeit  und  'subtilitäten'  (Bonus  Cateche- 
ticns  est  bonns  Theologus  Gedenke  dran  Hamburg,  Schr.^  i  184  f. 
ein  färber  auf  der  kanzel  der  lutherischen  gemeinde  m  Holland 
ward  von  baronen,  candidaten  etc.  verlacht,  dass  er  kein  latein 
und  disputiren  verstünde ,  hat  doch  die  bibel  recht  verstanden  usw. 
Teutsch.  lehrmeister,  Schr.^  ii  64).  dazu  I.  rel.  §  8.  20.  32.  zu 
§§  7  und  8  vgl.  Geistlicher  Spaziergang  aao.  ii  292  und  irren 
sich  diejenigen  weit ,  welche  durch  das  wort  pöfel  nur  die  gemeinen 
lente  verstehen:  durch  die  weisen  aber  grofse  herren  und  gelehrte, 
der  pöfel  findet  sich  in  allen  ständen  und  gesellschaften ,  ferner 
I.  or.  (aao.  s.  10),  wo  ein  pastor  sich  von  einem  alten  weihe 
rats  erholt,  der  theologische  standpunct  Schupps  ist  demnach 
genau  der  des  I.  rel.  er  ist  durchaus  gutgläubig,  er  eifert 
(Regentenspiegel  aao.  i  99)  gegen  bücher,  welche  heuligen  tages  in 
Italien  und  England  von  gottlosen  spargirt  werden,  deren  namen 
ich  nicht  nennen  mag,  welche  den  teufel  einen  reuterdienst  thun  und 
viel  dubia  moviren  aber  nicht  salviren  und  unter  andern  fragen 


LESSING  UND  DER  INEPTUS  RELIGIOSUS  233 

ob  die  seel  unsterblich  sey?  an  polygamia  etiam  m  novo  testamento 
Sit  licita  usw.  (vgl.  1.  rel.  §  45),  gegen  die  'Photioianer',  die 
teufelskinder  in  Polen  (Socinianer,  siehe  Corinna,  die  ehrbare 
hure  aao.  i  455),  lächelt  über  die  kalhoUken,  welche  die  zeit  der 
strafen  im  legefeuer  mit  der  clepsydra  messen,  und  über  der 
Calvinisten  in  Holland  gezänk  über  das  liberum  arbitrium,  quod 
hämo  etiam  in  civilibus  non  habet  (De  opinione.  Vol.  or.  i  31 
Facile  crediderim  maritos  ibi  perdidisse  liberum  arbitrium.  sed 
uxores  eorum  adhuc  habent  arbitrium  non  modo  liberum,  sed 
liberrimum,  wozu  auch  der  §  8  des  I.  rel.  zu  vgl.),  aber  er 
ist  kein  'orthodoxer.'  er  rühmt  den  Calixt  (Bekehrter  ritter  Florian, 
Schr.^  n  6.  17)  und  stellt  ihn  als  ein  muster  hin,  wie  man  theo- 
logische bildung  durch  den  verkehr  in  der  grofsen  weit  erweitern 
könne,  allerdings  vor  der  exponierung  des  Calixt  im  synkretisten- 
streite.  er  hebt  die  Religio  medici  mit  den  anm.  des  herrn 
vMoltke  besonders  hervor  (Regentsp.  132),  kennt  Bacon  (siehe 
die  ganze  für  die  geschichte  der  deutschen  nationalükonomie  nicht 
unmerkwUrdige  abhandlung  De  arte  ditescendi,  Vol.  or.  ii  13611), 
Bruno  (I.  or.  s.  14,  daher  Brunonistae  §  16  nicht  mit  Lessing 
durch  die  für  den  continent  bedeutungslose  englische  quäker- 
secte  der  Brownisten  —  der  L  rel.  schreibt  sonst  richtig  Brounius 
§30  —  widerzugeben  wäre)  und,  wie  es  §  17  des  L  rel.  aller- 
dings den  anschein  hat,  bereits  den  Cartesius:  dh.  der  L  rel. 
macht  den  eindruck  —  siehe  auch  §  3  — ,  als  habe  sein  verf. 
den  Discours  sur  la  möthode,  Leyden  1637,  gelesen,  ob  er 
von  Descartes  dabei  etwas  wüste,  ist  bei  dem  bekannten  lebens- 
incognito  dieses  philosophen  mindestens  sehr  fraglich,  obwol 
gerade  Schupps  aufentbalt  in  Holland  zu  anfang  der  dreifsiger 
jähre  bereits  mit  der  holländischen  eremitage  des  Cartesius  —  seit 
1629  —  zusammenfällt,  keinesfalls  kann  jedoch  der  L  rel.,  wie 
Lessing  meint,  'die  anwendung  der  Cartesischen  philosophie  in 
der  gottesgelahrtheit  anstechen',  da  auch  diese  erscheinung  erst 
in  die  zweite  hälfte  des  jhs.  fällt,  wie  der  l.  rel.  in  dem  von 
Lessing  fälschlich  in  seinem  sinne  ausgebeuteten  Augustinischen 
nachwort  verbreitet  sich  Schupp  öfters  über  den  nutzen  dieser 
scheinbar  leichtfertigen  schriftstellerei  (siehe  besonders  die  nach- 
schrift  zum  Regentsp.  aao.  i  144).  und  seinen  standpunct  spricht 
er  dabei  klar  und  deutlich,  genau  in  dem  von  uns  dem  L  rel. 
zugesprochenen  sinne,  aus  in  der  Corinna  (aao.  i  468):   ich  be- 


234  LESSING  UND  DER  INEPTÜS  RELIGIOSUS 

kenne  dass  dieses  secnlum  solcher  art  zu  schreiben  erfordere,  denn 
die  weit  ist  voll  pharisäer  und  sadducäer,  vgl.  aao.  i  275. 
Die  ioDereu  gründe  sprechen  also  überwiegend  für  Schupps 
Verfasserschaft,  aber  es  fehlt  auch  nicht  an  äufseren,  erstens 
ist,  wie  bereits  hervorgehoben,  die  beslimmung  von  Schupps 
werken  überhaupt  unsicher,  schon  bald  nach  seinem  tode  er- 
hoben sich  bei  den  edilionen  derselben  heftige  kämpfe  wegen 
dieses  punctes  (siehe  Moller,  Cirabria  litlerata  ii  803).  die  mit 
seinem  willen  herausgekommenen  sind  stets  ohne  seinen  namen 
(vgl.  dazu  1.  rel.  §  28),  zumeist  pseudonym  Antenor,  Mellilambius, 
Ehrenhold,  Philander,  siehe  Placcius  aao.  1829.  1858  a.  1913). 
er  selbst  beklagt  sich  über  unberechtigte  drucker  und  zwar  in 
so  heftiger  weise,  als  sei  ihm  nicht  blofs  pecuniärer  schaden 
daraus  erwachsen,  auch  die  beiden  Sammlungen  seiner  grösten- 
teils  in  dem  oben  beschriebenen  stile  gehaltenen  Marburger  uni- 
versitätsreden  (die  meist  für  Studenten  ausgearbeitet  sind  oder 
für  paucae  eruditae  aures  nachwort  zum  I.  or.  aao.  s.  26) ,  Gies- 
sae  1658  4^,  Marpurgi  1655  12»,  scheinen  ohne  sein  wissen  ver- 
öffentlicht, wenigstens  heifst  es  in  der  ersteren  ii  27  Sequentia 
Äuthoris  (so)  Programmata  qui  ad  scopum  Orationis  huius  col- 
liniare videbantur  adjungere  voluit  Typ ographus.  reliqua . . 
non  fuerunt  ad  manusl  vgl.  Der  unterrichtete  Student  anh.  zu 
Sehr."  394  es  hat  Vulpius  zu  Giefsen  ein  volumen  Orationum 
drucken  lassen  wider  meinen  willen  und  gar  vitiosissime.  könnte 
nicht  also  auch  dies  für  paucae  eruditae  aures  bestimmte  werk  (das 
mit  seinen  unzusammenhängenden  absätzen  —  denn  es  sind  keine 
Paragraphen  wie  in  Lessings  widergabe  —  und  grammatischen 
verstöfsen  ganz  den  eindruck  eines  nachgeschriebenen  auszugs 
macht)  in  dem  dafür  sehr  geeignet  scheinenden  jähre  von  einem 
speculativen  buchhändler  veröffentlicht  worden  sein!  und  wie 
wäre  seine  auffallende  Seltenheit  und  Verborgenheit  zu  erklären  — 
da  es  weder  für  die  damalige  zeit  so  nichtig  ist  noch  auch  con- 
fisciert  wurde,  wofür  seine  erhaltung  in  Wittenberg  genugsam 
spricht — ,  wenn  es  nicht  aufgekauft  worden  ist!  dies  in  solchen 
fällen  einzig  würksame  gegenmittel,  welches  Schupp  bei  seinen 
politischen  Verbindungen  wol  in  anwendung  bringen  konnte, 
bietet  sich  als  erklärungsmittel  von  selbst  dar.  gerade  die  an- 
deutung  des  autornamens  könnte  auf  ein  derartiges  buchhändler- 
stückchen  weisen;  sie  machte  den  berühmten  'tractätgenverfasser' 


LESSING  UND  DER  INEPTÜS  RELIGIOSUS  235 

so  weit  keüntiich,  als  es  die  unrechtmäfsigkeit  des  Verfahrens 
erlaubte,  als  drSchuppius  schlechthin  war  der  professor,  rat  und 
spätere  prediger  an  SJacob  berufen  (vgl.  Calender  Sehr.*  529  f) ; 
er  war  auf  seinen  magistertitel  (siehe  Freund  in  der  not,  Schr,^ 
268)  kaum  weniger  stolz  als  Lessing  auf  den  seinen  (Antiquarische 
br.  57).  dass  Schupp  grund  hatte,  in  seiner  Stellung  als  Ham- 
burger prediger  (seit  1649)  die  Veröffentlichung  zu  scheuen,  ist 
nicht  blofs  von  selbst  klar,  sondern  wird  noch  durch  folgende, 
für  uns  sehr  merkwürdige  umstände  näher  beleuchtet,  den  be- 
rühmten 'tractätgenschreiber'  empfieng  nämlich  in  Hamburg  nicht 
blofs  eine  überfüllte  kirche,  sondern,  wie  das  alsdann  natürlich 
ist,  auch  coUegiale  eifersucht.  dieselbe  verfolgte  ihn  nicht  blofs 
bis  in  das  innerste  heiligtum  seines  privatlebens  (sogar  sein  etwas 
starkes  tabakrauchen  wurde  ihm  zum  schwarzen  verbrechen  ge- 
stempelt), sondern  machte  sich  auch  mit  hämischen  angriffen  an 
seine  öffentliche  würksamkeit.  die  gegen  Schupp  gerichteten  pas- 
quille  gestatten  den  schönsten  einblick  in  das,  was  man  damals 
in  Deutschland  Öffentlichkeit  nannte,  die  söhne  Schupps  haben 
sich  die  nachweit  dadurch  verpQichtet,  dass  sie  als  beste  recht- 
fertigung  die  beiden  hauptsächlichsten  der  ausgäbe  der  Schriften 
ihres  vaters  (Hanau  1663)  beifügten,  die  eine,  von  einem  pseu- 
donymus,  in  quem  itidem  (identident)  sed  frustra  inquirebatur 
(Moller  II 147),  wurde  vom  Hamburgischen  miuisterium  confisciert, 
erschien  aber  zu  Schupps  grofser  erbilterung  (siehe  Ehrenrettung, 
Sehr.*  685  f)  widerum  in  Süddeutschland,  den  autor  wird  man 
wol  mit  Schupp  (Sehr.*  980)  in  einem  hochtrabenden  pharisäischen 
mückenseiger  suchen  dürfen,  welcher  vermeinet,  dass  er  lux  mundi 
sey  und  wenn  er  nicht  leucht  so  rnüss  jedermann  im  fmstern 
sitzen,  dh.  (vgl.  Placcius  ii  147)  in  Schupps  Hamburger  coUegen, 
dem  ältesten  des  consistoriums  dr  Joh.  Müller,  ihr  titel  ist:  Wider 
Antenors  Bücher -dieb  empfangen  und  wider  abgefertiget  durch 
Nectarium  Butyrolambium  Ambrosii  Mellilambii  Consobrinum  der 
Artzeneykuost  Liebhabern,  darin  begegnet  nun  neben  dem  ab- 
geschmacktesten neidkram  über  Schupps  schriftstellerische  talente 
und  erfolge  der  Vorwurf,  dass  er  auf  der  cantzel  und  sonsten(l) 
gelehrte  leute  die  mit  theologischen  schritten  die  kirche  gottes  er- 
bauet folgender  gestalt  pfleget  auszuhöhnen:  an  jenem  tage  werden 
viele  kommen  mid  sagen  HERR,  HERR  haben  loir  nicht  in  deinem 
nahmen  controversien  geschrieben,  haben  wir  nicht  in  deinem  nahmen 


236  LESSING  UND  DER  INEPTUS  RELIGIOSUS 

wider  die  ketzer  disputiret  etc.  aber  wenn  Antenor  kommen  wird 
und  sagen:  HERR  habe  ich  nicht  in  deinem  nahmen  satyri- 
siret  usw.  (Sehr.*  anli.  s,  122  f).  das  andere  pasquill  von  dem 
Dresdener  mag.  Bernhard  Schmidt  (Berndl  Faher)  mit  dem  titel: 
Philandersons  Discurs  mit  drey  klugen  Rathgebern  etc.  von 
Antenors  neulichst  begangener  Thorheit  (aao.  s.  91ff)  sagt  ihm 
(s.  102):  ivenn  du  schertz  treiben  willst,  so  nimm  erstlich  dieses 
wohl  in  acht,  dass  du  nicht  etwa  zu  deinen  passen  die  heilige 
Schrift  missbrauchest  und  also  deiner  religion  einen  Schandflecken 
anhängst,  es  wird  dort  lerner  (s.  104)  auf  seinen  historischen 
leibautor  Sleidanus  gestichelt  (vgl.  I.  rel.  §  26)  sowie  auf  Schupps 
verkehr  während  seines  aufenlhalts  in  den  Niederlanden,  der 
junge  unbekannte  magister  wurde  nämlich  von  dem  forsten  der 
Leydener  Universität  Daniel  Heinsius  sehr  von  oben  herab  auf- 
genommen (was  dieser  später  damit  entschuldigte,  dass  er  ihn 
mit  Caspar  Scioppius  verwechselt  habe:  Freund  in  der  not,  Schr.^ 
148  f),  er  wandte  sich  daher  nach  Amsterdam ,  wo  er  von  einem 
jener  gelehrten  ketzer,  die  in  der  remonstrantenzeit  es  nicht  wie 
Heinsius  verstanden  hatten,  das  opfer  ihres  gewissens  zu  bringen, 
mehr  profitiert  zu  haben  bekennt  als  von  der  ganzen  Leydener 
Universität,  dieser  mann  nun,  dessen  namen  er  nicht  nennt,  ist 
(Moller  11  791)  jener  Barlaeus,  von  dem  der  L  rel.  §  13  ein  in 
der  folge  berühmt  oder  besser  berüchtigt  gewordenes  unionisti- 
sches  epigramm  mitteilt,  es  wurde  Schupp  ferner  die  abfassung 
einer  schrift  zugeschrieben,  in  der  jene  zustände  im  damaligen 
kirchenwesen  gegeifselt  werden,  die  sich  auf  die  cynisch  so  genannte 
promotio  per  vulvam  bezogen  und  denen  neuerdings  noch  Storm 
in  seiner  novelle  Aquis  submersus  ein  dem  geiste  dieser  zeit  sehr 
angemessenes  motiv  entlehnt  hat.  Schupp  sagte  in  der  öffent- 
lichen ablehnung  dieser  schrift,  dass  er  sie  gleichwol  hätte 
schreiben  können,  es  kam  schliefslich  zu  officiellen  verweisen  i 
und  zu  einer  forderung  vor  das  consistorium ,  bei  der  Schupp 
kein  wort  sprach ,  was  seine  gegner  in  ihrem  sinne  auslegten 
(vgl.  Moller  n  793  f).  es  ist  wol  zu  glauben ,  dass  er  zu  tode 
geärgert  worden  ist,  obgleich  gerade  die  weltliche  obrigkeit  ihm 

*  vgl.  das  Wittenberger  Judicium  Ob  ein  dr  theologiae  und  pastor 
allerley  fabeln,  facetias,  satyrische  aufzüge  und  lächerliche  historien  zu 
predigen  und  schreiben  befugt  sey  und  wie  er  könne  davon  abgehalten 
werden:  Cons.  Iheol.  Wittenb.n68,  Frankfurt  1664. 


LESSING  UND  DER  INEPTÜS  RELIGIOSUS  237 

zugetan  war,  ihn  wahrscheinlich  auch  auf  seinem  posten  erhielt 
(vgl.  Freund  in  der  not,  Schr.^  266)  und  er  unter  den  fürsten 
warme  freunde  halte,  da  sich  nun  unter  den  erhaltenen  Schriften 
Schupps  kein  anhält  für  diese  speciellen  vorwürfe  findet,  so 
scheint  es ,  dass  sich  unter  den  Scripta  quaedam  (Schuppii)  contra 
Adversarios  apologetica  ab  elenchticis,  alia  ab  haeredibus  pacis 
studio  suppressa,  von  denen  der  pseudonyme  Seladon  (zugäbe 
der  Sehr.  s.  1.  et  a.  s.  459)  berichtet,  manche  rein  auf  kirchliche 
Verhältnisse  bezügliche  befunden  haben,  der  Ineptus  religiosus 
könnte  sehr  wol  eine  derselben  sein. 

Dass  übrigens  Lessing  selbst  auf  den  ihm  in  mancher  be- 
ziehung  geistesverwandten  autor  nicht  aufmerksam  geworden  ist, 
wird  durch  die  tatsache  erläutert,  dass  —  mir  wenigstens  —  im 
ganzen  Lessing  keine  erwähnung  desselben  bekannt  ist.  nur  in 
einem  briefe  Herders  an  Lessing  (kurz  vor  dessen  tode,  bei  Hempel 
XX  2,  1037)  wird  rein  quellenmäfsig  Schupps  Freund  in  der  not 
citiert.  jedesfalls  steht  Schuppius  Lessingen  zeitlich  zu  nahe  und 
mitten  in  einer  litterarischeu  epoche,  für  die  er  als  ihr  über- 
winder niemals  interesse  gehabt  hat.  Herder  knüpft  in  litterari- 
schen dingen  viel  öfter  an  sie  an.  für  Schuppius  möchte  diese 
Untersuchung  gleichzeitig  gern  zu  einer  notwendigen  und  an- 
ziehenden monographischen  behandlung  anregen. 

Berlin.  KARL  BORINSKL 


ALTENGLISCHE  GLOSSEN. 


Die  am  ende  des  9  oder  am  anfang  des  10  jhs.  geschriebene 
Vita  metrica  SCuthberti  von  Beda  im  Harl.  526  enthält  von  der 
band  desselben  Schreibers  einige  wenige  altenglische  glossen. 
eine  spätere  band  (wol  erst  aus  der  zweiten  hälfte  des  11  jhs.) 
hat  an  den  rand  von  fol.  2'  celfric  wulfrices  geschrieben ,  und 
unten  am  rande  von  fol.  IV  liest  man  hu  stOBp  pi  he.  die  bei- 
gefügten Verweisungen  beziehen  sich  auf  Migne,  Patres  latini 
bd.  94. 

foL  4'  s.  578C  in  obice  ripe  on  ofre 
-  15'    -  586  D  (dignum  me  tanta)  subire  gefaran 


238  ALTENGLTSCHE  GLOSSi::N 

s.  587  A  iubar  alticomiim  pone  heah-hehnan  leoman 
lol.  15''  noihusi  doc-incel 

spirabat  se  anbleu  5 

-  587  B  nactus-  genummen 

-  587  C  fastidia  cemcehiessa 

-  16^  -  588  B  uastabat  per  per  toeste 

-  18"'  -  589  C  adtonito  .  .  .  timore  swynsiendum^  ogan 

-  19^  -  590  C  supino  up  haftium  10 

-  22'  -  592  A  pretristia  musta  pa  fmrh-unrotan  win 

-  26^^  -  595  A  ut  (fuerit-«)  hu 

-  26"^  m[ovm\ .  .  AnmoxQ  atelimm  ge-swelle 

*  aus  Jiolus  2  durch  rasur  aus  nanctus  ^  w  über  der  zeile 

nachgetragen  ^  aus  fuerat.    aus  per  per  8  ergibt  sich  wol ,  dass  der 

dialect  des  Schreibers  nicht  weslsächsisch,  aus  loeste  ebendort,  dass  er  nicht 
nordhunibrisch  war.  unbelegt  sind  bisher  hea/ihelm  i  und  docincel  i;  doch 
haben  die  lexica  döc,  allerdings  mit  der  bedeutung  notus,  allster  oder  gar 
(Ettmüller  568)  anster,  notus.  dieser  ansatz  geht  wol  zurück  auf  die  glossen 
in  Cleopatra  A  in  bei  Wright-Wülker  456,  9  not/ms  su^an  wind  oftlte 
dooc,  hornungsunu.  dass  aber  dooc  nicht  synonym  mit  suSan  wind, 
sondern  mit  hornungsunu  ist,  zeigt  eine  glosse  in  Harl.  3376  bei  Wright- 
Wülker  194,27  bigener  aworden  7cel  doc,  da  Ingener  'bastardisch'  ist.  laut- 
lichkönnte ae.  rfdc  =  ahd.  iiio/i,  nhd.  fr/cA  sein;  aber  wie  liefse  sich  die  be- 
deutung vermitteln? 

Bei  dieser  gelegenheit  erlaube  ich  mir  die  frage,  ob  die  von  Lindenbrog 
angeführten  zwei  glossen  zu  derselben  schrift  cono  helme  und  patroni 
mundhoran  (Steinmeyer  und  Sievers  ii  45  nr  dl),  die  zuerst  HHoffmann  für 
deutsch  erklärt  hat,  nicht  vielmehr  auch  englisch  sind. 


II 

Die  hs.  Bodl.  163  (NE.  B.  4.  10)  enthält  auf  fol.  250  von 
einer  band  aus  dem  anfange  des  11  jhs.  ein  'fragmentum  glossarii 
cuiusdam  latini,  in  quo  voces  latinae  partim  per  alias  voces  la- 
tinas,  partim  per  saxonicas  explicantur'  (Wanley  s.  83).  die 
glossen  der  letzteren  art  (sie  zeigen  westsächsischen  dialect)  teile 
ich  hier  mit. 

disputantes  snieagende  bubulcasi  oxan-hjrdas 

dissecabantur  Ä«  M;cero?t  sac/enrfe     bubulcus  oa;««-/i*//Y/e  5 

armentarius  hreodar  -hyrde  subulcas^  swanas 

*  nach  dem  ae.  verschrieben  für  bubulcos:    oxanhyrde  Wright-Wülker 
91, 12  vgl.  90,  9  und  274,  28         ^  verschrieben  für  subulcos 


ALTENGLISCHE  GLOSSEN 


239 


subulcus  swynhyrde-^ 

sublatum  genumemie 

gratis  nnceapunge 
10  consternate  gebregede 

apices  stafum* 

uirago  fcemne 

anagogen  gafolic''  andgit 

iüportune  georuh'ce 
15  oppidum  hirh 

reilimicula  cynemddan 

putamina  hnilan^ 

sinaxis  sealmsonge* 


melropolis  ealdorhurh 
daclilorum  palmceppla 
conquirentes  ahsiende 
secessum  fordgang 
proselitiim  el-deodigne 
scorpio  prowend 
fiala  blede 
cerimoniis  CBwum 
affricus  sudan-westan  winda"^ 
malagma  clypa^  .i.  medicamen- 
tum 


20 


3  bei  Bosworth  73""  nur  auf  die  autorität  von  Somner  liin   ohne  beleg 
angeführt  *  der  casus  stimmt  nicht  ^  gafoUc  (=  fiscalis  s.  fiscalis 

reda  gebellicu  [so  zu  lesen  st.  -cum]  wmgnfearu  The  oldest  english  texts 
ed,  Sweet  463'')  ist  gewis  verschrieben  für  gasllic;  vgl.  anagogen  gast- 
lecvm  andgite  bei  Wright-Wüllter  338,  10  ^  =  hniglan,  hnyglan 

'  als.  schw.  sb.  bisher  nicht  belegt  •*  cly^a  über  malagma 


in 

Die  folgenden  glosseu  stehen  von  einer  band  aus  der  ersten 
hälfte  des  1 1  jhs.  hinter  einander  weg  geschrieben  auf  der  letzten 
seile  des  codex  Harl.  107,  dessen  hauptinhalt  Älfrics  grammatik 
und  glossar  bilden  (=  H  in  meiner  ausgäbe),  abgesehen  von 
dem  anfange  zeigen  sie  die  meiste  ähnlichkeit  mit  dem  Brüsseler 
glossar  bei  W'right- Wülker  284,  1  ff  und  293,  10  ff  (==  B)  und 
dem  in  Cleopatra  A  ni  foj.  76  bei  Wright-VVülker  258  ff  (=  C): 
weniger  nah  stehen  sie  den  Bubensschen  glossen  bei  VVright- 
Wülker  131,  6  ff.  ein  doppelpunct  deutet  einen  wegradierten, 
ein  einfacher  punct  einen  weggerissenen  buchstaben  an. 


.p?'  regnat  Crist  rixad 
xps   uincit  oferswid,   Crist  ge- 
weit 
xps  imperat  Crist  casere"^ 
impera::r  casere 


DE  NOMINA  VOLVCRP 

. .  ipus*  ioio 
aquila  earn 
arpa  .arn-geat'' 
olor  swan 


*  auch  p    nicht  vollständig  erhalten  "^  das  englische  lautet,  als 

ob  Imperator  dastünde  (vgl.  4)  ^  NOMINA  VOLVGRVM   bei  Wright- 

Wülker  2S4,   DE   AVIBVS   25S  *  griphus   258,  7   und  284,  5 

5  earngeat  284,  4,  eargeat  258,  4 


240  ALTENGLISCHE  GLOSSEN 

10  cicnus  whietu  cucuratai*  hleapetvince 

auca  gos^  fursianns  morhana^'^ 

anser  hwitgos  acega  wude-cocc^^ 

ganta  grceggos  beatita  stearn^"^ 

ancipiter"  gos-hafoc  ardea  rahgre^^  30 

15  herodius  wealh-heafoc  miluus  glide^^ 

ahetutns  spearhafoc  coruus  hrwm 

siracaricis'J  tnus-hafoc  cornix  crawe 

crusio  cran  grallus  7'oc-^ 

ciconia  storc  nocticorax  nihtrcem  35 

20  oriagratulus  radumbeU^  columba  cnlfre 

aneta  cened  turtura  turtle^^ 

uelanaxi2  cBned  cuculus  geac 

mergus  dopfugel  ruscinia  nihtegale'^'^ 

fulix  ganot  palumba'^3  cuscote  40 

25  alcedo  mcBw^^  marsopicus^*  fina 

^  fehlt  BC,  doch  ist  284,  13  auca  von  späterer  hand  zu  der  glosse, 
die  nr  13  oben  entspricht,  zugesetzt  worden ;  vgl.  auch  131,21  '  ac- 

cipiter  259,7  und  285,2.  eine  seltsame  widergabe  des  lat.  accipiter  scheint, 
um  dies  gelegentlich  zu  bemerken,  die  glosse  bei  Wright-Wülker  356,32 
accipiter  pipat  zu  bieten :  pipat  ist  da  zu  unrecht  mit  antiqua  gedruckt 
und  II  355  in  den  anglo-saxon  index  aufgenommen  (vgl.  auch  Bosworth- 
ToUer  774,  wo  pipat  allerdings  mit  einem  fragezeichen  steht),  da  es  latei- 
nisch ist.  umgekehrt  ist  zb.  516,  20  demis  nimis  das  zweite  wort  mit 
antiqua  zu  drucken  und  aus  dem  ersten  in  das  zweite  Verzeichnis  zu  ver- 
setzea  ^  hetum   285,  5   setzt  auch  ahetum   voraus,   das  für  alietum 

verschrieben  ist,  wie  259,  9  steht  ^  das  dritte  i  über  unterpunctiertem 

e;  siricaricis  285,  6,  suricaricis  259,  10;  vgl.  aber  47,  33  soricarius  mus- 
habuc  10  c  mit  anderer  tinte  zu  g ;  grvs  259,  14  und  285,  9 

"  onagratulus  raradumbla  pcet  is  pur  285,10;  onocratarum  raredumle 
260,  1  (ursprünglich  ovoxQÖraXos)  ^'^  uelanax  nach  Wright  auch  284, 11, 

nachWülker  aber  hier  uelanax,  aus  dem  es  jedesfalls  entstanden  ist;  unter 
übersehung  des  abkürzungsstriches  durch  das  /  ist  daraus  258,  11  larax 
geworden  "  ygi.  259, 6  und  285,  1  '^  ebenso  285,  1 1 ;  blofs  cucu  260,  2 
"  worhana  260,  4  und  285, 13;  an  der  ersten  stelle  aufserdem  fusianus 
'8  ebenso  (nur  wuducoc)  258,5;  dagegen  acegia  snite  285,  12;  vgl. 
aceia  (so  hat  die  hs.  [vgl.  Herrigs  Archiv  79,  88f],  "'cht  aceta)  snite  uel 
wudecocc  132,  20  "  beacita  stearn  260,  12;  beatica  tearn  286,  7 

>8  hragra  287,3;  die  glosse  fehlt  258  ff  ^^  gn^ia  259,  11  und  285,  7 

^°  grallus   (gralus)  hroc  260,10  und  286,6  =^'  fehlt    BG;   doch 

vgl.  132,  1  turtur  turtle  22  rusunia  260,5;    luscinia  285,  14;    aufser- 

dem  an  der  letzteren  stelle  nihtegala  ^3  g^  au^h    286,  2;  pudumba 

260,  7  24  so  auch  286,  8;  mursopicus  260, 13 


ALTENGLISCHE  GLOSSEN  241 

picus  higere"^'^  passer  spearewe*'^ 

rubisca  sallhaga'^-'^  irundo^i  swealewe 

sigittula  hkemase'^'^  bitorius^^  torcenna 

45  parta  spcmase'-^  noctua  ule 

parrula-9  cohnase  gallus  cocc^"^ 

tilaris  lanwerce  gallina  hcBn 

ficitula  hcBg-sngga"^^  cocquioa  ciacene*^ 

fiingilla  ßnc'^^  pullus  ciacen^^ 

50  sculacis  ceaffinc^-  structio  scric^^ 

cardella  piscel-tunga^^  osigragus  herh-fong^' 

turdella  prostle'''^  cornicula  tiope*^ 

sturlius^^  prysce  pauo  pawe^^ 


55 


slurnus^ö  stcerlinc^''  nidus  ncest'"^ 

turdus  stinl^'^  filomela  nihtegale^^  7a 

birbiacaliolus39  eorplinc 


25  hil^era  286,9  gegen  260,  14  ^^  rubesca  selträ  260,  17  gegen 

286,11  2''  sigitula   frecmase  260,18  und  sigatula  frmcmase  286,13; 

vgl.  aber  auch  132,  24  parrax  wrenna  uel  hicemase  ^*  parrula  spic- 

mase   286,  15;   parra    cummase  260,  19  '-■'  parula    260,  20;    pari'a 

286,14  sö  hceg  fehlt   286,  18;    die   ganze   glosse   fehlt  C  3»  vgl. 

286,12;  fehlt  C  32  scutacus  (scidalis)  ragofinc  260,24  und  286,  19. 

ceaffinc  ist  natürlich  nicht  als  eine  entstellung,  sondern  als  ein  synonym 
\on?'agofinc  anzusehen;  es  fehlt  zwar  in  den  lexicis,  lebt  aber  noch  heute 
als  cliafßiich;  vgl.   Herrigs   Archiv  76,  206  ^^  statt  pistellwige   ver- 

schrieben, wie  260,28  steht:  286,21  finden  wir  linece,  das  wahrscheinlich 
für  linele  verschrieben  ist  =  ne.  linnet  (Leo  gibt  ohne  beleg  linete  f.  der 
flachsfinke,   carduelis   336,33   und  659,2)  3*  turdella   scealfor   (sc. 

durch   versehen    aus    der    folgenden    glosse)   287,  5    (gegen  260,  25) 
35  trutii/s  260,  30 ;  strutio  286,  24  36  gtirnus  286,  29  (gegen  260,  34) 

37  «to/-  260,  34  und  286,  29  ;  stwrlinc  oben  steht  ohne  zweifei  (vgl.  gl.  56) 
für  stwrling,  das  in  den  lexicis  fehlt  =  me.  starling,  Sterling,  ne.  starling 
(Herrigs  Archiv  76,215)  38  verschrieben  für  scric,  wie  260,  29  und  286,  22 
steht  39  birbicariolus  260,31;  birbicaliolus  286,26  "^  spearwa 

260,36;  spearewa  286,30  4'  hirundo  287,1;  hirunda  260,  39 

^-  litorius  260,21  (gegen  286,  16)  ^3  ii^na  260,37  (gegen  286,31  coc) 

*^  diese  glosse  fehlt  BG :  ciacene  ist  gewis  für  cycene  oder  cicene  ver- 
schrieben (vgl.  gl.  64)  •'5  verschrieben  für  cice7i  (260,  33)  oder  cycen 
(286,  27)  *^stnitio  struta  258,  6,  fehlt  B  (doch  vgl.  anm.  35)  "  ossi- 
fragus  herefo7ig  258,8;  ossigra  gos  284,6          *^  cio  260,11;  cyo  286,5 

''^  diese  glosse  fehlt  BG;  vgl.  aber  131,9  pauo,  pauus  pawe  (gewöhn- 
licher pawa)  50  fehlt  gG  ^i  philomela  aus  -mella  andere  hand 
287, 13;  fehlt  G 

Z.  F.  D.  A.   XXXIII.    N.  F.   XXI.  16 


242  ALTENGLISCHE  GLOSSEN 

DE  NOMINA  PISCINA 52  bacharus  id  est^* 

Cetus  hiDtt'l  isicus^s  Uax 

balliua  t  pina  rann^^  sulio^c  styria 
dein  mere-sivin 

52  NOMINA  PISCIVM  293;  INCIPIT  DE  PISCIBVS  261  ^3  ballena 

uel  pilina  hron  261,27;  pina  delfin  293,13  und  ballena  Ararn  293,  15 
^*  delfin  mereswin,  bacharus  mereswin  261,  28.  29;  pina  delfin  uel  bacharus 
mereswin   293,  13.  14.      id  ist  gewis   für   idem  verschrieben  ^^   j^jg 

261,32;  ysox  293,19  «^  porcopiscis  261,31  und  293,16. 

Berlin,  pfingsten  1888.  JULIUS  ZUPITZA. 


LATEINISCHE    UND    ALTENGLISCHE 
GLOSSEN. 

Unter  der  Signatur  ms.  271  befinden  sich  in  der  Paulinischen 
bibliothek  zu  Münster,  durch  deren  früheren  vorstand,  'pro f.  Ständer, 
von  buchdeckein,  welche  sich  gegenwärtig  leider  nicht  mehr  bestimmen 
lassen,  abgelöst,  sechs  pergamentbll.  mit  alphabetischen  lateinischen 
glossaren.  sie  entstammen  der  schönen  und  meist  wolerhaltenen 
Schrift  nach  eher  dem  neunten  als  dem  zehnten  jh.  ihr  format 
war  ursprünglich  folio :  wie  sie  aber  jetzt  vorliegen ,  wo  ihr  oberer 
rand  bis  auf  einen,  ihr  unterer  bis  auf  drei  cm.  entfernt  und 
seitwärts  der  freie  räum  bis  hart  an  die  schrift  abgeschnitten  ist, 
sodass  die  nunmehrige  höhe  etwas  über  26,  die  breite  19  cm.  be- 
trägt, machen  sie  den  eindruck  von  quartbll.  Je  zwei  dieser  mit 
31  Zeilen  auf  der  spalte  beschriebenen  Ml.  hängen  zusammen: 
1  und  6,  2  und  5,  3  und  4.  man  hat  sie  nämlich  mit  rücksicht 
auf  die  alphabetische  folge  zu  einem  ternio  vereinigt  und  dem- 
gemäfs  beziffert;  dass  ursprünglich  jedes  der  drei  doppelbll.  einer 
besonderen  läge  angehört  haben  muss,  wird  sich  aus  meinen  er- 
örterungen  ergeben. 

Eine  überaus  sorgfältige  abschrift  haben  die  hm  drr  RPeter 
und  KKochendörffer  angefertigt  und  mir  gütigst  zur  Verfügung 
gestellt,  ich  teile  daraus  mit,  was  sich  mit  den  interessen  dieser 
zs.  berührt. 

1,  das  zweite  doppelbl.  (=  bl.  2  und  5)  befasst  partien  der 
so  genannten  Glossae  nominum.  dieselben  wurden  bekanntlich  zu- 
erst,  aber  nicht  vollständig,  1847  von  FÖhler  im  13  Supplement- 


LATEIISISCHE  UND  ALTENGLISCHE  GLOSSEN       243 

band  der  Neuen  jbb.  f.  phil.  mid  paed,  aus  der  Erfurter  hs.  nr  42 
fol,  deren  drittes  glossar  sie  bilden,  veröffentlicht,  sodanii  legte 
GLoewe  in  seinem  Prodromus  (1876)  s.  VIS  ff  das  eigentümliche 
princip  ihrer  reihenfolge,  welches  darin  besteht,  dass  sie  nicht  nur 
nach  den  anfangssilben  sondern  auch  nach  den  endbuchstaben  ge- 
ordnet sind,  dar  und  konnte  mit  hilfe  dieser  beobachtung  den  nach- 
weis  führen,  dass  auch  die  acht  von  FDeycks  im  index  lectionum 
der  Münsterer  academie  für  1854/5  bekannt  gemachten,  zur  zeit 
verschollenen  Werdener  bll.  dem  gleichen  glossar  angehören,  eine 
edition  auf  grund  der  Erfurter  hs.  und  des  Deycksschen  abdruckes 
brachten  die  aus  Loewes  nachlass  herausgekommenen  Glossae  no- 
minum  (Lipsiae  1884).  die  altenglischen  bestandteile  hob  HSweet 
in  seinen  Oldest  english  texts  (EETS  8d,  London  1885)  s.  109/ 
aus,  aber  ohne  kenntnis  von  Loewes  Prodromus  und  in  folge  dessen 
ohne  rücksicht  auf  Deycks  bll.,  obwol  deren  ae.  geholt  auch  Germ. 
13,  479/"  zu  lesen  stand,  was  man  jedoch  bis  dahin  von  diesem 
glossar  besafs,  reichte  nur  in  den  buchstaben  L  hinein;  deshalb  loar 
die  auffindung  eines  Cambridger  codex  wertvoll,  welcher  die  Glossae 
nominum  zwar  in  andere  glossare  verarbeitet  aber  für  das  ganze 
aiphabet  enthält:  unter  benutzung  dieses  manuscripts  sind  sie  von 
neuem  in  dem  kürzlich  erschienenen  2  bände  des  von  GGötz  und 
GGundermann  bearbeiteten  Corpus  glossariorum  latinorum  (Lip- 
siae 1888)  s.  563  —  597  abgedruckt. 

Dazu  treten  jetzt  die  Münsterer  bll.  2  und  5.  das  zweite 
gehört  dem  buchstaben  I  an,  einem  abschnitt  also,  welcher  in  dem 
Amplonianus  vorhanden  ist.  ich  begnüge  mich  daher  mit  einer 
genauen  aufzählung  aller  abweichungen  (auch  der  graphischen; 
nur  die  differenzen  in  der  worttrennung  und  den  abbreviaturen 
lasse  ich  unberücksichtigt)  vom  Corpus  gloss.,  teile  jedoch  die  ae. 
glossen  vollständig  mit:  583,  6  bl.  2\  7  qui  mihi.  8  flagellatus. 
10  parle.  12  cui]  cü.  die  gl.  nach  der  folgenden.  13  iucdmo- 
dus.  14  incenatus.  16  iniucundus.  17  moriturus.  22  suspec- 
tib;  uus.  23  herbe.  28  ignis.  31  prex.  32  incept'o.  34  in- 
cussatio  efat  reöf.i  36  iosparsio.  37  bl.2^.  41  g.  nicro- 
mantia.  42  intpunctio.  47  boni'  &  mali'  notitia.  584,  3  cause. 
9  lucta.  10  gfe.  16  6?.  2"^  iuuenalis.  17  exanimus.  18  iopo- 
testis.     32  infitiaDS.     (pmisa.     34  inl  cisio]  das  letzte  i  sieht  wie 

^  dieselbe  g^l.  begegnet  schon  vorher  *.  578, 31  epiphonima  causa  con- 
tentio  efat  reüb  ==  Ger?n.  13,  480''. 

Ifi* 


244       LATEINISCHE  UND  ALTENGLISCHE  GLOSSEN 

n  ans.  35  iügiien  lese  a  hregresi.i  37  lautet:  inpuges  uer- 
hum  'v  |-'/inmisamateries  .  iulroducta  materia.  das  vericeisungs- 
zeicJien  bezieht  sich  auf  ein  correspondierendes ,  welches  vor  41 
^teht.  39  deauerbio.  46  hl.  1^.  47  iuba  sectesporci  &  leouis 
cabaliq;  (  manu  biriste.2  52  iuguuitum.  53  die  gl.  nach  der 
folgenden,  questio.  55  iuniperum  (so  richtig  mit  dem  Cantabrig.). 
palme.  57  doclus.  585,  2  iubentas.  3  iusor.  5  iupit.  8  cessor. 
9  lactantia  beöst.3  13  lanna  angulus  auris  lappa.*  14  labpsina. 
mit  15  schliefst  2^ 

Die  andere  hälfte  des  doppelbl,  bl.  5,  enthält  gll.  aus  dem 
buchstaben  P.  hier  lag  bisher  nur  der  Cantabrigensis  vor;  da 
derselbe,  wie  bemerkt,  die  Glossae  nominum  verquickt  mit  anderen 
glossaren  bietet  und  eine  Scheidung  seiner  verschiedenen  bestandteile 
nur  auf  grund  des  von.Loewe  gefundenen  ordnungsprincipes  der 
Sammlung  durch  die  herausgeber  des  Corpus  vorgenommen  werden 
konnte,  so  ermöglicht  das  Münsterer  bl.  in  erwünschter  weise  die 
controle.  dazu  kommt,  dass  die  Cambridger  hs.  die  ae.  glossen 
fortgelassen  hat  (ihre  vorläge  besafs  sie,  vgl.  Götz  im  Index  scho- 
larum  der  Universität  Jena  für  1888/9  s.  v  —  viii).  da  eine 
neue  ausgäbe  der  Gll.  n.  schwerlich  in  baldiger  aussieht  steht,  so 
lasse  ich  den  inhalt  des  bl.  unverkürzt  folgen^,  citiere  bei  den  im 
Corpus  vorhandenen  glossen  ihren  ort  und  suche  die  dort  nicht 
aufgenommenen ,  so  weit  sie  Schwierigkeiten  bereiten,  mit  hilfe  der 
so  genannten  Cyrillischen  glossen  (Corpus  2,  2\b  ff),  auf  deren  Zu- 
sammenhang mit  den  Gll.  n.  Loewe  (Prodromus  132  f)  hinwies, 
zu  erklären. 

(5')  picens  peccator   [(589, 49)      plaga  zona  celestis  (589,  50) 
pinguamen  pinguido  rieu  renes      plagula  retiaculum  (589,  51) 

•  beide  Worte  fehlen  bei  Bosworth  -  Toller,  zum  ei'sten  vgl,  Strat- 
mann?>Q\^  und  Franck  Etym.  woordenboek  s.  572  s.  v.  lies,  das  zweite 
entspi'iclit  schwerlich  dem  ae.  raegereosa,  welchem  es  Stoeet  s.  619*  ver- 
gleicht, sondern  eher  dem  ahd.  hegadruosi:  meines  erachtens  hat  daher 
Kluge  unrecht,  wenn  er  noch  in  der  iaufl.  seines  Etym.wb.s  dem  engl, 
das  wort' driise' abspricht.  ^  aArf.  mana  mahne.    Bosworth-Toller  liO^. 

3  Bosworlh-Toller  87*.  *  Bosworth-Toller  &l(}^  f.  «  meist, 

aber  nicht  immer,  wird  die  praeposition  a  durch  einen  dariiber  oder 
davor  gesetzten  acut  als  selbständiges  wort  angedeutet :  diese  acute  ließ 
ich  fort,  im  übrigen  verfahre  ich  nach  denselben  grundsätzen  wie  oben 
bei  der  collation  des  bl.  2. 

1  picens  (eiitstellt  aus  piceus)  übersetzt  Corpus  gloss.  lat.  2,  408,  15 
das  griech.  niaaaiSr]?:    also  wird  peccator  als  picealor  oder  piceatus  zu 


LATEINISCHE  UND  ALTENGLISCHE  GLOSSEN       245 


5  plebiscitum  a  populo  ordinatum 
plebeius      publicus      popularis 
(589, 52)  [53) 

plumbarius  faber  plumbi  (589, 
plaulus  graues  auriculas  habens 
plantarius  plantator 

10  plagiarius  qui  seruum  s.  alterius 
suadendo   furatur 
pluslrarius  carrarius 
planctio  planctus  (589,  54) 
plangor  placator  (589,  55) 
plauster  carrum  (589,  56) 

15  postilena  posteriora  sed  specia- 
liter  dicitur  instructura  caballa 
popa  mactator 
posca  acetum  cum  aqua  mixtum 

(590,  35) 
portella  biuium 
portula  porta  diminutiuum 

20  popula  pupilla  oculj  (589,  57) 
posticum  porta  minor  in  maiore 
pomentum  pomarium  (589,  58) 
portiorium  uectigal 
pocentatus  potestas 

25  postumus  postigena  (589,  59) 
porcellus  porcus  diminutiuum 
porcinus  diriuatur  a  porco 
pomarius     pomarum     uenditor 

(589,  60) 
ponderosus  grauis 

30  porrigio  furfures  (589,  62) 
pollinctor      mortuus      mundus 

(589,  63) 
(5'')  portitor  tollinarius 


propiuator  propinator  (589,  64) 

possiter  adiutor  (589,  65) 

pollis    farina    subtilissima    que  35 

aere     spargitur     ut      fumus 

(589,  66) 
postes    columne    circa    domum 

(590,  1) 
polix  digitorum  fortissimus 
poples  harn 
polline  subtilissima  farine  pars 

(590,  2) 
pronuba  qui  sponsam  alio  ducit  40 

aut  nupt'is  interest 
promacellaprumptuaria.  hord- 

ren 
proxeneta  negotium  nuptiale 
proserpina  soror  liberis  dea 
prostiluta  meretrix 
prohibitorium  inpedimentum 
promentarium.     prumptuarium 
promotum   motio   cuiuslibet   in 

maiorem  dignitatem 
probrum  inputatio  malj 
prodigiosus  festinali  uuitu 
probrosus  uirgosus  (590,  8) 
procus  sponsata 
profectus  reuersus 
prodigus  dapsilis  largus 
prognatus  ante  natus 
propensus    pensus     incurbatus 

(590,  13) 
prolalio  productio 
procuratio  Imperium  (590,  15) 
profligatio  uicissitudo  (590,  16) 


45 


50 


55 


verstehen  sein.  5  plebi  scitü,  rfÄ.  scitü  in  der  reihe  der  erklärtingen. 

17'ac&ü.  \%  oder  porcella.    vgl.  aber  Corpus  gloss.  lat.  2,396,11. 

19  diminii.  26  diminü.         27  diriuä.  35  que]  q;..         Z%  Bos- 

worth-Toller  506^.  40  dieser  acut  über  der  endung  is  begegnet  häufig, 

wo  regulär  iis  stehen  sollte.  41  Bosworth-Toller  552*'.         46  jptntariü. 


246       LATEINISCHE  UND  ALTENGLISCHE  GLOSSEN 


proscriptio  cuiuscunque  rej 
60  prorigo     desiderium     scalpendi 
(590,  17)  [19) 

promulgatio  legis  positio  (590, 
proporlio  analogia  pars  sibi  si- 
milis  et  a  ceteris  disiunctus 
(5")  prouerbo  prouerbium 
proximitas  adfinitas 
65  profetor  pretor  contra   alterius 
exercitus  pretorem  distinatus 
profector  iter  agens 
promulgator  predictor  (590,  23) 
probellator  pugaator 
proquestor     secundus    a     rege 
(590,  26) 
70  proeder  adiutor  (590,  27) 
proneptis  neptis  [ciarum 

prouincialis    ex  prima   prouin- 
proles  natus 
prorognes  prigoata 
75  prolubies   inmunditia    (590, 29) 
pronepus  priuiginus.     steup- 
suDU  [titur  (590,  30) 

proconsul   qui  prouiocias   mit- 
protextum  prouisum  precuratum 
pretorium  domus  in  qua   iudi- 
catur 
80  preclauum  gangren 


precinctorium  caballi  cingulum 

(590,  5) 
presorium  prelum  (590,6)   [7?) 
pressicium  mals  crung  (590, 
pretextalus  purpuratus  (590, 10) 
presidiarius  auxiliator  85 

prefectio  precisio  membrorum 
prelatio  a  magis  elegendo 
prestolatio  Studium  (590,  18) 
preditio  a  preditando 
prelusio  a  ludendo  90 

precantatio   diuinatio    (590, 20) 
pre  qui  exercitui  preest 
presignator  qui  aduiterum  num- 

misma  cutit  uel  epistolas  si- 

gillauerit  non  accepto  a  rege 

sigillo  (590,  24) 
(5*^)  pregustator   qui  ante  tem- 

pus  gustal 
prestigiatur  mimarius  (590,  25)95 
prefensior  cupiens  ditior  esse 
pregrandis  nimis  grandis 
prefectus  classis  qui  clasi  preest 
preiudex  qui  preiudicat  (590, 28) 
prerex  precatio  loo 

precepsi  pronus  [scriptum 

preduo  talrainus  uel  mon  recte 
pres  fideilusus 


65  /.  proprelor  (Corpus  gloss.  lat.  2,230,40).  744)rognes.  =  nQo- 

Yovrj  priuigna  Corpus  gloss.  lat.  2,  416,  47  ?  76  Ettmäller  738. 

80  mit  preclauum  (geschrieben  p  clauQ)  wird  ursprünglich  praeclaviutn 
(CoT^us  gloss.  lat. 2,i99,2&)  gemeint  gewesen  sein,  aber  der  glossator  scheint 
an  cloaca  gedacht  zu  haben,  denn  Bosworth-Toller  belegt  361''  gang-ern 
nur  in  der  bedeutung  'latrina'.  83  pressicium  gibt  Corpus  gloss.  lat. 

2,  407,  43  TtiEaijuor  wider;  hier  aber  scheint  es  als  prestigium  misverstanden 
zu  sein,  zu  malscrung  (g  nicht  ganz  sicher,  vielleicht  c)  vgl.  Bosivoj'th- 
Toller  666».  86  l.  presectio.  92  pr^qui.  als  lemma.  96  /.  pre- 

pensior,  fälschlich  füri^ropemior'!  vgl.  Corpus  gloss.  lat.  2,310,35. 
9S  c\ass\s  zur  erklÜT^ng  gezogen.  lOOprex:  /.  prex.  101  /.  preceps. 

102  /.  preductai  (Corpus  gloss.  lat.  2,  156,  3  ^naoayoafos)  minus  uel 
non  recte  scriptum.  103  /.  fideiiussor. 


LATEINISCHE  UND  ALTENGLISCHE  GLOSSEN       247 

preceps  precipitium  pulpita  gradus  ecciesiarum         115 

lOSprinicula  ornalusuestimentorum  pulpitium  puppis  (590,38) 

borda  puerarius   puerorum   corruplor 

primilegium.            priuilegium.  (590,  39} 

nuiD''byfd  (590,4)  puderatus  sapiens  (590,40) 

priuigenius.     primogenitus  pussillatus   breuis  statur§  (590, 

primipilarius.     primarius   iocu-  41) 

latorum  pile  (590,9)  pugillarius     pugillarum     opifexl20 

pridiarius  hesternus  (590, 1 1)  (590,  42) 

110primipilusprimipilarius(590,12)  publicanus  tollinarius 

puellula  puella  dimiDutiuuni  puerarius  puerorum  amator 

Pustula  Scabies  pupus  paruulus  onegt  (590,43) 

priuigenus  steupsunu  puerorus  puerilis  (590,44) 

purpurilla    deorsum     io     terra  puluinus  plumarius                     125 

nidr?.  (590,36) 

Diesen  125  gll.  entsprechen  im  Cantabrigensis  62  (589,  49 
bis  590,44).  nimmt  man  dasselbe  Verhältnis  von  2:1  auch  für 
die  übrigen  mir  im  Cantabrig.  erhaltenen  partien  an  und  berechnet 
darnach  den  umfang  der  lücke  zwischen  dem  2  und  dem  5  Münsterer 
bl.,  so  würde  sich  ergeben:  Corpus  585,  16  —  586,  26  =  Q7  gll. 
(weil  im  Amplonianus  vorhanden,  mit  dem,  wie  bl.  2  erweist, 
der  Monaster.  durchaus  in  der  zahl  stimmt,  nur  einfach  zu 
rechnen)  -\-  Corpus  586,  27 — 589,  48  =  211  =  (mit  2  multipli- 
ciert)  422,  zusammen  =  4S9  gll.  durch  125  dividiert  ergibt  das 
fast  4.  also  4  bll.  =  2  doppelbll.  wären  zioischen  bl.  2  und  5  ver- 
loren gegangen. 

2.  die  Münsterer  bll.  3  U7id  4  entsprechen  aus  dem  zweiten 
Erfurter  glossar  den  ss.  341,28  — 80  und  346,  1  —  347,26  bei 
Öhler  aao.  dass  sie  etwa  dreimal  so  viel  gll.  enthalten  als  Öhler 
hat  abdrucken  lassen,  kann  nicht  wunder  nehmen:  denn  von  den 
4980  gll.  der  Sammlung  fehlen  bei  ihm  ungefähr  2980,  siehe  Loewe 
Prodromus  s.  123.  wer  das  Erfurter  glossar  neu  herausgibt ,  wird 
die  Münsterer  bll.  berücksichtigen  müssen;  ich  sehe  von  einer  Ver- 
öffentlichung um  so  mehr  ab,   als  in  dieser  partie  ae.  bestandteile 

105  Ducange  s.v.  pernicula  (prenicula)  und  Corpus  gloss.  lat.  2,332, 
17  luariov  aioa  prenicula  vgl.  431,  49.  boida  =  ahd.hovio  oft  bei  Wright- 
Wülcker.  106  Bosworth-Tollerl()(!i^.  107  primigenus  Coi^p.  gloss.  lat. 
2,425,15.  111  diminü.  113  quer  am  rande  nachgetragen  mit  Ver- 

weisung.   5.76.  iUßosworth-Tollerl23K  123/.  cnegt. 


248      LATEINISCHE  UND  ALTENGLISCHE  GLOSSEN 

gänzlich  fehlen,  nur  die  s^altenanfänge  mögen  angegeben  werden: 
y  inpubis  puer  inberbis,  S**  incestus  scTmoni  uexalio  1  crem  -^ 
inpie  coQilmissum  cum  sorore  aut  filia  aut  cognila,  3*"  innoxius 
solutus,  3*^  inferi^  obsequia  mortuorü  in  quorum  |  honore  captiui 
occidebantur,  4^  iulcipit  .phib&  uexat,  4''  iouanti  ös  aperienlj, 
4Matibulum  defensaculum ,  4**  latumma  custodia,  dies  doppelblatt 
war  das  innerste  einer  läge. 

3.  endlich  die  hlL  1  und  6.  auch  sie  sind  alphabetisch  nach 
den  ersten  beiden  buchstaben  geordnet,  aber  sie  weisen  zahlreiche 
griechische  worte  auf  und  stehen  zu  keiner  der  im  Amplonianus 
vertretenen  Sammlungen  in  Verwandtschaft,  vielmehr  scheinen  sie 
aus  glossaren  zu  einzelnen  Schriftstellern  hervorgegangen,  die  alpha- 
betisch umgeordnet  wurden ,  aus  glossaren ,  welche  zum  teil  in  dem 
Leidener  codex  Voss.  lat.  69  4"  vorliegen.^     wenigstens  finde  ich 

*  die  ae.  gU.  dieser  Leidener  hs.  sind  bekajintlich  zuletzt  von  HSweet 
The  oldest  english  texts  s.  111  — 117  herausgegeben  worden,  er  scheint 
selbst  nachträglich  eingesehen  zuhaben,  wie  ungenügend  sein  buch  vor- 
bereitet war:  anders  wenigstens  verviag  ich  die  wunderlichen  exyecto- 
rationen  seiner  vorrede  nicht  zu  deuten,  jedesfalls  lässt  die  ausgäbe  des 
Leidend'  glossars  so  ziemlich  alles  zu  wünschen  übrig.  Sweet  hat  nicht 
gewust,  dass  die  Sammlung  zum  ersten  male  im  vorigen  jh.  durch  Nyerup 
ediert  ist:  die  kenntnis  der  Symbolae  (p.  360—82,  glossar  le.)  würde  ihn 
vor  gar  manchen  auslassungen  und  fehlem  bewahrt  haben,  er  hat  femer 
zu  seinem  Unglück  von  meinen  Ahd.  gll.  nichts  geahnt,  obwol  deren  erster 
band  erschienen  war,  ehe  Sweet  zu  drucken  begann;  erst  nach  abschluss 
seiner  arbeit  ist  er  auf  sie  aufmerksam  geworden  und  hat  ihnen  einige  er- 
gänzungen  und  berichtigungen  (einmal aiich  eine  misv erstandene :  zu  nrW) 
für  seine  nachtrüge  entnommen,  jedoch  in  oberflächlichster  weise,  so  fehlen 
nach  seiner  nr  41  auch  jetzt  noch  zwei  gll.,  welche  bei  mir  1,  640, 1.  5  ver- 
zeichnet sind  und  von  denen  die  erste  schon  bei  Bethmann  stand,  nach  nr  47 
^Arf.g-«.  1,496,  15,  nach  wr  61  Ahd.  gll.  1,481,5,  nach  7«7«  99  Ahd.  gll.  2, 
597, 37.  unverbessert  blieben  folgende  fehler :  nr  39  ferri  statt  ferrum  (ebenso 
abgekürzt  wie  in  nr  40  uö.),  nr  66  purpuram  statt  purpura ,  nr  68  rube(r) 
statt  rubev,  m*  82  urigo  statt  urido,  nr  111  spaedum  statt  spaedun.  aber 
nicht  nur  diese  details  hätte  Sweet  von  mir  leimen  können,  sondern  er- 
kennen sollen,  dass  für  den  grasten  teil  des  Leidener  glossars  noch  mehr 
oder  minder  zahlreiclie  andere  hss.  existieren,  welche  den  text  verbessern 
helfen,  und  dass  ein  wahres  Verständnis  so  corrupter  vocabulare  nur  der 
zu  erzielen  aussieht  hat,  welcher  sich  die  mühe  nicht  verdriefsen  lässt, 
den  ursprünglichen  ort  und  Zusammenhang  der  glossierten  worte  auf- 
zuspüren: freilich  hätte  Sweet  dann  seine  ausgäbe  des  Lugdunensis  ein- 
stampfen lassen  müssen,  nur  Unheil  kann  ein  herausgeber  anstellen,  der 
in  Variation   eines   bekannten  memorialverscs  von  dem  bequemen  grund- 


LATEINISCHE  UND  ALTENGLISCHE  GLOSSEN       249 

folgende  gll.  der  Münster  er  hll.  auch  im  Lugdunensis:  1''  de  og- 
duade  de  octaba  die  =  Nyerup  364  de  octoade  de  octava  die; 
r  dorium  indiculum  =  Nyerup  364;  l**  ependitea  tonica  1  cocula 
=  Nyernp  363  ependitou  tooica  vel  ocula;  l''  erapsa  dapulas 
=  Nyerup  362  enrusa  dapulas;  6"  parelhris  mioisleris  =  Nyernp 
373  parecliis  ministris;  6**  pessulj  quo  cluditur  cornu.  peride 
(die  gl.  bezieht  sich  auf  Sulpicius  Severus  s.  201,  7  Halm,  in 
peride  vermute  ich  eine  entstellung  von  berilli  oder  einem  anderen 
Worte,  das  'flasche,  glasgefäfs'  bedeutet)  =  Nyerup  362  pessuli  quo 
clauditur  cornu ;  6''  peculü  läuiina  aurea  =  Nyernp  364  petiilum 
lumioa  aurea  (vgl.  Ahd.  gll.  2,  598,  39).  dazu  tritt  das  in  der 
note  erklärte  pro  exercitu  apulj,  ferner,  da  die  genannten  gll.  sich 
sämmtlich    auf  die  Eist,   eccles.   und   auf  Sulpicius   zu   beziehen 

satze  ausgeht  "^was  man  nicht  gleich  begreifen  kann,  das  sieht  man  als 
altenglisck  an.'  zwei  seiner  pseudo-altenglischen  Wortungeheuer  hat  Sweet 
allerdings  irn  nachtrug  entfernt,  das  eine  auf  meine  veranlassung  hin: 
aber  noch  verschiedene  sind  zurückgeblieben,  so  liest  man  in  nr  2  pro 
exercitu  appuli  :  liuuitabar.  nun  steht  auf  demselben  bl.  22''  des  Lugdu- 
nensis appulli  inuitabant  (l.  inuitabain,  zu  Sulp.  Sev.  s.  110,2  Halm)  und 
daraiis  ergibt  sich,  dass  huuitabar  =  inuitabar  ist.  pro  exercitu  aber  be- 
zeichnet, wie  jetzt  aus  dem  Münsterer  bl.  &^  hervorgeht,  wo  es  heifst  p 
agerem  p  exercitu  apulj  .i.  riuitabor,  eine  allerdings  wenig  glückliche 
gl.  zu  per  aggerem  bei  Sulp.  Sev.  s.  183,  3  Halm,  nr  8  antoni  lacuna(r): 
floda,  aber  antoni  ist  ein  unglossierter  eigenname,  siehe  Sulp.  Sev. 
*.  169  Halm,  nr  59  ancillis,  animalibus  :figl.  zwar  liest  auch  die  Berner 
hs.  258  bl.  16«  ancillis  animali  figt ,  aber  im  Parisinus  2685  bl.  55*^  heifst 
es  (siehe  Ge/v«.  8, 389)  Ancellis.  annalibus.  figuli,  wir  haben  es  also  mit 
einem  gut  lateinischen  ivorte  zu  tun.  nrlO  ist  besondej's  erbaulich: 
nemias,  alio  nomine :atersatha.  wer  sich  mit  dem  mittelaller  beschäftigt, 
dem  schadet  ein  wenig  bibelkenntnis  wiirklich  nichts:  und  tver  diese  be- 
sitzt, wird  sich  sofort  der  stelle  Esdrae  2,  8,  9  erinnern ,  ivo  geschrieben 
steht:  Nehemias  (ipse  est  Athersatha).  nr  254  sanguessuges  (sanguisugae) : 
lecas.  aber  Nyerup,  Hoffmann  vFallersleben  (dessen  copie  mir  vor  vielen 
Jahren  einmal  MHaupt  lieh)  und  ich  lasen  lexas.  dies  jedoch  ist  mittel- 
lat.,  nicht  das  ae.  loece,  wie  sich  aus  dem  Schlettstädter  Cassiaiiglossar, 
das  gar  keine  ae.  beeinßussung  bekundet ,  ergibt:  Ahd.  gll.  2,  \bZ,  ho  san- 

egila 
guisuges.  lexas.  endlich  nr  243  —  um  auch  aus  den  in  die  Ahd.  gll. 
nicht  aufgenommenen  und  nicht  gehörenden  partien  ein  beispiel  beizu- 
bringen —  acrifolium  :  holera  ist  nicht  waghalsig  mit  holegn  in  den  Corpus- 
gll.bd  zu  identificieren ,  so?idern  der  lat.  plural  von  olus.  also  dies  Lei- 
dener glossar  wenigstens  wird  man  künftig  nicht  'am  besteyi  nach  Sweets 
ausgäbe  eitleren',  wie  ein  offenbar  recht  unkundiger  recensent  der  Oldest 
english  texts  in  den  Engl.  stud.  10,  276  den  anglicisten  anrät. 


250       LATEINISCHE  UND  ALTENGLISCHE  GLOSSEN 

Schemen,  6^  panigericis  in  laudibus  (siehe  Ahd.  gll.  2,  598,  37)  und 
einige  der  mit  ae.  Übersetzungen  versehenen  worte  (s.  u.). 

Das  glossar  beginnt  bl.  1"  mit  cratera  patena,  l*"  mit  deno- 
lare  iurare,  V  mit  dolatoriü  .g.  ascia.  läti  a&sasax,  1'^  mit  eli- 
fantios  quasimous.  g.  elisio  nious  df ,  Q^  mit  pauigericis  iulaudib ;, 
Q^  mit  pellicentes  maculantes,  6"  mit  plexus  iruucatus,  6*"  mit 
.pmuscidis  alinare  o  et-  dnt  alii  manu  lä  longam  usw.  wie  viel  bll. 
zwischen  den  erhaltenen  fehlen,  Idsst  sich  nicht  sicher  ermitteln, 
mindestens  waren  es  vier,     ich  hebe  nur  die  ae.  gll.  aus : 

.8. 

(1*)  crates  gaerd  as  cirographa      (1*^)  dolatorium  .g.  ascia.  latine  lo 
cuturno  criuce  a&sa  saxonice 

(l*")  defexum  decliuium  ^sdyni      dorcus  girec  sax 
dextralia  armbages  eludit  saigde 

5  desinteria  utsynhl  (6^)  pala  scoful  sax 

discarrula  solue  carrum  .i.  ond-      personacia  clife  .i.  data  cla- 
hlelth;  tacrop; 

L  purgamenta 

dispridulus  acuaerna  uel  sei-      peripsima    superhabundans   uel  15 
dilaturas  lybisnesax  gisupop 

dosmui  dorne  sax  pegulium  minte 

l  =  ;(a^T7j£.  die  ae.gl.  verstehe  ich  nicht,  ebensowenig  die  zweite. 
7iachher  folgt  cupellulus  bula :  ich  sehe  jedoch  in  bula  kein  deutsches 
wort,  sondern  eine  entstellung  von  ampulla.  3  esdyni  tvage  ich  als 

efdyni,  aefdyni  (subst.  oder  adj.)  7/üt  ae.  ofdüne  Bosworth-Toller  729*,  7ie. 
adown  zusammenzustellen.         4  =  earmbeägas.  5  /.  utsyht.  6  vgl. 

Ducange  s.  v.  discargare  =  opus  deponere,  wo  aus  der  lex  Sal.  auch  discar- 
ricare  belegt  wird.  l.  ondhleth  (oder,  wie  Zupitza  aus  graphischen  gründen 
vorzieht,  ondhlalh)  =  ahd.  anthlad.  7  dispridulus  (dispdulus  geschrieben) 

ist  eine  entstellung  von  aspriolus  (Diefenbach  s.  54"^).  ae.  acwern  Bosworth- 
Toller  (fi.  sciron  aus  sciurus.  8  ae.  lybesn  filacteria,  strena,  lustra- 
menta  Bosworth-Toller  649''.  aber  dilatura  im  sinne  vo?i  'amuleV  kenne 
ich  nicht;  vielmehr  hat  der  glossator  dilaturas  für  ligaturas  (Ducange  s.  v.) 
geriommen.  9  handelt  es  sich  Wright- ff'lilcker  225,  9  dosmui  thorie  um 
dieselbe  mir  unverständliche  gl.?  10  läti  a&sasax  hs.  ebenso  etsa 
geschrieben  Gll.  n.  568,  22  im  Amplon.,  too  Deycks  fragm.  aecsa  bietet. 
Bosworth-Toller  Ih^.  11  /.  doricus  grec  (Bosworth-Toller  488*). 
\2die  änderung  zwsaegde,  praet.  von  saegan ,  wäre  leicht,  erreichte  aber 
keine  gute  widergabe  des  lat.  wortes,  welchem  ae.  wtegde  zu  entsprechen 
pflegt.  \2,zb.Wright-WülckerTi,l.  U  Diefenbach  A30^.  Bos- 
worth-Toller lb9^.  158*.  17  P,  allerdings  nicht  als  compositum,  in  der  hs.  ist 
clataclatacrop  geschrieben.          15  /.  gisuep,  sielie  Ahd.  gll.  2,596  anm.  6. 

16  entstellt  aus  pulium  =pulegium.     Bosworth-Toller  &89^. 


LATEINISCHE  UND  ALTENGLISCHE  GLOSSEN       251 

(6")  platesa  geüus   piscis   fioc      proriginem  bloot 

sax  prunus  ligoum  prunum  fructus 

polopis  et  crinitus  .i.  grona  .i.  pluu 

.3. 

preruptum  haengi  clif  pugillum  handfui 

20  prassus  groeni  puue  teaus  od  middil  25 

(6'')  Promontorium  hoch 

17  siehe  zb.  das  Epinal-Erfiirter  glossar  nr  802  Sweet,  die  Corpus- 
gll.  nr  1602  Sweet,  IVright-Wülcker  469,  16.  18  polopis  verstehe  ich 

nicht  (connimpiert  aus  pilosus?);  zu  grona  (vielleicht  auch  grena  in  der 
hs.)  vgl.  granae  Corpusgll.  nr  1343  Sweet,  groiiae  Leidener  gll.  nr  182 
Sweet,  mkd.  grau.  19  Bosworth- Toller  527''.  20  /.  prasius. 

21  Ahd.  gll.  2,  746,  14.  22  undeutlich  in  der  hs.     siehe  Ahd.  gll.  2, 

596,10.  23  plüme  Bosworth- Toller  776».  24  Bosworth  -  Toller 

509».  25  Bosworth-  Toller  685". 

STEINMEYER. 


ENEIT    8374  FF. 

Der  jugendliche  Pallas,  eben  erst  von  seinem  vater  Evander 
zum  ritter  geschlagen,  war  im  kämpfe  gegen  Turnus  gefallen  und 
feierhch  in  der  heimat  bestattet  worden,  die  lampe,  welche  über 
der  gruft  hieng,  gab  ewiges  licht;  sie  leuchtete  bis  zu  dem  tag,  da 
Pallas  wider  gefunden  wurde,  das  ist  geschehen  zu  der  zeit  [dat 
es  genoegen  wetenlich] ,  als  der  kaiser  Friedrich  nach  seiner  ersten 
heerfahrt  zu  Rom  gekrönt  wurde,  das  licht  der  lampe  brannte 
noch,  so  wunderbar  es  sein  mag;  waren  doch  mehr  als  2000  jähre 
darüber  hingegangen,  als  man  jedoch  die  gruft  öffnete  und  der 
wind  hineindrang  [dat  es  wetenlich  genoech] ,  da  erlosch  die  flamme, 
und  man  sah  nur  noch  rauch,  asche  und  kohlen. 

Es  ist  durch  APey  (Jahrbuch  für  rom.  und  engl.  litt,  ii  24) 
constatiert :  ce  qufl  y  a  de  certain  c'est  qiie  Benoit  de  Sainte-More  ne 
fait  pas  la  moindre  mention  de  cette  pretendue  decoiwerte.  die  merk- 
würdige stelle  hatte  das  interesse  Eltmüllers  erregt  (Behaghel  ist 
nicht  weiter  darauf  eingegangen)  und  derselbe  hatte  ausg.  s.  xvf  die 
erzählung  Heinrichs  in  Felix  Fabers  Evagatorium  in  terrae  sanctae, 
Arabiae  et  Egypli  peregrinationem  (ed.  Hassler,  litt.  ver.  iv,  Stuttgart 
1849)  III  54  widergefunden,  der  dominicaner  äufsert  sich  (vgl. 
auch  Pey  aao.  s.  24) :  In  chronica  Martini  recitatur,  quod  tempore 
Heinrici  u  corpus  Pallantis  gigantis  fuit  Romae  in  specu  inven- 


252  ENEIT  8374  FF 

tu7n  hicorruptnm ,  cvjns  vulneris  hiatns,  uhi  fnerat  vnlneratns, 
quatnor  pedes  et  semis  habebat,  corpus  altitudimm  muri  vincehat, 
hicernaque  arden!>  ad  ejus  caput  inventa  est,  quae  nee  ßatu  ex- 
stingni  poterat  nee  liquore,  sed  cum  stilo  foramtne  subtus  flam- 
mani  facto  exstincta  est,  per  illud  foramen  aere  introducto.  hutic 
Turnus  dicitur  occidisse,  et  hoc  ipsius  epitaphium  erat: 
Filius  Evandri  Pallas  quem  lancea  Turni 
Militis  occidit  more  sno  jacet  hie. 
'aber  wissen  möchte  ich,  wo  Martinus  seine  nachricht  her  habe, 
ob  die  Sache  bei  einem  itahschen  geschichtschreiber  des  xii  (kaum 
eines  früheren)  jhs.  sich  finde,  oder  ob  die  ganze  erzählung  nicht 
erst  nach  allgemeinerer  bekanntwerdung  der  Eneide  Heinrichs  in 
Deutschland  aus  dieser  selbst  entlehnt  worden  sei.  nicht  dass 
Heinrich  die  ganze  geschichte  erfunden  habe,  will  ich  damit  sagen; 
sie  wird  ihm  vielmehr  von  leuten,  die  damals  mit  in  Rom  waren, 
erzählt  worden  sein,  übrigens  ist  das  epitaphium  bei  Heinrich 
(v.  8333  ff)  reicher  an  inhalt  als  das  bei  Felix  Faber.' 

Die  chronica  Martini  ist  sicher  die  vielverbreitete  chronik 
des  Martin  von  Troppau  (Oppaviensis,  Polonus),  die  betr.  stelle 
findet  sich  denn  auch  daselbst  vgl.  MG  xxii  467:  1040  Henricus ii: 
Huiiis  imperatoris  tempore  Romae  cuiusdam  gigantis  corpus  Pal- 
lantis  nomine  inventnm  est  incorruptum  usw.  (fortsetzung  wie  bei 
Fei.  Faber),  dieselbe  erzählung  findet  sich  aber  auch  in  den 
Flores  temporum,  die  zuweilen  unter  dem  namen  'chronica  Martini' 
gehen,  vgl.  MG  xxiv  237:  nur  wird  das  ereignis  unter  Heinrich  in 
erzählt,  bei  Johannes  de  Columpna  (MG  xxiv  272,  37)  lesen  wir: 
De  Leone  papa  vm  et  qualiter  volens  Apuliam  de  manibus  Nor- 
mannorum  eripere  ab  Ulis  prelio  victus  atque  cum  mnltis  aliis 
captus  est  et  de  genealogia  dictorum  Normannorum  et  de  corpore 
Pallantis  filii  Evandri. 

Die  quelle  für  alle  diese  berichte  scheint  der  sagenfrohe 
Wilhelm  von  Malmesbury  gewesen  zu  sein  (ca.  1140),  er  erzählt 
(MG  xn  472,  32  fl):  Tunc  (vor  1070)  corpus  Pallantis  filii  Evandri, 
de  quo  Virgilius  narrat,  Romae  repertum  est  illibatum,  ingenti  stupore 
omnium  quod  tot  secuta  incorruptione  sni  superavit,  quod  ea  sit 
natura  conditorum  corporum,  ut  carne  tabescente  cutis  exterior 
nervös,  nervi  ossa  contineant.  hiatus  vulneris,  quod  in  medio 
pectore  Turnus  fecerat,  quatuor  pedibus  et  semis  mensuratmn  est. 
epitaphium  hujusmodi  repertum: 


ENEIT  8374  FF  253 

Filius  Evandri  Pallas  quem  lancea  Turnt 

Mililis  occidit  more  siio  jacet  hie. 
qnod  nontunc  crediderim  factum,  licet  Carmentis,  mater  Evandri, 
latinas  litteras  dicalnr  invenisse,  sed  ab  Ennio  vel  alio  aliqno  an- 
tiquo  poeta  compositum,  ardens  lucerna  ad  caput  inventa  arte 
meclianica,  ut  nullius  flatus  violentia,  nullius  liquoris  asper gine 
valeret  extingui.  quod  cum  multi  mirarentur,  nnus,  ut  semper 
aliqui  solertius  ingenium  in  malis  hahent,  stylo  suhtus  flammam 
foramen  fecit;  ita  introducto  aere  ignis  evanuit.  corpus  muro 
applicitum  vastilate  sm?  moenium  altitudinem  vicit;  sed  proceden- 
tibiis  diebus  stillicidiis  rornlentis  infusum  communem  mortalium 
corruplionem  agnovit,  cule  soluta  et  nervis  fluentibus.  eine  allere 
fassung  vermag  ich  nicht  nachzuweisea,  die  hisloriker  haheo  der 
Sache  anscheinend  wenig  heachtung  geschenkt,  ich  habe  vergebens 
bei  Steindorff  (Jahrbücher  des  deutschen  reichs  unter  Heinrich  in, 
Leipzig  1874.  81)  und  Hirsch  (Jahrb.  unter  Heinrich  u)  nach- 
geschlagen, auf  Wilhelm  gehen  jedesfalls  die  belrefTenden  stellen 
bei  Roger  von  VVendover  (MG  xxvin  26,22),  Mattheus  Parisiensis 
(ebenda  110,  19)  und  Radulfus  Niger  (MG  xxvn  342  f)  zurück, 
die  vielfache  Verbreitung  der  erzählung  und  deren  allgemeine 
belieblheit  dürlte  durch  die  von  mir  gegebenen  und  wol  noch 
zu  vermehrenden  nachweise  belegt  sein,  man  braucht  dem  zu 
folge  nicht  anzunehmen ,  dass  Heinrich  von  Veldeke  die  Gesla  des 
Wilhelm  von  Malmesbury  gekannt  hat,  die  historische  tradilion 
mag  auch  auf  anderem  wege  zu  seiner  kenntnis  gelangt  sein. 

Auffallend  ist,  dass  Heinrich  die  auffinduug  der  leiche  unter 
Friedrich  I  (am  18juuill55  gekrönt)  verlegt,  wofür  ich  keinen 
beleg  aus  Chroniken  zu  geben  vermag. ^  allein  die  willkUrlichkeit 
dieser  datierung  verrät  sich  am  deutlichsten  durch  die  berufung 
auf  die  kenntnisse  seiner  hörer:  dat  es  genoegen  wetenlich  S'dll , 
dat  es  xcetenlich  genoech  8404  vgl.  Behaghel  s.  cxxxv  f.  möglich 
dass  das  Interesse,  welches  der  dichter  dem  grofsen  Hohenstaufen 
entgegengebracht  (vgl.  13221  ff),  auch  hier  seineu  namen  und  das 
bedeutsame  ereignis  der  kröuung  hat  einsetzen  lassen,  ich  be- 
merke noch,  dass  quod  cum  multi  mirarentur;  ingenti  stupore 
omnium  bei  Wilhelm  von  Malmesbury  dem  v,  8392  vel  mekel 
wonder  dat  loas  entsprechen.  —  für  die  'gelehrte  bildung'  des  dich- 
ters  (Behaghel  s.  clxxiv  ff)  denke  ich  mit  dem  vorstehenden  einen 
weiteren,  kleinen  beitrag  geliefert  zu  haben. 

>  EtlmüUer  ausg.  s.  xv  bemerkt,  dass  in  der  hs.  H  der  name  Friderich 
ausgestrichen  und  A&im  Heinrich  durch  eine  hand  des  15jhs.  an  den  raud 
gesetzt  ist.  Behaghel  im  apparat  gibt  zu  v.  8377  heiser  Frid.  PEHBM. 
vgl.  übrigens  die  anm.  zu  der  stelle. 

Marburg  1.  7.  88.  FRIEDRICH  KAUFFMANN. 


254  ZU  WALTHER  VON  DER  VOGELWEIDE 


ZU  WALTHER  VON  DER  VOGELWEIDE. 

8,  26  fride  unde  reht  sint  sere  wunt.  in  auflallender  weise 
trifft  Walther  in  diesem  verse  fast  mit  den  Worten  des  Chronisten 
Gerlach,  ersten  abtes  des  prämonstratenserklosters  Mülilhausen 
in  Böhmen  (vgl.  WWattenbach,  Deutschlands  geschichtsquellen 
2^  22S)  zusammen ,  aus  dessen  Annales  (ed.  Wattenbach  MG  SS 
xvn  654  f)  OAbel,  König  Philipp  s.  318  den  satz  anführt  mortuo 
imperatore  (Heinrich  vi)  mortna  est  simul  iustüia  et  pax  imperii. 

30,  11  mit  gebcerde,  mit  gewisser  rede,  mit  rcBte.  zu  dem 
ausgang  des  verses  bemerkt  Lachmann  'ich  glaube,  sinn  und  vers 
fordern  mit  der  tcete.'  Wilmanns  hat  diese  conjectur  in  den  text 
gesetzt  und  rechtfertigt  ihre  aufnähme  mit  den  Worten  'die 
Steigerung,  die  in  den  begriffen  gebcerde,  rede  liegt,  verlangt  als 
drittes  tcete;  die  gewisse  rede  zeigt  sich  eben  darin,  dass  ihr  die 
tat  folgt,  dem  versprechen  die  erfüllung.'  das  alles  hat  für 
mich  sehr  grofse  Wahrscheinlichkeit;  nur  möchte  ich  darauf  hin- 
weisen ,  dass  die  erst  von  Haupt  für  Lachmanns  Walther  benutzte 
Kolmarer  liederhs.  den  vers  so  überliefert:  mit  worten  und  mit 
werken  und  mit  gerete.  diese  lesart  aber  erlaubt  die  annähme, 
dass  der  vers  ursprünglich  mit  den  worten  mit  getoete  schloss, 
das,  um  den  rührenden  reim  zu  beseitigen,  in  mit  gercete  um- 
geändert ward  und  weiterhin  die  änderung  von  gebcerde  und  rede 
nach  sich  zog. 

Liest  man  hiernach:  mit  gebcerde,  mit  gewisser  rede,  mit  ge- 
tcete,  so  scheint  mir  diese  lesart  noch  dadurch  empfohlen  zu 
werden,  dass  gebcerde,  rede,  getoete  nun  ohne  artikel  neben 
einander  stehen,  dass  Wallher  den  dativ  getoete  auch  31,  8  braucht 
und  endlich  dass  bei  Konrad  von  Würzburg  rede  und  getdt  formel- 
haft verbunden  sind;  im  Silvester  586  heifsl  es  mit  rede  und 
mit  getoete  wart  Röme  nie  berihtet  baz,  im  Troj.  krieg  18530 
(ir  sult)  si  daz  beste  leren   mit  rede  und  mit  getoete. 

85,  33  ir  miiezet  in  die  Hute  sehen,  weit  ir  erkennen  wol: 

nieman  uzen  nach  der  varwe  loben  sol. 

vil  manic  töre  ist  innen  tugende  vol: 

wie  wiz  der  biderben  herze  sint,  der  si  wil  umbe  ke'ren! 
so  schreibt  Lachmann  mit  den  hss.  er  streicht  nur  das  über- 
lieferte we  vor  wie,  weil  das  metrum  dadurch  verdorben  wird 
und  ein  den  ausruf  einleitendes  wie  Walthers  Sprachgebrauch  ge- 
mäfs  ist:  vgl.  17,  9;  26,  3;  27,  4;  31,  11;  21;  45,  24;  46,  29; 
51,37;  52,28;  59,11;  60,8;  64,  13;  82,35;  85,29;  120,11; 
122,7;  37.  we  wie  findet  sich  nur  49,36.  seltsamer  weise 
haben  alle  späteren  herausgeber  nach  Wackernagels  Vorgang  more 
für  tore  in  den  text  gesetzt,  die  meisten  auch  nach  seinem  bei- 
spiel  biderben  gestrichen    und  we  vor  wie  wider  eingesetzt,     ich 


zu  WALTHER  VON  DER  VOGELWEIDE  255 

glaube,  dass  Lachmanns  text  den  besten  sinn  gibt,  halte  tore  und 
biderbe  für  gegensiitze  und  nehme  loiz  'vveifs'  (die  färbe  der  Un- 
schuld: vgl,  Pass.  K.  333,32  t'res  herzen  wize  wolde  si  nicht 
besnlen  tun;  397,  36  sin  tugentliche  wize  dem  tuvele  hete  sich  ent- 
saget; Gleims  Zeilg^dichte  1792  s.  74  ein  mann  der  imschnld, 
dessen  haars  schneeweifse  färbe  sich  zu  seinem  herzen  schickte) 
ironisch  gebraucht  für  'schwarz,  lasterhaft,  schlecht'  dh.  für  das 
gegenteil  von  tugende  vol. 

Wie  Wackernagel  zu  möre  gekommen,  ist  mir  unbegreiflich, 
denn  nach  der  varwe  geht  doch  nicht  nur  auf  die  färbe ,  sondern 
die  äufsere  erscheinung  überhaupt  und  mitunter  bedeutet  varwe 
geradezu  körper,  zb.  Fundgr.  2,  125,  41  sie  zerstiebint  also  garioe 
sam  ir  I  wrde  kein  varwe. 

Der  sinn  obiger  verse  scheint  mir  demnach  zu  sein:  'ihr 
müsset,  um  recht  zu  urteilen,  in  die  leute  sehen,  niemand  soll 
aufsen  nach  der  erscheinung  einen  loben,  gar  mancher,  der  uns 
nach  seinem  äufseren  als  tor  erscheint,  ist  tugendhaft  und  gut. 
wie  herlich  weifs  dagegen  (dh.  wie  mangelhaft  und  schlecht) 
werden  die  herzen  derjenigen,  die  als  biderbe  erscheinen  und 
gelten ,  befunden  werden ,  wenn  sie  einer  umkehren  und  hinein- 
blicken will.' 

80,  1 1  swelh  herre  nieman  niht  versaget, 

der  ist  an  gebender  kunst  verschraget: 
der  muoz  iemer  notic  sin  ald  triegen. 
wenn  mich  Wilmanns  erklärung  des  zweiten  verses  'der  ist  in 
bezug  auf  die  kunst  des  gebens  durch  pallisaden  eingeschlossen' 
ebenso  wenig  wie  Paul  befriedigt,  so  befriedigt  mich  die  in  den 
Reiträgen  8,  205  von  ihm  gegebene  erklärung  'der  nimmt  eine 
schiefe  Stellung  zur  kunst  des  gebens  ein'  noch  weniger,  'eine 
schiefe  Stellung  zu  etwas  einnehmen'  ist  eine  verzweifelt  moderne 
redensart,  die  für  denjenigen,  der  gegenständlich  zu  denken, 
jeden  ausdruck  auf  seine  anschaulichkeit  zu  prüfen,  ihn  sich 
vors  äuge  zu  rücken  bestrebt  ist,  ein  so  seltsames,  unklares 
bild  enthält,  dass  seine  Verwendung  einem  Walther,  überhaupt 
seiner  zeit  nicht  zuzutrauen  ist.  schwerlich  könnte  es  den  an 
unserer  stelle  notwendigen  gedanken  enthalten,  dass  einer,  der 
allen  geben  vfill,  die  kunst  der  freigebigkeit  nicht  in  der  rechten 
weise  ausüben  kann,  sehr  richtig  aber,  wie  ich  glaube,  hat 
Paul  an  die  Verwandtschaft  von  verschragen  und  verschrenken ,  an 
die  Synonyma  schräge  und  schranc  erinnert,  er  hätte  nur  weiter 
gehen  und  auch  beschrenken  vergleichend  herbeiziehen  sollen, 
worüber  Renecke  im  wb.  zum  Wigalois  s.  532  sich  eingehend 
geäufsert  hat.  'etJien  beschrenken',  sagt  er  ua.,  'ist  so  viel  als 
den  schranc  bei  einem  anbringen,  dh.  ihm  ein  bein  unterschlagen, 
und  dann  überhaupt,  ihn  zu  falle  bringen,  so  beschrenken  die 
häscher  denjenigen,  dem  sie  eine  stange  zwischen  die  beine 
werfen'  usw. 


256  ZU  WALTÜER  VON  DER  VOGELVVEIDE 

Etwas  almliches  scheint  auch  Walthers  hild  vom  schrägen 
in  dem  fraglichen  verse  zu  meinen,  dessen  passiven  ausdruck 
(wie  es  nicht  selten  lür  das  Verständnis  des  mhd.  geschehen  muss) 
man  in  den  activ- reflexiven,  transitiven  umsetzen  darf,  sodass 
der  sinn  des  ganzen  wäre:  'wer  keinem  eine  bit'e  um  Unter- 
stützung abschlägt,  der  hat  sich  verschraget,  hat  sich  in  bezug 
auf  die  kunst  des  gebens  gleichsam  einen  knüppel  zwischen  die 
beine  geworfen,  hat  sich  selbst  ein  hindernis  in  den  weg  gelegt, 
in  der  rechten  weise  geben  zu  können;  denn  er  wird  immer  in 
not  sein  oder  wortbrüchig  werden  müssen.'  seine  beine  und  der 
quer  dazwischen  geworfene  knüppel  bilden  ein  kreuz,  den  schrägen, 
womit  er  sich  verschraget  hat.  wie  man  in  abrede  stellen  kann, 
dass  die  präp.  an  die  bezieh ung  zur  kunst  des  gebens  be- 
zeichnet, verstehe  ich  nicht,  ön  hat  doch  oft  genug  diese  ab- 
slracte  bedeutungl  ich  schäme  mich  fast,  ein  beispiel  dafür 
anzuführen,  möchte  aber  wol  wissen,  wie  man  Walthers  vers 
(26,  34)  dö  hat  ich  mich  an  der  mdze  ein  teil  vergezzen  anders 
als  mit  Wilmanns  Worten  'da  halte  ich  mich  hinsichtlich  des 
mafses  geirrt'  übersetzen  könnte.  will  einer  für  'hinsichtlich 
des  mafses'  lieber  'in  dem  mafse'  sagen,  so  ist  das  Wortklauberei; 
denn  'in'  würde  doch  nichts  anderes  als  die  beziehung  be- 
zeichnen. 

Marburg,  october  1888.  K.  LUCAE  f- 


ZU  ZS.  32,  472. 

Auf  Zusendung  meiner  notiz  über  hdherjvel  waren  ATobler 
und  HSuchier  so  freundlich  mir  folgendes  mitzuteilen.  Tobler 
machte  mich  darauf  aufmerksam,  dass  die  altfrz.  formen  hauber- 
jeiil  bzw.  hanbregeul  in  FGodefroys  Dictionnaire  de  l'aucienne 
langue  fran^aise  4,  437^  durch  je  eine  stelle  erwiesen  sind: 

hauher'z  orent  et  hauherjeus 

de  fer  fu  couverz  chascun  d'eiis.  Ben.  Troie,  Ars.  3314  f.  59'. 
il  porroit  f orter  mh  haiibregeul  et  .1.  palete  et  .1.  machue. 
1270,  Reg.  aux  bans,  Arch.  SOmer  AB  xvni,  16,  nr  119.  er 
fügte  folgende  formen  und  belege  aus  seinen  eigenen  reichen 
schätzen  hinzu: 

hanbers  orent  et  haubergex.     R.  de  Troie  9481. 
un  haubergol  aveit  vestu.     Ron  ni  8142. 
Suchier  bemerkte  zu  meiner  behauptung,  dass  wol  besser  haber- 
jcßl,  nicht  hdberjoel  geschrieben  werde  (das   nl.  habberguil  schien 
mir  dafür   zu    sprechen):    'd  köunle  doch   richtig  sein,    da  auch 
das  Lothringische  für  al  langes  d  setzt.' 

Marburg,  october  1888.  K.  LUCAE  f. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  11  257 


KELTISCHE  BEITRAGE. 

II.    BRENDANS  MEERFAHRT. 

(Fortsetzung  von  Zs.  33,  220.) 

C.     die    terra    repromissionis    im    lichte    der 
irischen    sage. 

Schröder  bemerkt  (Sanct  Brandau  s.  xi):  'bei  der  Würdigung 
der  lateinischen  legende  dürfte  es  nötig  sein,  zwei  elemente  zu 
unterscheiden:  ein  nationales  mythologisches  und  ein  allgemein 
christliches  legendarisches,  ersteres  der  stamm,  auf  den  das 
zweite  als  reis  gepfropft  wurde. 

Von  diesem  standpunct  aus  werden  wir  in  der  terra  re- 
promissionis die  uralte,  den  Germanen  wie  den  Kelten  im  wesent- 
lichen gemeinsame  Vorstellung  vom  totenreich  finden,  dort  im 
äufsersten  westen  liegt  das  eiland  der  seelen,  dem  blick  durch 
dichte  nebel  entzogen;  das  schiff,  welches  den  begnadigten  mann 
trägt,  findet  seinen  weg  von  selbst  in  kürzester  frist  durch  den 
nebel;  dann  strahlt  eine  leuchtende  helle  und  vor  ihm  liegt  das 
land,  bedeckt  mit  blumen  des  frühlings  gleicher  weise  wie  mit 
den  fruchten  des  herbstes;  dort  herscht  keine  nacht,  und  wer 
in  dem  lande  wandelt,  ist  aller  irdischen  beschwerden  ledig: 
kein  alter  drückt  ihn,  kein  bedürfnis  nach  irdischer  speise  ver- 
mag ihm  zu  nahen.' 

In  dem  vorangehenden  abschnitt  (s.  144 — 220)  habe  ich  ver- 
sucht, das  nationale,  sagenhafte  element,  das  der  Schilderung  von 
den  wundern  und  schrecken  des  oceans  in  der  christlichen 
legende  von  der  meerfahrt  des  hl.  Brendan  zu  gründe  Hegt,  aus 
der  erhaltenen  profanlitteratur  nachzuweisen,  im  folgenden  soll 
in  kürze  ein  gleiches  geschehen  für  die  terra  repromissionis  der 
christlichen  legende,  ich  führe  wider  die  wichtigsten  erhaltenen 
alten  sagentexte  vor;  sie  gehören,  so  weit  es  sich  um  selbständige 
texte  handelt  und  nicht  um  episoden  gröfserer  erzählungen,  der 
litteraturgattung  der  echtrai  an  (siehe  oben  s.  145  ff). 

I.  Echtra  Brain  maic  Febail.  zwei  vollständige  copien 
dieses  textes  finden  sich  in  den  dem  14  jh.  zugewiesenen  hss.Rawl.B. 
512  fol.  119*— 120^  2  mitte  und  H.  2.  16  (TCD)  col.  395—399. 
Z.  F.  D.  A.    XXXIII.     N.  F.  XXI.  17 


258  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

die  Oxforder  lis.  hat  die  alten  formen  besser  gewahrt,  vermutlich, 
weil  der  text  direct  und  getreu  aus  einer  hs.  vom  anfange  des 
11  jhs.  copiert  ist  (vgl.  Gott.  gel.  anz.  1887  s.  181—183).  der 
schluss  der  erzählung  ist  uns  in  der  um  1100  geschriebeneu 
sammelhs.  LU  erhalten,  s.  121*  des  facsimile.  in  II.  2. 16  hat  der 
text  die  Überschrift  Imram  Bruin  maic  Febuil  andsa  7  aeachtra 
annso  sls,  was  nach  dem  s.  145  ausgeführten  klar  ist.  der  text 
ist  auch  noch  in  einigen  jüngeren  hss.  erhalten  (siehe  D'Arbois, 
Catalogue  s.  105),  von  denen  ich  jedoch  weder  abschriften  noch 
coUationen  besitze. 

1.  fünfzig  Strophen  saug  das  weib  aus  dem  Wunderland  auf 
dem  üur  des  hauses  dem  Bran  mac  Febail,  als  sein  königshaus 
voll  von  königen  war,  welche  nicht  wüsten,  woher  das  weib 
kam,  da  die  bürg  verschlossen  war.  so  nun  beginnt  die  ge-^ 
schichte,  eines  tags  wandelte  Bran  allein  in  der  nähe  seiner 
bürg  und  hörte  gesang  (musik)  hinter  seinem  rücken,  als  er 
hinler  sich  schaute  (dh.  sich  umdrehte),  war  der  gesang  immer 
noch  hinter  seinem  rücken,  er  schlief  ein  von  der  musik,  die 
zu  dem  gesang  ertönte,  wegen  ihrer  lieblichkeit.  als  er  aus 
seinem  schlaf  erwachte,  sah  er  einen  silberzweig  mit  weifsen 
bluten  in  seiner  nähe  und  es  war  nicht  leicht,  die  bluten  von 
dem  zweig  zu  unterscheiden.  Bran  nahm  den  zweig  in  seiner 
band  in  sein  königshaus  mit.  als  sie  in  dem  königshaus  ver- 
sammelt waren ,  sahen  sie  ein  weib  in  unbekannter  (wunderbarer) 
kleidung  auf  dem  Üur  des  hauses.  da  sang  das  weib  50  Strophen 
dem  Bran,  welche  die  schar  hörte,  und  sie  sahen  alle  das  weib. 

2.'  'einen  ast  von  einem  apfelbaum  aus  Emain  brachte  ich 
ähnlich  den  bekannten,  zweige  von  weifsem  silber  sind  daran, 
glänzende  augeubrauen  mit  bluten. 

Es  gibt  eine  insel  in  weiter  ferne  (inetercein),  um  welche 
die  rosse  des  mecres  (gabra  rein)  spielend  auftauchen  (ininia- 
taitnit);  eine  glückliche  fahrt,  auf  der  zur  seite  weifse  wogen 
spielen,  führt  zu  ihm,  dem  wohnsitz  auf  füfsen  von  4  mann. 

Wie  glänz  des  auges  ist  nach  überstandener  reise  (iarmbuaid) 
ausgebreitet   das   gefilde,    auf  dem   die  scharen  kampfspiele   ab- 

*  die  von  mir  benutzten  alten  hss.  haben  nur  mehr  28  Strophen;  der 
text  ist  sehr  verwahrlost  und  bedarf  mancher  emendation,  um  ihn  lesbar 
zu  machen,  ich  habe  jedoch  in  den  übersetzten  Strophen  von  jeder  änderung 
abgesehen. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  259 

halten  (clechtat).  kahn  kämpft  gegen  wagen  in  dem  gefilde  süd- 
lich,  dem  silberweifseu. 

Füfse  von  findruine  sind  unter  ihr,  glänzende  (?taitne) 
immerdar,  herliche,  herlich  ist  das  land  in  alle  ewigkeit,  über 
welches  schneit  (? förmig)  die  blütenfüUe. 

Es  befindet  sich  dort  ein  bäum  mit  bluten ,  auf  welchem 
Vögel  zu  den  zelten  ihre  stimmen  erheben,  durch  den  bekannten 
harmonischen  gesang  rufen  sie  alle  jede  stunde  aus. 

Es  strahlen  die  glänzenden  gewänder  in  allen  färben,  durch 
die  gefilde  werden  juchzer  ausgestofsen.  freude  und  gesang 
ist  zu  hause  (isgnath)  in  dem  gefilde  südlich,  dem  silbernebligen. 

Nicht  ist  bekannt  jammern  na  mbrath  (vor  den  gerichlen?) 
in  dem  gefilde,  wenn  es  überhaupt  bekannt  ist;  nicht  gibt  es 
etwas  rauhes  für  die  kehle,  sondern  nur  lieblichen  gesang  fürs  ohr. 

Ohne  schmerz,  ohne  trauer,  ohne  tod,  ohne  jedwede  krank- 
heit  fri  indgas.  dies  gibt  eine  vorslellung  von  Emain,  nicht 
häufig  gibt  es  ein  ihm  gleiches  wunder.' 

Nun  werden  in  weiteren  17  Strophen  verschiedene  gefilde  in 
ähnlicher  weise  beschrieben  und  dann  heifst  es: 

'Es  gibt  150  ferne  inseln  in  dem  ocean  westlich  von  uns, 
jede  einzelne  von  ihnen  mehr  als  zweimal  oder  dreimal  so  grofs 
wie  Irland.' 

Nach  einer  längeren  Weissagung  auf  Christus  —  'nach  langen 
Zeiten  wird  eine  wunderbare  geburt  kommen,  der  söhn  eines 
weibes,  dessen  gemahl  man  nicht  kennt:  er  wird  die  herschaft 
über  die  vielen  tausende  ergreifen,  eine  herschaft  ohne  anfang 
und  ende'  usw.  —  schliefst  das  weih  mit  der  aufforderung  an 
Bran:  'beginn  die  fahrt  übers  klare  meer,  ob  du  vielleicht  ins 
land  der  frauen  (tir  namban)  gelangen  wirst.' 

3.  das  weib  gieng  darauf  von  ihnen,  ohne  dass  sie  wüsten, 
ob  sie  gegangen,  und  trug  ihren  zweig  mit  sich,  der  zweig 
sprang  aus  der  band  Brans  [der  ihn  ja  hatte]  in  die  band  des 
weibes,  und  Bran  halte  nicht  kraft,  in  der  band  ihn  festzuhalten. 
am  anderen  tage  gieng  Bran  zur  see  mit  3  mal  9  mann  von  seinen 
pflegebrUdern  und  altersgenossen.  als  er  2  tage  und  2  nachte 
auf  dem  meere  war,  sah  er  einen  mann  auf  einem  wagen  übers 
meer  auf  sich  zukommen,  der  mann  sang  30  weitere  Strophen 
und  tat  ihm  kund  und  sagte,  er  sei  Manandan  mac  Lir  (M.  der 
söhn    des   nieeres),   und   sagte,   er   komme  darum   nach   langen 

17* 


260  KELTISCHE  BEITRÄGE  11 

Zeiten  nach  Irland,  dass  von  ihm  ein  söhn  geboren  werde,  näm- 
lich Mongan  niac  Fiachnoe. 

4.  in  ähnlicher  weise,  zum  teil  mit  den  gleichen  Worten, 
wie  das  unhekannte  weih  die  ferne  insel  beschrieben,  schildert 
der  meergott  Manandau  sein  land  (crJch,  tlr  Manandain  niaic  Lir), 
das  er  auch  Mag  Meld  (das  geülde  der  wonnen)  nennt,  nach- 
dem er  die  geburt  Mongans  prophezeit  und  ihn  geschildert,  teilt 
er  Bran  mit,  dass  es  nicht  mehr  fern  sei  zum  lande  der  frauen, 
nach  Emain,   dass  er   es  vor  Sonnenuntergang   erreichen  werde. 

5.  Bran  gieng  darauf  von  ihm  und  erblickte  eine  insel;  er 
fuhr  rings  um  sie  herum,  und  eine  grofse  schar  war  darauf 
lachend  und  gelächter  ausstofsend  (ocgignig  7  gairechtaig).  sie 
erblickten  alle  Bran  und  seine  gefährten,  liefsen  jedoch  nicht 
ab  (vom  lachen),  um  sie  anzureden,  sondern  stiefsen  lachgeschrei 
um  sie  aus.  Bran  schickte  einen  von  seinen  genossen  auf  die 
insel  und  der  stiefs  lachen  aus  unter  ihnen  wie  die  übrigen  be- 
wohner  der  insel.  als  Bran  um  die  insel  herumfuhr,  da  kam 
sein  gefährte  an  ihm  vorbei  (am  ufer),  und  seine  mitgefährten 
redeten  ihn  an.  er  antwortete  ihnen  aber  nicht,  sondern  blickte 
die  frauen  an  und  stiefs  gelächter  (ginich)  aus.  der  name  dieser 
insel  ist  insel  der  freude  (inis  subai).  sie  liefsen  ihn  (den  ge- 
fährten) dort  zurück. 

6.  bald  darauf  kamen  sie  zu  dem  lande  der  frauen  (tlr 
namban)  und  sahen  die  fürstin  (braine)  der  frauen  am  hafen. 
die  fürstin  (toisech)  der  frauen  sagte  zu  ihm:  komm  her  ans  land, 
0  Bran  mac  Febal,  deine  ankunft  ist  willkommen.  Bran  wagte  es 
nicht,  ans  land  zu  gehen,  es  schleudert  das  weib  dem  Brau 
ein  knäuel  zu ,  wonach  Bran  seine  band  ausstreckt  und  es  fängt, 
das  knäuel  1  haftete  in  seiner  band,  der  faden  des  knäuels  be- 
fand sich  in  der  band  des  weibes  und  sie  zog  den  kahn  in  den 
hafen.  sie  giengen  darauf  in  ein  grofses  haus ,  woselbst  sich  ein 
bett  für  je  ein  ehepar  (^/anamamj  befand;  3  mal  9  betten  waren 
es.  die  speise,  die  auf  jeden  tisch  aufgetragen  wurde,  nahm 
nicht  ab.  ein  jähr  kam  ihnen  ihr  aufenthalt  dort  vor,  während 
es  doch  viele  jähre  waren,  heimweh  erfasste  einen  mann  von 
ihnen,  den  Nechtan  mac  Colbrain.  er  beschwor  den  Bran  bei 
seinem  geschlecht,  dass  er  mit  ihm  nach  Irland  gienge.  das 
weib   sagte,  die   reise  würde  sie   gereuen,     sie   brachen   nichts 

*  hier  beginnt  LU  121»,  1. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  261 

desto  weniger  auf  und  das  weib  sagte,  dass  keiner  von  ihnen 
das  land  betreten  solle  (? arnatuinsed) ,  und  sie  sollten  den  mann 
besuchen,  den  sie  auf  der  insel  der  freude  zurückgelassen, 
nachdem  sie  ihren  genossen  heimgebracht,  sie  brachen  dann 
auf  und  kamen  (in  der  heimat  an  zufällig)  zu  einer  Versammlung 
in  Srub  Brain  ('Brans  schnauze',  wol  name  eines  Vorgebirges?), 
diese  (in  der  Versammlung)  fragten  sie ,  wer  da  auf  dem  meere 
käme.  Bran  sagte:  ich  bin  es  Bran  mac  Febail.  wir  haben 
kein  erkcnnungszeichen  dafür,  sagten  seine  vasallen  von  dort 
(aus  der  Versammlung),  wir  haben  unter  den  alten  geschichten 
einen  Imram  Brain.  es  wird  nun  der  mann  (nämlich  Nechtan) 
von  ihnen  aus  dem  kahn  gesetzt,  sobald  er  den  boden  Irlands 
betrat,  wurde  er  sofort  zu  asche,  als  ob  er  viele  hundert  jähre 
hindurch  in  der  erde  gelegen  hätte.  Bran  erzählt  darauf  (vom 
kahn  aus)  seine  erlebnisse  von  anfang  an  den  leuten  der  Ver- 
sammlung und  schrieb  die  verse  in  ogam  und  nahm  darauf  ab- 
schied von  ihnen ,  und  von  seinen  weiteren  erlebnissen  weifs 
man  nichts. 

Der  sagenerzähler  sucht,  wie  aus  abschnitt  2  ersichtlich,  die 
Vorstellung  zu  erwecken ,  als  ob  es  sich  um  ein  ereignis  handle, 
das  vor  Christi  gehurt  und  vor  einführung  des  Christentums  in 
Irland  sich  zugetragen  habe,  er  bleibt  daher  vortrefflich  in  seiner 
rolle,  wenn  er  den  Bran  die  verse  in  ogam  niederschreiben 
lässt,  der  im  heroenzeitalter  vor  einführung  des  Christentums 
üblichen  irischen  runenschrift.  so  alt  ist  freilich  unser  text  nicht, 
er  gehört  aber  zum  ältesten ,  was  uns  von  irischer  profanlitteratur 
erhalten  ist:  seine  spräche  ist  sicher  so  alt  wie  die  ältesten  alt- 
irischen glossen;  er  kann  also  noch  dem  7  jh.  angehören,  die 
beiden  hauptepisoden  (abschnitt  5  und  6)  sind  uns  schon  in  dem 
ebenso  alten  Imram  Maelduin  begegnet;  es  entsprechen  sich 
Echtra  Brain  5  und  Imram  Maelduin  31  sowie  Echtra  Brain  6 
und  Imram  Maelduin  28.  eine  abhängigkeit  beider  erzählungen 
von  einander  ist  nicht  nachzuweisen,  müste  aus  anderen  gründen 
eine  angenommen  werden ,  so  wäre  sicher  für  die  episode  Echtra 
Brain  6  ==  Imram  Maelduin  28  der  letztere  die  abgeleitete  quelle, 
wie  aus  den  erörterungen  unter  D  n  c.  2  hervorgeht. 

n.  Echtra  Condla  chaim  maic  Cuind  Chetcha- 
tJiaig.    das  abenteuer  von  Condla  dem  schönen,  dem  söhn  Cond 


262  KELTISCHE  BEITRAGE  II 

Cetchathachs ,  findet  sich  in  den  alten  hss.,  welche  Echtra  Brain 
bieten,  entweder  demselben  vorangehend  oder  nachfolgend:  LU 
120^  Rawl.  B.  512  fol.  120^  2;  H.  2.  16  (TCD)  col.  399—400; 
Egerton  1782  (Brit.  mus.)  fol.  19^  2J  es  gehört  nach  inhalt  und 
spräche  der  gleichen  zeit  an  wie  Echtra  Brain. 

1.  als  Condla  Ruad,  der  söhn  von  Conn  Cetchathach,  eines 
tages  an  der  seile  seines  vaters  im  oberen  teile  (auf  der  höhe) 
von  Usnech  war,  sah  er  ein  weib  in  ganz  unbekannter  kleidung 
auf  sich  zukommen,  woher  bist  du  herzugekommen,  o  weib?  sagte 
Condla.  ich  bin  gekommen,  sagte  das  weib,  aus  den  gefilden 
der  lebenden  (atJrib  bed),  einem  ort,  an  welchem  weder 
tod  noch  Sünde  noch  vergehen.  wir  feiern  an- 
dauernde (ewige)  feste,  ohne  dass  wir  bedienung 
bedürfen;  wir  haben  schönen  Umgang,  ohne  dass 
streit  entsteht,  es  ist  ein  grofses  .SFd,  in  welchem  wir  leben, 
und  deshalb  werden  wir  Sldleute  genannt,  wen  redest  du,  o  Jüng- 
ling, an?  sagte  Cond  zu  seinem  söhn,  denn  niemand  sah  das  weib 
aufser  Condla.  das  weib  erwiderte:  er  spricht  zu  einem  jungen, 
schönen  weib  von  edlem  geschlecht,  welches  weder  tod  noch  alter 
erwartet,  ich  habe  Condla  geliebt,  ich  lade  ihn  ein  nach  dem  gefilde 
der  seeligkeit,  wo  ßoadag  der  ewige  könig  ist,  ein  könig  ohne  klage, 
ohne  weh  in  seinem  land,  seit  er  die  herschaft  ergriffen,  komm  mit 
mir,  o  Condla  Ruad,  nackeubunter,  rot  wie  licht;  ein  diadem  (barr 
bilde)  erwartet  dich  über  dem  purpurangesicht,  eine  ewige  zier 
deiner  königsgeslalt.  wenn  du  einwilligst  (mit  mir  zu  kommen), 
so  wird  deine  gestalt  nicht  welken ,  weder  ihre  Jugend  noch 
ihre  Schönheit,  bis  zum  jüngsten  gericht,  dem  schrecklichen 
(?  brindach). 

2.  Cond  sagte  zu  seinem  druiden ,  Corän  war  sein  name 
—  alle  hörten,  was  das  weib  sagte,  obwol  sie  dasselbe  nicht 
sahen — :  ich  beschwöre  dich ,  o  Corän,  mit  den  vielen  (zauber-) 
gesängen,  mit  den  vielen  künsten;  ein  forbond  kam  über  mich, 
gröfser  als  mein  rat  und  meine  kraft,  ein  kämpf,  wie  ich  ihn 
nicht  zu  bestehen  hatte,  seit  ich  die  herschaft  ergriffen,  eine 
unsichtbare  gestalt  hat  ein  zusammentreffen  mit  mir,  sie  tut  mir 

1  einige  jüngere  hss.,  die  ich  nicht  collationiert  habe,  zählt  D'Arbois, 
Catalogue  s.  109  auf.  der  text  ist  nach  LU  herausgegeben  und  übersetzt 
von  Growe  im  Journal  of  the  royal  historical  and  archaeological  association 
of  Ireland  1874  s.  118ff.  einen  textabdruck  nach  dem  facsimile  von  LU  gibt 
Windisch,  Ir.  gramm.  s.  118  ff. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  263 

gewalt  an,  um  mir  meinen  sehr  scliöuen  söhn  zu  entführen;  durch 
weihliche  üherredung  {ahwenduug,  toath) ,  Zaubersprüche  von  trauen 
wird  er  von  des  königs  seile  entführt,  darauf  sang  der  druide 
(einen  zauber)  nach  der  stimme  des  weibes  (dh.  der  gegend,  woher 
sie  kam),  und  niemand  hörte  mehr  die  stimme  des  weibes,  und 
von  da  an  sah  auch  Condia  das  weih  nicht  mehr,  als  aber  das 
weib  weggieng  vor  dem  mächtigen  gesang  des  druiden ,  warf  sie 
dem  Condia  einen  apfel  zu.  Condia  verbrachte  einen  vollen 
monat,  ohne  einen  bissen  zu  sich  zu  nehmen,  weder  trank  noch 
speise;  er  afs  keine  andere  speise  aufser  von  dem  apfel,  welcher 
dessen  ungeachtet  nicht  im  geringsten  abnahm,  sondern  immer 
ganz  war.  Sehnsucht  erfasste  darauf  den  Condia  nach  dem  weib, 
welches  er  gesehen  hatte. 

3.  an  dem  tage,  als  der  monat  zu  ende  gieng,  befand  sich 
Condia  an  der  seile  seines  vaters  in  Mag  Archommin  und  er 
sah  das  weib  wider  auf  sich  zukommen  und  sie  sagte  zu  ihm : 
erhaben  ist  der  sitz,  auf  welchem  Condia  unter  kurzlebigen  sterb- 
üchen  sitzt ,  den  schrecklichen  tod  erwartend,  die  ewiglebenden 
lebendigen  fordern  dich,  sie  laden  dich  ein,  zu  den  menschen 
von  Tethra  zu  kommen,  denn  sie  erblicken  dich  jeden  tag  in 
den  Versammlungen  deiner  heimat  unter  deinen  lieben  ange- 
hörigen.  als  Coud  die  stimme  des  weibes  hörte,  sagte  er  zu 
seinem  gefolge:  ruft  mir  den  druiden,  ich  sehe,  sie  hat  heute 
wider  ihre  spräche  gewonnen,  da  sagte  das  weih:  druidenkunst 
liebt  man  nicht,  wenig  wird  sie  geschätzt  am  grofsen  Strand, 
dem  gerechten  mit  den  vielen  wunderbaren,  zahlreichen  familien. 
wenn  sein  gesetz  kommen  wird,  wird  es  die  Zaubersprüche  der 
druiden  vernichten,  welche  übergehen  (tardechta  3  plur.  rel.  zu 
tartiag)  auf  die  lippen  des  schwarzen,  zauberischen  dämons 
(teufeis),  dem  Cond  war  es  auffallend,  dass  Condia  niemand 
eine  antwort  geben  würde  aufser  das  weib  käme,  liegt  es 
dir  in  deinem  sinn,  was  das  weib  sagte?  fragte  Cond.  es  ist 
nicht  leicht  (eben)  mir:  über  alles  liebe  ich  mein  volk,  aber 
Sehnsucht  nach  dem  weib  erfasste  mich,  da  antwortete  das  weib 
und  sagte:  es  ist  dir  um  vieles  schwerer  .  .  .  gegen  die  woge 
deiner  Sehnsucht  .  .  .',   in   meinem   glaskahn   würden  wir  zum 

^  Lü  liest  Tathut  airunsiir  älaib  fritöind  teölchaire  ofadib,  während 
Eg.  1782  airium  sur  für  aii'unsur  bietet,  mit  beiden  ist  nichts  anzufangen, 
sondern  airunsu  'um  viel  schwerer'  (gegensatz  irussu,  aurussu,  urussu)  zu 


264  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

Sid  des  Boadach  kommen ,  wenn  wir  es  erreichen  würden,  es 
gibt  auch  noch  ein  anderes  land,  das  sich  nicht  weniger  lohnt 
aufgesucht  zu  werden;  ich  sehe,  er  lässt  sinken  die  helle  sonne, 
wie  fern  es  aber  auch  ist,  wir  werden  es  vor  nacht  erreichen, 
dies  ist  das  land,  welches  den  sinn  eines  jeden  erfreut,  der  es 
durchwandert:  es  gibt  kein  anderes  geschlecht  dort  als  freuen 
und  Jungfrauen. 

4.  als  die  Jungfrau  ihre  antwort  beendigt  hatte,  tat  Condla 
einen  sprung  von  ihnen  weg,  dass  er  in  dem  gläsernen  schiff 
war.  man  sah  sie  nach  und  nach  ferner  rücken  (uadib),  so  weit 
der  bUck  des  auges  reichte,  sie  fuhren  auf  dem  meere  weg  und 
wurden  nie  mehr  gesehen  und  man  weifs  nicht,  wohin  sie  kamen. 

III.  Echtra  Cormaic  iTlr  Tairngiri.  das  abenteuer, 
welches  dem  Cormac,  dem  enkel  Cond  Cetchathachs  und  neffen 
Condla  Ruads  im  lande  der  verheifsung  begegnete,  ist  uns  in  3  hss. 
des  14  undl5jhs.  erhalten:  Book  of  Ballymote  s.  262*,  9— 262^ 
54  des  facsimile,  H.  2.  16  (TCD)  col.  889  —  898  und  Book  of 
Fermoy  fol.  61"^,  1.  aus  den  beiden  letzten  hss.  besitze  ich  nur 
excerpte  des  textes.  der  zusatz  iTlr  Tairngiri  fehlt  sowol  in 
den  3  hss.  des  den  titel  bietenden  sachcatalogs  als  auch  im  Book 
of  Fermoy. 

1.  eines  frühen  morgens  im  mai  befand  sich  Cormac,  der 
enkel  von  Conn  auf  dem  grabhügel  der  Tea  in  Tara  und  sah 
einen  bejahrten,  grauhaarigen  ritter  auf  sich  zukommen:  ein 
purpurmantel  mit  säum  um  ihn,  darunter  ein  hemd  mit  gold- 
fäden  auf  der  haut,  sandalen  von  findruine  unter  den  füfsen, 
ein  silberzweig  mit  3  äpfeln  von  gold  auf  seinem  rücken,  der 
genuss  war  grofs,  auf  die  musik  zu  hören,  die  der  zweig  machte: 
es  wären  eingeschlafen  verwundete  männer,  gebärende  frauen 
und  kranke  scharen  von  der  musik,  wenn  der  zweig  geschüttelt 
wurde.  Cormac  und  der  unbekannte  begrüfsen  sich,  woher  bist 
du  gekommen,  o  ritter?  sagte  Cormac.  aus  dem  lande,  in  dem 
Wahrheit  herscht,  in  dem  es  kein  alter  oder  gebrechen,  weder 
kummer  noch  trauer,  neid  noch  eifersucht,  weder  hass  noch 
hochmut  gibt,  so  ist  es  bei  uns  nicht,  sagte  Cormac.  wollen 
wir  nicht  freundschaft  schliefsen?  fuhr  er  fort,  das  ist  mir  recht, 
sagte   der  ritler,   und   sie   schliefsen  darauf  freundschaft.     willst 

trennen,     der  sinn  muss   sein :  der  kämpf  gegen  die  woge  der  sehnsuciit 
ist  schwerer  als  die  fahrt  mit  mir,  darum  komm. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  265 

du  mir  den  zweig  geben  ?  fragte  Cormac.  ich  werde  ihn  geben, 
sagte  der  ritter,  wenn  mir  die  3  bitten  gewährt  werden,  die  ich 
in  Tara  bitten  werde.  Cormac  sagt  zu;  der  ritter  verpflichtete 
ihn  zur  erfüllung  (naiscis),  überliefs  ihm  den  zweig  und  gieng 
weg  zugleich,  ohne  dass  Cormac  merkte,  nach  welcher  seite 
er  gieng. 

2.  Cormac  gieng  in  seinen  palast  und  die  hausgenossen 
bewunderten  den  zweig.  Cormac  schüttelte  den  zweig  gegen  sie, 
dass  sie  in  schlaf  fielen  auf  3  stunden,  nach  verlauf  eines  Jahres 
kam  der  ritter  zu  dem  ort  des  Zusammentreffens  und  erbat  sich 
Ailbe,  die  tochter  Cormacs  und  nahm  sie  mit.  als  ihre  weibliche 
dienerschaft  drei  laute  schreie  hinter  der  tochter  des  königs  von 
Irland  erhoben,  da  schüttelte  Cormac  den  zweig,  wodurch  sie 
alle  kummers  ledig  wurden  und  in  schlaf  verfielen,  nach  einem 
weiteren  monat  kommt  der  ritter  wider  und  nimmt  den  Cairbre, 
Cormacs  söhn  mit  sich:  Jammer  und  wehklage  hörte  in  Tara 
nicht  auf,  man  afs  nicht  und  schlief  nicht  und  war  in  kummer 
und  grofser  trauer.  da  schüttelte  Cormac  den  zweig  gegen  sie, 
dass  sie  die  trauer  vergafsen.  derselbe  ritter  kam  wider,  was 
verlangst  du  heute?  fragte  Cormac.  dein  weib,  erwiderte  er, 
Eithne  Taebfata.     darauf  nimmt  er  die  frau  mit  sich. 

3.  dies  ertrug  Cormac  nicht  und  setzte  ihnen  nach;  man 
setzte  Cormac  nach  jeder  richtung  nach,  dichter  nebel  fiel  auf 
die  ebene,  der  wälle  für  die  begleiter  Cormacs  bildete.  Cormac 
selbst  geriet  allein  dann  auf  eine  grofse  ebene,  auf  der  sich  eine 
grofse  bürg  befand,  ein  wall  von  bronze  führte  um  sie  herum, 
ein  silberweifses  haus  befand  sich  innerhalb  der  burgumwallung 
und  6  halbe  unzen  von  federn  weifser  vögel  zum  decken  des 
hauses.  ein  windstofs  trug  alles,  was  gedeckt  war,  hinweg. 
Cormac  sieht  einen  mann  in  ihm  (dem  haus)  ein  feuer  anzünden; 
eine  unten  dicke  eiche  wurde  ganz  darauf  gelegt,  und  als  der 
mann  mit  einer  zweiten  eiche  zurückkehrte,  horte  das  brennen 
der  ersten  eiche  auf.  Cormac  sieht  ferner  eine  andere  grofse, 
königliche  bürg  und  ein  wall  von  bronze  führt  um  sie  herum, 
vier  häuser  befinden  sich  innerhalb  der  bürg.  Cormac  tritt  ein 
und  sieht  ein  grofses  königshaus,  dessen  balken  von  bronze,  das 
fachwerk  (cael)  von  silber  und  das  dach  von  flügeln  weifser  vögel. 
Cormac  sieht  ferner  in  der  bürg  eine  glänzende  quelle,  aus  welcher 
5  ströme  führen  und  deren  wasser  herliche  scharen  trinken,    neun 


266  KELTISCHE  BEITRÄGE  11 

(?7iai')  liaselsträuche  stehen  über  der  quelle;  es  werfen  die  pur- 
purnen haselslräuche  ihre  nüsse  in  die  quelle,  die  5  lachse, 
die  in  der  quelle  sind,  zerdrücken  sie  (die  nüsse),  dass  ihre 
schalen  auf  den  strömen  schwimmen,  das  getöse  des  wassers 
der  ströme  ist  lieblicher  als  jede  musik. 

4.  darauf  gieng  Cormac  in  das  königshaus.  ein  ehepar  traf 
er  darinnen:  die  gestalt  des  ritters  war  in  hohem  grade  be- 
merkenswert wegen  der  Schönheit  seines  Wuchses,  der  lieblichkeit 
der  gestalt  und  des  aufsergevvöhnlichen  des  gebahrens;  ein  weih 
befand  sich  bei  ihm,  von  blondem  haar  mit  einem  golddiadem, 
hervorragend  an  Schönheit  vor  den  frauen  der  weit,  ihr  baden 
(waschen)  geschieht  ohne  bemerken,  ein  baden  auf  dem  getäfel 
(? forsinclämd)  ohne  beihilfe  eines  menschen,  nur  dass  die  steine 
hinein  und  heraus  (gehen),  darauf  nimmt  Cormac  ein  bad.  als 
sie  nun  dort  waren  bis  zur  nachmittagsstunde,  sahen  sie  einen 
mann  ins  haus  eintreten,  der  einen  bogen  von  brennholz  in  der 
rechten  band  trug,  eine  keule  in  der  linken  und  eiu  schvvein 
hinter  sich  führte,  es  ist  zeit,  die  zurichtuug  der  mahlzeit  hier 
innen  zu  besorgen,  sagte  der  ritter,  denn  ein  vornehmer  gast 
ist  da.  der  mann  traf  das  schwein,  dass  es  tot  war,  und  spaltete 
seine  keule,  und  das  schwein  wird  in  den  kessel  geworfen,  als 
der  ritter  aufmerksam  machte,  dass  es  zeit  wäre,  dasselbe  um- 
zuwenden, wurde  ihm  erwidert,  dass  das  schwein  in  alle  ewig- 
keit  nicht  gar  würde,  wenn  nicht  zu  jedem  seiner  viertel  etwas 
wahres  erzählt  werde,  auf  die  auffordern ug  des  ritters  beginnt 
der  mann:  eines  tages,  als  ich  die  gegend  durchstreifte,  fand  ich 
die  kühe  eines  anderen  mannes  auf  meinem  eigentum  und  ich 
nahm  an  mich  ihr  gobhag(?)  und  der  eigentümer  der  kühe  kam 
hinter  mir  her  und  sagte,  er  würde  mir  lohn  geben,  wenn  ich 
die  kühe  frei  liefse.  ich  gab  ihm  seine  kühe  und  er  gab  mir 
ein  schvvein,  einen  bogen  und  eine  keule:  das  schwein,  um  es 
jeden  abend  mit  dem  bogen  zu  töten,  und  die  keule,  um  sie  zu 
zerspalten ,  und  das  brennholz  reicht  zum  kochen  des  Schweines 
hier  hin.  das  schwein  nun  ist  am  anderen  morgen  (iarmaidin) 
wider  lebendig  und  die  keule  ist  ganz  und  so  steht  es  von  da 
an  bis  heute,  die  geschichte  ist  wahr,  sagte  der  ritter.  das 
schwein  wurde  herumgedreht,  und  man  fand  nur  ein  viertel  an 
ihm  gekocht,  es  muss  eine  andere  wahre  geschichte  bei  uns 
erzählt  werden,  sagen  sie.    ich  werde  erzählen,  sagte  der  ritter: 


KELTISCFIE  BEITRÄGE  II  267 

es  kam  die  zeit  der  ackerbestellung  bei  uns.  als  wir  das  feld 
draufsen  bestellen  wollten,  da  fand  sich,  dass  es  schon  besäet 
war,  es  war  mit  getreide  (waizen)  bestellt;  als  man  wollte  daran 
gehen,  es  zu  schneiden,  da  fand  man  die  cruaüh  auf  dem  felde; 
als  man  es  einbringen  wollte  auf  jene  seile  draufsen ,  da  fand 
man  die  einzelnen  cruaith  bedeckt  innerhalb  der  bürg  (isinles). 
man  zehrt  davon  von  jener  zeit  bis  heute,  ohne  dass  es  mehr 
oder  weniger  wird,  das  schwein  wurde  umgedreht  und  man 
fand  ein  zweites  viertel  an  ihm  gar.  an  mir  ist  jetzt  die  reihe, 
sagte  das  weib:  ich  habe  7  kühe  und  7  schafe,  sagte  sie.  die 
milch  der  7  kühe  reicht  hin  für  die  bewohn  er  des  landes 
der  verheifsung,  und  an  der  wolle  von  den  7  schafen  haben  sie 
überfluss  zur  kleidung.  in  folge  dieser  erzählung  war  das  dritte 
viertel  des  Schweines  gar.  an  dir  ist  jetzt  die  reihe,  sagten  sie 
zu  Cormac.  der  erzählte  nun,  wie  ihm  sein  weib  und  sein  söhn 
und  seine  tochter  genommen  worden  und  wie  er  selbst  sie  suchen 
gieug,  bis  er  das  haus  dort  traf,  da  war  das  ganze  schwein  gar 
und  wurde  darauf  bei  ihnen  zerteilt  und  dem  Cormac  sein  teil 
vorgesetzt,  ich  esse  nie  eine  mahlzeit,  sagte  Cormac,  ohne  50  zu 
meiner  portion  (dh.  ohne  dass  50  mann  zugegen  sind?),  der 
ritter  sang  ihm  in  bass  zu,  bis  er  einschlief;  er  erwachte  darauf, 
erblickte  die  50  ritter  und  seinen  söhn  und  sein  weib  und  seine 
tochter  in  seiner  nähe,  da  wurde  sein  sinn  erfreut  (gekräftigt), 
es  wurde  speise  und  trank  ihnen  ausgeteilt,  bis  sie  fröhlich  und  sehr 
erfreut  wurden,  ein  goldener  becher  wurde  dem  ritter  überreicht. 
Cormac  bewunderte  den  becher  wegen  des  figurenreichtums  daran 
und  wegen  der  wunderbaren  arbeit,  es  gibt  etwas,  was  wunder- 
barer an  ihm  ist,  sagte  der  ritter:  drei  lügen worte  unter  ihn 
gegeben  und  er  bricht  in  3  teile,  drei  wahre  geständnisse  dann 
unter  ihn  gegeben  und  sie  (die  3  teile)  wachsen  wider  zusammen, 
dass  er  die  frühere  form  erhält,  der  ritter  spricht  3  lügenworte 
unter  ihn  und  er  bricht  in  3  stücke,  es  ist  besser,  Wahrheit  an 
ihn  zu  geben,  sagte  der  ritter,  denn  sie  macht  den  becher  ganz, 
ich  bekenne  dir,  o  Cormac,  fuhr  der  ritter  fort,  dein  weib  oder 
deine  tochter  haben  das  augesicht  eines  maunsbildes  nicht  ge- 
sehen, seit  sie  aus  Tara  von  dir  weggebracht  wurden  bis  zum 
heutigen  tage,  und  dein  söhn  sah  das  angesicht  eines  weibsbildes 
nicht,  darauf  war  der  becher  wider  ganz,  nimm  nun  deine 
famihe,   sagte  der   ritter,    und    nimm   den   becher  an   dich    zur 


268  KELTISCHE  BEITRAGE  II 

Unterscheidung  von  Wahrheit  und  lüge  und  auch  den  zweig  sollst 
du  haben  zur  musik  und  erheiterung.  alles  dies  wird  von  dir  ge- 
nommen werden  an  dem  tage,  an  welchem  du  den  tod  finden 
wirst,  ich  bin  Manandan  mac  Lir,  sagte  er,  der  künig 
des  landes  der  verheifsung  und  darum  brachte  ich  (dich? 
sie?)  hierher,  dass  du  das  land  der  verheifsung  sehen  solltest. 
Nun  erklärt  Manandan  dem  Cormac  noch  kurz  die  dinge, 
die  er  vor  dem  eintritt  in  den  königspalast  gesehen  —  die 
5  flüsse  aus  der  quelle  sind  die  5  sinne,  die  quelle  ist  die  quelle 
der  Weisheit  (?topur  infis  'der  vision'?),  aus  der  die  weisen 
trinken  — ;  'als  aber  Cormac  am  anderen  morgen  erwachte,  da 
befand  er  sich  auf  der  wiese  von  Tara  zu  vieren,  der  becher 
und  der  zweig  bei  ihnen.' 

So  alt  wie  die  beiden  ersten  erzählungen  ist  die  erzählung 
von  dem  abenteuer  des  Cormac  nicht,  so  weit  die  spräche  ein 
urteil  gestattet,  älter  als  das  14  jh.  scheint  der  text  mir  auf 
jeden  fall  zu  sein,  ich  füge  noch  an  zwei  berichte  über  das 
'land  der  frauen'  und  das  'land  der  verheifsung'  aus  der  grofsen 
rahmenerzählung  des  Ossiansagenkreises,  die  den  titel  Accallam 
na  senorach  'Unterhaltung  der  alten'  führt,  über  die  handschrift- 
liche Überlieferung  dieses  umfangreichen  textes  habe  ich  Gott, 
gel.  anz.  1887  s.  158  und  191  ff  gehandelt,  dem  beginnenden 
15  jh.  gehören  mehrere  hss.  an  und  die  spräche  dieser  erzählungen 
ist  das  mittelirische  des  14  und  15  jhs.  die  unter  iv*  gegebene 
erzählung  findet  sich  Laud  610  fol.  138^  1  ff  =  Rawl.  B.  487 
fol,  48%  1  ende  ff;  die  erzählung  unter  iv''  steht  Laud  610  fol. 
130%  1  ff  =  Rawl.  B.  487  fol.  37^  ff  =  F.  C.  12  s.  19''  z.  32  ff. 

IV*.  auf  die  frage  von  Eogan  Leithderg.  warum  der  rücken 
den  namen  'rücken  des  toten  weibes'  (Druim  namnU  mairbe)  trage, 
erzählt  der  alte  recke  Cailte  mac  Ronnain  folgendes,  eines  tages 
war  Finn  mit  den  3  scharen  der  Fenier  auf  der  jagd  auf  der 
anhöhe  angekommen,  bald  sahen  sie  jemand  auf  sie  zukommen, 
ein  weib  in  überirdischer  Schönheit  und  gröfse,  das  sich  auf 
einem  hügel  in  ihrer  nähe  niedersetzte,  zur  rechten  von  Finn 
safs  Goll  mac  Morna;  an  ihn  wandte  sich  Finn  mit  der  frage, 
ob  er  schon  ein  gröfseres  weib  gesehen.  Goll  verneinte  dies, 
die  neugierde,  was  es  mit  dem  weihe  für  eine  bewandtnis  habe, 
bestimmt  den  Finn,  mit  seinen  besleitern  die  sitze  zu  verlassen 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  269 

und  zu  dem  hügel  zu  gehen ,  wo  das  weib  safs.  dasselbe  hatte 
sich  erhoben.  Finn  fordert  sie  auf,  sitzen  zu  bleiben  und  ihnen 
platz  am  hügel  zu  gestatten,  damit  sie  gegenseitig  mitteilungen 
austauschen  könnten,  sie  lehnte  sich  an  den  hügel  und  Finn 
fragte:  was  ist  es  für  ein  land,  aus  dem  du  gekommen  bist,  o 
Jungfrau,  und  wer  bist  du  selbst?  ich  komme  aus  dem  lande 
der  Jungfrauen  (tlr  naningen)  aus  dem  westen  des 
meeres,  wo  die  sonne  untergeht,  und  ich  bin  die  tochter 
des  königs  dieses  landes.  welches  ist  dein  name?  sagte  Finn. 
Bebend  (weifse  frau),  tochter  des  beiden,  tochter  des  königs  des 
landes  der  Jungfrauen  (Behind  ingen  Treoin  ingen  rlg  tlre  nan- 
ingen missi).  warum  heifst  nun  das  land  'Jungfrauenland'?  fragte 
Finn.  es  gibt  keine  männer  darin,  sagte  das  mädchen,  als 
meinen  vater  mit  seinen  3  söhnen ;  aufserdem  9  tochter  und 
140  mädchen,  die  von  ihnen  geboren,  deshalb  wird  dies  land 
'Jungfrauenland'  genannt,  welches  land  liegt  euch  am  nächsten? 
fragte  Finn.  das  männerland  (tlr  nafer),  sagte  das  mädchen. 
wer  ist  könig  in  ihm?  fragte  Finn.  Cetach  Crobderg,  28  söhne 
hat  er  und  eine  tochter,  und  ich  wurde  einem  seiner  söhne,  dem 
Aed  alaind,  gegeben,  und  schon  3 mal  bin  ich  ihm  (zum  weibe) 
gegeben  und  3  mal  bin  ich  ihm  davon  gelaufen  und  dies  ist  das 
dritte  mal.  wie  hast  du  denn  künde  von  diesem  land  (dh.  Irland) 
erhalten  ?  fragte  Finn.  3  fiscberleute  (triur  iascairidh)  trug  der 
wind  von  diesem  lande  weg  zu  uns  und  sie  gaben  uns  nachricht 
von  diesem  lande  und  sagten,  dass  hier  in  diesem  lande  ein 
trefflicher  held  lebe  (öclach  maith  dobeith  isintJr) ,  nämlich  Finn 
mac  Cumaill,  und  wenn  du  der  held  bist,  zu  dir  bin  ich  ge- 
kommen, mich  unter  deinen  schütz  zu  begeben,  und  sie  zog 
den  handschuh  aus  (dobenastar  allämaind  di)  und  legte  ihre  band 
in  die  band  Finns.  Finn  wies  sie  bescheiden  ab  und  verwies 
sie  auf  den  neben  ihm  befindlichen  GoU  mac  Morna,  in  dessen 
schütz  sie  sich  begab. 

Nunmehr  fordert  Finn  mac  Cumaill  den  Finn  mac  Cuain, 
dessen  wohnsitz  in  der  nähe  war,  auf,  voraus  zu  eilen  und  die 
bewirtung  vorzubereiten,  die  Jungfrau  nahm  nun  ihren  heim  von 
dem  haupt  und  ihr  weifses,  langes,  wunderschönes  haar  wallte 
um  ihren  köpf  und  alle  wunderten  sich  über  die  gröfse  des 
haares ,  sodass  sich  Finn  zu  dem  ausruf  hinreifsen  liefs :  o  grofse, 
verehruugswürdige  götter,  das  wird  ein  grofses  verwundern  sein 


270  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

bei  Cormac,  dem  könig  Irlands,  bei  Eithne  und  bei  den  frauen 
der  Fenier,  wenn  sie  Bebind  ingen  Treoin  sehen,  darauf  bittet 
das  mädchen  um  einen  trunk  und  Finn  fordert  den  Saltransalfada 
auf,  den  becher,  der  für  3 mal  9  Fenier  reichte,  an  der  fürt 
zu  füllen,  der  brachte  ihn  voll  und  gab  ihn  dem  mädchen  in 
die  band,  dieses  goss  das  wasser  in  die  rechte  hohle  band  und 
trank  3  mundvoll  (tri  holguma)  daraus  und  spritzte  das  übrige 
über  die  Fenierschar.  als  Finn  sie  fragte,  warum  sie  nicht  aus 
dem  becher  getrunken,  erwiderte  sie,  dass  sie  bis  dahin  noch 
nichts  aus  einem  becher  getrunken,  der  nicht  mit  gold  oder 
Silber  verziert  war. 

Während  Cailte  noch  ausschaute,  sah  er  einen  grofsen  ritter 
von  ferne  kommen,  der  noch  gröfser  war  als  das  mädchen:  er 
war  ohne  kinn- und  Schnurrbart,  in  einen  grünen,  einfarbigen 
mantel  gehüllt;  eine  spange  von  gold  war  im  manlel,  ein  unter- 
gewand  von  königlicher  seide  trug  er  auf  der  haut,  als  waffen 
führte  er  schild,  schvvert  und  vergiftete  lanze  mit  sich,  schrecken 
und  furcht  ergriff  alle  mit  ausnähme  von  Finn.  letzterer  fragte, 
ob  jemand  den  nahenden  kenne,  er  ist  mir  bekannt,  sagte  das 
mädchen,  es  ist  der  mann,  um  den  ich  auf  der  flucht  bin;  zu- 
gleich erhob  sie  sich  und  setzte  sich  zwischen  Finn  und  Goll 
niac  Morna.  da  kam  der  ritter  an,  und  sobald  er  in  gleicher 
höhe  mit  Finn  und  Goll  war,  erhob  er  die  band  und  senkte 
seinen  speer  in  das  mädchen,  dass  so  lang  wie  die  band  eines 
beiden  von  dem  schaft  des  Speeres  auf  der  hinteren  seite  des 
mädchens  hervorstand,  dann  zog  der  ritter  den  speer  heraus 
und  gieng  über  das  beer  weg. 

Finn  ruft  seine  Fenier  zur  räche  auf,  und  während  er  und 
Goll  bei  dem  verwundeten,  aber  noch  lebenden  mädchen  zurück- 
bleiben, eilen  die  3  scharen  der  Fenier  dem  fremdliug  nach  über 
verschiedene  sageuberühmte  orte.  4  beiden  vor  allen  waren  ihm 
auf  den  fersen:  Diarmaid  O'Duibne,  Glas  mac  Aencherda  Berra, 
Oscur  mac  Oissin  und  Cailte  selbst,  so  gelangte  er  an  den 
hafen  von  Rind  Cäna  ('tributspitze',  name  eines  Vorgebirges);  Cailte, 
hinter  ihm  her  in  raschem  lauf,  warf  mit  dem  speer  nach  ihm, 
dass  derselbe  durch  den  schild  in  die  linke  schulter  drang,  der 
Schild  neigte  sich  auf  die  woge  nieder  und  Cailte  fieng  ihn  mit 
der  linken  band  auf.  der  unbekannte  langte  mit  der  rechten 
nach  dem   speer   (Cailtes),   um   ihn  (aus   der  wunde)   herauszu- 


KELTISCHE  BEITRÄGE    H  271 

ziehen.  Caille  tut  einen  raseben  griff  nach  der  anderen  hand  (des 
unbekannten)  und  schlug  ihm  den  speer  aus  der  hand.  als  nun 
Cailte  sich  eben  anschickte,  nachdem  ritter  mit  dessen  eigenem 
speer  zu  werfen ,  da  kam  ein  wogenberg  (remor  natonn)  und 
meerestiefe  zwischen  beide  —  sie  waren  vom  lande  abgekommen  — , 
und  als  noch  Cailte  und  die  ihm  zunächst  befindlichen  Fenier 
hinschauten,  erblickten  sie  ein  grofses  schiff  von  westen  in  gerader 
richtung  auf  sie  zukommen  und  2  mann  darin  beim  rudern,  und 
der  unbekannte  gieng  in  das  schiff  und  Cailte  und  seine  begleiler 
konnten  nicht  erkennen,  nach  welcher  seite  die  drei  sich  ent- 
fernten, darauf  kehrten  die  Fenier  wider  von  westen  nach  dem 
hügel,  wo  sie  den  Finn  zurückgelassen;  sie  erzählten  ihm  den 
Vorgang  und  zeigten  den  erbeuteten  schild  und  speer  vor.  die 
Jungfrau  befiehlt  darauf,  ihr  grab  aufzuwerfen,  und  als  die  seele 
vom  körper  schied,  wurde  sie  unter  die  erde  gelegt,  und  davon 
rührt  der  name  Druim  namna  mairbe  für  den  hügelrücken  her. 
iv*^.  Coro  mac  Dairine  richtete  an  Cailte  die  frage,  woher 
die  namen  Tonn  Chlidna  und  Tonn  Treite  ('woge  der  Cl.,  woge  der 
Treite')  kämen;  Cailte  erklärte,  sich  dessen  sehr  gut  zu  erinnern, 
und  erzählte  folgendes,  unter  den  Feniern  befand  sich  ein  bei  Finn 
in  besonderer  gunst  stehender  krieger  (dclach  gräda),  nämlich 
Ciaban,  der  söhn  von  Eochaid  Imderg,  könig  in  nord-Ulster.  wie 
der  Vollmond  (esca  inachniced  dec)  vor  allen  geslirnen  des  himmels 
hervorragt,  so  übertraf  dieser  ritter  an  wuchs  und  schöner  ge- 
stalt  die  söhne  der  könige  und  edlen  der  weit,  die  Fenier  waren 
ihm  nicht  hold,  denn  alle  frauen,  mochten  sie  verheiratet  oder 
ledig  sein,  verliebten  sich  in  Ciaban.  Finn  sah  sich  genötigt, 
sich  von  ihm  zurückzuziehen,  aus  furcht,  dass  ihn  die  Fenier 
aus  eifersucht  töten  würden ,  gieng  Ciaban  nach  Träig  inChairn 
('Strand  des  Steinhaufens'),  der  jetzt  (dh.  zu  der  zeit,  in  der 
Cailte  erzählte)  Trätg  naTrenfer  (Strand  der  beiden)  genannt 
wird,  in  Ulster  zwischen  Dün  Sobairche  und  dem  meer.  er  er- 
blickte einen  kahn,  am  köpf  hoch,  einen  schwertgeraden,  von 
bronze  dort,  und  zwei  junge  burschen  waren  in  dem  kahn;  sie 
trugen  pudermäntel  (tuignech  putairle)  bis  zu  den  Schulterblättern. 
Ciaban  begrüfste  sie  und  sie  erwiderten  ihm.  wer  seid  ihr, 
o  Jünglinge?  sagte  Ciaban.  Lodan,  der  söhn  des  königs  von  Indien 
(mac  rJg  naüindia)  bin  ich,  sagte  der  eine,  und  Eolus,  der  söhn 
des   königs  von  Griechenland  (naGrege)   ist   der  dort:   die  woge 


272  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

trug  uns  und  der  stürm  drängte  es,  und  wir  wissen  nicht,  was 
für  ein  land  oder  voik  es  ist,  wo  wir  sind,  würdet  ihr  den- 
jenigen, der  lust  hat,  mit  euch  das  meer  zu  befahren,  zu  euch 
nehmen?  fragte  Ciaban.  wenn  es  auf  dich  allein  aniiommt, 
werden  wir  es  tun,  erwidern  sie.  heda,  Ciaban,  sagten  seine 
genossen,  willst  du  Irland  verlassen?  so  ist  es,  erwiderte  er, 
denn  ich  finde  weder  schütz  noch  Sicherheit  in  ihm.  darauf 
schied  Ciaban  von  seinem  gefolge,  das  traurig  war,  als  ob  es 
ein  abschied  der  seele  vom  leibe  wäre,  und  stieg  in  den  kahn. 
es  erhoben  sich  die  weifsen,  laut  lachenden  wogen  gegen  sie, 
dass  gleich  einem  berg  jede  grofse  wogenmauer  war,  und  dass 
die  schönen,  flossenbunten  lachse,  die  sonst  auf  der  tiefe  und 
dem  grund  des  meeres,  an  den  seitenbrettern  des  kahnes  sich 
zeigten,  schrecken  und  grofse  furcht  erfasste  die  insassen  des 
kahns.  Ciaban  bedauerte,  dass  man  sich  nicht  wie  am  lande 
verteidigen  und  kämpfen  könnte,  als  sie  sich  nun  so  in  dieser 
grofsen  bedrängnis  befanden,  da  sahen  sie  einen  ritter  auf  sie 
zukommen:  ein  dunkelgrünes  ross  mit  goldenem  zügel  war  unter 
ihm;  neun  wogen  war  er  unterm  meer,  die  neunte  woge  hob 
ihn  und  nicht  war  bauch  oder  brüst  ihm  nass.  der  ritter  fragte 
sie,  welchen  lohn  sie  demjenigen  geben  würden,  der  sie  aus  der 
gefahr  errettete,  wir  wissen  nicht,  sagten  sie,  ob  der  lohn, 
welcher  von  uns  verlangt  wird,  in  unserer  band  steht,  er  ist 
es,  sagte  der  ritter,  ihr  müsst  ins  gefolge  (muinterus)  dessen 
treten,  der  euch  helfen  wird,  sie  giengen  darauf  ein  und  legten 
ihre  bände  in  die  band  des  ritters  und  er  nahm  sie  alle  drei  zu 
sich  auf  das  ross,  und  der  kahn  schwamm  auf  der  seite  (artceh- 
snäm)  neben  dem  ross,  bis  sie  zum  hafen  und  landungsplatze  im 
lande  der  verheifsung  kamen,  sie  sprangen  dort  ab  und 
giengen  bis  LochLuachra,  zur  Stadt  Manandans.  ein  trinkhaus  war 
eben  errichtet  worden,  und  die  4  ritter  wurden  darauf  bedient 
und  bewirtet:  die  spunde  wurden  aus  den  fässern  von  eiben- 
holz  geschlagen^  becher  und  trinkhörner  aufgestellt  und  schöne 
burschen  mit  blauen  augenbrauen  liefen  mit  den  blumenge- 
schmückten trinkbechern ;  timpana  mit  wolklingenden  saiten  und 
•  robenad  aceindbecca  dandabchaib  donniubhair  leo  Laud  610;  ro- 
benad  acendbeeca  dodabchaib  disli  dundibair  leo  F.  C.  12;  robenad  aceinn- 
beca  dodabch.  dergib.  leo  Rawl.  an  spunde  in  unserem  sinne  kann  bei 
cennbecca  wol  nicht  gedacht  werden;  es  ist  wol  das  engere  köpfende  des 
fasses  gemeint,  das  man  abschlug,  um  aus  ihm  schöpfen  zu  können. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  273 

harfen  mit  9  saiten  wurden  gespielt,  bis  laute  fröhlichkeit  das 
haus  erfüllte. 

Da  erhoben  sich  die  Jongleure  im  haus  des  Manandau  und 
führten  folgendes  kunststück  auf:  neun  zweige  spiefsreiser  (bun- 
sacha  birgaissi)  halte  einer  in  einer  band  und  schleuderte  sie 
einhandig  und  einfüfsig  bis  zu  den  zinken  des  palastes  und  fieng 
sie  auf  gleiche  weise  auf.  um  die  vornehmen  gaste  aus  fernen 
landen  zu  beschämen,  wurde  das  kunststück  aufgeführt.  Ciaban, 
der  zuerst  aufgefordert  wurde,  es  nachzutun,  vollbrachte  es  vor 
den  äugen  Manandans  und  der  edlen  aus  dem  lande  der  ver- 
heifsung  mit  leichtigkeit;  auch  dem  Eolus  und  dem  Lodan  ge- 
lang ein  gleiches. 

Da  war  auch  Libra,  der  hauptarzt  bei  Manandan  im  lande 
der  verheifsung  und  er  hatte  3  töchter:  Clidna,  Äifi  und  Etain 
mit  dem  weifsen  haar ;  sie  waren  3  kleinode  der  keuschheit.  sie 
verhebten  sich  gleichzeitig  in  die  3  männer  und  beschlossen  am 
nächsten  günstigen  tage  mit  ihnen  durchzugehen,  sie  giengen 
gemeinschaftlich  mit  den  3  jungen  männern  zum  hafenplatz: 
Lodan,  der  söhn  des  königs  von  Indien  und  Eolus,  der  söhn  des 
königs  von  Griechenland  kamen  in  einen  kahn  (mit  zwei  von 
den  mädchen),  und  Ciaban,  der  söhn  von  Eochaid  Imderg  kam 
mit  Clidna,  der  tochter  des  Libra  in  einen  anderen  kahn.  sie 
hissten  das  seidene  banner  oben  am  mastbaum  und  fuhren  von 
dort  bis  nach  Träig  Threite  im  Süden  Irlands,  welcher  Strand 
davon  seinen  namen  hat,  dass  Treite,  die  tochter  Regamains  mit 
ihren  150  Jungfrauen  dort  ertränkt  wurde,  als  sie  mit  den  wogen 
spielten,  hier  landete  Ciaban  mit  Clidna  und  gieng  in  die  be- 
nachbarte gegend  auf  jagd.  eine  woge  kam  über  den  Strand  zu 
Clidna  und  sie  wurde  dort  ertränkt,  woher  die  bezeichnung  Tonn 
Chlidna.  hausgenossen  des  Manandan,  die  sich  in  die  Jungfrau 
verliebt  hatten,  setzten  den  flüchtlingen  nach  und  wurden  eben- 
daselbst ertränkt:    Ulathach  und  seine  beiden  söhne. 

Die  sagen  von  glücklichen  gefilden  weit  westlich  im  atlanti- 
schen ocean  sind  noch  heutigen  tages  bei  der  irischen  be- 
völkeruug  an  der  ganzen  Westküste  verbreitet  und  beliebt,  zwei 
beiden  der  sage  sind  es,  denen  vor  allem  fahrten  in  jenes  land 
der  frauen ,  ins  land  der  verheifsung  zugeschrieben  werden : 
Finn  mac  Cumhail  und  sein  sagenberühmter  söhn  Ossian.  ein 
Z.  F.  D.  A.    XXXIII.    N.  F.    XXI.  18 


274  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

eingehen  hieraufliegt  aufserhalb  des  rahmens  dieser  Untersuchung, 
ich  will  hier  nur  darauf  hinweisen ,  dass  2  erzählungen  der  art 
nach  hss.  des  18  jhs.  abgedruckt  sind  bei  Joyce,  Celtic  romances 
s.  223  — 273  und  s.  385  — 399. 

Ich  wende  mich  wider  zu  texten,  die  um  1000  jähre  älter 
sind  und  die  Schilderungen  enthalten,  welche  man  cum  grano 
salis  ebenfalls  herbeiziehen  darf,  um  ein  bild  von  den  Vorstellungen 
zu  gewinnen,  die  die  christianisierten  Iren  des  7  und  8 jhs.  von 
jenen  gefilden  der  seligen  gegen  Sonnenuntergang  fern  im  ocean 
hegten,  es  sind  dies  Schilderungen  von  dem  leben  und  treiben 
der  slde.  wollte  ich  hier  mit  beweisen  ausführen,  warum  diese 
Schilderungen  dürfen  herbeigezogen  werden,  dann  müste  ich 
eingehender  über  die  rehgion  der  heidnischen  Iren  und  ihre  Um- 
gestaltungen unter  der  herschaft  des  Christentums  vom  5 — 8jh. 
handeln,  ich  kann  hier  nur  kurz  ergebnisse  von  Untersuchungen 
zusammenfassen  und  muss  es  meinen  lesern  überlassen,  wie  weit 
sie  in  diesem  puncte  meinen  andeutungen  folgen  wollen. 

Die  heidnischen  Iren  glaubten  —  wie  dies  auch  D'Arbois 
in  seinem  meist  auf  second  band  material  aufgebauten  buch  Le 
cycle  mythologique  Irlandais  annimmt  und  andere  vor  ihm  be- 
hauptet haben  —  neben  den  gestalten  der  den  menschen  freund- 
lich gesinnt  gedachten  götter  auch  an  feindliche,  übernatürliche 
wesen,  in  denen  die  feindlichen  kräfte  der  natur  personiiiciert 
waren,  ebenso  glaubten  sie,  dass  neben  den  gefilden  der  seeligen 
auf  inseln  im  fernen  ocean  auch  örter  der  zukünftigen  strafe  auf 
eben  solchen  inseln  für  diejenigen  vorhanden  seien ,  die  auf  dieser 
weit  den  ethischen  anschauungen  des  Volkes  zuwider  handelten. 

Ein  durchgehender  characterzug  des  irischen  Volkes  ist  die 
liebe  zu  seiner  Vergangenheit  und  das  streben,  bei  grofsen,  neuen 
ereignissen  eher  diese,  äufserlich  mit  seiner  Vergangenheit  in 
einklang  zu  bringen  als  kühn  mit  derselben  zu  brechen,  sich 
auf  den  boden  der  neuen  tatsachen  zu  stellen  und  dieselben  zu 
seinem  vorteil  zu  verwerten,  noch  heutigen  tages  ist  der  rechte 
Ire  in  erster  Hnie  irischer  patriot  und  dann  guter  katholik;  mit 
welcher  geschicklichkeit  er  seine  gut  katholische  gesinnung  zu 
drehen  weifs,  dass  sie  mit  seinen  patriotischen  anschauungen 
und  den  daraus  für  ihn  erwachsenden  pflichten  nicht  collidiert, 
kann  man  ja  gegenwärtig  zur  genüge  beobachten,  dieser  zug 
des  irischen  characters  spielte  bei  der  einführung  des  Christen- 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  275 

tums  eine  hochbedeiitsanie  rolle,  nicht  gewaltsam,  wie  bei  vielen 
germanischen  stammen,  oder  plötzlich  fand  dasselbe  im  allgemeinen 
in  Irland  aufnähme,  sondern  es  lebte  sich  allmählich  ein.  ich 
habe  schon  früher  (Zs.  32,  234)  die  stelle  aus  dem  Senchas  Mor 
herbeigezogen,  wo  es  heifst:  'eine  sache  nun,  die  nicht  in  directem 
Widerspruch  stand  mit  dem  worte  gottes  im  geschriebenen  gesetz 
(des  alten  testaments)  und  dem  des  neuen  testaments  und  mit 
den  bekenntnissen  der  Christen,  wurde  in  dem  gesetz  bewahrt 
durch  Patrick  und  die  filrsten  Irlands.'  wir  können  sagen:  alles, 
was  sich  eine  umdeutung  oder  angleichung  an  christliche  an- 
schauungen  gefallen  liefs,  duldete  die  kirchfr^  in  nicht  geringem 
grade  trug  dazu  mit  bei,  dass  die  geistigen  führer  der  irischen 
nation  in  heidnischer  zeit  die  führende  rolle  im  Christentum  über- 
nahmen: bezeichnend  ist  dafür  die  alte  nachricht  (8  jh.),  dass 
Patricks  genösse  Dubthach  oher-file  von  Irland  war  und  der  erste 
Leinsterbischof  Fiac  Sleibte  sein  bester  schüler.i  so  fand  das 
Christentum  in  Irland  eingang.2 

Wie  fand  es  sich  mit  dem  alten  glauben  ab?  die  feindlichen 
göttergestalten  wurden  in  der  phantasie  des  Volkes  zu  riesen 
und  dämonen ,  mit  denen  man  3  Jahrhunderte  später  die  drangsa- 
lierenden Nordgermanen  identificierte ,  die  an  denselben  wilden 
küsten  erschienen,  wo  mau  den  sitz  der  Fomores  dachte,  die 
alten  götter  der  Iren  wurden  zu  dei  terreni,  wie  es  im  Book  of 
Armagh  heifst:  gütige  gestalten,  die  ihren  wohnsitz  hatten  in 
den  grofsen  und  ausgedehnten  hügelgräbern,  die  allenthalben  in 
Irland  anzutreffen  sind,  diese  hügelgräber,  im  inneren  palästen 
mit  vielen  gemächern  gleichend,  stammen  aus  heidnischer  zeit 
und  stehen  im  gegensatz  zum  christlichen  kirchhof  um  die  kirche, 
der  relic  heifst.  als  wohnort  für  die  zu  gütigen  gestalten,  feen 
gewordenen  alten  götter  heifsen  diese  hügelgräber  sld  und  die 
bewohner  derselben  aes  slda  (sidleute)  oder  sJde.^     die  identität 

*  dieser  umstand  macht  es  auch  nur  verständlich,  dass  die  mit  dem 
Christentum  nach  Irland  gelangte  classische  cultur  dort  so  rasch  zu  hoher 
blute  gelangte:   die  träger  dieser  cullur  waren  schon  längst  vorhanden. 

2  der  gegensatz  zwischen  dieser  art  der  Christianisierung  und  der  vollen 
hingäbe  germanischer  naturen  tritt  recht  deutlich  auf  dem  missionsfeld  der 
Iren  im  8  jh.  zu  tage:  bei  den  Hessen,  Franken  und  Baiern.  wie  eiferte 
der  zelotische  Angelsachse  Bonifatius  über  die  Christen,  die  er  hier  vorfand 
und  die  in  seinen  äugen  schlimmer  waren  als  beiden!  das  war  irisches 
Christentum  auf  germanischem  boden.  ^  diese  anschauung  über 

18* 


276  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

von  sld  'Wohnort'  der  gütigen  gestalten  und  uam  'hügelgrab' 
tritt  in  alten  texten  deutlich  zu  tage:  LL  290%  4  ist  zb.  uaim 
Crnachna,  was  in  anderen  erzählungen  sid  Cruachna. 

Die  Vorstellungen  des  irischen  volkes  von  dem  leben  und 
treiben  dieser  side  waren  zu  verschiedenen  Zeiten  verschiedene, 
während  es  in  neuerer  zeit  fast  nur  weibliche  slde  (bansldhe) 
kennt,  die  in  den  hügelgräbern  wohnen  und  die  rolle  von  feen 
gegenüber  dem  volke  übernommen  haben,  waren  nach  den  an- 
schauungen  des  14  und  15  jhs.  —  wie  sie  in  der  öfters  erwähnten 
grofsen  rahmenerzählung  des  Ossiansagenkreises,  Accallam  na  se- 
uorach ,  vorliegen  —  die  sTde  mit  den  Tuatha  De  Danan  identisch : 
die  einzelnen  sldburgen  stehen  unter  herschern,  und  wie  ober- 
halb der  erde  häuptlinge  und  clane  mit  einander  in  kämpf  lagen, 
sich  überfielen  und  umbrachten ,  so  dachte  man  die  verschiedenen 
sldclane  in  der  erde  ebenfalls  in  kämpf  mit  einander  liegend,  sie 
sind  im  besitz  wunderbarerer  waffen  als  die  fenischen  beiden, 
kennen  heilkräuter  für  wunden  und  haben  ärzte,  denen  auf  der 
erde  nichts  gleichkommt;  ideal  verschönerte  irdische  gelage 
kommen  bei  ihnen  vor.  öfters  bricht  es  durch,  dass  sie  von 
natur  unkriegerisch  sind,  fenische  recken  geraten  durch  zufall 
oder  absichtlich  in  solche  sldburgen,  nehmen  teil  an  den  ge- 
lagen,  stehen  den  bewohnern  des  sid  in  kämpfen  bei  und  ver- 
dienen sich  Waffen  und  heilmittel. 

Eine  Vermischung  der  Vorstellungen  von  diesen  sidbewohnern 
und  von  den  bewohnern  des  landes  der  verheifsung  lässt  sich 
beobachten,  zwar  steht  fest,  dass  die  sTde  'hügelbewohner'  in 
Irland  sind,  und  dass  das  land  der  verheifsung  (tJr  tairngiri) 
im  Westen  des  oceans,  wo  die  sonne  untergeht,  liegt,  und  dass 
nur  einzelne  dorthin  verschlagen  werden,  aber  was  von  dem 
die  herkunft  der  side  empfängt  weitere  stütze  durch  unsere  zweite  quelle 
für  die  altheidnische  religion  der  Iren,  die  gelehrte  geschichtschreibung 
(vgl.  Zs.  32,  242).  wie  die  Fomores  als  die  dritte  der  colonien  gelten, 
die  vor  den  Iren  in  Irland  herschten,  so  kennen  die  gelehrten  des  8 — 10  jhs. 
als  eine  weitere  colonie  die  Tuatha  De  Danan.  nach  ihnen  kamen  die 
Galen,  fast  sämnitliche  namen  der  führer  und  fürsten  der 
Tuatha  De  Danan  der  gelehrten  quelle  sind  identisch  mit 
den  namen  der  feenherscher  in  den  einzelnen  sids  in  den 
ältesten  sagentexten,  nach  dem  sagentext  LL  26^,  32  ziehen  sich 
die  Tuatha  De  Danan  icnoccaib  7  sldbrugib  'in  hügel  und  sidburgen'  zurück 
und  in  den  Ossianerzählungen  von  Accallam  na  senorach  sind  Tuatha  De 
Danan  und  slde  identisch. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  277 

leben  und  treiben  in  diesem  lande  der  verheifsung  mitgeteilt 
wird,  ist  zum  teil  dasselbe,  was  wir  von  den  sldbewohnern  er- 
fahren, in  der  in  diesem  abschnitt  unter  iv''  betrachteten  er- 
zählung  heifsen  die  3  töchter  Libras  3  kleinode  der  keuschheit 
(tritaisceda  genais  7  centama)  der  Tuath  De  Danand  in  Laud  610 
l'ol.  130*,  2;  aber  in  Rawl,  B.  487  und  F.  C.  12  steht  an  derselben 
stelle  Ttre  Tairngere  'des  landes  der  verheifsung'  für  Tuaithe 
De  D.  wie  schon  oben  bemerkt  (s.  276  anm.),  sind  in  diesen 
texten  Tuatha  De  Danan  und  sJde  identisch,  es  werden  also 
nicht  blofs  die  Vorstellungen  von  dem  leben  und  treiben  im  lande 
der  verheifsung  mit  denen  von  den  sldbewohnern  vermischt, 
sondern  die  bewohner  identificiert  in  der  einen  hs. 

Ein  ähnliches  schwanken  lässt  sich  in  sagentexten  beobachten, 
die  ihrer  ersten  aufzeichnung  nach  wol  6  jhh.  älter  sind  als  diese 
erzählungen  des  Ossiansagenkreises,  allüberall  in  Irland  befinden 
sich  in  der  nähe  der  alten  herschersitze  slds,  wie  natürlich,  da 
hier  die  grösten  hügelgräber  sind,  in  den  einzelnen  sTds  wohnen 
die  slde  clanweise  zusammen;  streit  und  eifersucht  herscht  wie 
in  menschlichen  familien  (LU  129*  fl),  ebenso  liegen  einzelne 
clane  der  sides  mit  einander  in  krieg  und  ziehen  berühmte  beiden 
zur  hilfe  herbei  (LL  275^  22  — 276^  23;  LU  43*  ff),  im 
übrigen  ist  ihr  verkehr  mit  den  menschen  meist  harmloser  art: 
hier  ist  eine  sTdbewohnerin  geliebte  eines  beiden  und  beschenkt 
ihn  mit  einem  söhn  —  so  ist  Froechs  mutter  eine  sTde  aus  dem 
sid  von  Cruachan  — ,  oder  ein  sldbewohner  ist  vater  eines  beiden 
—  so  Lugaid  mac  Eithlend  der  vater  Cuchulinns  — .  nur  wenn 
die  menschen  sich  feindselig  zeigen ,  ein  sTd  belagern  und  es 
gar  aufgraben  (LU  132%  45;  vgl.  Zs.  f.  vgl.  sprachf.  28,  591 
anm.),  dann  tragen  sie  räche  nach  auf  generationen  hinaus  (LU 
99%  21  ff). 

Hiermit  stimmt  nun  eine  reihe  von  zügen  nicht,  die  wir 
in  gleich  alten ,  z.  t.  denselben  sagenlexten  über  die  slde  finden. 
Liban  setzt  den  Laeg  in  einem  kahn  von  bronze  (lungine  cre~ 
duma)  zu  der  insel,  wo  Labraid  herscht;  das  land  des  letzteren 
ist  Mag  Meli  'gefilde  der  seeligkeit'  (LU  45%  9.  44%  35) ,  mit 
welchem  namen  in  Echtra  Brain  4  und  6  die  inseln  der  seehgen, 
das  Wunderland  im  fernen  ocean  bezeichnet  wird,  auch  Cuchu- 
linn  setzt  in  einem  kahn  hierhin  über.  Manandan  mac  Lir,  der 
gott  des  oceans,  dessen  beziehungen  zu  den  inseln  der  seeligen 


278  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

in  mehrereu  oben  gegebeneu  texten  zur  spräche  kamen,  ist  der 
frühere  gatte  von  Fand,  in  demselben  text  heifsen  nun  Fand 
und  Liban  ninä  slde  (sldweiber)  LU  47%  2;  der  ganze  bergang 
wird  LU  50^,  9  als  eine  für  Cuchulinn  verderbliche  erscheinuug 
des  aes  slde  bezeichnet,  hiermit  stimmt  auch,  dass  LU  48'',  9 
Fauds  bebausung  als  cnocc  Miügel'  bezeichnet  wird. 

Lehrreich  für  dies  ineinanderfliefsen  der  beiden  reihen  von 
Vorstellungen,  für  die  gefilde  der  seeligen  und  das  treiben  daselbst 
einerseits  und  das  treiben  der  dei  terreni,  der  slde  andererseits, 
ist  die  oben  s.  262  ff  mitgeteilte  alte  erzählung  von  dem  abenteuer 
des  Condla  Ruad.  das  weib  sagt  selbst,  dass  es  aus  einem  sid 
stammt  (s.  262),  weshalb  sie  aes  slde  genannt  wurden;  dann  gibt 
es  eine  Schilderung  von  dem  sidleben,  welche  nach  allem,  was 
wir  über  streit  und  eifersucht  bei  den  side  erfahren,  auf  die 
Slde  nicht  im  entferntesten  passt.  ebenfalls  passt  nicht,  dass, 
als  sie  zum  zweiten  mal  erscheint,  sie  in  einem  gläsernen  kahn 
kommt,  in  welchem  sie  zum  sTd  des  Beodach  übersetzen  will  (s.  264). 
hier  fühlt  nun  der  sagenerzähler ,  wie  ihm  zwei  dinge  durch 
einander  laufen,  denn  er  lässt  das  weib  unvermittelt  fortfahren: 
'es  gibt  aber  noch  ein  anderes  land,  das  sich  nicht  weniger 
lohnt  aufgesucht  zu  werden'  usw.  (oben  s.  264),  und  entwirft 
eine  kurze  Schilderung  von  den  gefilden  der  seeligen  im  westen, 
worauf  auch  einzig  und  allein  die  bei  der  ersten  erscheinung 
gegebene  Schilderung  von  leben  im  sid  des  Beodach  zutrifft. 

Finden  wir  so  einerseits  die  Vorstellungen  von  dem  kämpf 
und  streit  der  sTdclane  in  dem  alten  lexl  Serglige  Conculaind 
auf  die  geülde  der  seeligen  übertragen,  wohin  der  zank  und 
streit  nicht  passt,  andererseits  das  leben  in  ungetrübter  ruhe 
und  heiterkeit  in  einem  anderen  ebenso  alten  text  (Echtra  Condla 
chaim)  den  slde  zugeschrieben,  was  im  gründe  für  sie  nicht 
passt  —  so  werden  wir  kein  bedenken  tragen,  gewisse  Schil- 
derungen ähnlicher  art  in  alten  texten,  die  für  sich  genommen 
nur  bezug  auf  die  slde  haben,  cum  grano  salis  auf  die  geülde 
der  seeligen  zu  beziehen,  damit  kehre  ich  zu  s.  274  zurück, 
eine  solche  schilderungi  findet  sich  LU  131^  29  ff  in  einem  ge- 
dieht, durch  welches  Midir,  der  herscher  von  sid  Breg  Leith  — 
welches!  später  durch  Eochaid  Airem  aufgegraben   und  zerstört 

•  natürlich  beziehen  sich  auch  die  Schilderungen  von  Labraids  reich  in 
Serglige  Conculaind  zum  teil  auf  die  gefilde  der  seeligen. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  279 

wurde  —  die  Etäin ,  die  gattin  von  Irlands  oberkünig  Eochaid 
Airem  zu  verlocken  sucht,    er  sagt: 

'0  vveifses  weib,  willst  du  mit  mir  gehen  in  das  Wunder- 
land, in  welchem  harmonie  des  gesanges  (?rind)  herscht;  blumen 
von  primelu  bilden  das  haar  daselbst,  die  färbe  des  schnees 
tragen  die  kürper  bis  zur  spitze. 

Dort  herscht  weder  müi  (onomatop.?  'geheul,  gebrüU'?)  noch 
schweigen,  weifs  sind  die  zahne  dort,  schwarz  die  augenbrauen. 
glänz  (freude)  fürs  äuge  ist  die  zahl  unserer  scharen,  die  färbe 
des  fingerhuls  (digitalis   purpurea)   fmdet   sich  auf  jeder  wange. 

Purpur  des  angers  ist  jedes  torfmoor  (möin),  glänz  (färbe) 
des  auges  haben  die  eier  der  amsel:  wie  schün  auch  der  an- 
blick  der  ebene  von  Irland  (dich  dünkt),  schwerlich  (wird  er  es 
sein) ,  nachdem  du  kennen  gelernt  hast  das  grofse  gefllde. 

Wie  berauschend  euch  das  hier  Irlands  dünkt ,  berauschender 
ist  das  hier  (coirm)  des  grofsen  landes.  wunderbare  gefilde  ent- 
hält das  land,  von  dem  ich  rede:  nicht  wird  ein  jUngling  dort 
zum  greise. 

Ströme  von  süfsigkeit  fliefsen  durchs  land,  sie  enthalten  das 
beste  von  met  und  wein,  menschen  mit  spangen  geschmückt 
(Vdelgnaidi)  ohne  tadel  (schände)  sind  dort,  dasselbe  (dh.  ge- 
meinschaflHches)  behaben  (combart)  ohne  Sünde  und  blutschande. 

Wir  sehen  jeden  auf  jeder  seile  und  niemand  sieht  uns: 
die  finsternis  durch  Adams  Sündenfall  verhüllt  uns  vor  dem  ge- 
zähltwerden. 

0  weih,  wenn  du  kommen  wirst  zu  meinem  starken  volk, 
wird  ein  diadem  dein  haupt  schmücken,  frisches  schwein,  hier, 
milch  mit  trank  wird  dir  dort  von  mir,  o  weifses  weib.' 

Diese  Schilderung  stimmt  nicht  nur  in  ihrem  allgemeinen 
gehalt  zu  denen ,  welche  wir  von  den  gefilden  der  seeligen  kennen 
lernten,  sondern  auch  in  vielen  einzelheiten.  Midir  spricht  in 
Strophe  1  von  dem  Tir  ningnad  'Wunderland' und  in  Strophe  4 
erfahren  wir,  dass  wunderbare  landschaften  (amra  tlre)  in  diesem 
land  (tlr)  liegen,  was  vollkommen  zu  Echtra  Brain  passt,  wo 
das  weib  aTirih  ingnad  'aus  den  wunderlandschaften'  kommt, 
dem  Trag  mör  'grofser  Strand'  in  Echtra  Condla  3  entspricht 
hier  Mag  mör  (3) ,  Tlr  mör  (4)  'grofses  gefilde ,  grofser  Strand.' 

In  der  schlussstrophe  redet  wider  der  sldfürst ,  der  herscher 
des  sid  von  Bri  Leith.     wundern  dürfen  wir  uns  nicht,  dass  in 


280  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

den  alten  sageutexlen  des  7  und  8  jhs.  die  mehrfach  characteri- 
sierten  Übertragungen  stattfanden,  nachdem  nämlich  die  alten 
götter  vor  dem  christengott  sich  in  die  hügel  und  sldbehausungen 
zurückgezogen  hatten  i,  war  ihnen  mit  ihrer  alten  Stellung  auch 
ein  wesentlicher  teil  dessen  genommen ,  womit  sie  früher  ihre 
zeit  ausfüllten,  sie  sanken  zu  dei  terreni  herab:  als  solche 
konnten  sie  ein  leben  führen  wie  die  edlen  dieser  erde,  leiden- 
schaften  und  begierden  unterworfen  sein  wie  diese,  nur  alles 
mit  einem  übernatürlichen  anstrich,  so  erscheinen  bis  ins  14  jh., 
bis  in  die  erzählungen  des  Ossiansagenkreises  hinein,  die  side, 
resp.  Tuatha  De  Danan.  andererseits  lag  es  nahe,  die  ebenfalls 
aus  heidnischer  vorzeit  überkommenen  Schilderungen  von  dem 
leben  der  seeligen  nunmehr  auf  die  entthronten  alten  götter- 
gestalten  zu  übertragen,  dass  trotzdem  noch  Jahrhunderte  hin- 
durch, noch  bis  ins  14  jh.  hinein  in  der  phantasie  des  Volkes 
und  seinen  sagen  beide  reihen  von  gestalten  immer  wider  aus 
einander  gehalten  wurden ,  ist  ein  beweis  sowol  für  die  ursprüng- 
liche Verschiedenheit  der  Vorstellungen  von  den  sTde  und  von 
den  bewohnern  der  gefilde  der  seeligen  als  für  das  zähe  festhalten 
des  irischen  Volkes  an  den  anschauuugen  seiner  vorzeit. 

Suchen  wir  nunmehr  nach  dem  aus  den  sagentexten  bei- 
gebrachten material  uns  ein  allgemeines  bild  von  den  Vorstellungen 
über  die  gefilde  der  seeligen  zu  machen. ^ 

Fern  (inetarcein  i  2)  im  westen  des  oceans,  wo  die  sonne 
untergeht  (iv"),  liegen  3  mal  50  inseln,  von  denen  jede  einzelne 
2  mal  oder  3  mal  so  grols  ist  wie  Irland  (i  2);  meerrosse  (gabra 
rein  I  2 ,  gabra  lir  i  4)  spielen  um  dieselben  herum,  diese 
gefilde  (tlre)  prangen  in  verschwenderischer  blütenpracht  (con- 
imat  scoth  i  4):  apfelbäume  gibt  es  mit  silberweifsen  zweigen 
buschig  von  bluten  (i2),  die  moore  sind  mit  huschen  von  jeder 
färbe  bewachsen  (i  2) ,  wie  purpur  aussehend  (v  3).  ströme  von 
süfsigkeit  fliefsen  durch  die  gefilde,  das  beste  an  met  und  wein 
bietend   (v  5).      die   eier   der  amseln  haben   die  färbe  des  auges 

*  die  sage  drückt  sich  so  aus,  dass  sie  sagt,  die  Tuatha  De  Danand 
hätten  sich  vor  den  aus  Spanien  ankommenden  söhnen  des  Miled  (dh.  den 
Iren)  icnoccaib  1  sldbrugib  zurückgezogen  LL  261'',  33. 

2  mit  I  bezeichne  ich  Echtra  Brain  s.  258  — 261,  mit  ii  Echtra  Condia 
chaim  s.  262—264,  mit  iii  Echtra  Gormaic  s.  264—268,  mit  iv^b  die  beiden 
episoden  aus  Accallam  na  senorach  s.  268  —  273,  mit  v  die  Schilderung  in 
Tochmarc  Etäine  s.  279. 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  281 

(v  3).  auf  einer  der  inseln  befindet  sich  ein  bäum  mit  zahlreichen 
vögeln,  die  durch  besonders  harmonischen  gesang  die  tages- 
zeiten  ankünden  (i  2).  ewig  lebende,  seelige  wesen  finden  sich 
dort  (ii  1.3):  bedürfiiisse  treten  an  sie  nicht  heran,  weil  sie  an 
nichts  mangel  leiden  (ii  1),  die  feste  dauern  ewig  (ii  1),  Wettspiele 
wunderbarer  art  werden  veranstaltet  (i  2) ,  zank  und  streit  ent- 
steht nicht  (i  2) ,  die  menschen  sind  ohne  fehl  und  makel  (v  5). 
alter  und  tod  naht  ihnen  nicht  (ii  1.  v  4). 

Die  allgemeinen  bezeichnungen  dieser  gefilde  sind:  'Wunder- 
land' (atlrib  ingnad  i  1),  'gefilde  der  lebendigen'  (afirih  beö  n  1), 
'gefilde  der  wounen'  (Mag  Meli  i  4.  6.  n  1),  'der  grofse  Strand' 
(trüg  mar  ii  3),  'das  grofse  gefilde'  (mag  mär  v),  Emain  (i  1), 
'land  des  Manandan  mac  Lir  (i  4.  ni  4.  iv'').  oberherscher  dieser 
gefilde  ist  nämlich  Manandan  mac  Lir  (m  4.  iv"*)  und  sterblichen, 
die  auf  ihren  fahrten  in  die  nähe  seines  reiches  gelangen,  er- 
scheint er  in  slurmeswelter  auf  dunkelgrünem  ross  (iv'')  oder 
einem  wagen  (i  3),  erbietet  sich,  sie  aus  der  not  zu  erretten, 
wenn  sie  in  seinen  d'ieüsl  (inamuintir  i\^)  eintreten  wollen,  und 
bringt  sie  entweder  selbst  auf  seinem  ross  in  sicheren  hafen  (iv'') 
oder  weist  ihnen  den  weg  (i  4).  dicker  nebel  (ceö  mür)  lagert 
wie  ein  wall  um  Manandans  reich,  und  erst  wenn  er  durchdrungen 
ist  (iarmbuaid),  liegen  die  gefilde  der  seeligen  da,  eine  wonne 
fürs  äuge  (i  2) :  sie  erfreuen  das  herz  eines  jeden  (u  3). 

Unter  den  zahlreichen  inseln  dieses  reiches  der  wonnen  ist 
keine,  die  so  viel  genannt  und  geschildert  wird  wie  'das  gefilde 
der  frauen'  (tir  namhan  i  2.  4.  6),  'gefilde  der  mädchen'  (tlr 
naningen  iv'),  so  genannt,  weil  dort  nur  liebliche  und  liebe- 
bedürftige weibliche  wesen  sind  (ii  3.  iv^).  aufser  in  den  texten 
dieses  abschnittes  wird  diese  insel  auch  im  Imram  Maelduin  28 
beschrieben  analog  wie  in  i  6.  diese  Vorliebe  der  sage  für  das 
eiland  mit  verliebten  weibern  ist  echt  irisch,  indem  sie  dem 
durch  das  ganze  irische  altertum  gehenden  stark  sinnlichen  zuge 
entspricht,  i 

'  dieser  ausgeprägt  sinnliche  zug  in  der  irischen  litteratur  muss  jedem 
sofort  auffallen,  er  hat  zur  folge,  dass  die  frauengestalten  in  heldensage 
i'od  legende  mit  wenigen  ausnahmen  einen  gemeinen  character  tragen,  wie 
er  mir  in  der  art  bei  meinen  Studien  nirgends  sonst  begegnet  ist. 

Betrachten  wir  die  alte  heldensage,  den  so  genannten  Cuchulinnsagen- 
kreis.  Gonchobar  mac  Nessa,  der  sagenberühmte  Ulsterherscher,  war  eia 
juDgfernsohn,  indem  der  recke  und  druide  Gathbad  die  jugendliche  Ness  beim 


282  KELTISCHE  BEITRÄGE  11 

Ich    fand   schon    mehrfach    gelegenheit,   darauf  hinzuweisen 
(Zs.  32,  242  ff;    ohen  s.  276  anm.),   dass   für  die  erkcnninis  des 

baden  erwischte  und  schwängerte  (LL  106%  19  ff),  als  Conchobars  unver- 
heiratete Schwester  Dechter  Schwangerschaft  zeigte,  glaubte  man  allgemein, 
dass  Conchobar  selbst  in  trunkenheit  der  Urheber  gewesen ,  denn  er  pflegte 
bei  der  Schwester  zu  schlafen  (LU  128"^,  19).  durch  Unzucht  mit  einem 
anderen  weib  wurde  Dechter  den  fötus  los  (LU  128'',  18  ff;  vgl.  Zs.  f.  vgl. 
sprachf.  28,  421  anm.).  noch  schmutzigere  Verhältnisse  herschten  am  hofe 
von  Connacht,  wo  die  sagenberühmle  Medb  königin  war.  mit  dem  Ulster- 
flüchtling Fergus  mac  Roich  liefs  sie  sich  ein:  nach  der  einen  version  er- 
wischte der  gälte  Ailill  beide  am  abhang  von  Gruachan  und  nahm  dem 
Fergus  heimlich  das  abgeschnallte  schwert  aus  der  scheide  (LL80s2ff); 
nach  der  anderen  version  blieb  sie  mit  Fergus  auf  dem  zuge  nach  Ulster- 
land hinter  dem  beer  in  einem  walde  zurück,  wo  Guillend,  der  wagenlenker 
Ailills  sie  beschlich  und  das  abgeschnallte  schwert  dem  Ailill  als  zeichen 
mitbrachte  (LU  65'',  31).  Ailill  liefs  sich  ruhig  hörner  aufsetzen,  nun  erst 
Findabair,  die  tochter  dieser  mutter!  in  der  nacht  trifft  sie  mit  Froech  am 
flusse  zusammen,  wo  sie  noch  die  keusche  spielt  (LL  249'',  27  ff),  auf  den 
plünderungszug  (Täin  bö  Cüalnge)  wurde  sie  als  lockvogel  mitgenommen  für 
Froech,  für  7  Munsterhäuptlinge  (LL  92^,  25  ff),  als  Guchulinn  dem  ein- 
fallenden beer  Ailills  und  der  Medb  hartnäckigen  widerstand  leistete,  suchte 
ihn  Ailill  dadurch  zu  gewinnen ,  dass  er  ihm  Findabair  anbieten  liefs.  er 
gieng  aber  nicht  selbst  mit  Findabair,  sondern  schickte  seinen  narren  mit 
diadem  und  Verkleidung,  als  Guchulinn  den  trug  merkt,  tötet  er  den  narren 
mit  einem  steinwurf,  und  um  Findabair  zu  strafen,  schnitt  er  ihr  die  beiden 
flechten  ab,  zog  mantel  und  hemd  ihr  aus  und  setzt  einen  Steinpfeiler 
darauf;  so  verliefs  er  sie.  als  die  rückkehr  der  Findabair  sich  verzögert, 
machen  sich  Ailill  und  Medb  mit  gefolge  auf  die  suche  und  befreien  ihre 
tochter  aus  der  Situation,  nichts  desto  weniger  sprach  sich  die  geschichte 
im  lager  herum  (LU  71^,  7— 71'',  9).  —bald  wollte  kein  held  in  Ailills  lager 
mehr  den  einzelkampf  mit  Guchulinn  wagen.  Medb  warf  ihr  äuge  auf  Fer 
Baeth:  er  wurde  ins  königszelt  gerufen,  vom  besten  wein  wurde  ihm  vor- 
gesetzt, Findabair  rückte  unter  den  äugen  der  königlichen  eitern  an  seine 
seile,  schenkte  ihm  immer  wider  ein  und  'bei  jedem  einzelnen  trunk  gab 
sie  ihm  einen  kuss.'  wein  und  weib  brachten  FerBaeth  dahin ,  dass  er  den 
kämpf  zusagte  (LU  73%  37 ff  =  LL  74",  18 ff.  32fi).  als  FerBaeth  gefallen, 
setzte  Findabair  ihre  künste  fort:  jeden  abend  wurde  ein  held  ins  zeit 
gerufen,  und  wenn  er  in  die  richtige  Stimmung  versetzt  war,  wurde  ihm 
Findabair  zugesagt  (LU  73'',  37  ff.  44)  für  den  fall,  dass  er  den  köpf  Guchu- 
linns  bringe,  als  FerDiad  gegen  Guchulinn  anrückt,  ist  letzterer  darüber 
besonders  empört,  dass  FerDiad  wegen  der  metze  Findabair  den  blutbund 
bricht  (LL  84%  16  ff.  85'',  8.  88%  16).  als  Rochad  mac  Fathemain,  ein  Ulster- 
held, mit  seiner  schar  anrückt,  um  Guchulinn  zur  hilfe  zu  kommen,  da 
erinnert  sich  Findabair,  dass  er  ihr  geliebter  und  liebster  freier  gewesen, 
und  erzählt  es  ihrer  mutter  Medb.  geh  ihm  entgegen,  sagte  Medb,  und 
schlaf  bei  ihm  zur  nacht  unter  der  bedingung,  dass  er  jetzt  abzieht  und 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  283 

güUerglaubens  der  heidnischen  Iren  und  der  sonstigen  religiösen 
Vorstellungen  zwei   wenn   auch   vielfach  trübe   quellen    fliefsen: 

erst  am  tage  der  grofsen  schlacht  wider  kommt.  Rochad  gieng  darauf  eia 
und  Findabair  schlief  bei  ihm  (LL  92^  5ff.  vgl.  LU  72%  29  fr).  als  die  Ulster- 
helden nach  Cruachan  kamen ,  um  Ailiil  und  Medb  den  streit  um  den  helden- 
bissen  entscheiden  zu  lassen,  bekam  jeder  sein  lager  angewiesen  und  was 
ihm  gefiel  aus  den  150  mädchen  des  hofstaates  der  Medb;  Gonchobar  bekam 
die  Findabair  (LU  107*,  11  ff),  als  nun  Guchulinn,  Loegaire  und  Conall  allein 
zurückblieben,  wird  der  hofstaat  unter  sie  geleilt:  Findabair  und  50 mädchen 
gehen  zu  Guchulinn;  Sadb,  eine  andere  tochter  der  Medb,  mit  50  mädchen 
zu  Conall;  Gonchend,  die  tochter  von  Get  mac  Magach  mit  50  zu  Loegaire; 
Medb  selbst  geht  öfters  nachsehen,  ob  auch  Guchulinn  befriedigt  sei.  'so 
schliefen  sie  dort  die  nacht'  (LU  lOS'',  GIT).  —  ein  einziger,  öfters  wider- 
kehrender zug  ist  lehrreicher  als  100  geschichten:  Guchulinn  konnte  im 
kämpfe,  sowol  im  ernsten  als  in  kampfspielen,  in  ein  dämonisches  rasen, 
eine  berserkerwut  verfallen,  in  der  er  freund  und  feind  bei  seinem  an- 
stürmen gefährlich  war.  hiergegen  hatte  man  ein  probates  mittel:  man 
stellte  3  fässer  kalten  wassers  auf,  männer  legten  sich  in  der  nähe  in  den 
hinterhalt,  und  wenn  Guchulinn  angerast  kam,  traten  ihm  die  königin 
mitdemweiblichenhofstaatentgegenmitentblöfstenbrüstea 
und  hochgehobenen  rocken,  dass  die  schäm  sichtbar  war. 
wenn  dann  Guchulinn  verschämt  die  äugen  niederschlug,  ergriffen  ihn  die 
männer  und  steckten  ihn  zur  abkühlung  in  die  fässer  mit  kaltem  wasser. 
dies  mittel  wurde  sowol  in  Cmain  Macha  von  der  gattin  Gonchobars,  als 
in  Gruachan  von  Medb  und  sonst  in  anwendung  gebracht  (LU  lOG"^,  46  bis 
107S1Ü;  63%20ff=LL  67^35  ff;  LU20'',llff;  LLUOSSlff;  119a,2ff).— 
für  den  ton  der  Unterhaltung  zwischen  unverheirateten  mädchen  und  Jüng- 
lingen sei  ein  beispiel  angeführt.  Deirdre  wurde  von  Gonchobar  in  einer 
einsamen  bürg  auferzogen,  dass  sie  später  sein  weib  werden  sollte,  auf 
die  erzählungen  ihrer  alten  amme  hin  verliebt  sich  die  zum  schönen  weihe 
heranwachsende  Jungfrau  in  Nöisi,  söhn  des  Usnech,  ohne  ihn  gesehen  zu 
haben,  als  Nöisi  eines  tages  allein  auf  dem  wall  von  Emain  gieng  und 
sang,  stahl  sich  Deirdre  hinaus  und  tat,  als  ob  sie  zufällig  vorbei  gienge. 
Nöisi  kannte  sie  nicht,  'das  ist  eine  schöne  kalbin  — weibliches  rind,  das 
noch  nicht  beim  bullen  war  — ,  die  da  vorbeigeht',  sagte  er.  'wo  keine 
stiere  sind,  da  müssen  die  kalbinnen  grofs  werden',  sagte  sie.  'du  hast  ja 
den  landesstier  bei  dir',  sagte  er.  'ich  möchte  gern  die  wähl  haben  zwischen 
euch  beiden,  sagte  sie,  ich  würde  so  ein  junges  stierchen  wie  dich  nehmen.' 
damit  springt  sie  ihm  an  den  hals,  fasst  seine  beiden  obren  und  zwingt 
ihn  durch  eine  Verwünschung,  die  ihn  sonst  treffen  Avürde,  sie  zu  nehmen 
(LL  260»,  35  ff),  diese  frauengestalt  gehört  noch  zu  den  wenigen  sittlich 
hoch  stehenden,  weil  sie  dem  manne  ihrer  wähl  treu  bleibt. 

Was  die  übrigen  älteren  sagentexte  anlangt,  die  nicht  speciell  dem 
Cuchulinnsagenkreis  angehören,  so  erinnere  ich  kurz  an  Maelduins  geburt 
(oben  s.  151),  an  das  gebahren  seiner  genossen  auf  einer  insel  (s.  162  ff), 
die  frau  des  Munsterherschers  Mairid  mac  Gäiredo  verliebt  sich  in  ihren  stief- 


284  KELTISCHE  BEITRAGE  II 

die  sage  und  die  gelehrte  überlieferuDg  der  ältesten  zeit,  nament- 
lich vom  8  — 10  jh.     für  jene  zeit  ist  gelehrter  und  diener  des 

solin  Eocliaid  und  geht  mit  ihm  durch  (LU  39»,  23  ff);  ein  gleiches  wird  er- 
zäh'i  von  der  jungen  galtin  des  Leinsterherschers  Ronan,  nur  mit  anderem 
ausgang  (LL  271»,  46  fl).  Irlands  oberkönig  Lugaid  Sriabnderg  entsprang 
einem  incest,  den  die  3  söhne  des  Eochaid  Feidlech  mit  ihrer  Schwester 
Clothru  begiengen  (LL  23^,1.  124^,49  ff.  Rawl,  B.  512, 1^,  25  ff),  und  dieser 
Lugaid  zeugte  mit  seiner  eigenen  mutter  den  Grimlhann  (LL  23'',  2ff).  von 
2  frauen,  die  zur  zeit  Niall  Frosachs  unzucht  mit  einander  trieben,  ist  eine 
geschichte  LL  273*'  erzählt,  im  anschluss  an  diese  geschichte  wird  berichtet, 
dass  zur  zeit  Diarmait  mac  Cerbails  ein  mann  auf  den  markt  von  Tailte 
gieng  und  sich  mit  einem  fremden  weih  einliefs;  seine  frau,  die  ihn  auf 
dem  markt  suchen  kam,  ertappt  ihn;  er  läugnet,  selbst  unter  eid,  vor 
Kiaran.  zur  strafe  geht  der  köpf  von  seinem  rümpf  und  er  lebte  noch  7  jähre 
in  Clonmacnois  ohne  köpf,  einst  wurde  ihm  ein  weib  gegeben,  er  schwängert 
es  und  stirbt  (LL  274",  10  ff).  LL  300*,  20  ff  wird  erzählt,  wie  Cummascach, 
der  söhn  des  oberkönigs  Aed  mac  Ainmerech  eine  gastreise  durch  Irland 
machte,  und  jede  nacht  muste  die  frau  eines  anderen  häuptlings  bei  ihm 
schlafen,  eine  zotige  geschichte  von  einer  tochter  eines  königs  von  Griechen- 
land wird  LL  279«,  35  ff  berichtet. 

Betrachtet  man  erst  gar  den  Munstersagenkreis,  die  Ossianerzählungen 
im  Accallam  nasenorach:  fast  nur  von  entführungen  ,  davonlaufen  der  weiber 
ist  die  rede,  fast  bei  jedem  abenteuer  Finns  und  seiner  beiden  ist  ein  weib 
oder  sind  die  weiber  im  spiel,  man  beachte  die  oben  s.  268  ff  gegebenen 
beiden  episoden. 

Nach  dieser  kurzen  blüteniese  aus  den  beiden  ältesten  sammelhss.  LU 
und  LL  wird  man  sich  kaum  wundern,  dass  die  alten  realcataloge,  die  oben 
s.  144  ff  erwähnt  sind,  eine  besondere  litteraturgattung  kennen,  die  'ent- 
laufungen, entführungen'  (aitheda).  in  dem  Verzeichnis  der  erzählungen, 
die  ein  barde  zum  amusement  der  könige  und  häuptlinge  auf  lager  haben 
muste,  werden  LL  190*,  1  ff  nicht  weniger  als  zwölf  titel  solcher  er- 
zählungen gegeben. 

Der  ausgeprägt  starke  zug  von  Sinnlichkeit,  welcher  durch  die  ganze 
profanlitteratur  geht,  beherscht  auch  die  heiligenleben  und  legenden, 
w^enn  man  die  noten  im  LBr  zum  alten  heiligenkalender  liest  (Feiire),  er- 
staunt man  darüber,  wie  viele  irische  heilige  ihr  dasein  fleischlicher  sünde 
verdanken  und  wie  viele  sich  solcher  mit  Schwestern  und  anderen  frauen 
schuldig  machen,  geschwängerte  nonnen  laufen  in  den  älteren  legenden 
nur  so  umher:  ich  erinnere  an  die  mutter  Maelduins  (oben  s.  151),  an  die 
schwangere  nonne  (caiUech),  deren  bauch  die  heilige  Brigita  segnete,  dass 
selbige  wider  'heil'  wurde,  ohne  zu  gebären  (Broccans  hymnus  39);  an  die 
Schwester  des  hl.  Molasse,  die  von  einem  mitkleriker  schwanger  wurde  (LL 
285*>,  45ff);  an  Cummine  Fota,  dessen  mutter  seine  Schwester  war  (LL  286'', 
4211);  an  den  bischof,  der  als  beichtiger  des  königs  die  königin  zum  ehe- 
bruch  verführte  (LL  281'',  31  ff),  die  ganze  reihe  von  erzählungen  LL  271  bis 
292  ist  eine  serie  von  unzucht,  notzucht,  hurerei  usw.    die  Vorgänge  werden 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  285 

clirisllichen  glaubens  identisch,  wie  ich  wol  kaum  auszuführen 
brauche  (vgl.  Zs.  32,  200  fl).  wie  nun  die  irischen  gelehrten 
jeuer  zeit  die  Vorstellungen  der  heidnischen  Iren  von  den  göttern 
und  unholden  benutzten,  um  daraus  vorgeschichtliche  geschichte 
zu  machen,  um  die  kluft,  die  jenseits  der  heldensage  und  ge- 
schichte bis  zur  Sintflut  für  Irland  gähnte,  auszufüllen^,  so  be- 
nutzten sie  die  Vorstellungen  der  heidnischen  vor- 
fahren, umdiekluft,  diezwischenhölleundhimmel 
bis  zum  jüngsten  gericht  gähnte,  auszufüllen. 

Wenn  wir  den  cyclus  von  mittelalterlichen  lateinischen  legen- 
den betrachten ,  in  denen  unter  der  form  einer  vision  himmel  und 
hölle  geschildert  werden,  so  lässt  sich  constatieren,  dass  diejenigen 
texte,  die  im  abendland  vielfach  als  Vorbilder  für  ähnliche  Schil- 
derungen dienten  —  also  zb.  Visio  Fursaei,  Visio  Tnugdali,  Pnr- 
gatorium  SPatricii  — ,  auf  Iren  zurückgehen  (vgl.  ThWright, 
SPatricks  purgatory  s.  129).  diesen  lateinischen  sowie  den  beiden 
uns  in  LU  27 — 34^^  unter  dem  namen  Fis  Adamnäin  (vision  des 
Adamnan)  und  Scela  läi  brätha  (erzählungen  vom  tage  des  ge- 
richts)  erhaltenen  irischen  texten  ist  ein  zug  gemeinsam,  der 
vielfach  als  ganz  gewöhnlich  hingestellt ,  mit  behagen  erzählt,  und  nur  über 
die  folgen  bedauern  ausgesprochen. 

Wir  dürfen  uns  daher  nicht  wundern,  dass  in  der  phantasie  der  männer 
als  der  träger  der  litteratur  'das  gefilde  der  frauen'  (ti?'  namhan,  tir  nanin- 
gen)  eine  grofse  rolle  spielt,  gefilde  der  seeligen  und  tlr  namban  so  identifi- 
cieren  zu  wollen,  dass  t\r  nambaji  die  einzige  Vorstellung  von  den  gefilden 
der  seeligen  sei ,  verrät  niangel  an  umsieht  und  einsieht,  hätten  wir  in 
Irland  vom  8 — 14 jh.  schriftstellernde  frauen,  so  würde  in  ihren  werken 
ilr  nafer  (vgl.  oben  s.  269)  dieselbe  rolle  spielen. 

*  die  gelehrte  tradition  besagt,  wie  mehrfach  hervorgehoben,  dass  Fo- 
möri  und  Tuatha  De  Danan  verschiedene  Völker  gewesen,  die  vor  den  Galen 
in  Irland  gewohnt  hätten,  wenn  nun  die  feste  Überlieferung  dahin  geht, 
dass  die  söhne  des  Miled  (Stammväter  der  christlichen  Iren)  aus  Spanien 
gekommen  seien  und  vor  ihnen  die  Tuatha  De  Danan  sich  in  die  hügel 
und  sidburgen  zurückzogen,  so  kann  das  vielleicht  den  sinn  haben,  dass 
die  Christianisierung  Irlands  —  besonders  Munsters  —  von 
Spanien  ausgieng.  dass  zu  Patricks  Zeiten  süd-Irland  längst  christlich 
war,  kann  keinem  zweifei  unterliegen  (vgl.  Kelt.  Studien  ii  197  fr  mit  anm. 
auf  s.  197). 

2  die  hs.  stammt  aus  dem  ende  des  11  jhs.;  die  texte  sind  ihrer  spräche 
nach  weit  älter  und  können  sicher  ins  9jh.  zurückgehen  (vgl.  Windischs 
bemerkungen  zu  Fis  Adamnäin  Ir.  texte  s.  167,  auf  die  Divina  comoedia 
weist  W.  nach  Stokes  hin ,  aber  von  der  ganzen  hierher  gehörigen  älteren 
litteratur  des  mittelalters  hat  er  aao.  keine  ahnung). 


286  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

nur  in  den  verschiedenen  texten  verschieden  stark  hervortritt, 
der  zug,  dass  sie  nicht  eine  dreiteilung  —  hülle,  fege- 
feuer,  himmel  —  kennen,  sondern  eine  artvierleilung, 
die  ich  bezeichnen  möchte  als  vvürkliche  hölle,  irdische  hülle 
(Fegefeuer),  irdisches  paradies,  himmel.  in  dem  irischen  text 
Scela  läi  bratha  werden  ausdrücklich  4  scharen  im  menschen- 
geschlecht  (donchinud  doenda)  unterschieden:  eine  bilden  anas- 
mesti  dondiinnd  doenda  'der  auswurf  des  menschengeschlechls', 
die  mali  valde;  sie  fahren  sofort  zur  hölle  und  kommen  nicht 
zum  gericht.  eine  andere  schar  bilden  die  uilc  nach  adbul  olc 
'die  bösen,  deren  böses  nicht  riesig  ist',  die  mali  non  valde; 
sie  kommen  zum  gericht  und  werden  am  tage  des  gerichts  zur 
eigentlichen  hölle  verdammt,  eine  dritte  schar  sind  die  mathi 
nach  adbol  maith  'die  guten ,  deren  gut  nicht  riesig  ist',  die  honi 
non  valde;  sie  kommen  ebenfalls  zum  gericht,  zu  ihnen  aber 
sagt  gott  am  tage  des  gerichts:  'tretet  ein,  ihr  gesegneten,  zum 
bewohnen  des  himmlischen  reiches';  es  sind  diejenigen,  die  auf 
dieser  weit  ihre  Sünden  durch  tagenden  und  gute  werke  suchten 
gut  zu  machen,  die  vierte  schar  sind  diejenigen ,  die  überhaupt 
nicht  zum  gericht  kommen,  sondern  deren  seele  sofort  zum 
himmel  eingeht  (LU  32^  12  —  40).  hiermit  vergleiche  man  nun 
die  darstellungen  in  den  lat.  texten,  zb.  Visio  Tnugdali.  nachdem 
die  hölle  und  ihre  strafen  beschrieben  sind,  folgt  ein  capitel 
über  de  moderata  pena  non  valde  malorum  (Visio  Tnugdali 
ed.  Wagner  s.  39  ff);  dann  de  campo  letitie  et  fönte  vite  et  requie 
non  valde  bonorum  (V.  Tnugd.  s.  41  ff);  dann  kommen  noch 
Conchobar  und  Cormac  und  darauf  die  freuden  des  himmels.  so 
scharf  wie  in  dem  alten  irischen  tractat  sind  in  der  schrift  des 
irischen  klosterbruders  von  SPaul  in  Regensburg  die  4  abteilungen 
nicht  gezeichnet:  das  erlaubte  wol  die  kirchliche  lehre  des  12  jhs. 
und  die  rUcksicht  auf  den  deutschen  leser  nicht,  aber  lehrreich 
ist  doch  die  darstellung. 

Auf  diese  weise  fanden  die  altheidnischen  und  volkstümlichen 
Vorstellungen  der  Iren  vom  leben  nach  dem  tode  räum  im  rahmen 
der  christlichen  lehre,  von  diesem  standpunct  aus  können  diese 
Visionen  cum  grano  salis  mitbenutzt  werden  zur  reconstruction 
der  altheidnischen  anschauungen ,  ebenso  wie  die  gelehrten  werke 
über  die  vorirische  besiedelung  Irlands  eine  quelle  sind  für 
die  altirische  götlerlehre. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  287 

Nachdem  so  ein  rahmen  für  die  volkstümlichen  auf  alt- 
heidnischem glauben  beruhenden  Vorstellungen  geschaffen  war, 
lagen  weitere  combinationen  nahe,  dies  irdische  paradies  (die 
geülde  der  wonnen)  konnte  mit  dem  durch  Adams  fall  verlorenen 
paradies  identisch  sein:  so  finden  wir  in  dem  s.  217 ff  angezogenen 
alten  text  in  irischer  spräche  (LU  17%  lff=LL280%  43  ff)  Elias 
und  Enoch  unter  dem  bäum  des  lebens  im  paradies  den  seelen 
in  vogelgestalt  die  Vorgänge  am  tage  des  gerichts  vorlesend,  in 
Imram  Snedgusa  5  und  8  (oben  s.  213  fO,  wo  dieser  text  benutzt 
ist,  geschieht  dasselbe  auf  den  inseln  der  seeligen  1  erst  nachdem 
Snedgus  und  Mac  Riagla  von  diesen  inseln  weg  und  'lange 
zeit  auf  dem  wogenbraus  des  meeres'  gewesen,  gelangten  sie  zum 
himmel  in  episode  9.  —  eine  combination  nach  einer  anderen 
Seite  lag  ebenso  nahe,  nächst  dem  paradies  kennt  die  bibel  ein 
land,  von  dem  die  Israeliten  auf  ihrer  Wanderschaft  sich  fast 
ebenso  übertriebene  Vorstellungen  machten,  wie  die  anschauungen 
von  Mag  Meli  (gefilde  der  wonnen)  waren:  'das  land,  wo  milch 
und  honig  fliefst'  (4  Mose  13,  28).  dieses  land  nun,  Kanaan,  ist 
die  terra  repromissionts  für  die  Israeliten;  und  so  kommt  in  den 
altir.  glossen  tir  tairngiri  vor  für  Kanaan  Wb.  2%  22.  Ml.  68'',  4. 
Tr.  145.  dieses  tlr  tairngiri  (Übersetzung  von  terra  repromissionis) 
geistlich  umgedeutet,  wie  schon  im  Hebräerbrief  geschehen  ist,  war 
Mag  Meli,  hier  sind  die  so  genannten  Würzburger  glossen  dh. 
der  wol  aus  dem  8  —  wenn  nicht  7  —  jh.  stammende  irische 
commentar  zu  den  Paulinischen  brieten  lehrreich,  zu  Hehr.  6, 15 
Et  (Abraham)  longanimiter  ferens  adeptns  est  repromissionem 
steht  ./.  tlr  tairngeri  vel  regnurn  coelorum  (Wb.  33*^,  13);  zu 
Hebr.  4,  4  Requievit  deus  die  septima  ab  omnibiis  operibus  lautet 
der  commentar  cumsanad  duDia  iartuiste  duile  ciimsanad  duphopul 
Israel  hitJr  tairngeri  cumsanad  duphopul  nuiednisi  in  regno  coe- 
lorum dh.  gott  fand  ruhe  nach  der  erschaffung  der  geschöpfe, 
das  Volk  Israel  im  lande  der  verheifsung,  das  volk  des  neuen 
bundes  in  regno  coelorum  (Wb.  33'',  6);  zu  Hebr.  4,  2  findet 
sich  bei  den  worten  Etenim  et  nobis  nunciatum  est  quemad- 
modum  et  Ulis  einfach  tlr  tairngeri  (Wb.  33'',  1.  vgl.  33%  21), 
die  Vereinigung  der  kirchlichen  anschauung  mit  der  der  sage 
liegt  vor  in  einer  randnote  zu  1  Corinther  10, 4,  wo  zu  den 
Worten  et  omnes  (sc.  patres  nostri)  eumdem  potum  spiritualem 
biberunt  (bibebant  autem  de  spirituali  consequente  eos  petra;  petra 


288  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

autem  erat  Christus)  es  heifst:  Ceist  cid  ar  mbad  spiritalis  indail? 
nianse  eo  quod  fignrat  Christum  lapidem  angularem  isiede  indail 
runde  asatoröimed  asruaim  mör  indforcitil  spirdrddi  arrodibaid 
Ithit  indisrahel  spinrtaldi  innanöib  indithrub  inbeotho  ocascnam 
tlre  tairngiri  innambeo  dh.Quaestio  cur  sit  spiritualis  petra? 
non  difficile  est,  eo  quod  figurat  Christum  lapidem  angularem: 
liaec  (sc.  Christus)  est  petra  mystica ,  ex  qua  erupit  amnis  magnus 
doctrinae  spiritualis,  qui  exstinxit  sitim  Israhel  spiritualis  sc. 
sanctorum  iu  deserto  mundi  quum  peterent  terram  promissionis 
vivorum  (Wb.  11*,  19).  tlr  beö  ist  in  Echtra  Condla  chaim  1  be- 
zeichnung  des  landes  der  seeligen,  tlr  tairngeri  ist  die  kirch- 
liche bezeichnung  für  das  den  Christen  verheifsene  himmlische 
Kanaan;  wenn  der  glossator  nun  für  letzteres  tir  tairngiri  innam- 
beo sagt,  so  zeigt  er,  dass  er  das  sagenhafte  tlr  innambeo  mit 
tlr  tairngeri  identificiert.  hier  liegt  uns  also  ein  zeugnis  des 
achten,  wenn  nicht  des  siebenten  jhs.  vor  für  die  in  der  sage 
von  Condla  chaim  gegebene  bezeichnung  des  gefildes  der  seeligen. 
Dass  diese  identiücierung  auch  wider  auf  die  sage  zurück- 
würkte,  ist  begreiflich:  so  führt  das  land  des  Manandan  mac 
Lir  in  Echtra  Cormaic  (s.  264  ff)  und  iv"  (s.  271  ff)  die  bezeich- 
nung tlr  tairngeri,  eine  bezeichnung,  die  noch  heutigen  tages 
gebräuchlich  ist.  lehrreich,  besonders  in  hinsieht  auf  die  zuletzt 
angeführte  note  in  Wb.  ist  folgende  tatsache:  in  dem  alten  Echtra 
Condla  chaim  (oben  s.  262  ff)  sagt  das  weih:  sie  komme  atirib 
beö,  wohin  sie  auch  den  Condla  mitnimmt.  LL  143*,  40 — 145%  52 
haben  wir  eine  Universalgeschichte  in  memorialversen ,  die  dem 
um  die  scheide  des  11  und  12  jhs.  lebenden  (siehe  Atkinson, 
introduction  s.  32)  Gilla  inchomded  Hua  Cormaic  zugeschrieben 
wird;  hier  heifst  es:  'nach  der  meerfahrt  (am  imrom)  des 
Condla  Ruad,  des  sohns  von  Conn  in  das  land  der  ver- 
heifsung  (cotlr  tairngire)  blieb  Art  011  allein  zurück'  (LL  144^ 
24).  wir  können  also  beobachten ,  wie  mit  bezug  auf  dieselbe 
sage  an  stelle  von  tlr  beö  in  jüngerer  zeit  tlr  tairngire  tritt. 

D.    betrachtungen  und  Schlussfolgerungen. 

I.  durch  das  in  den  abschnitten  B  undC(s.  144 — 220;  257  bis 
288)  aus  der  irischen  litteratur  beigebrachte  material  und  die  an  die 
einzelnen  texte  angeknüpften  erörterungen  glaube  ich  die  quellen 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  289 

der  anonymen  Navigatio  sancti  Brendani  klar  gelegt  zu  haben, 
und  zwar  die  quellen  sowol  im  engeren  sinne  des  wortes  (die 
specielle  vorläge)  als  auch  im  weiteren  sinne,  nämlich  den  lit- 
terargeschichtlichen  hintergrund.  es  bleiben  nur  noch  einzelne 
puncte  zur  erörterung  übrig. 

a.  alter  von  Imram  Waelduin.  sachliche,  aus  dem 
inhalt  beider  erzählungen  geschöpfte  gründe  erweisen  unwider- 
leglich, dass  Imram  Maelduin  älter  ist  als  die  Navigatio  SBrendani 
(s,  176 — 181).  schon  s.  147  habe  ich  darauf  hingewiesen,  dass 
die  spräche  des  textes  in  einer  sammeihs.  aus  dem  ausgang  des 
1 1  jhs.  dazu  führe,  die  erste  aufzeichnung  des  textes  wie  die 
mancher  anderer  erzählungen  dieser  hs.  spätestens  ins  8  jh.  zu 
setzen,  die  unter  der  orthographischen  tünche  des  1 1  jhs.  stecken- 
den formen  verraten  eine  spräche,  die  dem,  was  wir  an  ältestem 
glossenmaterial  besitzen,  dem  irischen  commentar  zu  den  Paulini- 
schen briefen  (Wb.),  sich  als  gleichaltrig  ausweist,  in  erster 
linie  steht  die  verbalflexion:  der  unterschied  conjuncter  und 
absoluter  flexion  ist  bewahrt,  in  H.  2.  16  col.  389  findet  sich 
eine  1  sing.  präs.  bim  'ich  trage'  (biru  iarom  mochois  forsan- 
carraig).  im  Präteritum  ist  die  Verteilung  noch  die,  dass  bei  den 
starken  verben  das  alte  perfect  mit  wunderschönen  formen  (pu, 
feotar,  lil,  leblaing,  atgeoin,  athgetiatar,  arrochiair  zu  archrinim 
LU  23%  19,  gegnaü  LU  23%  36)  und  das  auf  der  3  sing,  medii 
des  alten  s-aorists  aufgebaute  so  genannte  f-präteritum  fungieren, 
in  hl  (LU  24%  8)  liegt  eine  3  sing.  ind.  des  activen  s-aorists  vor 
(cd  setzen  dafür  die  jüngere  form  benais)  und  in  fochiursa  (H.  2. 
16  col.  388)  'ich  warf  sogar  eine  1  sing,  desselben  tempus  von 
focherdim;  die  schwachen  präsentia  bilden  das  s-präteritum,  worin 
wie  in  den  glossen  die  präterita  zu  gaibim  und  dognlu  ihnen 
folgen,  im  futur  ist  für  die  starken  verba  das  so  genannte  s-futur 
(conjunctiv  des  s-aorisls)  die  regel  mit  einer  fülle  interessanter 
beispiele  (araclasaind  zu  claidim,  mani-n-adnas  zu  adnacul  usw.); 
das  ft-futur  kommt  nur  bei  schwachen  verben  vor.  im  präseus 
ist  keine  deponentialform  belegt  (vgl.  Zs.  f.  vgl.  sprachf.  30, 
261 — 266).  der  gebrauch  der  infigierten  pronomina  ist  ein  voll- 
kommen freier  und  unendlich  häuöger  (dostascar  Lü  22%  5. 
nanortatar  23%  11.  rodnalt  22%  16.  condatarat  22%  37.  msi- 
thüls  23%  2.  8  usw.).  bei  der  Üexion  der  o-stämme  ist  vielfach  die 
M-infection  im  acc.  plur.  gewahrt  (daumu  Lü  24%  7.  beolu  24'',  6), 
Z.  F.  D.  A.    XXXIII.    N.  F.    XXI.  19 


290  KELTISCHE  BEITRÄGE  11 

bei  den  yo-stämmen  im  dat.  sing,  in  (diacMuchiu,  oairdiu,  in- 
asuidm).  wie  vertraut  der  verl.  mit  der  alten  heldensage  war, 
geht  daraus  hervor,  dass  er  das  lästermaul  in  abschnitt  1  Bricriu 
nemthetigach  nennt,  das  \Vb.  17^  13  und  Pr.  Sg.  37^  14  vor- 
kommende amc/ies  (sporta,  fiscina)  findet  sich  LU  25%  11.  17  als 
öenchess,  aenchess  mit  der  glosse /esia/. *  kurz,  alles  weist  darauf 
hin,  dass  die  erste  niederschrift  von  Imram  Maelduin  mindestens 
so  alt  ist  wie  die  spräche  des  irischen  commentars  in  der  Würz- 
burger hs.2,  also  dem  7  jh.  angehören  kann. 

b.  Verfasser  von  Imram  Maelduin.  der  schluss  der 
erzählung  ist,  wie  erinnerlich  sein  wird,  nur  in  b  (Egerton  1782) 
und  d  (H.  2.  16  TCD)  erhalten:  Maelduin  kehrt  in  seine  heimat 
zurück  und  Diuran  Lecerd  legt  versprochener  mafsen  die  masche 
aus  dem  netz  im  gewicht  von  5  halbunzen  auf  den  altar  von 
Armagh  (oben  s.  176).  dann  fährt  b  (Egerton  1782  fol.  125"^)  fort: 
Rochörtiid  immorro  Aed  Finn  ardecnnid  Heritm  insgelsai  amal  ata 
sunn,  arcomad  ergairdech(nd)  metiman  dorigh(aib)  7  dodoinib  Herinn 
he  inadiaigh  'Aed  Finn,  der  hochgelehrte  Irlands  ordnete  (rocliöruid 
siebt  für  rochdraig)  diese  erzählung,  wie  sie  vorliegt,  dass  sie 
diene,  den  sinn  der  könige  und  der  leute  Irlands  zu  erheitern 
nach  ihm  (dh.  wenn  er  tot  ist).'  dies  fehlt  in  der  prosa  von  d ; 
dagegen  findet  sich  hinter  der  versification  des  schlussabschniltes 
in  einem  anderen  metrum,  als  die  versification  von  anfang  bis 
ende  aufweist,  in  d  die  Strophe: 

Imrum  moltach  Mwlidüin     dofoirne  min  richigh  rüin 
Rogab  Aed  Find  forbrech  pal    grian  anecna  indsi  Fail 
'der  preiswürdige  Imram    des  Maelduin  bezeichnet   (dh.  enthüllt) 
das  geheimnis  des   leuchtenden   himmelreiches.     Aed  Find  sang 
(wob)  den    sehr  bunten    Schleier,    er   die    sonne   an  Weisheit  in 
Irland.' 

Der  gebrauch   von   rogab   und   die   auf  die   angeführte  fol- 
gende allerletzte  Strophe  in  demselben  metrum,  die  angibt,  aus 

1  öenchess,  ainchess  besteht  aus  oen  (unus)  und  cess,  lehnwort  aus  lat. 
cisia:  es  ist  ein  gefäfs  mit  einer  abteilung. 

2  ich  werde  eine  ausgäbe  des  texles  veranstalten  in  der  altirischen 
Orthographie  derzeit,  aus  der  er  stammt,  was  nicht  schwieriger  ist  als  eine 
mhd,  hersteilung  der  Kudrundichtung  aus  der  hs.  von  Hans  Ried,  in  der 
einleitung  zu  dieser  ausgäbe,  die  natürlich  in  ihrem  kritischen  apparat  das 
Überlieferle  handschriftliche  materiai  vorlegen  wird,  werde  ich  auf  die  sprach- 
lichen erscheinungen  des  textes  näher  eingehen. 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  29t 

wie  viel  Strophen  der  gesang  (cetal  caid)  besteht,  lassen  keinen 
zweifei  darüber  aufkommen,  dass  hier  Aed  Find  ausdrückheh  als 
Verfasser  des  ge dichtes  über  die  meerfahrt  Maelduins  bezeichnet 
ist.  gegen  die  annähme,  dass  sich  wie  in  b  die  Urheberschaft 
auf  den  verf.  der  prosaerzählung  beziehen  müsse,  also  die  prosa- 
erzähluug  eine  solche  schlussnotiz  müsse  enthalten  haben  wie 
b,  sprechen  gewichtige  gründe,  das  gedieht  über  Maelduins 
meerfahrt  beginnt  mit  den  worten  Ardri  uasal  und  die  letzte 
Strophe  in  dem  metrum  des  gedichtes  lautet: 

Othiass  forcel  rososs  fornem  sech  slogh  nger  garg 
Hiflaith  naingel  dothach  caingen  aitreh  erard.  Airdi. 
die  erzählung  ist  zu  ende,  das  gebet  um  ein  seliges  ende  schliefst 
ab;  da  nun  auch  dies  die  letzte  Strophe  in  dem  metrum  des 
übrigen  gedichtes  ist  und  da  das  anfangswort  des  gedichtes  wider- 
holt wird  (Ardri),  so  kann  auch  nicht  der  geringste  zweifei  darüber 
herschen,  dass  die  beiden  noch  folgenden  Strophen  in  anderem 
metrum  späterer  zusatz  sein  müssen,  hätte  die  nachricht  über 
den  autor  bei  abfassung  der  verse  vorgelegen,  so  wäre  sie  mit 
ins  ursprüngliche  gedieht  gekommen,  hierzu  stimmt  nun  auch, 
dass  eben  die  prosa  von  H.  2.  16  die  notiz  nicht  hat.  wir  müssen 
also  annehmen,  dass  dem  Schreiber  von  Egerton  1782  oder 
seiner  vorläge  eine  recension  von  Maelduins  meerfahrt  wie  c 
und  d  vorlag ,  dass  er  die  versiflcation  wegliefs  und  seine  schluss- 
notiz aus  der  angehängten  Strophe  nahm.  dem  widerspricht 
der  Wortlaut  der  notiz  in  Egerton  1782  nicht  im  geringsten, 
da  die  bedeutung  von  rochdraig  'er  ordnete'  dehnbar  ist. 

Dieser  zusatz  nun  in  H.  2.  16,  der  also  jünger  sein  muss 
als  die  prosaerzählung  und  das  gedieht  von  Maelduins  meerfahrt, 
macht  seiner  spräche  nach  den  eindruck  einiger  altertümlichkeit: 
die  form  Mcelidüin,  die  durch  das  metrum  als  dreisilbig  erwiesen 
wird ,  möchte  ich  nicht  allzu  sehr  betonen ,  da  hier  das  ältere 
gedieht  kann  vorbild  gewesen  sein;  dh&c  dofoirm  ist  eine  schöne 
verbalform ,  wie  sie  in  den  glosseji  (zb.  dofoirnde  Pr.  Sg.  9^,  12) 
sich  finden. 

Leider  weifs  ich  über  diesen  Aed  Find,  den  hochgelehrten 
(Eg.),  die  sonne  der  Weisheit  in  Irland,  nichts  beizubringen;  denn 
an  den  Aed  Finn,  der  als  ahnherr  der  O'Reillys  und  O'Rourkes 
in  Leitrim  in  den  Annalen  der  4  meister  und  den  Annalen  von 
Loch  Ce  zum  jähre  1256  erwähnt  wird,  dürfen  wir  nicht  denken. 

19* 


292  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

seine  genealogie  ist  im  Book  of  Ballymote  fol.  89  ff  gegeben; 
darnach  stammte  er  iu  7  generation  von  Eochaid  Mugmedo'n 
(t365),  und  die  11  generation  nach  ihm  war  Riiaic  mac  Tiger- 
näin(f  893),  sodass  wir  für  ihn  das  ende  des  6  jhs.  anzusetzen 
hätten,  einen  anderen  Aed  Finn  kann  ich  nirgends  mit  den  mir 
zu  geböte  stehenden  hilfsmitteln  auftreiben,  einen  hervorragenden 
dichter  Aed,  der  wegen  seiner  Verbindung  mit  Dallan  Forgaill 
und  dem  reichstag  von  Druim  Ceta  am  ende  des  6  jhs.  geblüht 
haben  muss,  erwähnt  O'Curry,  Manners  and  customs  n  78. 

c.  warum  und  wie  Brendan  träger  der  legende 
wurde.  Schröder  sagt  s.  iv:  'wie  gerade  Brandan  dazu  kam, 
der  träger  der  wunderbaren  legende  zu  werden,  ist  schwer  nach- 
zuweisen; das  wenige,  was  uns  über  sein  leben  und  seine  taten 
überliefert  ist,  bietet  keinerlei  anhaltspunct.'  das  letztere  ist  nicht 
ganz  richtig,  wie  man  schon  aus  den  erörterungen  s.  130 — 132 
und  180  ff  ersieht,  eine  kritische  betrachtung  der  Vita  SBren- 
dani  wird  allerdings  anhaltspuncte  bieten,  die  erhaltene  Viia 
SBrendani  ist  von  Moran  (Acta  sancti  Brendani  s.  1 — 26)  nach 
einer  hs.  des  13  jhs.  herausgegeben;  die  Überlieferung  der 
Vita  ist  also  eine  bedeutend  (fast  200  jähre)  jüngere  als  die  der 
Navigatio.  auf  die  frage,  ob  auch  die  entstehung  der  Vita 
jünger  sei  als  die  der  Navigatio,  muss  uns  der  inhalt  selbst  ant- 
wort  geben,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  7jährige  oceanfahrt 
Brendans  mit  ihren  wundern  doch  das  wunderbarste  ist,  was 
das  11 — 13  jh,  von  einem  heiligen  kannte,  und  dass  Brendan 
eben  nur  durch  diese  meerfahrt  der  berühmteste  mann  jener 
zeit  war,  so  ist  klar,  dass  eine  damals  verfasste  Vita 
des  heiligen  die  7jährige  oceanfahrt  in  den  mittel- 
punct  der  composition  stellen  muste.  liest  man  nun 
die  Vita  durch,  so  ist  man  im  höchsten  grade  erstaunt:  sie  hat 
nach  ihrer  ganzen  composition  gar  keinen  räum 
für  eine  7jährige  meerfahrt  Brendans  im  westlichen 
ocean.  die  Vila  weifs  zwar  von  einer  see fahrt  Brendans,  aber 
in  entgegengesetzter  richtung  nach  Britannia  (Moran  s.  12 — 16). 
als  nämlich  Brendan  wegen  des  todes  eines  seiner  k'osterbrüder 
gewissensbisse  bekam,  fragte  er  seine  erzieherin  Yla  um  rat,  die 
ihm  sagte:  fac  ab'quo  tempore  peregrinationem  quod  habeas  in 
morte  ülius  culpam  et  praedica  hominibus  et  ducas  alias 
animas   deo.     Postea  navigavit  sanctns  Brendanus  in  peregrina- 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  293 

tt'otie  ad  Brittanniam  usw.  (Moran  s.  13).  auf  dieser  reise  ge- 
schehen durch  Brendan  mehrere  wunder:  es  regnet  und  er  wird 
mit  seinen  gefährten  nicht  nass;  die  türen  des  gotteshauses 
bei  Gildas  öffnen  sich  vor  ihm;  er  liest  ein  mit  griechischen 
buchstahen  geschriebenes  missale  ohne  griechisch  zu  verstehen; 
er  zähmt  liestien,  nachdem  er  mehrere  klöster  in  Britannia  ge- 
gründet, fahrt  er  nach  Irland  zurück,  auf  dieser  rückfahrt  be- 
gegnet ihm  das  oben  s.  130 — 132  besprochene  abenteuer  mit 
den  beiden  bestien,  das  ihn  jedoch  an  seiner  rückkehr  nach 
Leinster  nicht  hinderte,  sondern  eher  antrieb,  alsbald  Brigita 
aufzusuchen,  dies  abenteuer  hat  der  verf.  der  Navigatio  SBren- 
dani  benutzt,  aber  so  umgestaltet,  dass  es  in  die  composilion 
seines  textes  passte ,  da  er  den  Brendan  nicht  konnte  sofort  nach 
Irland  zurückkehren  lassen. ^ 

Es  ist  demnach  klar,  dass  die  zeit,  in  welcher  die  Vita 
Brendani  entstand,  von  der  berühmten  7jährigen  meerfahrt  im 
ocean  auf  der  suche  nach  der  terra  repromissionis  absolut  nichts 
wüste,  zwischen  dieser  zeit  und  dem  13  jh.  war  Brendan  nicht 
nur  ein  berühmter  Seefahrer  geworden ,  sondern  auch  der  held 
jener  wunderbaren  erzählung.  diesem  factum  glaubte  ein  ab- 
schreiber  der  Vita  rechnung  tragen  zu  müssen,  und  so  nimmt 
denn  die  hs.  des  13  jhs.  an  zwei  stellen  bezug  auf  die  Navigatio. 
nachdem  erzählt  ist,  wie  Brendan  das  mönchsgewand  aus  den 
bänden  des  bischofs  Erc  empfangen,  heifst  es  weiter  (Moran 
s.  10  z.  6):  Et  multi  relinquentes  saecuhim  hinc  inde  venerum  ad 
ernn  et  fecit  eos  SBrendamis  monachos.  Deinde  cellas  et  mo- 
nasteria  fundavit  in  sua  propria  regione,  sed  tunc  adhuc  non 
plura:  quod  cum  venit  de  navigio  stio  quaerendo  ter- 
ram  repromissionis  sanctorum  tunc  parrochia  ejus 
per  diversas  regiones  Hyberniae  dilatata  est.  dann 
folgt  der  lext  der  Navigatio  SBrendani  und  darauf  heifst  es  weiter: 
Postea  multi  plura  munera  SBrendano  in  Christi  nomine  obtu- 
lerunt  et  alii  relinquentes  huj'us  res  saeculi  fecit  eos  vir  dei  mo- 
nachos et  multa  monasteria  et  cellas  per  diversas  regiones  Hy- 
berniae fundavit,  in  quibus  usw. 

'  die  mittelstufe  zwischen  der  erzählung  in  der  Vita  und  der  Navigatio 
bilden  die  beiden  Zeugnisse  aus  Liber  hymnorum  (oben  s.  130  fl).  sie  er- 
zählen die  episode  wie  die  Vita,  verlegen  sie  aber  auf  die  oceanfahrt  bei 
der  suche  nach  der  terra  repromissionis,  was  ohne  die  Umgestaltung  ein- 
fach unmöglich  wäre. 


294  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

Dass  in  diesen  Zusammenhang  die  7jährige  meerfahrt  Bren- 
dans  absolut  nicht  passt,  sieht  jeder,  und  Moran  hat  sie  auch 
hinausgewieseu;  aber  er  muste  weiter  gehen  und  sowol  die  vor- 
angehenden Worte  von  sed  timc  adhuc  non  plura  an  als  auch  die 
Worte,  mit  denen  wider  in  die  Vita  eingelenkt  wird,  von  Fostea 
bis  fundavü  als  flickarbeit  des  compilators  tilgen,  denn  die  dem 
einschub  vorausgehenden  (Et  multi  relinquentes  saecuUim 
hinc  inde  venerum  ad  eum  et  fecit  eos  monachos,  deinde 
cellas  et  monasteria  fundavit  in  siia  propria  regione)  und 
die  ihm  nachfolgenden  worte  (postea  multi  plura  munera  sancto 
Brendano  in  Christi  nomine  obtulerunt  et  alii  relinquentes 
hiijus  res  saeculi  fecit  eos  vir  dei  monachos  et  multa 
monasteria  et  cellas  per  diversas  regiones  Hyberniae  fun- 
davit) variieren  denselben  satz,  welchen  der  interpolator  in  der 
Vita  an  der  stelle  vorfand,  wo  er  den  einschnitt  machte,  in 
der  Vita  stand  wol  Et  multi  relinquentes  saeciilum  hinc  inde  ve- 
nerunt  ad  eum  et  fecit  eos  sanctus  Brendanus  monachos.  Deinde 
cellas  et  [multa]  monasteria  fundavü  in  sua  propria  regione  et 
patrem,  suum  fecit  monachum  usw.  der  interpolator  schnitt  multa 
weg,  um  mit  den  worten  sed  tum  adhuc  non  plura  die  Inter- 
polation einzuleiten,  an  deren  schluss  er  dann  den  schon  ge- 
gebenen satz  mit  geringer  änderung  wider  aufnahm,  i 

Die  zweite  bezugnahme  in  der  Vita  auf  die  Navigatio  findet 
sich  bei  Moran  s.  22,  13  — 23,  17  (cap.  25  und  26).  Brendan 
spielt  hier  bei  gelegenheit  auf  die  episode  22  (Schröder  s.  29, 
30—31,33)  der  Navigatio  und  in  cap.  26  auf  episode  19  (Schröder 
s.  27,  3  —  35)  desselben  textes  an,  wenn  auch  weniger  deutlich, 
eine  lücke  ist  nirgends  vorhanden,  wenn  die  cap.  25  und  26 
'  für  das  Ungeschick  des  interpolators  zeugt,  dass  er  die  Navigatio  an 
der  nach  der  coniposilion  der  Vita  unmöglichsten  stelle  einschob,  hätte 
er  bis  zu  der  stelle  gewartet,  wo  von  Brendans  peregrinatio  nach  Britannia 
die  rede  ist  (Moran  s.  13,9),  so  hätte  er  ziemlich  unauffällig  den  einschub 
vornehmen  können,  er  brauchte  von  der  Navigatio  nur  die  einleitenden 
capitel  bis  Schröder  s.  6  z.  36  (Habebant) ,  ferner  episode  14  (den  umge- 
stalteten kämpf  der  meerbestien,  Schröder  s.  21,23  —  23,10)  zu  streichen 
und  zum  schluss  den  Brendan  zuerst  zu  Gildas  statt  direct  in  seine  heimat 
gelangen  zu  lassen,  aber  das  ist  ja  gerade  das  characteristische  der  bona 
fide  unternommenen  mittelalterlichen  Interpolationen ,  dass  sie  selten  mit 
raffinement  ausgeführt  sind,  sodass  für  einen  modernen  menschen  schon 
eine  ziemliche  dosis  kritiklosigkeit  den  naiven  glauben  des  mittelalters  er- 
setzen muss,  um  solche  Interpolationen  nicht  zu  sehen. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  295 

fehlten;  und  sieht  man  cap.  24  und  27  näher  an,  so  ergibt  sich, 
dass  zwischen  beiden  in  der  Vita  ursprüngHch  nichts  stehen  konnte. 

Das  resultat  einer  kritischen  betrachtung  der  Vita  sancti 
Brendani  ist  also,  wie  schon  hervorgehoben,  dass  die  zeit,  in 
welcher  die  Vita  entstand,  nichts  wüste  von  jener  hoch- 
berühmten  7  jährigen  oceanfahrt  Brendans,  die  von  der  Westküste 
Irlands  aus  in  den  allantischen  ocean  unternommen  wurde,  um 
die  fabelhafte  terra  reproraissionis  aufzusuchen,  dagegen  kannte 
man  eine  bufsfahrt  Brendans  nach  Britannia  ,  worunter  man  sowol 
Britannia  minor  (Bretagne)  als  major  (Wales  und  Cornwales)  ver- 
stehen kann;  und  auf  dieser  peregrinatio  hatte  Brendan  einige 
abenteuer,  allerdings  keine  wunderbareren ,  als  von  Columba 
dem  älteren  und  anderen  heiligen  erzählt  werden.  immer- 
hin liegt  ein  anhaltspunct  in  dieser  älteren  tradition.  un- 
möglich wäre  es  ja  nicht,  dass  dieselbe  an  wissen  ärmere  und 
mirakelsüchtigere  zeit,  die  den  Ende  von  Aran  zu  einem  söhn  des 
608  gestorbenen  Conall  Derc  umschuf  (oben  s.  206 — 211),  ohne 
weitere  veranlassung  den  Brendan  zu  einem  oceanfahrer  machte, 
und  ein  uns  unbekannter  aulor  die  erzählungen  des  alten  Imram 
Maelduin  auf  Brendan  übertrug  und  so  seine  seefahrt  nach  Bri- 
tannia in  eine  meerfahrt  in  den  ocean  umgestaltete,  in  majorem 
gloriam  dei  et  Brendani.  ich  glaube  jedoch,  dass  aufser  dem 
allgemeinen  anhaltspunct  noch  eine  bestimmte  veranlassung  vor- 
liegt, ein  mis  verstau  dnis  einer  stelle  in  eben  dem 
Imram  Maelduin,  aus  welchem  der  verf.  der  Navigatio  seinen 
Stoff  schöpfte. 

In  episode  30  des  Imram  Maelduin  (oben  s.  169)  wird  er- 
zählt, wie  Maelduin  mit  seinen  gefährten  zu  einer  insel  kam, 
auf  der  sich  eine  kleine  kirche  befand,  in  letzterer  träfen  sie 
einen  alten  kleriker,  der  von  weifsem  haar  bedeckt  war.  Maelduin 
fragte  ihn,  wer  er  wäre:  'ich  bin  der  fünfzehnte  mann  von  der 
(kloster-)familie  des  Brendan  von  Birr;  wir  giengen  auf  unsere 
Wanderschaft  auf  den  ocean ,  bis  wir  zu  dieser  insel  kamen ;  es 
starben  alle  aufser  mir  allein,  und  er  zeigte  ihnen  darauf  den 
büchersack  Brendans,  den  sie  mit  sich  auf  ihre  Wanderschaft 
genommen,  alle  verbeugten  sich  betend  vor  dem  büchersack 
und  Maelduin  küsste  ihn,'  i    der  hier  erwähnte  Brenaind  Birra  ist 

^  der  text   nach  H.  2.  16  col.  386    lautet  —  wobei   die  abweichenden 
lesarten  von  Harleian  5280  fol.  9^  in  klammern  gesetzt  sind  — :  Meisse  an- 


296  KELTISCHE  BEITRÄGE  U 

eiue  von  dem  iräger  der  legende  total  verschiedene  person:  dieser 
ältere  Brendan  war  abt  von  Birr  (heute  Parsonstown  in  Kings- 
counly)  und  starb  nach  dem  Chronicon  Scolorum  565.  der  träger 
der  legende  ist  Breuaind  huaAlla,  der  söhn  des  Finlocha,  ein 
Kerrymaun  aus  der  nähe  von  Tralee,  der  in  Clonfert  (counly 
Galvvay)  ein  kloster  gründete  und  nach  denselben  annalen  576 
starb,  den  todestag  des  Brenaind  Birra  setzt  das  Marlyrologium 
von  Tamlacht  auf  den  9  mai  (LL  361%  10),  während  das  Marly- 
rologium von  Donegal  und  Feiire  den  29  nov.  annehmen ;  den  von 
Brenaind  Cluana  (Brendini  Cluana  Ferta)  verlegen  dieselben  mar- 
tyrologien  (LL  361%  43)  und  Feiire  auf  den  16  mai.  in  dem  Ver- 
zeichnis derjenigen  heiligen,  welche  unins  moris  erant ,  werden 
hinter  einander  zusammengestellt:  Bartholom.  apostolns,  Brendinus 
senior  und  Tomas  a.,  Bren(dinus)  Cluana  Ferta  (LL  375'''^,  8).  in  der 
aufzählung  der  heiligen  Irlands,  die  denselben  namen  trugen  (Co- 
mainmnigud  noem  Brenn  LL  366®),  werden  17  Brenaind  aufge- 
zählt und  zwar  beginnend:  Brenaind  Bir(ra) ,  Br(enaind)  m(ac) 
huaAlta.  —  ferner  ist  in  der  erzählung  des  Imram  Maelduin 
gar  nicht  davon  die  rede,  dass  Brenaind  Birra  die  reise  auf  den 
ocean  mitmachte,  im  gegenteil,  der  Zusammenhang  und  besonders 
die  bemerkung  über  das  polaire  Brendans  von  Birr,  das  sie  (als 
reliquie)  mitnahmen,  zeigt  deutlich,  dass  nur  15  leute  aus  der 
klostergemeinschaft  des  Brendan  von  Birr  auf  einer  insel 
sich  in  die  einsamkeit  vergraben  wollten.  ^ 

In  einem  misverständnis  dieser  stelle  von  Imram 
Maelduin  ist  der  grund  zu  suchen,  warum  mau  in 
dem  9  oder  lOjh.  denBrendan  huaAlta  zum  frommen 

coiced  fer  dhec  dimutit.  Brenaind  Birra  (Biroir)  dodeachommar  (dodeo- 
catar)  diarnailithri  isinocian  condotarla  insanlndsi  (7)  adbathadar  uile 
(moeeile)  acht  messt  amoermr  1  doarfaidh  (tonarfaidh)  doib  iarsin  pol- 
lere (polaire)  Brenaind  doucsat  (romicsat)  leo  dianailitfiri.  rodoslechta- 
tarsom  uile  (nodasensat  iarom)  donpollaire  7  dobert  Mcelduin  poie  dö.  — 
die  Strophe  in  dem  gedieht  lautet: 

Can  duil  arMwldüin  aclerigh  cäi/i  cohidhan. 

Adbert  coglan  doynuntir  dam  Brenaind  Birra, 
woselbst  Harleian  Phirair  für  Birra  hat. 

•  hierauf  bezieht  sich  auch  ungezwungen  die  notiz  im  Marlyrologium 
von  Tallaght  zum  22  märz  Egressio  familie  Brendini  (LL  357'',  31).  das  coie 
fer  dliec  di  muntir  Brenaind  Birra  dodeacliommar  (dodeoeatar) 
im  Imram  Maelduin  kann  ja  nur  durch  egressio  familiae  Brenaind  ge- 
geben werden. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  297 

oceaufahrer  machte,  vveüden  wir  einmal  die  melhode  der 
wechselseitigen  erheilung,  die  in  sprachlichen  Untersuchungen 
ältere  Vorgänge  durch  jüngere,  klar  vor  äugen  liegende  zu  be- 
leuchten sucht,  auf  unsere  frage  an.  Joyce,  ein  kenntnisreicher 
irischer  gelehrter,  fühlt  sich  gedrungen,  in  seinen  Old  celtic  ro- 
mances  (London  1879)  zu  seiner  irrigen  Übersetzung  ('I  am 
one  of  tbe  fifteen  people,  who,  following  the  example  of 
cur  ma  st  er  (III),  Brendan  of  Birra,  saiied  on  pilgrimmage'  usw. 
s.  158)  die  folgende  note  hinzuzufügen  (s.  410):  'I  have  already, 
in  preface  (page  xiii)  spoken  of  the  celebrated  voyage  of  SBrendan 
of  Birra  (Birr,  in  Kings  counly),  undertaken  in  sixlh  Century. 
He  set  out  from  near  Brandon  Mountain,  in  Kerry,  sailing  west- 
wards  into  the  Atlantic  ocean.  He  had  many  Imitators,  who 
ventured  out  on  the  great  ocean  in  their  curraghs  as  pilgrims; 
but  none  were  so  enlerprising  as  himself,  or  met  with  such 
a  variety  of  stränge  land,  if  we  excepl  Maildun  [er  war  also 
imitatorl]  and  the  three  sons  of  O'Corra,  whose  adventures  are 
quite  as  surprising  as  those  of  Brendan.'  die  worte  der  ein- 
leitung  lauten:  'Of  the  Imrama  .  .  .  there  are  only  four  remaining, 
all  very  ancient.  Of  these  the  best  koown  is  'the  voyage  of 
SBrendan'  undertaken  in  the  sixth  Century,  which  was  at  one 
time  celebrated  all  over  Europe.' 

Gibt  man  zu,  dass  ein  kleriker  des  9  oder  10  jhs.  die  klare 
und  leicht  verständliche  stelle  im  Imram  Maelduin  ebenso  mis- 
verstehen  und  beide  heiligen  ebenso  verwechseln  konnte,  wie 
dies  Joyce  tut,  dann  ist  klar,  wie  Brendan  üaAlta  der  träger  der 
profanen  schiffersage  wurde,  las  man  nämlich  aus  der  stelle  von 
Imram  Maelduin  heraus,  dass  Brendan  —  von  dem  eine  seefahrt 
nach  Britannia  mit  einigen  abenteuern  bekannt  war  —  eine  fahrt 
in  den  atlantischen  ocean  gemacht  habe,  dann  liegt  der  schluss 
nahe,  dass  pia  fraus  ihn  auch  im  wesentlichen  dieselben  abenteuer 
erleben  liefs,  welche  sein  nachahmer  Maelduin  durchgemacht 
hatte,  hatte  sich  einmal  die  ansieht  von  einer  oceanfahrt  Bren- 
dans  festgesetzt,  dann  lag  es  im  geisle  jener  zeit,  dass  man  auch 
eine  solche  fabricierte. 

Es  ist  also  Imram  Maelduin  in  doppelter  hinsieht  quelle  der 
erhalteneu  JNavigatio  SBrendani. 

d.  alter  der  Navigatio  SBrendani.  Thomas  Wright 
(SBrandan  s.  vn)  spricht  die  vermulung  aus,    dass  die  lat.  Nävi- 


298  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

gatio  SBrendani  'in  tlie  latter  part  of  llie  eleventh  Century'  ver- 
fasst  sei;  bald  nach  1100  wurde  sie  in  England  und  Frankreich 
bekannt,  auch  ich  möchte  von  vorn  herein  vor  einer  Über- 
schätzung des  alters  des  lat.  textes  warnen.  Hardy,  Descrip- 
tive  catalogue  s.  159  setzt  die  hs.  Vatic.  Reg.  217  ins  9  jh.; 
Moran  hat  diese  hs.  benutzt:  er  sagt  aber  blofs  'referred  by  Hardy 
to  the  9"^  Century'  und  setzt  sie  an  zweite  stelle  in  seinem 
apparat  hinter  die  dem  12  jh.  zugewiesene  Vatic.  hs.  Reg.  481. 
worauf  sich  Hardys  angäbe  gründet,  ist  nirgends  ersichtlich,  wie 
leicht  man  das  alter  irischer  hss.  an  continentalen  gemessen 
überschätzt,  ist  jedem,  der  auf  diesem  gebiet  erfahruugen  ge- 
sammelt hat,  wol  bekannt,  da  nun  die  übrigen  alten  hss.  der 
Navigatio  SBrendani  —  und  zwar  in  stattlicher  zahl  —  erst  dem 

11  und  12  jh.  angehören,  so  muss  ich  die  herkunft  der  ge- 
nannten hs.  aus  dem  9  jh.  schon  aus  diesem  gründe  so  lange 
in  zweifei  ziehen,  bis  würklich  einmal  gründe  oder  urteile  com- 
pelenter  palaeographen  vorliegen,  jedesfalls  reicht  die  einfache 
angäbe  Hardys  nicht  hin ,  um  darauf  mit  irgend  welcher  Sicher- 
heit den  schluss  zu  bauen,  dass  die  Navigatio  SBrendani  im  9  jh. 
vorhanden  war.  auch  andere  momenle  sprechen  dagegen,  wäre 
der  lat.  text  im  9  jh.  in  Irland  entstanden,  so  würde  es  bei 
dem  regen  verkehr  der  Iren  mit  dem  continent  ge- 
rade im  9.  10  und  in  der  ersten  hälfte  des  11  jhs. 
völlig  unverständlich  sein,  dass  aus  dieser  zeit  nicht  zahlreiche 
hss.  der  Navigatio  sollten  auf  dem  continent  vorhanden  sein; 
unverständlich  ferner,  dass  man  200— 300  jähre,  bis  zum  beginn 
des  12  jhs.,  teilnahmslos  in  England,  der  Normandie,  Frankreich 
und  Deutschland  diesem  Stoff  sollte  gegenübergestanden  haben, 
stammt  aber  der  lat.  text  aus  der  2  hälfte  des  11  jhs.,  dann  ist 
begreiflich,   dass   allenthalben  hss.   am   ende   dieses  jhs.  und  im 

12  auftauchen  und  dass  man  sich  im  laufe  des  12  jhs.  des  Stoffes 
für  die  Volkssprachen  zu  bemächtigen  anfieng.  wir  haben  ein 
interessantes  analogon  an  der  Visio  Tnugdali :  der  lat.  text 
wurde  1149  in  Regensburg  geschrieben,  um  1160  hatte  man 
diesen  irischen  wunderstoff  schon  am  Niederrhein  sich  zu  eigen 
und  volkstümlich  gemacht,  und  vor  ende  des  jhs.  wurde  Albers 
oberdeutsches  gedieht  verfasst  (siehe  Wagner,  Visio  Tnugdali 
s.  XL  ff). 

Sucht  man  nun  nach  Zeugnissen  in  der  erhaltenen  irischen 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  299 

lilteratur,  um  die  entstehungszeit  der  Navigatio  SBrendani  näher 
zu  bestimmen,  so  muss  man  meines  erachtens  2  puncte  scharf 
aus  einander  halten:  1)  Zeugnisse  dafür,  dass  dem  Brendan  eine 
ocean fahrt  (navigatio,  imram)  zugeschrieben  wurde  und  ?) Zeug- 
nisse für  den  text  Navigatio  SBrendani.  nicht  alle  Zeugnisse  der 
ersten  gruppe  sind  Zeugnisse  für  das  Vorhandensein  des  bekannten 
lat.  textes,  sie  können  sogar  gegen  dasselbe  zeugen,  denn 
wenn  Brendan  würklich,  wie  ich  im  vorhergehenden  (s.  292 — 297) 
wahrscheinlich  zu  machen  suchte,  auf  gruud  eines  misverständ- 
nisses  im  Imram  Maelduin  zum  oceanfahrer  wurde,  so  folgt 
daraus  doch  nicht,  dass  alsbald  der  bekannte  lat.  text  aus  Imram 
Maelduin  zusammengestellt  wurde,  es  ist  sogar  viel  wahrschein- 
licher, dass  zuerst  seeabenteuer  verschiedener  art  auf  Brendan 
gehäuft  wurden  und  dass  erst,  als  er  unbestritten  als  ocean- 
fahrer galt  und  die  ältere  tradition ,  die  davon  nichts 
wüste,  verdrängt  war,  ein  text  wie  die  lat.  Navigatio  SBren- 
dani entstand. 

1.  weder  ein  zeugnis  für  Brendans  oceanfahrt  noch  viel 
weniger  ein  solches  für  das  Vorhandensein  der  Navigatio  SBren- 
dani ist  die  notiz  im  Martyrologium  von  Tallaght  zum  22märz: 
Egressio  familiq  Brendini  (LL  357'',  31).  diese  notiz  bezieht  sich, 
wie  schon  s.  296  anm.  angegeben,  überhaupt  nicht  auf  unseren 
Brendan  ÜaAlta,  sondern  auf  den  älteren  Brendan  von  Birr.  die 
familia  Brendini,  die  hier  erwähnt  wird,  ist  die  muinter  Bre- 
naind  Birra  im  Imram  Maelduin  (vgl,  s.  295),  und  es  handelt 
sich  nur  um  15  klosterbrUder  des  Brendan  von  Birr,  die  offenbar 
nach  seinem  tode  die  pilgerfahrt  auf  den  ocean  unternahmen 
(dodeochatar  diarnailithri  isinocian  =  egressi  sunt  in  eorum  pere- 
grinatione  in  oceanum).  als  Brendan  UaAIta  zum  oceanfahrer 
geworden  war,  mag  man  diese  notiz  des  Martyrologiums  auf  ihn 
bezogen  haben.  —  ganz  abgesehen  von  dem  entscheidenden 
Zeugnis  im  Imram  Maelduin  sollte  man  erwarten  egressio  Bren- 
dini cum  sua  familia,  wenn  die  notiz  sich  auf  Brendan  UaAIta 
und  seine  berühmte  oceanfahrt  bezöge.  ^ 

2.  demnächst  kommt  die  notiz  in  der  vorrede  zu  ültans 
hymnus  in  den  beiden  hss.  des  Liber  hymnorum  (TCD  fol.  Iß** 
=  FCD  s.  39),  die  oben  s.  130  ff  betrachtet  ist.     die  beiden  hss. 

1  wir  haben  also  hier  ein  zweites  zeugnis  (vgl,  s,  206  — 211)  für  die 
hohe  altertümlichkeit  der  angaben  im  Martyrologium  von  Tallaght. 


300  KELTISCHE  BEITRAGE  II 

stammen  nach  allgemeiner  annähme  aus  dem  ende  des  11  oder 
dem  anfang  des  12  jhs.;  sie  bielen  im  weseullichen  dasselbe 
material  und  zwar  so,  dass  sie  auf  eine  gemeinsame  quelle  zu- 
rückgehen müssen,  aber  nicht  direcle  abschriften  derselben  sein 
können,  wir  werden  daher  ihr  einstimmiges  Zeugnis  als  ein 
Zeugnis  des  11  jhs.,  und  zwar  wol  der  ersten  hälfle  desselben, 
betrachten  dürfen,  beide  Zeugnisse  stimmen  überein  darin ,  dass 
sie  den  kämpf  der  seeungeheuer  schildern  wie  die  Vita  SBren- 
dani;  sie  stimmen  auch  mit  der  letzteren  darin  überein,  dass 
sie  Brendan  alsbald  landen  und  Brigita  besuchen  lassen,  was 
möglich  war,  wenn  das  erlebnis  auf  der  rückfahrt  von  Britannia 
passierte,  nicht  aber,  wenn  es  auf  einer  grofsen  oceaufahrt  sich 
ereignete,  dies  letztere  setzt  aber  das  Zeugnis  in  beiden  hss.  des 
Liber  hymnorum  durch  den  eingang  voraus:  navigans  mare  et 
quaerens  terram  repr^omissioiiis  heifst  es.  die  Übereinstimmungen 
und  Widersprüche  der  3  quellen  (Vita  SBrendani,  Liber  hym- 
norum, Navigalio  SBrendani),  erklären  sich  befriedigend  unter 
einer  annähme:  der  Schreiber  der  gemeinsamen  quelle  des  Liber 
hymnorum  (TCD  und  FCD)  halte  künde  von  einer  meerfahrt 
Brendans  nach  dem  laude  der  verheifsung  und  er  schob  et  quae- 
rens  terram  repi omissionis  in  seine  vorläge  ein,  um  zu  docu- 
menlieren,  dass  er  mit  seinem  wissen  auf  dem  laufenden  sich 
erhalten,  die  consequenz,  dass  er  dann  die  ganze  notiz  hätte 
tilgen  müssen,  darf  man  von  ihm  nicht  verlangen,  die  erzählung 
fand  er  in  seiner  vorläge  und  sie  stand  in  der  Vita  SBrendani: 
grund  genug,  sie  beizubehalten;  dass  Brendan  eine  oceanfahrt 
nach  der  terra  repromissionis  machte,  wurde  zu  seiner  zeit  ge- 
glaubt und  erzählt:  grund  genug,  um  letzteres  in  die  ihm  vor- 
liegende notiz  einzufügen.  1 

Ob  wir  aber  in  der  notiz  der  vorrede  zu  Ultans  hymnus  ein 
Zeugnis  für  das  Vorhandensein  der  Navigatio  SBrendani  suchen 
dürfen ,  ist  mir  mehr  als  zweifelhaft,  wir  werden  unter  4  einige 
Zeugnisse  des  10  oder  gar  9  jhs.  kennen  lernen,  die  von  Bren- 
dans oceanfahrt  nach  der  terra  repromissionis  wissen,  aber  in 
allen   details   der  Navigatio  SBrendani   widersprechen,     die 

^  ebenso  harmlos  lässt  ja  die  Vita  des  Ende  den  heiligen  nach  den 
alten  quellen  von  Oengus  mac  Nadfroich  die  insel  erhalten  und  Giaran  seinen 
Schüler  sein,  während  sie  im  eingang  nach  der  neu  aufgekommenen  tra- 
dition  ihn  zu  einem  söhn  des  608  gestorbenen  Conall  Derc  von  Glochar  na 
mac  nDameine  macht! 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  301 

allgemeine  angäbe  qiiaerens  terram  repromissionis  beweist  nicht 
das  geringste  für  kenntnis  des  auf  uns  gekommenen  textes  der  Na- 
vigatio  SBrendani  bei  dem  Schreiber  des  Liber  hymnorum  im  11  jh. 

3.  etwas  anders  steht  es  mit  der  note  im  Liber  hymn.  FCD 
s.  41  oberer  rand,  wo  die  unter  2  besprochene  notiz  in  irischer 
spräche  bei  erklärung  von  Broccans  hymnus  33  verwendet  wird 
(siehe  oben  s.  1 3 1  ff),  hier  heifst  es  dem  navigans  mare  et  quae- 
rens  terram  repromissionis  entsprechend  6m  Brenaind  vii  bliad. 
formuir  ociarrair  tire  tairngire ;  es  kommt  also  noch  die 
Zeitbestimmung  'sieben  jähre'  hinzu,  allein  diese  note 
fehlt  in  der  anderen  hs.  und  liefert  in  so  fern  nur  ein  Zeugnis 
für  die  zeit,  aus  der  die  hs.  des  Liber  hymnorum  FCD  stammt, 
also  für  das  ende  des  11  oder  den  anfang  des  12  jhs. 

4.  die  so  genannte  litanei  des  Oengus  (LL  373%  13  ff=LBr 
23^  13ff).  sie  enthält  mehrere  Zeugnisse  dafür,  dass 
ihrverf.  unsere  Navigatio  nicht  kannte,  zuerst  werden 
angerufen  (LL  373%  6  v.  u.  ff)  indaailithrech  dec  dianrarnaic  Bre- 
naind innoenfher  ininis  inchnitt  imhethu ,  trifichit  [er  lotar  laBre- 
naind  dochungid  tiri  tairngiri  per  Jesum  'die  zwölf  pilger,  von 
welchen  Brendan  einen  mann  lebend  traf  auf  der  insel  der 
katze;  die  sechszig  mann,  welche  mit  Brendan  giengen,  das  land 
der  verheifsung  zu  suchen,  (rufe  ich  zu  meiner  hilfe)  per  Jesum'. 
von  der  insel  der  katze  und  dem  einen  mann  weifs  die  Navi- 
gatio gar  nichts  und  die  angäbe  der  reisebegleiter  Brendans  steht 
in  directem  Widerspruch  zu  der  Navigatio,  die  nur  die  zahl  14 
kennt.  —  nachdem  noch  eine  weitere  gruppe  angerufen  ist,  fährt 
die  litanei  fort  (LL  373'',  3)  cethrur  arfichit  deMumain  lotar  laAilbi 
forfargi  doathascnani  tiri  tarngiri  ßet  and  imbethaid  cobräth,  in- 
tanchara  forränic  Brenaind  arachind  ilJr  thairngire  cusnahuilib 
noemaib  torchratar  inhuibb  insib  indociain  'die  24  mann  aus 
Munster,  die  mit  Ailbe  auf  den  ocean  giengen,  um  das  land  der 
verheifsung  aufzusuchen;  der  anachoret,  welcher  dem  Brendan 
entgegenkam  im  lande  der  verheifsung,  nebst  allen  heiligen, 
welche  in  schiffen  auf  inseln  des  oceans  umkamen.'  da  Brendan 
nach  Navigatio  11  zu  Ailbe  mit  seinen  24  begleitern  kam,  ist 
klar,  dass  der  verf.  der  litanei  unsere  Navigatio  nicht  kannte,  da 
er  dies  sonst  angegeben  hätte,  der  anachoret,  der  dem  Brendan 
entgegenkam,  passtauch  nicht  zu  dem  juyems,  der  Brendan  und 
seinen  gefährten  entgegenlief  (Schröder  s.  35,  24). 


302  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

Wir  haben  in  der  litanei  das  denkmal  eines  niannes,  der 
mit  den  meerl'ahrten  irischer  heiligen  vorzüglich  vertraut  ist^,  der 
auch  Brendan  als  einen  oceanfahrer  auf  der  suche  nach  der  terra 
repromissionis  kennt:  aber  die  Navigalio  SBrendaui  kennt  er  po- 
sitiv nicht:  alle  angaben,  die  er  macht,  widersprechen 
ihr.  somit  liegt  uns  in  der  litanei  nur  ein  Zeugnis  für  Brendan 
als  oceanfahrer  vor.  leider  sind  wir  nicht  in  der  läge,  das  alter 
dieses  Zeugnisses  so  genau  zu  bestimmen,  als  man  wünschen 
möchte,  für  die  annähme,  dass  die  litanei  von  Oengus  Cele  De 
(um  800)  herrühre,  liegt  keine  spur  eines  anhaltes  vor.  der 
formelhafte  character  schliefst  sprachliche  kriterien  fast  aus.  die 
mittelirische  form  filet  (für  altir.  file),  die  sich  sicher  schon  ende 
des  lljhs.  findet,  kann  dem  Schreiber  zur  last  fallen,  nach 
meinem  gefühl  möchte  ich  das  denkmal  eher  dem  frühen  10  als 
dem  11  jh.  zuweisen.  —  vielleicht  lässt  sich  aus  den  oben  an- 
gefüb>^ten  Worten  cnsnahnilib  noemaib  torchratar  inhuibb  insib  in- 
dociain  ein  kriterium  gewinnen,  s.  134  anm.  habe  ich  für  die 
unverständlichen  worte  inhuibb  insib  die  besserung  innnibb  in- 
insib  'in  schiffen  auf  inseln' vorgeschlagen;  vollständig  befriedigt 
sie  nicht.  Zs.  32,  278  ff  wies  ich  nach,  dass  in  der  vikingerzeit 
das  nordische  wort  eyland  (norw.  öyland)  in  der  form  oilen  ins 
irische  aufnähme  .fand  und  heuligen  tages  noch  gebräuchlich  ist. 
neben  eyland  kennt  das  nordische  das  einfache  ey  (norw.  öy)  in 
gleicher  bedeutung  '  insel'.  dies  konnte  ins  irische  nur  in  der 
form  oi  aufnähme  finden:  'auf  inseln'  müste  heifsen  inuib  resp. 
inhuib.  stand  ursprünglich  in  der  litanei  torchratar  inhnib  indo- 
ciain  'welche  auf  inseln  des  oceans  starben'?  über  dies  ob- 
solete in-huib  schrieb  ein  glossator  insib,  das  von  einem  ab- 
schreiber  in  den  text  aufgenommen  wurde. 

Dann  hätten  wir  ein  zeugnis  dafür,  dass  die  litanei  in  der 
vikingerzeit  entstanden  ist.  die  anrufung  aller  heiligen  und 
gruppen  von  frommen  männern,  die  einst  zur  see  gegangen  um 
gottes  willen,  war  vielleicht  ein  directes  Schutzmittel  gegen  die 
Irland  drangsalierenden  nordischen  Seeräuber. 

5.  LL  283%  14  — 283%  13  (siehe  oben  s.  132  ff J  ist  ein 
Zeugnis  für  Brendan  als  oceanfahrer,  spricht  aber  gegen  unsere 
Navigalio  SBrendani. 

6.  gekannt  und  benutzt  ist  die  Navigalio  in  dem  unter  dem 
•  er  kennt  noch  eine  grofse  reihe. 


KELTISCHE  BEITUÄGE  11  303 

tilel  Iniram  UaCorra  auf  uns  gekommenen  texte  (s.  200  —  203). 
nach  dem,  was  s.  197— 211  ausgeführt  ist,  lässt  sich  daraus 
kein  beweis  erbringen,  dass  die  Navigatio  älter  sein  müsse  als 
das  unter  3  gewonnene  datum. 

7.  das  gedieht  des  Cumin  von  Connor  (siehe  s.  181).  Colgan 
macht  diesen  Cumin  zu  einem  Zeitgenossen  Columbas  des  älteren 
und  lässt  ihn  bis  656  leben,  ohne  jeglichen  grund.  schon  der 
umstand ,  dass  eine  beträchtliche  anzahl  der  von  ihm  besungenen 
heiligen  Zeitgenossen  gewesen  (Coemgen  f  617,  Lachlin  f  622, 
Mochuda  f  636,  ültan  -f  656,  Feichin  von  Fobar  f  664),  macht 
dies  unmöglich,  hinzu  kommt,  dass  auch  bedeutend  jüngere 
heilige  begegnen  wie  der  828  gestorbene  Cellach  mac  Conmaig 
(Strophe  31).  auch  der  geist,  welcher  aus  dem  gedieht  spricht, 
ist  nicht  der  geist  der  irischen  kirche,  wie  wir  ihn  bei  den 
glaubensboten  des  6.  7  und  8  jhs.  finden,  denn  was  weifs  Cumin 
als  das  hervorragendste  von  den  berühmtesten  irischen  heiligen 
zu  erzählen?  Patrick  fastete  von  fastnacht  bis  ostern  (slrophe  1), 
Columba  der  ältere  afs  auf  seiner  pilgerreise  nicht  so  viel  in 
einer  woche,  als  einen  armen  einmal  sättigen  würde  (2),  Feichin 
legte  sich  nackt  in  den  harten  kerker  (5),  Coemgen  stand  lange 
zeit  in  enger  zelle  (12),  Fursa  sang  in  einer  quelle  mit  schnee- 
kaltem Wasser  seine  psalmen  (24),  Jarlathe  machte  300  genu- 
flexionen  jede  nacht  und  300  jeden  abend  (29)  usw.  ein  öder 
catalog  von  selbstpeinigungen  ist  das  gedieht,  das  sollte  herrühren 
von  einem  Zeitgenossen  und  engeren  landsmaun  jener  Aidan,  Finan 
und  Colman,  von  deren  Christentum  uns  kaum  80  jähre  später 
ßeda  eine  glänzende  Schilderung  entwirft  in  der  Historia  eccle- 
siastica  gentis  Anglorum  1  dieser  von  dem  der  ältesten  irischen 
kirche  abweichende  geist  spricht  sich  auch  in  dem  bedeutuugs- 
wandel  aus,  den  ein  viel  gebrauchtes  wort  des  gedichtes  aufweist, 
das  wort  crabud.  dasselbe  (=  kymr.  crefydd)  bedeutet  in  der 
altirischen  glossensprache  'glaube,  welcher  beruht  in  frömmig- 
keit,  religiosilät.'  zu  den  Worten  quodsi  invicem  mordetis  et  com- 
editis  videte  ne  ab  invicem  consumamini  (Gal.  5,  15)  lautet  der 
irische  commentar  mabeith  mtduthracht  et  dJgal  lacäch  uäib  dia- 
lailiu,  beith  formenme  and  arnafoircnea  forcrabud  and  ./.  hibar- 
peccad  cenaith'rgi  'wenn  jemand  von  euch  feindliche  gesinnung 
und  räche  gegen  einen  anderen  hegt,  so  sei  euer  sinn  darauf 
gerichtet,   dass   euer  crahud  dabei    nicht    endige  (in  die  brüche 


304  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

gehe)  dli.  (dass  ihr  bleibt)  in  eurer  süode  ohne  biifse'  Wb.  20\ 
12.  13;  zu  si  caritatem  autem  non  habeam  f actus  sunt  velut 
aes  sonatis  (1  Corinther  13,2)  steht  die  glosse  crabud  cendesercc 
'crabnd  ohne  liebe'  Wb.  12'',  27;  zu  Hebr.  5,  12  rursus  indigetis 
ut  vos  doceamini  quae  sint  elementa  exordü  sermonum  dei 
findet  sich  die  lat.-irische  erklärung  ./.  inüium  fidei ./.  abgitir  cra- 
baith  7  fidei  ./.  ruda  documenta  fidei  ./.  ataid  inhiris  (Wb.  33°,  13) 
dh.  das  abc  des  crabud,  welches  nach  der  vorangehenden  glosse 
die  gratia  und  nicht  die  lex  ist:  das  'aus  gnaden  seid  ihr  selig 
geworden'  ist  abc  des  crabud;  MI.  36*^,  24  endlich  steht  zu  den 
Worten  nam  sanctus  David  pro  zelo  religionis  et  devoto  in 
deo  animo  persequebatur  simulacra  die  Übersetzung  aret  imchrabud 
'aus  eifer  um  den  crabud'.  dies  wort  crabud  findet  sich  in  dem  ge- 
dieht des  Cumin  nicht  weniger  als  dreizehnmal  in  klarer  und 
feststehender  bedeutung:  dass  Brigita  wachte  und  früh  aufstand, 
wird  crabud  genannt  (slrophe  3);  dass  Feichin  sich  ohne  kleidung 
in  eine  harte  (steinige)  zelle  legte,  das  spricht  dafür,  dass  sein 
crabud  nicht  unecht  war  (5);  dass  Coemgen  jähre  lang  in  enger 
zelle  stand,  ist  crabud  {\T)',  Fursa  bewies  wahren  crabud  dadurch, 
dass  er  in  schneekaller  quelle  stehend  die  psalmen  sang  (24); 
Cainnech  heifst  Cainnech  des  crabud,  weil  er  in  wilder  einsamkeit 
lebte  (14),  Mochuda  aus  dem  gründe,  weil  niemand  vor  ihm  halb 
so  viel  tränen  vergossen  wie  er  (19).  kurz,  crabud  ist  'tötung 
des  fleisches,  Selbstkasteiung',  'mortification'  wie  Kelly  übersetzt; 
in  Strophe  31  heifst  es  geradezu  von  Cellach  mac  Conmaig,  dass 
crabud  sein  fleisch  peinigte  (crabud  rochräid  acholainn). 

Der  verf.  des  gedichls  kann  unmöglich  gleichaltrig,  ge- 
schweige denn  älter  als  die  urheber  der  angezogenen  irischen 
commentare  zu  den  Paulinischen  briefen  und  den  psalmen  ge- 
wesen sein;  und  da  man  auch  den  einwand  nicht  erheben  kann, 
dass  die  verschiedenen  Verfasser  verschiedenen  lebenskreisen  an^ 
gehörten  —  sie  waren  alle  kleriker  — ,  so  kann  der  bedeutungs- 
wandel  nur  in  dem  veränderten  Christentum  begründet  sein,  wir 
werden  also  durch  äufsere  gründe  —  Cellach  mac  Conmaig  -{-828  — 
sowie  verschiedenartige  innere  indicien  dahin  geführt,  dass  das  ge- 
dieht frühestens  in  der  zweiten  hälfte  des  9jhs.  entstanden  ist. 
es  kann  aber  auch  jünger  sein. 

Was  folgt  nun  aus  dieser  Brendan  betrefTenden  Strophe  in 
dem  gedieht  des  Cumin  von  Connor  für  die  frage  nach  dem  alter 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  305 

der  sage  von  Brendans  oceanfahrl  ins  land  der  verheifsung  und 
für  die  frage  nach  dem  alter  der  Navigatio  SBrendani?  nichts  und 
doch  sehr  viel:  eine  genaue  betrachtung  der  Strophe  ergibt,  dass 
Cumin  von  Connor  von  beiden  nichts  weifs.  die 
Strophe  lautet  wörthch  (siehe  oben  s.  181):  'Brendan  liebte  an- 
dauernde abtötung  (kasteiung,  craftwdj  gemäfs  dem  beschluss 
der  synode  und  Versammlung:  7  jähre  war  er  auf  dem 
rücken  des  walfisches ,  es  war  ein  schlechter  (dh.  mit  plage  ver- 
bundener) vertrag  die  Vorschrift  der  kasteiung  (incoir  chrabaid)'. 
was  hat  der  beschluss  der  synode  und  Versammlung  mit  Brendans 
fahrt  nach  der  terra  repromissionis  zu  tun?  wo  lesen  wir,  dass 
diese  fahrt  eine  bufsfahrt  gewesen?  brachte  denn  Brendan  würk- 
lich  7  jähre  auf  dem  rücken  des  walfisches  zu  ?  nichts  von  all 
dem.  erinnern  wir  uns  der  tatsache,  dass  Columba  dem  altern 
durch  die  synode  von  Teltown  die  bufse  auferlegt  wurde ,  aufser- 
halb  Irlands  zu  gehen,  und  erinnern  wir  uns,  was  in  der  Vita 
SBrendani  (Moran  s.  12,  25tf)  von  Brendan  erzählt  wird,  dann 
ist  die  Strophe  in  Cumins  von  Connor  gedieht  klar. 

Ein  junger  klosterbruder  Brendans  war  nicht  ohne  schuld 
des  letzteren  gestorben.  Demde  sanctus  Brendanns  de  morte  ipsius 
fratris  timuit  dominum,  putans  seipsum  Ulms  interfectorem ,  et 
interrogavit  viros  sanctos  inde  verbum  promere.  Qui 
dixerunt  ei:  vade  ad  sanctam  dei  prophetissam  Ytam  nutricem  tuam 
et  ipsa  dicet  tibi  quid  te  oportebit  facere.  Dixitque  ei  sancta  Yta : 
fac  aliquo  tempore  peregrinationem  quod  habeas  in  morte 
illius  culpam  et  praedica  hominibus  et  ducas  alias  animas 
deo.  Postea  navigavit  sanctus  Brendanus  in  peregrinatione  ad  Bri- 
tanniam  usw.  dies  ist  der  grund  von  Brendans  bufsfahrt  nach 
Britannia.  könnte  nicht  eine  version  existiert  haben,  wonach 
die  sancti  viri,  die  Brendan  um  ihr  urteil  angieng,  selbst  das 
urteil  gefällt  haben  ?  und  dass  Brendan  nach  beschluss  derselben 
(doreir  senuid  is  samuid)  eine  bufsfahrt  unternommen  und  sich 
7  jähre  auf  dem  rücken  eines  walfisches  (statt  in  einem  kahn) 
an  der  küste  umhergetrieben  habe  in  ausführung  dieser  bufsfahrt? 
auf  eine  solche  legende  weist  die  oben  s.  181  schon  kurz  er- 
wähnte notiz  aus  dem  Leben  des  heiligen  David ,  des  national- 
heiligen von  Wales,  unter  den  wundern  des  hl.  David  wird 
folgendes  erzählt  i:  Alio  quoque  tempore,  cum  quidam  Hybernensium 
'  Acta  sanctorum  märz  i  44  note  d.  dasselbe  wird  mit  geringfügigen 
Z.  F.  D.  A.    XXXIII.    N.  F.   XXI.  20 


306  KELTISCHE  BEITRÄGE  11 

abbas,  Barre  nomine,  sanctornm  aposlolornm  Petri  et  Pauli  Romae 
limina  visitasset,  peracto  voto  reversus,  sanctnm  visitat  virum:  ibi 
aliquantnlum  temporis  in  coUoqniis  divinis  moratus,  praepedita 
ventornm  indigentia  navi,  qua  patriam  revisere  paraverat,  longiori 
tardabatur  mora.  Timens  vero,  ne  in  sua  congregatione  absente 
abbate  contentiones  exorirentur,  sollicita  perscrutatns  mente,  mira- 
bile  invenit  iter.  Nam  equum,  in  quo  s.  pater  Devvi  ad  ecdesiasticas 
ulilitates  insidere  consueverat,  petivit  concessumque  accepit :  accepta- 
que  patris  benedictione  portum  petit,  mare  intrat,  ac  sustentaculo 
equi  utitur  pro  navi.  Equus  enim  tumentes  fluctuum  tumulos 
velut  planum  peragebat  campum.  Cum  autem  in  m,are  longius 
grader etur,  apparuit  ei  SBrendanus,  qui  super  marinum, 
cetum  mir  am  ducebat  vi  tarn.  Sanctus  autem  Brendanus 
hominem  in  mari  videns  equitantem  stupef actus  ait:  Mirabilis 
deus  in  sanctis  suis.  Salutantibus^  mutuo,  Brendanus  rogat,  unde 
esset  et  a  quo  venisset  et  quali  modo  in  mari  equitasset.  Cui  Barre 
singula  narrans,  quod  benedictione  SDevvi  munitus  et  quod  per 
ipsius  eqmi?n  talem  ingressus  sit  viam  ostendit.  Cui  Brendanus:  vade, 
inquit,  in  pace;  ego  veniam  et  videbo  eum.  Barre  autem 
illaeso  gressu  ad  patriam  rediit.  da  SDavids  head  der  der  süd- 
ostküste  Irlands  nächst  gelegene  punct  von  Wales  (Pembrokeshire) 
ist  und  der  heilige  Barre  nur  der  Schutzpatron  gleichen  namens 
(Barre,  Barrind)  von  Cork  in  süd-Irland  oder  Barrind  von  Drum- 
cuUen  in  Kings  county  sein  kann^,  so  ist  klar,  dass  Brendan  an 
der  Südküste  von  Irland  und  zwischen  süd-Irland  und  Wales  das 
leben  auf  des  walfisches  rücken  führte,  dass  es  sich  also 
tatsächlich  um  eine  andere  version  der  in  der  Vila 
erzählten  bufsfahrt  handelt. 

Es  liegt  somit  in  dem  gedieht  des  Cumin  von  Connor  kein 
Zeugnis  für  Brendans  fahrt  nach  der  terra  repromissionis  vor 
und  noch  weniger  ein  solches  für  das  Vorhandensein  unserer 
Navigatio  SBrendani. 

Gesammtergebnis  aus  punct  1  —  7  wäre  also:  es  existiert  kein 
einiger  mafsen  sicheres  zeugnis  dafür,  dass  der  text  Navigatio 
SBrendani  vor  der  mitte  des  11  jhs.  entstanden  ist;  eine  reihe 
abweichungen  auch  in  der  Vita  beati  David  eizälilt,  die  in  den  Lives  of  the 
cambro- british  saints  s.  117 — 144  gedruckt  ist,  s.  132  ff. 

•  die  hs.  der  Cambro-brilish  saints  hat  vor  salulaiitibus  den  satz:  eques 
appropinquabal  übt  erat  ita  ut  salutare  se  invicem  possent. 

2  auf  beide  komme  ich  im  weiteren  verlauf. 


KELTISCHE  BEITRAGE  11  307 

vou  Zeugnissen  (4  und  5)  bietet  so  direct  widersprechende  an- 
gaben, dass  der  text  im  9  und  10  jh.  nicht  kann  bekannt 
gewesen  sein,  die  Navigatio  setzt  die  oben  s.  206  —  211  nach- 
gewiesene identification  des  Ende  von  Aran  mit  Ende,  dem  söhn 
des  Conall  Derc  UaCorra  voraus;  da  nun  das  Martyrologium  von 
Tallaght  (letzte  eintragung  Coirpre  Crom  t899)  diese  identification 
nicht  kennt,  sondern  noch  den  richtigen  tatbestand  vermerkt,  so 
kann  dieselbe  nicht  vor  der  ersten  hälfte  des  10  jhs.  geltung 
erlangt  haben :  also  auch  von  der  seite  würden  der  annähme  des 
Vorhandenseins  der  Navigatio  in  viel  früherer  zeit  als  eben  be- 
hauptet hindernisse  im  wege  stehen. 

Dagegen  haben  wir  für  die  vikingerzeit,  also  vielleicht 
schon  für  die  zweite  hälfte  des  9  jhs.  Zeugnisse,  dass  man  Bren- 
dan  eine  oceanfahrt  auf  der  suche  nach  der  terra  repromissionis 
zuschrieb. 

e.  composition  der  Navigatio  Sßrendani.  nur 
einige  der  in  der  Untersuchung  verstreuten  tatsachen  sind  zu- 
sammenzustellen, s.  176  — 181  ist  gezeigt,  dass  sämmtliche 
episoden  der  Navigatio  mit  ausnähme  von  9  (Jasconius)  und  14 
(kämpf  der  beiden  meerungetüme)  aus  dem  alten  Imram  Maelduin 
in  mehr  oder  weniger  freier  weise  herausgearbeitet  sind,  das 
ganze  kirchliche  gepräge  ist  eigentum  des  verf.s  und  bedingte 
auch  vielfach  die  Umgestaltung  der  profanen  erzählung.  neben 
dieser  hauptquelle  wurden  sonstige  christliche  sagen  der  Iren 
benutzt:  so  zb.  wurde  aus  Imram  Maelduin  19.  20  verbunden 
mit  der  sage  von  Ailbes  oceanfahrt  nach  der  terra  repromissionis 
(LL  373^3,  oben  s.  301)  episode  11  hergestellt  (vgl.  auch  s.  202). 
seeabenteuer,  die  von  Brendan  so  gut  wie  von  anderen  irischen 
heiligen  erzählt  wurden,  erfuhren  solche  Umgestaltung,  dass  sie 
Verwertung  finden  konnten:  daher  stammt  episode  14,  deren 
ältere  fassung  in  der  Vita  und  in  2  hss.  des  Liber  hymnorum  vor- 
Hegt  (vgl.  s.  130  ff.  299  ff),  und  episode  9  (Jasconius),  deren 
ältere  version  wir  eben  s.  305  (vgl.   s.  181)  erörterten. 

Es  ist  klar,  dass  in  der  älteren  version  der  episode  9  bei 
dem  walüsch  (cetus  marinus,  mU  mur)  weder  an  den  leviathan 
noch  an  den  midgardsormr  gedacht  werden  darf.  Brendan  fährt 
oder  reitet  eben  auf  einem  seeungetüm  wie  Barre  auf  dem  ross. 
ein  solches  reiten  auf  einer  bellua  marina  wird  aber  nicht  allein 
Brendan,   sondern   auch  anderen  heiligen  Irlands  zugeschrieben. 

20* 


308  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

so  vveifs  die  Vita  des  hl.  David  (AA  SS  märz  i  43)  zu  melden, 
dass  ein  engel  den  heiligen  Aidan,  der  einst  SDavids  schüler  ge- 
wesen, aufforderte,  seinen  condiscipulus  Scuthin  ans  ufer  zu 
schicken,  um  eine  botschaft  an  SDavid  zu  bringen;  Scuthinus 
tut  es:  mare  intrat  ad  genua,  accipiens  antem  eum  bellua  trans- 
vexit  in  die  nähe  von  SDavids  aufenthalt.  dasselbe  erzählt  auch 
die  in  den  Cambro- british  saints  s.  102 — 116  gedruckte  Buchedd 
Dewi  Sant:  Sef  aortic  y  sant  tristem  ac  wylaw.  Arglwyd,  heb  ef,  pa 
delw  yd  anuonafi  gennat  yno ,  mor  vyrr  yw  yr  oet,  ac  emae  nyt 
oes  long  yn  harawt  val  y  galler  y  chaffel.  Anuon  di ,  heb  yr 
agel,  dy  gytdysgybyl  nyt  amgen  Scuthyn  hyt  y  traeth,  a  mi  abaraf 
idaw  vyned  drwod.  Sef  aoruc  Scuthyn  yn  laioen  gwneuthur  yd 
oedit  yn  erchi  idaw.  a  dynot  parth  artraeth  a  cherdet  yn  y 
dwfyr  racdaio  yn  y  doeth  y  dwfyr  idaw  hyt  y  linyeu,  ac  yn 
deissy  fyt  llynia  aghenmul  or  mor  yn  y  cymryt  ar 
y  y^fyn  ,  ac  yn  myned  ac  ef  drwod  yny  vu  ar  y  tir 
arall  'der  heilige  (Aidan)  wurde  traurig  und  weinte,  herr, 
sagte  er,  wie  soll  ich  einen  boten  dorthin  senden,  da  die  zeit 
kurz  ist,  und  kein  schiff  ist  bereit,  um  es  zu  erlangen,  sende, 
sagte  der  engel,  deinen  niitschüler  Scuthin  zum  Strand  und  ich 
will  für  ihn  sorgen,  dass  er  hinüber  kommt.  Scuthin  tat  freudig, 
was  von  ihm  verlangt  wurde,  und  gieng  zum  strande  und  gieng 
in  das  Wasser  vorwärts,  bis  es  an  seine  knie  reichte,  und  wie 
auf  befehl  war  ein  ungeheuer  aus  der  see  da,  um 
ihn  auf  seinen  rücken  zu  nehmen  und  mit  ihm  hin- 
über zugehen,  bis  er  am  anderen  (jenseitigen)  lande 
war.'  hier  ist  die  Situation  derjenigen  gleich,  in  der  sich  der 
heihge  Barre  (siehe  s.  306)  befand :  dieser  setzte  auf  dem  rücken 
eines  rosses  von  SDavids  head  nach  Irland  über,  der  heilige 
Scuthin  auf  dem  rücken  eines  meeruugetüms  von  Irland  nach 
SDavids  head.  andererseits  ist  die  welsche  bezeichnung  der  bellua 
identisch  mit  der  irischen  bezeichnung  des  cetiis  marinus,  auf 
dessen  rücken  Brendan  fuhr:  aghenmul  =  neuk^mr.  anghenfil  ist 
das  'ungeheure  füas^j  mir  und  irisch  mH  mör  ist  das  'grofse 
mU  (tier)'.  es  ist  gewis  nicht  unmöglich,  dass  die  bewohner 
der  überall  von  see  umgebenen  grünen  insel,  die  zu  gasconna- 
den  neigen,  in  einem  mirakelsüchligen  Zeitalter  ohne  weiteren 
anlass  auf  den  gedanken  kommen  konnten,  einzelne  heilige 
auf  einem  ross  oder  dem  'grofsen  tier'  zwischen  Wales  und  süd- 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  309 

Irland  verkehren  zu  lassen,  vielleicht  liegt  auch  eine  directe  ver- 
anlassung zu  diesen  erfindungen  vor.  die  nordische  spräche  ist 
bekanntlich  besonders  reich  an  poetischen  Umschreibungen  (ken- 
ningar)  für  alles,  was  eng  mit  dem  leben,  dem  treiben  und  den  an- 
schauungen  der  Nordleute  zusammenhängt,  so  kommt  denn  auch 
eine  erstaunliche  fülle  solcher  poetischen  ausdrücke  für  'schiff' 
vor  (Süorra  Edda  i  441 — 447):  es  wird  hestr  (hengst),  marr  der 
See  genannt,  dyr  des  sundes ,  hreinn  usw.  den  tiefgreifenden 
einfluss  des  vikingerzeitalters  auf  spräche  und  sage  der  Iren 
habe  ich  Zs.  32,  196 — 334  in  grofsen  strichen  zu  zeichnen  ver- 
sucht; auf  ein  weiteres  nordisches  lehnwort  habe  ich  oben 
s.  302  hingewiesen,  wenn  nun  diese  Nordleute ,  die  nicht  blofs 
Irlands  küsteu  plünderten,  sondern  sich  an  vielen  platzen  dauernd 
niederliefsen  und  mit  Iren  in  engen  verkehr  traten,  von  den 
'hengsten,  rossen'  und  'grofsen  tieren'  redeten,  mit  denen  sie 
von  Hördaland  nach  Irland  kamen,  konnte  dies  nicht  einem  Iren 
des  vikingerzeitalters  anlass  geben,  seine  heiligen  des  5  und 
6jhs.,  die  ebenfalls  das  meer  durchfuhren,  mit 'rossen'  und  von 
gott  gesandten  'grofsen  tieren'  statt  mit  dem  zerbrechlichen  curach 
auszustatten  ? 

Wie  dem  auch  sei,  so  viel  steht  fest,  dass  die  Jasconius- 
geschichte  in  der  Navigatio  SBrendani  eine  zu  bestimmtem  zweck 
vorgenommene  Umgestaltung  des  älteren  sagenzugs  ist,  wonach 
man  Brendan  sich  auf  dem  rücken  eines  walfisches  an  der  küste 
von  Süd -Irland  und  zwischen  Irland  und  Wales  umhertreiben 
liefs.  dass  bei  dieser  Umgestaltung  des  11  jhs.  die  kirchliche 
sage  vom  leviathan  eine  rolle  gespielt  hat,  ist  auch  mir  wahr- 
scheinlich, um  so  mehr  als  der  leviathan  in  einem  sehr  alten, 
seiner  spräche  nach  dem  7  oder  8  jh.  angehörigeu  sagentext  schon 
vorkommt,  in  Orgain  brudne  DaDerga  (Lü  83*— 99').  als  die  flotte 
der  söhne  des  Dond  Desai  ans  land  stiefs,  wankte  die  bürg  des 
DaDerga  und  die  speere  fielen  klirrend  von  den  wänden,  'welche 
Vermutung,  o  Conaire,  hast  du  über  dies  getöse?'  'keine,  aufser 
dass  der  Levidän,  der  die  weit  umgibt,  seinen  schwänz  schlägt, 
um  die  weit  auf  den  köpf  zu  stellen  (manid  inteuidUn  timchella  in- 
domon  adchomaic  aerball  dothöchur  inhetha  tarachend),  oder  die  barke 
der  söhne  des  Dond  Desa  ans  land  stiefs'  (LU  85'',  18  —  23). 

^  eine  inhaltsangabe  und  analyse  des  textes  habe  ich  Zs.  f.  vgl.  sprachf. 
28,  554  —  585  gegeben. 


310  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

Kein  anhält  liegt  dafür  vor,  dass  der  verf.  der  Navigatio 
SBrendani  die  Umgestaltung  des  älteren  sagenzuges  vorgefunden 
habe;  sie  ist  also  sein  werk  ebenso  wie  die  Umarbeitung  der 
aus  Imram  Maelduin  entnommenen  episoden.  die  schon  vor- 
handene combination ,  dass  Ende  von  Aran  identisch  sei  mit  Ende 
dem  oceanfahrer  (s.  206  ff),  benutzte  der  verf.  der  Navigatio 
geschickt,  um  einen  zug  im  Imram  Maelduin  nachzuahmen  (vgl. 
s.  211). 

Wenn  man,  wie  ich  glaube  wahrscheinlich  gemacht  zu 
haben,  erst  in  der  zweiten  hälfte  des  9  jhs.  oder  gar  im  10  jh. 
dazu  kam,  dem  Brendan  eine  meerfahrt  nach  der  terra  repro- 
missionis  zuzuschreiben,  und  wenn  erst  in  der  zweiten  hälfte 
des  11  jhs,  ein  versuch  entstand,  diese  oceanfahrt  zu  schildern 
—  unsere  Navigatio  SBrendani  — ,  so  ist  natürlich,  dass  in  der 
Zwischenzeit  einzelepisoden  in  diese  oceanfahrt  verlegt 
wurden:  aus  ihnen  darf  man  nicht  ohne  weiteres  das  Vorhanden- 
sein einer  gröfseren  erzählung  folgern,  als  teile  einer  solchen 
dürfte  man  sie  nur  dann  betrachten,  wenn  eine  oceanfahrt 
Brendans  nach  der  terra  repromissionis  aus  älterer  zeit  bezeugt 
wäre  und  zugleich  eine  erzählung  davon,  von  diesem 
standpunct  aus  werden  wir  uns  nicht  wundern,  dass  uns  episoden 
von  einer  oceanfahrt  Brendans  überliefert  sind,  die  der  verf.  der 
Navigatio  nicht  benutzt  hat:  er  schuf  eben  ein  gebäude  aus  dem 
ihm  zu  geböte  stehenden  steinen,  eine  solche  episode  ist  Bren- 
dans zusammentreffen  mit  dem  einsiedler  auf  der  insel  der  kalze 
(in  der  litanei  LL  373%  6  v.  u.  und  ausführlich  LL  283%  14  bis 
283M3;  vgl.  oben  s.  132  ff). 

Noch  einen  zug  der  Navigatio  SBrendani  möchte  ich  hervor- 
heben ,  in  welchem  der  verf.  z.  l.  in  nachahmung  der  profan- 
erzählungen  von  der  kirchlichen  anschauung  abwich,  der- 
selbe geist,  der  im  anfang  des  4  jhs.  einzelne  allein  oder  in  ge- 
meinschaft  mit  gleichgesinnten  in  die  egyptische  wüste  trieb,  der 
im  5  jh.  in  Italien  und  Frankreich  das  klosterleben  hervorrief, 
beherschte  die  älteste  irische  kircbe  in  besonders  hohem  grade, 
was  den  Egyptern  und  Syrern  die  wüste,  das  ist  den  Iren  das 
meer.  so  finden  wir  denn  schon  in  der  ältesten  zeit,  im  5  und 
6  Jh.,  neben  anachoreten  und  klüstern  auf  den  inseln  in  den 
zahlreichen  irischen  seen  einen  drang  in  der  irischen  kirche, 
sich  zum  zweck  beschaulichen  lebens  auf  die  zahlreichen  kleineren 


KELTISCHE  BEITRÄGE  U  311 

inseln  zurückzuziehen,   die  Irlands   küste   in  gröfserer   oder  ge- 
ringerer entfernung  namentlich  im  Südwesten,  westen  und  nord- 
westen  umgeben,    je  mehr  diese  bevölkert  wurden,  um  so  mehr 
wurden  einzelne  verlockt  weiter  zu  ziehen  •:  so  gelangte  man  im 
6.  7.  8jh.  nach  den  Hebriden,  Orkneys,  Schetllandsinseln ,  Fser- 
oern  und  gar  nach  Island  (vgl,  Zs.  32,  230  ff  und  die  dort  ange- 
gebene lilteratur;   oben  s.  216  ff  und   die  zahlreichen  Zeugnisse 
der   litanei    LL  373^%  13  ff),    viele  werden  in  den  gebrechlichen 
cnrachs   von   den  wogen   des   oceans   verschlungen  worden   sein, 
und  keine  künde  von  ihnen  gelangte  mehr  in  die  heimat.    diese 
liefs   die   heidnisch -christliche    anschauung   jener    zeit  auf  den 
inseln  der  wonnen  im  fernen  ocean  angekommen  sein,  die  man 
zu  einem  irdischen  paradies  umgestaltet  hatte  (siehe  abschnitt  C 
s.  257  —  288,  besonders   s.  280  —  288).     hier  erwarteten  sie  in 
glückhchem  dasein    den  tag  des  gerichts.     diese  pilgerfahrten  in 
den  ocean  auf  nimmerwiderseheu  betrachtete  mau  als  reisen  nach 
dem   'lande   der  verheifsuug'   (tlr  tairngiri),   wie   in  christlicher 
umdeutung  (siehe  oben  s.  285  ff)    das  'gefilde   der  lebenden'  (ttr 
namheö)  genannt  wurde,    so  weifs  denn  die  oft  angezogene  litanei 
von  den  24  Munsterleuten ,  die  mit  Ailbe  auf  den  ocean  (fairge) 
giengen,   'um   ins   land    der  verheifsung   zu  gelangen'   (doathas- 
cnam  tlre  tairngeri),   dass   sie  dort  (and  dh.  im  lande  der  ver- 
heifsung)  sind   am   leben  (imbethaid)   bis   zum  jüngsten   gericht 
(cohräth)   LL  373'',  2  ff .   —   wurde   nun    Brendan   am   ende   des 
9  oder  zu  beginn  des  10  jhs.  zu  einem  oceanfahrer,  so  lag  eine 
doppelte   möglichkeit  der  entwickelung  vor:    entweder  man  liefs 
Brendan   wie  Ailbe    und   andere   heiligen   eine   reise   nach   dem 
lande  der  verheifsung  auf  nimmerwiderseheu  unternehmen,  oder 
man  schloss  sich   näher  an    die  ältere  Überlieferung  an,   indem 
man  an  stelle  der  bufsfahrt  eine  oceanreise  nach  dem  lande  der 
verheifsung  treten  liefs,  von  der  Brendan  heimkehrte,    für  beide 
anschauungen  liegen  in  der  litanei  und  sonst  Zeugnisse  vor.    in 
directem   anschluss  an   die  anrufung   Ailbes   und  seiner   24  ge- 
nossen folgt  in  der  litanei  die  bitte  an  den  anachoreten ,  'welcher 
dem  Brendan  entgegen  kam  im  lande  der  verheifsung'  (LL  373^ 
8.  9).     in   der  geschichte  von   dem    einsiedler  auf  der  insel  der 

^  vom  heiligen  Cormac,  einem  Zeitgenossen  Golumbas  des  älteren,  weifs 
Adamnan  zu  melden  qui  tinbus  non  minus  vieibus  eremum  in  oceano  la- 
boriose  quaesivit  nee  tavien  invetiit  (i  6). 


312  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

kalze  (LL  2S3%  14— 283\  13),  die  dem  verf.  der  litanei  ebenfalls 
bekannt  ist  (LL  373%  6  v.  u.),  wird  ausdrücklich  angegeben,  dass 
Brendan  die  geschichte  selbst  erzählt  habe  (conidhe  Brenaind 
adfet  mscelsm) ;  er  muss  also  zurückgekehrt  sein,  der  verf.  der 
Navigatio  schloss  sich  der  letzteren  anschauung  an,  und  hierbei 
mag  mit  bestimmend  gewürkt  haben,  dass  auch  der  held  der 
erzählung,  die  er  in  so  ausgibiger  weise  benutzt,  nämlich  Mael- 
duin,  vvolbehalten  heimkehrt:  beide  haben  nur  die  drei  nach- 
träglich hinzugekommenen  genossen  eingebüfst. 

Ohne  nachgewiesenes  vorbild  ist  in  der  Navigatio  SBren- 
dani  blofs  die  einleitende  Barrindusepisode,  die  den  grund  zu 
Brendans  meerfahrt  angibt.  Barrindus  oder  Barindus,  wie  die 
hss.  A  und  B  bei  Moran  haben,  ist  ein  irisches  Bairrind,  Bar- 
rind (Bairritm,  Barrinn), welches  eine  mehr  phonetische  Schreibung 
repräsentiert  für  historisch-etymologisches  Barrfind.  es  bedeutet 
'caesarie  (barr)  pulcher  (find),  an  haupthaar  herlich'  und  ist  der 
bedeutung  nach  identisch  mitFmrfftarr 'herliches  haupthaar  habend': 
indische  terminologie  würde  Barrind  tatpurushacompositum  und 
Findharr  ein  bahuvrihi  nennen. 

Diese  identität  der  namen  Barrind  und  Findbarr  spricht  sich 
auch  darin  aus,  dass  die  träger  derselben  bald  mit  dem  einen 
bald  mit  dem  anderen  genannt  werden,  und  träger  dieses  namens 
gibt  es  unter  den  irischen  heiligen  viele,  hierzu  kommt  noch 
ein  weiteres:  für  den  vollnamen  Barrind  oder  Findbarr  treten 
vielfach  koseformen  ein ,  die  sowol  von  dem  ersten  als  dem 
zweiten  gliede  des  compositums  gebildet  werden,  so  heifst  Bar- 
rind, der  patron  von  Cork,  dessen  tag  das  Martyrologium  von 
Tallaght  auf  den  25  sept.  ansetzt  (Barrind  Corcaige  LL  363%  44), 
in  dem  gedieht  des  Cumin  von  Connor  mit  kosenamen  Barre 
(O'Kelly,  Calendar  of  saints  s.  165);  ebenso  in  der  lat.  Vita  des 
hl.  David  (oben  s.  306) ,  so  fern  an  letzterer  stelle  nicht  an  Bar- 
rind von  Drumcullen  in  Kings  county  zu  denken  ist.  anderer- 
seits wird  in  Adamnans  Leben  Columbas  des  älteren  der  lehrer 
des  letzteren  bald  Finnio  bald  Findbarrns  genannt,  sodass  auch 
unter  den  zahlreichen  Finnio,  Findän,  Finden  usw.  ein  Findbarr 
oder  Barrind  stecken  kann. 

Folgende  Barrind,  Barrfind,  Findbarr  werden  nun  in  dem 
ältesten  officiellen  document  der  irischen  kirche,  dem  Martyro- 
logium  von  Tallaght  (vgl.  s.  209)  aufgeführt,     in    der  Brüsseler 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  313 

hs.i  ündei  sich  zum  30  Januar  Barrinn  Inse  Domhle  'Barrinn 
von  Little  Island'  (bei  Waterford)  und  zum  4  juli  Finnbarr  Ab. 
/nnse  Domfe 'Finnbarr ,  abt  von  Little  Island.'  zum  22  September 
ist  in  der  Brüsseler  hs.  und  den  SIsidoreblätteru  (LL  363%  3) 
ein  Barrind  notiert,  am  25  sept.  Barrind  Corcaige  'Barrind 
von  Cork'  (LL  363%  44)  und  am  26  sept.  steht  am  schluss  vel 
hie  Barrind  Corcaige  (LL  d&Z\  bl) ;  zum  21  mai  hat  die  Brüsseler 
hs.  Finnbairi  Corcaigi  'Finnbarr  von  Cork',  am  3  mai  ist  ver- 
zeichnet Barr  find  Dromma  Cul.  (LL  360%  21)  und  die  Brüsseler 
hs.  nennt  zum  21  mai  Barrfinn  Dromma  Cul.  'Barrfind  von  Druim 
Cuilinn'  (DrumcuUen  in  der  barony  Fircal  in  Kings  county,  siehe 
O'Donovan,  Annalen  s.  a.  721.  740).  am  1  juli  hat  die  Brüsseler 
hs.  einen  Barrinn,  das  Martyrologium  von  Donegal  (siehe  O'Kelly, 
Calendar  s.  31)  hat  noch  einen  Bairrfionn  am  13  nov.  und  Bairr- 
fionn  mac  Aedha  o  Achadh  Cailten  in  Uibh  Drona  fri  Berba  aniar 
in  Uibh  Reithe ,  fri  Leithglinn  andeas.  heilige  mit  nämen  Findbarr 
finden  sich  noch  am  25  juli  (Finnbairr  sacard),  9  sept.  (Findharr 
Cilli  Cunge  LL  362%  33),  10  sept.  (Findbarr  Maigi  l.  mac  Buidi'^ 
LL  362*^,  58).  der  Feiire  kennt  blofs  den  Bairre  oChorcaig  (Barre 
von  Cork)  zum  25  sept.,  der  auch  in  Cumin  von  Connors  ge- 
dieht Strophe  18  (O'Kelly,  Calendar  s.  165)  vorkommt,  von  Find- 
barrs  kommen  im  F'elire  vor  zum  4  juli  Findbarr  von  Inis  Doimle 
(oder  Teimle)  und  zum  10  sept.  Findbar  von  Movilla. 

Es  kann  hier  nicht  meine  aufgäbe  sein,  alle  die  unbe- 
stimmten ,  confusen  und  vielfach  widersprechenden  nachrichten 
über  die  Barrind,  Barrfind,  Barre,  Findbarr  zu  sammeln  (vgl. 
Acta  SS  sept.  vii  130  ff,  mai  i  360  und  noten  zum  Feiire),  zu 
untersuchen,  was  wahr  sein  kann  und  was  nicht,  wie  weit  sich 
die  chronologischen  Widersprüche  in  der  Vita  des  Barre  von  Cork 
durch  annähme  zweier  Barrind  heben  lassen:  uns  kommt  es 
darauf  an,  zu  wissen,  was  glaubte  und  erzählte  man  im 
mittelalter  von  den  trägem  dieser  namen ,  und  lassen  sich  in  dem, 

'  die  in  LL  aufgenommenen  SIsidoreblätter  enthalten  verschiedene 
lücken. 

2  in  der  vorläge  stand  wol  Findbarr  m.  buidi  und  der  Schreiber  von 
LL  wüste  nicht,  ob  dies  in  F.  mac  Buidi  (F.  söhn  des  B.)  oAex  Findbarr 
maigi  Buidi  (F.  aus  Mag  Buidi)  aufzulösen  sei.  O'Kelly  gibt  nach  der 
Brüsseler  hs.  Finnbar  mac  Bindi ,  wo  also  ui  zu  in  verlesen  ist.  da  der 
Felire  an  demselben  tag  (10  sept.)  einen  Findbarr  Maigi  Bili  (Findbarr 
von  Movilla)  kennt,  so  wird  sowol  in  Buidi  als  in  Bindi  ein  fehler  stecken. 


314  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

was  man  erzählte,  anknOpfimgspuncte  für  die  Barrindusepisode 
in  der  Navigatio  SBrendaoi  autfinden.  1.  von  einem  Barrind 
weifs  die  Vita  des  heiligen  David,  der  über  die  irische  see 
ritt  und  Brendan  begegnete  (oben  s.  306).  2.  von  einem 
Barrind  erzählte  man,  dass  er  früher  Lochan  geheifsen  und 
später  ob  pulchram  caesariem  Barrind  genannt  sei  (AA  SS  sept. 
VII  132;  Usher,  Antiquitates  im  index  chronolog.  zu  590);  Lo- 
chan hiefs  aber  auch  der  älteste  der  3  O'Corras,  der 
ebenso  wie  sein  bruder  Ende  von  der  oceanfahrt  nach  dem  alten 
Imram  UaCorra  muste  zurückgekehrt  sein.  3.  ein  Barrind  soll 
abt  von  Drumcullen  gewesen  sein,  quod  est  in  confinio  Mumo- 
niensium  et  Laginensium  et  nepotum  Neill,  sed  tarnen  est 
in  terra  nepotum  Neill  (Usher,  Antiquitates,  London  1687, 
s.  498). 

Hält  man  dazu  die  Barrindusepisode  in  der  Navigalio  SBren- 
dani  und  beachtet,  dass  Barrindus  nepos  NeilU  (also  Barrind 
O'Neill)  genannt  wird  und  dass  ein  Barrind  abt  eines  kloslers  im 
gebiet  nepotum  Neill  (im  gebiet  der  O'Neill)  in  Kings  counly  war, 
also  vermutlich  seiner  abstammung  nach  ein  nepos  Neill  (O'Neill), 
—  so  ist  mir  so  viel  wahrscheinlich,  dass  der  verf.  der  Na- 
vigalio Sßrendani  die  Barrindusepisode  nicht  erfand,  sondern 
nur  vorhandene  erzählungen  für  seine  zwecke  zurechtschnitt,  wie 
er  dies  nachweislich  mit  allen  anderen  benutzten  quellen  tat. 

f.  alter,  quellen  und  composition  des  Imram 
Brenaind.  von  vorn  herein  will  ich,  um  irrtümlichen  an- 
schauungen  vorzubeugen,  constatieren ,  dass  die  beiden  je  in 
mehreren  hss.  vorliegenden  irischen  sachcataloge  der  epischen  Stoffe 
des  älteren  irischen  mittelalters  (siehe  s.  144. 146)  einen  Imram 
Brenaind  nicht  kennen,  weder  der  catalog  LL  189^,  44 ff  noch 
der  abweichende,  nach  hss.  des  15  jhs.  von  D'Arbois,  Essai  d'un 
catalogue  s.  260  ff  gedruckte;  der  letztere  stammt  nach  dem  Zu- 
sammenhang der  erzählung  (siehe  O'Curry,  Manners  and  cu- 
stoms  II  130 — 136)  aus  dem  ende  des  10  jhs.,  mag  aber  zusälze 
erfahren  haben,  auch  sonst  ist  in  der  irischen  litteratur  des 
mittelalters,  so  weit  ich  weifs,  eine  erzählu  n  g  Imram  Brenaind 
nirgends    bekannt    oder    genannt,      mit  Imram  Brenaind 

'  die  von  Schröder  benutzte  hs.  hat  die  schlechte  lesart  nepos  illius 
statt  nepos  Neill,  wie  Jubinals  und  mehrere  der  von  Moran  benutzten  hss. 
lesen. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  H  315 

habe  ich  nur  der  kürze  wegen  (vgl.  s.  140  anm.  1)  in  dieser 
Untersuchung  die  zweite  hallte  des  irischen  Betha  Bienainn 
mic  Finnlocha  in  Book  of  Lismore  s.  74%  2  ff  und  jüngeren  hss. 
bezeichnet,  die  eigentlich  zwei  oceanfahrten  Brendans  erzählt. 
ihr  inhalt  ist  oben  s.  135  — 140  gegeben,  um  ihr  alter  handelt 
es  sich  zunächst. 

Allgemeine  erwägungen  sind  bei  erörterung  einer  solchen 
frage  für  sich  allein  selten  ausschlag  gebend;  nützlich  und  lehr- 
reich sind  sie  jedoch  immer,  wenn  sich  dadurch  zeigen  lässt, 
dass  die  ergebnisse  der  specialbetrachtungen  sich  in  den  all- 
gemeinen rahmen  einfügen,  von  dem  gesichtspunct  aus  möchte 
ich  auf  zwei  momeute  hinweisen:  1)  es  ist  von  höchstem  gewicht, 
dass  die  sachcataloge  von  einem  text  Imram  Brenaind  nichts 
wissen,  wie  eben  augegeben,  man  wird  vielleicht  einwenden, 
dass  die  sachcataloge  nur  die  prolanlilteratur  umfassen ,  der  Imram 
Brenaind  aber  ein  kirchlicher  stoff  ist.  dem  gegenüber  ist  darauf 
hinzuweisen,  dass  dies  nur  hinsichtlich  der  äufserlichkeiten  richtig 
ist  und  dass  hierin  das  mittelalter  eine  scharfe  Unterscheidung 
nicht  machte,  wie  schon  die  aufnähme  der  Navigatio  SBrendani 
in  die  englische,  französische,  deutsche  volkslitteratur  zeigt; 
dann  ist  darauf  hinzuweisen,  dass  ein  solcher  einwand  ganz  irrig  ist, 
denn  in  beiden  catalogen  in  allen  (5)  hss.  finden  wir  zb.  den 
titel  fts  Fnrsa  'vision  des  Furseus'.  die  cataloge  enthalten  offenbar 
eine  aufzählung  aller  um  die  wende  des  10  und  11  jhs.  in 
irischer  spräche  bekannten  erzählungen.  wenn  man  bedenkt, 
dass  der  sachcatalog  in  der  ältesten  hs.  LL  189\  29  ff  unter  der 
rubrik  Imrama  sieben  titel  verzeichnet,  dass  darunter  solche 
sind,  bei  denen  wir  uns  aus  der  erhalteneu  litteralur  weder  einen 
begriff  von  den  personen  noch  von  den  erzählten  dingen  machen 
können:  ist  es  da  denkbar,  dass  am  ende  des  10  oder  im  anfang 
des  11  jhs.  eine  irische  erzählung  von  Brendans  meerfahrt 
nach  llr  tairngiri  existiert  haben  könnte  und  dass  die  cataloge 
von  ihr  nichts  wüsten?  dies  ist  der  eine  gesichtspunct. 

Von  gewicht  ist  2)  die  zeit  der  Überlieferung:  die  älteste 
hs.  ist  das  aus  dem  15  jh.  stammende  Book  of  Lismore,  auf 
welches  die  hs.  des  17  jhs.  zurückgeht,  für  sich  allein  ist  dies 
factum  wenig  beweisend,  gewinnt  aber  schon  an  bedeutung  im 
Zusammenhalt  mit  der  zuerst  constatierten  tatsache.  noch  nähere 
erläuterung  erfährt  es  durch  folgende  beobachtung.     Irlands  lit- 


316  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

terarische  tätigkeit  vom  6  bis  zum  16  jh.  zerlälll  in  zwei  perioden: 
die  zeit  vom  6  jh.  bis  zum  beginn  des  11,  und  die  zeit  von 
der  mitte  des  11  jhs.  bis  auf  das  elend  der  religionskämpfe.  in 
den  500  jähren  der  ersten  periode  bildet  die  zeit  bis  ende  des 
8  jhs.  die  blütezeit  irischer  litteratur  und  gelehrsamkeit;  die 
vikingerzeit  brachte  unsägliches  elend  über  die  klöster  und  die 
träger  der  litteratur  (vgl.  oben  s.  209)  und  mancher  der  irischen 
gelehrten,  die  im  9  und  10  jh.  auf  dem  continent  tätig  waren, 
verhefs  seine  heimat,  um  dem  dortigen  elend  zu  entgehen  (vgl. 
Mones  bemerkungen  zur  Vita  Findani  in  der  Quellensammlung  zur 
badischen  landesgeschichte  i  55).  jedoch  war  diese  zeit  weniger 
drückend  für  die  berufsmäfsigen  träger  der  sagenlitteratur  ,  die 
barden,  als  für  die  pfleger  der  Wissenschaft,  die  mönche  in 
ihren  klöstern.  das  elend  der  vikingerzeit  fand  mit  der  nieder- 
lage  bei  Clontarf  (1014)  ein  ende  und  nun  beginnt  um  die  mitte 
des  1 1  jhs.  in  den  klöstern  wider  eine  energischere  pflege  der 
litteratur:  sowol  Sammlung  der  werke  aus  der  älteren  periode 
als  selbständige  lilterarische  production.  vergleichen  wir  nun 
mit  diesem  gang  der  litteratur  (siehe  Kelt.  Studien  i  24 — 30)  deren 
handschriftliche  Überlieferung,  aus  der  ersten  periode, 
der  zeit  vom  6  jh.  bis  zur  mitte  des  11,  ist  uns  in  Irland  keine 
einzige  hs.  mit  einem  denkmal  in  irischer  spräche  erhalten. i 
mit  ende  des  11  jhs.  beginnt  eine  serie  von  umfangreichen 
sammelhss.,  jede  eine  bibliothek  für  sich,  die  bis  ans  ende  des 
14  jhs.  hinabgehen,  characteristisch  ist  diesen  bibliotheken,  dass, 
je  älter  sie  sind,  um  so  geringer  der  räum  ist,  welchen  die 
zeitgenössische  litteratur  —  wenn  ich  so  sagen  darf  —  in  ihnen 
einnimmt:  in  der  ältesten  Sammlung  (Lebor  na  huidre,  ende  des 

11  jhs.)  ist  sie  kaum  durch  20/o  vertreten,  in  diesen  bibliotheken 
ist  uns  aufbewahrt,  was  die  pfleger  der  litteratur  in  den  klöstern 
und  die  Schützer  derselben,  die  bischöfe  und  häuptlinge,  im  1 1  und 

12  jh.  noch  von  den  schätzen  der  blütezeit  irischer  litteratur  auf- 
treiben und  zusammentragen  konnten,  die  alte  spräche  ist  wesent- 
lich unverändert  und  leicht  von  der  darüber  liegenden  ortho- 
graphischen tünche,  die  fast  nur  den  vocalismus  betrifft,  zu 
reinigen,  in  den  grolsen  sammelhss.  des  14  jhs.  nimmt  die  mit 
beginn  des  widererwachens   litterarischer  tätigkeit,   also   um  die 

*  (las  Book  of  Armagh   ist  eine  lat.  hs.    mit   einigen   irischen  notizen 
über  Patricii. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  317 

mitte  des  11  jhs.,  entstehende  neue  litteralur  schon  den  gröfseren 
räum  ein,  um  in  den  hss.  des  15  jhs.  entschieden  den  löwen- 
anteil  zu  beanspruchen:  der  ülstersagenkreis  (Cuchulinn)  ist  zb. 
durch  den  Ossiansagenkreis  verdrängt,  mit  dem  16  jh.  beginnt 
wider  eine  gewaltsame  Unterbrechung  in  der  Utterarischen  tätigkeit 
Irlands;  und  als  man  seit  dem  ausgehenden  17  jh.  sich  in  Irland 
von  dem  elend  der  durch  die  reformation  heraufbeschworenen 
kämpfe  erholt  hatte,  da  schrieb  man  gieichmäfsig  ältere  und 
jüngere  hss.  ab. 

So  kommt  es,  dass  wir  texte,  die  wir  auf  sichere  Zeug- 
nisse hin  der  älteren  periode  vom  7— lOjh.  zuweisen  müssen, 
gewöhnlich  in  einer  oder  mehreren  der  grofsen  sammelhss. 
vom  11  jh.  an  vorfinden  und  dann  wider  in  abschriften  des  17 
und  18  jhs.;  texte,  die  seit  dem  ende  des  11  jhs.  entstanden  sein 
können,  finden  sich  gewöhnlich  zuerst  in  den  sammelhss. 
des  14  und  15 jhs.  und  dann  wider  in  abschriften  des  17  und 
18  jhs.  eine  feste  regel  ist  dies  selbstverständlich  nicht:  eines- 
teils kommen,  wie  schon  bemerkt,  zeitgenössische  litteraturer- 
zeugnisse  vereinzelt  auch  in  den  sammelhss.  des  11  und  12  jhs. 
vor;  andererseits  begegnen  für  die  altirische  litteratur  bezeugte 
denkmäler  vereinzelt  zuerst  in  jungen  hss.  des  17  jhs.,  was 
begreiflich  ist,  da  grofse  sammelhss.  des  11  und  12  jhs.  nur 
sehr  fragmentarisch  auf  uns  gekommen,  andere,  sicher  vor- 
handene, ganz  verschwunden  sind,  die  das  16  und  17  jh.  noch 
kannte,  eins  ist  jedoch  in  letzterem  fall  nicht  aufser  acht  zu 
lassen:  handelt  es  sich  um  einen  angeblichen  sagentext  aus  der 
zeit  vom  7  — 10  jh,,  ist  keine  spur  seines  Vorhandenseins  in  den 
sammelhss.  vom  ende  des  11  jhs.  an  aufzutreiben,  bietet  die 
jüngere  hs.  —  sei  es  des  15,  sei  es  des  17  jhs.  —  auch  keine 
sichere  angäbe  über  ihre  nächste  quelle  —  dann  haben  wir  allen 
grund,  vorsichtig  zu  sein,  damit  wir  nicht  betrogen  werden  durch 
ein  dem  titel  untergeschobenes  machwerk.  der  oben  s.  182  bis 
211  betrachtete  Iniram  curaig  UaCorra  ist  sehr  lehrreich  in  dieser 
hinsieht,  äufsere  gründe  (spräche)  und  innere  werden  philo- 
logisch gebildete  forscher  sicher  vor  teuschung  bewahren. 

Haben  wir  also  aus  den  erörterungen  von  s.  315  an  auch 
keine  regel  gewonnen ,  so  doch  eine  art  directive.  da ,  wie  wir 
zuerst  sahen,  kein  zeugnis  vorliegt,  dass  in  der  allirischen 
periode  ein    irischer  Imram  Brenaind  vorhanden  war,   ja  kein 


318  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

Zeugnis  dafür  existiert,  dass  vor  mitte  des  11  jhs.  eine  zusammen- 
hängende erzählung  von  einer  oceanfahrt  Brendans  nach  der 
terra  repromissionis  überhaupt  —  sei  es  auch  nur  in  lat.  spräche 

—  bekannt  war  (siehe  s.  306) ,  und  da  der  in  frage  kommende 
irische  text  zuerst  in  einer  hs.  des  15  jhs.  vorliegt  —  so  werden 
wir  hieraus  den  schluss  ziehen,  dass  er  in  der  zweiten 
hauptperiode  der  irischen  litteraturentwickelung 
entstanden  ist,  also  jünger  ist  als  die  erste  hälfte  des  11  jhs. 

Wie  stellt  sich  hierzu  die  spräche  des  textes?  wenn  in  einer 
hs.  des  15  oder  17  jhs.  zwei  texte  vorliegen,  von  denen  der  eine 
in  der  altirischen  periode  entstand   und  der  andere   im    12  oder 

13  jh.,  so  ist  es  im  allgemeinen  nicht  schwer,  nach  lectüre  einer 
Seite  den  unterschied  herauszumerken.  beide  sprachperioden  — 
irisch  des  7  —  9  jhs.  und  irisch  des  12  und  13  jhs.  —  steheü 
sich    nämlich    viel    ferner    als    hochdeutsch    des   8    und    des 

14  jhs.,  z.  t.  weil  in  der  ersten  periode  alte  lempora  in  voller 
geltung  sind,  die  die  zweite  als  solche  gar  nicht  mehr  kennt, 
zwar  haben  Schreiber  —  im  12  jh.  noch  seltener,  häufiger  im  15 

—  neben  der  änderung  des  colorits  durch  einführung  der  Ortho- 
graphie der  jüngeren  sprachperiode  alte  formen  ausgemerzt,  in- 
dem sie  zb.  für  bl  'er  tötete'  benais,  für  das  redupl.  prät.  lü 
das  s-präteritum  lenais  einsetzten,  aber  dies  geschieht  nachweis- 
lich nirgends  consequent  und  selbst  in  abschriften  des  18  jhs. 
stehen  viele  alte  formen  als  Wegweiser,  sehen  wir  uns  nun  die 
spräche  des  Imram  Brenaind  in  der  ältesten  hs.,  dem  Book  of 
Lismore  näher  an,  so  ist  klar:  sie  enthält  alle  die  eigen- 
lümlichkeiten,  die  in  LL,  einer  hs.  aus  der  mitte  des  12  jhs., 
der  Schreiber  gelegentlich  in  die  spräche  der 
alten  texte  hineinträgt,  als  regulären  Sprach- 
gebrauch, ohne  die  hervorstechenden  characteri- 
stica  aus  dem  altirischen,  wie  sie  andere  hss.  aus  gleicher 
zeit  mit  nachweislich  alten  texten  zahlreich  bieten,  also  zb.: 
das  s- Präteritum  ist  die  reguläre  präleritalbildung,  wie  eirgis 
(3  sing.)  öfters  zu  imp.  erig,  tocbais  (für  tocaib),  beris  (zu  berim), 
codlais;  die  erhaltenen  perfeclformeu  sind  die  so  genannten  ano- 
malen präteritalbildungen  des  mittelirischen,  von  denen  die  meisten 
in  der  heutigen  spräche  noch  vorhanden  sind  (mala,  atconnuic 
für  adcondairc,  atconncatar,  atcualatar,  fuaratar,  tainic,  tancatar, 
faccatar  usw.),  zum  teil  mit  bekannten  mittelirischen  Umbildungen 


KELTISCHE  BEITRAGE  II  319 

wie  cid  diandechadais ,  atconncais  (2  siog.)»  adubramar;  in  der 
ersten  sing,  conjunctivi  ist  mediale  Qexiou  auf  r  wie  cufacar, 
condigser;  in  der  ersten  futuri  t  wie  biatsa,  muinfet;  in  der 
3  plur.  perf.  passivi  die  neubilduug  auf  -it  wie  narleicüsium ; 
das  herschende  ö-futur  hat  formen  wie  gnifes.  lehrreich  ist  das 
verhalten  des  textes  zum  gebrauch  der  infigierten  pronomina 
beim  verbum  finitum :  die  durchgängige  spräche  des  textes  kennt 
diesen  gebrauch  nicht;  es  finden  sich  aber  infigierte  pronomina 
in  4  episoden:  nosibeth  in  7,  domberiir  in  10  (tod  des  crosan), 
rotasgab,  naronethad,  curosbad  in  13  (abenteuer  bei  der  iusel  der 
kalze),  fordosiadhta  14.  in  diesen  episoden  tindeu  sich  auch 
sonst  alte  formen  wie  impoidü  'sie  wenden  um'  14  gegenüber 
impait  an  anderen  stellen,  dogniat  mehrfach,  von  diesen 
episoden  ist  nun  14  gröstenteils  plagiat  eines  alten 
textes  (Fis  Adamuäin),  wie  oben  s.  140  gezeigt;  episode  13 
enthält  die  durch  LL  283%  14  ff  und  die  litanei  (LL  373^  6 
V.  u.)  als  selbständige  ältere  erzählung  bezeugte 
geschichte;  episode  10  benutzt  die  einleitung  des 
alten  Imram  UaCorra,  da  der  crosan  im  Imram  ßrenaind 
nur  aus  der  ausführlichen  erzählung  im  alten  Imram  UaCorra 
(siehe  s.  187)  verständlich  wird. 

Wir  kommen  also  zu  dem  resultat:  in  dem  Imram  Bre- 
naind  liegt  uns  ein  text  frühestens  aus  dem  ende 
des  11  oder  dem  12jh.  vor,  in  welchen  hier  und  dort 
episoden  verarbeitet  wurden,  die  in  irischer  spräche 
aus  älterer  zeit  vorlagen  und  unsz.  t.  noch  erhalten 
sind. 

Suchen  wir  nun  aus  den  für  jene  zeit  vorhandenen  quellen 
inhalt  und  composition  des  imram  Brenaind  zu  verstehen,  es 
lagen  vor: 

1.  die  nachrichten  in  der  Vita  Brendani  von  einer  bufs- 
reise  (peregrinatio) ,  die  Brendan  auf  anraten  der  Yta  zeitweilig 
machte  und  von  der  er  nach  längerem  aufenthalt  an  der  küste 
Britanniens  und  nach  einem  glücklich  überstandenen  abenteuer 
zurückkehrte,  in  der  vikingerzeit  war  aus  dieser  seefahrt  eine 
wunderbare  bufsfahrt  (7  jährige)  auf  dem  rücken  eines  walösches 
geworden  (siehe  s.  307  ff). 

2.  ende  des  9  oder  anfang  des  10  jhs.  war  dem  Brendan 
eine  oceanfahrt  auf  der  suche  nach  der  terra  repromissionis  zu- 


320  KELTISCHE  BEITRAGE  II 

geschrieben  worden  und  einzelne  erlebnisse  auf  derselben  liefen 
um  (LL  283%  14  ff,  373^  6  v.  u.  ff),  doppelter  ausgang  möglich 
und  angenommen  (siehe  s.  310  ff). 

3.  in  der  mitte  des  11  jhs.  entstand  auf  grund  dieses 
materials  die  lat.  erzählung  Navigatio  SBrendani,  in  der  zur  aus- 
füllung  der  7  jähre  der  alte  Imram  Maelduin  geplündert  wurde, 
die  sage  von  Brendans  aufenthalt  auf  dem  rücken  des  walfisches, 
ebenso  das  abenteuer  mit  den  meerbestien  wurden  geschickt  um- 
gestaltet und  ein  besuch  bei  Ende  vor  endgiltiger  Inangriff- 
nahme des  Schiffbaues  in  nachahmung  eines  zuges  der  haupt- 
quelle (Imram  Maelduin)  angenommen. 

4.  alte  schiffersagenerzählungen  lagen  in  irischer  spräche 
vor:  Imram  Maelduin,  Echtra  Brain  und  Imram  UaCorra,  letzterer 
nur  in  fragmenten.  die  beiden  der  abenteuer  kehrten  nach 
Irland  zurück. 

5.  Schilderungen  der  irdischen  höUe  und  des  irdischen 
himmels  nebst  den  zuständen  darin  lagen  in  alten  texten  wie 
Fis  Adamnäin,  Scela  lathi  brätha  (LU  27'  —  34)  in  irischer 
spräche  vor. 

Aus  diesen  elementen,  soweit  sie  ihm  bekannt  waren,  hat 
der  verf.  des  Betha  Brenaind  die  meerfahrt  des  Brendan  zu- 
sammengestellt, die  im  Book  of  Lismore  vorliegt,  er  characteri- 
siert  sich  dem  verf.  der  lat.  Navigatio  SBrendani  gegenüber  da- 
durch, dass  er  allen  bis  zu  einem  gewissen  grade  ge- 
recht werden  will;  daher  sein  eigentümliches  machwerk.  er 
lässt,  um  den  verschiedenen  traditionen  gerecht  zu  werden,  den 
Brendan  zweii  meerfahrteu  machen:  eine  erste  7jährige,  von  der 
er  zurückkehrt,  und  eine  zweite,  die  seinen  beiden  ins  irdische 
paradies  führt,  mit  der  ersten  meerfahrt  wird  er  den  älteren 
nachrichten  der  Vita  und  den  anschauungen,  dass  Brendan  auch 
von  seiner  oceanfahrt  nach  der  terra  repromissionis  zurückgekehrt 
sei  (siehe  s.  310),  bis  zu  einem  gewissen  grade  gerecht,  darin 
weicht  er  jedoch  von  der  Vita  ab,  dass  er  auch  die  erste  fahrt 
zu  einer  oceanreise  macht,  unternommen  aus  Sehnsucht  nach 
gott  und  den  himmlischen  gefilden.  die  notiz  der  Vita  (Moran 
s.  13),  dass  Brendan  seine  bufsfahrt  auf  befehl  der  heiligen 
Yta  unternommen,  wird  dahin  verwertet,  dass  die  pflegemulter 

*  von  dem  hl.  Cormac  weifs  Adamnan,  dass  er  drei  versuche 
machte,  im  ocean  eine  einsiedlei  zu  finden  (siehe  oben  s.  311  anm.). 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  321 

Yta  (episode  8)  zur  zweiten  endgillig  io  die  lerra  repromis- 
sionis  führenden  fahrt  die  geeigneten  ratschlage  gibt!  doch  da- 
mit nicht  genug:  auch  der  besuch  bei  Ende,  den  die  Navigatio 
hat,  wird  angebracht,  dies  ist  sehr  lehrreich,  im  Imram  Mael- 
duin  geht  Maelduin,  als  er  zur  nieerfahrt  entschlossen  ist,  aber 
ehe  er  seinen  curach  baut  und  die  ausrüstung  ins  werk  setzt, 
zum  druiden  Nuca  nach  Corcomruadh ,  um  die  omina  zu  er- 
fahren, in  nachahmung  dessen  lässt  der  verf.  der  Navigatio  den 
ßrendan,  als  er  zur  oceanfahrt  entschlossen  ist,  aber  ehe  er 
seinen  kahn  baut  und  die  ausrüstung  ins  werk  setzt,  zu  Ende 
von  Aran  gehen,  um  näheres  über  die  fahrt  zu  lernen  (siehe 
oben  s.  211).  was  soll  aber  der  besuch  Brendans  bei  Ende, 
nachdem  ihm  Yta  so  ausführliche  auskunft  gegeben? 

Ein  anderes  beispiel  der  zusammenarbeitung  liegt  in  epi- 
sode 13  vor.  sie  enthält  das  in  der  Vita  auf  die  rückreise  von 
Britannien  verlegte  abenteuer  mit  den  beiden  meerbestien  —  das 
in  derselben  fassung  in  beiden  hss.  des  Liber  hymnorum, 
lateinisch  in  der  vorrede  zu  Ultans  hymnus  und  irisch  im  Liber 
hymn.  FCD  in  den  noten  zu  Broccans  hymnus  erhalten  ist,  siehe 
s.  299  fl"  —  in  der  Umgestaltung,  welche  es  in  der  Navigatio 
(episode  14)  erfahren  hat,  verbunden  mit  der  durch  LL  283% 
14  ff  und  LL  373',  6  v.  u.  ff  als  selbständige  episode  bezeugten 
erzählung  von  dem  einsiedler  auf  der  insel  der  kalze!  darin  weicht 
Imram  Brenaind  von  der  erzählung  LL  283%  14  ff  ab,  dass  die 
zahl  der  ausziehenden  genossen  zu  der  angäbe  in  der  litanei 
stimmt  und  dass  das  abenteuer  Brendan  gerade  auf  der  reise  be- 
gegnet, von  der  er  nicht  mehr  zurückkehrt. 

Ein  exemplar  der  Navigatio  SBrendani  besafs  der  verf.  des 
Imram  Brenaind  nicht,  sondern  hatte  nur  künde  von  ihr. i  da- 
gegen war  ihm  so  ziemlich  alles  bekannt,  was  man  an  einzel- 
heiten  über  Brendans  reise  berichtete,  also  auch  die  episoden, 
welche  in  der  litanei  erwähnt  werden;  endlich  kannte  er  frag- 
mente  des  Imram  UaCorra,  wahrscheinlich  das,  was  vom  alten 
text  erhalten  war.     das  gab  alles  in  allem  genommen  nur  dürf- 

'  eine  berufung  auf  schriftliche  quellen  findet  sich  nur  einmal  am  ende 
von  episode  8 :  lx  fer  imorro  baseadh  allin  7  batur  uili  icmol(ud)in- 
choimdeth  7  amenmain  cudia  amal  atberat  nascribhinn  '60  mann  aber  war 
ihre  zahl,  und  sie  priesen  alle  gott  und  ihre  sinne  waren  ihm  zugewandt, 
wie  die  Schriften  melden'  Book  of  Lismore  75'',  2. 

Z.  F.  D.  A.    XXXIII.    N.  F.    XXI.  21 


322  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

tiges  material  ab,  um  eine  7jährige  seereise  auszufüllen,  ge- 
schweige denn  zwei  oceanfahrten.  er  hat  daher  über  lünl  jähre 
der  ersten  fahrt  nichts  zu  sagen :  Seolais  tra  Brenaind  mac  Finn- 
loga  annsin  fortongor  inmara  mongrnaül  7  f'ortreathan  tiatonn 
toebnaine  7  forbelaib  indaicemi  ingantaig  aduathmair  agairb,  airm 
abfacatar  Um'  nambimt  mbeilderg  muiridi  7  fogeibdis  ailena  aille 
inganta  7  nitairistis  intib  beos.  Batur  tra  amlaid  sin  friare  .v. 
mbliag.  foranaicen  ningantach  'es  segelte  nun  Brendan  dort  auf 
dem  wogengebraus  des  rotmähnigen  meeres  und  auf  der  flut  der 
grünseitigen  wellen  und  auf  der  Oberfläche  des  riesigen,  schreck- 
lichen, rauhen  oceans,  wo  sie  viele  rotmäulige  meerbestien  sahen 
und  schöne,  unbekannte  inseln  erreichten,  und  sie  blieben  nicht 
darauf,  so  waren  sie  einen  Zeitraum  von  5  jähren  auf  dem 
riesigen  ocean'  (Book  of  Lismore  fol.  74%  2  ende),  über  die 
dürftigkeit  seiner  erzählung  weifs  der  verf.  hinweg  zu  helfen 
dadurch,  dass  er  uns  auf  der  ersten  meerfahrt  einen  blick  in  die 
schrecken  des  fegfeuers  und  auf  der  zweiten  einen  solchen  in 
die  freuden  des  irdischen  paradieses  tun  lässt.  hier  hat  er  red- 
lich vorhandene  quellen  excerpiert  und  abgeschrieben,  wie  letzteres 
für  die  Schilderung  des  irdischen  paradieses  oben  s.  140  direct 
nachgewiesen  ist.  diese  beiden  Schilderungen  nehmen  einen  ganz 
unverhältnismäfsigen  räum  in  dem  text  ein :  meine  abschrift  des- 
selben umfasst  479  Zeilen ,  davon  fallen  auf  die  beiden  episoden  4 
und  14  nicht  weniger  als  194  Zeilen,  also  mehr  als  ein  drittel! 
mau  bekommt  den  eindruck,  dass  es  dem  verf.  des  Imram  Bre- 
naind weniger  darauf  ankam,  die  wunder  des  oceans  zu  schildern, 
welche  Brendan  sah,  als  in  einem  anderen  rahmen  die  quälen 
der  hölle  und  des  fegfeuers  sowie  die  freuden  des  irdischen  und 
himmlischen  paradieses  seinen  lesern  vorzuführen. 

Dürfen  wir  dem  verf.  unseres  textes  einige  kenntnis  der 
volkstümlichen  sagenstoffe  zutrauen,  dann  können  wir  ihm  ein 
Vorbild  für  die  einführung  des  teufeis  in  der  ersten  reise  Bren- 
dans  nachweisen,  als  Bran  mac  Febail  auf  dem  ocean  unter- 
wegs ist,  da  erscheint  ihm  Manandan  mac  Lir,  der  beherscher 
der  gefilde  der  seligen,  und  zeigt  ihm  gleichsam  den  eingang 
zu  den  verschiedenen  gefilden  der  wonne  (oben  s.  259  ff); 
ebenso  erscheint  Manaudan  mac  Lir  auf  dunkelgrünem  ross  im 
Sturmgebraus  des  meeres  dem  Ciaban  und  seinen  gefährten  und 
bringt  sie  in  sein  reich  (ür  tairngeri,  oben  s.  272  ff),    ist  dieser 


KELTISCHE  BEITRÄGE  11  325 

Manandan  mac  Lir  zum  teul'el  geworden,  der  Breodan  auf  seiner 
meerfahrt  den  eingang  zur  höUe  zeigt? 

Lehrreich  für  die  beantwortung  der  frage  nach  alter,  quellen 
und  composition  des  Imram  Brenaind  ist  schliefslich  auch  eine 
kurze  betrachtung  des  ganzen  machvverks,  von  dem,  wie  s.  134 
und  315  hervorgehoben  wurde,  Imram  Brenaind  nur  den  schluss- 
teil  bildet,  der  text  Betha  Brenainn  niic  Finnlocha  erstreckt  sich 
von  fol.  72^  1  —  schluss  77%  1  im  Book  of  Lismore.  es  ist 
von  anfang  (72^  1)  bis  74%  1  (also  7  spalten  lang)  eine  irische 
Vita  des  heiligen  Brendan,  die  sich  im  wesentlichen  der  erhaltenen 
lateinischen  Vita  bis  capitel  xi  bei  Moran  anschliefst,  also  bis 
zu  der  Ordination  durch  bischof  Erc  und  der  annähme  des  mönchs- 
gewandes.  hier  gehen  nun  die  lat.  Vita  und  Betha  Brenainn  aus 
einander,  indem  letzterer  text  an  stelle  der  capp.  xiibis 
XXXIX  der  Vita  einfach  den  Imram  Brenaind  setzt,  die 
veranlassung  zu  der  Sehnsucht,  die  Brendan  ergriff  (siehe  oben 
s.  135),  war  das  bei  der  Ordination  gesprochene  bibelwort  (Matth. 
19,  29)  et  omnis  qui  reliqiierit  domum  vel  fratres  vel  sorores  aut 
patrem  mit  matrem  usw.  dieser  text  weifs  also  nichts  von  Brendans 
reise  nach  Britannien  und  nichts  davon,  dass  Brendan  der  gründer 
von  Clonfert  ist! 

Ich  denke,  die  composition  des  ganzen  ist  klar:  eine  conciliante 
natur  frühestens  aus  dem  ende  des  11  oder  dem  12 jh.  wollte 
die  anschauungen  der  älteren  zeit  —  die  von  einer 
bufsreise  Brendans  nach  Britannien  wüste,  aber  ohne  dass  selbige 
einen  besonders  hervorragenden  teil  seines  lebens  bildete ,  die 
jedoch  von  einer  oceanreise  Brendans  keine  ahnung  hatte  —  mit 
denen  ihrer  zeit  vereinigen  —  die  von  Brendan  von 
Clonfert  eigentlich  fast  weiter  nichts  als  seine  oceanreise  nach 
der  terra  repromissionis  kannte  — :  sie  folgte  daher  der 
alten  lat.  Vita  bis  zum  schluss  von  capitel  11  (bei 
Moran)  und  vereinigte  dann  die  Widersprüche  in  der 
doppelten  oceanfahrt. 

Der  gedanke,  dass  dieses  auch  sprachlich  junge  machwerk 
die  grundlage  sein  sollte,  aus  der  sowol  die  lat.  Vita  und  die 
Navigatio  SBrendaui  als  alles,  was  wir  von  Brendans  fahrt  nach 
der  terra  repromissionis  wissen,  gefolgert  und  entstanden  wäre, 
ist  so  albern,  dass  auf  ihn  wol  kein  geschulter  köpf  des  19  jhs. 
verfallen  wird;  um  so  weniger  als  ich  hoffe,  durch  die  erörterungen 

21* 


324  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

von  s.  314  bis  hierher  meinen  lesern  die  Überzeugung  bei- 
gebracht zu  haben,  dass  wir  in  diesem  Imrani  Brenaind  ein  pro- 
duct  der  eigentlich  mittelirischen  litteratur  vor  uns  haben  und 
dass  ich  den  text  mit  recht  in  abschnitt  A  an  die  vorletzte  stelle 
unter  den  Zeugnissen  für  die  Brendansage  ;ius  der  irischen 
litteratur  verwies. 

II.  fassen  wir  nun  schliefslich  hnram  Maelduin  als  den 
einzigen  alten  repräsenlanten  irischer  schiffersagen  noch  ein- 
mal näher  ins  äuge  sowol  hinsichtlich  seines  Inhalts  als  hin- 
sichtlich seiner  composition.  inhaltlich  lassen  sich  verschiedene 
quellen  erkennen: 

a.  tatsächliche  erlebnisse  irischer  fischer  und 
anachoreten  sind  ins  ungeheuerliche  und  phan- 
tastische übertrieben.  lehrreich  ist  hier  der  jüngere, 
aber  von  Imram  Maelduin  inhaltlich  unabhängige  Imram  Sned- 
gusa  (oben  s.  211 — 219).  er  enthält,  wie  wir  sahen  (s.  216ff), 
eine  poetische  Schilderung  einer  reise  irischer  kleriker,  die  durch 
einen  starken  nordwestwind  vom  curse  abgetrieben  in  den  golf- 
strom  gerieten  und  zu  den  Faeroern  kamen,  wo  sie  heidnische 
Nordmänner  trafen,  wie  sie  Dicuil  im  aofang  des  8  jhs.  dort 
hausen  lässt.  bei  vergleich  mit  den  Übertreibungen  in  Imram 
wSnedgusa  werden  wir  episode  12  (insel  mit  den  schwarzen  und 
weifsen  schafen),  episode  3  (insel  mit  den  bäumen  und  unzähligen 
Vögelscharen)  und  episode  18  (insel  mit  den  vielen  vögeln)  in 
Imram  Maelduin  auf  künde  von  den  Fgeroern:  plenae  mmimera- 
hilihus  ovibus  ac  diversis  generibns  multis  nimis  marinarum  avium 
(Dicuil  ed.  Parthey  s.  44)  beziehen,  auf  früheste  bekanntschaft 
mit  den  Nordmännern,  ehe  dieselben  Irlands  boden  betraten, 
gehen  auch  episode  5  (insel  mit  dem  pferdereunen  der  dämonen) 
und  episode  9  (insel  mit  den  sich  zerfleischenden  pferden)  zurück, 
in  Irland  war  nur  kämpf  auf  dem  Streitwagen  bekannt,  reiten 
war  jedoch  im  germ.  norden  eine  lieblingsbeschäfiigung  schon 
der  knaben:  sie  führten  häufig  reitersclieingefechte  auf.  be- 
liebt war  ebenfalls  der  rosskampf  (hestavig),  wobei  die  rosse 
mit  bissen  gegen  einander  kämpften  (Weinhold,  Altn.  leben 
s.  308  ff),  vorzüglich  ist  in  episode  5  der  eindruck  geschildert, 
den  die  ungewohnten  Wettrennen  der  nordischen  hünengestalten 
auf  die  furchtsam  am  strande  liegenden  Iren  machen  musten ; 
ebenso   der    hestavig   in   episode  8.     ob  diese    bekanntschaft  der 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  325| 

Ihmi  mit  den  Nordleuten  auf  den  Hebriden  oder  den  nördlicher 
gelegenen  Inselgruppen  zuerst  gemacht  wurde,  lässt  sich  nicht 
bestimmen. 

b.  in  der  erinnerung  der  christianisierten  Iren 
noch  haftende  heidnische  Vorstellungen,  vor  allem 
die  von  den  gefilden  der  wonne,  die  ja  aus  150  inseln 
fern  im  ocean  bestanden,  und  von  den  gefilden  der 
strafe  bilden  eine  zweite  quelle.  bei  vergleich  mit 
Echtra  Brain  5.  6  (oben  s.  260  fl)  ergeben  sich  als  hierher  ge- 
hörig episode31  (insel  mit  den  lachenden  menschen,  inis  subai) 
und  28  (insel  mit  der  königin  und  ITtöchtern,  inis  naningen). 
ferner  sind  aus  dieser  quelle  geflossen  episode  32  (insel  mit  der 
feurigen  mauer  und  seligen  menschen,  mag  mell) ,  episode  29 
(insel  mit  den  lieblichen  fruchten  mit  berauschendem  saft),  epi- 
sode 15  (insel  mit  den  heulenden  menschen,  gegensatz  zu  31); 
auch  episode  26  (silbersäule  im  ocean)  und  episode  27  (insel  auf 
einem  fufs)  gehören  wol  hierher,  wobei  man  sich  an  Echtra 
Brain  2  erinnern  mag,  woselbst  ebenfalls  die  rede  ist  von  einer 
insel  mit  füfsen  von  findmine.  endlich  möchte  ich  noch  auf 
diese  quelle  episode  22  (gläsernes  meer)  und  episode  23  (nebel- 
ähnliches meer  mit  land  auf  dem  grund)  zurückfuhren,  in 
jüngeren  erzählungen  spielt  das  tlr  fathuinn  'das  land  unter 
der  woge'  eine  grofse  rolle,  wie  Joyce,  Old  celtic  romances 
s.  408  note  13  nachweist;  die  Sammlung  des  dean  of  Lismore 
enthält  ebenfalls  ein  gedieht,  in  dem  'eine  tochter  des  königs  des 
landes  unter  der  woge'  (Neyn  may  re  hetr  fa  hwne  dh.  nighean 
mi  rlgh  thlr  fothnitm)  sich  dem  Fiun  anbietet  und  schütz  er- 
bittet (The  book  of  the  dean  of  Lismore  s.  14  ff),  aus  der  älteren 
litteralur,  dh.  den  sagentexten,  die  vordem  12  jh.  müssen  ent- 
standen sein,  ist  mir  aufser  in  Imram  Maelduin  keine  erwähnung 
erinnerlich. 

c.  classische  reminiscenzen  vermischen  sich 
mit  den  unter  a  und  b  genannten  quellen.  Schröder 
(SBrandau  s.  xii  (T)  läugnet  'classische  reminiscenzen  oder  an- 
schauungen  aus  der  orientalischen  wunderweit,  wie  man  sie  in 
unserer  legende  oft  hat  finden  wollen'  vollkommen,  dass  er 
hierbei  immer  überzeugend  verfährt,  kann  man  nicht  gerade  be- 
haupten, noch  weniger  lassen  sich  seine  behauptungen  aufrecht 
erhalten,    wenn    man    anstatt   der  abgeblassten    und    entstellten 


326  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

erzählungeQ  der  Navigatio  SBrendani  die  frischen  und  ausführ- 
licheren der  quelle,  des  Imram  Maelduin,  setzt,  auch  auf  anderer 
Seite  ist  man  principiell  geneigt,  die  in  den  ältesten  mittel- 
irischen sammelhss.  erhaltenen  alten  sagentexte  als  rein  irisches 
sageugut  zu  betrachten ,  das  unbeeinflusst  ist  von  fremder  lit- 
teratur  und  cultur.  ich  bin  im  gegenteil  der  festen  Überzeugung, 
dass,  wie  die  200jährige  anwesenheit  der  nordischen  vikiuger 
auf  Irlands  boden  nicht  spurlos  an  dem  geistesleben  des  irischen 
Volkes  vorübergegangen  ist,  sondern  in  der  alten  sagenlitteratur 
einen  niederschlag  zurückliefs  (siehe  Zs.  32,  196 — 334) ,  ebenso 
die  den  einfallen  der  Nordleute  vorausgehende  200jährige  periode 
irischer  geschichte  (von  mitte  des  6  bis  ende  des  8  jhs,),  in  der 
die  mit  dem  Christentum  gekommene  classische  bildung  auf  Irlands 
boden  eine  zweite  heimat  und  pflegeslätte  fand,  einflösse  der 
classischen  litteratur  aufweist,  das  gegenteil  wäre,  bei  vernünf- 
tiger Überlegung  und  betrachtung  der  receptiven  natur  der  Iren 
sowie  ihres  strebens,  fremdes  dem  einheimischen  zu  assimilieren, 
geradezu  unbegreiflich.  Vergils  Aeneis  und  Ovids  Meta- 
morphosen sind  die  lieblingswerke  der  Iren  jener  zeit:  hss. 
Vergils ,  im  8  jh.  in  Irland  geschrieben ,  haben  irische  gelehrte 
mit  nach  dem  continent  gebracht,  um  junge  Germanen  und 
Romanen  in  diesen  erzeugnisseu  des  classischen  altertums  zu 
unterrichten,  gerade  aber  an  die  beiden  genannten  werke  knüpft 
das  späte  altertum  seinen  reichtum  von  fabeln  in  commentaren 
und  schoben  an.  lehrreich  dafür,  dass  die  Iren  sich 
dieser  bemächtigten  und  wie  sie  einheimisches  ver- 
glichen, sind  notizen  in  der  Berner  hs.  nr  363,  die 
in  Irland  im  8  jh,  geschrieben  ist  und  ua.  des  Servius 
commentar  zu  Vergil  (fol.  1 — 142)  und  scholia  in  Metamorphos. 
Ovidii  (fol.  187  fl)  enthält,  fol.  128'  heifst  es  im  commentar  zu 
Aen.  VI  121  — 126:  si  fratrem  Polbix  alterna.  Helena  7  Pollux 
de  Jove  nati  immortales  fuerunt.  nam  Castor  Tyndareos  filius 
fuü.  cujus  mortem  suo  interüu  fraterna  pietas  redemit  quod  ideo 
fingitur  quia  horum  stelle  .  .  .  ut  occidente  una  oriatur  altera, 
arasque  tenebant.  rogabant  enim  deos  ararum  ansas  tenentes.  lege 
hie  librum  fabularum  Robartaich.  discensus  averni.  lamm 
pro  inferis  posuit  usw.  der  index  zu  den  Annalen  der  4  meist  er 
führt  nicht  weniger  als  20  Robartach  auf  von  Robartach,  söhn 
des   Cuana,    abt    von    Athainmor   an,    der    757    starb,    bis    auf 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  327 

Robartach,  sohü  des  Feardomnach,  abt  von  Jona,  der  1057 
starb:  alle  waren  äbte,  bischöfe,  Schreiber  dh.  gelehrte  in  jener 
zeit,  der  zusatz  lege  hie  usw.  rührt  von  einem  Iren  her,  der 
damit  ein  uns  verlorenes  werk  eines  Iren  Robartach  aus  dem 
8jh.  citierl.  fol.  131''  ist  zu  den  Worten  illa  Sybilla  hausit 
harenam  in  manibus  et  tarn  longam  vitam  poposcit;  cui  Apollo 
respondit  id  passe  fieri  si  Eritkriam  relinquerei  et  eam  nunquam 
videret  auf  den  rand  geschrieben  sicut  Mac  Ciadäin,  also 
auf  eine  irische  fabel  angespielt,  in  welchem  ansehen  Vergil 
in  Irland  zu  jener  zeit  stand,  mag  man  daraus  entnehmen,  dass 
die  Annalen  der  4  meister  neben  Feirgil,  abt  von  Cill  mör 
Eimire  in  Ulster,  der  760  starb,  und  Fergil  dem  geometer,  der 
um  740  sein  kloster  Achadbo  verlassen  hatte  und,  von  Pipin 
dem  Baiernherzog  Odilo  empfohlen,  von  743  —  784  bischof  von 
Salzburg  war  und  trotz  den  denunciationen  des  Bonifatius  es 
blieb  —  noch  6  andere  bis  auf  Fergil,  bischof  von  Finnabair, 
der  902  starb,  kennen,  alle  waren  bischöfe,  äbte,  Schreiber  dh. 
gelehrte. 

Was  mit  diesem  ehrenden  beinamen  ausgedrückt  werden 
soll,  ist  an  sich  klar,  doch  schadet  es  nichts,  wenn  ich  es 
durch  eine  notiz  aus  einer  irischen  hs.  beleuchte,  die  Ulster- 
aunalen  melden  zum  jähre  746  Ruman  mac  Colmain  poeta  opti- 
mus  quievit;  dasselbe  haben  die  4  meister  s.  a.  742  mit  den 
Worten  Ruman  mac  Colmäin  saoi  inecena  icroinic  7  ifilidecht  dec 
'Ruman,  söhn  des  Colmau,  ein  weiser  (hervorragend)  in  Weisheit, 
Chronik  und  dichtkunst  starb.'  die  annalen  des  Tigernach  haben 
dasselbe  wie  die  Ulsterannalen  zum  jähr  747  (siehe  O'Curry, 
Manuers  and  customs  n  37).  Ruman  ist  offenbar  ein  ehrenname 
'der  Römer',  weil  er  dem  berühmten  römischen  dichter  gleich 
gesetzt  wurde,  über  ihn  lesen  wir  im  Naemseanchas  (geschichte 
der  irischen  heiligen),  Book  of  Ballymote  225%  42  ff:  Ruman  mac 
Colmain  anfili  dlata  sil  Rumain  inAthTruim.  Trlfdetha  ando- 
main  ./.  Emhar  oGregaibh  7  Feirgil  oLaidianaibh  7  Ruman  oGcede- 
laibh  'Ruman  mac  Colmain  der  dichter,  von  welchem  die  familie 
Ruman  in  Trim.  drei  dichter  (nar'  s^oxi]v)  gibt  es  auf  der 
weit:  Homer  von  den  Griechen,  Vergil  von  den  Lateinern  und 
Ruman  von  den  Iren.'  von  diesem  Vergil  der  Iren  aus  der  ersten 
hälfte  des  8  jhs.  ist  uns  nur  eine  Strophe  erhalten  (siehe  O'Curry, 
Manners  and  customs  n  36  ff)   unil  ^^n  den  dichtem  jener  zeit, 


328  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

die  den  ehiennameu  Fergil  irugea,  ist  nichts  auf  uns  gekommen, 
so  viel  wir  wissen. 

Für  arbeiten  solcher  irischen  Vergile  des  8  und 
9jhs.  halte  ich  die  alten  imrama;  in  ihnen  —  sowol 
im  Imram  Maelduin  als  in  dem  alten  Imram  UaCorra  —  liegen 
die  irischen  seitenstücke  zur  meertahrt  des  Aeneas 
(Aen.  m — v)  vor,  compositionen  vornehmlich  aus  ein- 
heimischem Sagenmaterial  nach  dem  vorbilde  von 
Vergils  hochgeschätztem  werk  verfasst.  hierfür  schei- 
nen mir  mehrere  in  der  composition  der  irischen  texte  zu  tage 
tretende  momente  zu  sprechen. 

1.  am  beginn  von  Aeneas  meerfahrt  liegt  die  einholung  des 
augurium  bei  Anius,  dem  sacerdos  des  Phoebus  Apollo  (Aen. 
ni  79  ff),  wie  Maelduin  vor  beginn  der  reise  nach  Corcomroo  geht, 
um  den  druiden  Nuca  zu  befragen  (oben  s.  153). 

2.  einen  haupteinschnitt  in  der  meerfahrt  des  Aeneas  bildet 
vor  beginn  des  letzten  dritteis  der  aufenthalt  bei  der  zu  Aeneas 
in  leidenschaftlicher  liebe  entbrennenden  Dido,  die  ihn  auf  alle 
mögliche  weise  an  sich  zu  fesseln  sucht,  sodass  Juppiter  den 
Aeneas  an  das  ziel  seiner  meerfahrt  muss  erinnern  lassen  (Aen.iv). 
dem  correspondiert  in  Imram  Maelduin  episode  28  (oben  s.  166  ff), 
das  material  zu  dieser  episode  ist  irisches  sagengut:  sie  findet 
sich  in  Echtra  Brain  6  (oben  s.  260),  es  ist  tlr  namban.  aber 
die  art,  wie  das  vorhandene  material  verwertet  und  umgestaltet 
wurde,  lässt  die  nachahmung  Vergils  erkennen,  in  tlr  namban 
leben  nur  ewig  junge,  liebebedürftige  frauen;  unter  ihnen  be- 
findet sich  zwar  eine  erste  (taisech  innamban),  die  aber  keines- 
wegs als  mutter  der  anderen  gedacht  ist!  der  sterbliche,  der  in 
dies  gefilde  kommt,  bleibt  ebenfalls  ewig  jung  in  ihrer  liebe 
(Echtra  Brain  und  Echtra  Condla  s.  258  —  264).  was  macht  nun 
der  verf.  von  Imram  Maelduin  daraus?  eine  königswittwe  —  Didos 
verstorbener  gemahl  hiefs  Sychaeus  —  mit  17  töchtern;  sie  herscht 
über  ein  grofses  volk  und  ist  täglich  von  ihren  herscherpflichten 
in  anspruch  genommen,  dem  Maelduin  sagt  sie:  'bleibt  hier, 
und  nicht  soll  alter  über  euch  kommen  als  das  alter,  in  dem 
ihr  seid,  und  ewiges  leben  immerdar  wird  euch  sein.'  dies  ist 
alte  anschauung  von  ür  namban.  dann  erzählt  sie,  dass  ihr 
mann,  dem  sie  17  töchter  geboren,  gestorben  seil  natürlich, 
nur  so  konnte  eine  wittwe  wie  Dido  herauskommen;  wäre  nicht 


KELTISCHE  BEITRÄGE  11  329 

eine  nachahmung  beabsichtigt,  so  wäre  der  krasse  Widerspruch 
unerklärlich,  nur  die  nachahmung  der  mächtigen  künigin  konnte 
dazu  Cühren,  auf  inis  namban  aufser  den  frauen  noch  ein  grofses 
Volk  zu  denken,  ferner:  Maelduin  hatte  ein  jähr  lang  die  königin, 
die  mutter  von  17  erwachsenen  lochte  ru  als  bettgenossin, 
während  seine  gefährten  sich  in  die  jungen  mädchen  teilten. 
Bran  erhält  als  führer  natürlich  auch  die  erste  unter  den  frauen 
(taisech  namban),  aber  dies  war  keine  mutter  von  17  töchtern, 
sondern  ein  ewig  junges  weib  wie  die  anderen,  die  scenen,  wie 
die  kOnigin  den  Maelduin  zurückzuhalten  sucht,  sind  aus  irischem 
material;  es  ist  die  Schilderung  verwertet,  wie  Bran  landet,  ge- 
waltsame versuche,  den  Bran  zurückzuhalten,  werden  nicht 
gemacht,  offenbar  weil  der  sage  nur  freiwilliges  verweilen  im 
lande  der  frauen  entspricht.  auch  diese  Umgestaltung  muss 
einen  zweck  gehabt  haben,  welcher  wie  der  aller  Umgestaltungen 
der  alten  sage  in  der  beabsichtigten  nachahmung  Vergils  zu 
suchen  ist. 

3.  zweimal  trifft  Aeneas  auf  seiner  meerfahrt  unerwartet 
landsleute:  einmal  (vor  der  ankunft  bei  Dido)  den  Helenus  an 
der  küste  von  Epirus  (Aen.  m  294 — 505),  der  das  Schicksal  ver- 
kündet, und  zweitens  vor  der  landung  in  Italien  (nach  dem  be- 
such bei  Dido)  den  Troer  Acestes  auf  Sicilien  (Aen.  v  36  ff), 
ebenso  trifft  Maelduin  vor  seinem  aufenthalt  bei  der  wittwe  mit 
den  17  töchtern  einen  landsmann,  der  das  Schicksal  verkündet 
(episode  19),  und  vor  dem  ende  seiner  reise  (ebenfalls  nach  dem 
besuch  bei  der  königswittwe)  widerum  einen  landsmann  auf  einer 
insel  (episode  30). 

4.  zwischen  den  besuch  bei  Helenus  und  den  aufenthalt 
bei  Dido  fällt  für  Aeneas  das  abenteuer  mit  Polyphem  und  den 
cyklopen  (Aen.  ni  639).  so  liegt  in  der  meerfahrt  des  Maelduin 
zwischen  dem  besuch  bei  dem  ersten  landsmann  (episode  19)  und 
dem  aufenthalt  bei  der  königswittwe  (episode  28)  das  abenteuer 
bei  der  insel  der  schmiede  (episode  21)!  bei  dieser  episode  der 
erzählung  besteht  auch  das  material  aus  classischen  reminiscenzen: 
es  liegt  eine  Verschmelzung  vor  des  berichtes  in  der  Aeneis  mit 
den  anderweitigen  erzählungen  von  den  cyklopen  als  schmieden 
und  dem  schleudern  von  felsblöcken  hinter  Odysseus  her.  die 
erzählung  in  Imram  Maelduin  ist  ganz  klar,  wenn  man  annimmt, 
dass  der  fragende,   der  offenbar  auch  der  inhaber  der  schmiede 


330  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

ist,  als  blind  gedacht  wird.  —  die  züge  in  episode  13  können 
ebenfalls  classische  reminiscenzen  aus  gleichen  quellen  sein. 

5.  zwischen  dem  besuch  bei  Acestes  und  der  erreichung 
des  Zieles  der  meerfahrt  durch  Aeneas  liegt  der  tod  des  Pali- 
nurus  (Aen.  V  827  ff);  so  verliert  Maelduin  zwischen  dem  besuch 
bei  dem  landsmaun  (episode  30)  und  der  erreichung  seines  Zieles, 
der  insel  der  Seeräuber  (episode  34),  den  dritten  pflegebruder 
(episode  31). 

Das  eigentümliche  Verhältnis,  dass  in  Imram  Maelduin  3  männer 
nachkommen  und  auf  der  fahrt  verderben,  dagegen  im  alten  Imram 
UaCorra  einer  nachkommt  und  ebenfalls  verdirbt  (vgl.  oben 
s.  199  ff),  lässt  sich  begreifen,  wenn  man  beide  compositionen 
unter  dem  vorbild  der  meerfahrt  des  Aeneas  (Aen.  m  —  v)  ent- 
standen denkt,  der  crosan,  der  splitternackt  die  eben  zur  ab- 
fahrt bereiten  O'Corras  um  gottes  willen  (ardia)  anfleht,  ihn 
mitzunehmen  (oben  s.  187),  ist  der  unglückliche  aus  Odysseus 
gefolge,  der  den  abfahrenden  Aeneas  per  sidera  beschwört,  ihn 
mitzunehmen  (Aen.  ni  590  ff),  freilich  geschieht  letzteres  auf  der 
fahrt,  während  die  aufnähme  des  crosan  beim  beginn  stattfindet, 
während  der  ganzen  7  jährigen  fahrt  stirbt  von  den  genossen  des 
Aeneas  nur  ein  mann  eines  unnatürlichen  todes,  nämlich 
Palinurus:  er  ist  das  opfer,  welches  Neptun  fordert  (Aen.  v 
814.815).  gibt  man  zu,  dass  ein  irischer  gelehrter  die  com- 
bination  oder  Interpretation  in  Vergil  hineintrug,  dass  dieser  Pa- 
linurus für  den  nachträglich  aufgenommenen  unglücklichen 
(Aen.  ni  590  ff)  sterben  muss,  dann  sind  die  irischen  nach- 
ahmungen  der  meerfahrt  des  Aeneas  klar,  die  erwähnte  combi- 
nation  liegt  der  composition  des  alten  Imram  UaCorra  einfach  zu 
gründe  und  erklärt  uns,  wie  der  verf.  des  Imram  Maelduin  dazu 
kam,  drei  manu  nachträglich  teil  nehmen  zu  lassen,  es  ist 
eine  Variation  des  jüngeren  autors  (vgl.  s.  205)  von  Imram  Mael- 
duin, für  die  er  sich  vielleicht  einige  berechligung  aus  Vergil 
ausklügelte,  nur  ein  mann,  Palinurus,  stirbt  eines  unnatür- 
lichen todes  während  der  fahrt  und  zwar  gegen  ende  der- 
selben, es  stirbt  gegen  mitte  der  fahrt  Anchises  und  im  be- 
ginn der  fahrt  steht  der  unglückliche  Polydor,  gleichsam  zum 
zweiten  mal  sterbend  (Aen.  m  26  ff),  so  kann  man  von  drei 
dem  Aeneas  als  führer  der  expedition  nahe  stehenden  toten 
während   der  fahrt  reden ;   dem   entsprechend  musten   unter  der 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  331 

durch  Imram  üaCorra  geschafrenen  Voraussetzung  von  der  todes- 
ursache  des  einen  begleiters  von  dem  verf.  des  Imram  Maelduin 
drei  genossen  nachträglich  aufgenommen  werden,  ist  dies  die 
entwickelung,  dann  ist  der  alle  Imram  UaCorra  unstreitig  älter 
als  der  uns  erhaltene  Imram  Maelduin. 

Wie  man  auch  über  die  eine  oder  andere  der  vorgebrachten 
einzelheiten  urteilen  mag,  den  gesammteindruck  wird  man  aus 
den  erwägungen  von  s.  325  bis  hierher  —  besonders  aus  der 
Umgestaltung  der  episode  Echtra  Brain  6  zu  Imram  Maelduin  28, 
siehe  s.  328  f  —  hoffentlich  gewonnen  haben,  dass  Imram 
Maelduin  und  der  noch  ältere  Imram  UaCorra  als  be- 
stimmte gattung  litterarischer  coraposition  nach 
dem  Vorbild  von  Vergils  Aeneis  buch  iii  —  v  im  7  oder 
8  jh.  verfasst  sind,  dann  haben  wir  allerdings  ein  recht, 
aufser  in  den  schon  erwähnten  episoden  21  und  13  von  Imram 
Maelduin,  auch  sonst  in  dem  material  selbst  classische  remi- 
niscenzen  zu  suchen,  ohne  für  jetzt  in  einzelheiten  weiter  ein- 
zugehen, will  ich  nur  darauf  hinweisen,  dass  die  erzählung  von 
der  Verjüngung  des  vogels  in  episode  30  des  Imram  Maelduin 
(oben  s.  169  ff)  offenbar  ein  niederschlag  der  Phönixsage  ist. 

ni.  skizzieren  wir  kurz  den  gang  der  entwickelung,  wie 
er  sich  aus  der  Untersuchung  ergibt. 

1  stufe,  im  7  oder  8  jh.  entstand  in  Irland  in  nachahmuug 
von  Aeneas  meerfahrt  (Vergil ,  Aen.  iii  —  v)  die  litteraturgattung 
der  imrama  (navigationes).  das  material  ist  im  wesentlichen  ein- 
heimisches und  fliefst  als  solches  aus  zwei  quellen  zusammen 
(s.  324  ff),  das  einzige  alte  denkmal  dieser  zeit,  welches  voll- 
ständig auf  uns  gekommen,  ist  der  s.  147  ff  betrachtete  Imram 
curaig  Maelduin.  —  in  der  vikingerzeit  wurde  diese  erzählungs- 
gattung  als  rahmen  für  eine  tendenzschrift  benutzt,  die  uns  unter 
dem  namen  Imram  Snedgusa  7  Maie  RJagla  erhalten  ist  (oben 
s.  211— 219). 

2  stufe,  im  9  oder  10  jh.  entstand  durch  misverständuis  die 
meinung,  dass  Brendan  mac  Finnloga  UaAlta,  von  dem  eine 
bufsfahrt  nach  Britannien  bekannt  war,  eine  oceanfahrt  nach 
der  terra  repromissionis  unternommen  habe,  wie  man  solche 
dem  heiligen  Ailbe  und  anderen  anachoreten  des  5  und  6  jhs. 
zuschrieb  (s.  292  ff.  311).  verschiedenartige  erlebnisse  wurden 
von   dieser  bufsfahrt   erzählt,   resp.  darauf  umdeutend   bezogen. 


332  KELTISCHE  BEITRAGE  II 

3  stufe,  in  der  mitte  des  1 1  jhs.  uniernahm  ein  unbekannter 
kleriker  eine  Schilderung  dieser  oceanfalirt  in  lat.  spräche,  ein 
werk,  das  unter  dem  titel  INavigatio  SBrendani  auf  uns  gekommen 
ist:  das  material  zu  den  einzelnen  episoden  nahm  der  verf.  fast 
ausschliefslich  aus  dem  alten  irischen  Imram  Maelduin,  den  er 
ebenso  wie  die  bekannten  episoden ,  die  von  Biendan  im  schwänge 
giengen,  gewaltsam  aber  nicht  ohne  kunst  zurechtschnitt  (s.  174 
bis  181;  307  —  314). 

3a  stufe,  noch  im  11  oder  im  12  jh.  stellte  ein  anderer, 
der  nicht  ohne  keuntnis  der  Navigatio  SBrendani  war,  eine 
irische  erzählung  von  ßreudans  oceanfahrt  her,  allerdings  mit 
ganz  anderer  tendenz  und  mit  fernhaltung  der  speciflsch  profanen 
elemente,  die  der  verf.  der  Navigatio  in  so  bedeutendem  umfang 
seinen  zwecken  dienstbar  gemacht  hatte  (siehe  s.  314 — 324). 

Das  unter  3  genannte  denkmal,  die  lat.  Navigatio  SBrendani, 
wurde  vom  12  jh.  an  der  quell  für  eine  reiche  litteratur  in  eng- 
lischer, französischer,  deutscher  und  lateinischer  spräche,  das 
nähere  eingehen  hierauf  liegt  nicht  im  plane  dieser  Studie,  ist 
auch  um  so  weniger  nötig,  als  die  trefflichen  Untersuchungen 
von  Schröder  (Sanct  Brandan ,  einleitung)  und  Suchier  (Böhmers 
Romanische  Studien  i  553  —  563)  die  Verhältnisse  dieser  4  stufe 
der  entwickelung  ziemlich  klar  gelegt  haben,  auf  einen  puuct 
möchte  ich  jedoch  hinweisen ,  der  durch  den  gang  meiner  Unter- 
suchung und  deren  ergebnisse  in  ein  neues  licht  gerückt  wird. 

Nach  den  Untersuchungen  von  Schröder  und  besonders  den 
weiteren  ausführungen  Suchiers  aao.  teilen  sich  die  englischen, 
französischen,  deutschen  und  lateinischen  bearbeitungen,  die  man 
auf  die  Navigatio  SBrendani  zurückführt,  in  zwei  gruppen.  die 
erste,  umfangreichere  gruppe  —  der  das  anglonorm.  gedieht 
und  dessen  lat.  Übersetzung  angehört,  das  altfr.  gedieht  in  der 
Image  du  monde,  das  miltelengl.  von  Wright  edierte  gedieht  und 
eine  reihe  von  prosabearbeitungen  (siehe  Suchier  aao.  s.  557. 
558)  —  ist  einfache  bearbeitung  der  lateinischen 
vorläge,  die  zweite  gruppe,  deren  repräsentanten  —  das 
mittelniederl.  gedieht,  das  mitteldeutsche  gedieht,  das  nieder- 
deutsche gedieht  und  das  Volksbuch  des  15  jhs.  —  im  letzten 
gründe  auf  ein  verlorenes  mittelfränkisches  gedieht  des  12  jhs. 
zurückgehen,  weicht  bedeutend  von  der  lateinischen 
Navigatio  SBrendani  ab.    die  erzählung  ist  consequent 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  333 

auf  eiuer  anderen  grundlage  aufgebaut:  Brendau  geht 
uicht  durch  den  bericht  des  Barrindus  verlockt  auf  die  fahrt,  son- 
dern zur  strafe  dafür,  dass  er  dem  buche  nicht  geglaubt  und  es 
verbrannt  hat.  er  muss  zur  strafe  das  sehen,  was  er  nicht 
•:eglaubt.  in  diesem  vollkommen  abweichenden  rahmen  erscheint 
nun  eine  reihe  der  episoden  der  Navigatio  Sßrendani  deutlich 
wider  (siehe  Schröder  s.  x  fl",  Suchier  s.  563) ;  andere  sind  stark 
modificiert  aber  noch  erkennbar;  andere  fehlen  ganz,  so  be- 
sonders der  zug  von  der  osterfeier  (7  mal)  auf  dem  rücken  des 
Walfisches;  mehrere  neue  episoden  sind  hinzugekommen  (zh. 
227  —  290,  291—309,  356  —  426,  427  —  454,  455-470,  1093 
bis  1110,  1456—1702,  1703  — 175S  im  mitteldeutschen  ge- 
dieht, ua.). 

Alle  diese  abweichungen  erklärt  man  daraus ,  dass  dem  verf, 
des  verlorenen  miltelfränkischen  gedichts  'von  der  legende  nur 
so  viel  bekannt  war,  als  leicht  im  gedächtnis  haften  konnte', 
'dass  nicht  der  lat.  text  der  Navigatio  seine  quelle  war,  sondern 
seine  kenntnis  von  Brandans  abenteuern  auf  mündlichen  berichten 
beruhte'  (Suchier  aao.  s.  563). 

Dem  ist  zweierlei  entgegenzuhalten:  1)  es  existiert  kein 
Zeugnis  dafür,  dass  vor  der  Navigatio  SBrendani  irgend- 
wie eine  zusammenhängende  erzählung  über  Brendans  fahrt  nach 
der  terra  repromissionis  vorhanden  war.  2)  die  abweichungen  und 
Zusätze  der  zweiten  gruppe  sind  zu  einem  beträchtlichen  teil  der 
art,  dass  sie  deutlich  an  episoden  anderer  irischer  schift'er- 
sageu  erinnern,  die  wir  in  abschnitt  B  kennen  lernten,  zuweilen 
viel  deutlicher  als  manche  allgemein  angenommene  beziehung  zur 
lat.  Navigatio  SBrendani:  so  treten  Enoch  und  Elias  (515  —  556 
des  md.  ged.)  auf  einer  insel  im  Imram  Snedgusa  auf  (episode  8, 
oben  s.  214),  und  s.  217 ff  habe  ich  gezeigt,  dass  wir  es  hinsicht- 
lich dieser  beiden  mit  anschauungen  zu  tun  haben,  die  in  der 
irischen  litteratur  in  alter  zeit  verbreitet  sind,  eine  insel, 
worauf  sich  weseu  mit  schweinsköpfen  befinden  ,  kommt  in  Imram 
Snedgusa  (episode  7)  ebenfalls  vor,  sodass  v.  1245 — 1417  des  md. 
gedichtes  auf  einer  combination  von  Navigatio  10  mit  diesem  be- 
richt beruhen  könnte,  ferner  findet  sich  in  Imram  Snedgusa 
(episode  6)  eine  insel,  auf  welcher  menschen  mit  huudsköpfen 
leben:  solche  kommen  auch  im  deutschen  gedieht  vor  (zii  den 
Uunthoubten  1651).     dass  Brendans   meerfahrl    eine    biifsralni 


334  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

ist,  schliefst  sich  an  ältere  mehrfach  bezeugte  irische  aoschauungen 
von  Brendan  (siehe  s.  305  ff)  doch  näher  an  als  die  auf- 
fassung  der  Navigatio  SBrendani.  das  stark  hervortretende  be- 
streben der  deutschen  bearbeitung,  der  Schilderung  von  fegfeuer 
und  hölle  einen  grofsen  räum  zu  gewähren  (vgl.  247  —  290, 
427 — 454,  557 — 660  usw.),  erinnert  an  Imram  curaig  üaCorra 
episode  12 — 19  (oben  s.  191  ff)  und  an  die  composition  des  iri- 
schen Imram  Brenaind  (vgl.  s.  322);  hierher  auch  das  meerweib 
(227 — 246;  vgl,  Imram  Brenaind  episode  5);  die  episode  1456  ff 
(insel,  zu  der  sie  nicht  gelangen  können)  an  Imram  Brenaind  6 
verbunden  mit  12  (wo  Unmöglichkeit,  die  anker  zu  lichten,  und 
zwerge)  und  Imram  UaCorra  24  (wo  ein  vogel  an  stelle  des 
Zwergs  den  alten  benachrichtigt).  weitere  berührungspuncte 
werden  jedem  leser  des  mitteldeutschen  gedichts,  welcher  das  in 
abschnitt  B  ausgebreitete  material  im  gedächtnis  hat,  von  selbst 
auffallen. 

Demnach  muss  man  die  oben  angeführte  ansieht  Suchiers 
meines  erachtens  wenigstens  so  weit  modificieren,  dass  man 
sagt:  dem  verf.  des  verlorenen  mittelfränkischen  gedichts  standen 
die  mitteilungeu  eines  irischen  klosterbruders  —  solche  gab  es  ja 
im  11  und  anfang  des  12  jhs.  am  Mittel-  und  Niederrhein  zahl- 
reich, siehe  Preufs.  jbb.  59,  48  —  zu  geböte,  der  kenntnis 
von  der  Navigatio  SBrendani  hatte  und  mit  der  irischen  sagen- 
litteratur,  der  kirchlichen  wie  der  profanen,  wol  vertraut  war. 
allein  dürfen  oder  müssen  wir  einen  derartigen  bericht,  der  die 
erzählung  auf  eine  ganz  andere  basis  stellte,  ihr 
einen  neuen  rahmen  gab',  und  die  ausfülluug  des  rahmens 

>  dass  die  nene  basis  nicht  das  werk  des  deutschen  dichters  sondern 
irische  combination  ist,  lässt  sich  nachweisen.  Brendans  meerfahrt  ist 
in  der  deutschen  bearbeitungr  eine  bufs fahrt  zur  strafe  für  seinen 
Unglauben,  dass  diese  auffassung  sich  in  ihrem  einen  teil  (bufsfahrt  als 
strafe)  an  wolbezeugte  ältere  irische  anschauungen  eng  anschliefst,  habe 
ich  schon  oben  hervorgehoben,  aber  auch  der  Unglaube,  die  zweifelsucht 
Brendans  ist  für  Irland  wol  bezeugt:  LL  370*=  —  also  in  einer  hs.  aus  der 
1  hälfte  des  12jhs.  —  findet  sich  ein  tractat  Hie  mcipiunt  sancti  qui  erant 
hini  unius  moris.  er  beginnt  mit  Johannes  BapUza-Epscop  Ibar  und 
schliefst  Augustinus  episcopus  Angloi'um-  Barre  Epscop  Muma.  unter  den 
aufgezählten  paren ,  welche  u?iius  moris  erant,  befinden  sich  auch :  Tomas 
apostolus  —  Brenand  Chiana  Ferta.  das  kann  sich  doch  nur  auf  z  w  e  i  f  e  1  - 
sucht  beziehen  und  das  einzige  dafür  uns  erhaltene  zeugnis  ist  eben  die  An- 
leitung zum  deutschen  gedieht,  die  deshalb  irischen  Ursprungs  sein  muss. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  335 

in  grofsen  partien  anders  vornahm  als  in  der  Navigatio  SBren- 
dani  geschehen  ist  —  müssen  wir  einen  solchen  bericht  nicht 
eine  besondere  recension  nennen?  dazu  kommt  noch 
eins,  der  verf.  des  mitteldeutschen  gedichtes  beruft  sich  au  nicht 
weniger  als  8  stellen  zur  bekräftigung  von  einzelheiten ,  die  auf 
der  meerfahrt  vorfielen,  auf  geschriebene  quellen:  Dd  lägen 
sie  mit  sorgen  wol  kein  vumfzen  tagen,  als  uns  die  buch 
sagen  468;  uns  saget  daz  buch  ouch,  daz  under  dem  burge- 
tore  saz  der  herre  Elias  vore  532;  sus  hörten  sie  darnach  ein 
brechen,  als  uns  die  buch  sprechen  574;  die  buch 
sprechen  daz  di  müere  were  al  cristellingevar  1164;  in  so  ge- 
taner stunde  vluzzen  sie  vierzen  nahte  zit ,  als  uns  daz  buch 
vergit,  in  des  visches  ringe  mit  not  1432;  die  naht  wart  ouch 
irlühtet  ddvan,  als  uns  die  buche  schribe  1795;  dö  hette 
sente  Brandän  besunder  gesen  michel  wunder  sint  des  ersten  tages 
zit  vorwäre  als  uns  daz  buch  git  1884.  woher  hätten  wir 
ein  recht,  dies  alles  für  leere  rederei  zu  hallen?  sollen  wir  dies 
blofs  auf  die  mittelfr.  vorläge  beziehen?  oder  ist  es  nicht  wahr- 
scheinlicher, dass  der  verf.  des  mitteldeutschen  gedichts  (also  der 
überarbeiler  der  verlorenen  mittelfr.  vorläge)  berufungen  auf  die 
b^Xch  vorfand?  lehrreich  ist  hier  das  niederdeutsche  gedieht  in 
seinem  Verhältnisse  zum  mitteldeutschen:  in  vier  fällen  be- 
ruft es  sich  an  denselben  stellen  auf  de  böke:  alse 
uns  de  böke  sagen  383  ==  468  im  mitteld.  gedieht;  alse  uns  secht 
dut  bök  doch  446  ==  532;  de  böke  spreken,  dat  de  mure  859 
=  1164;  alse  uns  secht  de  scrift  däraf  1074  =  1795. 

Wollen  wir  nicht  ganz  ungerechtfertigte,  gewalttätige  an- 
nahmen machen,  so  müssen  wir  zugeben,  dass  in  dem  ältesten 
deutschen  (dem  mittelfr.)  gedieht  berufungen  auf  diu  buoch  vor- 
kamen, also  auf  eine  vorläge,  die  nur  eine  lateinische 
kann  gewesen  sein,  deuten  darauf  nicht  auch  die  im  deut- 
schen texte  stehen  gebliebenen  lat.  brocken  wie  deus  misereatur 

die  inLL  erhaltene  Zusammenstellung  mit  dem  ungläubigen  Thomas  — 
die  noch  in  einer  zweiten  hs.  des  12jhs.  vorkam,  wie  die  Brüsseler  hs.  5104 
ausweist,  siehe  O'Kelly ,  Calendar  s.  xli  —  ist  besonders  lehrreich  für  das 
md.  gedieht  1314  —  1350,  woselbst  der  gefallene  engel  Brendans  zweifel- 
sucht an  dem  buch  des  ausführlichen  mit  der  zweifelsucht  des  apostels 
Thomas  vergleicht!  nach  all  dem  müssen  wir  den  rahmen  der  deutschen 
Brendanbearbeitung  wie  so  manches  andere,  was  man  bisher  dem  deutschen 
dichter  zuschrieb,  für  echt  irisch  halten. 


336  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

nostri  (783),  daz  heizet  'multum  bona  terra  (\V29  =  dat  lant 
het  'bona  terra'  837  im  niederd.  text),  sie  heizet  'munda  Siow 
als  ichz  vernam^  (1152)?  uud  sagt  uiclit  der  niederländische  be- 
arbeiter  zum  scliluss  (2263  ff): 

Nu  biddic  elken  ende  rade 

dat  nienien  enversmade 

Brandaens  avontuere 

die  hem  dicke  wart  te  zuere, 

HO  ensegghe  no  daer  over  houde 

dat  loghene  icesen  soude: 

want  het  leecht  bescreven  in  lattyne 

in  meneghen  cloester  fine 

ende  in  menegher  goeder  stede 

daer  men't  haut  in  werdicheden. 
Schröder  meint  allerdings:  'dem  Niederländer  steht  die  berufung 
auf  dies  lat.  original  sehr  übel  an,  denn  das  gedieht  hat  sich 
von  seiner  vorläge  aufs  äufserste  entfernt'  (s.  123).  ganz  recht, 
wenn  man  annimmt,  dass  seit  Jahrhunderten  eine  ihrem  inhalte 
nach  fest  fixierte  sage  von  Brendans  meerfahrt  in  Irland  existierte, 
die  in  der  auf  uns  gekommenen  Navigatio  SBrendani  vorliegt,  so 
verzeihlich  eine  solche  annähme  für  alle  die  ist,  welche  mit  der 
irischen  litteratur  nicht  näher  vertraut  sind,  so  unbewiesen  und 
unbeweisbar  ist  sie,  wie  diese  Untersuchung  hoffentlich  ge- 
zeigt hat. 

Lassen  wir  also  alle  gewalttätigkeiten  bei  seite,  mit  denen 
man  sich  geholfen ,  so  ergibt  sich  aus  den  erörterungen  von 
s.  332  an ,  dass  die  texte  der  zweiten  gruppe  —  die  so  genannte 
deutsche  bearbeitung  —  auf  eine  verlorene'-^  lateinische  Navi- 
gatio  SBrendani  zurückgehen,  diese  lat.  vorläge  gab  sich  aus 
oder  wurde  von  dem  deutschen  bearbeiter  angesehen  als  der 
bericht,  den  Brendan  selbst  von  seiner  reise  verfasst  habe,  über 
das  Verhältnis  dieser  verlorenen  lat.  Navigatio  SBrendani  zu 
dem    erhaltenen    text  gleichen    namens   lässt    sich   leicht   ins 

*  Mons  Syone  im  niederl.  text  (1640)  nach  Schröder  s.  116.  im  prolog 
zum  Feiire  270  wird  Christus  angerufen:  an  Sion  sluagaig  'o  könig-  des 
scharenreichen  Sion.' 

2  dass  dieser  lat.  text  endgiltig  verloren,  ist  nicht  ausgemacht,  in 
den  continenlalen  bibliotheken  liegen  so  viele  hss.  der  Navigatio  SBrendani, 
die  noch  nicht  näher  untersucht  sind,  dass  nicht  ausgeschlossen  ist,  dass 
sich  unter  ihnen  auch  die  vorläge  der  deutschen  bearbeitung  findet. 


KELTISCHE  BEITRÄGE  II  337 

reine  kommen,  vergleicht  man  nämlich  diejenigen  episoden, 
welche  die  erhaltene  Navigatio  SBrendani  mit  den  deutschen  ge- 
dichten  gemeinsam  hat  (Schröder  s.  x  ff,  Suchier  s.  563) ,  mit 
der  älteren  quelle,  dem  irischen  Imram  Maelduin,  so  weit  sie 
daraus  geflossen  sind,  so  ergibt  sich,  dass  beide  lat.  Naviga- 
liones  nicht  unabhängig  von  einander  Imram  Mael- 
duin benutzt  haben  können,  der  verf.  der  erhaltenen 
Navigatio  SBrendani  hat  unmittelbar  aus  dieser  quelle  geschöpft, 
der  verf.  der  verlorenen  Navigatio ,  also  der  vorläge  der  deutschen 
bearbeitung,  hat  die  erhaltene  lat.  Navigatio  SBrendani  benutzt, 
aber  er  halte  ebenso  wenig  wie  der  verf.  des  jüngeren  Imram 
curaig  UaCorra  (s,  203^  fl")  oder  des  irischen  Imram  Brenaind 
(siehe  s.  321}  eine  vollständige  hs.  der  erhaltenen  Navigatio 
SBrendani  vor  sich,  ob  er  nur  nach  dem  gedächtnis  arbeitete 
oder  ob  er  etwa  einen  auszug  des  lextes  der  Navigatio  SBrendani 
vor  sich  hatte,  lässt  sich  natürlich  nicht  bestimmen,  den  letzteren 
punct  möchte  ich  deshalb  betonen,  weil  uns  tatsächlich  ein 
solcher  auszug  aus  der  Navigatio  —  der  ua.  die  Barrindusepisode 
übergeht,  deu  procurator  fast  ganz  zurücktreten  lässt  und  die 
osterfeier  auf  dem  rücken  des  walfisches  erwähnt  aber  nicht  be- 
schreibt —  schon  in  einer  hs,  des  13  jhs.  erhalten  ist.  derselbe 
ist —  e  codice  bibliothecae  Vallicellianae  saec.xni,  fol.  141 — 143  — 
von  Moran  in  den  Acta  sancti  Brendani  (s.  132  ff)  unter  dem  titel 
'Legenda  in  festo  sancli  Brandani  episcopi'  gedruckt. ^  war  der 
verf.  der  verloreneu  Navigatio  SBrendani  im  besitz  eines  ähn- 
lichen auszuges  wie  die  Legenda,  dann  ist  das  Verhältnis  zur  er- 
haltenen Navigatio  SBrendani  klar,  klar  ist  die  vielfache  Über- 
einstimmung und  das  Verhältnis  zu  Imram  Maelduin,  klar  ist 
auch ,  wie  so  characteristische  merkmale  der  erhaltenen  Navigatio 
selbst,  zb.  die  Barrindusepisode,  die  osterfeier  auf  dem  rücken 
des  walfisches  ganz  fehlen  können,  andere,  zb.  der  procurator  so 
zurücktreten  (zwerg  Botewart,  v.  1557  des  md.  gedichtes).  aufser 
einer  solchen  Legenda  hatte  der  verf.  der  verlorenen  lat.  Navigatio 
auch  noch  kenntnis  von  Zügen  aus  Brendans  leben,  die  mau 
im  12  jh.  mit  seiner  meerfahrt  in  Verbindung  brachte  (siehe 
s.  333  und  334  mit  note),  sowie  künde  von  sonstigen  schifl'er- 
sagen  in   irischer  spräche    (siehe  s.  333).     aufserdem   liebte   er 

*  ich  besitze  eine  unabhängige  abschrift  des  codex,  welche  mir  dr  Mac 
Garlhy  bei  einem  besuch  in  Macioom  (ostern  18S5)  schenkte. 
Z.  F.  D.  A.    XXXill.    N.  F.    XXI.  22 


338  KELTISCHE  BEITRÄGE  II 

das  ehrwürdige  geistliche  gevvaod,  in  welches  der  verf.  der  er- 
haltenen Navigatio  SBrendaui  die  einzelnen  episoden  steckte,  nicht 
in  dem  mafse,  sondern  liefs  sich  mehr  vom  geist  der  irischen 
prolänsagenlitteratur  beherschen. 

Dass  vieles  stoffliche,  was  man  bis  jetzt  dem  deutschen  be- 
arbeiter  zu  gute  schrieb,  echt  irisch  ist  und  der  vorläge  angehört, 
darauf  habe  ich  schon  s.  333  und  334  anm.  hingewiesen,  ich 
glaube  aber,  dass  auch  noch  manches  von  dem  'geiste'  der 
deutschen  bearbeitung,  wie  ihn  Schröder  s.  xiv  ff  nach  Gerviuus 
characlerisiert,  der  von  dem  Iren  herrührenden  lat.  vorläge  au- 
gehört, die  freude  an  dem  seltsam  übertriebenen  wunderbaren 
kennt  die  irische  litteratur  seit  den  ältesten  Zeiten,  und  schon 
ein  halbes  Jahrtausend  vor  beginn  der  kreuzzüge  war  das  abenteuer- 
lichste und  wunderbarste  der  phantasie  des  Iren  das  erwünsch- 
teste. ^  erst  die  zeit  der  kreuzzüge  machte  die  continentaleu 
leser  und  hörer  für  diese  irische  litteratur  empfänglich  und  ver- 
half den  Visionen  und  navigationen  irischen  Ursprungs  zu  ihrer 
Verbreitung  in  der  volkstümlichen  litteratur  coutinentaler  Völker. 
Wenden  wir  uns  noch  einmal  zu  der  oben  gegebenen  skizze 
(s.  331),  so  ist  aufgrund  der  erörterungen  von  s.  332  bis  hierher 
nachzutragen: 

3/?  stufe,  eine,  anscheinend  verlorene,  lateinische  Navigatio 
SBrendani. 

4  stufe,  a.  die  unter  3  genannte  erhaltene  Mavigatio  SBrendani 
findet  vom  12  jh.  zahlreiche  bearbeitungen  in  englischer,  französi- 
scher und  deutscher  zunge  (Hartliep,  Lübecker  passional,  Rollen- 
hagen, Kosegarten,  siehe  Schröder  s.  xvii,  Suchier  s.  558). 

b.  die  unter  dß  genannte  lat.  Navigatio  SBrendani  fand  ende 
des  12  jhs.  einen  mittelfränkischen  bearbeiter,  dessen  arbeit  die 
vorläge  abgab  für  ein  md.,  nd.,  nl.  gedieht  und  für  das  hd. 
Volksbuch. 

•  ich  habe  nur  nötig,  auf  die  inhaltsangaben  der  wichtigsten  texte  des 
Ulstersagenkreises  hinzuweisen,  die  ich  Zs.  f.  vgl.  sprachf.  28,416  —  689 
gegeben,  auf  die  auszüge  im  ersten  beitrag  (Zs.  32,  196  —  334)  sowie  auf 
das  in  dieser  Untersuchung  zur  spräche  gekommene. 

Greifswald,  juIi  1888.  H.  ZIMMER. 


ALTDEUTSCHE  FÜ?sDE  AUS  LNi^SBRUCK  339 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK. 

Bei  der  in  diesem  jähre  beendeten  generalrevision  der  k.  k. 
Universitätsbibliothek  zu  Innsbruck  sind  auch  die  in- 
cunabeln  genau  untersucht  worden,  dabei  hat  sich  eine  grofse  anzahl 
von  bruchstücken  alter  handschriften  gefunden,  welche  als  falze, 
am  rücken,  auf  den  deckein  der  einbände  verwendet  worden  waren, 
der  vorstand  der  bibliothek,  hr  dr  Ludwig  von  Hörmann  hat  alle 
diese  stücke  sorgsam  ablösen  lassen,  die  altdeutschen  darunter  mir 
zur  bearbeitnng  übergeben,  ich  veröffentliche  hier  eine  erste  partie 
der  funde. 

Diese  sieben  gi^uppen  von  fragmenten  sind  aus  folgenden  in- 
cunabeln  genommen:  i  aus  ^-^a,  Hosliensis,  Summa  io  v  libros 
decretalium.  Veneliis.  Wild.  1480;  ^jja,  Albericus  de  Rosate, 
Lexicon  sive  dictionarium  juris.  Papiae.  De  Garaldis.  1498; 
^-a,  Bartholamaei  Andreae  de  Sicilia,  Partes  iv  consiliorum.  Me- 
diolani.  Lavagnia.  1489 — 1500;  ^-^a,  Albericus  de  Rosate,  Su- 
per II  partes  digesti  veteris  cum  commentariis  per  Jasonem  de 
Maino.  Papiae.  Jo.  de  Liguano.  1499.  die  drei  letzten  num- 
mern  stammen  aus  dem  cisterzienserkloster  Neustift  bei  Brixen 
in  Südtirol,  die  provenienz  der  ersten  ist  unbekannt,  aber  wahr- 
scheinlich auch  dahin  zu  verweisen.  —  ii  streifen  1.3smrf  entnommen 
'^a,  Alexander  de  Imola,  De  re  judicata  cum  additionibus  oppor- 
tunis.  Veneliis.  Herbort  de  Gilgenstat.  1484.  nach  einem  ver- 
merk im  buche:  E  bibliotheca  Tzwerger.  —  iii  ist  entnommen 
^-^D,  Justini  historiae  ex  Trogo  Pompeio  excerptae.  Veneliis. 
Phil.  Conda.  1479.  gehörte  den  Jesuiten  in  Brixen.  —  iv  ist  ent- 
nommen ^^g,  Rationale  divinorum.  Argentinae.  s.  t.  1493.  stammt 
aus  der  karthause  Aller engelsb er g  im  Schnalserthal ;  ferner  ^E, 
Baptistae  Fr.  Mantuani  adolescentia  in  aeglogas  divisa,  Mantuae. 
Vinc.  Berthocus  Regiensis.  1498.  provenienz  unbekannt.  — 
V  ist  entnommen  ^-j-H,  Gregorius  de  Arimino,  Lectura  senten- 
tiarum.  Parisiis.  s.  t.  1482.  aus  Neustift.  —  vi  ist  entnommen 
^-^  E,  Discipuli  (Herolt)  sermones  de  tempore  et  de  sanclis.  s.  t. 
1483.     nach  dem  vermerk:    E  libr.  fratris  Martini  Piscatoris.  — 

22* 


340  ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

VII  ist   entnommen   '-^^C,    Lanlraoci   variorum    tractaluum  juridi- 
corum  coUectio.    Veneliis.  Joan.  de  Colonia.     1472.    aus  Neustift. 

Die  kss.,  mts  welchen  diese  bruchstücke  sich  get^ettet  haben, 
loerden  also  icol  in  Südtirol  vorhanden  gewesen  sein ,  der  bibliothek 
des  klosters  Neustift  (welches  jetzt  nur  eine  hs.  besitzt)  hat  ein 
grofser  teil  derselben  angehört,  und  so  loird  wahrscheinlich  ein 
buchbinder  zu  Brixen  im  \\\  jh.  die  alten  Codices  für  die  neuen 
einbände  aufgearbeitet  haben,  die  zahl  der  Zeugnisse  für  Tirols 
noch  vielfach  unterschätzte  teilnähme  an  der  altdeutschen  litteratur 
loächst  damit  um  ein  beträchtliches. 

Herrn  bibliothekar  dr  Luomo  von  üormann,  dessen  Sorgfalt 
und  eifer  wir  die  entdeckung  der  altdeutschen  fragmente  und 
noch  vieler  anderer  zuschreiben  müssen,  dessen  liberalität  mir  die 
bequeme  benutzung  der  funde  ermöglicht  und  mich  dabei  in  jeder 
weise  gefördert  hat,  spreche  ich  auch  an  dieser  stelle  meinen  auf- 
richtigen und  herzlichen  dank  aus. 

Graz,  allerheiligen  1888.  ANTON  E.  SCHÖNBACH. 

I 

Vierzehn  streifen  und  Stückchen  einer  pergamejithandschrift 
des  Waltharius.  davon  gehören  7  zu  doppelblättern,  welche 
der  quere  nach  zerschnitten  waren,  7  zu  einzelnen  blättern,  die 
gröste  länge  eines  Streifens  beträgt  29,6  cm.,  ein  blatt  also  ist 
14,8  cm.  breit,  da  auf  einer  seite  27  zeilen  standen,  3  zeilen 
nicht  ganz  2  cm.  einnehmen,  der  obere  rand  der  blätter  1,5  cm., 
der  untere  2  cm.  breit  ist,  so  ergibt  sich  für  das  blatt  eine  höhe 
von  ungefähr  21,5  cm.  das  format  der  hs.  war  mithin  ein  statt- 
liches grofsoctav.     161  verse  sind  ganz  oder  teilweise  erhalten. 

Die  Schrift  stammt  aus  dem  \i  Jahrhundert ,  ist  schön,  deut- 
lich, sorgfältig,  mit  brauner  tinte  auf  eingeritzten  linien  geschrieben, 
die  hexameter  sind  abgesetzt,  am  Schlüsse  eines  jeden  verses  steht 
ein  punct.  die  verse  beginnen  mit  capitalbuchstaben ,  welche  auf 
der  mehrzahl  der  seiten  rot  durchzogen  sind,  auf  einigen  Seiten 
fehlt  dieser  schmuck,  der  Schreiber  selbst  hat  sich  bisweilen  ver- 
bessert, im  anfange  des  xujhs.  ist  die  hs.  durchcorrigiert  worden, 
dabei  sind  mehrere  stellen  radiert,  anderes  ist  dafür  eingesetzt, 
lateinische  glossen  sind  über-  oder  beigeschrieben  worden,  etwas 
später,  aber  auch  noch  etwa  um  die  mitte  des  xujhs.,  wurden 
etliche  deutsche  glossen  eingetragen. 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  ININSBRUCK  34t 

Es  folgt  ein  möglichst  genauer  abdruck. 
V     114  Eificiir  modicQq;  deest  qn  regnet  &  ipsa. 
115   Nä  qiiic(j.d  uoluit  de  reb'  fecit  &  actis. 

P     141    Cplacuit  sermo  regi.     cepitq;  parare. 

Wallherius  uenit.     cui  princeps  talia  pandit. 

l'^     292    Heros  maguam'  solito  q  more  salutans. 

Duxerat  ad  soliü.    qd  byssus  cöbsit  &  ostrv! 

1'     319   Muuera.     Waltheri'  traxitq;  redire  uolentes. 
320  Donec  ui  potus  pssi  sünoq;  grauati. 

2^     467    Waltheri'  collega  iiis  remeauit  ab  hunis. 
Gunthari'  princeps  ex  hac  ratione  supbus. 
Vociferatr    &  omnis  ei  mox  aula  reclamat. 

470   Cgaudete  m   iubeo  qa  talia  uixi. 

Gaza  qua  gibicho  regi  transmisit  eoo. 

•2^     493   Sl  T  secessu  bini  montesq;  ^pioqui. 

Int  quos  licet  angustü  specu  extat  amenv. 
4!i5   N  telliire  caua  factü.    s;  uertice  ruptü. 

Apta  quide  statio  e  latronib;  illa  cruentis. 

Angulus  hie  iiirides  ac  uescas  gesserat  herbas. 

Hunc  mox  ut  uidit  iuuenis.    hiic  inqt  eam'. 
114  anfang  der  seile,  ebenso  141.292.319  141   parare  ist  nicht 

ganz  sicher,  der  buchstab  nach  pa  ist  zerßossen.  —  über  parare  steht  von 
späterer  hand  tractare  293  über  Duxerat  steht  m,  über  solium  steht  n, 

wahrscheinlich  von  der  hand,  welche  sahen  über  byssus  gesetzt  hat 
320  c  in  Donec   ist  vom  schreiber  selbst  übergesetzt ,  ebenso   das  erste  s 
in    pssi  von   466   sind  noch  die  unterstell  spitzen   der  balken  unter 

der  linie  sichtbar  468  zwischen  ratio  und  ne   ist   ein  augentoch  im 

pergament  All  über  gibicho  steht  ms  pat,  über  regi  steht  attWe,  nach 

eoo  steht  i  regione,  alles  von  späterer  hand.  es  ist  noch  ein  Stückchen 
des  N  (vo/i  Nunc)  sichtbar,  womit  472  hier  wie  in  der  Brüsseler  hs.  be- 
ginnt 493  ist  nur  aus  den  unteren  teilen  der  buchstaben  zu  erschließen, 
am  rande  steht  von  der  hand  des  ersten  correctors :  topographia  (das  p 
nach  a  ist  aus  f  gebessert)  descriptio  loci  494  nach  specu  ist  s  radiert, 
ebenso    vor   amenv    ein   buchstab,  wahrscheinlich   h  495   zwischen 

tellure  iind  caua  ist  das  augenloch  im  pergament  496  über  statio  C 

steht  wesunge  von  späterer  hand  498  über  Hunc  steht  locü  v.  sp.  h. 

man  sieht  von  499  noch  ei7ien   rest  des  Schlusswortes  (corpus)  :  rp' 


342  ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

3'     520  Waltheriü  pugnasse  uideres. 

AU[:   noua  tociens  quociens  ego  cede  furente. 

Nuiig:  tä  facile  spoliandü  forte  putares. 

Vidi  paunonias  acies  cü  bella  coirent. 

Ctia  aquilonares  sine  australes  regiones. 
525   111  ic  Waltheri'  «ppa  uirtute  coruscus. 
4'  Hostibus  inuisus.     sociis  mirandus  obibat. 

Quisquis  ei  cgressus 

5*     533   Puluere  sublato  uenientes  sensit,    et  ipsü. 
Waltheriü  placido  tactu  uigilare  monebat. 

3''     547   Nulli'  ueteri'  patiar  csorcia  carnis. 

Tu  iuuenis  cruor  innocuus  me  tiuxerit   inql. 
Et  q  forte  m  gladius  potis  e  inimicos. 
550   Steruere.     tä  fide  si  nc  ü  parcit  amice. 
Absit  qd  rogitas.     mtis  depoüe  pauore. 
0   me  de  uariis  eduxit  sepe  periclis. 
4''  Hos  ualet  hie  credo  cfunde  üros. 

ffatur  ad  ipsä. 

5"     559   Hoc  heros 

560   Inferi'  stanti  pdicens  sie  niulieri. 

Hac  corä  porta  uerbü  ni  iacto  supbü. 
6*  Hinc  redieus  nullus  uxori  dicere  franeus. 

Psumet  se  inpune  gaze  q^d  tollere  tante. 

Nee  du  sermone  cpieuit  humoten'  ecce! 

die  streifen  2  vnd  3  sind  mit  deyiselöen  scheerenschnitten  abgelrejint 
520  von  Waltheriü    sind  mir    die  miieren  spitzen  erhalten 
521  über  ego  steht  uidi  v.sp.h.         523  über  bella  steht  in  v.sp.h.       von 
526  sind  in  4  nur  die  oberen  hälften  erhalten,   4  ist  ein  ganz  schmales 
streif chen,    das   sich  getiau   an  ^schliefst  von  532   sind   noch  die 

untersten  spitze7i  p(cul)  —  (HiU)g(unt)  erhalteri  534  erirfe  der  seile  uue 

561.  807.  834  548  T  ist  unsicher,  könnte  auch  C  sein,     über  iuuenis, 

me,  tinxerit  stehe?i  a  v.  sp.  h.  553  auf  der  lücke  ist  rasur,  es  stand 

früher  ualet,    darüber  ist  hostes  geschrieben,  über  Hos  steht  Hie.     sämmt- 
liche  änderungen  sind  ?ioch  von  der  hand  des  ersten  Schreibers  selbst 
554  davon  nur  die  spitzen         559  7iur  die  untere?i  spitzen         561  uerbü] 
die  blassen  buchstaben  sind  später  ?iachgezogen         561  ende,  562  an  fang 
der  Seite         bQ2über  quid  steht  aliquid  v.  sp.  h.  564  n?«'  die  oberen 

hälften  der  buchstabeti 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK     343 

6''     589   Heros  magnanim'  respondit  lalia  dicens. 

590   Sponte  tua  uenias.     an  huc  te  miserit  ulliis. 
Scire  ueli.     camelö  ic  reddidit  ore  supbo. 

7'     616       ncipib'  narral  qd  .ptulit  atq;  resupsit. 
agano  ad  rege,    porrectä  suscipe  gazä. 
potis  es  decorare  pat  tecü  comitantes. 

7''  645  Verlice  fulua  micat  cassis  de  peclore  lorax. 
Et  -pcul  acclamaus.  heus  audi  dixit  amice. 
Regi  t'rancorü  totO  transmitte  metallü. 

8'     673   Et  simul  iu  diclis  liastä  f'usmisit.     at  illa! 
JP  leuü  latus  umbouis  t"siuit.     et  ecce! 
675  Palma    q  camalo  mucrone  educere  cepit! 

9"     6ys  et  equiuä  uertice  caudä. 

ut  q   tua  spes  e? 
8""     700   N  ego  iä  gazä.     nee  rerü  qdq;  tuarü. 

Appeto.    s;  uilä  cognati  quero  perapti. 

nie  dehinc.     si  cuincar  qd  plia  pm'! 

Q**     725  Peius  en  Weriuhardus  abi 
Quäiibet  ex  longa  generat 
6*^  Ü  uir  clare  tuus  cognat'.     &  artis  amalorl 

589  anfang  der  seile  590  zwischen  tua  U7id  uenias  ist  v.  sp.  h.  über- 
gesetzt si  591  von  der  ziveiten  hälfte  des  verses  nur  die  Oberteile 
der  buchstaben  616  anfang  der  seile,  links  abgeschnitten,  rechts 
am  rande  heftlöcher  617  7iach  rege  ist  ait  übg.  v.sp.h.  618  die 
zerflossene?i  buchstaben  von  potis  es  sind  später  nachgezogen,  übei-  potis 
es  steht  potes  v,  sp.  h.    die  unteren  teile  der  buchstaben  sind  abgesch?iilte?i 

645  a?ifang  der  seile,  die  heftlöcher  li?iks  646  das  fehlende  audi 

ist  vom  Schreiber  selbst  übg.  647  nur  die  oberen  teile,  te  m  später 

nachgezogen  673  anfang  der  seile  675  am  rande  rechts  anfaJig 

eines  roten  Ornamentes  698  das  stück  9  ist  die  kleine  untere  ecke 

eines  blattes,  am  rande  von  9*  ist  ein  tier  rot  gezeichnet ,  das  anspringt, 
viit  pfeilartigem  schtoeif;  links  vorher  der  schweif  eines  anderen  tieres. 
die  Stilisierung  ist  ganz  ähnlich  der  vo?i  tiei'eii  und  bäumen  des  Mil- 
städter  physiologus  in  vKarajans  Sprachdenkjnaleii  700  anfang  der 

seile,  bei  quodque  ist  über  die  alten  abkürzungen  später  i  und  u  ge- 
setzt 702  über  Hie  steht  Wal,  nach  dehinc  ist  ait  übg.  v.  sp.  h. 

725  davon  schon  die  spitzen  weggeschnitte?i  727  anfang  der  seile 


344  ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

'   ()     _ 
Pandare.     q  qnda  iussus  cfunde  fedusl 

In  medios  telü  torsisti  pni'  achiuos! 

10'     752   Talia  n  dudü  iactabas  dicta  p  auras. 

Hec  ait.   &  truncü  secta  ceruice  reliqu 
B**  At  ü  demente  tria  uisa  cadauera  tre"tl 

755   Gunthariü.     iubet  ad  morie  ^perare  uicissim. 
En  a  saxonicis  oris  ekeurid  generatus. 

10"     779  &  morte  fugiens  inciirrit  eande. 

780  ü  iuuenis  post  tgü  in  gram  abegit. 

3*^     794   Atq;  uenenatas  liulis  sine  morte  sagittas. 
795   Nuq.d  &  iste  putas  astu  euitabif  iclus? 

Que  <ppius  stantis  certo  libramine  mittit. 

Dexl^ra  man',  neq;  en!  is  teli  seu  uulneris  auctor. 

Audi  csiliü.     parmä  deponito  pictä. 

Hanc  raea  sors  querit  regis  qq;    sponsio  pslat. 
4'     800  Nolo  g.de  ledas.     oculis  qiiia  cplacet  istis. 

5'     806   De  reliquis  taceo.     clipeü  defende  curo. 
-P  meritis   m  crede  bonis  sü  debitor  illi. 

3''     821   Hec  ait  &  notü  uagina  diripit  ense. 
Int  se  uariis  trarö  partib;  orti. 
Ccurrunt.     stupuit  Wasegus  hec  fulmina  &  actus. 
Olli  sublimes  animis  ac  grandib;  armis. 
825   Hie  gladio  fidens.     hie  acer  &  arduus  hasta. 

728  über  fedus  stekt  pace  v.  sp.  It.  729  nur    die  Oberteile  der 

buclistaben  753  schltiss   der  seile,   u?iteti  noch  breiler  rand,  gegen 

die  mitte  zu  abgeschnitten  754  anfang   der  seile  756  nur  die 

Oberteile   der    buchslaben  779  schluss    der  seile,    in   der  milte  ab- 

geschnitten 780  git  später  fiachgezogen  794  leihoeise  oben  ab- 

geschnitten 795  über  &  steht  u  v.  sp.  h.,  das  e  in  euitabitur  ist  vom 

Schreiber  selbst  übg.  —  v.  sp.  k.  steht  über  dem  anfang  desselben  Wortes  a 

797  am  rande  steht  erat  v.  sp,  h,  798  vor  dem  verse  sieht  vom  ersten 

corrector:  s;  ait  799  vom  anfang  des  ve?'ses  si?id  nur  die  Oberteile 

der  buchslaben  erhallen  SUO  dabei  noch  die  untei'e  hälfte  von  799 

807  schluss  der  seile  823  us  ist  in  einen  buchslaben  zusammen- 

gezogen ,  ebenso  am  schluss  von  v.  1088  825  über  Hie  steht  unus, 

über  iiic  steht  alter,  über  liasta  steht  fidens  v.sp.h. 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  IISINSBRUCK  345 

Int  se  multa  &  ualida  ui  plia  miscent. 
4''  N  sie  nigra  sonat  pcussa  securib;  ilex. 

5**     833   Hoc  ictu  memoraus  semet  finire  duellü. 

'Puidus  at  iuuenis  ferienti  cuspide  adactal 

2'     S48   Vocib;  &  pcib;  conaf  auunculus  inde. 

Flectert  -pclamans.    qnä  ruis  aspice  morte. 

850   Qualit  arridet.     desiste.     en  ultima  parce. 

Fila  ligant.     ö  care  nepos  te  mens  tua  fallit. 

Desine  Waltharii  tu  deniq;  uirib;  impar. 

Inlelix  tarn  ille  means  hec  omnia  spernit. 

ir    855  ga. 

de  loquelas. 

habendi. 

ra  malorü. 

allQ. 

i     t 
2**     875   Qs  t  nä  luror  e.     uude  hec  dementia  uenit? 

Sic  ait.     &  gremiü  lacrimis   csparsit  obortis. 

Et  longü  formose  uale  singultib;  edit. 

Waltheri'  licet  alonge.     sociu  fore  mestü. 

Adtendit.     clamor  simul  puenit  ad  aures. 

880   Vnde  incursante  sie  e  affat'  equestre. 

11''     882   Et  te  cseruans  m 
Desine.     nl  tua  te 

849  über  quonam   ist  zuerst  etwas  geschriebenes  ausgewischt ,   dann 
steht  <\\ctns  850  «w  stelle  ijo/j  parce  staiid  ursprünglich  ein  wort,  das 

keinen  buchstaben  mit  V7iterlünge,  an  erster  stelle  einen  buclistaben  mit  ober- 
lange  hatte,  dieses  ist  radiert  worden,  v.  sp.  h.  ist  übg.  die  schephen.  a?n 
rande  steht  v.  sp.  h.  colü  baiolat  trahit.  darunter  vom  ersten  coii-eetor: 
Cloto.  lachesis.  atropos.  occa'.  Tres  furi^  Allecto  —  hand  und  tinte  sind 
dieselbe,  vo?i  der  parce  eingesetzt  ist  8bb  mir  ein  Stückchen  von  den 

Zeilenenden,  der  rand  rechts  ist  erhalten,  darauf  steht  zunächst  die  untere 
hälfte  von  Megera,  rfarwwfe;- Thesiphone.  zioischen  2'  U7id  11»  fehlt  nur 
ein  ganz  kleines  streifchen  876  csparsit  v.  sp.  h.  auf  rasur.    das  wort 

da7ninter  ist  nicht  mehr  zu  erkennen,  gremium  war  es  aber  nicht  877  se 
in  formose  steht  auf  rasur.  —  ti  in  singultibus  ist  nachgezogen  878  über 
licet  stellt  dum  v.sp.h.  879  über  Adtendit  steht  alter  v.sp.h.  —  nach 
simnl  ist  &  übg.  v.sp.h.  880  nacA  Vnde  ist  ad  übg.  v.sp.h.  882^ 
nur  die  anfange  der  Zeilen,    diese  beginnen  nämlich  auf  der  einen  seite 


346  ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

Herou  toi  cerae 
8S5  Ne  suprema  uide 
Qd  de  morte  mea 

12'    1016  In  framea  tunica  simul  cflsus  aena. 

Omisit  parmä  primüq ;  inuasit  eleulhrin. 
Hiiic  galeä  findens  cerebrum  diffudit  &  ipsä. 
Ceruice  reserans.     pectus  patefecit  ad  egrü. 
1020  Cor  pulsans  animä  iiquerat  mox  alq;  calore, 
Inde  petit  Irogunt  herente  in  fune  nefando. 

12''    1043  Contulit.     ad  scutü  mucrone  hie  lollito 

Tu  qq;  subridens  uenio  iä  dixerat  heros. 
1045  El  cursu  aduolilans  dexträ  ferientis  ademit. 
S;  cü  ad  letha  iclü  libraret  ab  aure  secdm. 
^genliq;  anime  ualuas  aperire  studeret. 
Ecce  tanastus  adesl  telis  cü  rege  resüplis. 

13*    1000  mul  cesi  uoluunf  puluere  amici. 

s  fedatü  ferientis  calcib'  aruü. 
rex  infelix  uisis  suspirat.     &  oif  i. 
giens  studio  falerati  tga  caballi. 
dit.  &  ad  mestü  haganona  uolauit. 
1065  modisq;  illü  pcibus  flexisse  sategit. 

des  blatles  nicht  an  demselben  puncto,  wo  sie  auf  der  anderen  aufhören, 
sondern  reichen  weiter  hinaus,  daher  beim  zerschneiden  der  länge  nach 
die  ungleichmäfsigkeit  des  erhaltenen  1016  die   obere?i  spitzen  der 

buchstaben  si?id  weggeschnitten,  zwischen  framea  und  tunica  findet  sich 
ein  eijischaltungszeiche?i,  das  übg.  wort  ist  jedoch  verloreji  1018  das 

i  in  findens  steht  auf  rasur  eines  buchstaben  mit  zwei  strichen,  wahr- 
scheinlich hiefs  es  fundens;  oder  scindens?  1021  I  ist  etwas  gröfser 
als  gewöhyilicli ;  nur  die  oberen  hälften  der  buchstaben  sind  erhalte?i 

1043  7iur  die  7mteren  hälften  der  buchstaben  und  vom  letzten  wort  sechs 
striche,  wenn  dies  nostrum  war,  dann  ivar  es  ganz  ungewöhnlich  ge- 
kürzt, nur  ein  schliefsendes  m  ist  wahrscheinlich  1044  über  heros 
sie hfW alt  v.sp.h.  lOil  über  ualuas  steht  ianuas  v.sp.h.  1048  wier 
rege  steht  a  und  davor  anscheinend  em  pimct  1061  aus  is  in  fe- 
rientis ist  später  es  gemacht  1064  zwischen  mestü  und  haganona 
ist  V.  sp.  h.  supplex  übg.  1065  die  erhaltenen  spitzen  bestätigen  die 
gewöhnliche  lesart,  mir  ist  modis  von  dem  alten  Schreiber  selbst  über- 
gesetzt worden 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK  347 

IS""    1086  Anlea  quis  fiiimus 

Fraucoiy  dicent  exercit'  omnis  ab  uiio. 
»Ph  pudor  ignolu  +  q  e  inpune  necatus. 
CuDCtabaf  adhuc  hagauon.     &  pectore  spo 
1090  VValtherio  plerüq;  fide  uoluebat.     &  ipsü. 
Euenlü  geste  recolebat  in  ordine  caus^. 

12'    1178  Ipse  ma 

Que  fuerat  suspecta  magis.     tandeq;  quieuit. 
1180  Ad  cui'  Caput  illa  sedeus  solito  uigilauit. 
Et  dormitantes  cantu  patefecit  ocellos. 
Ast  ubi  uir  primü  iä  expgeudo  sopore. 
Ruperat.     absq;  mora  surgens.     dormire  puellä. 

12''    1205  pcedere  iussit. 

Scrinia  gestaute  Tpudens  ipse  caballii. 
Audet  inire  uiä  csueto  einet'  amietu. 
Wille  lere  passus  transseendit.     &  eece  puella. 
Sexus  enl  l'ragilis  animo  trepidare  eoegit. 
1210  Respicieus  p'  tga  uidet  descendere  binos. 

14*    1222  Et  cieius  pgens  loco  suceede  .ppinquo. 

Ast  ego  in  aseensu  monlis  subsistere  malo. 
Euentü  opperiens  aduentantesq;  salutans. 
1225  Obsequitur  dictis  uirguncula  elara  iubenlis. 
nie  eeler  seutu  collegit.    &  exeutit  hastä. 
Iguoti  mores  equilis  temptando  sub  armis. 

1086  nur   die   7mtersten   spitzen,     das  wort   7iach  fuimus   fiat   keifte 
Unterlänge  gehabt  1087  vor  dicent  ist  ein  buchstab  radiert,    am  randc 

steht  neben  uno  v.  sp.  h.  lioie.    über  den  ersten  vier  u?id  dem  letzteJi  ivort 
stehen  v.sp.h.  die  buchstaben:  geffm  1088  am  rande  v.sp.h.  sit, 

das  übrige  weggeschnitten,     über  ignotum  steht  n,  o  über  vel,  n  über  ü, 
1  über  inpune,   k,   o  über  necatus  1089  über  spo(nsam)  steht  (vom 

ersten    corrector?)    4),    was    wol    zu    promissam    zu    ergänzen    ist 
1090?V:6e/'  uoluebat  steht  cogitabat  v.sp.h.  1092  davon  nur  die  reste 

der  obei'sten  striche,   aus  denen   sich  die  übereinstimmwig   mit  dem  ge- 
wöh?iliehen  texte  erkennen  lässt  1178  davofi  nur  die  untersten  spitzen 

1179  über  suspecta  steht  ;^mda  vom  ersten  corrector  11S2  über 

expgendo   steht  sce   vom   ersten    corrector  von    1184   7iur  ein   par 

spitzen  1205  7iur  die  untersten  spitzen  1208  M  ist  grö/ser  ah 

gewöhnlich 


348  ALTDEUTSCHE  FUISDE  AUS  liNISSBRUCR 

14''    1249  SoUicit'q;  fui  quorsü  tua  munera  l'erre. 
1250  Nä  p  ignotas  dixi  pgeüs  regiones. 

FraiicoiTi  uereor  haganooe  supstite  nullu. 
Obsecro  p  ludos  resipiscis  iä  pueriles? 
Vnanimes  quib'  assueti  tuim'q;  periti. 
Et  quorü  cultu  primos  attriuim'  annos. 
1249   über   quorsü   steht  war  v.  sp.  Ii.  1251    über    superstite 

steht  V.  sp.  h.  uiuente  1252  in  resipiscis  steht  das  schliefsende  is  aiif 

rasur  v.  sp.  h.     das  fragezeichen  aber  ist  vom  schreiber  selbst,     über  re- 
sipiscis ist  V.  sp.  h.  (fast  erloschen)  si  cogites  gesetzt 

Die  erhaltenen  trümmer  gewähren  einige  auskunft  über  die 
ursprüngliche  beschaffenheit  der  handschrift.  das  gedieht  Waltharius 
muss  sich  im  ganzen  über  vier  lagen  erstreckt  haben,  von  der 
ersten  ist  nur  T"''  erhalten,  das  war  aber  nicht  das  innerste 
blatt  der  läge,  zwischen  1^  und  T  lag  noch  ein  doppelblatt;  doch 
stimmt  hier  allein  die  rechnung  nicht  ganz,  loenn  man  21  Zeilen 
auf  der  seile  voraussetzt ,  wozu  alle  reste  zwingen,  es  ist  also 
entweder  der  text  nicht  so  beschaffen  gewesen  wie  der  sonst  über- 
lieferte, oder  die  blätter  waren  in  anderer  weise  beschrieben,  vor 
der  ersten  zeile  von  1%  ü.  114,  liegen  113  zeilen,  icas  dann 
5  volle  s.eiten  zu  27  zeilen  ergibt,  loenn  man  die  22  zeilen  des 
prologes  von  Geraldus  hinzurechnen  darf,  dann  würde  also  das 
gedieht  auf  der  zweiten,  der  inneren  seile  eines  blalles  begonnen 
haben,  zur  zweiten  läge,  einem  quaternio,  gehörten  die  streifen 
2 — 11.  und  zwar  gehörten  7*7'' — 8*  9*  8**  9"^  zu  dem  innersten 
doppelblatt,  zu  dem  zweiten  6' 6"  — 6M0' 6*^  10\  zu  dem  dritten 
3"  4*  5"  3"  4"  5''— 3'  4'  5*=  3*^  4''  5^  zu  dem  vierten,  also  dem  äufsersten 
blatte  die  streifen  2"  2""  —  2'  11'  2''  U''.  dieser  quaternio  schloss 
mit  V.  888  und  fieng  wahrscheinlich  mit  v.  457  ati.  ihm  folgte 
eine  dritte  läge,  wider  ein  quaternio,  von  loelchem  wir  einen  rest 
ans  der  zweiten  hälfte  des  innersten  blalles  besitzen,  nämlich  den 
streifen  IS'**,  einen  stieifen  aus  dem  nächsten  blatte,  nämlich  \T 
12*" — 12''  12''  und  einen  aus  dem  drillen  gegen  aufsen  hin,  14'  14''. 
schloss  diese  drille  läge  mit  v.  1320,  so  beanspruchte  das  gedieht 
noch  tmgefähr  5  seilen  einer  vierten  läge,  die  Wahrscheinlichkeit, 
dass  auch  die  erste  läge  ein  quaternio  gewesen  sei,  ist  ziemlich 
grofs;  doch  da  ist,  wie  gesagt,  nicht  alles  in  Ordnung. 

Die  neuen  bruchslücke  gehörten  zu  einer  hs.,  welche  der  Über- 
lieferung  im  Brüsseler   codex  B  am   nächsten   verwandt   ist.     das 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INISSBRUCK  349 

ergibt  sich  schlagend  ans  den  stellen :  293.468.9  (tvo  die  Ordnung 
der  beiden  verse  gleich  der  von  B  ist).  534.  549.  618.  700.  823. 
824.  1206.  die  nenen  fragmente,  welche  ich  vielleicht  am  zweck- 
mäfsigsten  (entsprechend  dem  verfahren ,  das  Wilhelm  Meyer  ein- 
schlug, Sitzungsher.  der  bayr.  acad.  der  wissensch.,  philos.  histor. 
classe,  1873  s.  362)  als  1  bezeidine,  geben  vermöge  ihres  alters 
und  ihrer  trefflichkeit  ein  gewichtiges  Zeugnis  für  die  bevorzugung 
der  Brüsseler  hs.  B  ab.  dieser  ist  es  ja  eine  zeit  lang  übel  er- 
gangen, sowol  Peiper  in  seiner  ausgäbe  (mit  genauen  collationen, 
Berlin  1873)  als  Holder  in  der  von  ihm  mit  JVvScheffel  veran- 
stalteten (Stuttgart  1874)  haben  B  zurückgedrängt  und  ihre  texte, 
wenn  auch  nicht  ohne  inconsequenzen ,  vornehmlich  auf  die  Karls- 
ruher und  Stuttgarter  hss.  aufgebaut,  sie  sahen  den  prolog  des 
Geraldus,  welcher  in  der  gruppe  der  Brüsseler  hs.  (wahrscheinlich 
auch  in  I)  erhalten  war,  als  das  Zeugnis  einer  durchgreifenden 
Umarbeitung  des  ursprünglichen  Werkes  von  Eckehard  an  und  be- 
trachteten eben  darum  hss.  ohne  diesen  prolog  als  die  besseren,  ist 
nun  bei'eits  Pannenborg  in  seiner  recension  der  Peiperschen  aus- 
gäbe (Gott.  gel.  anz.  1873  s.  1121  — 1141)  mit  erfolg  für  den  wert 
der  Brüsseler  hs.  eingetreten,  so  hat,  meiner  ansieht  nach,  Wilhelm 
Meyer  in  der  erwähnten  abhandlung  (vgl.  auch  EMüller,  Zs.  f.  d. 
ph.  9,  161  ff,  dem  K  und  S  nicht  imbedingte  autorität  zu  be- 
sitzen scheinen)  es  aufser  allen  zwei  fei  gestellt,  dass  die  Brüsseler 
hs.  einem  kritischen  texte  fortan  zti  gründe  gelegt  loerden  muss, 
und  hat  auch  die  vielfach  behandelte  stelle  in  Geralds  prolog 
lichtig  gedeutet,  als  eine  stütze  dieser  auffassung  darf  man  das 
Verhältnis  der  neuen  fragmente  zu  der  bisher  bekannten  Über- 
lieferung ansehen. 

Mit  der  Stuttgarter  hs.  stimmt  1  ein  par  mal  in  fehlem: 
141.495.  1020.  außerdem  hat  I  auch  eigene  fehler:  494  specu, 
aber  erst  durch  tilgung  des  vorhandenen  s  entstanden.  849  Flectert 
statt  Flectere.  879  fehlt  que  nach  clamor.  1019  ad  für  at. 
1046  ad  letha  statt  alhleta.  1064  fehlt  citius.  1182  exper- 
gendo  statt  expergiscendo.  1250  fehlt  que  nach  Nam.  —  dagegen 
finden  sich  in  I  folgende  eigentümliche ,  sehr  zu  beachtende  lesarten: 
319  traxitque  gegen  retrahitque.  496  est  nach  statio  haben  die 
anderen  hss.  nicht.  523  coirent  für  cierent  teilt  I  nur  mit  der 
alten  Wietier  hs.  725  gibt  I  allein  die  richtige  namensform 
Werinhardus.      754  At  gegen  Sed    der  übrigen  hss.      794  hat   I 


350     ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

nur  mit  der  Trierer  hs.  morie  gegen  inore  der  übrigen  hss.  795  evi- 
tabitur  gegen  vilabitur  der  übrigen  hss.  834  ierienti  gegen  lerientem 
der  übrigen  hss.  851  ligaiU  ge^en  legiint  der  übrigen  hss.  10431 
allein  hat  hie  nach  mucronem.  1252  hat  I  allein  resipiscis  (gegen 
lesipiscilo)  tind  auch  allein  das  fragezeichen  am  ende  des  verses, 
wie  es  Scheffel  mit  richtiger  eingebung  an  der  stelle  seiner  Über- 
setzung angewandt  hat. 

Die  lateinischen  und  deutschen  glossen ,  welche  in  die  hs.  wäh- 
rend des  XII  jhs.  eingetragen  wurden,  scheinen  mir  darauf  hinzu- 
deuten, dass  1  einige  zeit  hindurch  beim  unterrichte  gedient  hat 
oder  loenigstens  dazu  vorbereitet  wurde. 


n 

Vier  streifen  starkes  pergament ,  von  denen  jeder  die  hälfte 
eines  der  quere  nach  durchschnittenen  doppelblattes  bildet.  1  tind 
3  sind  6  cm.  hoch,  2  und  4  dagegen  6,6  cm.,  die  breite  eines 
blattes  ist  bei  den  streifen  gleich  (bis  auf  das  knapp  zugeschnittene 
stück  2'"^)  und  zwar  8,5  cm.,  für  das  doppelblatt  also  17  cm.  in 
1  und  3  ist  der  obere  erhaltene  rand  nur  1  cm.  breit,  in  2  und  4 
hat  der  untere  rand  2,1  cm.  breite,  von  5,2  bis  6  cm.  schwankt  die 
breite  der  schriftzeilen.  die  höhe  der  vollständigen  blätter  also 
beträgt  nur  12,6  cm.,  das  format  ist  ungewöhnlich  klein,  etwa  dem 
der  Grazer  hs.  von  Heinrichs  Litanei  ähnlich,  trotzdem  sind  die 
buchstaben  grofs,  die  sieben  Zeilen  in  3  sind  4,5  cm.  hoch,  ein  buch- 
stab  mit  Unterlänge  misst  0,5  cm.,  wenigstens  20  buchstaben  füllen 
die  zeile,  ungerechnet  die  abkürzungen. 

Die  Schrift  ist  gewis  älter  als  die  mitte  des  xii  jhs.  die  Zeilen, 
deren  zahl  zwischen  16  und  18  auf  der  seite  schwankt,  sind  ganz 
gerade  geschrieben,  aber  von  den  wahrscheinlich  eingeritzten  linien 
ist  keine  spur  mehr  wahrzunehmen,  die  verse  des  gedichtes,  dessen 
klägliche  bruchstücke  wir  in  diesen  streifen  vor  uns  haben,  sind 
nicht  abgesetzt ,  doch  folgt  auf  jeden  vers  ein  punct.  der  anfang 
eines  reimpares  wird  durch  einen  capitalbuchstaben  ausgezeichnet, 
der  mit  einem  roten  strich  oder  mit  roten  puncten  (zb.  in  den 
füllungen  eines  B  oder  S)  verziert  ist.  große  rote  geschmückte 
initialen  bezeichnen  den  anfang  der  abschnitte,  beim  schluss  eines 
solchen  füllt  zweimal  den  übrigen  räum  der  zeile  ein  rotes  oo  aus. 
die  Schrift    ist  sehr  schön   und  sorgfältig,   auch   die  zeichen   über 


ALTDEUTSCHE  FüiNDE  AUS  IiSNSBRUCK  351 

den  einzelnen  vocalen  und  die  abkürzungen  sind  mit  grofser  acht- 
samkeit  ausgeführt. 

Die  beiden  durchschnittenen  doppelbldtter  gehören  zusammen, 
3*  schliefst  sich  unmittelbar  an  2*",  V  setzt  A'^  fort,  ich  halte  es 
auch  für  fast  gewis,  dass  zwischen  4"*  und  3'^  nichts  fehlt  und 
dass  uns  also  in  diesen  fragmenten  die  beiden  innersten  blätter 
einer  läge  erhalten  sind,  nach  der  gestalt  der  streifen  scheint  der 
buchbinder  das  doppelblatt  l.  2  sowie  das  verkehrt  darüber  gelegte 
doppelblatt  3.  4  mit  einem  schnitte  in  zwei  stücke  getrennt  zu 
haben,  die  streifen  1  und  3  sind  auf  den  rücken  der  incunabel 
~»  geklebt  gewesen,  ähnlich  muss  es  auch  2  und  4  ergangen 
sein,  welche,  vor  langen  jähren  abgelöst,  mir  nachträglich  mit- 
geteilt worden  sind,  doch  lässt  sich  nicht  mehr  angeben,  in  welchem 
einbände  sie  verwendet  waren,  alle  streifen  wurden  vom  buch- 
binder umgebogen,  ihre  nach  auj'sen  gekehrten  Seiten  sind  sehr 
stark  abgerieben,  sodass  nur  spuren  von  buchstaben  zurückblieben, 
dort,  wo  die  streifen  über  die  kante  gelegt  icaren,  ist  das  pergament 
völlig  durchgescheuert  und  sind  längliche  löcher  entstanden,  es 
bedurfte  wochenlanger  bemühung ,  um  die  beschädigten  Seiten  genau 
und  vollständig  zu  lesen. 

Ich  lasse  nun  den  abdruck  der  bruchstücke  folgen,  wobei  ich 
die  verse  absetze,  die  Zeilen  der  hs.  durch  verticale  striche  unter- 
scheide, f  mit  s  vertausche,  sonst  jedoch  alles  der  Überlieferung 
gemäß  widergebe,  ergänzungen  waren  nicht  notwendig,  die  ab- 
kürzungen, welche  ich  nicht  aufgelöst  habe,  sind  durchweg  sehr 
einfach,  in  steht  immer  für  inde  wie  im  nrh.  Albanus  (Lachmann, 
Kleinere  Schriften  1,  523 /fj,  dessen  äufsere  einrichtung  überhaupt 
der  unserer  fragmente  sehr  ähnlich  ist.  am  häufigsten  ist  '  für 
er,  es  steht  46 ma?.  ein  horizontaler  strich,  über  einen  vocal  ge- 
setzt,  bedeutet  a  in  14,  m  in  \b  fällen  (wahrscheinlich  auch  132 
vircigiste).    über  m  ergänzt  er  dieses  zu  meii  v.  4,  zti  man  62. 

119.     in  lateinischer  iceise  ist  qi  93  aus  quit  verkürzt. 

(r) sunden  si  ioculdeu. 

Dad  si  nit  |  Twolden  eeren. 
iren  rehten  |  scheiifere. 
Des  quam  si  i  grojze  not. 
5  d*  cos  manier  den  |  dot. 
2  f  die  zzveite  zeile  ist  durchgerieben  und  schwer  lesbar 


352  ALTDELTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

Als  wir  id  wale  vvizzen.  | 
dad  si  slangeü  bizzen. 
In  d'  I  igein^  genas, 
d^  van  in  gebizjzen  was, 
10  Biz  moyses  d^  vrone  |  bode. 

hiz  niahcben  na  godes  |  (2^)  geliode. 
Einen  erennen  slan|gen. 
d'  wart  vil  ho  gehangen.  | 
Gröz  wund^  da  geschach. 
15  so  wer  I  den  slangen  ane  sach. 
So  wie  I  so  er  gebizzen  was. 
van  sinre  |  gesihte  er  genas. 
D^  slange  |  (P)  beceichende  den  godes  sun. 
d^  (  vns  is  dad  wäre  arcedum.  | 
20  "Tjad  israelische  lüt. 

dad  leid  |  uil  manie  not. 
Biz  ir  gesieh  |te  besaz. 
dad  lant  dad  T  gege|ven  was. 
Nabuchodonosor  d^  |  cüninc. 
25  d^  v^sante  si  sint. 

W  I  ein  wazzer  heizet  lygris.  | 
so  missehatten  si  des  sich. 
Dad  I  (2'^)  si  vor  de  rven. 
die  vröne  alle|lvia. 
30  In  mohten  nie  gesingen.  | 
in  deme  eilleinde. 
Biz  du  sie|vencech  iare. 
alle  vüre  waren.  | 
In  hin  d^  ürlof  bequä. 
35  du  Hede  |  wif  iü  man. 
Wied^  an  hir  |  (3^)  eirve. 
b  ff'  die  lelzle7i  Zeilen  des  Streifens  stark  abi^et'iebeti  lAfdie  zeile 

ist  arg'  durchgerieben ,  der  anfa7ig  katmi  zu  lesen  16  ff  von  hier  bis 

zum  ende  der  seite  verdecken  die  reste  des  leders,  auf  welches  der 
str ei fe7i  geklebt  ivar,  die  buchstaben ,  dürfen  aber  nicht  entfernt  werden^ 
da  sonst  die  buchstabenspuren  mitgehen  19  die  zeile  ist  durchgerieben 

21  in   dad   steht   oberhalb   zwischen  a   und  dem  schlief  senden  d  ein 
zeichen ,  welches  aussieht  wie .-  .  i  27  die  zeile  ist  mitten  entzwei  ge- 

schnitten ^l  f  die  zeile  ist  durchlöchej't  ^\  ff  teilweise  verklebt 

3**  ist  sehr  stark   abgej'ieben    und  die  b7ichstabe7i    sind  stellenweise 
imr  schatten 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INISSBRUCK  353 

si  lieden  maoie  sorge.  | 

AI  biz  in  qua  d^  Cirlot. 

du  sunigen  si  den  godes  lof. 
40  Die  sch6|  ne  allelvien. 

ce  einen  oslMichien  vröeden. 

Die  hir  vil  ma|nie  arbeit. 

begeit  noch  alle  |  die  cristeneit. 

"Tiie  vorcei|chen  manie. 
45       die  sint  uns  |  (4')  lanc  ce  sagene. 

Die  da  dCi  ge|schieden. 

in  vil  manien  getijden. 

Vau  noe  biz  an  dauid.  | 

is  id  als  dad  buch  quit. 
50  Id  sa[get  uns  er  were  vveirlich.  | 

iii  vvied^  vuele  gnedich. 

lii  I  saget  och  da  bi. 

dad  er  des  |  (3'')  cunnes  uad'  si. 

Zu  de  geistli|che  qua. 
55  de  nie  sunde  inge|vvan. 

Des  d^  duvel  nit  !can|te. 

wie  in  sin  vad^  sanle.  | 

Vnd'  der  vroue  bodeschat.  | 

da  bedekkede  die  godes  craht.  | 
60  Den  angel  in  d^  vuna. 

T  mi|rabili  natura. 

Dad  höret  |  (4'')  m  lesen  schone. 

T  libro  genial  tionü. 

Vns  saget  van  |  ald^e  die  buch, 
d^  manier  |  wund^e  genuch. 
D^  sich  die  |  heidenne  diede. 
vvilen  genie|ten. 
Bit  groze  vrluge. 
si  I  stihten  manie  bürge.  | 
70  (3')  Da  gewan  er  anegeiuue. 

46  nach  da  ein  verticaler  strich  in  halber  höhe  der  buchsiaben 
55  in  sunde  ist  e  oben  an  d  gehängt  64  m   einer  falte,   stark  be- 

schädigt,  wie  überhaupt    der  rest  des  Streifens  65  —  69  durch  die 

mitte  dieser  zeilen  erstreckt  sich  eine  falte  im  pergament ,  welche  schon 
ursprünglich  vorhanden  gewesen  sein  muss,  ioeil  der  Schreiber  ihr  aus- 
gewichen ist  70  zwei  löcher  ins  pergament  gerieben,   welche  das 
Z.  F.  D.  A.    XXXIII.    N.  F.   XXI.  23 


N; 


354  ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

(lü  I  wuhs  er  \mV  mannen. 

Sine  I  cunft  was  so  wund^licli. 

wie  I  möhte  it  sin  gelichl 

Dad  salget  dad  evangeliü. 
(5  T  pncilpio  erat  übü. 

'u  solin  wir  alle  |  schone, 
loven  die  maget  vrone.  ! 

Die  des  wirdich  mohte  sin. 

dad  I  (4')  si  vnsen  drelitiu. 
Sü  Vnd^  iren  |  brüsten  solde  dragen. 

si  is  beide  |  müd'  in  maget. 

Na  meinschllichen  dingen. 

si  ginc  bit  te  [  kinde. 

Biz  si  irvulte  ire  cit.  | 
85  is  id  als  die  buch  qt. 

Du  muste  |  da  ce  bedleem. 

die  lieve  gehurt  |  (S**)  also  irgeen. 

Id  was  ein  michel  ]  wund\ 

dad  die  magit  ivnge.  | 
90  Gebar  ein  kint  an  alle  wiseit.  ] 

des  gewalt  so  michel  is  iii  breit.  | 

T\ü  was  zu  d^  erden  gehit.  ^ 

-^d'  I  himel    als    die  buch   qt. 

Du  I  sich  irögende  dad  godes  kint.  | 
95  dad  loveden  die  eingele  sTt.  | 

(4^)  Si  sungen  wunnencliche,  | 

dad  got  d^  vil  riche. 

lemer  gelo|vet  were, 

in  (1^  ovster  höhe.  | 
100  In  hie  an  d'  erden. 

sckluss-e  von  anegeinne  fast  verschlungen  haben  75  f  in  einer  falte 

und  beschädigt,    durch   wir  ist    ein    loch  gerieben  19  f  der  schnitt 

geht  dw'chs   obere  drittel  der  buchstaben  81  f  in   einer  falte,   arg 

zerstört,  auch  reicht  von  hier  bis  84  ein  augenloch  im  pe?'gament,  das 
früher  zugenäht  war.  Jetzt  ist  der  faden  nicht  mehr  vorhanden 
S^  ist  bis  94  sehr  schlimm  zugerichtet ,  die  tesung  ist  teilweise  unsicher,, 
zb.  sind  von  der  grofsen  roten  initiale  92  7iur  etliche  Schnörkel  am  rande 
erhalten  87  das  o  von  also  ist  fast  verloren,  vgl.  zu  70  .  88  michel 
unsicher,    ebenso    89  ivnge,    90  wiseit  93  die   buch   qt   ist  fast  er- 

loschen 96  die  zeile  ist  mitten  entzwei  geschnitten 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK    •        355 

vriede  |  muste  werden. 

Den  livden  |  bit  güde  willen. 

si  loveden  |  got  bit  rainnen. 

Dad  er  her  |  (T)  an  dise  werlt  qua. 
105  in  doch  nie  |  sunde  igewan. 

lii  vns  ce  tröste  |  wart  gesät. 

si  brahteo  im  eijnen  uven  sanc. 

Dad  vrone  lof  |  himelisch. 

gta  T  excelsis.  | 
litt  Tker  eingel  cunte  mere.  | 
wie  da  boren  were. 

Ein  j  himelcüninc  ivnge. 

die  hirjde  hin  da  vnnden. 

lü  einer  crip|(2'}pe  geiaht. 
115  vor  de  vie  was  er  ]  bedaht. 

De  esele  in  de  ohseu.  | 

d*  godes  sun  gewisse. 

Dar  na  |  qua  d*  ahte  dach. 

so  lii  des  in  d^  |  ald^  ewen   plach. 
120  Du  wart  er  |  circücisus, 

sine  müd^  nanten  ihs.  | 

(1*^)  Dri  cilninge  in  wiseden.  | 

bit  beceichenlichen  gaven.  | 

Drt  leite  si  d^  st're. 
125  si  brahten  |  van  v^re. 

NYiröch  mrre  |  in  golt. 

si  waren  im  Tnen|cliche  holt. 

Si  daden  id  im  ce  |  eeren. 

wauder  is  rex  regü.  | 
130  In  erden  iü  in  himele. 

sine  I  gewalt  is  drüve. 

An  de  vircig|(2''Jisie  dage. 

107  ich    habe  lange  gezweifelt,    ob   iwen  (verschrieben    aus  niwen?) 
oder  uven   zu  lesen  sei  Wif  die  zeile  ist  im  obereyi  drittel  durch- 

schnitten, von  dem  ganzen  streifen  2<=.  2'i  ist  der  rand  rechts  (bezw. 
links)  so  knapp  weggeschnitten,  dass  überall  nocli  ein  Stückchen  des 
letzten  buchstaben  am  ende  der  Zeilen  mitgenommen  wurde  123  auf 

einer  falte,  abgerieben  und  sehr  schwer  zu  lesen,  ebe?iso  der  gröfsere 
teil  V071  1^         1 28  id  ist  übergesetzt  tmd  durch  ein  zeichen  eingeschaltet 

2^  ist  stark  abgerieben ,  die  lesung  stellemveise  unsicher 

23* 


D! 


356  ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

bil  ollere  löste  in  |  die  mage. 
Did  Sit  beceicheolliche  dioc. 
135  dad  wäre  offer  was  |  dad  godes  kiot. 
|ü  wüs  dad  kint  edele. 
in  I  meinschliche  bilede. 
13S  In  was  I 
135  dia'c/igerieben  und  unsicher  138  die  letzten    worte  sind 

verklebt  und  ?i7tr  schwer  zu  erkennen 

Um  die  heiinat  und  entstehungszeü  dieser  aufzeichnung  näher 
zu  bestimmen,  wird  eine  grammatische  analyse  derselben  vorgenommen 
werden  müssen,  ich  vergleiche  dabei  die  einzelnen  erscheinnngen 
mit  den  entsprechenden  des  mhd.  und  füge  aus  Weinholds  Mhd.  gr.^ 
die  Ziffern  der  paragraphen  bei,  in  denen  sie  sich  besprochen  finden. 

Bemerken  will  ich  zunächst,  dass  über  den  vocalen  verschiedene 
zeichen  stehen,  der  gewöhnliche  circumflex  findet  sich  29  mal  über 
langen  vocalen,  Imal  über  contractionen :  nit  2,  it  73.  über  kurzen 
vocalen  steht  er  12 mal,  darunter  Smal  über  u  (loobei  er  Imal 
den  umlant  bezeichnen  könnte,  vgl.  tygris  26),  einmal  über  o  vor 
h  73,  ^mal  über  \  vor  liquiden  93.  113.  137.  ei  liest  man  18. 
44,  ie  67.  ein  zweifelloser  acut  steht  in  rven  28,  vröue  29,  ilede 
35,  principio  75,  der  wol  die  länge  des  vocals  andeuten  konnte, 
während  er  in  cüninc  112  auf  die  zweite  hebung  in  diesem  worte 
weist.  i6mer  98  und  ni6  105  sind  wol  die  vocale  des  diphthonges 
getrennt  worden,  zu  dem  ganzen  vergleiche  man  übrigens  die 
darlegung  von  Busch,  Zs.  f.  d.  ph.  10,  131  f. 

Hd.  ö  entspricht  erhaltenes  germ.  ä  in  wale  6.  van  9.  17.  48. 
64.  125.  Weinh.  30.  der  umlaut  von  a  erscheint  mehrfach  als 
ei :  scheilTere  3.  eilleinde  31.  eirve  36.  meinschlichen  82.  137. 
eingele  95.  eingel  110.  Weinh.  29.  daher  wird  die  annähme 
von  Busch  aao.  291  f  nicht  gehalten  werden  können,  eingel  in 
seinem  Legendär  des  xu  jhs.  sei  Schreibfehler,  weil  nach  Braune, 
Zs.  f.  d.  ph.  4,  273  der  nachschlag  eines  i  heim  umlauts-e  sich 
erst  im  xmjh.  von  der  Kölner  gegend  aus  verbreitet  habe.  — 
hierher  gehört  wol  auch  begeit  =  heget  43.  Weinh.  357.  —  für 
hd.  1  zeigt  sich  ei :  anegeinne  70.    Weinh.  48. 

Der  umlaut  von  ä  wird  durch  6  bezeichnet:  scheilTere  3. 
were  50.98.  111.  gnedich  51.  mere  110.  Weinh.  93.  —  ein- 
mal erscheint  ei :  weirlich  50.     Weinh.  95. 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK  357 

Hd.  6  icird  durch  ee  gegeben:  eeren  2.  128.  irgeen  87.  nicht 
hierher  gehört  bedleem  86. 

Für  hd.  e  stellt  i  in  den  prä fixen  in-,  int-,  ir-  (doch  vei- 
sante  25),  bei  in  =  eu,  afeer  in  den  Suffixen  nur  solio  76.  magit  89. 
Weinh.Sl.  —  immer  in==inde  =  Ärf.  unde  WemA.  327. 

Hd.  I  toird  ie  geschrieben:  sievencech  32.  wieder  36.  51. 
lieden  37.  vriede  101.  Weinh.  48.  dagegen  erscheint  i  für 
ie:hiz  11.  ginc  83.  vircigistem  132,  also  drei  fälle  gegen  31 
echte  ie.     Weinh.  134. 

Für  hd.  ö  loird  o  geschrieben:  österlichen  41.  tröste  106. 
schone  40  als  adj.,  aber  schone  62.  76  als  adv.   Weinh.  113. 

Hd.  ou  bleibt:  uch  52.  irögende  94.  wiröch  126.  —  vröe- 
den  4 1 . 

u  tritt  ein  für  hd.  iu  :  lut  20  (aber  Hvden  102),  rven  28. 
diivel  56.  vrluge  68.  (D)uwen  107.  —  du  n.  pl.  neutr.  des 
artikels  32,  sonst  44.  45.  46  die.  Weinh.  132.  —  für  hd.  uo: 
arcediim  19.  buch  49.  64.  85.  93.  genuch  65.  müder  81.  121. 
muste  86.  101.  guden  102.  wuhs71.  wus  136.  — gewis  steht 
einige  male  zu  für  hd.iuo,  nicht  für  ze,  zb.  92.  Weinh.  140.  — 
du  erscheint  für  hd.  i\ö  zehnmal.     Weinh.  114.  — 

Consonanten  der  dentalgruppe :  den  hd.  t  und  d  (atis  germ. 
d  und  \i)  entspricht  d  nach  liquiden  in  23  fällen,  diesen  steht  t 
nur  in  den  syncopierten  praeteritis  der  schwachen  conjugation  ent- 
gegen: versante  25.  incante  56.  sante  57.  irvulte  84.  cunte 
110.  nanten  121  (vgl.  missehatten  27.  leite  124).  nach  s  wird 
nur  t  geschrieben:  W  fälle,  nur  ht:  \2  fälle,  im  inlaute  ist 
nur  d  vorhanden,  gegen  hd.  t,  in  33  fällen.  —  arcedum  19.  — 
Weinh.  188.  —  aber  genieten  67.  —  im  anlaute  findet  sich  stets  d 
(==  germ.  {))  icie  im  hd.  Qmal  und  in  25  dad.  gegen  das  hd.  t 
(germ.  d)  in  dot5.  duvel  56.  drehtin  79.  dragen  80.  dach  118. 
daden  128.  druve  131.  dage  132.  Weinh.  187.  —  einmal  steht 
t  gegen  hd.  d,  aber  wol  nur  durch  assimilation :  bit  tem  83. 
Weinh.  198.  —  im  auslaute  steht  d  nur:  leid  21.  Weinh.  190. 
aber  sonst  überall  t  verschiedenen  Ursprungs  in  mehr  als  40  fällen. — 
bit  68.  83.  102.  103.  123.  133.  Weinh.  190.  192.  —  t  fällt  ab: 
bodeschaf  58.  mage  =  maget  133  loird  dagegen  wol  nicht  als  ab- 
fall  von  t,  sondern  nur  als  Schreibfehler  aufzufassen  sein,  wenig- 
stens führt  Weinh.  200  kein  beispiel  ähnlicher  art  (nach  vocal)  an.  — 
germ.  t,  hd.  z  erscheint  im  auslaut  als  d  in  den  25  dad,  dann  in 


358     ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

did  134.  id  6.  49.  50.  85.  12S.  Weinh.  190  vgl.  197.  als  t: 
getiden  47.  Weinh.  196.  aber  cit  84.  —  dagegen  wird  germ.  l 
zu  z  verschoben  im  atislaut  und  inlaut:  hiz  11.  biz  10.  22.  32. 
38.  48.  84.  hesaz  22.  —  groze  4.  grozem  68  (Weinh.  205). 
wizzen  6.  bizzen  7.  gebizzen  9.  16.  wazzer  26.  beizet  26.  — 
z  wird  durch  c  gegeben:  beceicbeude  18.  arcedum  19.  sieveu- 
cecb  32.  vorceichen  44,  cit  84.  beceichenliche  123.  134. 
vircigistem  132  und  in  ce  41.  45.  86.  106.  128.  Weinh. 
203.  205. 

Über  die  labialen  ist  nur  weniges  zu  bemerken:  einmal  steht 
nnverschobenes  p  :  plach  119.  Weinh.  165.  Kettner,  Zs.  f.  d.  ph. 
9,  311.  —  für  hd.  pf  erscheint  IT:  scbeiflere  3.  offere  133.  135. 
Weinh.  175.  —  inlautendes  hd.  b  zwischen  vocalen  erscheint  durch- 
aus als  V :  gegeven  23.  uver  26.  sievencech  32.  eirve  36. 
uvele  51.  loven  77.  lieve  87.  loveden  95.  103.  gelovet  98. 
overster  99.  gaven  123.  Weinh.  176.  —  im  auslaut  tritt  dafür 
f  ein:  urlof  34.  38.  wit  35.  lol  39.  108.  Weinh.  177.  —  für 
w  wird  V  geschrieben:  vuna  60.  (u)uveu  107.  druve  131.  —  für 
f  findet  sich  b  vor  t :  stihten  69.    craht  59.     Weinh.  236.  243. 

Gutturale,  wie  hd.  erscheint  c  im  anlaut:  cos  5.  cuniac 
24.  112.  122.  cristeneit  43.  cunnes  53.  iocante  56.  cuoft  72. 
cunte  HO.  crippe  114.  k  nur  in  kint  83.  90.  94.  135.  136. 
Weinh.  229.  —  kk  entspricht  im  inlaut  hd.  ck :  bedekkede  59. 
Weinh.  231.  Kellner  aao.  312.  —  g  steht  im  anlaut  und  inlaut 
wie  hd.  —  c  aus  tg  :  inculden  1.  Weinh.  226.  229.  —  iugeiner  8. 
W^einh.  222.  —  qu  vertritt  k  :  quameo  4.  quam  38.  54.  104.  118. 
Lequani  34.  quit  49.  85.  93.  Weitih.  229.  —  g  fällt  aus  oder 
wird  aufgelöst  in  allen  formen  von  manec :  manier  5.  65.  manie 
21.  37.  42.  44.  manieo  47.  Weinh.  225.  —  hd.  ob  bleibt 
im  inlaut  und  auslaut  in  20  fällen,  dazu  inabcben  11.  vgl.  Weinh. 
235.  Braune,  Beitr.  1,  24.  —  es  erscheint  auch  ch  für  hd.  c 
im  auslaut:  sievencech  32.  gnedich51.  genucb  65.  vvirdich  78. 
dach  118.  placb  119.  Weinh.  231.  Braune,  Beitr.  1,24  atim.  — 
ch  fällt  ab  im  auslaut  nach  langem  vocal:  na  =  hd.  nach  11.  82. 
ho  =  hd.  höhe  13  (aber  subst.  hohe  99).  Weinh.  246.  —  h  fällt 
aus  vor  t:nit  2.56.  it  73.  vor  s :  wus  136,  aber  wuhs  71. 
zwischen  vocalen:  vie  115.  in  dem  suffix  -heit :  cristeneit  43. 
wiseit  90.  Weinh.  244.  245.  —  gutturalis  wird  zu  h  vor  t:  gelabt, 
bedaht  114.  115.     Weinh.  243.  390.  —  h  tritt  ein  für  f  vgl.  oben. 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK     359 

Aus  der  formenlehre  ist  folgendes  zu  erwähnen:  voller  vocal: 
wunoa  :  natura  60 /".     van  aldere  64.     jjZwr.  wundere  65.     Weinh. 
454.  —  nom.  plur.  jare  im  reime  auf  waren  32.     Weinh.  454.  — 
die  feminina  erde  und  minne,  sowie  bemerkenswerter  weise  e  sind 
in  die  schwache  declination  ühergegangen:    zu  der  erdeu  92.     an 
der  erden  100.     in  erden  130.     bit  minnen  103.     in  der  alder 
ewen  119.     Weinh.  461.     gewalt  ist  fem.  (91)  131.    ebenso  h\xc\\ 
(64)  85.93.     aber  neiitr.  49.    iremA.310.  —  sterre  124.    Weinh. 
214.   —  beim  adjectivum  erscheint  e  für  iu  in  der  endung:    be- 
ceichenliche  dinc  134.     Weinh.  507.     dasselbe  ist   dmal  bei  sine 
der  fall:    72.  121.  131.     Weinh.  504.  —  das   adjectivsuffix  -in 
erscheint  zu  -eu  geschwächt:  erennen  12.     Weinh.  274.  —  e  m,it 
dem  abkürznngsslrich  löse  ich  als  em  auf  im  dat.  sing.  masc.  neutr. 
der  starken  adjectiva  (68.  83.  102.  132.  137),  obschon  dem  dialecte 
nach  en  auch  möglich  gewesen  wäre,  vgl.  Heinzel,  Gesch.  d.  nfr. 
geschäftsspr.  s.  363  /".     Weinh.  505.  —  auf  den  bestimmten  artikel 
folgt   vor  dem  Substantiv   die   starke  form   des  adj.:    die   schöne 
alleluien  40.     die   liir  vil    manie    arbeit  42.      der    manier   wun- 
dere 65.     in   der   oversler   hohe  99.     in    der   alder   ewen  119. 
vrone    29.    58.    77.    108    gehört   natürlich    nicht    hierher,     doch 
könnte  die  lieidenne  diede  66  metathese  sein,     einige  fälle  stehen 
entgegen,   so   besonders   das  neutr.  sing.:   dad  wäre   arcedum  19. 
dad   israelische   lut  20.     dad  wäre   öfter  135.     aber  auAiih  masc. 
sing.:   der  ahte  dach  118.     zweifelhaft  an  dem  vircigisten   dage 
132.  —  nach  ein  steht   das  schwache  adj.:    einen   erennen   slan- 
gen  12.     einen  (u)uven  sanc  107.     nnflectiert:    ein  niichel  wun- 
der 88.    —    nachgesetztes  attrib.  adj.  flectiert  schwach:   die  raagit 
junge  89.     ein  himelcuninc  junge  112.     dad  kint  edele  136.  — 
die   vnrceichen    manie  44.      got  der   vil   riche  97.     Weinh.  253. 
254.  —  vorangesetztes  attrib.  adj.  ist  flexionslos:  groz  wunder  14. 
Weinh.  509.  —  praed.  adj.  druve  131.     sonst  flexionslos:  45.  72. 
73.  78.  91.   —   unflectiertes    alle   33.  43.      Weinh.  508.   —   das 
Personalpronomen    er    wird   regelmäfsig   gebraucht    (Weinh.    476 
s.  518),  im  dat.  sing,  steht  im  107.  127.  128,  der  acc.  sing,  lautet 
in  122.  133,  aber  hin  113;  gen.  plur.  ist  hir  36.  42,  dat.  plur. 
hin  34.      Weitih.  476   s.  520.     Kettner  aao.   317.   —   si   ist  die 
alkin  gebräuchliche  form.  —  beim  artikel  ist  der  gewöhnlich,  de 
steht  55.    Weinh.  482.    die  vertritt  den  nom.  plur.  überhaupt,  auch 
neutr.  44.  45,  aber   du  32;    im  sing,  steht  es  auch  für   diu  59. 


360  ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

87.  89.  133.  Weinh.  382.  384.  —  ir  wird  als  Possessivpronomen 
dediniert:  acc.  sing.  masc.  iren  3.  fem.  ire  84.  dat.  plur.  fem. 
iren  80.  oöer  ir  bezieht  sich  auf  ein  neutr.  sing.  22.  hir  a%if 
einen  gen.  plur.  36.  42.  Weinh.  481.  —  unsen  drehtin  79. 
Weinh.  480.  —  dat.  plur.  einen  41.  —  so  wer  15.  so  wie  so 
16.  —  ingeiner  8.     Weinh.  492. 

Das  praet.  plur.  des  hd.  starken  verbnms  geschehen  lautet 
geschieden  im  reim  auf  getiden  46,  aber  geschach  steht  im  reim 
auf  sach  14.  Weinh.  424.  —  schwache  verba  haben  zum  teil 
syncopiertes  praeteritum,  siehe  oben  bei  t,  Weinh.  387,  zum  teil 
volle  dreisilbige  formen  mit  d  :  ilede  35.  bedekkede  59.  loveden 
95.  103.  wiseden  122.  Weinh.  382.  388.  —  missehatten  27. 
Weinh.  154.  394.  —  geiaht :  bedaht  114/".  Weinh.  390.  —  con- 
trahiert:  quit  49.  85.  93.  Weinh.  52.  —  der  dat.  des  inf.  mit 
einfachem  n  :  sagene  45.  Weinh.  400.  —  regelmäfsig  steht  is  für 
hd.    ist.     Weinh.  364. 

Die  Präposition  bit  =  hd.  mit  steht  durch:  68.  83.  102.  103. 
123. 133.  Weinh.  161.  Busch,  Zs.f.  d.ph.  10, 303.  —  kein  uuz,  aber 
biz  10.  22.  32.  38.  48.  84.  —  adverbial  ane  15.  vure  33.  die 
einsilbige  form  als  6.  49.  85.  93.  also  87.  —  die  adverbia  haben 
gewöhnlich  -liehen,  nur  -liehe  127.  —  syncope  von  ge-:gnedich 
51.  Weinh.  79.  ge-  ist  ganz  abgefallen :  boren  111.  Weinh.dld.  — 
sinre  17.  —  er  ist  mit  vorausgehendem  wände  zusammengezogen: 
wander  129.  ferner:  mohtem  =  mohte  im  73.  nanten  =  nante 
in  121.     vgl.  Kettner  aao.  316. 

Nach  alle  dem  gehört  die  aufzeichnung  des  Innsbrucker  frag- 
mentes  dem  dialecte  an,  welchen  Braune,  Beitr.  \,^ff  als  mittel- 
fränkisch bezeichnete,  sie  wäre  gemäfs  Heinzel,  Gesch.  d.  nfr. 
geschäftsspr.  dessen  mundarten  iv  oder  vi  beizuzählen,  also  der 
Kölner  gegend.  die  eigentümlichkeiten  der  declination  und  conju- 
gation  stimmen  mit  den  angaben,  in  denen  Heinzel  s.  363 /f  das 
characteristische  seiner  mundarten  iii  —  vi  zusammen fasst.  das  ist 
auch  das  allgemeine  ergebnis  der  vergleichung  mit  dem  durch  die 
citate  aus  Weinholds  Mhd.  gr.  bezeichneten  material.  das  neue 
stück  zeigt  in  seiner  lautgebung  zu  keinem  anderen  denkmale 
nähere  Verwandtschaft  als  zu  dem  Annoliede.  und  zwar  nicht 
bloß  im  großen  und  ganzen  sondern  auch  in  wichtigen  einzeln- 
heiten, zb.  äd  für  (\ö ,  geschieden,  wander,  -e  für -iu  usw.  man 
vergleiche    die    Zusammenstellung    Kettners    Zs.  f.  d.  ph.  9,  305  ff. 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  LNiNSBRUCK  361 

dadurch  jedoch ,  dass  das  Annolied  noch  volle  vocale  in  den  endungen 
aufweist,  auch  i  /"»?•  e  in  den  Suffixen  hat,  erhält  das  Innsbrucker 
stück  im  vergleich  dazu  ein  erheblich  jüngeres  aussehen,  ebenso 
ist  die  Schreibung  unseres  denkmals  sehr  verwandt  mit  der  des 
späteren  niederrheinischen  brückst ückes  einer  Albanuslegende,  Lach- 
mann ,  Kl.  sehr.  1 ,  523  ff,  und  in  entsprechendem  abstände  mit  den 
Kölner  Marienliedern  der  hannoverschen  hs.  Zs.  10,  Iff. 

Durch  den  reim  gescliieden  :  getidea  wird  bestimmt  enoiesen 
(vgl.  auch  bedalil: geiaht),  dass  der  dichter  des  Stückes  dieselbe 
mundart  sprach  wie  der  schreiber;  so  weit  ich  sehe,  ist  nichts  da- 
gegen anzuführen,  auch  nicht  der  reim  bodeschal:  craht.  unter 
68  erhaltenen  reimparen  sind  29,  also  etwas  mehr  als  ein  drittel 
genau,     ich  gehe  nun  die  reime  gruppenweise  durch. 

Es  reimt  das  betonte  e  der  endung:  alleluien.-vroeden  40. 
\vere:höhe  98.     wiseden  :gäveü  122.     hiinele:drilve  130. 

Unter  den  klingenden  reimen  weisen  verschiedene  vocale  und 
teilweise  verschiedene  consonanten  der  Wurzelsilbe  auf:  weiiiich: 
gn^dich  50.  eirve:  sorge  36.  wuuua:  ualüra  60.  urlüge:  bürge 
68.  anegeinne: manuen  70.  ohsen:gevvisse  116.  —  geschieden: 
geliden  46.  —  in  eeren :  scheiffere  2  wird  nur  das  überschüssige 
ü  ungenau  sein,  ebenso  in  rüen:allelüja  28.  järe:  wären  32.  — 
consonantisch  ungenau  sind:  willen: minneu  102.  dingen :kinde 
82.  wunder : junge  88.  junge:  vunden  1 12.  dazu  gehören  noch: 
schöne  :generatiönum  62.  eeren:  regum  128  und  wol  auch  ge- 
singen:eilleinde  30.  Weinh.  29.  dagegen  wird  fte«  diede:genieteu 
66  nur  das  überschüssige  n  ungenau  sein,  genaue  klingende  reime 
sind:  wizzen  :  bizzen  6.  slangeu:  gehangen  12.  incante  :sante  56. 
schöne :vröne  76.  wunnencliche: riebe  96.  erden:werden  100. 
möre:were  110.  sterre:verre  124.  also  sind  unter  ^0  klingenden 
reimen  8  genau,  22  ungenau. 

Zwei  tribrachysche  reime  sind  ungenau:  manie:sagene  44. 
edele:bilede  136. 

Unter  den  einsilbigen  stumpfen  reimen  sind  genau:  nöt:döt  4. 
genas: was  8.  16.  geschach : sach  14.  uriof:lot'38  halte  ich  für 
rührend  (ohne  fehler),  aber  für  genau,  vgl.  Weitih.  1 1 2. 1 27 .  arbei i : 
cristeneit  42.  bi:si  52.  biich:genüch  64.  wunderlich  :gelich  72 
(rührend  und  fehlerhaft),  evangelium :  verbum  74.  sin:drehtin 
78.  cit:quit84.  wiseit:  breit  90.  gehit:quit  92.  kint:sint94. 
geiaht :  bedaht  114.      dach:plach  118.      circumcisus:  Jh^sus  120. 


362  ALTDELTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

golt:liolt  126  und  loahrschetnlich  David  :quit  48.  also  20  gegen 
13  ungenaue,  unter  diesen  sind  consonant  und  vocal  ungleich 
in:  sun:arcedum  18.  consonanten  sind  ungleich:  cunincrsint  24. 
besaz:\vas  22.  Tygris:sich  26.  bequam:man  34.  qiiam:gewan 
54.104.  bodeschaf :  craht  58.  Bedk^6m:irgeu  86.  gesant:sanc 
106.  bimelisch:  excelsis  108.  diiic:kiut  134.  vocal  ist  ungleich 
in  Iüt:nöl20.  —  voti  den  drei  zweisilbigen  stumpfen  reimen  ist 
einer  genau:  bodergebode  10,  zugleich  rührend,  aber  nicht  fehler- 
haft,  zwei  sind  ungenau:  dragen:magel  80.  dagennaget  132. 
jedes  falls  ist  es  merkwürdig ,  dass  drei  rührende  reime  unter  den 
stumpfen  auftreten;  zwei  davon  (10.  38)  sind  erlaubt,  einer  (72) 
entsdiieden  fehlerhaft. 

Bei  dem  geringen  umfange  des  materials  kann  ich  über  den 
Versbau  nur  loenig  sagen,  denn  es  ist  nicht  immer  möglich,  zu 
entscheiden,  icie  ein  vers  gelesen  werden  muss.  zweisilbiger  auf- 
tact,  meistens  nicht  schwer,  findet  statt:  2.  3.  8.  12.  19.  34.  47. 
52.  56.  59.  70.  72.  80.  81.  91.  100.  104.  105.  119.  121.  123. 
dreisilbiger :  24. 26. 4 1 .  50. 66.  zweisilbige  unverschleifbare  Senkung : 
43.  62.  92.  102.  107.  119.  127.  128.  dreisilbige:  18.  94.  die 
Senkung  fehlt  nach  dem  bestimmten  artikel:  5.  21.  59?  64?  nach 
dem  pronomen  si  25.  nach  is  91.  nach  van  125.  versetzte  he- 
tonung  findet  sich:  iemer  98.  under  58.  cuning  wird  mit  zwei 
hebungen  gelesen  24.  122.  hiattis  17.  84.  105.  133.  fünf  hebungen 
stumpf  sind  wahrscheinlich  \S  f.  90  f.  135.  daraus  ergibt  sich, 
dass  in  dem  vorliegenden  stück  mindestens  zwei  drittel  der  verse 
nach  mhd.  regel  gebaut  sind. 

Abschnitte  icerden  durch  grofse  initialen  bezeichnet,  treten  je- 
doch nicht  in  regebnäfsigen  abständen  ein.  so  ist  der  erste  un- 
bestimmbar, hat  aber  mindestens  20  verse.  dann  folgen  sie  mit 
24.  20.  12  (wofern  man  keine  lücke  zwischen  69  und  70  annimmt). 
16.  18.  26  Versen  auf  einander,  der  schluss  der  abschnitte  scheint 
durch  verse  oder  verspare  von  h  hebungen  angedeutet :  18  f.  90/'. 
135,   vielleicht  auch  43,  durch  lateinische  verse  63.  75.  109. 

Nimmt  man  alles  zusammen,  spräche,  reime  und  versbau, 
so  wird  man,  glaube  ich,  vermalten  dürfen,  dass  dieses  gedieht 
in  der  gegend  von  Köln  während  des  dritten  oder  vierten  decen- 
niums  des  xujhs.  verfasst  und  bald  darnach  aufgezeichnet  wor- 
den ist. 

Einige  besserungen  schlage   ich   zu   dem  texte   vor:    l  l.  der 


ALTDEUTSCHE  FUJNDE  AUS  IMSSBHUCK  363 

Sunden  si  inculden.     60  l.  wuuna.    85  l.  id  is  als  die  buch  quit. 
107  ?.  uCiwen.     1 26 /.  mirren.     133 /.  maget. 

Was  den  inhalt  betrifft,  so  ivird  es  wol  nicht  zu  kühn  sein, 
wenn  ich  meine,  dass  schon  ans  dem  format  der  hs.  auf  den  ge- 
ringen umfang  des  vollständigen  gedichtes  geschlossen  toerden  darf, 
damit  stimmt  anderes,  das  gedieht  behandelte  im  eingange  bedeut- 
same momente  der  wiirksamkeit  gottes  in  der  geschichte  des  Volkes 
Israel,  um  dann  eingehender  bei  Christi  leben  (und  icerken?)  zu 
verweilen,  also  ein  inhalt  ähnlich  dem  des  Ezzoleiches.  da  jedoch 
in  den  erhaltenen  fragmenten  nur  Christi  geburt  ausführlich  er- 
zählt wird,  so  schickt  es  sich  vielleicht,  darnach  das  stück  Von 
Christi  geburt  zu  benennen. 

Die  gaben  des  neuen  namenlosen  dichters,  der  sich  mit  diesem 
denkmal  in  die  litter alur geschichte  einführt,  sind  nicht  grofs  ge- 
wesen, zwar  empfindet  man  slellemoeise ,  und  besonders  bei  der 
Schilderung  des  haupt gegenständes ,  eine  gewisse  naive  frische,  aber 
auch  da  hat  die  überkommene  ältere  technik  für  den  Verfasser 
gearbeitet,  diese  zeigt  sich  in  den  verschiedenen  stilistischen  mittein. 
das  epitheton  steht  nach  dem  pronomen  17  (vgl.  Heinzel,  Über 
den  Stil  der  alt  germanischen  poesie  s.  3  ff),  auf  den  bestimmten 
ausdruck  am  ende  der  aussage  folgt  noch  die  Opposition:  40.  48. 
61.  108 /".  116.  ein  satz  steht  statt  des  namens:  öö  ff.  10  ff.  ein 
substantivum  statt  des  pronomens  15.  136.  das  substantivnm  loird 
noch  durch  ein  demonstratives  pronomen  aufgenommen:  21.  45.  95. 
paralleler  satzbau  wird  bevorzugt,  die  bildung  gröfserer  sätze 
geht  sehr  unbehilflich  von  statten,  so  muss  du  ^=  mhd.  dö  ^mal 
einleiten:  35.  39.  71.  86.  92.  94.  120.  124.  136.  biz  verknüpft 
bmal:  10.  22.  32.  38.  84.  ungewöhnlich  ist  die  Verwendung  von 
so  in  der  bedeutung  'so  sehr'  an  der  spitze  des  satzes  27.  —  alles 
strebt  dem  reim  zu ,  der  offenbar  nicht  leicht  zu  finden  ist,  wie  die 
rührenden  reime  zeigen,  darum  begreift  sich,  dass  der  dichter 
eine  phrase,  die  er  einmal  in  seine  gewalt  bekommen  hat,  gerne 
von  neuem  anwendet,  die  zahl  der  loiderholungen  ist  ganz  auf- 
fällig, sowol  einzelner  worte  und  phrasen  als  ganzer  verse.  ich 
führe  an:  8  f  und  16  f  auch  15  und  17.  —  27,  37.  —  29,  40.  — 
29,  108.  —  34,  38.  —  54  ^  104/".  —  71,  136.  —  82,  137.  — 
95,  98,  103.  —  96,  107. 

Es  entspräche  also  vollständig  der  art  dieses  dichters,  wenn 
er  vorhandene  loerke  ausgibig  benutzt  hätte,    er  weist  selbst  darauf 


364  ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INiNSBRUCK 

hin,  indem  er  nicht  weniger  als  1  mal  in  137  versen  eine  quelle 
oder  vorläge  citiert:  6.  49.  62/'.  64.  74.  85.  93. 

Ich  vermerke  zuvörderst  etliche  einstimmungen  zwischen  Ch  r  i  s  l  i 
gehurt  und  dem  Annoliede,  welche  zwar  nicht  auf  unmittelbare 
beziehungen  zu  schliefsen  gestatten,  aber  doch  zeigen,  dass  dem 
jüngeren  Kölner  die  spräche  des  älteren  geläufig  war.  zu  Chr.  g. 
6  vgl.  Anno  303/",  wo  der  reim  wizzen :  bizzen  in  demselben  Ver- 
hältnis gebraucht  wird.  —  Chr.  g.  8  ingeiner  vgl.  Anno  304.  — 
Chr.  g.  18,  die  Verwendung  von  beceichenen  findet  ebenso  statt 
Anno  183.  189.  197.  205.  241.  255.  —  Chr.  g.  18.  117  godis 
sun  vgl.  Anno  62.521.  —  Chr.  g.  22  besitzen  wird  in  derselben 
weise  gebraticht  Anno  376.  zu  gesiebte  vgl.  Anno  307.  365.  — 
Chr.  g.  28  vor  rüen  vgl.  ci  rüvvin  ==  schmerz  Anno  808.  —  Chr. 
g.  39.  107  vgl.  A^mo  104.  106.  —  Chr.  g.  45  vgl.  Anno  88:  so 
iz  witin  ist  ci  sagine.  —  Chr.  g.  49.  85.  93  vgl.  Anno  444 :  also 
diz  buch  quit.  —  Chr.  g.  59  vgl.  Anno  850.  —  Chr.  g.  65  ff 
vgl.  Anno  233 :  mauigis  wunderis  genihte  sich  der  selbe  man  und 
Anno  QQd  f.  —  Chr.  g.  69  vgl.  Anno  143:  da  stiphte  er  eine 
bürg  Sit  und  150.  381.  386.  483.  —  Chr.  g.  70  vgl.  Anno  19. 
118.  —  Chr.  g.l2  wunderlich  vgl.  Anno  324.  713.  863.  —  Chr. 
g.  91.  131,  Verwendung  von  gewalt  so  im  Anno  9  mal.  —  Chr. 
g.  94  vgl.  Anno  745.  —  Chr.  g.  lll  vgl.  Anno  519 /f.  —  Chr. 
^.119  vgl.  Anno  851.  —  Chr.  g.  128  ce  eeren  ist  auch  im  Annol. 
beliebt:  468.  471  und  mehrfach.  —  zu  dem  reim  126/  vgl.  Anno 
475  /".  —  Chr.  g.  135  vgl.  Anno  63. 

Würden  es  nicht  schon  einzelne  bekannte  verse  nahe  legen, 
so  müste  man  auch  sonst  unter  den  möglichen  Vorbildern  unseres 
dichters  zunächst  —  seiner  bedeutnng  und  seines  einflusses  wegen  — 
an  den  Ezzoleich  denken,  ich  verzeichne  im  folgenden  die 
stellen,  an  denen  worte,  phrasen  und  ganze  verse  zwischen  Chr.  g. 
und  dem  Ezzoleich  übereinstimmen,  icobei  ich  von  letzterem  Müllen- 
hoffs  text  (Dkm.'^  xxxi)  citiere. 

Chr.  g.  10  vröne  bode  vgl.  Ezzo  21,  4:  Möyses  dervröne  böte 
guot.  6,  7  von  Johannes  baptista:  der  vröne  verböte.  —  Chr. 
g.  10 — 13  vgl.  Ezzo  20,  1  f:  unt  Möyses  hiez  den  slangen  in 
der  vvuostunge  hangen.  —  Chr.  g.  16/"  vgl.  Ezzo  20,9/":  daz 
die  da  lachen  nämen  die  der  eiterbiszic  waren.  —  Chr.  g.  18. 
117  godes  sun,  vgl  Ezzo  1,2:  daz  was  der  wäre  gotes  sun. 
7,  10:  do  irscein  uns  der  gotes  sun.  —  Chr.  g.  18/"  vgl.  Ezzo 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK     365 

20,  \\  f:    er  gehiez    uqs   näh  den  wiiutou   an  dem  crüce  wärez 
lächenduom.  —  Chi\  g.  48 — 51  vgl.  Ezzo  5,  7 — 12:   öz  der  archä 

gab  uns  Nöe duo  lört  unsih  Abraham Aer 

vil  guote  David  wider  ubele  sin  genädich.    Strafsburger  hs.  76.  — 
C%r.  g.  50  weirlich   w^?.  £220   6,  5:   der  vil  wärliche  was.     ist 
in  Chr.  g.  adj.,   bei  Ezzo  adverb,   aber  an  einer  stelle,   die  un- 
mittelbar auf  eine  gröfsere  Übereinstimmung  folgt.  —  Chr.  g.  52 
vgl.  Ezzo   22,  1 :    daz  was  allez  geistlich.  —   Chr.   g.    55.    104 
vgl.  Ezzo  9,  9  f:    daz  was  der  ^reste   man   der  sih   in    sunden 
niene  bewal.    11,  1\  f:  er  wuosch  ab  unser  missetätrneheiue  er 
selbe   niene   hat.  —  Chr.  g.  59    bedekkede   vgl.  Ezzo  8,  10:   si 
bedachte  wibes  missetät.  —  Chr.  g.  58 — 61   vgl.  Ezzo   15,  11: 
der  tievel  ginite   an   daz   fleisc:der  angel  was  diu  golheit.     und 
25,  1  ff.  vgl.  Diemer,  Beitr.  6,  45  ff.  —   Chr.  g.  63  in  libro  ge- 
nerationum,  vgl.  Ezzo  19:  üzzer  genesi.  —  Chr.  g.  70  aneginne. 
so  vermutet  MüUenhoff  s.  372  des  reimes  wegen  Ezzo  16.     allein 
die  Strafsburger  hs.  zeigt  durch  ihr  angenge  3,  vgl.  anegenge  18. 
anagenge  19.    anegenge  27,  bei  MüUenhoff  1,  34.  35.  43,  dass  die 
form  der  Vorauer  hs.  beizubehalten  ist.  —  Chr.  g.  1\  vgl.  wahsen 
in  der  bedeutnng  'erwachsen'  Ezzo  3,  11  =  Strafsburger  hs.  51.  — 
Chr.  g.  12  f  =  Ezzo  8,  11/;    diu  geburt  was  wuuterlich:demo 
chinde  ist  nieht  gelich.  —  Chr.  g.  75  =  Ezzo  1, 1.  Strafsb.  hs.  13: 
in  principio   erat  verbum,    —    Chr.  g.  IG  f  vgl.  EzzoS,ß:    des 
scol  si  iemer  lop  haben.  —  Chr.  g.  81    vgl.  Ezzo  8,  7:    wante 
si  was   muoler   unte   maget.  —   Chj\  g.  90   vgl.  Ezzo   8,  9:    si 
was  muoter  äne  mannes  rät.    8,  5:  den  sanctä  Maria  gebar.  — 
Chr.  g.  91  ^^  Ezzo  9,  11  f:    (daz   chint  was   gotes  wisheit,)  sin 
gewalt  ist   michel   unte   breit,     vgl.  19,9/";    über   die  helle  ist 
sin  gewalt,   michel   unte   manicvalt.     24,  11:    vil  michel  ist  der 
sin  gewalt.     vgl.  Diemer,  Beitr.  6,  40.  —  Chr.  g.  92  /"  =  Ezzo 
9,  2:    der  himel  was  ze  der  erde  gehit.    gleich  darauf  in  beiden 
gedachten   das   lob   der  engel.     vgl.  Diemer,   Beitr.  6,  39.     Dkm." 
s.  436.  —  Chr.  g.  94  vgl.  Ezzo  7,  10:  do  irscein  uns  der  gotes 
sun.  —  Chr.  g.  100  ff  vgl.  Ezzo  9,  7:   wie  tiure  guot  wille  si.  — 
Chr.  g.  104  s.  55.  —  Chr.  g.  104  ff  vgl.  Ezzo  1,  4:   bequam  tröst 
al  der  werlte.  —  Chr.  g.  lOS  f  =  Ezzo  9,  b  f:    duo   sanch  daz 
here  himelisch  gloria  in  excelsis,  —  Chr.  g.  110  vgl.  Ezzo  10,  3: 
der  engel  meldöt   in  da.     vgl.  Diemer,   Beitr.  6,  40.  —  Chr.  g. 
113  =  Ezzo  10,  4:  die  hirte  funden  in  sä.  —  Chr.  g.XM  s.  18.— 


366  ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  IlNiNSBRUCK 

Chr.  g.  119  vgl.  Ezzo  10,  6:  do  begieüg  er  ebr6iscen  site.  das 
deutsche  wort  'beschneiden'  ist  in  Chr.  g.  nicht  gebraucht,  aber  Ezzo 
10,5.  —  Chr.  g.  120  f  =  Ezzo  10,  1  f:  duo  wart  er  circum- 
cisus,  duo  uaDteo  si  in  Jesus.  —  Chr.  g.  128/  der  reim  eren : 
regum  steht  auch,  obgleich  in  ganz  anderem  zusammenhange  beim 
Ezzo  der  Strafsb.  hs.  1  f.  —  Chr.  g.  V29  f  vgl.  Ezzo  8,  iff: 
Duo  wart  geboren  ein  chint,  des  elliu  disiu  lant  sint,  demo  dienet 
erde  unde  niere  unte  elliu  himelisciu  here.  19,11/;  in  be- 
chennent  elliu  chunue  hie  in  erde  joch  in  himele.  vgl.  Diemer, 
Beitr.  6,38.  —  Chr.  g.  1dl  vgl.  Ezzo  1,8.  Strafsb.  hs.  12: 
neheiner  unlriwe  düne  phligist.  —  Chr.  g.  133  ==  Ezzo  10,  9: 
mit  opphere  lost  in  diu  maget.  vgl.  Diemer,  Beitr.  6,  41.  — 
Chr.  g.  136  =  Ezzo  11,  5:  duo  wuohs  daz  chint  edila.  —  Chr. 
y.  IZl  =  Ezzo  7,11:  in  mennisclichemo  bilde,  vgl.  2,  3/". 
Strafsb.  hs.  31  f. 

Am  klarsten  wird  das  Verhältnis  zwischen  beiden  gedichten 
durch  eine  kleine  tabelle,  welche  das  eben  vorgebrachte  material 
zusammenstellt. 


Christi  geburt 

Ezzo 

Christi  geburt 

Ezzo 

10 

6,    7.21,4. 

91 

= 

dM  f.  vgl.  19,9 f. 

10—13 

20,   7  /. 

24,  11. 

16/ 

20,   9/. 

92/ 

= 

9,   2. 

18.  117 

1,   2.  7,  10 

94 

7,10. 

18/ 

20,11/. 

100// 

9,   7. 

48—51 

5,   7—12. 

105.55 

9,   9/. 

11,11/. 

50 

6,   5. 

104/f 

1,   4. 

51        = 

5,12. 

108/ 

= 

9,    5/. 

54 

22,    1. 

HO 

10,    3. 

55  s.  105 

113 

= 

10,   4. 

59 

8,10. 

117  s. 

18 

59—61 

15,11//.  25,1 

ff- 

119 

10,    6. 

63 

19. 

120/ 

^= 

10,   7/. 

70 

16.  1,34.35.' 

43. 

128/ 

Strafsb.  hs.  1  f. 

71 

3,11. 

129/ 

8,   Iff. 

19,11//. 

72/     = 

S,  1 1  /. 

131 

1,   8. 

75        = 

1,    1. 

133 

= 

10,   9. 

76/ 

8,  6. 

136 

= 

11,    5. 

81 

8,   7. 

137 

= 

7,11.  vgl.2,Sf. 

90 

8,   9.  8,5. 

ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK  367 

laicht  weniger  als  15  verse  unter  137,  also  ein  gutes  zehntel 
seines  bestandes,  hat  Chr.  geb.  wörtlich  aus  dem  Ezzoleich  entlehnt, 
da  nun  auch,  wie  ich  schon  bemerkte,  der  aufbau  des  inhaltes  beider 
gedichte  grofse  ähnlichkeiten  zeigt ,  so  xoird  man  Chr.  geb.  geradezu 
als  eine  nachdichtung ,  ich  will  nicht  sagen  'freie  bearbeitung' ,  des 
Ezzoleiches  bezeichnen  dürfen,  es  erhellt  daraus,  dass  auch  in 
rheinischen  landen  das  canticum  Ezzonis  eine  mächtige  würkung 
ausgeübt  hat  (vgl.  Scherers  behauptung  QF  12,33).  die  folgerungen, 
welche  sich  aus  diesem  Verhältnis  für  die  kritik  des  Ezzoleiches 
ergeben ,  stelle  ich  in  einem  besonderen  aufsatze  dar,  der  auch  die 
quellen  beider  gedichte  erörtert. 

Sehr  merkiDürdig  ist  der  Zusammenhang,  in  welchem  Chr. 
geb.  mit  dem  gedichte  steht,  welches  Müllenhoff  und  Scherer  den 
Friedberger  Christ  und  Antichrist  genannt  haben,  Dkm.'- 
xxxiii.  prüft  man  nämlich  dort  den  streifen  A^  der  trümmerhaften 
Überlieferung  (aao.  s.  76),  so  zeigt  sich,  dass  einige  der  kargen 
reste  aus  unserem  gedieht  zioeifellos  ergänzt  werden,  ich  gebe 
zuerst  mir  das  ganz  sichere,  indem  ich  das  fragment  des  Friedb. 
Chr.  antiqua,  die  ergänzungen  aus  Chr.  geb.  11  — 81  cursiv  drucke. 

du  xouhs 

14  er  uuder  mannen.     Sine  cunft  was  so  wun 

15  derlich.     loie  mohte  im  iht  sin  gelich.     Dad  sa 

16  get  uns  darf  eicangehum.     in  principio  erat  verbum. 

17  IM  u   sole  wir  alle  schone,    loven  die  maget  vrone  (die  gotj 

18  'ivv/e\(te) 

19  do   gol  \\(olde)  —  tcirdich   mohte  sin.     dad  si  unsen  dreh- 

tin.     under 

20  ir  brüsten  solde  dragen.     si  is  beide  müder 

21  vii  maget  (so  ist  für  mageu  zu  lesen). 

matt  sieht,  die  ergänzungen  von  17  und  19  können  nicht  den  ge- 
nauen Wortlaut  treffen ,  schon  weil  sie  mehr  buchstaben  auf  der  zeile 
voraussetzen,  als  dies  13 — 16  und  20  geschieht,  besonders  lehr- 
reich ist,  dass  der  an  fang  des  neuen  abschnittes  il  so  schöti  in 
beiden  gedichten  übereinstimmt,  wahrscheinlich  ist  auch  die  er- 
gänzung  von 

9  (daz  was  der  ereste) 

10    man.      der  noch  nie  sunde  ingewan. 


368     ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

wobei  die  von  10  aus  Chr.  geb.  105  (=  55),  die  von  9  aus  Ezzo 
9,  9  entnommen  ist.  vielleicht  denkt  man  aber  auch  für  10  besser 
an  Ezzo  9,  10:  der  sih  iii  sunden  niene  bewal.  —  ist  13  nach 
megede  zu  ergänzen:  io  meauisciichemo  bilede  Ezzo  7,  11.  Chr. 
geb.  137?  —  und  kann  man  11  ane  alle  durch  wiseit  ergänzen, 
wie  Chr.  geb.  90  hat,  oder  (ane  alle)ii  mauues  rät,  loie  Ezzo  8,9 
an  die  hand  gibt?  —  nebenbei:  vielleicht  ist  Q  f  so  zu  ergänzen: 

6  Nu  scribe?  uns  von  Christe.  ewangeli 

7  sta. 

Sehr  nahe   liegt   die  Versuchung,   den  anfang  des  streifen  A^ 
(aao.  s.  75)  aus  Chr.  geb.  58—61.    Ezzo  15,  W  ff.  25,  1  ff  zu 
vervollständigen,     aber   ich  komme   über  raten  nicht  hinaus,     so 
möchte  ich  lesen 
A^2  des  waren. 

3  godes  craht.     daz  querder  was  du  menwescheit.     der 

4  angel  was  diu  gotheit. 

und  ist  5  mit  vielleicht  der  anfang   von   in  mirabili  natura  Chr. 
geb.  61? 

Aber  auch  sonst  noch  finden  berührtmgen  zwischen  dem  Friedb. 
Chr.  und  Chr.  geb.  statt,  ich  stelle  sie  zusammen:  Chr.  geb.  27 
vgl.  Friedb.  Chr.  P  54:  daz  si  sihc  missehebeden.  —  der  aus- 
druck  dragen  Chr.  geb.  80  wird  Friedb,  Chr.  P  2  auch  vom 
Antichrist  gebraucht:  in  sal  dragen  ein  wib.  —  Chr.  geb.  55.  105 
vgl.  Friedb.  Chr.  C^  1  ff:  noch  sunda  enkeine  nine  häd  neweder 
6rre  mal  noch  sint,  necheinü  so  suntlichü  dinc.  —  Chr.  geb. 
110  ist  fast  =  Friedb.  Chr.  P  5:  daz  m6re  cunten  si  dö.  — 
Chr.  geb.  117,  die  Verwendung  von  gewisse,  vgl.  Friedb.  Chr. 
P  3.  (ja  95_  _  ^/,^_  ^gj_  122  vgl.  Friedb.  Chr.  £"21.  —  Chr. 
geb.  129/"  vgl.  Friedb.  Chr.  A^  1:  der  dö  weidet  alles,  der  erdun 
joch  des  himeles. 

Jedesfalls  also  —  so  muss  man  die  zuerst  dargelegten  er- 
gänznngen  wol  deuten  —  ist  auch  der  Friedberger  Christ  und 
Antichrist  durch  den  verf.  von  Chr.  geb.  reichlich  benutzt  worden, 
da  überdies  an  den  genannten  stellen  Chr.  geb.  widerum  starke 
entlehnungen  aus  dem  Ezzoleich  aufweist,  so  sind  auch  dieser  und 
der  Friedberger  Chr.  und  Antichr.  viel  enger  mit  einander  ver- 
bunden gewesen,  als  Müllenhoff  bisher  (Dkm.'^  s.  385)  hatte  an- 
nehmen dürfen. 

Teilweise  beruhen  die  vergleichungen,  welche  ich  nun  vorbringe. 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK  369 

ebenfalls  auf  der  vermittelung  des  Ezzoleiches.  aber  sie  ergeben 
auch  einzelne  unmittelbare  berührungen  und  zeigen  ferner  min- 
destens, dass  Chr.  geb.  durchaus  dem  gedankenkreise  der  geist- 
lichen dichtung  des  xii  jhs.,  besonders  aus  dessen  erster  hälfte, 
entstammt  und  über  denselben  wort-  und  phrasenschatz  verfügt. 
Chr.  geb.  1  — 19.  mit  den  Vorauer  büchern  Mosis  62,  3 /f' 
findet  keine  berührung  statt,  trotzdem  der  reim  Chr.  geb.  14/" 
geschach:  sach  auch  dort  \1  ff  sich  findet  und  ebenso  der  hinweis 
auf  Christus,  hier  ISf,  dort  10  f  vgl.  Wernhers  vom  Nieder- 
rhein Vier  scheiten  60,  3  ff.  Sfeculum  ecclesiae  ed.  Kelle  s.  112/'. 
—  1  Sünde  engelten  Parz.  473,  18.  —  5  den  löt  kiesen  als  eine 
phrase  der  älteren  volkstümlichen  epik  Mhd.  wb.  1,  824''.  vgl.  Vröne 
botsch.  580.  608.  —  18.  117  vgl.  Leben  Jesu,  Fundgr.  1, 141,  28.32. 
147,  19 /f.  —  20  —  43  vgl.  über  die  babylonische  gefangenschaft 
das  alte  gedieht  bei  Mone,  Anz.  1839  s.  bbff;  in  den  warten  ist 
gar  keine  Verwandtschaft  mit  Chr.  geb.  icahrzunehmen ,  wenngleich 
zb.  die  beziehung  auf  die  fasten  hier  42  f,  dort  43  ff"  aus- 
führlich verhandelt  wird.  —  25  vgl.  Himml.  Jerusalem,  Diemer 
361,  16  vom  evangelisten  Johannes:  Domicius  habet  in  versant 
in  ein  ellentez  lanl,  in  eine  iselen,  diu  heizet  Palhmos.  Johannes 
des  priesters  Adelbreht  202  f:  si  wurden  drumbe  versendet  fer 
in  eilende  bei  Mone,  Anz.  1839  s.  52.  —  28  vgl.  die  Marien- 
lieder der  Hannoverschen  hs.  Zs.  10,  3,  30.  —  33  vure  vvesen 
=  'vorbei  sein'  scheint  nicht  häufig.  Wiener  Gen.,  Fundgr.  1,  27, 
d^f  (=  Milst.  28,  26 /"j:  da  chüs  er  sä  bi  daz  diu  flüt  füre  was. 
schon  anders  Vorauer  Gen.,  Diemer  13,  5  f:  daz  er  irae  sagete 
märe,  obe  deu  unde  noh  vure  wäre.  —  34  bekumen  m  diesem  sinne 
und  gefüge  gehört  dem  älteren  mhd.  und  dem  ahd.  an,  vgl.  Mhd. 
wb.  1,  904''  f.  —  42  /■  diese  Verbindung  von  hegen  mit  arbeit  in 
dem  sinne:  'als  erinnerung,  als  fest  begehn'  ist  höchst  seltsam  und 
kommt  nur  noch  in  der  predigtprosa ,  als  marler  begßn,  vor.  auch 
das  DWB  1,  1284/"  kennt  die  phrase  nicht.  —  47  gezit  in  diesem 
allgemeinen  sinne  scheint  für  die  ältere  spräche  mitteldeutsch  zu 
sein,  Mhd.  wb.  3,  913'.  Lexer  1,  1004.  —  52  /"  da  bi:si  auch 
Vorauer  Gen.,  Diemer  4,  3.  —  54  vgl.  Summa  theol,  MSD^  xxxiv 
17,9/":  so  bat  er  den  geisllichi  gebilidöt,  der  uusculdig  durch 
in  wart  gicrücigöl.  Leben  Jesu,  Fundgr.  141,  11  ff:  Do  der  da 
geherbsergte  der  si  h6te  gebildete.  Also  geistlich,  so  si  enphie, 
so  wizzet  daz  diu  gebürd  ergie.  —  55.  105  de  nie  sunden  bigau, 
Z.  F.  D.  A.    XXXIII.    N.  F.    XXI.  24 


370  ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

Der  wilde  mann,  WGrimms  Wernher  9,23.  —  bQ  ff  derselbe  7, 34/f, 
besonders  8,  15/";  hie  mit  was  der  tuvil  giblant  unde  hatten  wirs 
dan  e  bikant.  10,  3  f:  want  der  duvil  so  danne  was  giwant, 
dat  he  sin  nit  hatti  irkant.  —  58  —  61  vgl.  Wiener  Gen.,  Fundgr. 
78,  20  ff:  Du  diu  gotheil  an  sih  nam  die  rtienoiskheit,  du  was 
der  lichname  sin  wal  scöne;  unter  daz  lachan  giröhte  er  sine 
gotheit  dekchen.  vgl  Milst.  Gen.  109,  ]4ff.  Scherer,  QF  1,  53. 
vgl.  Summa   theol,   MSD^   xxxiv    13,   3  ff:    er   was    von    suadin 

reini dö  ächti  (l.  do  enächli?)  der  viant  di  meinnischeit 

da  dir  niiddi  was  virborgin  du  gotheit.  daz  chordir  vrumit  er 
irhangin,  mit  dem  angili  wart  er  givaugin.  dazu  anm.  s.  407. 
vgl.  Melker  Marienlied,  MSD^  xxxix  5:  Ein  angelsuuor  geflohtin 
ist,  dannen  du  geborn  bist:  daz  was  diu  din  chünnescaft.  der 
angel  was  diu  gotes  chraft  da  der  t6t  wart  ane  irworgen:  der  von 
dir  wart  verborgen,  Sancta  Maria,  die  ähnlichkeit  umfasst  also 
Chr.  geb.  53  —  60  und  ist  gröfser  als  mit  der  entsprechenden  stelle 
des  Ezzoleichs.  vgl.  Wernhers  Vier  Scheiben  *5'S,  18  —  66,12.  der 
ausdruck  gotes  kraft  scheint  volkstümlich.  Mhd.  wb.  1,871"  führt 
nur  Parzivalstellen  an.  vgl.  Barlaam  233,  29  f:  der  himel  hat 
bedaht  mit  siner  kraft  der  geschepbede  meisterschaft.  Mhd.  wb. 
1,  295^  —  64  van  aldere,  dafür  hat  das  Mhd.  wb.  1,  26"  nur 
drei  stellen  aus  Parz.  —  65  ist  sehr  stark  ausgedrückt ,  weil 
aufser  genüch  hier  noch  manier  beim  gen.  steht,  dafür  weifs  ich 
kein  beispiel.  von  genuoc  mit  wunders  gibt  das  Mhd.  wb.  2', 
358"  f  zwei  fälle  an  aus  Iwein  und  Pass.  K.  vgl.  Johannes  des 
priesters  Adelbreht  bei  Mone,  Anz.  1839  s.  bOff:  der  vil  manigen 
wunder  100.  die  manige  genade  unde  wunder  122.  diu  manegen 
grozen  wunder  170.  —  69  vgl.  Vor.  Gen.,  Diemer  3,  5/:  vvi  er 
von  erest  began  daz  hymelriche  stiften.  Mhd.  wb.  2^  629": 
stiften  da  z'6ren  sines  nameu  eine  burch  ist  das  cilat  'Diemer 
291,  27'  in  201,  27  zu  ändern.  Lexer  2,  1192  hat  nur  ein  par 
späte  stellen  von  burc  stiften.  —  70  vgl.  Marienlieder  Zs.  10,  2,  30. 
Wilder  mann  3,  4.  Walther  78,  24:  der  anegenge  macheu  kan 
und  anegenge  nie  gewan.  Barlaam  1,  9.  14:  daz  angenge  und 
daz  ende  —  doch  gewunne  du  sie  nie.  —  11  f  vgl.  Wiener  Exod., 
Fundgr.  1,  86,  23  =  Milst.  Exod.  120,  13.  vgl.  Milst.  Gen.  1,4: 
dem  gotes  wundir  ist  niht  geiich.  Kaiserchr.  Diemer  74,  15. 
305,  21  =  Vor.  Marienlob,  MSD^  xl  9 /".  —  75  =  Kindh.  Jesu 
1022.  —  IS  ff  vgl.  Vorauer  sfmdenklage.  Diemer  298,  \'S  ff:  Frow 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK     371 

über  allez  daz  dir  ist,  dich  der  heilige  Crist  des  vvirdich  hat  be- 
daht,  daz  du  lop  hast  braht  über  alle  dise  erde.  —  84  vgl. 
Johannes  des  priesters  Adelbreht  hei  Mone,  Anz.  1839  s.  49  w.  61  r 
Do  Elisabeth  eil'ulte  ir  eil.  —  Sßf  ist  fast  =  Leben  Jesu,  Fundgr.  1, 
142,^1  ff  (Diemer  232,  b  ff):  Joseph  der  guete  diu  maget  danne 
fürte  In  di  burch  ze  Bethlehem  da  deu  geburde  solde  ergöo.  zu 
der  phrase  vgl.  Wiener  Gen.,  Ftindgr.  2,  53,  40:  daz  möse  so 
ergen  über  siner  (Josephs)  brfldere  willen.  —  89.  112  junc  ist 
als  episches  beiwort  hier  nachgesetzt  wie  im  volksepos,  besonders  in 
den  Nibelungen.  —  92  /"  =  Melker  Marienlied ,  MSD-  xxxix  7,  1  f 
=  Wahrheit ,  Diemer  85,  26  f.  vgl.  Scherer,  QF  7,  54  =  Leben 
Jesu,  Fundgr.  1,  141,  38  (Diemer  231,  'If).  es  ist  wol  ein  nach- 
klang davon,  wenn  es  Kindh.  Jesu  1027  ff  im  zusammenhange 
mit  der  erzählung  von  der  geburt  Christi  heifst:  Diz  was  6  lange 
bedäht,  daz  sin  lop  wurde  volbrälit,  ze  volieclichem  werde  von 
dem  himel  und  von  der  erde,  jedesfalls  zeigt  sich,  dass  Konrad 
von  Fufsesbrunnen  die  älteren  deutschen  darstellungen  noch  im 
ohr  hatte,  vgl.  auch  Wernhers  Maria  (Berliner  hs.) ,  Fundgr.  2, 
179,  16  ff:  da  wart  der  himel  genseiget,  als  uns  diu  scrift  zseiget, 
zu  der  erde: daz  ergie,  do  in  unser  fröe  umbevie  mit  mEßitwesen- 
dem  libe,  diu  nie  wart  ze  wibe:sie  ist  mit  der  erde  gemeinte, 
zu  der  sih  alsus  vereinte  der  himel  joh  des  himels  wirt.  —  94 
vgl.  Melker  Marienlied,  MSD^  xxxix  8,  \f  gotes  chint,  beide  male 
im  reime  auf  siai  und  nach  einer  unmittelbar  vorhergehenden ,  so- 
wie vor  einer  folgenden  Übereinstimmung :  Chr.  geb.  92  =  7,  1  f; 
97  vgl.  8,5.  —  96/".  101  ff  vgl.  die  engele  sungen  einen  vro- 
lichen  lof,  Marienlieder  Zs.  10,  37,  33.  —  97  /  vgl.  Melker  Marien- 
lied, MSD^  XXXIX  8,  5:  des  scol  er  iemmer  globet  sin.  —  9Sf  vgl. 
du  gelovet  bis  in  deme  oversteme  hove.  Marienlieder  Zs.  10,  1,  6. 
—  99=  Vor.  Gen.,  Diemer  3,  10:  (do  geschftf  er  dri  chore)  in 
der  oberisten  hohe.  —  103  mit  minuen  häufig  in  Milst.  Gen. 
und  Exod.  —  104.  55  vgl.  die  stelle  der  Summa  theol.,  die  zu 
58  —  61  citiert  ist.  Deutung  der  messgebräuche  Zs.  1,  271,  47/": 
er  ist  och  ein  vil  salic  man  daz  er  ie  an  dise  werk  bequam.  — 
107  vgl.  Vor.  Moses,  Diemer  60,  Wff  von  den  Jungfrauen:  gotes 
müter  ist  ein  mait,  diu  hat  di  andern  dare  geladet,  ein  nuwez 
sanch  si  singen,  vgl.  Deutung  der  messgebräuche  Zs.  1,  280,  395 /f; 
so  helfent  ime  denne  die  heiligen  engele  vile  gewislicben  singen 
und  daz  lob  vur   got  bringen.  —  \0S  f  ^  Leben  Jesu,   Fundgr. 

24* 


372  ALTDEUTSCHE  FUWDE  AUS  INNSBRUCK 

1,  143,  l^f  (Diemer  233,  7  f):  do  sanch  daz  her  himlisch  Gloria 
in  excelsisl  —  109  vgl.  Vor.  Gen.,  Diemer  3,  9  von  den  engein: 
daz  5i  in  siner  gagenwurt  heten  hymeliszez  lob.  —  HO  ff  vgl. 
Kaiserchr.  (Silvester)  Diemer  296,  3  ff:  di  engel  iz  den  hirlen 
chunteu,  in  der  chrippe  si  in  also  vündeo.  drie  cliunige  h6re 
ir  oplere  brähten  si  verre,  mirren  und  wiröch  (di  urchunlen 
iz  Öch)  golt  brähten  si  im  ze  6ren ,  daz  bezaichenet  daz  er  ist 
aller  cbuuige  hßrre.  vgl.  Leben  Jesu,  Fundgr.  1,  143,  21  f 
(Diemer  233,  2 /'j:  Daz  da  geborne  waere  der  weerlde  hailsere. 
wozu  man  nehme  Kindh.  Jesu  10A2  ff :  da  von  gunden  die  liute 
jeheu  ze  J6rusal6m  und  audersvvä  daz  sicherlichen  da  der  werlde 
heilsere  Christ  geboren  wsere.  und  Fundgr.  1,  144,  29  f  (Diemer 
234,  8):  (Si  begunden  vragen  die  wisen  die  da  waren,)  ob  daz 
chint  msere  da  gebörne  wsere.  Kindh.  Jesu  994  ff:  (nu  erschein) 
ein  engel  der  in  sagete  daz  Christ  geboren  waere.  der  wunnic- 
Uchen  msere  wart  gröz  fröude  under  in.  —  112  himilchunich 
Vom  recht,  Karajan  15,  10.  —  113/f  vgl.  Di  hirden  —  in  einer 
cribben,  bewunden  bit  duchen  si  vunden,  alse  en  was  gesät, 
dat  kint  in  windelen  in  di  cribbe  gelat.  Marienlieder  Zs.  10, 
39,  9  ff.  dat  howe  machede  ou  (nämlich  dem  esel  und  dem  ochsen) 
gelust  inde  macht  dar  up  unse  Jhesus  was  geiaht,  ebenda  41, 
37  ^  —  114/"  vgl.  Leben  Jesu,  Fundgr.  1,  143,  b  ff  (Diemer 
232,  21  ff):  do  wart  geboren  daz  chint,  Mit  den  tüchen  umb  hebet, 
in  di  chrippe  geleget:  Do  entwaich  der  esel  unde  daz  rint,  da 
mit  orten  si  daz  Iröue  chint.  zu  diesem  widerum  vgl.  die  aus- 
führung  in  der  Kindh.  Jesu  1104 /f,  die  es,  ebenso  wie  die  er- 
zdhlung  von  den  hl.  drei  königen ,  erklärt ,  weshalb  Konrad  v.9[  ff 
älterer  gedichte  gedetikt.  —  119  vgl.  Deutung  der  messgebräuche 
Zs.  1,279,360:  die  alten  e  er  uns  bringet.  —  122/f,  bes.  124  f  vgl. 
Leben  Jesu,  Fundgr.  1,  144,  11  ff  (Diemer  234,  1  ff):  Sich  hüben 
drie  chunige  her  zu  Jherusaleme  Jeuneu  ostert  verre,  di  wiste 
der  selbe  stßrne.  vgl.  Marienlieder  Zs.  10,  38,  33/";  Di  dri  kunige 
si  ileden  so  verre  alse  si  leide  de  nue  sterre.  —  129  vgl.  Leben 
Jesu,  Fundgr.  1,  146,  6  (Diemer  235,  14):  wan  er  ist  chunich 
aller  horste.  —  131  vgl.  Vor.  Sündenklage,  Diemer  303,  16: 
Wärer  got  der  getrüwe.  —  134  f  vgl.  Mihi.  Exod.  157,  5/";  der 
sol  niht  enbizzen  der  bizzeichinlichen  dinge,  das  Mhd.  wb.  3, 
865^  citiert:  dö  er  messe  wolle  singen  under  bezeichenlichen 
dingen,   Ulrichs  leben  bll .    ausgeführt  ist  das  Leben  Jesu ,  Fundgr. 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK  373 

1,  146,  4  ff  (Diemer  235,  13  ff  und  anm.  dazu).  —  137  =  Kindh. 
Jesu  1003.    Kaiserchr.  Diemer  62,  28. 

Wahrscheinlich  findet  darnach  —  wofern  nicht  noch  andere 
mittelglieder  anzusetzen  sind  —  würklicher  Zusammenhang  wenig- 
stens zwischen  Chr.  geb.,  dem  Melker  Marienlied  und  dem  alten 
Leben  Jesu  statt,  welcher  art  aber  dieser  Zusammenhang  gewesen 
ist,  das  erlaubt  das  jetzige  material  nicht  festzustellen. 

Wir  blicken  hier  in  eine  weitreichende  verknotung  der  deut- 
schen geistlichen  poesie  des  xi  und  xii  jhs.  noch  scheint  der  Ezzo- 
leich  den  mittelpunct  aller  dieser  beziehungen  zu  bilden,  tcelche 
sich  doch  wol  nur  aus  mündlicher  Überlieferung  erklären  lassen, 
nicht  aus  benutzung  auf  schriftlichem  wege.  nach  der  ansieht 
vieler  fachgenossen  gewähren  uns  neue  beobachtungen  über  engere 
Verhältnisse  zwischen  den  gedichten  dieser  gruppe  und  zeit  nur 
ausblicke  darauf,  wie  grofs  die  menge  dessen  ist,  was  für  uns 
verloren  bleibt,  ich  kann  nicht  umhin,  mich  zu  einer  fast  ent- 
gegengesetzten meiymng  zu  bekennen:  wenn  wir  bei  einem  funde, 
wie  der  des  Innsbrucker  fragmentes  von  Chr.  geb.  ist,  mit  einem 
schlage  so  viele  bezüge  und  Verbindungen  wahrnehmen,  dann  sehe 
ich  dies  als  ein  zeugnis  dafür  an,  dass  viel  weniger  litterarische 
denkmäler,  als  wir  gewöhnlich  glauben,  aus  dem  \i  und  xii  jh. 
durch  die  Ungunst  von  zeit  und  Schicksal  unserer  kenntnis  ent- 
rückt wurden,     und  das  ist  immerhin  tröstlich. 

III 

Zwei  an  einander  schliefsende  streifen  eines  der  quere  nach 
durchschnittenen  doppelblattes  aus  pergament,  welches  im  anfange  des 
14:  jhs.  beschrieben  worden  ist  und  ein  bruchstück  der  Kindheit  Jesu 
des  Konrad  von  Fufsesbrunnen  enthält,  ein  blatt  ist  etwas 
über  11  cm.  breit  und  wahrscheinlich  24 — 2ß  cm.  hoch,  dietinten- 
linien  jeder  spalte  sind  durch  verticale  striche  abgegränzt.  die 
anfangsbuchst aben  der  abgesetzten  verse  sind  rot  durchzogen  ,  grofse 
rote  initialen  bezeichnen  die  abschnitte,  hier  und  da  stehen  puncte 
nach  den  versen,  dann  aber  auch  wider  nicht,  und  nur  bisweilen 
scheint  es,  als  ob  dieser  unterschied  die  interpunction  ausdrücken 
sollte,  der  buchbinder  hat  die  beiden  streifen  ungleich  behandelt, 
indem  er  von  1  das  blatt  rechts,  von  2  links  beschnitt,  ein  par 
winzige  von  1  abgerissene  Stückchen  können  zur  ergänzung  etlicher 


374 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 


vei^se  dienen.  —  dem  anscheine  nach  sind  auf  den  spalten,  deren 
reste  vorliegen,  37  —  AO  zeilen  gestanden,  das  gestattet  nur  un- 
gefähr zu  erschliefsen ,  dass  zwischen  2^  und  1®  zwei  doppel- 
blätter  sich  befunden  haben,  bestand  die  hs.  aus  quaternionen ,  so 
würde  unser  Matt  das  zweite  einer  läge  gewesen  sein  und  8 — 9  doppel- 
blätter  würden  das  ganze  gedieht  enthalten  haben. 

Aus  dieser  beschreibung  erhellt,  dass  das  neue  bruchstück  zu 
keiner  der  bisher  bekannt  gewordenen  hss.  oder  fragmente  gehört 
hat.  ich  drucke  es  im  folgenden  ab,  wobei  die  abkürzungeu  un- 
aufgelöst bleiben. 


482(1^)  Sich  hat 
Engels 
Der  uns 

485Gefrumt  mit  seinem  liste  hat 
Ich  geloub  wol  daz  ewer  rat 
Dar  an  uil  vnschuldig  sey 
In  ain'  chamer  dz  stünt  da  pey 
D^  vloch  der  chlagend  man 

49oVntz  er  den  vrawen  enlran 
Da  anspart  er  sich  inne 
Vnd  trachte  in  seinem  sinne 
Was  er  ze  worte  mochte  han 
Er  wolt  sew  taugenleichen  lan. 

495(2^)  Nach  rat  er  hintz  ze  himel 
rieff 
Vntz  er  in  den  sorgen  entslieff 
Vor  got  wart  sein  gepet  v^nomen 
Gahes  was  do  ain  engel  chome 
Er  sprach    iosep  dauides  parn. 

521(1'')  den  ivden     m    r 

chomen  war 
trug    chint 
Do  warens  als  heut  sint 
525  Vntrew  vnd  neides  vol 

Si  spräche  vns'  meist^schaft  sol. 
An  disem  alten  mann  ervarn. 


Dem  da  durch  bewarn 

Disew  vraw  beuolhen  wart. 

Wie  er  sich  also  hab  bewart     530 

Man  sal  in  nöten  das  er  sage 

Die  warheit  pei  wem  sy  trage 

Wan  dez  dem  alten  nicht  zimt 

(2**)  Sein  zucht  ein  böz 

Ir  pischolff  hiez  ab  535 

Der  sant  nach  ir  r 

Vnd  hiez  in  bald  f 

Er  sprach  iosep  wir 

(T)  Der  vnv^zagete  s  559 

Ich  enfürcht  560 

Nicht  t  als 

Wan  w^  disew  rede  war 
So  soll  irs  richten  vber  mich 
Wie  du  ee  eu  gebut  so  wil  ich 
Dar  an  nicht  schulde  han  565 

Nu  solt  ir  mich  mit  ere  lan 
In  meinen  eren  genesen 
Heizzet  ewer  decret  lesen 
Swas  mir  ze  tünd  geschieht 
Das  ich  mich  dirre  vnzicht        570 
Vnschulde  mit  der  warheit 
(2")  ich  hie  bereit 

da  pei 

559  D 


521  reste  eines  grofsen  roten  buchstaben  sind  vorhanden 
^rofs  und  rot 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 


375 


domini 
575         daz  so  heilig  was 
gen  den  mä  drob  las 

596(1'')   Dez   Ireit   sein    zeswe   daz 
swert 
Das  merchen  wir  an  sant  susaü 
Dew  von  zwein  alte  manne 
Vrei  gen 

eooVnd  für  gericht  gezogen 

Wir  wissen  wol  wie  ez  ir  ergie 
Sv  Cham  hin  vnd  man  vie 
Die  vngetrewen  alten 
Wan  sew  selber  valleu 

605  Mit  valschem  urchiind 
do  sew  die  gelogen  sund 
Auf  sy  erzuget  wollen  han. 
Also  mag  es  mir  ergan 
(2*^)  Tut  mir  ieman  durch  hazz. 

610  Den  weis  got  das  er  sich  pazz 
Bedench  vnd  es  nicht  tä 
Doch  wil   ich  weiz    got   hie  zu 
Sorgen  doch  ze  mazzeu. 

1232(1®)  Als  man  in  dez  zu  gewück 
Vnd  er  sie  nomen 

Daz   in  sein  laut  wäre  chomen 

1235  Geste  also  reiche 

Nu  bat  er  sew  heimleiche 
Zu  im  chomen  durch  mare 
Was  ir  geuerte  wäre 
Daz  pat  im  der  h^re  sagen. 

1240 Dez  wellen  wir  ew  nicht  v^dagen 
Sprachen  die  reichen  beiden 
Wir  solen  euchs  bescheiden 
Es  ist  geporn  ain  bailant 
(2®)  Dez  Stern  scheint  in  vnser 
laut 


Dem  hab  wir   h^  geuolgt  syderl245 
Vnd  chomen  nimm^  mer  wider 
Wir  miissen  vinden  wa  er  sey. 
Nu  pat  der  chünig  die  hVen  drey 

(V)  Hie  begunden  sich  1270 

Haupt  herlze  vnd 

Dem  chind  opferte 

Drev  gab  golt  da  mi 

Dz  er  über  allew  r 

Vnd  wirauch  ze  er  1275 

Die  mirre.     daz  sein 

Dez  todes   nicht  üb 

Der  engstleichen  1280 

Sew  betten  sich  se 

Do  dew  opher  wrd 

E  sew  von  dann  ch 

Die  vrawen  si  dan 

(2^)  Mit  solher  gab  als  ich  es  las  1285 

Dew  reich  vnd   chiinigleicb  wz. 

Nu  wolten  sy  heim  zu  ir  landen 

Den  weg  den  sy  bechanden 


(IS) 


cht  er  vinden      1309 
vnder   den   chiuden  I3i0 
er  da  was  geporn 
er  valanl  seine  zorn 
s  vuschuldig  plät 
daz  was  wolbeböl 
ort  erhaben  wart     1315 
sepe  ein  vart 
vnd  auch  slieff 
m  also  zu  rieff 
rawen  vnd  ir  suu 
in  Egyptun  1320 

t  zornig  worden 
(2?)  er    heizt  dew   chind  ellew 
morde 


599  der  vers  ist  fast  ganz  abgerieben  1 233  das  übrige  ist  abgeriel 


376     ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

Vnd  varet  es  mit  dem  slage  Vnd  erchomen  sere  da  von 

Nu  wis  dort  vntz  ich  dir  sage.  Das  chint  gepot  den  trachen 

1325  Als  ioseph  die  red  v^nam  Das  sew  mit  deheine  Sachen 

Die  frawn  er  zu  im  nam  Vieh  noch  leute  serten.  1355 

Die  Irachen  von  dann  chHen 

1346(1^)  Seu   sahen    da   ain   kreftig  Vnd  fören  wider  an  ir  gemach 

luok  Das  sew  niemä  mer  sach 

Vinster  vnd  grüleich  (2^)  Do  sprach  das  chindelein 

Dar  aus  trachen  vreisleich  Nicht  zweifelt  an  d^  iuget  mein  1360 

Spiln  gegen  dem  chinde  Dz  ich    so  iunch  ze  sehen  pin 

1350 Joseph  vnd  sein  gesinde  Gedenchet  an  meine  gantze  sin 

Waren  der  tagalt  vngewon  Vnd  fürchtet  euch  nicht 

1359  D  grofs  und  rot 


Da  während  der  letzten  zeit  die  Überlieferung  der  Kindheit 
Jesu  von  Sprenger  Germania  30,  153 /f  tind  von  Kocheniörffer 
Zs.  30,  280 /f  kritisch  erörtert  uwrden  ist,  so  scheint  es  nicht  un- 
angemessen, hier  einige  bemerkungen  beizufügen,  durch  welche 
festgestellt  werden  soll,  in  wie  fern  das  neue  bruchstück  H  ztir 
klärung  der  Sachlage  beiträgt. 

Kochendörffer  hat  die  hs.  B  seinem  texte  (QF  43)  zii  gründe 
gelegt  und  die  lesarten  derselben  meistens  auch  dann  vorgezogen, 
wenn  A  und  C,  beziehungsweise  die  bruchstücke  D  und  E,  über- 
einstimmend dagegen  waren ;  F  hält  sich  ja  zu  B,  G  steht  in  der 
mitte,  die  richtigkeit  dieser  auffassung  ist  durch  Sprenger  be- 
stritten worden,  der  die  lesarten  von  AC,  auch  von  C  alkin,  zur 
geltung  zu  bringen  sucht. 

Darüber,  dass  H  mit  B  nächst  verwandt  ist,  kann  schon  eine 
oberflächliche  prüfung  keinen  zweifei  bestehen  lassen,  ich  mache 
daher  auch  die  stelle7i  nicht  besonders  namhaft,  welche  dies  be- 
weisen, müste  ich  doch  fast  vers  um  vers  anführen,  aber  H  ist 
trotzdem  nicht  aus  B  abgeschrieben ,  das  bezeugen  entscheidend  die 
verse:  485.487.  499.  500.  531.  532.  568.  (576?)  602.  607.  (610?) 
1282.  1287/".  1326.  1352.  1356.  gewis  finden  sich  auch  in  H 
corruptelen,  aber  sie  sind  teils  aus  misverständnissen  zu  erklären, 
teils  wurden  veraltete  Wörter  geändert,  und  zwar  in  einer  so  ein- 
fachen, ich  möchte  sagen,  naiven  weise,  dass  gerade  dadurch  die 
sonstige  Überlieferung   in   H,   besonders   die  einstimmung   mit  B, 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK  377 

mehr  gewicht  bekommt,  ich  rechne  hierher  die  fälle:  488. '565/". 
609.611.613.  1247.  pronotnina  sind  verdetitlichend  hinzugefügt 
worden:  564.  601.  1233.  (1242?  1281?)  1287.  dieser  gute  ein- 
druck  von  H  wird  auch  durch  die  Schreibung  überhaupt  bestätigt, 
welche  neben  den  durchgesetzten  neuen  bairisch  -  österreichischen 
lauten  eine  anzahl  alter  bezeichnungen  unberührt  erhalten  hat. 

Ich  gehe  mm  die  lesarteu  von  H  einzeln  durch ,  mit  rücksicht 
auf  die  sonst  vorhandene  Überlieferung  und  auf  die  vorschlage 
der  kritiker. 

485  ist  mit  seinem  liste  H  besser  als  der  plural  mit  sinen 
listen  BC.  —  487  geht  H  mit  dem  vil  von  C  gegen  genuoc  B.  — 
488  das  gadem  BC  ist  in  H  zu  cliamer  geändert  worden,  aber 
so  achtlos,  dass  daz  stehen  blieb,  obgleich  es  zu  chamer  nicht 
passt.  gerade  dadurch  wird  freilich  die  echtheit  dieses  daz  bekundet, 
iDclches  Kochendörffer  mit  recht  gegen  Sprenger  hält.  —  489  be- 
stätigt H  das  von  Kochendörffer  vermutete  dar.  —  494  wolt  H 
(wolde  B)  bestätigt  die  von  Kochendörffer  gewählte  form.  —  498  vil 
fehlt  gegen  BC,  aber  in  BC  fehlt  das  do  von  H.  der  vers  ist  in 
BC  glatter,  zu  entscheiden  wage  ich  nicht,  ähnliche  fälle  stehen 
528.  572.  —  524  si  fehlt  U  gegen  B,  aber  erklärlich,  da  es  auf 
als  folgt  und  in  dem  schliefsenden  s  dieses  wortes  stecken  bleiben 
konnte.  —  525  iinlrew  H  steht  gegen  den  plural  untriuwen  B.  — 
526  sprachen  teilt  H  mit  CD  gegen  sprach  B,  doch  ist  diese  dif- 
ferenz  unbedeutend,  weil  in  B  blofs  die  abbreviatur  ausgefallen 
zu  sein  braucht.  —  527  alten  H  mit  C  gegen  altem  BD.  — 
530  sich  H  mit  B,  was  Kochendörffer  gegen  si  CD  verwirft,  aber 
sich  kßnn  verteidigt  werden,  da  Joseph  durch  seine  schlechte  auf- 
sieht über  Maria  eben  sich  selbst  compromittiert.  mit  528  wäre 
das  vereinbar.  —  531  nöten  sagen  in  B  ist  falsch,  vvaz  er  in  C 
kann  als  die  stütze  von  daz  er  H  gegen  die  durch  Kochendörffer 
aufgenommene  lesart  man  sol  in  noeten  er  sage  D  angesehen 
werden,  ich  glaube  nicht,  dass  aus  D  sich  die  drei  anderen  les- 
arten  erklären.  —  532  rehten  vor  warheit  fehlt  HD  gegen  BC 
und  ist  auch  von  Kochendörffer  mit  fug  nicht  in  den  text  gesetzt 
worden.  —  535  ir  H  gegen  der  BCD.  —  561  nicht  t(iurer)  H 
entscheidet  mit  B  gegen  CD.  —  562  jetzt  führen  also  BH ,  ebenso 
die  änderung  in  CD,  auf  wan  des  archetypus  zurück,  welches 
daher  in  den  text  aufgenommen  werden  muss.  damit  ist  teil- 
weise Sprengers  änderung  gesichert,  die  sich  auf  den  vergleich  mit 


378  ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

Gottfrieds    Tristan   112  ff  stützt,      desgleichen    ist   Kochendörffers 
emendation    ilit  aus   ist  aufzugeben.   —   564  wird   ebenfalls  um- 
zugestalten sein,    soll  563  ist  schon  von  CD  als  praeteritum  auf- 
gefasst  worden ,  demgemäfs  kann  dann  564  ebenfalls  der  conjnnctiv 
praet.  stehen,   welchen  H  mit  CD  gegen  B   teilt,      hinwider  weist 
H  darauf,   dass   die   lesart   von  B   so  vvil    ab  ich   (mit  Sprenger) 
in    den    text    aufgenommen   werde,      die    interpunction    kann   die 
Kochendörffers  bleiben.  —  566  das  falsche  ere  in  H  ist  wol  aus 
eu   verlesen.   —    576  enthält   auch  H   das    segeo    von   CD  gegen 
salai  B;  ich  bin  würklich  zweifelhaft,  welches  von  beiden  das  wahr- 
scheinlichere  ist.   —    597  das   sant  vor  Susanneu   in  H  ist  ganz 
wider  Konrads  gebrauch.    —    602  wol   fehlt  H  und  ist  vielleicht 
trotz  B  zu  tilgen,   da  es  eben   im  verse  vorher   auch  schon  vor- 
kommt. —  604  sich  fehlt  H  wie  B,   also   ein  alter  gemeinschaft- 
licher fehler.  —  607  wollen  H  ist  unbedingt  dem  sollen  BC  vor- 
zuziehen.   —   610  es   ist  schwer  zu  entscheiden,    ob  wise  H  oder 
bekere  B   besser   ist.     aus  wise  könnte  ich   mir  die  lesart  von  C 
gebüle    leichter   erklären.   —   612  die   falsche  lesart  von  H  kann 
doch   für   die   interpunction   nutzbar   gemacht   werden,     ich  setze 
611  nach  luo  punct,   613  nach  niazen  komma,    614  5iac/t  erlazen 
punct.     diese  auffassung  scheint  auch   von  dem  zusatz  in  C  vor- 
ausgesetzt zu  werden.  —   1242  vielleicht  ist  doch  mit  H  (C)  suln 
iuchs   zu  schreiben.  —   1270  H  gibt  ein  starkes  zeugnis  für  die 
lesart  hie  in  B.     man  könnte  zur  not  auf  das  sich  von  H  ver- 
zichten,  wenn   man   nach  1269  blofs  komma   setzte,   aber  besser 
wäre  es   beizubehalten.   —    1281   se   nach   sich    in  H  deutet  auf 
sein  =  sin.  —   1282  wurden  CH  kann  nicht  gegen  waren  B  ent- 
scheiden,    ebenso  wenig  1287  wollen  CH  gegen  hugten  B.    d.  w. 
den  si  CH  12S8  ist  nur  die  consequenz  von  wollen.  —  \2S1  wird 
das  von  Kochendörffer  mit  recht  gegen  Sprenger  verteidigte  heim 
ze  landen  auch  durch  H  gestützt.  —   1314  ß  jenez  eine  was  vil 
wol  behuol,  H  (jenez   eine)  daz  was  wol  behuoi;  zwischen  diesen 
lesarten    kann   man   schwanken.    —    1323  es  H  stützt  zum  min- 
desten  des   in  B  gegen   dises   C,   welches  Sprenger   aufnimmt.  — 
1326  dass  Kochendörffer  im  aus  A  dem  sih  in  B  vorgezogen  hat, 
rechtfertigt  sich  durch  im  H.    ganz  ebenso  steht  es  1352.  1356.  — 
1349  wird   spilen  B  gegen  spülen  AC  (und  Sprenger)   durch  H 
schön  bestätigt.  —  1360jugende  teilt  H  mit  AB.    ich  glaube  doch, 
dass  dies  gegen  Sprenger,  dem  Strauch  Anz.  viii  220  zustimmt,  ge- 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 


379 


halten  werden  muss.  —  1361  soll  jiinc  mit  BH  in  den  text 
gesetzt  icerden?  vielleicht  ist  es  nur  ein  gemeinschaftlicher  fehler 
wie  604. 

Daraus  ergibt  sich  mir,  dass  durch  das  zeugnis  von  H  Kochen- 
dörffers  auffassung  des  handschriftenverhdltnisses  gegen  die  ein- 
würfe von  Sprenger  sicher  gestellt  wird. 


IV 

Zwei  pergamentstreifen ,  je  18,5  cm.  breit,  zweispaltig  be- 
schrieben, ende  des  xiii  oder  anfang  des  xiv  jhs.,  aus  des  Strickers 
Karl  dem  grofsen.  die  zeilen  stehen  auf  tintenlinien ,  die 
spalten,  welche  durchschnittlich  'ilverse  enthielten,  sind  durch  ver- 
ticale  striche  eingerahmt,  beide  streifen  gehören  den  unteren  hälft en 
Je  eines  blattes  an;  der  erste  enthält  nur  die  letzte  zeile  der  vier 
spalten  nebst  dem  unteren  rand  von  4  cm.,  der  andere  jedesmal 
7  Zeilen. 

V  Dar  quam  d^  kvog  von  Iruse  3131  l**  Daz  laot  ist  mit 
nebele  bedacht  3165  T  Vü  sprach  vil  dicke  vvis  gemant  3197 

l"*  Als  irosl'  en  do  3229 


6759  (2")  Wil  ich  gar  zv  brechen 

6760  Vn  wil  mich  also  rechen 
Daz  die  cristeheit  zurgat 
Vn  d^  geloube  den  sie  hat 
Od'  ich  w'de  so  wid^  slage 
Daz  ez   alle  beide'   muze  clage. 

6765  Wie  arm  ich  si  ich  han  iedoch 


(2=)  chte 

Zu  dem  köre  sie  gachte 
D^  de  mH^eren  gelobt  ist 
Sie  wäre  ane  valse  list 
Alse  die  reine  kindelin 
Den  d^ch  vnsirn  trechlin 
ffodes  de  toi  hat  getan. 


6825 


6791  (2")  Vü  sin  brud' 

Nv  was  d^  bischof  turpin 
Gerite  uf  eine  warte 
Do  sach'  gaben  harte 

6795  Mangen  belt  wol  gar 
Vü  mange  schilt  golt  var 
Vü  mange  beim  schine 


(2^)  Hier  machen  sulcbe  m'e     6855 

D^  got  vnsir  schephe^ 

Vö  schulden  ere  mvz  han 

Swem  ez  kuut  wirt  getan. 

Vnsir  w^c  vü  vnsir  arbeit 

Da  von  wirt  die  cristeheit  6860 

Gebezze't  vii   geeret 


6791  abgeschnitten  6792  vor  dem  grofsen  roten  N  ist  ein  kleines 

für  den  miniator  schwarz  angemerkt  6823  oben  abgeschnitten 

6826  nach  valse  ist  n  radiert 


380     ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

Die  hs.  hat  geiois  zu  den  besten  des  loerkes  gehört  nnd  stimmt 
im  allgemeinen  mit  dem  texte  von  Bartsch,  beachtenswert  scheint 
folgendes:  auf  l^  fehlten  die  nur  in  FH  vorhandenen  verse 
3135.  36,  wie  sich  aus  der  berechnung  des  spaltenumfangs  ergibt. 
6791  macht  das  fragment  ühereinstimmend  mit  der  Wiener  hs.  B 
einen  absatz ,  der  in  den  übrigen  hss.  —  weniger  passend  —  mit 
6789  beginnt.  6825  liest  unser  fragment  übereinstimmend  mit 
H,  der  Münchner  papierhs.,  gelobil  gegen  geheizea  der  übrigen. 
6858  hat  imser  fragment  die  gute  lesart  Sweme  mit  GH  gegen 
Swenoe  der  übrigen,  zudem  steht  nach  der  zeile  auch  der  punct 
(welcher  in  dieser  hs.  sparsam  venwendet  wird  und  darum  von  ge- 
wicht ist),  während  in  den  übrigen  hss.  und  in  dem  texte  von 
Bartsch  der  satz  schon  6857  schliefst. 


Zwei  schief  zerschnittene  querstreifen  eines  pergamentdoppel- 
blattes,  26 cm.  breit,  6 — 8  cm.  hoch,  an  einander  anschliefsend.  sie  siiid 
zweispaltig  im  xi\jh.  klein,  aber  sehr  sorgfältig  mit  abgesetzten  versen 
beschrieben,  jeder  zweite  vers  ist  eingerückt  und  beginnt  mit  einer 
minuskel,  jeder  erste  vers  mit  einem  rot  durchzogenen  capitalbuch- 
staben.  die  abschnitte  werden  durch  schöne  rote  initialen  ausge- 
zeichnet, die  Symmetrie  in  der  Stellung  der  versanfänge  trachtete  der 
Schreiber  auch  bei  den  Schlüssen  festzuhalten,  zu  diesem  zwecke  rückte 
er  die  worte  der  längeren  verse  eng  an  einander,  zwischen  den  worten 
der  zu  kurzen  verse  jedoch  liefs  er  Zwischenräume,  die  er  durch 
horizontale  Verlängerung  der  anfangs-  oder  endbnchstaben  ausfüllte. 
Die  bruchstücke  gehören  der  sogenannten  jüngeren  be- 
arbeitung  der  Kaiserchronik  an,  über  welche  man  besonders 
vergleiche  Mafsmann,  Kaiserchronik  3,  227  ff.  darnach  lässt  sich 
bemessen,  dass  auf  der  spalte  der  hs.,  aus  welcher  die  Innsbrucker 
fragmente  stammen,  51  zeilen  geschrieben  waren,  nnd  dass  zwi- 
schen den  beiden  blättern,  das  ist  zwischen  2"*  und  1®,  drei  doppel- 
blätter  zu  8  spalten  gelegen  haben  werden,  die  bruchstücke  sind 
durch  den  leim,  mit  welchem  sie  aufgeklebt  waren,  durch  brück 
und  abnützung  arg  zugerichtet,  ich  gebe  beim  folgenden  abdruck 
nur  wider,  was  ich  lesen  kann. 
8265  (1')  chainer  inne  wart        Sine  boten  er  sande 

waz  wser  der  boten  vart  ze  livschem  lande  8270 

8267.  8  fehlen  hier  wie  in  den  anderen  hss.  der  jüngeren  hearbeitung 


ALTDEUTSCHE  FÜISDE  AUS  INNSBRUCK 


381 


Da  was  div  chvnigin  Elena 

di  boten  fvnden  si  da 
lEr  enbot  der  vrowen  h^ 

chintlich^  triuwen  1er 
8275  Si  het  als  groz 

so  in  der  werlt  imen  mere 
(2*)  EUiv  Roraischiv  lant 

stünden  gar  in  ir  hant 
Swaz  ir  wsere  genseme 
8280  vvol  in 

Vil  liebiv  mül^  min 

nv  la  dir  nicht  lait  sin 
Daz  ich  dir  chlagen  wil 

miner  nute  was  so  vil 
8285  Daz  dir  niem  gesagen  mac 

vnz  mir  chom  der  tac 
Daz  mein  got  gervchte 

mit  boten  er  mich  svchte 
Do  ich  ervollet  ir  gebot 
8290      do  wart    ich  gesunt  von  got 

8315  (l*')  trechtein 

svi  dv  wil  so  wil  ich  dann  sin 
Als  Elena  di  brief  gelas 
ir  hertz  vil  trowric  was 
,       Brief  si  schriben  hiez 
8320      ir  botschaft  si  nicht  liez 
Rom  si  wolle  stören 

daz  lie  si  sei  alle  boren 
Vnt  elliv  Romischiv  riebe 
er  mvse  selb  schantliche 
8325  Leben  immer  mere 

chais^  here 
Constantino  nicht  dochte 

(2^)  ze  hsellen  nich  enmochte 
Er  enbot  ez  sinem  maist^  da 


dem  gvten  sant  Silvest^  sa 
Als  der  heilige  man 

di  botschaft  vernan 
Er  antwrt  im  sus 

te  deiim  Laudam' 
Lob  dir  herre  trechtiu 

der  grozen  genaden  din 
Wan  dv  den  dinen  gehieze 

swer  sich  an  dich  vHieze 
Daz  der  gwisseliche 

bowte  in  himelriche 
Der  pabest  sprach  zu  de  böte  do 

(r)   H  8359 

mit  recht  an  dich  minne        836ti 
Daz  laz  si  danne  schin 

daz  enbivt  der  mvt^  din 
Der  rat  dovcht  den  chvnic  gvt 

sin  trowriger  mvt 
Im  so  entslifeu  began  83(iö 

er  hiez  gewinne  sine  man 
Er  enbot  der  chvniginne 

dienst  vnt  minne 
Daz  svn  der  mvt^  enbielen  solt 

ob  si  ir  zorn  lazen  wolt         837(i 
Ob  si  r  ainen  sent  wolt  han 

liezen  ze  samen  gan 
(2")  Der  haiden  wise  schribere 

vü  sw^  d^   6  vnd^   den  Juden 
beere 
Vernem  di  red  manik  valt  8375 

swem  dan  d^  sig  w\l  gezalt 
Der  solt  sin  geniezen 

vnt  di  anderen  swigen  hiezen 
Div  botschaft  chom  d^  chvnigin 

dan 


8275  das  ende  der  zeile  durckgerieben  8279  davon  sind  nur  die 

spitzen  zu  erkennen  8280  grofsenteils  durchgerieben  8326  durch- 

gerieben 8359  das  übrige  abgeschnitten 


382 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 


8380      ir  wisiste  man 
Hiez  si  ir  gewinnen 

mit  michelen  vnminnen 
Beriet  si  sich  san 

si  spchen  si  solt  den  sent  han 
8385  Der  cliristenhait  ze  vare 
si    solchen  ze  wäre 

8405  (l"")   D 
brief 
Den  Jvden  vnt  den 

si  enbot  in  vil  beschaiden 
Di  des  wistvmes  pblagen 
8410      der  chunst  nicht  betragen 
Sw'  daz  swert  vvol  lait 

si  chomen  gein  der  christehait 
Mocht  si  ez  gezechen 
si  wolt  ir  laster  rechen 
S415  Des  meeres  vrewten  si  sich 
Ue    ge        lieh 
Der  pabest  was  spat  vnt  vrv 
8420      (2*^)  dehain  mvde  irret  in  da  zv 
Siner  rve  Ivtzel  was 

vnz  daz  div  Christen     gen 
Sine  boten  er  do  sande 
von  Lande  ze  Lande 
8425  Allen  gelerten  livten 

daz  gotes  wort  tivten 
Di  alten  vnt  di  ivnge 

chomen  an  di  samenvnge 
Ze  helfe  der  chrisleuhait 
8430      michel  was  ir  arbait 

DEr  chaiser  gebot  gemainlich 

vber  elliv  div  rieh 
Sw^  daz  swert  wol  lait 


(P)  Od  wil  dv  in  stören  9547 

daz  laz  vns  alle  hören 
Do  sprach  Silvesl^  san 

er  mvz  gwisselich  stan  9550 

Elicher  heirat 

als  in  got  geboten  hat 
Daz  baidiv  man 

sin  als  ain  lip 
Ane  svnde  chinden  wol  9555 

(2®)  got  vurchle  vnt  minne  wol 
So  ist  der  heirat  staetic 

vnt  heilic 
Der  sprach  do 

herre  wi  chom  daz  so  9560 

Sit  elich  heirat  ist  recht  gnvc 

daz  in  ain  maget  in  di  werlt 

trvc  [wolt  han 

Daz    er    nicht    val^    noch    mvt^ 

daz  soltv  mich  wizzeu  lan 
Der  pabest  spch  ze  hant  9565 

di  red  tvn  ich  dir  bechant 
Di  wissagen  hant  alle  gesagt 

vns  vrowe  h 

(10  Vnz  vns  9593 

der  vns  her  wid^  erlost 
An  dem  bvch  ich  daz  gezaigen  9595 
chan 
der  Jude  schiel  an  vrloup  dan 
Ain  Jude  hiez  tara 
der  gienc  dar  vur  sa 

en  choiii 
von  den  ist  vnv^nvmen  9600 

Daz  si  ie  gewvnnen  wissagen 
(2*)    ir    weit    nach    vnserem 
rechte  iagen 


8405 — 7  das  übi'ige  abgeschnitten         Silb  ff  vier  verse  sind  hier  in 

zwei  zusammengezogen  8416.  21  dui'chgerieben  9553  durchgerieben 

\)bbHf  durchgerieben       9593  abgeschnitten       9b99.960idu7'c/igerieben 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 


383 


Div  e  wart  vns  gegeben 

svllen  wir      den  haiden  leben 
9605  Di  e  nie  gewvnnen 

ist  vns  der  bvch  zervnnen 
Vnser  e  wolt  ir  vns  brechen 

daz  sollen  wir  an  iv  rechen 
An  den  heren  samztagen 
9610      weit  ich  dehaine  rve    tragen 
Noch  in  dehaime  rechte  lehn 
wir   sollen    ev   chain    antwrt 
gebn 

9637  (1?)  ten 

ir  svlt  vns  nicht  antwrten 

Got  sit  ir  entrvnnen 
9640      gotes  hvide  han  wir  gewvnnen 

Grot  hat  vns  gehallt 


9645  (2s)    An    dem    svnnentage  wart 
er  geboren 
da  von    daz  liail    ist  vns    er- 
choren 
An    dem    svnnentage    stvut    er 
von  de  grabe 
dv  waist  wol  daz  ich 
An  dem  svnnentage 

daz  ist  ain  wariv  sage 
Sant  er  vns  den   heiligen  gaist 
9650      den  vben  wir  billich  aller  maist 
Den  svunentac  svl  wir  eren 


dvrch  vnseren  schepher  heren 
Ich  sag  dir  w?erlich  tara 

der   svnnentac    ist  div   recht 
octaua 
Der  9655 

(1^)  in  der  chrippe  vant  man  9680 
den  fvnt 
Dri  chvnige  von  verren 

brachten  ir  oph^  dem  herren 
Golt  mirre  vnt  wirowch 

di  vrchvnten  ez  ovch 
Svver  im  dienen  wil 


9690 


Arm  vnt  riebe 

enphahet  er  algeliche 
(2^)  Do  fvr  der  chvnic  edel 

ze  iervsalem  vf  ainem  esel 
Di  jvden  gein  im 

mit  sang  si  in  enphiengen 
Div  wenigen  chindelin 

erfvlden  och  daz  lop  sin 
Si  svngen  im  gwis 

gloria  in  excelsis 
Von  aller  ordenvnge 

alt  vnt  ivnge 
Die  megde  lobten  sine  macht 
wen  erten  in  tag  vnd  nacht 

man        9705 


9695 


9700 


9641  darnach  sind  drei  Zeilen  ganz  abgerieben  und  erloschen 
9648  durchgerieben  9690  durchgerieben  und  erloschen  9695  durch- 

gerieben 9704.  5  abgeschnitlen 


VI 

Zw^i  vollst äudige  doppelbldtter  einer  pergamenths.  in  klein 
folio,  30  cm.  hoch,  etwas  über  21  cm.  breit,  im  anfange  des  \ivjhs. 
zweispaltig  beschrieben,    39  zeilen   anf  der  spalte,     die  schr'ft  ist 


384  ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

sehr  schön  und  sorgfältig ,  die  beiden  spalten  sind  durch  verticale, 
die  Zeilen  durch  horizontale  tintenlinien  geregelt,  wechselnd  rote 
und  blaue  initialen  bezeichnen  die  abschnitte. 

Die  hs.  enthielt  einen  text  der  Weltchronik  des  Rudolf 
von  Ems,  welcher,  so  weit  ich  zu  sehen  vermag,  ohne  Zusätze  oder 
weglassungen,  überhaupt  ohne  den  einßuss  eines  bearbeiters  geblieben 
war.  die  fragmente  gehören  nämlich  gerade  der  partie  im  Buche 
der  richter  an,  welche  die  darstellung  heidnischer  profangeschichte 
an  die  der  biblischen  er  Zählung  knüpft  und  von  Vilmar  in  seiner 
noch  immer  mafsgebenden  schrift  Die  zwei  recensionen  und  die 
handschriftenfamilien  der  Weltchronik  Rudolfs  von  Ems  s.  13.  39  ff 
als  charact  er  istisch  für  die  echte  gestalt  des  Rudolfischen  Werkes 
bezeichnet  worden  ist. 

Dies  wird  durch  die  loahrnehmung  bestätigt,  dass  sich  die 
Innsbrucker  blätter  als  teile  einer  hs.  erweisen ,  von  welcher  bruch- 
stücke  durch  IVZingerle  im  kloster  Stams  (Oberinntal)  sowie  auf 
der  k.  k.  Universitätsbibliothek  zu  Innsbruck  gefunden  und  in  den 
Sitzungsberichten  der  Wiener  academie,  philos.-histor.  classe,  bd.  55 
s.  615/".  640 /f  veröffentlicht  worden  sind,  dort  aber  ist  die  ein- 
leitung  des  echten  Werkes  von  Rudolf  erhalten,  die  mit  dem  verse 
Rihter  got  herre  über  alle  kralt  und  dem  akrostichon  beginnt,  aus 
Stams  rührt  auch  ein  doppelblatt  derselben  hs.  her,  welches  Oswald 
Zingerle  Zs.  23,  394  ff  abgedruckt  hat. 

Ein  teil  des  in  den  neuen  blättern  überlieferten'  ist  schon 
aus  anderen  hss.  gedruckt,  und  zwar  1*-"^  bei  Schütze,  Die  histori- 
schen bücher  des  alten  testamentes  1,  61  —  65  und  Germania  30, 
184yf  aus  bruchstücken  Birlingers.  zu  einer  anderen  Überlieferung, 
also  wol  auch  nicht  zu  Rudolfs  Weltchronik ,  gehören  die  Wiener 
bruchstücke,  toelche  denselben  abschnitt  des  Buches  der  richter  be- 
handeln und  von  Zupitza  Zs.  18,  110 /f  veröffentlicht  wurden. 
2**~^  ist  aus  Stuttgarter  bruchstücken  bekannt  gemacht  von  H Fischer, 
Germania  30,  176  ff,  vgl.  noch  die  mitteilungen  RMWerners, 
Zs.  20,  421.  437/'.  das  übrige  ist  ungedruckt,  doch  nicht  um 
dessentwillen  allein  lohnt  es  sich ,  die_  Innsbrucker  fragmente  zu 
veröffentlichen,  sondern  auch  weil  sie  einen  jo  reinen,  guten  text 
geben,  wie  er  in  der  weitverzweigten  Überlieferung  des  Werkes 
selten  ist.  so  mag  diese  publication  insbesondere  demjenigen  lang- 
ersehnten forscher  dienen,  der  es  auf  sich  nimmt,  von  einem  der 
tvichtigsten    hilfsmittel   altdeutscher   bildung   endlich  eine   kritische 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 


385 


und  voltständige  ausgäbe  zu  veranstalten,  der  abdruck  ist ,  denke 
ich,  genau;  nur  das  häkchen,  welches  an  d  und  w  gelehnt  flaz, 
was,  vvaz  darstellt,  habe  ich  aufgelöst  und  nicht,  wie  Zingerle  tat, 
durch  c  widergegeben. 


(V)  da  von  er  sinin  zorn  lie 
vn  wart  erbermic  vb^  sie 
Nv  saminde  sich  mit  rich^  wer 
bereit  daz  israhelsche  her 
5  In  Masphat  bi  den  ziten 
gein  den  Amonitin 
Die  haiin   in   den   selben  tagin 
ir  gezelt  vf  geslagin 
gein  israhel  in  masphat 

10  als  vns  div  schritt  bewisit  hat 
nv  lagin  wMiche  gein  in 
Mit  w'  vf  ir  vngewin 
vil  wol  bereit  vf  einin  strit 
nv  was  in  d^  selben  zit 

15  Jepte  ein  wiser  wigant 
ein  degin  was  also  genant 
Bi  dem  israhelschin  her 
d^  was  an  manheit  vFi  an  w\ 
vri  an  sterke  vollekomin 

20  vü  an  den  allen  uz  genomin 
Div  von  im  hie  gesprochin  sint 
D^  selbe  was  ein  kebskint 
von  kebislich^  missetat 
D^  hate  ein  wip  von  galaad 

25  bi  d^  hat  er  sivne  vil 

Die  stiezin  in  zem  seibin  zil 
mit  craft  von  sinim  göte  do 
vü  spchin  zira  also 
Du  solt  div  erbe  habin  niht 

30  D'  man  vnsern  vetirn  gibt 
Die  von  art  geboru  sint 
Wan  du  bist  ein  kebskint 
Do  floch  iepte  d^  wigant 
In  ein  laut  was  thot  genant 

35  Da  saminde  sich  zu  zim  aldar 

Z.  F.  D.  A.     XXXIII.     N.  F.  XXI. 


Notigis  volchis  michil  Schar 

Daz  waren  schachere 

Jepte  d^  Degin  mere 

Wart  des  volchis  herre  do 

(l*")  Nv  do  si  volgitin  im  also 

Daz  si  leistin  sin  gebot 

getrivliche  vü  ane  spot 

als  vns  div  schrift  bewisit  hat 

Die  hohstin  von  galaad 

Zu  dem  beide  kamin 

Do  si  sine  craft  v^namin 

vTi  manheit  vil  die  er  begie 

Wis  h^re  vb^  vns  sus  spchin  sie 

vn  strit  vns  gein  amone  vor 

Des  craft  ist  ob  vns  hohe  enbor 

nv  hilf  vns  daz  si  zerge 

gedenkint  ir  niht  Sprach  Jepte 

Waz  ir  mir  leidis  habt  getan 

Daz  ich  ofle  erlitin  han 

Von  iv  ir  wissit  wol  daz  ich 

Sit  ie  trügint  has  ze  mir 

vn  ane  schulde  vertribint  mich 

Wir  habin  niht  gehassit  dich 

noch  v^riben  wir  sin  die  dir 

Volgin  wellin  nach  dinir  gir 

er  spch  des  swert  mir  einin  eit 

Do  swiiren  si  im  Sicherheit 

ze  helfinne.     d^  wise  man 

für  mit  in  in  Masphat  von  dan  25 

Da  wart  im  hulde  gesworn 

zi  rihter  wart  er  da  erkorn 

Vbir  israhel   nach   gotis  geböte 

do  si  gedemvtin  sich  gote 

Jepte  sande  an  den  zitin  30 

Zu  den  amoniten 

25 


10 


15 


20 


386 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 


vii  hiez  dem  kvnige  sagin  also 
In  Masphat  sine  botin  do 
Daz  d^  v\üste  uiht  sin  lant 
35  vn  daz  erz  rumde  zehaut 
Do  iach  vnzwiülliche 
Amon.     daz  kvnicriche 
Wör  sin.    vn  siuir  kvnneschaft 
6  daz  ez  israhel  mit  ciaft 
(r)  Sinen  vordhi  hete  genomen 
In  der  zit  do  si  waren  komen 
von  egypte.    uv  w6r  daz  lant 
wid^  komin  I  sin  hant 

5  als  ez  were  sinir  vordem  6 
Daz  vvid^  redite  do  Jepte 
vü  iach  ez  w^e  mit  mannis  siteu 
an  siniu  vord'n  e  erstriten 
als  ez  gebot  div  golis  craft 

10  Amon  div  starke  heidenschaft 
wolde  von  dem  lande  niht 
von  der  seibin  geschiht 
Sp^ch  iepte  nv  erzeige  got 
noch  hivte  hie  wie  sin  gebot 

15  welle  erzeigin  sinen  Ion 
zwischen  Israel  vn  amon 
Dv  kam  mit  richir  volleist 
vf  iepte  der  gotis  geist 
Er  bereite  sich  ze  wer 

20  mit  dem  israhelschin  her 
gein  amon  vf  einin  strit 
In  d^  stvnt  vii  in  d^  zit 
Do  si  zem  st  rite  gahtin 
vü  den  viendin  nahtin 

25  vTi  beid^  komin    zein   and'  stiez 
Jepte  dem  hohstin   gote  gehiez 
hvlfer  im  daz  er  alda 
gesigte.     daz  er  im  sa 
mit  reiniclichin  dingen 

30  ze  opfir  wolde  bringen 
Daz  erste  daz  im  bekäme 


So  d'  strit  ein  ende  neme 
Des  er  gewaltic  were 
Der  freche  degin  mere 
Jepte  d'  Rfise  hovbilman  35 

hvbt  den  strit  mit  creftin  an 
vn  slvc  mit  gotis  vü  sinir  craft 
Amon  die    starkin   heidenschaft 
So  gar  daz  er  mit  manheit 
(1*^)  Den  siginden  sig  mit  wün- 
sche erstreit 
Des  den  heidin  wart  verzigen 
Die  mvstin  sigelos  geligen 
vü  erslagin  in  d'  wal 
ir  wart  ein  mort  ein  solich  val    5 
Daz  ir  wenic  iht  genas 
D'  da  mit  amöne  waz 
Do  Jepte  den  sig  genam 
vn  von  dem  strite  wider  kam 
ER  hate  als  vns  div  warheit  gibt  10 
ein  dochter  mere  kinde  niht 
Wan  si  eine  div  kan 
Do  si  sine  kunft  v'nan 
vii   do  ir  wart  von  im  geseit 
wie  lobelich  er  den  sig  erstreit  15 
vn  ir  diz  mere  wart  erkant 
Si  trüc  eine  h'pfin    an  d^  hant 
vü  mähte  vf  dem  seitspil 
von  frovden  siizir  leiche  vii 
vü  grüzte  ir  vatir  schone  mite  20 
Dch  die  fröde  riehen  site 
Daz  im  dort  so  wol  gelanc 
Ir  harpfe  in  süziu  duuin  cla*ic 
Dur  daz  heil  daz  ir  vatir  kunft 
Do  was.    vn  durch  die  signvnft  25 
Die  er  hate  dort  genomin 
als  er  sach   sine  dohtir   komen 
er  erschrac  so  sere 
nach  senendis  iamirs  lere 
Daz  er  zarte  sa  zehant  3ö 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 


387 


Vor  iamer  här  vü   daz   gewant 
Dvrch  den  anlheiz  den  er  getan 
hate  als   ich  e  gesprochiu  han 
35  Daz  im  des  sigis  hvlfe  got 
mit  warheit  vü  ane  spot 
sagter  mit  warheit  ir  zestunt 
vii  tet  ir  mit  iamir  kvnt 
Daz  si  daz  opfir  solde  vvesio 
vi)  des  mohte  si  niht  genesin 

(2^)    Beidiv   mit   namen  vn    mit 
craft 

Diegevvaltigisten  Td^heideuschalt 

Waren  als  ich  mit  warheit 

von  den  rihterin  han  geseit 
5  ze  athene  trüc  die  crone 

Mit  gewalte  schone 

der  kivnic  evricteus 

Vo'n  dem  die  fabil   sagint  alsus 

Daz  im  bi  sinen  ziten 
10  Sine  tohter  oriten 

Neme  der  snelle  boreas 

d^  so  snel  vü    so    behende  waz 

Daz  div  tumbe  diet  in  nande 

Ze  Griechin  in  dem  lande 
15  des  windis  got.    vri  einin  wint 

der  winde  noch  zwelfe  sint 

nach  im  geheizin  Boreas 

Von  dem  er  geborn  was 

Der  was  astreus  genant 
20  Tracia  hiez  sin  lant 

als  vns  der  fabil  schritt  gewüc 

In  sycionie  crone  trflc 

Bi  der  zit  Eppopius 

Bi  den  argivin  lingeus 
25  in  egypte  menopes 

In  assyria  pellespares 

gewalticliche  schone 

zu  2%  1  —  4  vgl.   JVerner  Zs.  20, 


trngin  der  laude  crone 

Do  d^  herzöge  Ottoniel 

herzöge  was  in  israhel  30 

Ovch  sagint  die  fabil  alsus 

daz  Bachus  Dyonisius 

Were  bi  d^  zit  i  atica 

Des  landes  ein  teil  in  india 

Reit  er  an  mit  grozir  w^  35 

vü  twanc  ez  vil   mit  sinim  her 

ercules  der  wigant 

des  lant  was  fenix  genant 

Daz  im  was  diöstis  vndertan 

(2'')  ovch  was  als  ich  gelesin  han 

Bi  disen  ziten  archas 

Des  vatir  Jiipit^  da  was 

Der  twanc  div  mer  mit  sinir  craft 

Daz  si  im  wurden  zinshaft  5 

vü  stifte  archadyam  daz  lant 

Daz  nach  im  wart  alsus  genant 

Do  otoniel  waz  tot 

vü  T  israhel  aöt 

vü  der  edil  degin  samgar  lo 

waren  rihler  d^  gotis  schar 

lamprides  I  assyria  was 

kVnic  bi  d^  zit  als  ich  ez  las 

Den  daz  buch   uns    nennit  sus 

ze  Griechin  gab  tryptolem'  15 

zem  erstin  bi  d^  zit  daz  körn 

Daz  in  vil  vbel  wer  verborn 

vn  lerte  si  da  buwen  daz 

Die  selben  lere  er  in  da  maz 

als  ovch  in  vndHviste  des  20 

Div  kvnsteriche  Ceres 

Die  man  T  dem  lande 

Des  kornis  golinne  nande 

Daz  si  mit  körne  erwarb  alda 

ovch  waz  do  «pserpina  25 

von  d^  div  fabil  wunder  sagit 

437/- 

25* 


388 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 


Si  zuhte  ein  degin  vuv'zagit 
D'  moloseo  kvuic  oreus 
Des  rvde  d^  hiez  Cerberus 

30  Der  was  so  starc  vii  also  groz 
Daz  nie  möre  hundes  genoz 
so  Stare  wart  noch  so  groz  ge- 

sehin 
Des  hören  wir  die  fabil  ieliiu 
Div  schrifl  tut  daz  von  im  noch 
kvnt 

35  ez  si  d^  tobinde  belieb vnt 
Der  erbeiz  uf  d'  flvbt  alda 
Do  genonain  wart  rpserpina 
einin  degin  biez  partorus 
Der  iagte  nach  vii  tbeseus 
(2'}  Den  betir  ovcb  erbissen 
als  wir  div  spei  noch  wissen 
Wan  daz  im  half  daz  er  genas 
ercules  der  och  da  was 

5  Sinir  liebir  her  geselle 
Daz  er  in  von  der  belle 
hate  erlost  vii  brahtin  hin 
Daz  seit  der  fabel  böcb  von  in 
Wan  er  in  do  ze  stunde 

10  erloste  von  dem  hunde 
Frixus  vii  elles  waren 
ovch  bi  den  selben  iaren 
von  den  div  fabel  mere  seit 
mit  wie  grozir  manheit 

15  Frixus  der  Degin  snel 

Mit  im  brahte  ein  gvlden  vel 
In  colcos  insvlam  daz  laut 
daz  mit  manlicher  beldis  baut 
Sit  gewau  Jason  alda 

20  Dar  zu  gebar  latboua 
ein  kint  bi  disen  ziten  do 
Daz  was  der  valsche  apollo 
Den  die  heidine  sit  Ovr  got 
an  bettin    d^cb   des  tiefiis   spot 


als  vns  div  warheit   seit  genüc  25 

Bi  disen  ziten  crone  trvc 

In  Egypte  Setus 

Bi  den  argivin  rjjetbus 

ovch  sach  man  I  den  selben  tagin 

In  sycionie  crone  tragin  30 

ein  kvnic  was  Sycion  genant 

nach  dem  genennit  wart  daz  laut 

Pelops  nach  im  och  nande 

ze  Griechin  in  dem  lande 

Bi  d^  selben  zit  ein  lant  35 

daz  wart  pelopenens  genant 

Pandyon  des  vatir  hiez 

als  vns  div  warheit  wissen  liez 

ovch  richsite  in  Dardania 

(2*^)  ein  kvnic  der  trvc  crone  da 

Des  name  was  gebeizin  tros 

gemeinis  prisis  lob  in  kos 

gelobt  in  bobir  w^decheit 

Von   dem   div  schrift  d'  warheit    5 

seit 
daz  troye  div   stat   Ivte  vn  lant 
wurden  sit  nach  im  genant 
Div  Ilvus  als  ich  ez  las 
vnz  an  in  e  gebeizin  was 
MElamp'  was  och  in  den  lagen  10 
Den  man  fivr  einin  wissagen 
hate.     vfi   einis  gotis  stat 
Da  in  hate  ane  gesät 
Tantalvs  ein  frechir  degin 
lebte   ovcb   do   den    sach    man  15 

pflegin 
eins  livtis  hiezin  Minoes 
als  ich  bin  vnderwisit  des 
Die  wurden  frigye  genant 
vn   nach  in  frigya  daz  lant 
Do  ez  besas  sit  frygias  20 

D'  ovch  ein  wMir  troyer  was 
Tautalus  der  selbe  man 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 


389 


mit  creftin  vrlivgin  began 
mit  tros  al  vientliche  do 

25  nv  gefügtis  sich  also 
Daz  uf  einis  geiegdis  vart 
gevangen  ganimedes  wart 
Der  was  ze  sune  trose  erkant 
hie  von  dulde  ir  beid^  lant 

30  von  vrlivgen  vil  manigen  pin 
Do  si  gevech  begvnden  sin 
Si  hertin  vfi  branden  sich 
Beide  ein  ander  durch  gerich 
Pelops  den  ich  e  han  genant 

35  tet  sine  beste  helfe  erkant 
wider  trose  von  Dardania 
wan  sin  wip  ypotamia 
geriet  im  daz  er  im  d'ch  si 
mit  siuir  helfe  stvnde  bi 
(2®)  Daz  tet  er  mit  grozir  craft 
hie  von  hob  sich  ein  vientschaft 
div  iemir  mere  werte  sit 
vnd^  ir  gesiebte  unz  uf  die  zit 
5  vn   vf  die  scbedelichen  vart 
Daz  troye  von  in  zerstöret  wart 
Ovch  lebtin  bi  d^  seibin  zit 
als  vns  div  fabil  vrkivude  git 
ze  cnechin  d'  starche  Elhiocles 

10  vü  der  freche  polinices 
Die  beide  ein  ander  sivgin 
Richeit  vn  ein  si  trvgin 
In  hohir  w'decheit  so  vil 
Daz  man  gedenchit  noch  ir  zil 

15  vn   d^  tage  in  den  iaren 
Do  si  beide  lebinde  waren 
-Pseus  ein  hohir  man 
von  kriechin  bi  d^  zit  entran 
wan  er  da  einin  kvnic  slvc 

20  Der  d^  argivin  cröne  trvc 

2^,  1  über  dem  v  voji  vnreinde 
11  des  scheint  in  der  gebessert 


Der  was  genant  acrisius 
Der  ellinthafte  pseus 
lie  sich  do  nidir  in  asya 
vTi  twanc  so  vil  des  landis  da 
Daz  des  betwuginin  teilis  lant    25 
nach  im  wart  psia  genant 
Dar  sit  gewalticliche 
al  div  kvnicriche 
In  asia  wurden  vndHan 
Die  fabil  sagint  ane  wan  30 

Daz  im  div  heidinische  diet 
jach  do  er  von  der  werkle  schiet 
Daz  er  ze  himile  fvre  sa 
vfi  sin  wip  andromeda 
vn  zwene  sternin  hoch   erkant  35 
wurden  d^ch  daz  nach  in  gesant 
Daz  si  ze  himil  soldin  komen 
sin.     als  ir  nv  habt  v^nomen 
Edyppus  der  vermeinde 
(2^)  den  sin  schulde  also  vnreinde 
Daz  ich  von  im  vvil  spchin    niht 
so  wandelber   was  sin  geschiht 
Daz  got  sit  an  im  sere  räch 
Der  lebte  ovch  do  diz  geschach    5 
ovch  geschach   in  chriechin  vil 
Wunder  disiv  selben  zil 
Div  hie  belibint  vngesagt 
Cecrops  ein  helt  vil  vnv^zagt 
sach  man  ze  athene  crone  pflegin  10 
des  was  von  art  ein  hovbit  degin 
sin  brvder  was  euricteus 
Bi  den  argivin  acrisius 
bi  dem  zergie  daz  riebe  da 
Lampes  in  assyria  15 

des  landes  crone  sach  man  tragin 
ovch  wart  acrisius  erslagin 
den  pseus  d^  wigant 
steht  doch  noch  die  abbreviatur  ^ 


390 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 


slvc.     d^  argivin  lant 

20  an  kvniclichem  namin  zergie 
daz  lant  do  kvnigis    namen    lie 
Daz  was  geslandin  daz  ist  war 
zwei  vfi  fivnfthalp  hvud't  iar 
ob  vierzeiiinin   kvnigin  w^t 

25  Der  da  ze  kvnigm  wart  geg^t 
Des  was  d^  erste  Inachus 
Der  and^  phoroneus 
Der  drite  d'  hiez  apis 
Des  vns  div  warheit  tut  gewis 

30  Der  vierde  d'  hier  arg' 
Der  fivnfte  hiez  creaus' 
Der  sehste  hiez  forliaz 
Der  sibinde  hiez  tryopas 
Der  ahtode  hiez  Crotopus 

35  vii  d^  nivnde  Steneleus 
der  zehinde  hiez  Danavs 
Div  fabil  vns  daz  kvndit  sus 
daz  die  criechin  lange  sit 
Danai  vil  manige  zit 
(2s)  Nach  sinim  namin  hiezin  gar 
Daz  seit  von  im  div  schritt  fivr 

war 
lingeus  der  einlifte  was 
vn  der  zwelfte  archas 
5  der  drizehinde  hiez  »pethus 
der  vierzehinde  hiez  acrisius 
Bi  dem  daz  riche  ein  ende  nam 
ze  Micene  ez  darnach  kam 
da  d^  erste  kivnic  was 

10  Eristeus  als  ich  ez  las 
Atreus  vn  tiestes 
Agamenon  vn  Orestes 
Egist'  vn  tysamenus 
Pentilus  vn  Comet' 
15  die  in  Micene  schone 
trvgin  des  landis  crone 


Mit  kvniclicher  kvngis  craft 

Biz  ende  ham  div  herschaft 

vn  in  dem  selben  lande  hie 

ovch  kivniclich  gewalt  zergie      20 

Do  debora  div  wise 

Mit  wislichim  prise 

von  israhel  des  kvnnis  pflac 

vfi  d^  gotis  degin  Barac 

was  in  and^n  riehen  do  25 

geschehe,     do  daz  was  also 

daz  wil  ich  ovch  h^  vnd^  sagin 

Man  sach  in  egypte  tragin 

Crone   einin  degin  wite  erkant 

der  was  lameses  genant  3o 

In  Sicionie  polipus 

ein  kvnic  was  genant  alsus 

mit  kvnigis  w\lecheit  genüc 

Bi  der  zit  do  cröne  trüc 

Pandion  ze  athene  35 

Euricteus  ze  micene 

Des  landis  erstir  kvnic  was 

vn  T  assyria  Pannias 

ovch  lebte  bi  den  zitin  do 

(2^)  Der  kvnste  riche  Anphio 

der  mit  so  wisen  sachin 

vf  der  herpfin  machin 

So  süze  leiche  künde 

Daz  ze  etilichir  stunde  5 

sich  die  steine  regtin 

Gein  sinin  dönin  sich  wegtin 

als  ich  die  fabil  horte  iehin 

Daz  mohte  niht  also  geschehin 

als  ich  hie  gesprochin  han  10 

Bezeichinlich  ez  müste  ergau 

als  ich  nv  wil  betivtin 

Steinherten  livten 

Begunde  von  sinen  leichin 

Ir  hertir  mvt  so  weichin  15 


26,3  ist  was  aus  ursprünglichem  hiez  gebessert 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 


391 


Uaz  elliv  trvricheit  vil  gar 
In  ir  heizen  si  verbar 
Swa  si  sin  gedone 
in  sinin  leicliin  schone 

20  von  sinir  haut  solden  v^nemin 
Da  müste  frovde  si  gezemin 
In  disen  selben  zitin  was 
als  ich  an  den  hystorien  las 
ze  laurente  mit  craft 

25  so  creftirichiv  herschaft 
Daz  div  lant  algeliche  gar 
hovbtin  bi  den  ziten  dar 
Div  noch  ytalia  sint  genant 
Diz  sint  elHv  div  lant 

30  Div  sus  ir  vnd^  marche  hant 
Daz  si  von  den  gebirgen  gant 
vnz  an  des  niitiln  merz  zil 
Der  lande  ich  ein  teil  nennin  wil 
als  ich  ir  namen  gelesin  han 

35  lantparten  vn  Thuscan 
Romania  vn  Maritima 
Ancun.    vii  Spolit  sint  ovch  da 
Dar  zu  Sicilia  vii  al  div  lant 
div  dar  ze  dienste  sint  benant 

(1®)  ovch  baten   in  disen  ziten 
Centavren  vü  die  laphiten 
vrlivge  vü  grozeu  strit 
ein  mestir  vns  vrkvnde  git 

5  Der  hiez  palephatus 
vü  seit  von  den  laphitin  sus 
In  were  in  gehch^  wis  bereit 
also  dretiv  snelheit 
so  den  bestin  Rossen  div  ieman 

10  Bi  den  ziten  do  gewan 
da  von  waren  si  mit  craft 
vorhsam   vn   sigehaft 
wan  si  den  viendin  elliv  zil 
2'',  2ü  sinir  ans  sinin  gebessert 


mit  snelheit  fügtin  leidis  vil 

Ovch  lebte  ein  listvvurch'  do       15 

von  dem  div  fabil  seit  also 

daz  er  alle  slvnde 

vil  wol  gemachin  künde 

von  holze  swaz  er  wolde 

od'  ieman  machin  solde  20 

Der  was  dedalus  genant 

Im  waren  solhe  liste  erkant 

Daz  ist  ein  warheit  ane  spot 

daz  er  machite  abgot 

div  sich  seibin  wegitin  25 

von  eiginin  crelliu  regitin 

ein  hus  hiez  laborint' 

Daz  worhte  d'  selbe  Dedalus 

mit  also  grozir  liste  craft 

vn  mit  alsolhir  meisterschaft       30 

Daz  nieman  als  ich  han  v'nomin 

Drin  noch  druzwol  mohte  komin 

wan  mit  vil  wiser  lere 

Dar  inne  beslöz  er  sere 

mit  listen  al  besvnd*  35 

ein  egislichs  merwund' 

Daz  hiez  Minotaurus 

von  dem  div  fabel  seit  alsus 

Ez  w6r  halp  man  vn  halp    ein 

rint 
(1^)  Der  selbe  tievil  vü  des  kiut 
So  Stare  was  vn  als  egislich 
Daz  im  niht  künde  erw^n  sich 
Swer  vber  al  daz  lant  sin  lebin 
v'worhte  d'  wart  im  gegebin        5 
ze  verderbinne  den  verslaut 
vü  gaz  der  selbe  valant 
Disen  selben  tievil  slvc 
Theseus  des  ich  6  gewüc 
Der  in  Athene  crone  pflac  10 

vn  sich  des  stritis  bewac 


392 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 


Den  er  mit  disem  wund'  tet 
Dur  einir  w\liu  frowen  bet 
Div  hiez  adriagna 

15  Si  werte  in  ze  lone  da 
Ir  libis  vü  ir  minne 
nach  dienstiichim  gewinne 
Minnite  in  daz  schone  wip 
Daz  er  dem  tievil  nam  den  lip 

20  Diz  was  aliiz  in  den  tagen 
als  ich  die  warheit  horte  sagin 
Do  abymalech  erstarp 
vn  in  israhel  verdarp 
als  ich  iv  tet  hie  vor  bekant 

25  Inos  ein  wisir  wigant 

von  erst  ovch  bi  den  ziten  gab 
L  vn  einvnge  vrhab 
ze  Crite  dem  Riebe 
v5  lerte  si  wisliche 

30  wie  si  sich  solden  halden 
Rehte  vn  einvnge  walden 
Inos  der  helt  vil  wis  erkant 
Den  ich  nv  han  alhie  genant 
hate  einin  svn  ovch  bi  den  tagen 

35  Der  da  ze  athene  wart  erslagen 
Dur  and's  niht  wan  d~ch  den  nit 
^az  er  gesigte  zallir  zit 
Swa  mit  hovelicheu  siten 
Die  jvncherren  mit  prise  striten 
(IS)  Daz  er  mit  wiser  Manheit 
Si  dar  an  ie  vber  streit 
Diz  was  ir  zorn  si  hatins  schäme 
Androgens  was  sin  name 
5  vn  lac  vmbe  dise  schvkie  tot 
Des  kam  daz  laut  in  groze  not 
wan  d~ch  den  selben  ivngen  man 
griffen  mit  vrlivgen  an 
Die  von  Grite  sa  ze  hant 

10  Athener  ir  livte  vü  ir  lant 
wüstins  al  gelich 


vbir  als  ir  kvnicriche 

Si  so  gewalticliche  riten 

Si  vil  veste  au  in  erstriten 

vn  herlins  in  ir  lande  15 

mit  Rovbe  vn  ovch  mit  brande 

ane  w'  vnz  an  die  zit 

Daz  ez  gedech  vf  einin  strit 

da  die  hohstin  al   geliche 

vber  athenischiv  riche  20 

Beideuthalp  den  lip  vMvrn 

Da  si  werlich  ende  kvrn 

In  disem  selben  strite 

gesigten  die  von  Crite 

als  vns  div  mere  gewissen  sint  25 

vil   viengin    da  d'  hohsten   kint 

vü  gabins  al  besvnder 

Des  tievils  merwunder 

daz  Minotaur'  was  genant 

daz  gaz  vü  slaut  si  sa  zehant     30 

da  von  vil  iamers  wflhs  alda 

Theseus  d'  saminde  sa 

ze  samine  alhener  schar 

In  eine  stat  saster  si  gar 

daz  si  da  wühsen  abir  widir      35 

doch  v'stiezin  si  in  sider 

vn  gaben  im  vil  swachin  Ion 

Bi  dirre  zit  was  ovch  Jason 

Der  von  art  ein  ßvrste  was 

(1^)  Sin  vetir  d'  hiez  Pelias 

edil  rieh  vn  hob  geborn 

Jason  der  was  als  uz  erkorn 

als  wert  vü  als  ellinthaft 

Daz  sine  deginliche  craft  5 

sin  vetir  an  im  vorhte  do 

Der   in  mauige  wis   dahte  also 

wie   er  in   so  von   im  vertribe 

daz  er  ane  angest  belibe 

daz  er  in  iht  verstieze  10 

ob  er  in  bi  im  lieze 


ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  IINNSBRUCK  393 

wan  er  an  tnanheit  was  so  wis  vf  riliiiichim  prise  erstrite 

daz   er   trüc  den   hohsten   pris  Dem   moste   iemir  volgen  mite 

Den  ieman  da  mohte  han  Gut.   wahsinde  ere  vö  w^decheit 

15  Dur  den  vorhtlichin  wan  so  vil  were  s61den   dran   geleit 

gedahlir  wan  er  in  entsaz  mit  d^  gotis  heilicheit  30 

in  sinin  listen  ettiwaz  Div  ir  fliz  hete  dran  geleit 

Da  mit  er  von  im  k6me  vS  w^e  mit  grozir  hüte 

vn  im  sin  lant  niht  nßme  Jason  der  höh  gemute 

20  Do  sagler  vn  tet  im  erkaot  Besaminde   sich    mit   richir   w^ 

ein  ysil  were  Colcos  genant  von  der  argonauten  her  35 

Dar  inne  wer  ein  guldin  vel  vn  fvr  nach  dem  velle  dan 

hehalden.    vü  sw^  also  suel  Mit  solhir  not  er  daz  gewan 

were.    vn  also  manhaft  Daz  er  were  tot  beliben  da 

25  daz  erz  mit  manlich^  craft  wan  daz  div  wise  Medea 


VII 

Zwei  zusammengehörige  streifen  eines  der  quere  nach  durch- 
schnittenen pergamentzettels ,  der  nur  auf  einer  seite  im  xv  jh.  be- 
schrieben icorden  ist,  21,5  cm.  breit,  9  cm.  hoch,  das  stück  ent- 
hält einen  kreuzsegen  (vgl.  MSD^  s.  481  f)  und  ist  wol  auch  dadurch 
interessant,  dass  es  selbst  ein  solcher  brief  war,  wie  man  ihn  als 
amulet  bei  sich  zu  tragen  pflegte. 

1  .  .  .  .  v^bend.  Vater  Ich  eupfilch  min  gaist  in  din  hend  f 
Jhesus  vü  Nazareth  j  rex  iudeorü  f  Caspar  baltusser  melchor 
vü  .  .  .  I  ...  er  vfi  ain  aue  maria  f  Ich  enpfilch  mich  In  die 
v^borge  tögenhait  da  sich  die  hoch  gothait   in  v'barg  in   die  be- 

5  wollen  mes  .  .  .  |  .  .  .  die  hoch  gothait  vberget  In  des  priesters 
hend  vn  wärlich  da  bist  mit  din^  hailige  meschait  mit  diner  sei 
vn  mit  di  .  .  .  I  .  .  .  ilige  flaisch  vü  mit  dine  balligen  pliit  Die 
haihg  dryfältikait  sy  mir  ain  mantel  für  all  min  fiend  vn  sy  mich 
behiett  ...  |  ...  f  Das  hailig  criitz  sy  min  schilt  für  alles  vnglick 

10  vn  sprich  ain  pat^  nr  vn  aue  maria  j  Johannes  Verla  Ich  en 
...  I  ...  got  sin  ewigen  sun  enpfalch  vnd  du  im  sin  sei  enpfalchst 
in  sin  hend  do  du  vö  disem  eilend  wollest  faren  zu  den  e  .  .  .  | 
...  der  brief  den  baubst  leo  küng  Karlo  sant  Vn  ist  dick  vii  offt 

1  die  kreuze  smd  alle  rot  und  erst  später  eingefügt  4. 5  bewollen 
ist  sehr  zweifelhaft ,  da  die  stelle  abgerieben  und  durch  lUcher  ver- 
derbt ist 


394  ALTDEUTSCHE  FUNDE  AUS  INNSBRUCK 

bewert  worden  Wer  den  brief  alltag  list  oder  hört  lesen  d  .  .  . 

15  .  .  .  ntlas  Vü  mag  Im  kain  hertzlaid  nymer  wider  fare  vn  mag 
in  kainö  fiir  verbrinen  noch  in  kaine  wasser  ertrincken  noch 
,  .  ,  I  .  .  .  verschnillen  werden  Vü  welchu  in  by  ir  hat  der  mag 
uit  misselingen  au  ir  geburt  Noch  kain  mensch  mag  nit  vu- 
recht  ...  I 

20  2  .  .  .  t  Cristus  crütz  ist  ain  wärs  hail  f  Cristus  crutz  vber 

wind  die  schvvert  f  Crisl*^  crütz  behiet  mich  allweg  wa  .  .  .  |  ... 
s  her^n  crütz  sy  ob  mir  f  vnsers  her'n  crütz  sy  vnder  mir  f  vnsers 
her^n  crütz  sy  for  mir  f  vnsers  her'n  crütz  sy  hiuder  . . .  | . .  herre  crütz 
sy  an  baide  sytten  neben  mir  f  Crist^  crütz  sy  mir  ain  schilt  für  all 

25  min  feind  sy  sye  sichtig  oder  vusichtig.  Min  got...|.,.  in  künf- 
tiger richter  f  Min  erlöser  ich  ermane  dich  durch  dines  vfs  va- 
lende  blfltz  dz  vfs  diner  sytten  flofs  f  Vch  f  enoch  .  .  .  |  ... 
kait  t  crist^  sy  min  feind  vber  winden  f  crJs^^  sy  nniQ  ^ünd  f 
crist^  crütz    sy   mich  behiette  vor   alle  dem  dz  mir   schädlich,  sy 

30  ...  I  ...  b  an  gut  vü  an  er  vü  alle  dinge  die  nit  nutzlich  syen 
zu  dem  ewige  lebe  caspar  f  baltusser  f  melchor  f  lucas  f 
marcus  .  .  .  |  .  .  .  Johanes  t  ''l'^s  himelisch  hör  behiet  mich 
hüt  vü  alltag  f  In  dem  name  des  vaters  des  svns  vü  des  hailigen 
.  .  .  t  a  .  .  . 

18  nit  vor  m  ist  übergeschrieben  20  in  2  sind  die  zeilenenden  voll- 

ständig, dafür  fehlt  mehr  am  an  fang,  zwischen  vber  und  wind  steht 
mich,   ist  aber  vom  Schreiber  selbst  getilgt  23  zwischen    sy   und  for 

steht  ob  mir,  vo?n  Schreiber  selbst  getilgt  33  hüt  übergeschrieben 


NEUE  BRUCHSTÜCKE  DER  TRIERER 
MARGARETENLEGENDE. 

Die  zahl  der  jüngst  von  herrn  Stadtbibliothekar  dr  Max  Keuffer 
aus  der  Trierer  hs.  91  (siehe  jetzt  sein  Beschreibendes  Verzeichnis 
der  hss.  der  Stadtbibliothek  zu  Trier  s.  G6)  abgelösten  und  von  mir 
Zs.  32,  423  ff  veröffentlichten  fragmente  einer  bisher  unbekannten 
Margaretenlegende  ist  jetzt  dadurch  vermehrt  worden,  dass  derselbe 
gelehrte  in  der  Trierer  hs.  104  (Verzeichnis  s.  73)  weitere  bruch- 
stücke  entdeckte,  auch  dieses  mal  hat  er  mir  in  freundlichster  und 
mich  zu  herzlichem  danke  verpflichteiider  weise  die  Veröffentlichung 
gestattet,    der  neue  fund  ist  freilich  noch  weniger  ausgibig  als  der 


TRIERER  MARGARETENLEGENDE  395 

frühere,  jn  so  fern  die  schriftzüge  des  unten  folgenden  textes 
sich  zum  teil  nur  in  einem  stark  beschädigten  zustande  erhalten 
haben,  im  rücken  der  hs,  fand  sich  das  fragment  eines  doppel- 
blattes  (C)  mit  je  sieben  zeilen  auf  der  seite,  also  gerade  einem 
drittel  der  ursprünglichen  seite,  auf  der  21  zeilen  stehen  (Zs.  32, 
423).  in  seiner  ganzen  breite  misst  C  14,3  cm.,  in  seiner  höhe 
3,2  cm.;  während  das  erste  blatt  von  C  fCC^j  in  seiner  breite 
(9,3  cm.)  unversehrt  blieb,  zeigt  das  zweite  blatt ^((?C^)  nur  noch 
die  halbe  breite  (5,0  cm.),  aufserdem  sind  abdrücke  weiterer  bruch- 
stücke  auf  beiden  innendecken  der  hs.  104  teihoeise  noch  im  Spiegel 
lesbar  und  zwar  in  der  Oberdecke,  ihre  ßäche  zu  einem  drittel 
füllend,  hart  am  rücken  und  in  der  reihen  folge  von  oben  nach 
unten,  von  den  fragmenten  AFB,  in  der  unterdecke  von  den  frag- 
menten  ED  (von  einem  dritten  bruchstück  ist  iiichts  mehr  zu  er- 
kennen), mit  ausnähme  von  B,  dessen  zeilen  mit  der  breitseite 
des  deckeis  parallel  laufen,  geht  die  schrift  der  abdrücke  mit  der 
längenseite  desselben  parallel. 

Die  quelle,  Mombritius,  gestattete  die  richtige  gruppierung 
auch  dieser  fragmente,  so  traurig  es  immerhin  mit  der  Überlieferung, 
insbesondere  von  C^D  bestellt  ist.  es  darf  sodann  versucht  werden 
aus  der  nun  gröfser  gewordenen  fragmentenzahl  die  ursprüngliche 
beschaffenheit  der  hs.  genauer  zu  ermitteln,  als  das  früher  bei  ge- 
ringerem material  angänglich  war.  da  wo  wir  die  Trierer  Mar- 
gareta  mit  der  von  Stejskal  herausgegebenen,  nach  gleicher  quelle 
verfassten  und  auch  gleicher  gegend  utid  zeit  angehörenden  behand- 
lung  vergleichen  können,  zeigt  sich  ungefähr  gleicher  umfang  der 
die  gleichen  partien  zur  darstellung  bringenden  abschnitte,  nehmen 
wir  also  an ,  dass  im  allgemeinen  beide  bearbeitungen  gleich  lang 
waren,  so  würde  sich  etwa  folgende  berechnung  ergeben.  Stejskals 
Margareta  umfasst  776  verse.  es  ist  wahrscheinlich,  dass  die 
Trierer  Margareta  aus  zwei  lagen  von  je  fünf  doppelblättern  be- 
stand und  zwar  dürfte  der  Schreiber  entgegen  dem  sonst  üblichen 
brauche,  das  erste  blatt  oder  die  erste  seite  der  ersten  läge  frei 
zu  lassen,  bereits  auf  der  ersten  seite  die  abschrift  begonnen  haben, 
das  würde  dann,  da  die  seite  21  verse  zeigt,  im  ganzen  840  aus- 
machen.  die  letzten  1 V2  blätter  (=  63  +  einer  zeile  mehr  im 
vergleich  mit  Stejskals  text)  mochten,  falls  man  nicht  annehmen 
will,  dass  sie  unbeschrieben  blieben,  den  vom  autor  der  legende 
berichtenden  schlusspassus  bei  Mombritius  enthalten,  vielleicht  auch 


396  NEUE  BRUCHSTÜCKE 

einen  umfangreicheren  epilog,  als  loir  ihn  bei  Stejskal  ü.  J59  —  76 
lesen,  dass  die  Trierer  bearbeitung  der  quelle  strenger  folgte  als 
der  andere  text,  der  oft  kürzte,  wird  jetzt  namentlich  aus  den 
fragmenten  CDE  deutlich ,  denen  eine  kleinere  zahl  von  versen  bei 
Stejskal  (vgl.  ISbff)  entspricht. 

Die  früher  mitgeteilten  fragmente  gehörten  zur  zweiten  läge, 
und  zwar  standen  dort  die  verse    1 —  11.  13 — 43  auf  6/.  4*^ 

44—  50  auf  bl.  6" 

51—  57     -     -  6" 

58—  99     -     -  7^" 

100—107     -      -  8^ 

108-114     -      -  S^ 

Dagegen  sind  die  neuen  fragmente  der  ersten  läge  entnommen: 
A  stand  auf  bl.  2^ 
B      -        -      -   4\ 

CDE  sind  fragmente  des  fünften  doppelblattes :  es  verteilen 
sich  C"  auf  bl.  ö\  DC-  auf  bl.  5^  EC  auf  bl.  6^  und  C  auf  bl.  6\ 
die  je  sieben  Zeilen  auf  C  machten  nicht  genau  das  letzte  drittel  der 
Seite  aus,  gehören  aber  jedesfalls  deren  unterer  hälfte  an. 

F  stand  auf  bl.  9%  das  zusammen  mit  bl.  2  (vgl.  fragment  A) 
das  zweite  doppelblatt  der  ersten  läge  bildete. 

Bemerkt  sei  dass,  loährend  sonst  vom  Schreiber  der  erste  vers 
eines  reimpars  vorgerückt  wurde,  in  den  fragmenten  C^OF  dies 
beim  zweiten  verse  desselben  geschehen  ist. 

Von  dem  lautstand  dieser  neuen  fragmente  wäre  im  anschluss  an 
die  Zs.  32,  424  ff  gegebene  Übersicht  etwa  folgendes  zu  verzeichnen, 
ich  berücksichtige  nur  das  sicher  überlieferte. 

Vocale.  a  für  oiader,  adyr  B  3.  C^  4.  ab  A  12.  —  salt  tu 
C' 6.  a  aus  ahe:han:slan  C^l.  slan  Dl.  C' 1.  der  umlaut 
von  a  (megelyn  B  1.  Ol.  Fl),  ä  hat  einerseits  sein  gebiet  er- 
weitert: erbeyt  Eb,  während  ihm  andererseits  widerstand  geleistet 
wird:  iamerclichen  C^  6.  syncope  des  e:nach  (=  nackel)  C^  5. 
iamerclichen  C^  6.  e  für  i:breugit  A  10.  betallyn  C"*  4.  e  aus 
ehe:se  C^  5.  i  für  e:  iz  J5  2.  F  10,  in  dem  präfix  ir-  :irwerbe 
C  4,  in  ableitungs-  und  endungssilben :  adyr,  bereytir,  magyl, 
vbyr,  selbyr,  geloubyn,  breogil,  hilfit,  beytit,  gotis,  betallyn. 
i:i  siehe  bei  m.  ye  für  i:ich  byen  ß  5.  i  für  ie:riffen  D  4. 
nymande  D  9.  ymant  E  4.  wy  B  4.  —  pron.  der  3  person: 
sy,  pron.  demonstr.  dy.     o  für  e  im  präfix  vor-   C  3.  F  4.1.    o 


DER  TRIERER  MARGARETENLEGENDE  397 

für  ou  nur  in  gelobe  B  4  neben  sonstigem  ou.  oi  für  o :  heregoit 
El.  II  für  iu  in  tuvelicheo  B  2,  uch,  uwer,  criice,  für  uo  in 
zcu,  musten,  tut,  gute;  wutrich.  ai  aus  age:clait  Fb.  mait 
F  5.  ei  für  e :  beytit  C^  5.  ei  für  i  in  der  3  sm^'.  con/.  sey 
A  12.     ß  4  fm  rem  auf  vry)  «eften  sy  C^  4. 

Consonanten.  liquidae.  em  1  «s^^es^jarf;  tu velichen  ß  2.  r /"«r 
rr: heregoit  El.  r  «'s?  abgefallen  in  nymme  Dl.  n  :  Margaretan  acc. 
A  9  yp/.  Zs.  32  v.  27  Margaretan :  getau.  auslautendes  n  «sf  geschwun- 
den im  infinitiv:  Margareta :  sla(n)  Dl  und  durch  coM/ec^wr  Margareta: 
\vydersta(n)  5  10.  crone:lone(n)  C  6  vgl.  Zs.d2  ü.  26.  ve  =  vve: 
se(n)  C^  5.  m :  n  im  reim :  quam :  an  jB  2  und  dtirch  conjectur  pin :  im 
C^l.  labiale,  b /ttr  m:betallyn  CM. — schade  C^  2.  fürw.v 
in  ve  C-  4.  dentale,  t  für  d :  vorterbe  C  3,  fp/.  a»c/t  (sah)  tu 
C^  6.  anfügung  von  trymant  E  4.  apokope  des  t:uach  für 
nacht,  Dachet  =  nacket  C'-  5.  tt :  mitte  C  4.  6.  epenthetisches  d : 
nymande  D  9.  z,  zch  für  s,  sch:waz,  hymelizche  C  5.  c  /"rtr 
z  :  cruce  F  9,  gutturale:  nach  =  »lÄd.  nacket  C^  5.  |)rou.  f/er 
3pers.  her  A  9.    (^4  —  8. 

Erwähnt  seien  noch:  san  4  9.  wyderstan  c.  acc.  B  10? 
vnse  heregoit  E  7.     zcu  grozzen  solden  F  11  ? 

Ich  lasse  nun  den  abdruck  der  fragmente  folgen  und  habe 
nur  noch  zu  bemerken,  dass  mit  ausnähme  von  CM.  Dl.  C^  1. 
C^  1.  C*  6,  wo  die  puncte  lediglich  den  räum  einer  verszeile  an- 
deuten sollen,  spuren  einzelner  buchstaben  durch  je  einen  punct 
kenntlich  gemacht  worden  sind,  sonstige  lücken  im  abdruck  be- 
sagen, dass  an  den  betreffende7i  stellen  nichts  mehr  sichtbar  war, 
doch  gilt  letzteres  nur  von  jenen  fragmenten,  von  denen  sich 
allein  abdrücke  auf  den  innendecken  erhalten  haben  (ABDEF);  die 
lücken  in  Q  sind  durch  die  schere  des  biichbinders  hervorgerufen, 
bei  den  gelegentlichen  versuchen,  die  lücken  im  text  zu  ergänzen, 
hatte  ich  mich  Steinmeyers  gütiger  mithilfe  zu  erfreuen. 


der  waz  olibrius  genant  (Stejskal  Qi  ff) 

Zu  A  vgl.  in  diebus  illis  Olibeiius  praefectus  ex  Asia  Antiochiam  civi- 
tateni  profectus  est.  veniebat  autem  peisequi  chrislianos  et  deos  vanos 
mutlos  suadebat  adorare  et  ubi  audiebat  quempiam  Christum  nominare,  sta- 
tim  eum  ferreis  nexibus  constringebat.     forte  vidit  beatissimam  Margaritam 


398  NEUE  BRUCHSTÜCKE 

vnd  quam  von  Asm  dem  laut 
vnd  waz  zcv  aiitioch 
5      de     cristeheyl 
rfy  uiclit  geloubyn 

dy  muslew  werden 
Tvo  der  richter  sach 

margaretan  san  her  sprach  [ame] 
10  brengit  myr  dy  ma^yt .... 

daz  ich  selbyr  an  ir   .  r 

ab  sy  sey  ledic  an  der 

B 

do  das  megetY  vor  in  quam 

er  sach  iz  tuvelichü  an 
er  sprach  bistu  eyn  dirn  ad'  vry  (131 /fj 

nv  sage  wy  dy  gelobe  sey 
5  sy  sprach  ich  byen  vry  und  geloube 

..  .11..    dy.h  vnd  nyt  wart  g (144?) 

oves  nutricis  pascenteni  slalimque  eam  concupivit  dixitque  ministris  suis: 
ite  festinanter,  comprehendite  puellam  illam  et  interrogate:  si  libera  sit, 
accipiam  eam  mihi  uxorem,  si  ancilla,  dabo  ei  pretium  et  erit  mihi  concu- 
\i\n&  Mombritius.  bnach  cristeheyt  vielleicht  er;  lies  der  er.  er  volgte 

noch?  vgl.  SteJskal&Q  u.  la.  6  lies  dy  n.  g.  wolden  synem  got?  vgl. 

C^  1.  7  lies   w.   gemarterot?     vgl.  in  dem.  von  Phff'egener  edierten 

mnd.  gedickte  des  \b  j'hs.  v.  il  vnde  leet  se  (die  Christen)  sere  marteren 
vnde  slaen.  8  die  jnajnskel  D  rot.  10  m  und  y  in  magyt  defect; 

nach  magyt  glaubte  ich  bei  anwendung  von  reagens  tzart  oder  zart  zu 
erkenne7i.  .  11  vielleicht  vor  dem  letzten  r  ein  f  oder  i   7ind  daimach 

.c.  ar?  die  nahe  liegende  reimbindung  dar :  irvar  ist  ausgeschlossen. 
12  an  der  stunt? 

Zu  B  vgl.  Oliberius  vero  mutans  vultum  iussit  eam  ante  se  adduci  et 
dixit  ad  eam:  ex  quo  genere  es  tu?  enarra  mihi,  libera  es  an  ancilla?  Beata 
Margarita  respondit:  libera  sum  ego  et  christiana.  cui  praefectus:  cuius  fide 
regeris  vel  quomodo  nuncuparis?  respondit:  nomen  meum:  Margarila  dicor. 
praefectus:  quem  deum  colis  vel  quem  deum  adoras?  ad  quem  illa :  ego 
invoco  deum  omnipotentem  et  eins  filium  dominum  Jesum  Christum,  qui 
meam  virginitatem  usque  in  praesentem  diem  illesam  alque  inviolatam  cu- 
stodivit.  praefectus  dixit:  ergo  invocas  domini  Jesu  Christi  nomen,  quem 
patres  mei  crucifixerunt?  sancta  Margarita  respondit:  patres  tui  Christum 
crueifixerunt.  ipse  autem  permanet  in  aeternum  et  regni  eius  non  erit  finis 
Mombritius.  1  die  abbreviatur  für  n  in  megetyn  ist  nicht  inehr  zu  er- 

kennen. 4  jetzt  ist  nur  noch  dy  zu  erkennen.  6  11]  vielleicht 

atich  st,  der  buchstabe  darauf  ^1     zwischen  iy  und  h  standen  möglicher 


DER  TRIERER  MARGARETENLEGENDE  399 

er  sprach  wi  hystu  genant 
bekant 
margareta 
10      vnd  .  . .  .  en  vngelouben^wydersfa 
teil  vvil  ^eZoubyn  an  iesü  crist  i" 

der  dyr  und oper  ist 

mor.     vnd 
her  an  mych 

C« 

{185/f; 

daz  mych  der  wulrich 
also  icht  vor  terbe 

vnd  daz  ich  do  mitte  kwerbe 
5  dy  hymelizche  crone 

do  sali  tu  myr  mytte  lone 
waz  daz  megetyn  gebat 


D 


do  . .  irt  g 

weise  zwei  buchstaben;  aller  dynch?     ny\]  vielleicht  stand  myt,  aber  nicht 
nye  orfer  myr.     nach  g  vielleicht  ein  m  ode?'  w?  8  von  be  nur  noch 

spuren  vorhanden ,  lies  tu  mir  dinen  gelouben  bekant?  9  lies  ich  heize 

Margareta?  10  vor  en  vielleicht  der  rest  eines  d,  lies  vnd  sol  oder 

vnd  wil  den?  12  vnd  myr  ein  sdioper  =  schepher  IT*.  32,  429  v.  101?? 

13  mor]  möglicher  weise  auch  mer;   lies  hiute   morn  vnd   alle  tach? 

14  es  sieht  so  aus,  als  habe  nach  mych:  er  sprach  gestanden. 

Zu  C^  vgl.  et  iterum  oravit  bealissima  Margarita  et  dicebat:  respice 
in  me  et  miserere  mei,  domine,  et  libera  me  de  manibus  impiorum  et  de 
manu  carnificis,  ne  forte  percussa  formidet  cor  meuni.  sed  mitte  ros  sani- 
talis  ut  mitigentur  plagae  meae  et  dolor  meus  requiescat  et  convertatur  in 
gaudium.     haec  ipsa  orabat  Mombritius.  2  wutrich,  vgl.  C'^  2;  auch 

in  der  Marter  der  hl.  Margareta  (Zs.  1,152/7)  heifst  Olibrius  so  v.  133.9 
usw.,  desgleichen  in  Sante  Margareten  niarter  (Germ.  4,440/7)  ^-  291. 
4  vor  ich  rasur  von  nochmaligem  ich. 

Zu  D  vgl.  in  unmittelbarem  anschluss  an  das  zu  C^  ausgehobene  : 
et  quaestionarii  caedebant  virgis  corpus  tenerum  et  sanguis  eius  lamquam 
aqua  de  fönte  purissimo  decurrebat.  praeco  autem  clamabat:  crede,  Mar- 
garita, crede  et  bene  tibi  erit  super  omnes  \)ae\\as  Mombritius.  2  irt]  r 
könnte  auch  als  y  gelesen  werden,  und  dann  tvird  auch  i  unsicher,  mit 
s  beginnt  ein  neues  wort. 


400  NEUE  BRUCHSTÜCKE 

blu  11 

riffe  alle 

5  grozze 

lonb.     mar  gär  et  a 
dich  nyme  sla 
all'  .  y  . .  werden 

so  nymäde  uf  der  erden 


vnd  wtricA  algemeyne 

bistv  groz  vnd  cleyne 
ach  margareta  vns  tut  ve  (190 /fj 
5      daz  vvyr  dich  suUen  nach  se 
also  iamerclichen  han 

beyde  stozzen  vnd  slan 


got 
dynen  . 
wib  V 
nv  uch  ymant  geza  . . . 

3  vor  blu  stand  vielleicht  zu ;  es  handelt  sich  wol  um  reste  von  (zu) 
bluwen  und  zart.  4  lies  do  r.  dy  knechte  a.?  5  lies  mit  grozzeme 

schalle?  6  nach   b    vielleicht   e,    lies  nv   geloube?  7  lies  sone 

wellen  wir  dich?  8  vor  y  vielleicht  b,  Jiach  y  vielleicht  st,  lies  aller 

byst  (=  beyst  =  best,  vgl.  Zs.  32,  427  v,  32)  sol  dir  w.?  doch  erscheint 
freilich  der  Zwischenraum  zwischen  .  y  . .  und  werden  für  sechs  huch- 
stahen  fast  zu  klein. 

Zu  C^  vgl.  in  unmittelbarem  anschluss  an  das  zu  D  ausgehobene :  nam 
pro  multa  sanguinis  effusione  illic  astantes  omnes  super  eam  amarissimae 
flaebant  et  dicebant  quidam  ex  iis:  o  Margarita,  vere  dolemus  te,  quia  te 
nudam  laniari  conspicimus  Mombritius.  5  nach :  nudam. 

Zu  E  vgl.  in  unmittelbarem  anschluss  an  das  zu  C^  ausgehobene  : 
oh,  qualem  decorem  propter  incredibilitatem  tuam  perdidisli.  praefectus  iste 
iracundus  est  et  perdere  te  festinat  et  delere  de  terra  memoriam  tuam. 
crede  illi  et  vives.  beata  Margarita  ita  respondit:  o  mali  consuUores,  ite 
viri  ac  mulieres  ad  opera  vestra.    mihi  autem  deus  adiutor  est  Mombritius. 

2  nach  dynen  vielleicht  b.  3  lies  wib  vnde  man  ?  4  nv  ?iicht 

absolut  sicher,  nach  geza  rauin  für  einen  buchstaben,  dann  vielleicht 
ein  ü(?),  worauf  abermals  ein  buchstabe  folgte,  am  rande  von  v.  4.5 
steht  in  drei  Zeilen,  wol  von  gleicher  hand:  Tue  manus  )  tuo  i\o(mine?)  | 


DER  TRIERER  MARGARETENLEGENDE  401 

5  kert  an  uvver  erbeyt 

dy  vch  do  heyme  ist  hereyl 
myr  MIHI  vnse  heregoit 
durch  den  .  . 


gelovbyt  got  all  eyne  (207  ff) 
der  ist  starc  vnd  her  gemeyne 
her  sy  iunc  adyr  ah 
5  beytit  her  in  e>ner  gevva?^ 
her  wrt  vry  in  syn'  piw 
her  ist  bereytir  vil  zcu  im 

sine  knechte  Sjjch 
scharfe  nagele  hart 
spart 
all'  betallyn 


vnd  slan 

F 

rin  wyzzen.  v 
.sva  tua...^(?).  8  ?iach  den  erkennt  man   noch  spuren  zweier  buch- 

staben  (er?);  lies  etwa  durch  den  erlide  ich  dise  noit?  vgl.  Marter  der  hl. 
Margareta  v.  312. 

Zu  C^  vgl.  credite  vos  in  dominum   nieum,   qui  fortis  est  in  veritate 
et  petentes  se  exaudit,  pulsanlibus  aperit  portas  paradisi  Mombritius. 

1  zeigt  den  unteren  bis  zur  ziveiten  zeile  hinabreichenden  teil  eine  ini- 
tiale in  rot,  die  vielleicht  E  oder  I  war.  2  die  zeile  ist  rot  unter- 
strichen,    g  in  got  xinsicher.             6  es  ist  nur  noch  syn  zu  erkennen. 

Zti  C*  vgl.  tunc  praefectus  iratus  iussit  eam  in  aere  suspendi  et  cum 
virgulis    acerbissimis    carnes    eius   disrumpi   Mombintius.  1   nur    die 

untere  hälfte  der  buchstaben  ist  noch  lesbar;  lies  do  zcu  s.  kn.  spr.  ? 

2  vom  h  m  scharfe  ist  nur  der  zweite  strich  noch  sichtbar;  lies  brengit 
oder  nemit  seh.  ?  in  der  Marter  der  hl.  Margareta  (358.  60)  sind  es  ise- 
nine  krüle,  scharfe  und  herte,  7nit  denen  M.  das  fleisch  vom  leibe  gezerrt 
wird.     SaJite  Margareteji  niarter  v.  256  desgleichen  mit  chreulen. 

Zu  F  vgl.  quare  adversum  me  pugiiat  ignoro.     quid  illi  nocui  ignoro, 
absorbere  me  festinat  et  in  caveam   suam  deducere  quaerit.    dum  haec  di- 
ceret  beata  lAIargarita  ,  draco  ore  aperto  posuit  os  suum  super  caput  beatis- 
Z.  F.  D.  A.    XXXIII.    N.  F.    XX[.  26 


402  TRIERER  MARGARETENLEGENDE 

.in       ge 
der  wyl  mich  xhyjrwynden 
vü(\  wil  mich  vorsZyuden 
5      daz  clait  dy  mait  czn  stüt 
der  drache  tet  vf  syne  mvni  (333) 

vnd  vor  slanc  das  gute  megetyo  (334.  337) 
in  den  vnreynen  buch  syn. 

daz  cruce  daz  iz  tet  daz  gotis  kynt  (338) 
10  daz  quam       zcu  frumen  synt 
vnd  zcu  grozzen  soldeu 

simae  Margarilae  et  linguam  suam  porrexit  super  calcaneum  eius  et  suspi- 
lans  deglutivit  eam  in  ventrem  suum.  sed  crux  Christi  quam  sibi  fecerat 
beata  Margarita  creuit  in  ore  draconis  et  in  duas  partes  eum  divisit  Mom- 
brilius.  1  r  unsichej\    zwischen  wyzzen  uyid  v  räum  für  zwei  buch- 

Stäben,  aber  nur  von  dem.  ei'steti  ist  noc/i  eine  spur  sichtbar.  2  der 

buchstabe  vor  i  vielleicht  ei?i  e,  doch  könnte  das  ivoi't  allenfalls  auch  zcu 
gelautet  haben,     e  in  ge  unsicher.  10  lies   ir.  11  o   in   solden 

gaiiz  deutlich,  andernfalls  möchte  man  seiden  vermuten. 

Tübingen.  PHILIPP  STRAUCH. 


EINE  ERGÄNZUNG  DER  WARNUNG. 

Zwischen  den  versen  3490  und  3491  von  Haupts  ausgäbe  der 
Warnung  (Zs.  1,533)  ist  der  inhalt  zweier  blätter  der  hs.  (Wiener 
hofbibliothek  nr  2696)  übersprungen:  es  fehlt  s.  297"  z.  7  von 
oben  bis  s.  301*  z.  6  von  oben,  im  ganzen  296  vv.,  die  ich  unten 
in  normalisierter  Schreibung  mitteile,  bei  der  natur  des  gedichtes 
komite  die  lücke  an  dieser  stelle  völlig  unbemerkt  bleiben,  offenbar 
lag  Haupt  eine  abschrift  vor,  deren  seilen  genau  denen  der  hs. 
entsprachen,  aber  nicht  einzeln  paginiert  waren ,  sodass  er  von  der 
anfangsseite  251"  beginnend  einfach  fortzählte  und,  um  die  differenz 
zwischen  seinen  schliefslichen  Ziffern  und  den  angaben  Hoffmanns 
und  Graffs  zu  erklären,  zu  einer  Vermutung  seine  Zuflucht  nahm 
(s.  V.  3636).  das  geht  auch  daraus  hervor,  dass  die  bll.  281.  82 
mit  279.  80  ihren  platz  vertauscht  haben:  es  gehören  nämlich 
i;y.  2273 — 2424  vor  2121,  wo  Haupt  eine  Störung  des  sinnes 
notierte,  also  rührte  die  copie  entweder  nicht  von  Haupts  hand 
her  oder  sie  war  geraume  zeit  vor  der  herausgäbe  genommen  worden, 
ersleres  ist  das  wahrscheinlichere ,  denn  eine  nochmalige  vergleichung 


EINE  ERGÄNZUNG  DER  WARNUNG  405 

der  hs.  ergab  folgende  irrtümer,  die  Haupt  allerdings  z.  t.  bereits 
durch  conjectur  entfernt  hat: 

15  hör.  hör  zefuzzen  trseit.  40  des  friundes  des  ist  ver- 
gezzen.  99  riebet,  nicht  richtet.  126chiesen,  W2cA?  schiesen. 
142  fiuchtelos,  nicht  fiuchteles.  173  als  der  da.  314  hat  dem. 
456  der  tut,  nicht  daz  tut.  627  würzen,  mcÄMvintzen.  692  er 
fehlt  nicht.  745  oder  ir  verlieset.  817  hinder  sich.  841  im. 
884  die  weile.  914  meiner,  nicht  in  einer.  1 134  christenlichen. 
1221  da,  nicht  dar.  1274  bejage.  1348  in.  1444  er  fehlt  nicht. 
1726  rüden.  1753  riebet.  1887  friut.  1998  div  inzsiget. 
2071  sein,  nicht  ein.  2118  niemen.  2392  selbes.  2173  war 
fehlt  nicht.  2182  etvvenne,  nicht  chvenne.  2233  daz  sint  gce- 
tinne.  2615  Thumber  (sie).  2643  nimmer,  nicht  immer. 
2645  mochtet  irs.  2792  wa  sol  sein  holde  beleiben.  3067  de- 
hseiner.  3090  tot,  nicht  not.  3092  was,  nicht  uns.  3204  si 
des  erwant.  3295  alsan.  3320  ir  in  soll  wol  ir  iu  heifsen. 
3445  niöcht  in.     3463  svlen.     3492  daz  c  .  . . 

[Vorstehende  dankenswerte  collation,  welche  den  text  an  fol- 
genden stellen  bessert:  15  (bor  hör  ze  pfützen  ireit).  40.  173. 
1274.  1887  (freut).  1998.  2182..  2233  7?.  daz  sint  sin  götinne, 
den).  2645.  2792.  3295  (l.  alzan ,  vgl.  zu  Erec  4178).  3320. 
3445  (mohte  in),  gibt  mir  anlass,  noch  weitere  berichtigungen, 
darunter  mehrere  graphischer  natur,  vorzuschlagen.  7 1  not.  1 1 4  so 
der.  l2&komma,  127  punct.  ]M  kolon.  148  dar.  185  nach. 
197  findet,  vgl.  1132.  200  dienst,  vgl.  2158.  2650.  3271. 
282  geslende,  zu  Neidh.  68,  30.  288  das  überlieferte  bönchust 
zu  verwerfen  liegt  kein  grund  vor.  294  punct.  334  wan  si 
werdeut  selten  gar  verlorn:  si  mit  Haupt  auf  diejenigen  zu 
deuten,  die  sich  an  die  mäie  halten ,  geht  nicht  an ,  da  vorher  und 
nachher  die  zweite  person  angewendet  wird;  ich  schreibe  daher 
verhorn  und  beziehe  si  auf  Sünden  331.  358  unt  die  werlt 
vliusel.  576  in  kann  hier  ebenso  gut  beibehalten  werden  wie  Haupt 
1381.  2280  den  accusativ  conservierte.  Qbi  punct.  691  kein  punct. 
802  guottsete.  846  entlibe,  denn  'leihen'  hätte  in  dem  zusammen- 
hange keinen  bezug.  850  ähte  vgl.  861.  878  das  überlieferte 
um  kann  bleiben.  1127  sine.  1149  waz.  1155  an.  1277  diu. 
1300  ir  ieglichem  er  nähe  g6t,  wie  Haupt  schreibt,  kann  nicht 
richtig  sein ,  denn  es  ist  immer  nur  von  einem  spieler  oder  sünder 
die  rede,    die  hs.  bietet  ir  ieglicber  naher  get ,  ebenfalls  unrichtig. 

26* 


404  EINE  ERGÄNZUNG  DER  WARNUNG 

es  stand  irrecliclie  (zornig)  er  näher  göt.  1323  keine  interpum- 
tion,  \Z1Apinct.  1453  dar,  1679  enruochet.  1778  erde /(S.,  6re 
Haupt:  l.  erge.  1808  enwage.  1836  valsche  war  beizubehalten, 
denn  tougen  wird  in  dem  gedickte  als  fem.  gebraucht,  vgl.  3443. 
*90.  1854  da.  1922  diu.  1926  froste.  1930  diu.  1945  daz. 
1968  punct.  1989  ist  %ool  nach  unt  einzusetzen  kumt.  2004  irz. 
2042  könnt,  vgl.  218.  2073  pmcf.  2120  vorkomen  scheint  ein 
schwaches  masc.  =  'vorbote'  zu  sein.  2211  das  hsliche  ez  ailez 
mtiss  beibehalten  werden.  2328  eideu  natürlich  =  egeden ,  vgl. 
auch  Zs.  2,bl\.  2357  war.  2421  dar.  2121 /"  entwichet:  er- 
blichet. 2145  enruochet.  2150  Iröuden  (geschrieben  friuden), 
vgl.  3260  und  3250  f.  2229  das  überlieferte  diget  ist  untadelUch, 
vgl.  betet  2223,  anbetet  2235.  2243.  2269  der  punct  muss  hinter 
dem  folgenden  verse  stehen.  2632  punct.  2805  vielleicht  der  es. 
3123  ungewärhch.  3308  gebrouchen  nach  der  hs.  wider  eingesetzt 
vom  Mhd.  wb.  1,  265\  3334  punct.  3388  ende.  3424  swaz. 
3524enrach,  vgl.  3536.       ST.] 

*1    Nu  sol  iu  jämer  dar  tragen 

unt  solt  got  iemer  klagen 

daz  ir  im  noch  so  verre  sit 

da  aller  wünne  wünne  lit. 
*5    diu  ergangen  missetät 

unt  dirre  werli  unrät 

unt  des  urteiles  freise 

sol  iu  machen  eise, 

daz  ir  schulde  iu  versinnet 
*  10   unt  riuwe  gewinnet. 

so  sol  iu  jämer  dar  tragen 

da  ir  6  hörtet  von  sagen, 

wie  wünneclich  da  vvsere 

an  aller  sorgen  swaere: 
*15    daz  ist  daz  himelriche 

dem  ich  niemer  geliche 

dise  werltliche  ere 

diu  endet  sich  mit  sere. 

so  sol  der  mensche  ahten 
*20   unt  alle  sache  trabten, 

wie  ez  da  unt  da  st6, 
*2  nimer  *17  wertliche 


EINE  ERGÄNZUNG  DER  WARNUNG       405 

wie  ieglich  dinc  zergö 

unt  wie  ez  ende  nemen  sol, 

daz  eine  übel,  daz  ander  wol, 

*  25    waz  süeze  oder  siure   si, 

waz  eigen  si  oder  frl, 
waz  wol  luo  oder  we, 
waz  lange  wert  oder  schien  .  j:g6, 
waz  wünne  si  oder  leit, 
*30   waz  ze  himel  oder  ze  helle  Ireit. 
waz  schcene  si  oder  unschcene, 
waz  6re  si  oder  hoene 

dem  menschen  an  der  jungisten  zit,  297^ 

s6  man  uns  allen  lön  git, 

*  35   ieglichem  als  er  gedienet  hat, 

des  ist  deheiner  slahte  rät. 
daz  sult  ir  nu  besorgen 
den  äbent  unt  den  morgen, 
die  naht  dar  umbe  wachen. 

*  40   sus  sult  ir  riuwe  machen, 

6  iu  der  tot  begrife 

unt  iu  daz  leben  entshfe. 

weit  ir  als  ein  blinder  man 

der  des  weges  niht  erkennen  kan 

*  45    äne  Stab  ungeverte  varn, 

daz  mac  niemen  bewarn, 
in  die  gruobe  müezt  ir  vallen, 
weit  ir  alle  wege  wallen. 
Sult  ir  iurem  herren  gelten 

*  50    unt  sehet  in  doch  selten, 

weit  ir  da  mit  biten 
unz  ir  in  sehet  riten, 
niemen  daz  bewarn  kan, 
er  kom  iu  zornechchen  an. 
*55   der  gelt  ist  dannoch  ungereht: 
so  vsehet  der  herre  den  kneht, 
in  den  karkser  er  in  leit, 
dö  den  gelt  daune  niemen  treit. 
*25  wa  *26  «igen  oder  fri  sei  *29  war  *45  un- 

gewerte  *49  ivren  *54  iu]  in  *58  da 


406  EINE  ERGÄNZUNG  DER  WARNUNG 

ir  Sit  ze  grözer  schulde  komen, 
*60    üf  die  s6le  habt  ir  vil  entnomen. 

iwer  fraise  erkenne  ich  wol 

unt  räle  iu  als  ein  vriunt  sol, 

daz  ir  äne  vancnüsse  bant 

e  der  scherge  dar  nach  werde  gesant 
*65   geltet  ot  enzit. 

diu  zit  iu  üf  dem  rükke  lit. 

6  ir  sin  war  habt  genomen, 

so  ist  der  jungiste  tac  komen, 

s6  habt  ir  niht  langer  frist,  298* 

*70  wan  des  herren  zorn  komen  ist. 

der  scheidet  iu  von  dem  guote 

unt  von  aller  fröuden  muote, 

von  wibe  unt  von  kinde. 

6  daz  er  danne  erwinde, 
*75   so  leit  er  iu  dar 

da  iwer  niemen  nimt  war. 

daz  fürhte  wip  unde  man 

daz  die  zit  niemen  wizzen  kan. 
Ein  man  der  hüs  bewarn  sol 
*80    der  mac  wizzen  niht  wol, 

wenne  der  diep  dar  durch  graben  wil, 

der  hilt  siner  werke  zil. 

durch  daz  schaffet  er  huote 

dem  hüse  unt  dem  guote 
*85  mit  gewarheit  alle  zit. 

der  wise  wirt  swä  er  lit 

sine  warnunge  er  hat, 

wan  ez  an  sinen  schaden  gät. 

daz  leget  für  iuriu  ougen 
*90   unt  fürhtet  die  gotes  tougen, 

wan  niemen  mac  wizzen  wol, 

wenne  sin  böte  komen  sol. 

niemen  mac  so  witzic  wesen, 

in  swelher  aht  er  wil  genesen, 
*95  ern  müeze  haben  der  liute  rät 

ob  er  lobes  6re  gerne  hat. 
*64  were  *66  v^l.   180 


EINE  ERGÄNZUNG  DER  WARNUNG  407 

wil  ieglichen  dunkeo  guot 

swes  in  bewisl  siq  eines  muot, 

da  mag  wol  im  an  missegöu 
*100  oder  küme  äne  lop  gesten. 

swer  durch  fröude  iht  tuot 

oder  durch  zorneclichen  muot 

oder  durch  des  Hbes  gelust 

ob  er  strebe  hin  ze  der  äkust 
*105  oder  durch  debeines  friundes  bet,  298'' 

6  er  kome  hin  ze  der  stet 

da  erz  wil  verenden, 

sine  friunt  sol  er  besendeo, 

einen  zwöne  oder  dri, 
*110  der  sin  ze  guolem  lobe  si. 

rätent  si  ez  geliche, 

sinem  willen  er  niht  entwiche, 

gedenke  aber  er  ez  si  boese, 

sin  herze  er  da  zerloese 
*115  von  unnülzem  muote, 

daz  kumt  im  ze  guote. 

weit  ir  nach  iurem  willen  varn 

sone  muget  ir  niemer  bewarn, 

irn  missetuol  vil  s6re 
*  120  unt  swachet  iwer  6re. 

Swaz  Sache  iu  ze  muote  si, 

da  lät  rät  wesen  bi 

eines  mannes  der  tugende  minne 

mit  wolgelobtem  sione. 
*125  sone  mag  iu  niemer  missegön 

unt  muoz  iwer  6re  wol  stön. 

swaz  iu  dar  umbe  geschiht 

s6  volget  ir  doch  dem  libe  niht. 

swer  alle  zit  im  einen  lebt 
*130  unt  nach  des  libes  gir  strebt 

unt  enruochet  wen  ez  dunket  guot 

oder  wem  ez  trüebe  sinen  muot, 

*101  frivnde  *103  durch  ...  bes  gelust,  das  punctierle  unleser- 

lich *  104  streb  hinre  *106  hinre  *  HO  sein  *  129  einem 

*  132  wen 


408  EINE  ERGÄNZUNG  DER  WARNUNG 

wer  ez  hazze  oder  mione 
oder  zorn  dar  zuo  gewinne 
*135  (daz  gct  im  allez  ze  einer  hant), 
dem  ist  schänden  schade  unerkant, 
des  mag  got  niht  ruochen, 
genäde  wil  er  niht  suochen. 
üf  anders  niht  er  sich  lAt 

*  140  wan  swaz  ie  der  tac  gemachet  hat. 

dem  ist  frömde  frumer  Hute  rät, 

gerne  er  sich  eine  begAt. 

der  ist  an  sinem  löde  verlorn,  299" 

diu  helle  hat  in  erkorn. 
*i45  nu  tuot  iwer  friheit  hin 

si  en 

daz  himelrich  si  vliuhet, 

in  die  helle  si  ziuhet. 

swer  im  einen  früude  wil  geben 
*150unt  ander  niemen  kan  geleben 

unt  tuot  ane  guoten  rät 

allez  des  er  willen  hat, 

des  enruochet  diu  werlt  noch  got 

unde  ist  des  tiuvels  spot. 

*  155  des  warne  ich  iu ,  wip  unde  man, 

wan  ich  iu  allen  guotes  gan, 

daz  ir  sölhes  lebenes  äue  sit, 

wan  der  lange  tot  dar  inne  lit. 

nu  werfet  iuren  willen  hin, 
*160  daz  wirt  iu  ein  grözer  gewin, 

da  wähset  langer  fröuden  fruht 

unt  stseter  6ren  genuht, 

tüsentvalten  wuocher  ez  git 

an  der  nötdurfle  zit. 
*165  da  füllet  denne  iuren  sac 

swaz  langer  fröuden  dar  in  mac. 
Nu  merket  um  den  armen  man 

der  guotes  niht  gewinnen  kan 

wan  einen  metzen  kornes, 

*135  ze  fehlt  *146  etwa  si  engit  iu  keinen  gewin  *149  eine 

*157  leben 


EINE  ERGÄNZUNG  DER  WARNUNG  409 

*no  des  fürhlet  er  verlornes 

bßdiu  späte  unde  fruo. 

niht  weiz  der  arme  waz  er  tuo. 

er  gedenket:  gizze  ich  daz  körn, 

so  ist  ez  öwicliche  verlorn, 
*175  stelent  ez  aber  die  diebe, 

elliu  diu  liebe 

die  ich  dar  an  gewendet  hän 

die  muoz  ich  ab  dem  herzen  lan. 

nu  im  diu  angest  zuo  gel 
*180  unt  er  in  grözem  zwifel  stet, 

s6  koment  sine  sinne  299*^ 

unt  rätent  nach  gewinne. 

so  beginnt  er  denken  an  die  stat 

da  sie  gewinnent  allen  rät: 
*  185  die  den  sumer  habent  ze  sniden 

die  muoz  der  hunger  miden. 

nu  siuftet  der  arme  genöte, 

in  jämert  nach  dem  bröte. 

doch  gevaet  er  ze  jungist  einen  muot 
*190  also  der  wise  mau  tuot 

unt  vindet  daz  michel  bezzer  ist 

ein  ncetlichiu  kurze  frist, 

denne  iemermer  übelleben. 

sinem  zwifel  beginnt  er  ende  geben. 
*195  einen  acker  er  im  suochet 

des  doch  niemen  enruochet. 

sin  körn  säet  er  dar  an 

so  er  aller  beste  kan, 

des  er  eine  wlle  solde  leben. 
*200  der  erde  hat  erz  gegeben, 

daz  der  säme  sterbe 

unt  grözen  frum  erwerbe, 

als  ez  an  daz  snit  g6, 

daz  er  dar  nach  vroeliche  st6 
*205  ob  manegem  mutte  kornes 

des  er  da  wände  verlornes. 

*173g3ezze  *\%0\m^r ...n,  das punctierte unleserlich  *183ge- 

dencchen         *189gevaehet        *194  er  ein  ende        *203sint         *206daz 


410  EINE  ERGÄNZUNG  DER  WARNUNG 

habt  ir  daz  rehte  vernomeD, 

waz  dem  armen  ist  komeu 

von  einem  metzen  guotes? 
*210  nu  ist  er  fröes  muotes. 

den  selben  metzen  miiezt  ir  säen, 

weit  ir  sniden  unde  msen 

daz  (^wige  riebe 

mit  den  engelen  gelicbe. 
*215  der  metze  ist  iwer  iegliches  lip, 

daz  wizze  man  unde  vvip, 

den  müezet  ir  dar  umbe  geben,  300" 

weit  ir  in  dem  himelriche  leben. 

nu  änet  iu  kurzer  fröude  hie 
*220  diu  doch  mit  riuwen  ie  üz  gie. 

swie  harte  sie  iu  ze  herzen  llt 

si  Iset  iu  an  der  liebsten  zit. 
Nu  kiuse  ich  jämer  aller  meist, 

daz  iu  volgel  der  geist 
*225  nach  allem  iurem  muote 

unt  hat  iu  uiht  in  huote, 

daz  er  niht  widerstrebet, 

so  ir  üf  sinen  schaden  lebet. 

daz  machet  diu  gröze  minue 
*230  die  er  mit  allem  sinne 

her  ze  dem  lichnamen  hat, 

wan  er  sin  hüs  ist  unt  sin  wät. 

er  ist  dicke  aller  fröuden  blöz, 

wan  sin  angest  diu  ist  gröz. 
*235  sä  ze  der  selben  vrist 

der  mensche  swseres  muotes  ist 

unt  gehabt  sich  undäre 

unfroelicher  gebäre 

unt  vsehet  sich  harte  träge. 
*240  nach  maneger  liute  vräge 

kan  er  niemen  gesagen 

waz  leides  sine  sinne  tragen. 

sin  gemüet  daz  ist  ot  swaere 

*210  höes,  k  tmdeuüich  *222  liebisten.    vgL3'2ia  *226  niht 

fehlt  *231  leichname  *239  scheint  verderbt 


EINE  ERGÄNZUNG  DER  WARNUNG  411 

unt  fröude  unmaere. 
*245  die  wile  sihet  der  geist  wol, 

waz  iu  beiden  geschehen  sol.    ' 

mag  ez  iu  ze  hoeren  gezemen 

unt  weit  ir  gerne  vernemen, 

ich  sage  iu  rehte  waz  ez  ist: 
*250  daz  der  geist  sihet  die  frist 

der  helle  ungebaere 

unt  maneger  wize  swaere 

unt  aller  unsenfte  not  300^ 

unt  den  ewigen  tot. 
*255  daz  strenge  gerihte 

stöt  im  ze  gesihte 

unt  der  gotes  vorhllich  zorn 

da  von  die  selben  werdent  vlorn, 

der,  lichname  hie  tuot 
*260  allez  daz  in  dunket  guot. 

so  erz  allez  ersehen  hat 

ein  gröziu  angest  in  bestät. 

vor  forhten  er  sich  enphnüttet, 

.den  lip  er  danne  schüttet: 
*265  geschözet  ist  daz  genant. 

so  hat  der  geist  den  tot  erkant. 
Welt  ir  nu  iemer  genesen, 

s6  sol  daz  iwer  sorge  wesen 

bödiu  späte  unde  fruo, 
*270  wenne  diu  freise  sliche  zuo 

die  der  geist  hat  ersehen 

unt  iu  beiden  mag  geschehen. 

ob  irz  niht  underkomen  weit, 

so  Sit  ir  nämliche  gezeit 
*275  der  helle  ze  ingesinde 

unt  dem  tiuvel  ze  einem  kinde. 

die  helle  hungert  s^re, 

gerne  het  si  liute  möre. 

daz  ist  ein  vorhtlichiu  not. 
*280  si  durstet  üf  iuren  tot. 

weit  ir  daz  niht  entsitzen, 
252  vn  *258  /.  seien?   verlorn  *280  sei 


412  EINE  ERGÄNZUNG  DER  WARNUNG 

so  lebt  ir  niht  mit  vvitzen, 

got  hat  iwer  vergezzen. 

üf  die  Sünde  sit  ir  gesezzen 
*2Sd  diu  vil  hoele  füeze  hat, 

ir  sole  gegen  der  helle  gut 

als  üf  einem  giaten  ise. 

irn  Sit  niht  sselden  wise, 

wan  ir  da  trovvet  üf  vvesen 
*290  da  der  tiuvel  selbe  niht  mag  genesen. 

er  wsere  vil  gerne  anderswä,  30  T 

er  wonet  vil  ungerne  da. 

weit  ir  von  der  helle  keren, 

einen  rät  vvil  ich  iu  Ißren 
*295  der  iu  gevvisliche  nert 

unt  iu  den  vvec  dar  wert. 
3491  unser  herre  daz  vil  wol  siht  usw. 

*287  glat  *289  wa..      bowel  *290  niht  mag]  enmag? 

Berlin.  K.  BORINSKI. 


BEMERKUNGEN  ZU  DEN  DENKMALERN. 

1.     Zum    Hildebrandslied. 

Hildebrand   fragt  den  Hadubrand  v.  8ff,  wer  sein  vater  sei 
und  aus  welcher  familie  er  stamme,    zwischen  den  beiden  fragen 
ist,  wie  die  fehlende  allilteration  lehrt,  eine  lücke.    sie  enthielt 
kaum  etwas  anderes  als  eine  dritte  frage,  wer  Hadubrand  selbst 
sei,  wie  er  selbst  heifse.     so  liefse  sich  etwa  ergänzen 
huer  sin  fater  wart 
fireo  in  folche:       'mi  is  des  firiuuit  mikil. 
chüdi   mi   dinan   namun'  eddo  huelihhes   cmiosles 

du  sis. 
im  gründe   ist   es   nur  eine   und  dieselbe  frage,   denn  fährt  der 
alte  fort  ibu  du  mi  enan  sages ,  ik  mi  de  ödre  uuet :  chiid  ist  mi 
al  irmindeot,   so  ergibt  sich,   dass  er   dem  gegner  die   auswahl 
lassen   kann,    weil   er,    sofern  jener   nur  überhaupt  antwortet, 


BEMERKUNGEN  ZU  DEN  DENKMÄLERN     413 

doch  zum  ziele  gelaugt,  zur  ergäuzung  der  ersten  zeile  habe 
ich  mich  einer  im  Heliand  mehrfach  gebrauchten  formel  bedient. 

Sowol  nach  22  als  auch  nach  48  schlägt  Müllenhoff  Um- 
stellungen vor.  die  erste  nur  mit  vorsieht,  und  sie  ist  auch 
entbehrlich,  sollte  25  die  begrUndung  für  Hildebrands  abzug 
enthalten,  so  miiste  der  vers  nicht  lauten  er  was  Otachre  ummett 
irrt,  sondern  imo  was  Otachar  ummett  irrt,  auch  bei  der  über- 
lieferten Stellung  konnte  der  scbreiber  durch  Deotrichhe  in  v.  26 
auf  23  zurückgeführt  ^verden.  ebenso  möchte  ich  an  der  zweiten 
stelle  die  tradition  verleidigen.  nach  Müllenhoff  schreitet  die 
Unterredung  folgender  mafsen  fort. 

Hadubrand  sagt  38  —  44  'du  willst  mich  teuschen,  du  bist 
nicht  mein  vater,  denn  der  starb  in  der  ferne'.  45  —  48  Hilde- 
brand erwidert  'du  siehst  stattlich  aus  und  bist  noch  nie  ver- 
trieben worden.  55 — 57  bist  du  aber  tapfer  genug,  dann  kannst 
du  jetzt  von  einem  ebenso  vornehmen  mann  beute  gewinnen. 
49 — 54  wehe,  mich  wird  nun  mein  eigner  söhn  erschlagen  oder 
ich  ihn.  58  ff  denn  der  sei  der  ärgste  feigling,  der  jetzt  nicht 
kämpfen  will',  der  beginn  von  Hildebrands  antwort  ist  sonderbar, 
schliefst  Hadubrand  seine  rede  'du  bist  nicht  mein  vater',  so 
muss  Hildebrand  zunächst  antworten  'der  bin  ich  doch!'  sowol 
nach  der  hs.  als  auch  nach  Müllenboffs  anordnung  weicht  er 
aber  geradezu  aus ,  macht  sich  erst  recht  verdächtig  und  be- 
schleunigt damit  den  kämpf,  den  er  doch  vermeiden  will,  das 
hineinziehen  der  stattlichen  ausrüslung  knüpft  Müllenhoff  an  das 
verschmähen  der  ringe  und  lässt  von  diesem  gedanken  auch  das 
folgende  noch  beherscht  sein :  'wol  sehe  ich  dass  du  einen  guten 
herrn  daheim  hast  und  meiner  gäbe  nicht  bedarfst;  aber 
wenn  du  so  streitlustig  bist  und  gut  nur  durch  Waffen- 
gewalt gewinnen  willst...',  die  gesperrten  worte  sind 
hineingelegt,  es  steht  nichts  von  ihnen  im  text  und  ohne  sie 
fehlt  die  von  Müllenhoff  gesuchte  Verbindung  zwischen  den  Sätzen 
und  gedanken.  auch  wie  Müllenhoff  weiter  erklärt  'suche  dir 
einen  andern  gegner,  du  findest  noch  ebenso  vornehme 
wie  ich  bin',  ist,  abgesehen  von  der  unrichtigen  auffassung  des 
in  sus  heremo  man,  worüber  Edzardi  Beitr.  8,  484  ff,  nicht  die 
einzig  mögliche  auffassung  der  verse  55  ff,  welche  auch  bei  der 
hslichen    reihenfolge   einen   andern,    guten   sinn    haben    können. 

Nach  der  hs.  nämlich  hat  sich  Hildebrand  Hadubrauds  vater 


414     BEMERKUNGEN  ZU  DEN  DENKMÄLERN 

genannt  —  das  muss  in  der  lUcke  nach  32  gestanden  haben  — 
und  bietet  ihm  goldene  armringe  an,  welche  er  von  Etzel  erhielt. 
Hadubrand  lehnt  sie  ab  und  schilt  den  alten  einen  betrilger,  denn 
sein  vater  sei  tot.  darauf  beteuert,  was  fehlt,  Hildebrand  seine 
Vaterschaft,  Hadubrand  aber  hält  ihm  entgegen  'deutlich  sehe 
ich  an  deiner  riistung  dass  du  in  der  heimat  einen  guten 
herrn  hast  und  so  lauge  er  herschte  noch  nicht  vertrieben 
Avurdest'.  das  heifst  'du  kannst  schon  deshalb  nicht  mein  vater 
sein,  weil  du  viel  zu  gut  für  einen  recken  aussiehst,  und  das 
war  mein  vater'.  46  —  48  gehören  also  dem  söhne,  nicht  dem 
vater,  und  seine  antwort  ist  nach  der  einleitenden  formel  45  Hilti- 
braht  gimahalta,  Heribrantes  suno  ausgefallen,  nach  48  dagegen 
fehlt  nichts,  wie  daraus  erhellt,  dass  Hildebrand  auf  die  bemerkung, 
er  sei  kein  recke,  sofort  seine  30  wanderjahre  hervorhebt,  er 
bleibt  aber  nicht  bis  zum  beginn  des  kampfes  der  redende, 
sondern  seinen  worten  53  f  'jetzt  wird  mich  mein  eigner  söhn 
erschlagen  oder  ich  sein  mörder  werden'  setzt  Hadubrand  55 — 58 
den  höhn  entgegen  'und  doch  vermagst  du  jetzt  leicht  (darauf  liegt 
der  ton)  bei  einem  so  vornehmen  manne  (nämlich  wie  ich  bin;  vor- 
nehm, und  ZAvar  ohne  jede  rücUsicht  auf  das  alter,  heifst  aber  her 
doch  auch)  spolien  davon  zu  tragen,  wenn  du  nämlich  (erneuter 
höhn)  darauf —  dar,  nicht  dar —  irgend  ein  recht  hast',  und  nun 
Hildebrand  58 — 62  im  höchsten  zorn  der  si  doh  nü  argösto  östar- 
liuto,  der  dir  nü  wiges  warne,  jetzt  nach  dieser  beleidigung. 

Erschiene  meine  interpretation  annehmbar,  so  würde  der  für 
das  lied  characterislische  dialog  weiter  ausgesponnen  und  zur 
höchsten  dramatischen  Steigerung  geführt,  und  man  ersparte  sich, 
was  gevvis  bei  einem  so  ehrwürdigen  denkmal  willkommen  sein 
wird,  mehrere  änderungen  am  überlieferten. 

2.    Zum   Wiener    hundsegen. 

Der  Segen  besteht  aus  versen  von  vier  hebungen ,  wovon 
nur  die  beiden  geleite  dero  zohöno  und  ode  heido  eine  ausnähme 
machen  und  der  erste  halbvers.  die  drei  hebungen  der  geleite 
sind  erklärlich,  nicht  die  der  anfangszeile,  doch  ist  da  leicht  zu 
helfen,  denn  zweimal  noch  hat  Christ  das  epitheton  der  heiligo, 
und  setzen  wir  der  heiligo  Christ  an  die  stelle  des  kahlen  namens, 
so  ist  die  fehlende  hebung  gewonnen,    ob  im  folgenden  halbvers. 


BEMERKUNGEN  ZU  DEN  DENKMÄLERN     415 

die  ergäüzung  mias  notwendig  ist,  dünkt  mich  zweifelhaft,  da 
man  zu  dem  elhptischen  satze  er  uuolf  ode  deob  (oder  vielmehr 
dioh ,  Braune  Beilr.  4,  561  anm.)  gaboran  uuart  aus  den  ersten 
Worten  entnehmen  kann. 

3.    Zu  Contra  vermes. 

Wie  im  Wiener  hundsegen  mischen  sich  auch  in  diesem  auf 
sonderbare  weise  Zeilen  von  drei  und  vier  hebungen.  von  den 
11  halbversen  des  Spruches  haben  8  vier,  der  4.  6.  8  aber  nur 
drei  hebungen,  und  diese  auch  blofs  dann,  wenn  man  die  drei 
einsilbigen  Wörter,  aus  welchen  jeder  besteht,  drei  tacte  bilden 
lässt;  wo  nicht,  ergeben  sie  gar  nur  zwei  hebungen  mit  da- 
zwischen stehender  Senkung,  indes  kann  man  bequem  die  2  bis 
5  langzeile  als  kurzzeilen  fassen: 

nt  fäna  themq  mdrge  an  that  hm,  fdn  themp  bene 

an  that  flesg, 

nt  fdn  themq  flesge  dn  thia  hüd,         [nt]  fan  therq  hud 

an  thesa  strdla. 
die  ersten  halbzeilen  beginnen  mit,  die  zweiten  ohne  iit.  die  Stel- 
lung der  allitterierenden  Wörter  ist  durch  den  Inhalt  bedingt,  es 
ist  aber  wenigstens  Stabreim  vorhanden ,  welcher  nach  der  auf- 
fassung  in  den  Denkmälern  fehlt,  die  form  B  lässt  sich  ent- 
sprechend gestalten,  sobald  man  nur  statt  fonna  vonna  das  übliche 
fona  vona  schreibt. 

4.    Zum  Lud wigsliede. 

Im  anschluss  an  die  note  zu  v.  42  halte  ich  bereits  Anz. 
IV  273  bemerkt,  dass  die  bewaffuung  lediglich  mit  schild  und  sper 
keineswegs  immer  auf  eile  deute,  und  belege  dafür  gegeben,  ich 
kann  noch  Otfr.  iv  17,  9  hinzufügen  ther  ana  seilt  inti  ana 
sper  so  fram  firliafi  in  thaz  giwer.  auch  au  Tacitus  Germ.  6 
sei  erinnert  et  eques  quidem  scnto  frameaque  contentus  est  und 
an  die  Heruler,  welche  nach  Prokop  BP  2,  25  nur  mit  schild  und 
sper  und  nackt  kämpften  (DAK  ii  78  anm,).  schild  und  sper  sind 
die  notwendigsten  schütz-  und  trutzwaffen  und  die  repräsentanten 
aller,  —  zu  v.  45  ist  bemerkt,  das  praesens  historicum  sei  'aus 
unsern  alten  quellen'  nur  durch  diese  stelle  des  Ludwigsliedes 
zu  belegen,  und  auf  Gr,  4,  145.  142  f  verwiesen,  wo  von  dem 
besonderen,   auch   hier   zutreffenden  fall   der  vergegenwärtigung 


416     BEMERKUNGEN  ZU  DEN  DENKMÄLERN 

durch  den  erzähler  die  rede  ist.  dieser  gebrauch  wird  am  meisten 
deutlich  durch  die  auch  von  JGrimm  angeführten  stellen  aus  dem 
Salman  und  Morolt,  an  welchen  der  leser  ein  trinken  fordert, 
indem  er  recapitulierend  sagt  nu  ist  verraten  kiinic  Sahndn  udgl.: 
'meine  erzählung  ist  jetzt  an  den  punct  gelangt  wo.  .  .  '.  für 
ein  würklich  erzählendes,  nicht  blofs  urteilendes  praesens  wüste 
ich  aus  älteren  mhd.  denkmälern  nur  zwei  belege  anzuführen. 
Wiener  Gen.  75,  23  steht  neben  lauter  praeleritis  im  praesens 
daz  gesiine  ime  tunchelöt.  daz  tet  iz  durch  not:  er  was  ein 
altman,  er  ni  mähte  nieht  heitere  chiesan.  tunchelöt  ist  den  be- 
schreibenden praeleritis  was  mähte  durchaus  gleichwertig  und 
wird  obenein  durch  das  praeteritum  tet  wider  aufgenommen, 
doch  spielt  hier  der  reimzwang  mit  und  es  wäre  vielleicht  sogar 
ein  tunchelote  mit  kurzem  o  möglich,  wiewol  auch  die  Milslätter 
hs.  105,  31  das  praesens  hat.  nicht  einmal  voll  erzählend  mehr 
ist  das  praesens  im  Rother  3495  vB.:  Der  zit  it  nahen  began. 
sich  vazzede  manich  man  in  die  grözen  herevart  die  Röther  ge- 
lovet  hat.  das  praesens  oder  perfectum  gelovet  hat  steht  hier  in 
einem  relativsatze ,  kann  sowol  die  fortdauer  des  gelobnisses  be- 
zeichnen als  auch  ein  hineinziehen  der  hürer  bezwecken,  in  so 
fern  der  dichter  nicht  erzählt,  sondern  die  bereits  bekannte  tat- 
sache  nur  constatiert.  so  braucht  man  an  die  mögliche  änderung 
die  Röthere  gelovet  wart  gar  nicht  zu  denken,  vielleicht  achten 
oder  achteten  auch  andere  auf  die  erscheinung.  Erdmann  gibt 
in  seiner  Syntax  §  140  nicht  eben  m.ehr  und  anderes  als  JGrimm, 
Paul  brauchte  in  seiner  knappen  darstellung  diesen  punct  nicht 
zu  berühren. 

V.  57  geben  die  Denkmäler  Knning  uuigsdlig,  ein  sonst  nicht 
belegtes,  aber  sehr  wol  denkbares  adjeclivum.  von  einem  g 
fanden  aber  sowol  Arndt  als  Holder  keine  spur,  vielmehr  lasen 
beide  kuninge  (oder  Kimige)  ui  salig,  das  e  muss  also  ver- 
wertet werden,  wenn  es  auch  nicht  zu  Kuning  gehören  kann, 
möglich  ist  wol  nur  Kiining  euuin  sälig.* 

5.    Zu  Psalm  cxxxviii. 

Weshalb  ist  v.  16 

ih  uueiz  daz  din  naht         mach  sin  so  Höht  also  lach 
[*=  dieselbe  conjectur  hat  mir  auch  EMarliii  für  die   neubearbeituug  der 
Dkm.  mitgeteilt.      ST.] 


BEMERKUNGEN  ZU  DEN  DENKMÄLERN     417 

der  reim  mach :  lach  verschmäht?  er  ist  reiner  als  naht:  lach  und 
aufserdem  wird  die  erste  halbzeile  glatter,  wenn  man  das  hilfs- 
verbum  von  seinem  inflnitiv  trennt,  bedenken  kann  das  nicht 
erregen. 

6.    Zum  Georgslied. 

Der  verderbten  stelle  v.  49  hat  auch  Zarncke  nicht  auf- 
zuhelfen vermocht,  ich  wage  einen  Vorschlag,  welcher  der  hslichen 
la.  nahe  zu  bleiben  strebt,  sie  lautet  Do  seGita  : :  kobet  •  ihz  ■  ih 
betamo  •  Gelnobet  ehz.  in  kobet  ihz  und  Geluobet  ehz  scheint  mir 
dasselbe,  nur  falsch  widerholt  zu  stecken,  nämlich  geloubet  iz, 
wogegen  der  schluss  des  verses  wegfiel.  Tacianus  heifst  Georg 
sagen,  wodurch  er  seine  wunder  verrichte  —  denn  so  wird  man 
doch  hiez  en  sdr  spreckan  auslegen  müssen,  darauf  kann  nicht 
wol  ein  gebet  die  antwort  sein,  vielmehr  Georg  nur  erwidern 
'durch  Christus':  dö  segita  er  'geloubet  iz,  ih  bet  an  den  hei- 
legen  Crist.     dagegen  seit  ihr  dem  teufel  verfallen'. 

In  den  Zeilen  59.  60  hat  Zarncke  mit  recht  die  reihenfolge 
der  hs.  beibehalten,  denn  Hautps  reim  nfihellehunt  ist  bedenk- 
lich, natürlich  können  Gorjo  huob  dia  haut  nf,  erbibinöta 
Abollin  nicht  reimen  und  Zarncke  nimmt  daher  ausfall  zweier 
letzter  halbzeilen  an.  da  heben  aber  an  sich  schon  aufheben  be- 
deutet, liegt  sehr  nahe  huob  dia  hant  sin. 

7.    Zu  Herig6r. 

Das  gedieht,  dessen  schlusswort  fehlt,  klang  vielleicht  mit 
einem  doppelreim  aus:  cave  ne  furtum      facias  spur  cum. 

8.    Zu  Meregarto. 

1,  21  f  las  HofTmann  fon  . ...  ist ,  Kelle  fonne  meres  stad  . . . 
MüUenhoff  schrieb  als  'notbehelf  Nu  sage  uuir  zerist  fonnemo 
mere  so  iz  ist.  für  so  wäre  jedesfalls  wie  (Schade,  vgl.  Germ. 
9,  60)  oder  wielch  zu  setzen,  stad  kann  nicht  richtig  gelesen 
sein ,  da  nicht  von  den  gestaden ,  sondern  den  wassern  der  meere 
berichtet  wird,  das  wort  mere  muss  notwendig  in  der  zeile  vor- 
gekommen sein ,  das  lehrt  die  beischrift  De  Maris  Diuersitate, 
und  das  reimwort  muss  auf  ist  ausgegangen  sein,  entweder 
wurde  dies  oder  mere  durch  fon  regiert  und  in  fonne  steckt  fon 
Z.  F.  D.  A.    XXXIII.    N.  F.   XXI.  27 


418     BEMERKUNGEN  ZU  DEN  DENKMÄLERN 

mit  dem  genetiv  oder  dativ  des  arlikels.  ist  der  gen.  meres 
sicher,  so  könnte  man  denken  an  fon  des  meres  sunderwist.  stad 
wäre  aus  sud  verlesen  und  das  nach  den  Wörterbüchern  aller- 
dings nicht  belegbare  sunderwist  'eigenartiges  wesen'  liefse  sich 
zu  mitewist  stellen,  wahrscheinlicher  aber  dünkt  mich  fon  demo 
mere  stmderlist  oder  noch  besser  starken  list,  'erstaunliche  kennt- 
nisse'. 

[Durch  eine  anfrage  Steinmeyers  werde  ich  darauf  aufmerk- 
sam ,  wie  viele  kleine  änderungen  Müllenhoff  an  dem  überheferten 
text  des  Meregarto  vorgenommen  hat.  sie  sind  keineswegs  alle 
notwendig,  eine  anzahl  wird  Steinmeyer  beseitigen,  auf  andere 
sei  hier  hingewiesen. 

1,  5  schreibt  Müllenhoff  manic  michiler  se,  die  hs.  mayiic 
michil  se\  dass  beide  atlribute  unflectiert  sind,  kommt  vor  und 
der  vers  genügt  für  die  Übergangszeit  vom  ahd.  zum  mhd.  man 
vgl.  Wiener  Exod.  88,  14  scelten  grözze.  94,  13  den  selben  man. 
Milst.  Exod.  155,  5  aller  mittir  naht.  160,  17  manich  zeichen 
rot.  nicht  einmal  positiou  durch  auslaut  und  anlaut,  welche 
Scherer  QF  i  73  für  solche  knappen  Zeilen  verlangt,  ist  erforder- 
lich: Milst.  Exod.  142,  10  lautet  ir  hruodir  ir.  152,  32  hindir 
uns  bestdt  usw.  und  sie  sind  so  wenig  anzufechten  wie  bei 
Olfrid  ubar  sunnnn  Höht,  was  allerdings  von  all  den  beispielen, 
die  Wilmanns,  Altd.  reimvers  §  78  im  anschluss  an  Hügel  zu- 
sammenstellt, das  einzige  ganz  sichere  ist.  doch  brauchen  wir 
deswegen  an  der  richtigkeit  der  überUeferung  bei  diesen  frühmhd. 
denkn)älern  nicht  zu  zweifeln:  sie  kennen  noch  nicht  den 
klingenden  reim,  sodass  michü  zeichen  bruodir  im  versausgange 
zwei  icten  trügen,  und  für  das  innere  genügt  schon  eine  ge- 
schlossene kurze  flexionssilbe  zur  füllung  eines  ganzen  tactes. 
daher  darf  man  auch  1,  7  mit  der  hs.  icazzer  gnuogtu  statt 
Müllenhoffs  ginuogiu  beibehalten,  während  2,  47  über  chnrze 
stunt  bedenken  erregt,  die  sich  freilich  durch  einschub  von  vil 
besser  beseitigen  liefsen  als,  woran  Steinmeyer  mit  recht  anstofs 
nimmt,  durch  Müllenhoffs  stunt e :  gesunte  als  ntr.  plur.  auch 
2,  112  mit  ih  sag  iu  und  115  der  onh  ieht  firstilit  zwingt  uns 
das  metrum  nicht  die  längeren  formen  imte  sage  iewiht  mit 
Müllenhoff  einzuführen,  weshalb  sollen  ferner  einige  dreisilbige 
auflacte  in  diesen  ungelenken  versen  getilgt  werden?  1,  65 
er  wäre   uuilen    (hs.  uuile)    givarn   in   Islant    ergibt   die  auf- 


BEMERKUNGEN  ZU  DEN  DENKMÄLERN      419 

nähme  von  uuüen  allerdings  leichte  zweisilbige  Senkung,  doch 
liefse  ich  sie  durchgehen,  denn  2,  79  zuene  prunnen  sint  in 
Sicilia  ist  sie  auch  vorhanden,  wenn  man  nicht  mit  Müllenhoff 
sint  streicht.  Lachmann  hätte  vielleicht  prunn  oder  prunnn  ge- 
schrieben, wie  analoge  fälle  in  seinem  Walther  und  Wolfram  zu 
vermuten  erlauben,  und  dadurch  zwar  einsilbigkeit  für  das  äuge, 
aber  nicht  für  die  spräche  hergestellt.  2,  73  haben  wir  synärese 
anzunehmen:  ein  icazzer  si  in  Campdnia,  daz  nieman  si  so 
umhdra.  Müllenhoff  tilgt  daz  und  zerstört  dadurch  die  echt 
altertümliche  weise,  in  welcher  dem  consecutiveu  daz  kein  'so 
beschaffen'  vorangeht  und  schliefslich,  weil  noch  zwei  bedingungs- 
sätze  nachgeholt  werden,  die  begonnene  construclion  verlassen 
wird.  2,  43  Müllenhoff  Ein  prunno  wiz  pi  Röme  statt  des  hslichen 
Ein  wizzer  prunno.  2,  77  die  gihalten  miellent  iro  gibnrt,  hs.  die 
ouh  gih.:    es  wird  noch  etwas  hinzugefügt,  deshalb  ouh. 

1,  35  braucht  get:röt  nicht  verändert  zu  werden.  44  hs. 
zi  des  meris  parm,  woraus  Müllenhoff  um  des  verses  willen  wnz 
in  d.  m.  p.  macht,  näher  läge  nider  zi.  sollte  nicht  ze  einen 
ictus  tragen  dürfen ,  wenn  der  dem  satzton  nach  doch  schwächer 
betonte  artikel  darauf  folgt?  die  Lachmannschen  zuo  für  ze  (zb. 
Nib.  22,  4.  127,4,  vgl.  zum  Iw.  5873)  scheinen  mir  mindestens 
zum  teil  \insicher. 

1,  66  hs.  michiln,  Müllenholf  unnötig  michilin.  74  hs.  si, 
Müllenhoff  sie.  vgl.  aber  1,  43.  46.  47  usw.  75  fon  diu  wirf 
daz  IS  da  zi  christallan  so  herta.  so  man  fiur  dar  uhera  machöt 
unzi  diu  christalla  irgluot.  so  herta  unzi?  doch  wol  daz.*  91  in 
der  hs.  uuerdent  dei  uuazzer  zisamine  gimiscit.  Müllenhoff  uuer- 
dent  st  gimiscit.  man  kann  sich  enger  an  das  überlieferte  halten: 
uuerdent  dei  zisamine  gimiscit.    10.  2.  89.] 

9.    Zum  Friedberger  Christ  und  Antichrist. 

Nach  den  zum  anfang  gegebenen  parallelen  kann  kaum 
zweifelhaft  sein,  dass  auf  daz  querder  was  dv  mennescheit.  der 
folgte  angel  was  dv  gotheit.  dem  reiniworte  here  muss  das  dazu 
gehörige  voran  gegangen  sein,  da  die  herstellung  der  schlussreime 

[*  ich  teile  Roedigers  bedenken,  glaube  jedoch,  dass  ihm  auch  ohne 
conjectur  abgeholfen  werden  kann ,  wenn  man  Schades  interpunction  (Decas 
s.  20)  acceptiert:  punct  (oder  kolon)  nach  v.  76,  komma  nach  v.  78.      ST.] 

27* 


420     BEMERKUNGEN  ZU  DEN  DENKMÄLERN 

des  abschnittes  gevangan :  Leviathan  sicher  ist.  Weigand  las  ich 
(i  zweifelhaft)  der  in  daz  m.  m  bezeichnet  er  allerdings  auch 
als  zweifelhaft ,  aber  was  sollte  darin  stecken,  als  der  anfang  des 
auf  here  reimenden  mereV  in  das  meer  wird  daz  querder  ge- 
worfen: der  ist  erhalten,  das  unsichere  ich  dürfte  der  rest  von 
daz  sein,  wobei  an  die  bekannte  ähnlichkeit  von  z  und  h  zu 
denken,  es  folgte  nun  etwa  daz  (nämlich  querder)  hild  daz 
himelisca  here  —  die  beiden  letzten  worte  sind  fast  ganz  unver- 
sehrt, darnach  mit  /  m  ;  wart  gevangan  der  nidigo  leviathan. 
'mit  m',  sagt  Weigand,  'weifs  ich  hier  nichts  anzufangen,  wenn 
nicht  zu  ende  der  zeile  5  [der  vorhergehenden]  die  erste  silbe 
von  deme  ausgefallen  ist',  eher  mag  das  angebliche  m  ein  i  mit 
den  zwei  ersten  grundstrichen  eines  folgenden  m  sein,  also  mit 
imo  zu  ergänzen. 

In  den  nächsten  Zeilen  steht  sowol  nach  dem  text  der 
Denkmäler  als  auch  nach  Bartschs  Vorschlag  Germ.  9,  61  zweimal, 
dass  Johannes  kam  : 

Denkm.     Do  qtiam  der       man 

der  vns  was  geheizan, 

den  di  prophelun 

gewissaget  Äaduu. 

do  irskein  der       mau 

der  prophetiam  1 :  ewau, 

Johan7ies  baptista, 

er  luthet  vns  wer  Christo. 
Bartsch  D6  kom  der  heiligo  man 

der  uns  was  geheizan, 

den  di  prophetun 

gewissaget  hddun. 

dö  irskein  der  fröno  man 

der  prophetiam  verwan, 

Johannes  baptista. 

er  h'ihtet  uns  vor  Krista. 
'die  ergänzung  ist  wol  'leicht',  sagt  Müllenhoif  in  der  anmerkung, 
auf  Bartschs  worte  anspielend ,  'aber  darum  keineswegs  so  ganz 
sicher',  ich  fasse  die  beiden  dö  als  correlativa.  dann  muss  das 
erste  eine  Zeitbestimmung  einleiten,  und  diese  kann  der  satz 
auch  enthalten ,  wenn  man  das  noch  vorhandene  D  nicht  zu  Do 
ergänzt.  Matth.  3,  1  lautet:  in  diebus  autem  Ulis  venit  Johannes 
Baptista,  wonach  ich  vermute 


BEMERKUNGEN  ZU  DEN  DENKMÄLERN      421 

(Dö)  daz  zit  nahen  (oder  nehen)  began 
oder  (Dö)  daz  zit  begunde  ndhan  (oder  nehan) 

daz  uns  was  geheizan, 
daz  dt  prophetun 
gewissaget  hädun, 
nun  eine  überaus  liäulige  lormel 

dö  irskein  der  heriste  man 
der  prophe'tiam  i  gewan. 
das   überlieferte  Christo :  baptista   mit  Bartsch    in  Krista  zu  ver- 
wandeln   ist  unnötig,    denn    D**  4    reimt   were :  Jndeönim ,   F^  6 
he'rren  :  Galyleam,  28  herro  :  Magdale'ne,  G'  82  döde  :  vöbis,  W  151 
gebrddan : kdritdte,  161  Oliveliihdlta,  H''  19  Galilei ihimile. 

Auf  xpö.  folgt  g.  dazu  Weigand  'der  zweite  buchstab  scheint 
e  gewesen  zu  sein,  der  dritte  und  vierte  giengen  aufwärts',  es 
mag  etwa  gelautet  haben 

Johannes  baptista 
er  lülhel  vns  vor  Christo 
geliche  dem  morgenstern^w 
der  dA  geil  vor^  dem  snnnen. 
dö  quad  er  'icesed  frö, 
daz  himeh?cÄe  ist  ndho. 
man  vgl.  Ezzo  6      do  irscein  ze  jungiste 
Johannes  Baptista, 
demo  Morgensternen  gelich: 
der  zeigöte  uns  daz  wdre  lieht; 
5    der  der  vil  wdrliche  was 
über  alle  prophetds; 
der  was  der  vröne  vorbote 
von  (vor?)  dem  geweitigen  gote. 
dno  rief  des  boten  stimme 
10    in  dise  werltwuostinne : 
in  spiritu  Eli^ 

er  ebenöt  uns  den  gotes  wech. 
10  hat    die  hs.   werlt  w'^stunge,    ebenso   im   Friedberger   Christ 
14  wvstenunga,    sodass    bei   der    nahen    berührung   der    beiden 
dichtungen,  die  wol  über  eine  stoffliche  hinausgeht,  mit  Wacker- 
nagel zu  ändern  bedenklich  scheint  (vgl.  Germ.  9,  59).    im  Fried- 

'  Weigand  wa,  wie  er  auch  voi'  bei  xpö  (oder  eher  xpo)  verlas. 


422     BEMERKUNGEN  Zu  DEN  DENKMÄLERN 

berger  Christ  reimte  aber  kaum  wmtenungaistimma,  sondern  auf 

ersteres  wort  folgte  etwa 

do  irskein  der  wäre  suüuo^ 
und  Wtheda  ober  alle  di  laut: 
de«  gibrälh  uns  der  heilant. 
Der  vereinzelte  dreireim  G^  90  fl"  wird   in   der  anm.  auf  ein 

versehen    zurückgeführt;    weder    90    noch    92    könne    entbehrt 

werden,     aber   mit  88  ir  scouwet  mine  wundun  iässt   sich  auch 

ohne  92  als  ir  nn  gesehan  habent  auskommen. 

10.    Zu  den  Drei  jü  nglingeu  im  feuerofen. 

In  Strophe  7  hat  den  aufzeichner  des  liedes  sein  gedächtnis 
verlassen,  vom  gesange  der  drei  männer  wird  dreimal  geredet, 
dazu  noch  von  ihrem  lob  Christi ,  und  das  reimwort  ovini  kommt 
gleichfalls  dreimal  vor.  Müllenhoff  hat  vier  verse  ausgeschieden, 
wodurch  das  singen  zweimal  weniger  erwähnt  wird,  das  loben 
wegfällt  und  zwei  auf  ovini  ausgehende  Zeilen,  die  Strophe  hat 
bei  ihm  folgenden  Inhalt,  der  könig  hiefs  sie  zum  ofen  schleppen, 
aber  denen,  welche  sie  hineinwarfen,  bekam  das  schlecht:  das 
feuer  schlug  ihnen  entgegen, 

iz  virhranti  ir  michil  menigi. 

got  mid  sinir  giwalt 

machit  in  den  ovin  kalt. 

[di  uzzirin  brunnin, 
10   di  imiirin  sungin.] 

dö  sungin  si  dar  inni 

mid  süzziri  stimmi 

[dö  sungin  sin  den  ovini] 

'gloria  tibi,  domine. 
15   deus  mens,  laudamus  te'. 

[si  lobitin  Crist  in  dem  ovini.] 
in  z.  8  hat  keine  rechte  grammatische  beziehung:  es  geht  genau 
genommen  auf  die  zuletzt  behandelten  schergen  des  königs,  nicht 
auf  die  drei  Jünglinge,  auch  entsprechen  7.  8  fast  wörtlich  8,  7.  8 
und  solche  widerholungen  kennt  das  lied  sonst  nicht,  viel  besser 
schliefsen  sich  an  6  die  von  Müllenhoff  verworfenen,  einen  vor- 
treffhchen,  knapp  ausgedrückten  gegensatz  enthaltenden  verse  9 
'  statt  nno  Weigand  'ano  verblasst'. 


BEMERKUNGEN  ZU  DEN  DENKMÄLERN      423 

und  10.  darauf  muss  der  iohalt  des  gesanges  folgen,  14.  15, 
woran  sich  für  die  des  lateins  unkundigen  nach  weit  verbreiteter 
mode  die  Übersetzung  oder  inhaltsangabe  der  lateinischen  worte 
schliefst,  12  und  16.  letztere  zeile  enthält  wie  6,  3  den  un- 
historischen, durch  die  legenden  von  märtyrern  veranlassten  aus- 
druck  Crist  als  bezeichnung  goltes  und  ist  wie  die  übrigen  schluss- 
verse  der  12-  und  10  zeiligen  Strophen  auf  5  hebungen  verlängert. 

11.    Zum  Pater noster. 

19,  8  ist  eine  ergänzung  schon  durch  die  anmerkung  ge- 
geben: 'der  fehlende  gedanke  ist  natürlich  'da  brachte  er  uns 
ins  verderben',     also  dö  virlös  er  unsich. 


12.    Zum  Traugemundslied. 

Das   lied    ist   von   formelhaften   widerholungen    durchzogen, 
die  Strophen  3.  5.  7.  9.  11  heben    in  der  gleichen  weise  an  und 
die  ersten  vier  gehen  auch  auf  dieselben  Zeilen 
kanstu  mir  des  iht  gesagen, 

so  wil  ick  dich  für  einen  wcetlichen  knappen  haben 
aus.     die  5  aber  hatte  doch  wol   den   gleichen   schluss.      Trau- 
gemunds  antworten  beginnen  sämmtlich  mit  einer  Zurückweisung 
auf  die  vorhergegangene  frage   und   der  Zusicherung  guter   aus- 
kunft:  Daz  hdste  gefrdget  einen  man 

der  dir  ez  wol  gesagen  kan. 
nur  in  der  letzten  Strophe  fehlt  die  Zurückweisung  und  die  Zu- 
sicherung ist  etwas  anders  gestaltet: 

Daz  habe  ich  balde  gesaget  dir. 
dem  verse  fehlt   eine  reimzeile,   sie  wird   aber  da  gewesen   sein 
und  gelautet  haben 

Daz  du  gefrdget  hast  an  mir. 
Berlin  8.  4.  87.  MAX  ROEDIGER. 


424     DIE  FLEXION  DER  VERBA  TUON,  GAN,  STAN  IM  AHD. 


DIE  FLEXION  DER  VERBA  TUON,  GAN,  STAN 
IM  AHD. 

Die  ahd.  flexion  des  verbums  tuon  führt  maa  bekaontlich 
auf  ein  paradigma  zurück,  das  in  sämmtlichen  formen  den  vocal 
6  aufweist:  ind.  präs.  töm,  tös,  tot  usw.;  opt.  tö,  tös,  tö  usw.; 
Inf.  tön  usw.  die  formen,  die  wir  in  unseren  älteren  denkmälern 
würklich  finden ,  sind  mit  dieser  annähme  schwer  zu  vereinen, 
am  wenigsten  die,  welche  uns  die  sorgfältigen  hss.  Otfrids 
bieten,  in  ihnen  werden  gewöhnlich  folgende  formen  gebraucht 
(Kelle  2,  116): 

präs.  ind.  duan  duas(t)  duat  duen  duet  duent 
opt.  dne  duest  due  duen  (duet)  (duen) 
imp.  dua  dnemes  duet 
inf.  duan  duanne. 
abweichende  formen  weisen  häufiger  nur  die  2  und  3  pers.  sing, 
ind.  auf.  dnas(t)  steht  an  5  stellen,  duat  an  61;  daneben  ist 
duis(t)  2 mal,  duit  30mal  belegt,  aufserdem  findet  sich  in  der 
2  p.  pl.  imp.  neben  11  duet  Imal  in  VP  duat  (H  156).  die 
1  p.  sg.  opt.  war  S  42  in  V,  m  1,  14  in  P  dua  geschrieben, 
die  2  p.  pl.  imp.  i  17,  45  in  V  giduat,  aber  an  diesen  stellen  hat 
der  correclor  gebessert.  —  nur  die  verhältnismäfsig  wenigen 
formen  mit  dem  diphthongen  ua  entsprechen  dem  vorausgesetzten 
paradigma  mit  6,  die  übrigen:  der  pl.  präs.  und  imp.,  der  opt. 
präs.  und  die  nebenformen  in  der  2  und  3  p.  sg.  ind.  präs. 
verbinden  einen  stamm  du-  mit  den  gewöhnlichen  endungen  des 
stv.  auch  den  inf.  könnte  man  so  auffassen,  doch  nehme  ich 
an,  dass  sein  ua  nicht  aus  u  -{-  a  sondern  aus  ö  entstanden  ist. 
Man  erklärt  diese  formen  so,  dass  die  endungen  des  stv. 
an  den  stamm  dö,  dua  angetreten  seien,  und  dann  vor  ihnen 
der  diphthong  seinen  zweiten  bestandteil  eingebüfst  habe  (Braune, 
Ahd.  grammatik  §  40  a.  4).  die  erscheinungen  jedoch,  auf 
welche  diese  annähme  sich  stützt,  sind  nur  äufserlich  ähnlich. 
Paul  (Beitr.  8,  215  f)  macht  darauf  aufmerksam,  dass  wir  in  ahd. 
hss.  nicht  selten  statt  eines  germ.  ö  vor  folgendem  vocal  u  ge- 
schrieben finden,  nicht  wie  sonst  uo  oder  ua;  zb.  im  d.  sg.  hue 
von  huah,   3  p.  pl.  bluent  für  hluojent,  irmtdt  für  irmuoit  udgl. 


DIE  FLEXION  DER  VERBA  TUON,  GAN,  STAN  IM  AHD.     425 

ob  wir  diese  formen  zweisilbig  mit  ü  oder  einsilbig  mit  ü  auf- 
zufassen hätten ,  sei  nicht  ganz  sicher,  denn  Notker  gebe  dem  ?t 
auch  als  erstem  componenten  eines  diphthongen  den  circumflex. 
aber  wenn  N.  keine  Unterscheidung  gibt,  so  gibt  sie  doch  0.  sein 
Versbau  zeigt,  dass  er  in  Wörtern  wie  hue,  blnent,  irmuit  langen 
vocal  sprach,  denn  die  zweite  silbe  ist  hebungsfähig;  es  ist  also 
in  ihnen  nicht  ü  sondern  ü  an  die  stelle  von  ö  getreten  (vielleicht 
ohne  vermittelung  des  diphthongen  na),  dagegen  formen  wie 
duit,  duen,  dnet  braucht  er  stets  einsilbig;  das  n  muss  also  kurz 
gewesen  1  und  auf  andere  weise  entstanden  sein. 

Das  verbum  tuon  entspricht  bekanntlich  dem  ai.  dd-dhä-mi, 
gr,  TL-d^rj-^i.  die  wurzel  dhe  bewegt  sich  in  der  ablautreihe 
e,  ö,  d,  germ.  e,  ö,  a,  ahd.  d,  uo,  a.  da  die  1  p.  sg.  im  ai.  ä,  im 
gr.  e  zeigt,  sollten  wir  im  germ.  e  erwarten:  a\.  dddhämi,  gr. 
ti&rjfxi,  germ.  (mit  Verlust  der  reduplication)  dem,  ahd.  *tdm. 
statt  dessen  finden  wir  im  hd.  und  überhaupt  im  westgerm.  6. 
Bremer  (Beitr.  11,  271)  sucht  diese  abweichung  dadurch  zu  er- 
klären, dass  im  idg.  nicht  nur  zwischen  den  formen  des  sg.  und 
pl.,  sondern  auch  im  sg.  selbst  eine  stammabstufung  statt  gefunden 
habe:  dhe-dho-mi,  dhd-dhe-si,  dhd-dhe-ti,  pl.  dhddh(m)mes.  andere 
wollen  diese  ansprechende  Vermutung  nicht  gelten  lassen  (vgl. 
Burghauser,  Indogermanische  präsensbildung,  Wien  1887,  s.  10 
anm.).  wie  es  sich  damit  verhalten  mag,  jedesfalls  muss  das 
deutsche  sein  ö  schon  aus  der  idg.  zeit  haben,  auf  ihm  be- 
ruhen die  formen,  denen  0.  na  gibt. 2 

Der  pl.  zeigt  im  ai.  die  schwächste  Stammform  mit  er- 
loschenem vocal:  dadkmds,  dhatthd,  dddhali.  wenn  wir  die  gleiche 
bildungsweise  für  das  germanische  voraussetzen  und  annehmen, 
dass  die  enlwickelung  der  formen  ebenso  verlief  wie  im  pl.  perf. 
der  stv.,  in  dem  die  personalsuffixe  gleichfalls  ohne  vermittelung 
eines  vocales  an  den  consonantischen  auslaut  des  Stammes  traten, 
so  ergeben  sich  die  formen  dum,  dnp ,  dun.  in  ihnen  sehe  ich 
den  Ursprung  des  Stammes  dn-,  der  sich  in  O.s  mundart  mit  den 
endungen  der  stv.  verband,  die  singulären  formen  wurden  unter 
dem  einfluss  der  thematischen  verba  umgebildet,  aus  dem  plural 
*  wie  bereits  Holtzmann  in  seiner  Grammatik  s.  248  bemerkte,  unterlag 
es  vielleicht  sogar  consonantischer  ausspräche;  vgl.  Zs.  16,  122  anm. 

2  der  stamm  dhe  liegt,  wenn  ich  mich  auf  deutsches  gebiet  beschränke, 
im  part.  gitdn  vor  und  im  ripuarischen  deis,  deit,  die  man  doch  nicht  woJ 
als  analogiebildungen  zu  geis,  geit  auffassen  kann. 


426     DIE  FLEXION  DER  VERBA  TUON,  GAN,  STAN  IM  AHD. 

drang  der  stamm  du-  auch  in  den  optativ,  aus  dessen  ursprüng- 
lichen formen  das  ü  sich  in  keiner  weise  gewinnen  lässt.  in  der 
2  und  '6  p.  sg.  konnte  er  gegenüber  den  älteren  formen  mit  ö, 
na  nicht  zur  herschaft  kommen,  aber  er  erzeugte  die  gern  ge- 
brauchten nebenformen  dtiis  und  duit. 

Andere  formen  finden  wir  in  den  oberdeutschen  denkmälern. 
aus  der  Benedict i  nerregel  und  den  Murbacher  hymnen 
stellt  Braune  s.  256  folgendes  paradigma  zusammen  (vgl.  Seiler, 
Beitr.  1,  459  und  Sievers,  Hymnen  s.  88). 

präs.  iud.    tuam  (tuas)  tuat  tuames  tuat  tuant 

opt.    tue      tue's  tuet  tuen 

imp.  tua,  tuames  tuat 

inf.    ttian  tuanne 

part.  tuanti. 
die  formen  des  ind.  lassen  sich  hier  alle  auf  6  zurückführen, 
aber,  da  in  diesen  denkmälern  die  pluralendungen  des  stv.  nicht 
wie  bei  0.  den  vocal  e  sondern  a  haben  (Seiler  s.  451.  Sievers 
s.  26),  kann  man  ihr  ua  ebenso  wie  O.s  ue  auf  die  Verbindung 
des  Stammes  tu-  mit  den  endungen  der  thematischen  verba  zurück- 
führen, und  dass  man  es  muss,  zeigen  die  optativformen,  denn 
diese  lassen  wie  bei  0.  deutlich  den  stamm  tu-  erkennen,  der, 
wie  bemerkt,  nur  aus  dem  pl.  ind.  entnommen  sein  kann,  das 
ua  des  sg.  und  das  ua  des  pl.  sind  also  ganz  verschiedenen 
Ursprungs,  jenes  ist  diphthongierung  von  ö,  dieses  eine  Ver- 
bindung aus  einem  dem  stamme  ang'ehörigen  ü  mit  dem  a  der 
endung. 

Man  könnte  gegen  diese  auffassung  einwenden,  dass,  wenn 
würklich  die  endungen  -ames,  -at,  -ant  an  den  stamm  tu-  ge- 
treten wären,  brechung  hätte  eintreten  müssen,  es  ist  auch 
wol  möglich ,  dass  die  formen  einmal  toanies,  toat,  toant  lauteten 
—  es  fehlt  nicht  an  spuren  dafür  — ,  aber  sehr  begreiflich,  dass 
sie  sich  nicht  hielten,  denn  auch  das  Ö  gieng  über  oa  in  ua 
über;  sg.  und  pl.  stimmten  also  in  ihrem  vocal  überein,  und 
daraus  ergab  sich  mit  notwendigkeit,  dass  beide  in  ihrer  späteren 
entwickelung  gleichen  schritt  hielten,  es  trat  also  auch,  als  die 
endungen  des  stv.  zu  -en,  -et,  -ent  abgeschwächt  wurden,  im 
pl.  nicht  ue  ein,  sondern  uoituon,  tuot,  tuont. 

Auf  dieser  stufe  finden  wir  die  spräche  in  den  Schriften 
Notkers.    im  opt.  braucht  er  noch  häufig  die  alten  formen:  tue. 


DIE  FLEXION  DER  VERBA  TUON,  GAN,  STAN  IM  AHD.     427 

Uie'st,  tuen,  turnt,  tuen;  ebenso  in  der  1  p.  pl.  ind.,  die  bei  ihm 
überhaupt  durch  die  optativform  ersetzt  ist  (tuen,  mit  langem  e). 
dagegen  in  der  2  und  3  p.  pl.  ind.  und  in  der  2  p.  pl.  imp.  schreibt 
er  tuont,  entsprechend  den  formen  des  sg. :  tuon,  tuost,  tuot.  eine 
weitere  folge  ist,  dass  dieses  uo  nun  aus  dem  ind.  in  den  opt. 
dringt,  neben  den  vorhin  angeführten  formen  braucht  N.  auch 
tuoe,  tuoest,  tuoen,  tuoent,  tuoe'n. 

Bei  N.  sind  die  erweiterten  formen  gewis  als  junge  Um- 
bildungen anzusehen  (Braune  §  380  a.  2);  daraus  folgt  aber  nicht, 
dass  in  anderen  teilen  des  Sprachgebietes  nicht  viel  früher  der 
nur  im  sg.  ind.  berechtigte  lange  vocal,  resp.  seine  diphthon- 
gierung,  in  den  plural  und  optativ  eingetreten  sein  können,  der 
Tatian  belegt  uns  diesen  Vorgang,  zwar  die  2  p.  sg.  opt.  heifst 
bei  ihm  noch  tues,  in  der  1  p.  sg.  opt.  findet  sich  vereinzelt  tue, 
sogar  in  der  2  sg.  ind.  ein  analogisch  gebildetes  tuis;  aber  im 
allgemeinen  herschen  die  formen  mit  uo  im  pl.  (tuomes  tuon, 
tuot,  tuont)  und  im  opt.  (tuo  tuoe  tuoa,  tuot,  tuon),  in  der  regel 
ohne  den  themavocal  des  stv. 

Das  resultat  also  ist,  dass  die  präsensflexion  des  ahd.  verbums 
tuon  auf  zwei  verschiedene  stamme  zurückzuführen  ist,  der  eine, 
unthematisch  flectierte  mit  d  galt  zunächst  im  sg.  ind.;  der  andere 
thematisch  flectierte  mit  u  war  aus  den  formen  des  pl.  gewonnen 
und  wurde  in  den  opt.  übertragen,  daneben  aber  drang  die 
bildungsweise  des  sg.  auch  in  den  pl.  und  opt.  ein.  auch  für 
die  formen  der  verwandten  mundarten  kommen  diese  verschie- 
denen Stämme  in  betracht,  doch  sollen  sie  hier  nicht  weiter 
erörtert  werden. 

2.  das  verbum  gdn  hat  sowol  durch  seine  etymologie  als 
durch  seine  flexion  der  wissenschaftlichen  forschung  ungewöhn- 
liche Schwierigkeiten  gemacht,  früher  stellte  man  es  zu  skr. 
jigdmi,  gr.  *ßlßr]ixi,  ßißäg,  eßrjv;  da  aber  die  lautverschiebung 
fehlt,  liefs  diese  erklärung  sich  nicht  halten.  Grassmann  (Zs.  f. 
vgl.  sprachf.  12,  131  f)  wies  auf  die  sanskrit-wurzel  hd,  präs. 
ßhdmi,  gr.  yd^rißt,  -Kixävu).  Scherer,  zGDS  ^320  suchte  beide 
annahmen  zu  vereinen,  indem  er  annahm,  dass  vorgermanisch 
gigdmi  der  form  nach  in  ghighdmi  aufgieng,  seine  bedeutung  aber 
festhielt,  eine  ganz  abweichende  etymologie  stellten  Oslhoff  Perf. 
s.  123  anm.  und  Kluge  im  Etymol.  wb.  auf;  sie  vermuten  in 
gdn  eine  Verschmelzung  der  partikel  ga-  mit  der  verbalwurzel  ei, 


428     DIE  FLEXION  DER  VERBA  TUON,  GAN,  STAN  IM  AHD. 

der  skr.  emi,  gr.  elfii,  \al.  ire,  g.  iddja  entsprossen  sind;  ver- 
anlasst wurde  diese  auffallende  erklärung  wol  durch  eine  von 
Mahlow  (Die  langen  vocale  ü,  e,  ö  s.  139  anm.)  kurz  hingeworfene, 
von  Kugel  (Beitr.  9,  544)  aufgenommene  Vermutung,  dass  mhd. 
gie  mit  g.  iddja,  ags.  eode  in  Verbindung  gebracht  werden  könne, 
aber  die  form  gie,  die  im  ahd.  erst  spät  vorkommt  (Braune  §  382 
a.  3),  ist  sicher  eine  junge  bildung;  das  bestreben,  den  präsens- 
und  perfectstamm  in  ihrer  consonautischen  form  auszugleichen, 
welches  das  germanische  verbum  von  anfang  an  beherscht,  hat 
sie  hervorgerufen,  mit  recht  scheint  mir  Bremer  (Beitr.  11,272) 
zu  Grassmanns  etymologie  zurückgekehrt  zu  sein. 

Die  flexion  ist  vielfach  behandelt,  zuletzt  von  Bremer  (aao. 
s.  41 — 45);  aber  was  er  als  die  hauptschwierigkeit  bezeichnet, 
die  erklärung  des  e  im  ahd.,  ist  auch  ihm  nicht  gelungen. 

Das  verbum  wurde  ebenso  wie  tuon  stammabstufend  flec- 
tiert;  aber  während  dieses  in  den  formen  mit  starker  ablautstufe 
ö,  in  denen  mit  schwacher  schwund  des  vocales  aufwies,  hatte 
gdn  auf  starker  stufe  germ.  e,  auf  schwacher  a,  wie  in  g.  gatvo. 
hiernach  sind  die  formen  der  ahd.  denkmäler  unschwer  zu  be- 
greifen. 

Otfrid  bietet  uns  folgendes  paradigma  (Kelle  2,  15.  9): 
präs.  ind.  gdn  geist  geit  gen  get  gent 
opf.  (ge)  (ges)  ge  (gm)  (get)  gen 
inf.  gdn,  gdnne 
part.  präs.  gdnti. 
die  1  p.  sg.  gdn  und  das  part.  gdnti  sind  nicht  belegt,  aber  nach 
stdn,  stdnti  mit  Sicherheit  vorauszusetzen,    in  der  3  p.  sg.  findet 
sich  neben  den  gewöhnlichen  geit,   steit   einige  mal  gdt  m7,49 
(:stdt),  IV  7,  8  (:scalt),  stdt  m  26",  6  (:ddt),  v  12,  18.  41  (:ddt)J 
die  formen  sind  nun  folgender  mafsen  aufzufassen,    die  1  p.  sg., 
der  inf.  und  das  part.  haben  rf  =  germ.  e,  wie  die  entsprechenden 
formen  von  tnon  na  =  germ.  ö  haben,    die  2.  3  p.  geist,  geit  sind 
aufzufassen  wie  duis,  duit;   die  schwache  Stammform   des  pl.  ist 
in  den  sg.  eingedrungen  und  mit  den  endungen  des  thematischen 
verbums  versehen;    aber  während  duis  und  duit  nur  als  häufige 
nebenformen    erscheinen,   haben  geist,   geit   in  O.s   spräche   die 

'  aufserdem  finden  sich  formen  von  gang'-,  stant-:  ind.  stantu,  gengist, 
gengil  stentit,  gangenl  stantent.  opt.  gange,  gange  stante,  gangen,  ganget, 
gangen,     inf.  gangan  stantan.     part.  gangenti  stantenti.     imp.  gang. 


DIE  FLEXION  DER  VERBA  TUON,  GAN,  STAN  IM  AHD.     429 

herschaft  gewonoen ;  die  formen  mit  d  sind  nur  einige  mal  in 
der  3  p.  sg.  belegt,  auch  der  pl.  ist  ganz  ebenso  gebildet  wie 
bei  duan.  die  schwache  Stammform  gä-  verband  sich  mit  den 
in  O.s  mundart  üblichen  endungen  -en,  -et,  -ent  und  ä  -{-  e 
wurde  zu  e  contrahiert.  —  diese  contraction  geschah  nach  einer 
bestimmten  lautregel.  es  ist  bekannt,  dass  in  gewissen  fällen 
germ.  au  über  ao  zu  ö,  germ,  ai  über  ae  zu  e  wurde,  der  ver- 
mittelnde diphthong  ao  findet  sich  oft  (Gr.  1^104.98),  seltner,  aber 
doch  häufig  genug  ae  (Gr.  IS  95.  Braune  §  43  a.  1.  §  45  a.  2). 
ob  der  Übergang  von  au  zu  ao  und  von  ai  zu  ae  erfolgte,  hieng 
von  der  natur  des  folgenden  consonanten  ab,  die  weitere  zu- 
sammenziehung zum  einfachen  laute  geschah  ohne  äufsere  ein- 
flösse; wie  laeris  zu  leris  wurde  gaen  zu  gen.  auf  dieselbe  weise 
ergab  sich  im  opt.  ge  aus  gae;  ob  das  a-\-  e  der  übrigen  formen 
auch  laulgesetzlich  oder  nach  dem  niuster  der  anderen  einsilbigen 
formen  zu  e  contrahiert  wurde,  lässt  sich  nicht  entscheiden, 
jedesfalls  sind  die  optativformen  ebenso  wie  due  dne's  due  usw. 
analogiebildungeu,  die  vom  pl.  ind.  ausgegangen  sind;  ein  regel- 
mäfsig  entwickelter  opt.  würde  ge,  gais,  ge',  gaim,  gait ,  gain 
lauten  (vgl.  unten  nr  4). 

Der  alemannische  dialect  nimmt  an  dieser  neubildung  des 
opt.  zwar  in  dem  vb.  tnon  teil,  nicht  aber  bei  gdn  und  stdn. 
die  Benedictinerregel,  die  Hymnen  und  Notker  bilden 
die  optativformen  immer  von  gangan  und  stantan,  deren  gebrauch 
sie  auch  sonst  vorziehen  (Seiler,  Beitr.  1,460.  Sievers  s.  70.86. 
Piper,  Litteraturgeschichte  und  grammatik  s.  340  f).  von  gdn 
und  stdn  belegen  sie  folgende  formen: 

präs.  ind.  gdn  gdst  gdt       gdnt  gdnt 
inf.  gdn,  gdnne 

imp.  2pl.  gdnt 

pari.  präs.  gdtiti. 
das  d  im  sg.  präs.  ind.,  inf.,  part.  präs.    ist  als  altes  d=  germ.  e  an- 
zusehen, das  d  des  pl.  darf  man  nach  der  analogie  von  tu-an  usw. 
als  contraction  aus  a-\-  a  auffassen. 

Andere  Verhältnisse  zeigt  auch  bei  diesem  verbum  der  Tatiau 
(Bremer  11,  43).  1.  im  pl.  und  opt.  braucht  er  wie  0.  die  formen 
mit  e.  belegt  sind  2  p.  pl.  get,  geet ,  2  p.  sg.  opt.  ges,  3  p.  ste\ 
pl.  gemes,  get,  geen;  ebenso  2  p.  pl.  imp.  get,  geet,  die  bei  0. 
nicht  vorkommt,  hier  beruht  das  e  also  auf  contraction  von 
a  +  e.  —  2.  d  =  germ.  e  ist  erhalten  in  der  1  p.  sg.  und  im  inf. 


430     DIE  FLEXION  DER  VERBA   TUON,  GAN,  STAN  IM  AHD. 

gdn.  —  3.  in  der  3  p.  sg.  begegnet  d  nur  einmal,  sonst  hat  sie 
und  die  2  p.  sg.  e:ges(t),  gel.  die  formen  sind  wie  in  O.s  mundart 
unter  dem  einfluss  des  pl.  gebildet;  aber  bei  0.  erfolgte  die  Über- 
tragung, ehe  die  contraction  stattgefunden  hatte  (ga-en,  ga-ist 
>  gen,  geist),  bei  T.  nachher,  ebenso  wird  das  part.  präs.  gmti 
zu  erklären  sein.  —  4.  ä  finden  wir  aufserhalb  seiner  natürlichen 
gränzen  einmal  in  der  1  p.  pl.  gdmes;  denn  die  annähme,  dass 
sich  hier  etwa  ein  a  erhalten  habe,  würde  jeder  Wahrschein- 
lichkeit entbehren.  —  in  der  mundart  des  Tatian  ist  also  die 
ursprüngliche  bildung  der  verba  tuon,  gdn,  stdn  Jurch  formüber- 
tragungen  am  meisten  gestört;  seine  paradigmen  stehen  der 
späteren  spräche  am  nächsten. 

3.  stdn  wird  ebenso  flectiert  wie  gdn;  doch  kann  nach  all- 
gemeiner annähme  diese  Übereinstimmung  nicht  ursprünglich 
sein,  denn  die  wurzel  stä  folgt  nicht  der  ablautreihe  e,  o,  d 
sondern  ä,  ö,  d  germ.  ö,  ö,  a,  wir  sollten  also  im  ind.  sg.  präs. 
ahd.  stnom,  stuos,  stnot  erwarten  (Bremer  11,  42.  vFierlinger,  Zs. 
f.  vgl.  sprachf.  27,  432  f).  die  ausgleichung  konnte  am  leichtesten 
vor  sich  gehen,  wenn  etwa  in  der  1  p.  sg.  ind.  neben  oder  für 
germ.  gern  mit  anderer  ablautstufe  göm  stand  (vgl.  oben  dhe-dho- 
mi);  doch  ist  diese  annähme  kaum  nötig,  da  in  der  schwachen 
stufe  des  plurals  die  verba  von  anfang  an  zusammenfielen  (gä-, 
stä-)  und  ihre  bedeutung  den  ausgleich  begünstigen  muste  (vgl. 
Osthoff,  Perf.  625).  dass  in  diesem  ausgleich  dem  verbum  gdn 
die  führende  rolle  zufiel,  erscheint  ganz  natürlich,  denn  gdn 
ist  häufiger  als  stdn,  und  die  neigung  zur  erweiterten  Stammform 
stant-  in  der  älteren  zeit  stärker  als  zu  gang-. 

4.  die  Stämme  gd-  und  stä-  müssen  aus  sehr  alter  zeit 
stammen,  die  contraction  mit  den  endungen  kann  nicht  früher 
erfolgt  sein,  als  bis  in  O.s  mundart  der  vocal  dieser  endungen 
zu  e  geworden  war.  wer  bezweifelt,  dass  während  eines  so 
langen  Zeitraumes  die  benachbarten  vocale  der  Verschmelzung 
widerstanden  haben ,  wird  annehmen  müssen ,  dass  sie  ehedem 
durch  einen  consonanteu  getrennt  waren,  und  das  könnte  kein 
anderer  als  j  gewesen  sein,  wir  kämen  also  zu  der  hypothese, 
dass  wenigstens  für  den  plural  der  verba  gdn,  stdn,  tuon  jod- 
präsentien  existierten,  wie  Mahlow  s.  136  f  allgemein  ange- 
nommen hatte,  die  bedingungen,  unter  denen  der  consonant 
schwand,    blieben   zu   untersuchen,      er   müste   ausgefallen  sein, 


DIE  FLEXION  DER  VERBA  TUON,  GAN,  ST  AN  IM  AHD.     431 

ehe  er  iimlaut  würkte,  also  früher  als  in  den  langstämmigeD  puris 
s(een,  blüen. 

Den  ausgangspunct  dieser  jod-bildungen  könnte  man  für  gdn 
und  stdn  im  oplativ  suchen,  denn  wie  aus  idg.  s-ie-m,  s-ie-s, 
s-ie-t  g.  sijau  sijais  sij'ai  wurde,  so  hätte  sich  zu  dem  stamme  gä- 
ein  opt.  g.  gajau  gaj'ais  gajai  ergeben ,  dem  im  ahd.  gaje  gaje's  gaje 
entsprechen  würde;  und  wenn  man  weiter  annimmt,  dass  dieser 
stamm  gaj-  gerade  wie  in  dem  got.  verbum  subst.  aus  dem  sg. 
opt.  in  den  plur.  und  in  den  ind.  pl.  übertragen  wäre,  so  er- 
gäben sich  genau  die  formen,  auf  welche  wir  die  in  den  ahd. 
denkmälern  überlieferten  zurückführen  musten.  doch  trage  ich 
bedenken,  diese  entwickelung,  obwol  sie  durch  die  analogie  von 
sijum  siJHp  sijaima  usw.  empfohlen  wird,  anzunehmen,  denn 
erstens  finden  wir  die  Verallgemeinerung  des  Stammes,  der  sich 
im  sing.  opt.  ergab,  nur  im  got.;  im  ahd.  ist  umgekehrt  die 
pluralform  verallgemeinert,  was  die  oben  angeführten  formen  ge, 
gais ,  ge  usw.  ergeben  würde;  sodann  ist  es  bedenklich,  den  ind. 
aus  dem  opt.  abzuleiten,  da  im  alemannischen  dieser  optativ  fehlt; 
und  vor  allem:  die  flexion  von  hwn  lässt  sich  auf  diese  weise 
nicht  erklären,  die  gerade  in  den  ältesten  denkmälern  fest 
stehenden  formen  dne  dues  due  usw.  können  ihr  u,  so  viel  ich 
sehe,  nur  aus  dem  pl.  ind.  haben;  der  optativ  setzt  also  die  bil- 
dung  des  ind.  voraus,  nicht  umgekehrt,  und  hiernach  würde 
es  sehr  bedenklich  sein,  die  formen  von  gdn  und  stdn  aus  dem 
opt.  abzuleiten. 

Bonn.  W.  WILMANNS. 


ÜBER  DEN  GEBRAUCH  DER  MHD.  CONJUNC- 
TION  ABER  IN  DER  FRAGE. 

Die  frage,  mit  der  ein  lied  Walthers  beginnt: 
Wil  ab  lernen  wesen  frö? 
übersetzt  Pfeiffer  (18,  1)  'will  denn  niemand  wider  fröhlich  sein?', 
Wilmanns  (1  aufl.  32,  17)  'will  denn  niemand  wider  froh  sein?', 
(2  aufl.  42,  31)  'will  nicht  mal  wider  jemand  fröhlich  sein?', 
beide  erklärer  scheinen  demnach  ab  für  das  adverbium  'abermals, 
widerum'  gehalten  und  'denn'  nur  zur  stärkeren  hervorhebung 
der  frage  hinzugefügt   zu  haben;   in  der  2  aufläge  lässt   es  Wil- 


432  ÜBER  DEN  GEBRAUCH  DER  MHD.  CONJÜNCTION  ABER 

manns   auch  fort,     derselbe  verweist   ferner  auf  die  frage  Rein- 
mars (183,3),  die  Wallher  vielleicht  vorschwebte: 

Wil  ab  ieman  guoter  lachen?, 
in  welcher  er  das  ab  natürlich  ebenso  wie  bei  Walther  verstanden 
haben  wird,  allein  beide  mal  ist  es  nicht  das  adverb,  sondern 
die  conjunction  'aber,  jedoch',  schon  die  Stellung  der  partikel 
in  der  Senkung  spricht  dafür,  denn  man  braucht  nur  eine  reihe 
mittelhochdeutscher  dichtungen  in  dieser  hinsieht  durchzugehen, 
um  sich  davon  zu  überzeugen,  dass  das  adverb  'abermals,  widerum' 
fast  nur  in  der  hebung  des  verses  vorkommt,  während  die  con- 
junction 'aber,  jedoch'  gleich  häufig  in  der  hebung  wie  (in  ver- 
kürzter form)  in  der  Senkung  sich  findet,  offenbar  vermieden 
sorgfältige  dichter  das  erstere  deshalb  in  der  Senkung,  weil  auf 
der  bezeichnung  der  vviderholung  stets  der  accent  im  satz  ruht, 
dahingegen  die  conjunction  nur  leicht  oder  gar  nicht  betont  ist. 
Reinmar  gebraucht  das  adverb  niemals,  Walther  nur  einmal  60,  33 
(wenn  es  nämlich  hier  das  adverb  ist i)  an  unbetonter  versstelle,  sie 
würden  also,  um  die  widerholung  auszudrücken,  höchst  wahr- 
scheinlich gesagt  haben:  wil  aber  iemen  wesen  frö?  ivil  aber 
ieman  guoter  lachen?  so  steht  allerdings  in  den  hss.,  es  wider- 
streitet aber  dem  versmafs. 

Doch  abgesehen  von  diesen  erwägungen,   die  ja  nicht  aus- 

'  Bite  die  alten  ere, 

daz  si  ivider  kere 
und  ab  dvi  gesinde  lere. 
ich  möchte   nicht  mit  Sicherheit   hier   ab  für  das  adverb  erklären;   in  der 
Verbindung  und  ab   ist  es  gewöhnlich  conjunction,   die  nicht  immer  einen 
eigentlichen  gegensatz,  sondern  bisweilen  nur  eine  einschränkung  andeutet, 
darf  man  hier  'und  zwar'  übersetzen? 

Was  die  Stellung  des  adverbs  im  verse  betrifft,  so  gebrauchen  die 
Nibelungen  dasselbe  nach  Bartschs  Wörterbuch  niemals  in  der  Senkung; 
Wolfram  von  Eschenbach  in  fast  40000  versen  ebenfalls  nicht,  aufser  Parz. 
628,14,  wo  mir  das  abe  im  auftact  nicht  ganz  klar  ist.  Wh.  113,25  daz 
iwert  muos  et  üb  her  für  ist  ohne  not  nach  K  die  gekürzte  form  gesetzt; 
die  übrigen  hss.  lesen  aber,  aver.  Hartmann  von  Aue  hat  dreimal  im 
Iwein  767.  1599.  5037  (doch  s.  laa.  —  bei  Bech  nur  767  und  5037)  das 
adverb  in  der  Senkung,  in  den  früheren  werken,  wenn  ich  nichts  über- 
sehen habe,  niemals,  für  Gottfried  von  Slrafsburg  fehlt  noch  eine  kritische 
ausgäbe;  in  Bechsteins  text  steht  dasselbe  allerdings  mehrmals  unbetont, 
am  häufigsten  finde  ich  es  bei  Ulrich  von  Lichtenstein  in  der  Senkung: 
Frauend.  62,  9.  203,  1.  247,  10.  250,  1.  253,  8  usw.,  im  ganzen  zwölf  mal  im 
Frauendienst. 


IN  DER  FRAGE  433 

schlag  gebend  sind,  glaube  ich  zeigen  zu  können,  dass  in  den 
beiden  angeiuhrten  fragen  die  conjunclion  abei'  nach  einem  be- 
stimmten mhd.  sprachgebrauche  steht,  der  ganz  dem  heuligen 
gleicht,  wonach  wir  gewisse  fragen  mit  'aber'  einleiten,  ohne 
dass  ein  ausdrücklicher  gegensatz  vorhergegangen  wäre.  Jacob 
Grimm  beschreibt  (DWR  i  31)  in  ihnen  die  conjunction  als  'ein 
verwunderndes,  aufforderndes  oder  schmälendes  bedenkliches  aber'. 
Verwunderung  zb.  ist  ausgedrückt:  da  fragt  ich:  aber  sind  sie 
das,  sind  das  die  knaben  alle?  —  er  selbst  ist  tot.  ich  kam  erst 
mit  der  letzten  Verstärkung  nnsers  ordens.  aber,  aber,  ^oas  hat 
mit  diesem  allen  Rechas  brnder  zu  schaffen?  die  gebende  wird 
aufgefordert:  aber  morgen  nacht  bist  du  wider  da?  aber  ist  das 
recht?  fragen  wir  misbilligend  (schmälend  bedenklich)  jemanden, 
der  unrecht  tut.  die  conjunction  erklärt  sich  in  diesen  fällen 
daher,  dass  ein  gegensatz  gedacht  ist  zwischen  dem  inhalt  der 
frage  und  einer  bestimmten  tatsache,  an  die  sie  angeknüpft  ist.^ 

Dieselben  drei  arten  von  fragen  mit  aber  (der  Verwunderung, 
aufforderung  und  misbilliguug)  besitzt  auch  das  mittelhochdeutsche, 
und  der  gegensatz,  auf  den  sich  das  aber  bezieht,  muss  aus  dem 
zusammenhange  oder  der  Situation,  in  welcher  die  fragen  ge- 
stellt wurden ,  ergänzt  werden. 

Halten  wir  uns  zunächst  an  die  beiden  auffordernden  fragen 
Reinmars  und  Walthers,  so  ist  der  gegensatz,  den  die  conjunction 
andeutet,  aus  den  Zeitverhältnissen  zu  entnehmen,  welche  eben 
die  aufforderungen  veranlassten:  'alle  weit  ist  traurig,  ich  aber 
wünschte,  dass  jemand  lachte,  jemand  froh  wäre.'  oder  auf- 
fordernd fragend:  'aber  will  niemand  lachen?  niemand  froh  sein?' 

117,  30  widerholt  Walther  die  alte  frage: 
A'j(  sing  ich  als  ich  e  sanc 
'wil  abe  iemen  wesen  frö?' 

Wenn  in  diesen  fragen  die  meines  erachtens  unrichtige 
Übersetzung  der  partikel  durch  'widerum'  dem  sinne  nach  dennoch 
möglich  wäre,  so  ist  das  bei  den  meisten  der  folgenden  beispiele 
nicht  der  fall,  und  man  wird  erkennen,  dass  in  derartigen 
fragen  in  der  tat  die  conjunction  und  nicht  das  adverb  vorliegt. 

'  dasselbe  ist  der  fall  bei  'aber'  als  interjection,  vgl.  Schweizerisches 
Idiotikon  i  41.  Benecke  zu  Iw.  6200:  'dass  sich  abe?'  bisweilen  auf  einen 
gegensatz  bezieht,  der  ausgelassen  und  aus  dem  zusammenhange  der  rede 
zu  verstehen  ist,  leidet  keinen  zweifei.' 

Z.  F.  D.  A.    XXXllI.    x\.  F.    XXI.  28 


434    ÜBKR  DEN  GEBRAUCH  DER  MHD.  CONJUNCTION  ABER 

Mit    einer   verwunderten    frage    beginnt    ebenfalls    ein    lied 
Reinmars  185,  27: 

Sold  ab  ich  mit  sorgen  kmer  leben, 
swenn  ander  Hute  wceren  frö? 
hier  ist  die  Übersetzung  durcb  'widerum'  völlig  ausgeschlossen, 
der  frage  geht  in  dem  liede  nichts  vorher,  folglich  ist  der  gegen- 
satz,  auf  welchen  das  ab  hinweist,  aufserhalb  zu  suchen,  näm- 
lich in  der  tatsache,  die  den  zuhörern  bekannt  ist:  'ich  bin 
sorgenvoll,  sollte  ich  aber  immer  in  sorgen  leben?'  in  der 
frage  ist  die  meinung  enthalten:  'aber  ich  sollte  nicht  immer 
grund  zu  sorgen  haben,' 

Ein  Spruch  des  Meifsners  (HMS  ni  102*')  fängt  an: 
Weiz  aber  ein  man,  ob  ich  noch  rehte  milte  müge  erwecken? 
Voraussetzung  ist:    'ihr  wisst,   dass  rehtiu  milte  sloefet.  —  weifs 
aber  jemand,  ob  ich  sie  noch  einmal  werde  erwecken  können?' 
der  dichter  meint  wol  'niemand  weifs  es'. 

Ähnlicher  art  ist  die  frage  Sigunens  Tit.  69,  3: 
weiz  abe  iemen  waz  diu  minne  richet 

an  Hüten  die  ir  schaden  nie         gewurben,    daz  si  den  fröude 

zerbrichet? 
Ulrich  von  Lichtenstein  klagt  Krauend.  399,  9  f : 
Owe   daz  ich    bi   den   wol   gemuoten  also   lange  muoz   beliben 

ungemuot, 
und  ich  doch  der  grözen  swcere  bin  ze  kranc. 
Sol  ab  ich  si  minnen  diu  mich  hazzet  ?  sol  mir  lieben  diu  mir 

also  leide  tuot? 
ja,  so  wil  daz  herze  und  aller  min  gedanc. 
vor  der  frage  ist  der  zwischengedanke  ausgelassen :  'diesen 
kummer  verursacht  mir  der  hass  der  geliebten.  —  soll  ich  aber 
sie  lieben,  die  mich  hasst?'  als  antvvort  erwartet  man  auch  hier 
eine  Verneinung,  aber  Ulrich  erklärt:  ja,  so  wil  daz  herze  usw. 
Auch  die  beiden  fragen  in  Morungens  tagelied  (143,  22  ITj 
möchte  ich  hierher  ziehen: 

Owe,  sol  aber  mir  iemer  me 
geliuhten  dur  die  naht 
noch  wizer  danne  ein  sne 

ir  Up  vil  wol  geslaht? 

Owe,  sol  aber  er  iemer  me 

den  morgen  hie  betagen ? 


IN  DER  FRAGE  435 

der  begrifl'  der  widerholung 'abermals,  ferner'  ist  ja  schon  durch 
temer  me  ausgedrückt,  aber  wird  also,  obvvol  es  betont  ist,  wie 
in  dem  sprucbe  des  Meifsners,  nicht  das  adverb,  sondern  die  con- 
junction  sein ,  wodurch  die  frage  in  gegensatz  gestellt  wird  zu 
der  tatsache,  dass  jetzt  eben  die  scheidestunde  angebrochen  ist. 
'werde  ich  die  geliebte  aber  nie  mehr  wider  sehen?  — wird  er  aber 
nie  mehr  den  morgen  bei  mir  erwarten?'  die  hoffnung,  oder 
wenigstens  der  wünsch  der  liebenden  liegt  darin :  'es  wird  (es 
möge)  noch  geschehen.'  vielleicht  hätte  ich  diese  fragen  daher 
besser  oben  unter  die  auffordernden  fragen   gesetzt.' 

Noch  auf  eine  stelle  im  Gregor  1131  (1303)  möchte  ich 
aufmerksam  machen  ,  die  bereits  Benecke  zu  Iw.  6200  angeführt 
hat:  'war  umbe  hat  er  dich  geslagen'?' 

'muoter,  ich  kan  diis  niht  gesagen.' 
'sich  her,  tcBte  du  im  iht?' 
so  lautet  die  frage  in  A,  während  E  liest:  lest  dw  im  aber  iht? 
'aber  tatst  du  ihm  nichts?'  die  frage,  welche  eine  bejahende 
antwort  erwartet,  steht  im  gegensatz  zu  der  aussage  des  kindes, 
das  von  einer  veranlassung  zum  streit  nichts  wissen  will,  es 
ist  interessant  zu  sehen,  wie  die  hss.  hier  schwanken:  I  hat  als 
dritte  lesart:  du  hattest  im  villicht  getan,  ebenso  wenig  wie 
die  Schreiber  von  A  und  I  hat  der  herausgeber  Paul  die  stelle 
verstanden,  der  —  mit  Bartsch  —  schreibt:  tcete  du  ime  iht? 
also  E  folgend,  nur  das  unbequeme  aber  einfach  fortlassend. 

Die  dritte  art  von  fragen  mit  aber  sind  solche  der  mis- 
billigung.  ich  möchte  hierher  eine  form  der  revocatio  rechnen, 
wie  sie  Trist.  1015  f  vorliegt: 

Was  wize  ich  aber  dem  guoten  man? 
er  ist  hie  lihte  unschuldec  an. 
die  frage  steht  im  gegensatz  dazu ,  dass  eben  beschuldigungen 
ausgesprochen  wurden,  wie  die  neuhochdeutsche  frage  'aber  ist 
das  recht?'  voraussetzt,  dass  der  gefragte  eben  unrecht  getan 
hat.  mir  sind  augenblicklich  nicht  mehr  beispiele  solcher  revo- 
cierenden  fragen  zur  band,  doch  zweifle  ich  nicht,  dass  sich 
noch  weitere  belege  werden  finden  lassen, 

*  in  fragen,  auf  die  wir  eine  bejahende  antwort  erwarten,  brauchen 
wir  heute  die  negativen  worte  'nicht,  nie  mehr,  niemand',  während  die- 
selben im  mhd.  positiv  ausgedrückt  wurden:  iht,  iemer,  ieman.  man  ver- 
gleiche oben  die  auffordernden  fragen  Reinmars  und  Walthers,  ebenso  einige 
der  noch  folgenden  beispiele. 

28* 


436  ÜBER  DEN  GEBRAUCH  DER  MHD.  CONJUNCTION  ABER 

Eine  misbilligende  frage  aüderer  art  sehe  ich  Parz.  651,  7ff, 
obvvol  Lachmann  und  Bartsch  die  stelle  nicht  als  frage  ge- 
fasst  haben:    Keie  sprach  in  shne  zorn 

'wart  abe  ie  so  loerder  man  geborn, 

getorsl  ich  des  gelonben  hdn, 
lü  so  von  NorwcBge  Gdiodn, 

zin  dar  naher!  holt  in  da! 

so  ist  er  lihte  anderswd. 

wil  er  icenken  als  ein  eichorn, 

ir  mngt  in  schiere  hdn  verlorn. 
Bartsch  bemerkt  hierzu  (xiii  728):  'der  sinn  ist:  da  Gawan  der 
werteste  mann  auf  erden  ist;  aber  in  Keies  ironischer  weise 
ausgedrückt:  wenn  ich  glauben  dürfte,  dass  es  noch  einen  so 
werten  mann  wie  Gawan  gibt,  so  riefe  ich  euch  zu  — '.  dann 
würde  der  folgende  zuruf  und  der  Vorwurf,  dass  der  gesuchte 
sich  doch  nicht  finden  lasse,  nicht  auf  Gawan,  sondern  auf  den- 
jenigen, den  sich  Keie  als  gleich  wacker  vorstellt,  zu  beziehen  sein, 
was  soll  aber  gegen  diese  nur  gedachte  persönlichkeit  der  angriff? 
zeile  11  — 14  geifselt  Keie  die  unstätigkeit  Gawans,  der  unver- 
mutet bald  hier  bald  dort  auftaucht  und  seinen  freunden  wie  ein 
eichhorn  immer  wider  entschlüpft.  die  vorhergehenden  verse 
8 — 10  stehen  mit  dieser  anschuldigung  in  keinem  Zusammen- 
hang, sie  sind  vielmehr  eine  ärgerliche  frage  Keies,  den  die 
grofsen  zurüstungen,  die  Gawans  wegen  au  Artus  hof  getroffen 
werden ,  verdriefsen.  'gibt  es  denn  keinen  so  werten  mann  mehr 
in  der  weit  wie  Gawan,  dass  ihr  seinetwegen  so  viele  umstände 
macht?'  oder  wörtlich  übersetzt,  eine  vorwurfsvolle  frage:  'aber 
ward  nie  ein  so  werter  mann  geboren  (dürfte  ich  das  glauben?) 
wie  Gawan  von  Norwegen?'  das  abe  deutet  auch  hier  einen  gegen- 
satz  an,  der  nach  Keies  nieinung  zwischen  dem  wert  des  mannes 
und  den  anstalten,  die  zu  seinem  empfang  getroffen  werden,  be- 
steht.   V.  10  ist  also  das  komma  in  ein  fragezeichen  umzuändern.  ^ 

'  Wolfram  hat  noch  zwei  fragen  mit  aöei;  die  jedoch  hier  nicht  in 
betracht  kommen,  weil  der  gegensatz,  auf  den  sich  die  conjunction  bezieht, 
im  vorhergehenden  bestimmt  angegeben  ist.  Parz.  500,  11  f  fragt  Trevrizent, 
nachdem  er  erfahren  hat,  dass  sein  gast  sein  pferd  einem  gralritter  im 
kämpfe  abgewonnen  hat: 

ist  ab  de?'  genesen, 

des  ez  von  relite  solde  wesen? 
der  gegensatz  ist  hier:  der  ritter  ist  vom  pferde  herabgestochen  (wie  eben 
erzählt  wurde),  aber  er  ist  mit  dem  leben  davon  gekommen,  und  ferner 
Wh.  238,5  ff:  Gyburg  beobachtet  mit  ihrem  galten  das  heranrücken  der  ver- 
schiedenen ihr  zu  hilfe  eilenden  heerhaufeii  der  Franzosen,  auch  Heim- 
rich,  Willehalms  vater,  bleibt  nicht  zurück: 

Gyburc  sah  ir  sweher  komji. 

si  sprach  'hdstu  ivar  genovm, 

wer  ab  jene  kumende  sin?' 
die  frage  'wer  sind  aber  jene?'    stellt  die  neu  ankommenden  in   gegensatz 
zu  den  von  ihrem  gatten  ihr  schon  genannten  fremden. 


IN  DER  FRAGE  437 

Die  angeführten  beispiele  werden  genügen,  um  den  gebrauch 
der  coDJunction  aber  in  der  frage,  so  wie  er  uns  heute  geläufig 
ist,  auch  fürs  mittelhochdeutsche  zu  bestätigen,  die  fälle,  in 
denen  er  statt  hat,  sind  auf  beiden  sprachstufen  verwunderte, 
auffordernde  oder  misbi  lügende  fragen,  nur  eins  möchte 
ich  zum  schluss  noch  hervorheben :  wir  verwenden  heute  die  par- 
tikel  'denn',  um  die  frage  dringlicher  zu  machen  (DWB  ii  951). 
ich  habe  dieses  wörtchen  vorhin  in  der  rede  Keies  eingeschoben 
('gibt  es  denn  keinen  so  werten  mann  mehr  .  .  .?'),  und  man 
kann  es  ohne  fehler  auch  iu  den  übrigen  fragen  zwischen- 
fügen  (will  denn  niemand  fröhlich  sein?  sollte  ich  denn  immer 
in  sorgen  leben?  usw.),  nur  glaube  man  nicht,  damit  den  sinn 
des  mhd.  aber  widergegeben  zu  haben,  denn  nicht  die  dringlich- 
keit  bezeichnet  dasselbe  in  der  frage,  sondern  ebenso  wie  im 
neuhochdeutschen  einen  gegeusatz,  der  zwischen  dem  Inhalt  der 
frage  und  einer  bestimmten  sie  veranlassenden  tatsache  ge- 
dacht ist. 

Marburg  1888.  JOHANNES  STOSCH. 


DIE  VERSE  VOM  EBER  IN  DER  SANGALLER 
RHETORIK. 

In  der  Geschichte  der  deutschen  litt.  s.  61  f  schreibt  Scherer: 
'aus  der  Schilderung  einer  jagd  haben  wir  die  beschreibung  eines 
angeschossenen  ebers,  worin  komische  Übertreibung  waltet.' 
damit  scheint  mir  die  eigentümlichkeit  der  Saogaller  verse  sehr 
richtig  bezeichnet,  zugleich  aber  Scherers  frühere  Vermutung, 
wonach  sie  einem  liede  von  der  gründung  der  bürg  Ebersberg 
in  Oberbaieru  angehörten,  fortzufallen,  denn  es  ist  nicht  anzu- 
nehmen, dass  die  sage,  welche  die  wunderbare  vorherverkündigung 
des  einbruchs  der  Hunnen  durch  einen  in  jener  gegend  sich 
zeigenden  gewaltigen  eher  enthielt,  in  komischem  tone  sollte  er- 
zählt worden  sein,  'das  älteste  deutsche  beispiel  von  Jägerlatein' 
nennt  Baechtold  die  verse  ganz  treffend  in  seiner  Geschichte  der 
deutschen  litt,  in  der  Schweiz  s.  15. 

Schade  dachte  (Germ,  xiv  46)  daran,  dass  die  in  rede 
stehenden  zeilen  vielleicht  stellen  aus  einem  lügenmärchen  wären, 
es  ist  das  möglich,  aber  es  lässt  sich  auch  kein  sicherer  anhält 
dafür  gewinnen,  denn  obwol  Übertreibungen  sich  vielfach  in 
lügendichtungen  finden,  bilden  sie  doch  nicht  das  entscheidende 
kennzeichen  für  diese  dichtungsgattung,  deren  kecke  art  sich 
vielmehr  darin  gefällt,  die  Ordnung  der  dinge  umzukehren,  die 
weit  auf  den  köpf  zu  stellen,    eher  möchte  ich  die  beiden  Strophen 


438     DIE  VERSE  VOM  EBER  IN  DER  SANGALLER  RHETORIK 

der  Rhetorik  lür  die  Überreste  eines  Spottgedichtes  halten ,  das 
ein  jagdahenteiier  darstellte,  bei  welchem  es  dem  schützen  nicht 
gelungen  war,  den  angeschossenen  eher  zu  töten»  der  un- 
geschickte oder  teige  Jäger  sollte  verspottet  werden,  der  ge- 
i)rauch  des  praesens  in  der  erzählung  lässt  sich  mit  Müllenhoff 
so  erklären ,  dass  wir  die  erhaltenen  Zeilen  als  teile  einer  bot- 
schaft  nehmen;  vielleicht  sprach  sie  der  schütze  selbst,  der  vor 
dem  Untier  eben  geflohen  war  und  'in  schrecken  und  aul'regung 
über  das,  was  er  gesehen',  die  gewaltige  hyperbel  anwandte, 
also  ein  spottlied  über  eine  verunglückte  eberjagd.i 

Dieses  spottlied  muss  in  SGallon  wol  bekannt  gewesen  sein, 
da  Notker  stellen  daraus  neben  geläufigen  classischen  citaten  an- 
führt, auch  den  titel  scheint  er  uns  noch  (z.  24  der  Denkmäler) 
aulbewahrt  zu  haben:  sicnt  et  teutonice  de  apro. 

Ich  mochte  nun  auf  eine  stelle  in  den  Casus  SGalli  auf- 
merksam machen,  worin  von  Jagden,  in  Sonderheit  auch  von 
eberjagden,  erzählt  wird,  welche  die  mönche  mit  grofsem  ärger 
ansahen. 2  zur  zeit  des  abtes  Hartmann,  heifst  es  cap.  48,  der 
ein  frommer  und  gelehrter  herr,  aber  kein  guter  Verwalter  der 
klosterländereien  gewesen,  seien  die  meier  der  örtlichkeiten 
(maiores  locorum)  so  ausschweifend  geworden ,  dass  sie  begonnen 
hätten,  glänzende  Schilde  und  waffen  zu  führen;  sie  hätten  ge- 
lernt, mit  anderem  klänge,  als  die  übrigen  leute  der  ansiedelungen, 
in  die  hörner  zu  blasen,  und  Jagdhunde  gehalten,  anfangs  für 
hasen,  zuletzt  auch  nicht  für  wölfe,  sondern  um  baren  und 
tuskische(?)3  eher  zu  bedrohen,  'die  keller',  hätten  sie 
gesagt,  'mögen  höfe  und  äcker  bebauen;  wir  wollen  unsere 
leheugüter  besorgen  und  der  jagd,  wie  es  männern  geziemt, 
nachgehen.'  —  maiores  locorum  ....  scuta  et  arma  polita 
gestare  incoeperant;  tubas  alio,  quam  caeteri  villani,  clanctu  in- 
flare  didicerant;  canes  prima  ad  lepores,  postremo  wtiam  non  ad 
lupos ,  sed  ad  ursos ,  et  ad  Tuscos ,  ut  quidam  ait ,  minandos  alu- 
erant  apros.  'cellararii',  aiunt,  'curtes  et  agros  excolant;  nos  be- 
lle ficia  nostra  curemus  et  venatui ,   ut  viros  decet,  indulgeamus ! ' 

Abt  Hartmann  starb  im  jähr  925.  er  hinterliefs  nach  Ecke- 
harts  Zeugnis  (cap.  47)  ein  buch  über  die  geschichte  seiner  zeit, 

'  ich  gehe  auf. die  abweichenden  ansichten  anderer  hier  der  kürze 
halber  nicht  ein  und  verweise  nur  auf  den  aufsatz  von  Schädel  (Zs.  f.  d. 
phil.  IX  93  ff),  wo  die  litteratur  über  die  verse  aus  der  Sangaller  Rhetorik 
zusammengestellt  ist.     vgl.  auch  Baechtold  aao.  anm.  zu  s.  15. 

2  ich  benutze  die  Übersetzung  von  Meyer  von  Knonau  in  den  Geschicht- 
schreibern der  deutschen  vorzeit.  den  text  eitlere  ich  nach  der  ausgäbe 
desselben  gelehrten  in  den  Mitteilungen  zur  vaterländischen  geschichte,  neue 
folge  v  und  VI.  auch  sind  die  anmerkungen  Meyers  einzusehen,  der  aufser- 
dem  auf  Nitzsch  Minislerialilät  und  bürgertum  s.  44  und  Waitz  DVG  v  292 
a.  2  verweist. 

[3  Tuscus  aper  Statins  Silv.  4,  6,  10.] 


DIE  VERSE  VOM  EBER  IN  HEK  SANGALLER  RHETORIK     439 

das  uns  leider  verloren  ist.  möglicher  weise  enthielt  es  genaueres 
über  die  ausschreitungen  der  meier. 

Sollte  das  spottlied  vom  eher,  dessen  reste  wir  in  den  versen 
der  Sangaller  Rhetorik  zu  finden  glaubten,  mit  diesen  den 
mönchen  anmafslich  scheinenden  bäuerlichen  jagdvergniigungen 
im  Zusammenhang  stehen?  irgend  ein  nicht  ganz  rühmlicher 
Vorfall,  der  sich  auf  einer  eberjagd  zugetragen,  wäre  von  den 
brüdern  zum  gegenständ  eines  schmähgedichtes  gemacht  worden? 
man  weifs  ja  aus  Eckehart,  dass  die  Sangaller  unter  umständen 
böse  Zungen  hatten,  besonders  wenn  es  galt,  interessen  ihres 
klosters  zu  verteidigen,  es  scheint  mir  nichts  im  wege,  dass  die 
bruchstücke,  die  wirbesitzen,  noch  im  anfang  des  lOjhs.  entstanden 
sind,  auch  dauerte  der  streit  mit  den  meiern,  wie  cap.  49  be- 
richtet wird,  unter  Hartmanns  nachlülger  fort,  wenn  ein  solches 
Spottgedicht  damals  vorhanden  war,  so  konnte  es  recht  wol  zu 
Notkers  zeit  noch  bekannt  sein:  betraf  es  doch  eine  angelegen- 
heit,  welche  die  mönche  einige  Jahrzehnte  früher  sehr  lebhaft 
beschäftigt  hatte. 

Falls  meine  deutung  das  richtige  trifft,  so  würden  die 
drei  ältesten  spottlieder,  die  wir  besitzen,  uns  sämmtlich  aus 
SGallen  überliefert  sein  ;  denn  auch  die  verse  auf  Liubene  und 
der  von  MüUenhoff  Zs.  18,  261  f  besprochene  vers,  wahrschein- 
lich der  anfang  eines  spottliedchens,  finden  sich  in  Sangaller  hss. 

Marburg,  november  1888.  JOHANNES  STOSCH. 


ZU  HELBLING. 

in  den  Studien  Wiener  sitzungsber.  cn  568  und  in  der  aus- 
gäbe des  Helbling  s.  xx  habe  ich,  Karajan  folgend,  die  abfassung 
des  5  gedichtes  in  das  jähr  1286  gesetzt,  als  in  welchem  jener 
zug  herzog  Albrechts  gegen  den  grafen  Iwan  vGüssing  statt- 
gefunden habe,  bei  dem  der  jüngere  Lengenbacher  und  Alber 
vBucheim  gefangen  wurden,  Helbl,  v  67  ff.  jene  fehde  fällt  aber 
nicht  ins  jähr  1286  —  wie  die  steirische  Reimchronik  25815 
=  cap.  ccLxxvni  angibt  —  sondern  1285:  zu  diesem  jähr  wird 
sie  von  den  Ann.  SRudperti  Salisburg.  MG  SS  ix  809  z.  46  ff 
berichtet,  die  Ann.  sind  die  einzige  gleichzeitige  quelle,  welche 
von  dem  ereignis  notiz  nimmt,  auf  sie  geht  in  der  hauplsache 
der  berichl  der  Rchr.  zurück  und  ihrer  datierung  hat  sich  Huber 
Gesch.  Österr.  n  19  f  angeschlossen. 

Übrigens  auch  sonst  lässt  sich  das  datum  1285  wahrschein- 
lich machen,  in  jener  fehde  zog,  heilst  es  in  der  Rchr.  25137 
==  cap.  ccLXix,  das  beer  Albrechts   gegen  die  von  Iwan  besetzte 


440  ZU  IIKLBLING 

vesle  Bernstein.  'Otlokar  allein  hat  diese  nachricht.  wenn  wir 
ihm  glauben  schenken ,  so  stellt  sich  der  nächste  Zusammenhang 
mit  der  Cont.  Vindoh.  SS  ix  712  her:  denn  hier  wird  zum 
jähr  1284  angemerkt,  dass  der  Ungernkönig  Ladislaus  Bernstein 
belagerte,  von  den  seinen  jedoch  schlecht  unterstützt  es  nicht 
erobern  konnte,  und  Ottokar  erzählt  24978  ff,  dass  Ladislaus 
den  herzog  um  seine  hilfe  bat,  damit  er  bürgen,  die  ihm  Iwan 
vorenthalte,  zurückgewinne,  schon  jäuner  1284  hatten  die  Ungarn 
die  belagerung  von  Bernstein  begonnen  (siehe  Huber  im  Archiv 
für  österr.  gesch.  lxv  202)  und  die  anspielung  in  der  Urkunde 
vom  28.  vn.  1284  (ebenda)  lässt  wol  schliefsen,  dass  sie  damals 
bereits  aufgehoben  war.  es  ist  kein  grund  vorhanden,  an  der 
nachricht  Ottokars,  dass  Albrechts  zug  1285  sich  gegen  Bern- 
stein richtete ,  zu  zweifeln. 

Um  nun  die  obere  gränze  für  die  zeit  der  abfassung  des 
5  Helblinggedichtes  zu  gewinnen,  möchte  man  ja  zunächst  die 
erzähluug  vom  friedensschluss  benutzen,  die  Ottokar  25816  ff 
=  cap.  ccLXXix  gibt:  sie  setzt  voraus,  dass  der  vertrag  nicht 
allzu  lange  nach  der  niederlage  des  herzoglichen  aufgebots  ge- 
schlossen wurde,  seine  bedingungen  selbst  —  wir  sind  hierüber 
ohne  jede  urkundliche  nachricht  —  erwecken  in  so  ferne  mis- 
trauen,  als  sie  das  seit  1278  andauernde  bündnis  zwischen 
Albrecht  und  Ladislaus  unterbrechen  und  wir  doch  schon  1287 
den  herzog  wider  im  kriege  gegen  Iwan  finden,  andererseits 
sind  sie  in  der  Rchr.  so  deutlich  gehalten,  wie  wir  es  sonst  be- 
obachten, wenn  Ottokar  urkundliche  bestimmungen  näher  kennen 
zu  lernen  gelegenheit  hatte. 

Wie  dem  aber  auch  sei,  wir  vermögen  Ottokars  angäbe,  dass 
der  vertrag  die  freilassung  jener,  die  noch  in  Iwans  bänden  sich 
befanden,  erwürkte,  wenigstens  für  einen  derselben.  Alber  von 
Bucheim  ,  urkundlich  zu  unterstützen:  am  12.  xn.  1285  ist  Alber 
wider  in  Wien,  denn  er  bezeugt  und  besiegelt  die  Urkunde 
gleiches  datums  Fontes  rer.  Austr.  dipl.  x  33.  da  Helbl.  v  den 
ßucheimer  noch  in  der  gefangenschaft  Iwans  weifs,  so  muss  das 
gedieht  noch  1285  verfasst  worden  sein. 

Dann  aber  empfiehlt  es  sich,  in  der  deutung  der  Zeilen  7f 
wider  zur  auffassung  Karajans  zurückzukehren ,  der  in  ihnen  eine 
anspielung  auf  die  jähre  1276  —  81  sah:  4  jähre  in  runder  zahl, 
genauer  4  jähre  und  etwa  8  monate  hatte  könig  Rudolf  seinen 
hauptwohnsitz  in  Wien,  oder  sollte  der  dichter  die  längeren 
abwesenheiten,  als  der  könig  von  Wien  aus  nach  Böhmen  und 
nach  der  Steiermark  zog,  abgerechnet  haben? 

Wien,  april  1889.  JOSEPH  SEEMÜLLER. 


Druck  von  J.  B.  Hirschfeld  in  Leipzig. 


ANZEIGER 

FÜR 

DEUTSCHES  ALTERTHUM 

UND 

DEUTSCHE  LITTERATUR 


HERAUSGEGEBEN 


ELIAS  STEINMEYER 


FÜNFZEHNTER  BAND 


BERLIN 

WEIDMANNSCHE    BUCHHANDLUNG 

1889 


INHALT. 


Seite 

ßaumgart,  Handbuch  der  poetik,  von   Werner 249 

Biltz,  Zur  deutschen  spräche  und  lilteratur,  von  Steinmeyer     .     .     .  363 

Binz,  Augustin  Lercheimer,  von  Steinmeyer 149 

vBorries,  Das  erste  Stadium  des  «-umiautes  im  germ.,-von  Francii    .  364 

ten  Brink,  Beowulf,  von  Heinzei 153 

Bruchmann  ,  Psychologische  Studien  zur  sprachgesch.,  von  Seemüiier  285 

ßurghauser,  Germanische  endsiibenvocale,  von  Franck 365 

,  Germanische  nominalfiexion,  von  Franck 365 

,  Indogermanische  praesensbiidung,  von  Franck    .     .     .  365 

Deutsches  wb.  s.  vLexer 

Franz,  Mythologische  Studien  ii ,  von  Meyer 209 

Fulda,  Meier  Helmbrecht,  von  Elias 213 

Güdemann  ,  Gesch.  des  erziehungswesens  und  der  cultur  der  Juden  in 

Deutschland,  von  Mayer 213 

Heyne -Socin,  BeowulP,  von  Heinzei 189 

Jostes,  Daniel  von  Soest,  von  Strauch 299 

Kluge,  Von  Luther  bis  Lessing,  von  Luther 324 

Kraus  ,  Johann  von  Michelsberg ,  von  Toischer 291 

vLexer,  Deutsches  wb.  vii  11,  von  Gombert    .........  10 

Manitius,  Sextus  Amarcius,  von  Traube 195 

Martin,    Neue  fragmente  des   gedichts  Van   den   vos  Reinaerde,   von 

Steinmeyer 214 

Mayer,  Über  die  Ortsnamen  im  Ries,  von  Bachmann 150 

Monumenta  Germaniae  paedagogica  iv,  von  Seemüller 366 

Müller,    Die   deutschen    katechismen   der   böhm.  brüder  s.  Monumenta 

Germaniae  paedagogica 

Naue,  Die  hügelgräber  zwischen  Ammer-  und  Staffelsee ,  von  Laistner  211 

Neubaur,  Jugendgedichte  von  ChWernigke,  von  Elias 341 

Nutt,  Studies  on  the  legend  of  the  holy  grail,  von  Martin  ....  207 

Paris,  La  litterature  fran^aise,   von  Martin 369 

Petit,  Bibliographie  der  middelnederlandsche  taal-  en  letterkunde ,  von 

Martin 370 

Poestion,  Einleitung  in  das  Studium  des  altn.  ii,  von  Burg.     .     .     .  357 

Pogatscher,  Zur  lautlehre  der  lehnworte  im  ae.,  von  Holthausen   .     .  288 

Sarrazin,  Beowulfstudien ,  von  Heinzei 182 

Schaub,    Nd.  Übertragungen   des  Lutherschen  Neuen  testaments,   von 

Unruh 370 

Scherer,  Poetik,  von  Werner 275 

Schmidt,  Gudrun,  von  Stosch 151 

Schönbach,  Altd.  predigten  ii,  von  Schröder 202 

Schröder,  Vom  papiernen  stil,  von  Steinmeyer   ........  370 

Schultz,  Die  bestrebungen  der  Sprachgesellschaften  des  xvii  jhs.,  von 

Borinski 372 

Seeliger,  JESchlegel,  von  Rentsch 356 

Seuffert  s.  Vierteljahrschrift 
Socin  s.  Heyne 

Steyrer,  Die  urspr.  einheit  des  vocalismus  der  Germanen,   von  Bach- 
mann       215 


IV  '  INHALT 

Seite 

Thommen,  Schriftproben  aus  hss.  des  xiv  —  xvijhs.,  von  Wattenbach  373 

Trautmann,  Die  sprachlaute,   von  Kräuter  (f) 1 

Verwijs- Verdam ,  Mnl.  woordenboek,   von  Francii 375 

Vierteljahrschrift  für  litteraturgesch.  i,  von  Steinmeyer 375 

vWeilen,  Der  ägyptische  Joseph,  von  Werner 40 

Welciier,  Diaiektgedichte ,  von  Martin 377 

Wolff,  JESchiegel,  von  Rentsch 347 

Zu  Anz.  XV  176,  von  Martin 379 

Kilian  Brustfleck 248 

Zur  gesch.  des  Wortes  deutsch,    von  Luick 135.  248 

Zum  Ernst  D,  von  Steinmeyer 220 

Hans  Folz  in  Würzburg,  von  Herrmann 145 

Glossen,  ahd 380 

Zu  Ulrich  von  Lichtenstein,  von  Schönbach 378 

Zu  Heinrich  von  Melk,  von  Herzog 217 

Miscellen  aus  Tirol ,  von  Prem 143 

Mhd.  miscellen ,  von  Meier 217 

Zur  mittellateinischen  dichtung,  von  Werner 140 

Mönch  von  Salzburg 248 

Altdeutsche  monatsnamen ,  von  Werner 377 

Personalnotizen 152.  380 

Die  Pilatuslegende  im  17  jh.,  von  Borinski 222 

Aus  dem  nachlasse  Rudolfs  von  Raumer,  von  Steinmeyer     ....  227 

Romantisch,  von  Hirzel 223 

Im  Schwerte  sehen,  von  Baechtold .'    .     .      216.  380 

Segen:    Ein  blutsegen,  von  Leitschuh 216 

Segen  gegen  zahnweh,  von  vFleischhacker 145 

Verzeichnis  der  auf  dem  gebiete   der  neueren  deutschen  litteratur  im 

j.  1887  erschienenen  wissenschaftlichen  publicationen,  von  Strauch  70 

Die  deutschen  hss.  in  der  bibliothek  der  Wiltheims,  von  Meier      .     .  148 


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FÜR 

DEUTSCHES  ALTERTHUM  UND  DEUTSCHE  LITTERATUR 

XV,   1    JANUAR  1889 

Die  sprachlaute  im  allgemeinen  und  die  laute  des  englischen,  französischen 
und  deutschen  im  besondern,  von  dr  Moritz  Trautmaxn,  oid.  professor 
an  der  Universität  Bonn.  Leipzig,  GFock,  1884—86.  vin  und  330  ss. 
80.  —  7  m. 

Die  Trautmannsclie  darstellung  der  sprachphysiologie  strebt 
nach  wissenschaftlicher  geslallung  des  massenhaften  Stoffes  und 
ist  klar,  bestimmt,  kurz  und  übersichtlich  bei  grofser  reichhaltig- 
keit.  sie  spricht  noch  von  lauten,  nicht  von  Sprachelementen, 
gegen  die  wir  hoffentlich  schon  durch  die  ellenlange  des  wortes 
hinreichend  geschützt,  sind,  sicherlich  wird  die  physiologie  noch 
ungeahnte  triumphe  feiern;  man  wird  dereinst  die  Würdigung  der 
kunst  eines  Ralfael  nicht  mehr  auf  die  betrachtung  und  prüfung 
seiner  gemälde,  sondern  auf  eine  geniale  theorie  der  mechanik 
seiner  ünger-  und  armmuskeln  gründen,  am  ersten  wird  sie 
auf  dem  gebiet  der  menschlichen  rede  ein  derartiges  herliches 
ziel  erreichen,  sodass  sich  die  eigentümliche  gestaltung  der  spräche 
eines  volkes  zu  einer  gegebenen  zeit  auf  den  bau  seiner  sprach- 
werkzeuge  und  insbesondere  auf  die  hervorragende  entwickehmg 
bestimmter  muskeln  wird  zurückführen  lassen,  es  ist  schon  jetzt 
ein  gewinn ,  dass  man  schärfer  zwischen  sprachphysiologie  und 
Sprachakustik  scheiden  lernt,  aber  letztere,  weiche  Trantmann 
durch  genauere  bestimmung  der  tonhöhe  der  stimmlosen  laute 
zu  fördern  sucht,  wird  auf  das  recht  des  daseius  nicht  verzichten, 
sondern  sich  aus  den  höchst  bescheidenen  anfangen ,  bei  welchen 
sie  jetzt  noch  steht,  zu  hoher  blute  entwickeln,  die  spräche 
pflanzt  sich  durch  begucken  nur  in  geringem  mafse  und  durch 
betasten  gar  nicht,  sondern  eben  durch  abhören  von  geschlecht 
zu  geschlecht  fort;  und  eine  Verständigung  überfremde,  nie  ge- 
hörte laute  ist,  ebenso  wie  deren  erlernuug,  mittelst  der  physio- 
logischen beschreibung  allein ,  ohne  von  bekannten  gegebenen 
lauten  auszugehen,  eine  sache  der  reinen  Unmöglichkeit,  die  zu- 
versichtlichkeit, mit  welcher  oft  das  gegenteil  behauptet  wird, 
erinnert  an  diejenige,  mit  welcher  DuBois-Reymond  der  ältere 
(Kadmus,  Berlin  1862,  s.  214)  lehrt,  das  lispeln  müsse  sofort 
aufhören,  wenn  man  die  untere  zahnreihe  dicht  an  die  obere  an- 
schhefse,  und  ö,  p  würden  dann  unfehlbar  zu  /;  s. 

Von  anderen  Systemen  unterscheidet  sich  das  Trautmannsche, 
welches  sonst  im  grofsen  ganzen  der  überlieferten  Schablone  folgt, 

rch  die  fremder 

A.  F.  D.  A.   XV. 


2  TRAUTMAN.N    DIE  SPRACHLAUTE 

dies,  trefl  usw.,  wobei  übrigens  zu  beachten,  dass  sie  meistens 
nur  in  Vorschlag  gebracht  werden  und  im  texte  weiter  nicht  er- 
scheinen, der  veri'.  nennt  sie  'deutsch',  was  doch  nur  im  histo- 
rischen, gelehrten,  nicht  aber  im  natürlichen,  volkstümlichen  sinne 
gemeint  ist,  wonach  komödie,  locomotive,  gensdarm  ua. 
als  allgemein  verständlich  und  üblich  jetzt  durchaus  deutsch  sind, 
unbedingt  zu  billigen  sind  die  sprachreiniger,  wenn  sie  die  in 
beiderlei  sinne  fremden  Wörter  bekämpfen,  mit  denen  gering- 
schätzung  des  einheimischen ,  faulheit  und  dunkel  die  spräche  der 
gebildeten  und  halbgebildeten  überschwemmt  haben,  wer  aber 
wie  T.  weiter  gehen  und  auch  die  blofs  historisch  fremden  Wörter 
verdrängen  will,  vergisst,  dass  unsere  gymnasien  wol  latein-  und 
griechischschulen,  aber  keine  deutschschulen  sind,  dass  entgegen 
dem  vorbilde  der  Griechen  und  Römer,  welche  man  in  der  theorie 
überschwenglich  lobt,  um  in  der  praxis  so  ziemlich  das  gegenteil 
von  ihnen  zu  tuq,  die  muttersprache  das  aschenbrödel  unseres 
höhereu  Unterrichtes  ist  und  vorwiegend  von  nichtgermanisten 
gelehrt  wird,  dass  in  folge  dessen  die  gebildeten  bei  uns  nicht 
blofs  sich  viel  mehr  und  weit  häufiger  als  in  anderen  culturländern 
einen  erbärmlichen  stil  zu  schulden  kommen  lassen ,  sondern  auch 
trotz  ihrer  Vertrautheit  mit  lateinischen  und  griechischen  tifteleien 
fast  aller  theoretischen  einsieht  in  die  nhd.  grammatik,  nament- 
lich in  bezug  auf  schrift-,  laut-  und  formenlehre  entbehren,  so 
lange  unsere  Schulbildung  nicht  eine  ganz  andere  ist,  wird  die 
menge  die  unbekanntesten,  abgeschmacktesten  und  schwerfällig- 
sten benennungen  aus  fremden  sprachen  mit  behagen  aufnehmen, 
hingegen  neubildungen  aus  dem  deutschen  vornehm  belächeln  und 
mit  schalen  witzen  abtun. 

Fremdartig  und  schwer  lernbar  ist  ferner  T.s  lautbezeich- 
nung,  obgleich  das  lateinische  aiphabet  deren  grundlage  bildet; 
bedenkhcher  noch  ist  deren  kostspieligkeit  für  den  druck:  von 
den  64  buchstaben  (s.  120  f;  bei  dem  obersten  vocalzeichen  auf 
s.  120  hat  sich  der  setzer  versehen),  welche  sich  in  den  zu- 
sammenhängenden Zügen  nicht  etwa  blofs  durch  aufserhalb  der- 
selben befindliche  puncte  oder  beistriche  von  einander  unter- 
scheiden, müssen  46  neu  geschnitten  werden,  darunter  auch  die 
zeichen  für  die  laute,  die  man  sonst  mit  w  v  l  m  n  s  r  k  dar- 
zustellen pflegt;  nicht  als  neu  gerechnet  sind  hier  y  b  d  g  j, 
obgleich  sie  nicht  ganz  ohne  Veränderung  geblieben,  ich  be- 
dauere in  des  verf.s  eigenem  Interesse  lebhaft,  dass  er  den  Wider- 
spruch nicht  hat  aufgeben  können,  den  er  schon  vor  11  jähren 
brieflich  gegen  den  fünften  meiner  'zwölf  Sätze'  erhoben  hat,  und 
fürchte,  dass  der  hohe  preis  des  trefl"lichen  buches  durch  die 
misachtung  meines  wolgemeinten  rates  verschuldet  ist  und  im 
verein  mit  den  vielen  ungewohnten  buchstaben  viele  käufer  ab- 
schreckt. —  dass  T.  sich  nicht  darüber  ausspricht,  warum  die 
laute   und   ihre  eigenschaften    in   der   weise  bezeichnet   werden 


TRAÜTMAN'N    DIE  SPRACHLAUTE  3 

sollen,  wie  er  es  will,  halte  ich  zwar  für  unwissenschaftlich,  so 
allgemein  beliebt  dieses  verfahren  bei  den  gelehrten  ist,  aber 
immerhin  für  verständiger  als  gründe  anzugeben,  zu  welchen  die 
gemachten  vorschlage  wie  die  faust  aufs  äuge  passen,  so  zb. 
schrieb  mir  ein  bekannter  lautphysiologe  und  professor,  für  rein 
wissenschaftliche  zwecke  sei  mein  aiphabet  'unübertrefflich',  aber 
mit  rücksicht  auf  das  gröfsere  publicum,  an  das  er  sich  wende, 
müsse  er  sich  in  einigen  puncten  enger  an  das  hergebrachte  an- 
schliefsen.  und  was  verlangt  er  nun,  um  das  ungewöhnte  äuge 
des  laien  nicht  durch  fremdartiges  zu  verletzen?  statt  mit  mir  ro/e, 
ko/e  zu  schreiben,  schreibt  er  rose,  kose!  ähnlich  verhält  es  sich 
mit  seinen  übrigen  abweichungen.  da  lobe  ich  mir  doch  die  klarheit 
und  folgerichtigkeit  eines  anderen  bekannten  iautphysiologen  und 
Professors,  welcher  den  grundsatz  aufgestellt  hat  und  in  seinen  er- 
örterungen  über  Orthographie  mit  unerbittlicher  strenge  befolgt, 
dass  man  in  orthographischen  dingen  überhaupt  nicht  denken 
solle,  da  in  folge  unserer  herschenden  gymnasiaibildung  diese  denk- 
scheu nicht  zu  den  grösten  Seltenheiten  gehört  und  der  Wirrwarr 
in  der  wissenschaftlichen  Schreibung  nicht  blofs  weit  gröfser  ist 
als  in  der  volkstümlichen,  sondern  täglich  unleidlicher  wird,  so 
wäre  das  beste,  ein  zweiter  Puttkamer  würde  für  alle  werke, 
welche  mit  staatsunterstülzung  gedruckt  oder  von  staatsbesoldeten 
geschrieben  werden,  ein  bis  in  alle  einzelheiten  unbedingt  bin- 
dendes physiologisches  aiphabet  decretieren. 

Der  hauplwert  des  buches  liegt  in  dem  zweiten,  practischen 
teile,  welcher  eine  vorzügliche,  auf  eingehender  und  scharfer 
beobachtung  beruhende  darstelluug  der  elementarlehre  (phonetik 
und  das  wichtigste  aus  prosodie  und  dynamik)  des  englischen, 
französischen  und  deutschen  gibt.  verf.  betritt  den  einzig  rich- 
tigen weg  und  geht  nicht  von  den  lauten,  sondern  von  der 
herschenden  Orthographie  aus;  er  beeinträchtigt  die  Übersicht- 
lichkeit und  brauchbarkeit  allerdings  dadurch,  dass  er  seinem 
einleilungsgrund  nicht  treu  bleibt,  bedauerlich  ist  ferner,  dass 
er  laut  und  buchstaben  nicht  scharf  genug  aus  einander  hält,  die 
nächste  aufgäbe  der  sprachphysiologiscben  lehrbücher  ist  nicht 
etwa,  alle  möglichen  feinheiten  aufzuzählen,  deren  menge  den 
anfänger  verwirrt  und  entmutigt,  sondern  nachdrücklichst  die 
herschende  Verwechselung  von  spräche  und  schrift  zu  bekämpfen, 
mit  welcher  zb.  die  übliche  Orthographie  der  fremdwörter  sowie 
die  nfrz.  Verslehre  mit  all  ihren  albernheiten  steht  und  fällt,  und 
welche  sowol  die  besserung  der  hergebrachten  Schreibung  als  die 
richtige  auffassung  der  spräche  in  empfindlicher  weise  erschwert; 
diese  pflicht  ist  um  so  dringender,  da  die  Wahrheit  nicht  etwa 
blofs  unerkannt  bleibt,  sondern  bewust  bestritten  wird,  nachdem 
in  Vietors  Zeitschrift  gezeigt  worden,  wie  ganz  anders  sich  die 
ffmininbildung  der  frz.  adjcctive  darstellt,  wenn  man  die  spräche 
zu  gründe  legt,  statt  mit  sämmllichen  grammatiken  an  den  buch- 


4  TRAUTMAKN  DIE  SPRACHLAÜTE 

Stäben  zu  kleben,  nabm  Herrigs  Archiv  denselben  gegenständ 
wider  auf,  um  die  Unmöglichkeit  einer  streng  wissenschaftlichen 
Schreibung  und  die  notwendigkeit  des  leslhaltens  an  den  alten 
irrtümern  für  das  nfrz.  zu  erweisen!  wieso?  gehe  man  vom  wort- 
bild  aus,  so  habe  man  eine  einfache  regel:  fem.=msc.+E-zeichen. 
halte  man  sich  an  die  Wörter,  so  versinke  man  ins  chaos:  fyi'.fyi; 
Jiyi  :ki/ü;  pfi  :pflf;  dw.düs;  boihbn  usw.  aber  von  den  zahl- 
reichen ausnahmen  abgesehen,  woher  weifs  denn  der  schüler,  dass 
er  fui,  cuit,  pris  usw.  schreiben  soll?  gibt  es  dafür  auch 
eine  'einfache'  regel?  der  lehrer  muss  ihn  vielmehr  gerade  auf 
das  femininum  verweisen ,  um  die  Orthographie  des  masculinums 
zu  finden  (zb.  Noel  et  Chapsal,  Gramm,  franc.  1866  §  224), 
ferner:  genau  so  leicht,  wie  man  lernt,  dass  man  pris  schreibt 
und  pH  spricht,  prägt  man  sich  auch  ein,  dass  pr// das  fem.  zu 
ffi  ist.  das  köstlichste  ist  aber,  dass  der  Orthographie  zu  lieb 
eine  sprachgeschichtliche  abgeschmacktheit  und  eine  lautliche  Un- 
möglichkeit gelehrt  wird :  das  fr^.  fem.  ist  gar  nicht  aus  dem  msc. 
entstanden,  zb.  bonne,  fine  nicht  aus  hon,  fin,  und  die 
lautfolgen  bn,  in  können  sich  nicht  aus  den  einzelnen  vocallauten 
p,  a  entwickeln,  sondern  hon,  fin  sind  aus  dem  lat.  bona(m), 
finita(m)  hervorgegangen  wie  hg,  fa  aus  bonu(m),  finitu(m). — 
einer  solchen  hartnäckigen  Überschätzung  der  Orthographie  gegen- 
über darf  die  Sprachphysiologie  nie  im  zweifei  lassen,  ob  sie  von 
lauten  oder  von  buchstaben  spricht,  und  keine  ausdrücke  ver- 
wenden, welche  die  hergebrachte  vermengung  begünstigen,  aber 
T.  redet  fort  und  fort  von  doppelconsonanten ,  wo  er  verdoppelte 
consonanten zeichen  meint;  er  hebt  dies  zwar  in  einer  an- 
merkung  zu  §348  ausdrücklich  hervor  und  sagt  fast  bei  jedem 
consonantenzeichen  in  endlosen  widerholungen,  dass  dessen  Ver- 
doppelung in  der  deutschen ,  französischen  und  englischen  Ortho- 
graphie für  den  eulsprechenden  consonantlaut  durchaus  nichts 
anderes  bedeutet  als  die  einfache  Schreibung,  gleichwol  muss 
dieser  ebenfalls  unzählig  oft  widerkehrende  ausdruck  'doppelcon- 
souant'  den  anfäuger  verwirren;  der  wahu,  die  einzelnen  S- und 
N-zeichen  in  firnis,  hindernis,  kaiserin,  wirtin  usw. 
bedeuten  etwas  anderes  als  die  Verdoppelung  in  firnisse, 
kaiserinnen  usw.,  ist  weit  verbreitet  und  hat  noch  die  jüngste 
reglementierung  unserer  Orthographie  beeinflusst,  sodass  man  ihm 
durchaus  keinen  Vorschub  leisten  darf,  meint  man  einen  laut, 
so  spreche  man  denselben  unter  beifügung  von  'laut'  und  schreibe 
zb.  /"-laut,  /"-laut,  s-laut,  a-laut  usw.;  meint  man  einen  buch- 
staben, so  nenne  man  ihn  mit  seinem  üblichen  namen  (af,  as,  tse, 
d,  hä  usw.)  unter  beifügung  von  'zeichen'  und  schreibe  F-zeichen, 
S-zeichen,  C-zeichen,  A-zeichen  usw\  dies  mag  lästig  und  schul- 
meisterlich scheinen ,  ist  aber  das  einzige  mittel ,  dem  greulichen 
durcheinander  ein  ende  zu  machen. 

Je    mehr    man    die   würklich   gesprochenen    laute  lebender 


TRAUTMANM  DIE  SPRACHLAUTE  t) 

sprachen  zum  gegenständ  selbständiger  Untersuchung  macht ,  statt 
kritiklos  althergebrachte  fabeln  nachzuschreiben,  desto  unange- 
nehmer wird  die  Unzulänglichkeit  unserer  beobachtungsmethoden 
fühlbar  in  der  grofsartigen  Zersplitterung  der  meinungen;  wer 
über  die  sache  kein  eigenes  urteil  hat,  kann  angesichts  der  masse 
der  widersprechenden  angaben  leicht  den  mut  verlieren,  sich 
weiter  mit  so  verworrenem  zeug  zu  befassen,  und  ohne  zweifei 
wird,  sowie  die  menschen  einmal  sind,  die  in  manchen  kreisen 
beliebte  Überschätzung  der  bisherigen  bescheidenen  leistungen 
der  Sprachphysiologie  und  sprachakustik  früher  oder  später  einer 
tüchtigen  ernüchterung  weichen;  von  anderen  Wissenschaften,  in 
denen  auch  keine  übermäfsige  einheit  herscht,  namentlich  wenn 
sie  an  fragen  rühren ,  welche  unseren  jetzigen  hiifsmitteln  un- 
zugänglich sind,  denkt  zwar  kein  verständiger  deshalb  gering; 
aber  es  sind  durch  altes  herkommen  geheihgte  stattliche  bäume, 
während  unser  schössling  noch  jung  ist  und  mit  dem  unkraut 
des  buchstabencultus  um  luft  und  licht  kämpfen  muss. 

Der  mangel  an  Übereinstimmung  beruht  z.  t.  darauf,  dass  den 
verschiedenen  forschem  eben  nicht  ein  und  derselbe  gegenständ 
der  beobachtung  vorlag;  es  herscht  die  gewohnheit,  den  Sprach- 
gebrauch eines  landes  nach  dem  eines  einzelnen  individuums  oder 
eines  engen  kreises  zu  bestimmen,  auch  in  dieser  hinsieht 
unterscheidet  sich  T.  vorteilhaft  von  den  landläuügen  Orthoepien, 
obgleich  die  Schwankungen  in  der  gebildeten,  'mustergiltigen' 
redeweise  noch  weit  stärker  sind,  als  er  sie  angibt,  zb.  in  Deutsch- 
land und  in  Frankreich  zwischen  e-  und  «-laut,  wenn  man  eine 
eingehende  und  zuverlässige  sprachstatistik  trotz  den  ungeheueren 
Schwierigkeiten  als  durchaus  nötig  fordern  muss,  so  soll  damit 
natürlich  nicht  etwa  behauptet  werden,  dass  sie  ausreiche;  wer 
eine  spräche  schulmäfsig  lernt  oder  lehrt,  muss  sich  dem  schwanken 
gegenüber  bestimmt  entscheiden;  der  französischlehrer  kann  un- 
möglich einer  classe  deutscher  schüler  freistellen ,  ob  jeder  nach 
belieben  6tait  als  eta,  oder  als  ete,  oder  als  ete,  6te  als  ete, 
oder  als  ete,  oder  als  ete  sprechen  will,  ebenso  wenig  wie  der 
Sprachforscher,  der  auf  wissenschaftlichkeit  anspruch  macht,  sich 
mit  einer  toten  anhäufung  von  tatsachen  begnügen  kann,  ohne 
nach  den  treibenden  gründen  zu  suchen;  die  lautregeln ^  welche 
dieser  aus  der  gröfseren  oder  geringeren  mehrzahl  der  fälle  und 
aus  allgemeinen  betrachtungen  ableitet,  muss  der  lehrende  jedes- 
falls  zur  festen  richtschnur  nehmen;  eine  solche  lässt  T.  bis- 
weilen vermissen,  zb.  bei  den  prosodischen  und  phonetischen 
Schwankungen  der  vocalischen  selbstlauter  des  nhd.  und  bei  der 
G- frage,  seine  erörterung  über  letztere  bedarf  keiner  Wider- 
legung, denn  nachdem  er  auf  'völlig  unanfechtbarer  historischer [?] 
grundlage'   eine   'sichere'  lösung  gefunden  (s.  318),   steigt  ihm 

1  absichtlich  vermeide  ich  den  ausdruck  'lautgesetz',  welcher  in  vielen 
köpfen  Verwirrung  angerichtet  hat. 


b  TRAUTMANN  DIE  SPRACHLAÜTE 

(s.  319)  ein  sehr  gewichtiger  zweifei  auf,  welcher  unlerdessen 
für  die  kgl.  preufsischen  hühnen  zum  geselz  geworden,  während 
die  gelehrten  sich  ergebnislos  herumzankten,  hat  widerum  das 
Schwert  der  gewalt  den  knoten  zerhauen  und  zwar  diesmal  in 
befriedigender  weise;  trotzdem  graf  Hochhergs  entscheidung  in 
fassung  und  begründung  ebenso  befremdlich  und  mangelhaft i  ist 
wie  die  regeln  der  preufsischen  schulorthographie ,  trifTt  sie  doch 
in  der  sache  wesentlich  das  richtige.  —  leitende  grundsätze  werden 
immer  nötiger,  je  feiner  man  unterscheiden  lernt;  schliefslich  wird 
man  zu  dem  ergebnis  gelangen,  dass  es  kein  einziges  wort  gibt, 
welches  von  mehreren  menschen  zu  gleicher  zeit  oder  von  einem 
und  demselben  menschen  zu  verschiedenen  zelten  genau  gleich 
gesprochen  würde,  so  wenig  sich  in  einem  walde  zwei  völlig 
gleiche  blätter  finden;  schon  vor  jähren  habe  ich  mich  durch 
messungen  vermittelst  physicalischer  apparate  überzeugt,  dass  in 
fällen,  wo  man  genau  dasselbe  zu  sprechen  und  zu  hören  glaubt, 
in  würklichkeit  riesige  Schwankungen  statthaben. 

Dies  führt  uns  zu  dem  zweiten  gründe,  weshalb  die  meinungen 
so  stark  von  einander  abweichen:  die  beobachtungsmittel  der 
Sprachphysiologie  sind  bis  jetzt  ganz  kindliche,  ähnlich  wie  wenn 
die  astronomie  etwa  parallaxen  und  bahnen  von  fixsterneu  mit 
dem  blofsen  augenmafs  feststellen  wollte,  es  fehlt  ganz  und  gar 
an  Vorrichtungen,  welche,  ohne  dass  der  sprechende  sich  be- 
obachtet glaubt,  die  unbefangene  rede  selbsttätig  registrieren  mit 
allen  phonetischen,  prosodischen,  dynamischen  und  tonischen  ab- 
stufungen,  die  auch  dem  schärfsten  gehör  entgehen;  wir  sind 
weit  davon  entfernt,  für  jedes  kleinste  zeitteilchen  eines  satzes 
die  genaue  gleichung  der  luftschwingungen,  sowie  der  gestalt  und 
des  Verhallens  der  organe  geben  zu  können,  nicht  nur  entbehren 
wir  der  controle  für  dinge,  die  sich  mit  dem  blofsen  gehör  deutlich 
erkennen  lassen,  sondern  vieles  bleibt  uns  völlig  dunkel;  beides 
ist  um  so  bedauerlicher,  als  vorgefasste  meinungen  leider  nirgends 
eine  so  gewaltige  macht  ausüben  wie  in  der  Sprachphysiologie; 
in  manchen  fällen  ist  eine  und  dieselbe  erscheinung  von  ver- 
schiedenen beobachtern  ganz  verschieden  wahrgenommen  worden 
und  gerade  da,  wo  die  würkliche  beobachtung  aufhört,  treibt  die 
ausschweifendste  phantasterei  die  üppigsten  bluten,  so  hiefs  es 
einmal,  in  einem  tönenden  reibelaut  wie  v,  f,  f,j  könne  das 
luftgeräusch  einen  mittleren  stärkegrad  nicht  übersteigen;  aber 
man  hatte  nicht  daran  gedacht,  zum  manometer  zu  greifen  und 

*  sie  fordert  zb.  das  für  einen  deutschen  mund  unerhörte  B  erg-,  Berg-s, 
sorg-t;  graf  Hochberg  und  seine  gepriesenen  autoritäten  wissen  nicht,  dass 
die  nhd.  spräche  vor  pausen  und  stimmlosen  keine  b-,  d-,  g-,  sondern  statt 
deren  nur  jy-,  t-,  A- laute  kennt;  wunderlich  ist  es,  dass  der  herr  general- 
intendant  den  niederdeutschen  j-  und  den  mitteldeutschen  ch-laut  in 
Melliig-e,  mollige,  stämmigen  usw.  verbietet  und  für  dieselben  Wörter, 
wenn  deren  selbstlauter  i  schwindet,  die  lautungen  welche,  moiche, 
stiJnimchen  vorschreibt. 


TRAUTMA^^•    DIE  SPRACHLAÜTE  7 

ZU  sehen,  dass  zu  dem  allerstärksten  möglichen,  bei  44  mm.  queck- 
silber- Überdruck  erzeugten  /"-laut  gleichzeitig  die  stimme  stark 
oder  schwach  hinzuzutreten  vermag;  ja  noch  mehr;  ein  haupt- 
verlechter  jener  ansieht,  der  um  Verbreitung  lautphysiologischer 
kenntnisse  hochverdiente  RvRaumer  erwiderte  1870  auf  die  mit- 
teilung  eines  ihn  gründlich  widerlegenden  Versuches:  derselbe 
beweise  blofs,  dass  der  beobachtende  eben  nicht  im  stände  war, 
stark  und  schwach  zu  unterscheiden;  'denn  die  hervorbringuug 
eines  singtons  bei  würklich  harten  lauten  ist  rein  unmöglich, 
wie  ich  aus  langjährigen  und  tausendfach  widerholten  versuchen 
weifs.'  — Jahrzehnte  lang  wurde  von  geflüsterten  medien  gefabelt; 
aber  kein  anhänger  dieses  glaubenssatzes  hatte  das  angeblich  be- 
gleitende flüstergeräusch  würklich  gehört,  keinem  war  es  bei- 
gekommen, dasselbe  mildern  Stethoskop  zu  untersuchen.  —  seit 
mehr  als  einem  halben  Jahrhundert  war  es  eine  ausgemachte 
Sache,  dass  wir  im  deutschen  keine  den  indischen  teuuesaspiraten 
ähnlichen  laulfolgen  besitzen,  und  diesem  wahne  zu  lieb  haben 
gelehrte  die  hergebrachte  deutsche  Orthographie  gemafsregelt; 
aber  keinem  von  denen ,  welche  ihren  eigenen  Sprachgebrauch 
als  nicht  vorhanden  bezeichneten,  war  es  eingefallen,  die  band 
oder  einen  papierstreifen  vor  den  mund  zu  halten  und  sich  zu 
überzeugen,  dass  bei  hd,  xd  ein  lufislofs  fühlbar  wird,  der  sich 
ebenso  bei  tasse  (=  thasd) ,  k a h  1  ('=  A-j;ä/ ' ,  k a s s e  ('=  A-jjasaj 
einstellt,  aber  bei  dem  kräftigsten  d,  jd,  tasd,  kdl,  kasd  fehlt.  —  heute 
noch  werden  behauptungen  aufgestellt  und  nachgebetet,  ohne  dass 
man  auch  nur  den  versuch  gemacht  hätte,  einen  schatten  von 
beweis  zu  erbringen,  häufig  liegt  einfach  die  ewige  Verwechselung 
von  spräche  und  Orthographie  zu  gründe,  so  zb.  soll  die  silben- 
scheide  in  ahle,  aale,  alarm  vor,  in  alle,  allein,  allee 
aber  mitten  in  den  Maut  fcfllen;  natürlich:  beim  abbrechen  der  zeile 
schreibt  man  ja  ah-le,  al-le  usw.  andere  finden  ihr  ideal  in 
willkürlich  ersonneneu,  läppisch  begründeten  und  kritiklos  hin- 
genommenen lateinischen  schreibregeln  und  entdecken  in  folge 
dessen,  dass  der  Franzose  san-ctuaire  spreche,  wider  andere 
gönnen  ihrer  phantasie  freieren  schwung  und  hören  demgemäfs 
kar-pfen,  klop-fen,  pfos-ten,  o-stern,  gei-ster, 
fen-ster,  weise-ste.  schon  allein  die  fassung  der  officiellen 
regel  beweist,  welch  grofse  Verworrenheit  herscht;  im  'langsamen 
sprechen',  das  zur  entscheidung  angerufen  wird ,  sjilabiert  man 
überhaupt  nicht,  sondern  dehnt  die  laute,  bei  tenues  die  stets 
begleitenden  pausen:  kammmelll,  alllt  —  te,  klllop  —  pfffe, 
kämmmp  —  pfffessst  —  t,  fff^ht  —  t  ihnnn  (oder  nach  beliebter 
schuUmart:  —  t  'ihnnn);  und  beim  syllabieren  trennt  man  eben, 
wenn  man  überhaupt  zur  Sicherheit  darin  gelangt  ist,  genau  so 
wie  man  es  zufällig  Inder  schule  für  die  buchstaben  gelernt, 
ohne  jede  rücksicht  auf  die  spräche,  ohne  eine  spur  von  conse- 
quenz,  welche  entweder:  ap-pel-lant,  cap-pit-tel,  gram-mat-tik-ker, 


8  TRAUTMA>N  DIE  SPRACHLAÜTE 

bat-tal-jon,  fam-niil-jär,  räl-sel,  geit-sen,  füch-se,  liek-se,  la/j-?;e, 
ras-se,  sa.i5-.ro,  met-laf-fer  usw.,  oder  aber:  a-pe-lant,  ca-pi-tel, 
ba-la-li-on,  rä-lsel,  tii-chse,  la-nge,  ra-sche,  usw.  verlangen  würde; 
die  regel  dreht  sich  einfach  im  kreise,  selbst  wenn  es  sich  mit 
der  Silbentrennung  sprachlich  würklich  so  verhielte,  wie  gelehrt 
wird,  und  wenn  die  Forschung  der  zukunt't  volle  bestätigung 
brächte,  so  wären  die  jetzigen  bekenner  des  dogmas  nicht  im 
mindesten  entschuldigt;  die  menschliche  Wissenschaft  hat  es  nun 
einmal  nicht  mit  der  Wahrheit,  sondern  mit  der  Wahrscheinlich- 
keit zu  tun,  sie  fragt  nicht  nach  Offenbarungen,  sondern  nach 
beweisen,  sie  kann  die  glänzendste  erratungsgabe  nur  als  au- 
regung,  niemals  aber  als  ersatz  für  die  mühsam  nachrechnende 
methode  gellen  lassen ,  sonst  hätten  die  Schwärmer  recht ,  welche 
durch  spiritistische  medien  sicheres  über  die  bewohner  des  sirius 
oder  den  rückzug  der  zehntausend  feststellen  wollen,  es  freut 
mich  sehr,  dass  auch  ein  so  scharfer  beobachter  und  klarer  denker 
wie  T.  die  von  mir  geforderten  physiologischen  und  akustischen 
beweise  für  die  stelle  der  silbenscheide  nicht  beizubringen  ver- 
mag, dass  er  manches  in  dem  dogma  als  zweifelhaft  anerkennt 
und  dass  er  für  das  übrige  keinen  anderen  ausweg  findet  als 
die  nicht  einmal  dem  Sachverhalt  entsprechende  wendung:  all- 
gemein zugegeben  scheinen  blofs  folgende  zwei  fälle  zu  werden 
(s.  131).  ich  will  noch  bemerken,  dass  für  die  lieblingssätze  der 
hochtheoretischen  atemhubspeculalion  bis  jetzt  nicht  einmal  eine 
bestätigung  in  der  lautgeschichte  gefunden  worden,  man  sagt  zb., 
im  frz.  verstumme  der  mitlauter  am  ende  der  Sprechsilbe  (gra 
|)flr  =  grand-pere,  aber:  gfa  ?6m  =  grand  homme);  wäre  das 
wahr,  so  könnte  man  sich  trotz  allerlei  bedenken  diese  mechanische 
regel  wegen  ihrer  kürze  gefallen  lassen ,  nur  würde  sich  niemand 
einbilden  dürfen,  damit  eine  erklärung  für  den  lautlichen  Vorgang 
geliefert  zu  haben;  aber  die  regel  ist  falsch:  d-laut  zu  beginn 
der  silbe  wird  nicht  zu  ?-laut;  ferner  gilt  sonst  im  frz.  wie  z.  t. 
im  lat.  muta-  oder  f-  oder  ic-  mit  folgendem  r-  oder  ?-laut  als 
Silbenanfang;  nun  heifst  es  aber  nicht  gi^a  tröl,  (grand  röle), 
sondern  gfa  föl,  nicht  ne  wlu  (neuf  loups)  wie  ne  wer  (neuf 
heures) ,  sondern  ne  lu  usw.  ein  gedehnter  mitlauter  gehört  an- 
geblich halb  zum  vorhergehenden,  halb  zum  folgenden  selbstlauter; 
es  ist  aber  nirgends  nachweisbar,  dass,  wo  die  an,  am  zu  a  und  die 
al  zu  au  werden,  die  angeblichen  an-na,  am-ma,  al-la  in  a-na, 
a-ma,  au-la  übergehen  im  gegensatz  zu  unverändert  bleibenden 
a-na,  a-ma,  a-la  usw.;  altes  mür-we,  mil-we  wird  nhd. 
mür-be,  mil-be,  aber  aus  ou-we  (=  ow-we)  wird  nicht 
au-be;  Paul,  der  auch  an  ax-xa  glaubt,  hat  das  'lautgeselz'  ent- 
deckt, der  palatale  reibelaut  x  im  silbenanlaut  werde  nhd.  zu 
fc-laut,  ohne  aber  ein  beispiel  dafür  auftreiben  zu  können,  dass 
ein  angebliches  ax-xa  zu  ax-ka  geworden  (was  er  über  fälle  wie 
kein,  -keit,  -kofeu,  -kon  vorbringt,  wird  durch  das  schwei- 


TRAUTMANN    DIE  SPRACHLAÜTE  y 

zerische  widerlegt),  um  mittelchen,  die  lücher  der  Iheorie  zu 
verkleistern ,  ist  man  natürlich  nie  verlegen ;  auch  die  bekenner 
der  Ptolemäischen  planetenlehre  häuften  unbedenklich  epicykel 
auf  epicykel.  —  die  allgemein  herschende  Verwirrung  zwischen 
vocal  und  selbstlauter,  zwischen  consonant  und  millauter  bewiirkt, 
dass  man  in  den  unsilbigen  vocalen  mit  aller  gewalt  entschiedene 
reibelaute  entdecken  will  und  an  der  verkehrten  diphthongen- 
Iheorie  festhält;  auch  T.  spricht  (s.  119)  von  'vocalen',  wo  er 
selbstlauter  meint,  und  findet  in  den  vocalischen  mitlautern  fast 
überall  tönende  reibelaute,  während  er  nirgends  erwähnt,  dass 
letztere  auch  silbig  vorkommen,   zb.  in  entrüstetem  dx',  dj"  für 

du,  die;  vgl.  ferner  Sweet ,  Phonelics  s.  123;  gibt  es  überhaupt 
vocallaute  ohne  das  leiseste  begleitende  luftgeräusch  ?  —  über- 
mäfsige  theoretische  Vorliebe  für  sandhierscheinungen  ist  es  jedes- 
falls,  wenn  er  'fast  überall'  in  Deutschland  k feile,  zfei,  schfur 
usw.  für  quelle,  zwei,  schwur  (s.  305),  und  in  Frankreich 
s/ar,  s/if,  s^el  usw.  für  soir,  suif,  ciel  (s.  213,216,  211  usw.) 

n  y 

hört.  —  historische  Voreingenommenheit,  welche  s.  204  (zeile  17) 
nackt  hervortritt,  ist  es,  wenn  er  trotz  dem  Widerspruch  von 
geborenen  Franzosen  und  von  Rapp,  Ellis,  Sweet,  Techmer  ua. 
im  französischen  die  letzte  silbe  für  stark  hält. 

Alle  derartigen  meinungsverschiedenheiten  werden  unmöglich 
sein,  wenn  wir  einmal  eine  genaue  beobachtungsmethode  haben, 
sollte  T.,  durch  meinen  Widerspruch  veranlasst,  eine  solche  suchen 
und  finden,  so  würde  mich  das  ebenso  herzlich  freuen  wie  seine 
freundliche  gesinnung  gegen  mich,  welcher  er  so  oft  ausdruck 
gegeben;  ich  würde  auf  diesen  erfolg  meiner  einspräche  nicht 
weniger  stolz  sein,  selbst  wenn  die  vereinzelten  einwände,  die 
ich  gegen  seine  ausgezeichneten  und  umfassenden  beobachtungen 
glaube  erheben  zu  müssen,  sich  als  unberechtigt  erweisen  würden. 

An  zwei  stellen ,  welche  der  oberflächlich  herumnaschende 
und  den  gebrauch  des  papiermessers  scheuende  leser  übersieht, 
da  sie  sich  auf  der  ßten  seile  eines  halben ,  bezw.  ganzen  bogens 
(s.  VI  und  134)  verbergen,  stellt  verf.  ein  werk  in  aussieht  über 
'die  Wörter  und  Sätze  im  allgemeinen  und  die  engl.,  frz.  und 
deutschen  Wörter  und  Sätze  im  besonderen';  mögen  sich  also 
diejenigen  beruhigen ,  welche  in  seinem  vorliegenden  buche  die 
dynamik,  prosodie  und  tonik  nicht  ausreichend  behandelt  fanden, 
und  so  schliefsen  wir  mit  herzHchem  dank  für  seine  treffliche 
leistung  und  sehen  der  baldigen  einlösung  seines  Versprechens 
mit  Spannung  entgegen. 

Saargemtind.  Kräuter. 

fzu  Bern  am  2sept.l888. 


10  DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  11 


DEUTSCHES  WÖRTERBUCH,  siebenten  bandes  elfte  lieferung.  PLATZ- 
BAUM  —  PRESSVERGEHEN,  bearbeitet  von  dr  ä1.\tthus  Lexer. 
Leipzig,  SHirzel,  1S88.  —  2  m. 

Es  sind  jähre  vergangen ,  seitdem  zum  letzten  male  in  diesem 
Anzeiger  des  Grimmschen  Wörterbuches  gedacht  ist;  darum  scheint 
eine  neue  erinnerung  an  das  grofse  werk  berechtigt,  wenn  auch 
schwerlich  jemand  eine  allgemeine  besprechung  und  Würdigung 
der  94sten  lieferung  des  ganzen,  der  Uten  von  Lexers  arbeit 
hier  erwartet,  weifs  man  doch,  dass  dieser  in  rastloser  tätigkeit 
ein  heft  nach  dem  anderen,  während  der  letzten  jähre  in  den 
kurzen  Zwischenräumen  von  etwa  6 — 7  monaten,  zu  stände  bringt, 
und  dass  die  leistung  des  seit  Jahrzehnten  bewährten  wörler- 
buchmannes  der  höchsten  anerkennung  wert  ist.  die  ausfuhr- 
lichkeit  in  den  letzten  lieferungen  ist  sich  gleich  geblieben ,  so- 
dass die  neuesten  drei  etwa  50,  47,  48  selten  des  wb.s  von 
Heinsius  entsprechen,  während  das  letzte  heft  aus  Hildebrands 
feder  (gemüt  —  genug)  die  auf  etwa  51/2  selten  bei  Heinsius 
verzeichneten  Wörter  umfasst.  freilich  wird  Heinsius  in  der 
zweiten  hälfte  der  buchstabenreihe  viel  reichhaltiger  als  in  der 
ersten,  und  deshalb  stellt  sich  das  Verhältnis  zwischen  Lexers 
und  Hildebrands  ausführlichkeit  erheblich  anders  als  es  nach  den 
eben  mitgeteilten  Seitenzahlen  scheint:  immerhin  aber  bleibt  es 
ein  Verhältnis  von  1  zu  reichlich  4.  das  hat  man  einfach,  wie 
auch  schon  in  diesen  blättern  ausgesprochen  ist,  als  tatsache 
hinzunehmen,  ohne  den  doch  vergeblichen  versuch  guter  auf 
änderung  dieses  Verhältnisses  abzielender  ratschlage  zu  machen, 
wir  begnügen  uns  vielmehr,  den  bearbeitern  des  DWB.s  gute 
gesundheit  und  unverdrossenheit,  dem  Verleger  aber  viel  geduld 
und  recht  viele  neue  abnehmer  des  schönen  Werkes  zu  wünschen, 
welches  ja  nun  so  weit  vorgerückt  ist,  dass,  wer  noch  eine 
mandel  jähre  zu  leben  hat,  die  Vollendung  desselben  wol  sehen 
kann,  wenn  ich  trotzdem  auf  den  folgenden  blättern  eine  reihe 
von  kleinen  nachtragen  zu  Lexers  jüngstem  hefte  bringe,  so  tue 
ich  dies  einmal  dem  bei  bücheranzeigen  hergebrachten  brauche 
zu  liebe,  dann  aber  auch,  weil  ich  solche  erinnerungen  nicht 
für  völlig  überflüssig  halte,  hiermit  trete  ich  in  Widerspruch 
zu  MHeynes  im  vorwort  zum  6  bände  des  DWB.s  ausgedrückter 
Verwerfung  solcher  nachtrage,  der  bearbeiter  des  wb.s  allerdings 
kann  nach  dem  drucke  eines  heftcs  etwa  ausgelassene  und  ihm 
nachträglich  mitgeteilte  belege  nicht  mehr  einfügen ,  aber  dies 
misgeschick  teilt  er  mit  dem  herausgeber  jedes  anderen  Werkes, 
von  dem  in  absehbarer  zeit  keine  zweite  aufläge  zu  erwarten  steht, 
soll  darum  bei  solchen  werken  keine  lücke,  kein  versehen  nam- 
haft gemacht  werden?  es  wird  doch  genügen,  wenn  die  aus- 
stellungen   in   sachlicher   weise,    ohne   überhebung  und  in   an- 


DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  11  11 

släüdigem  tone  erfolgen,  ferner  geben  dieselben  mehrfach  einen 
hinweis  auf  diese  oder  jene  bisher  übersehene  oder  nicht  genügend 
ausgenutzte  quelle,  die  dann  wenigstens  in  den  folgenden  heften 
verwertet  werden  kann,  es  gibt  endlich  auch  benutzer  des  DWB.s, 
welche  solche  nachtrage  recht  genau  lesen  und,  wie  mich  manche 
Zuschrift  lehrt,  selbst  winzige  mitteilungen  mit  teilnehmender  auf- 
merksamkeit  weiter  verfolgen,  wünschenswerter  wäre  es  ja,  wenn 
die  einzelnen  stillen  sammler  sich  unmittelbar  für  das  DWß  nütz- 
lich machen  könnten;  aber  man  weifs  ja  nicht  im  voraus,  ob 
man  mit  seineu  funden  den  bearbeitern  des  grofsen  Werkes  im 
einzelnen  falle  noch  etwas  neues  zu  bieten  hat.  sobald  ein  heft 
des  DWB.s  erscheint,  pflege  ich  meine  Sammlungen  vergleichend 
zu  mustern,  und  das  gewöhnliche  ergebnis  ist,  dass  der  bei  weitem 
gröste  teil  des  von  mir  zusammengelesenen  sich  mit  denselben 
belegen  im  DWB  sauber  und  übersichtlich  geordnet  findet,  dass 
hingegen  (äufserst  selten  allerdings  bei  Hildebraud)  einiges  über- 
gangen oder  übersehen  ist,  dessen  aufnähme  ich  mit  Sicherheit 
vorausgesetzt  hatte,  unter  solchen  umständen  wird  die  nun 
folgende  Zusammenstellung  kleiner  bemerkungen  nicht  unbe- 
rechtigt erscheinen,  und  von  Lexer  insbesondere  weifs  ich,  dass 
er  in  denselben  nicht  müfsige  krittelei,  sondern  aufmerksame 
nachprüfung  seiner  vortrefflichen  arbeit  sieht,  dass  die  be- 
merkungen ganz  überwiegend  auf  Zusammensetzungen  und  ab- 
leitungen  hinweisen,  wird  man  natürlich  finden,  es  ist  ja  kaum 
denkbar,  dass,  nachdem  seit  mehr  als  300  jähren  deutsche  Wörter- 
bücher und  seit  dem  beginne  der  althochdeutschen  spräche  deutsche 
Wortsammlungen  vorliegen,  noch  ein  Stammwort  fehlen  sollte; 
ja  auch  die  Übergebung  einer  besonderen  nicht  eben  häufigen 
und  vielleicht  landschaftlich  beschränkten  bedeutung  eines  auf- 
genommenen Wortes  ist  bei  der  sorgfälligen  Vorbereitung  des 
grofs  angelegten  werkes  eine  Seltenheit,  verständige  werden  mir 
zutrauen,  dass  ich  in  dieser  beziehung  kenne  und  beherzige,  was 
JFrisch  im  vorbericht  zu  seinem  Wörterbuch  bl.  3''  und  JGrimm 
in  der  vorrede  zum  1  bde  des  DWB.s  sp.  xxiv  bei  der  erwähnung 
Campes  über  die  unzeitige  anschwellung  des  Wörterbuches  durch 
viele  zusammengeraffte  und  nichts  neues  lehrende  Zusammen- 
setzungen und  ableitungen  gesagt  haben,  fallen  denn  nun  meine 
nachtrage  nicht  unter  denselben  tadel?  nicht  ganz,  wie  mir 
scheint,  ich  habe  mich  angesichts  vieler  von  Lexer  tatsächlich 
gegebenen  belege  gefragt,  ob  der  verf.  nicht  dafür  andere  auf- 
genommen haben  würde,  wenn  sie  ihm  zur  band  oder  im  ge- 
dächtnis  gewesen  wären;  in  dieser  hinsieht  aber  finde  ich,  dass 
Lexer  einiges  übergangen  hat,  was  man  wol  gern  verzeichnet 
sähe,  und  dass  mancher  beleg  nicht  wegen  seiner  vortrefflichkeit 
gesetzt  ist,  sondern  weil  eben  kein  besserer  zur  Verfügung  stand, 
diese  letztere  entschuldigung  muss  ich  auch  für  manche  meiner 
belege  geltend  machen,     keiner  besonderen  entschuldigung  wird 


12  DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  11 

es  bedürfen ,  dass  sich  vei  hälmismäfsig  viele  bemerkungen  auf 
fremdwörter  bezieheu.  ich  folge  dariu  nur  den  grundsätzen  der 
jetzigen  bearbeiter  des  DWB.s,  die  abweichend  von  JGrimm  mehr 
und  mehr  auch  solche  fremdwörter  beachten,  welche  ohne  be- 
rechtigung  sich  einzunisten  versucht  haben,  eine  feste  gränze 
hierin  zu  ziehen,  wird  nicht  gut  möglich  sein. 

Zu  p lätzchen  vermisst  man  neben   farbloseren  beispielen 
die  bekannte  stelle  aus  Göthes  hochzeillied: 

so  rennet  nun  alles  in  vollem  galopp 

und  kürt  sich  im  saale  sein  plätzchen, 
vollends   anstatt   des   wenig   bezeichnenden    beispiels    aus   Geibel 
würde  aus  demselben  dichter  etwa  folgendes  einzusetzen  sein: 

tce7ins  irgend  auf  dem  erdenrund 

ein  unentiveihtes  plätzchen  gieht, 

so  ists  ein  junges  menschenherz, 

das  fromm  zum  ersten  male  liebt.  Ged.  64277. 
platzeifernde  kampfhähne  nennt  FLJahn  2,  535  (hg.  von 
KEuler  =  Merke  zum  deutschen  Volkstum  78)  die  um  den  Vor- 
rang bei  der  abstimmung  heftig  streitenden  abgesandten  auf  dem 
Regensburger  reichstage.  für  sie  gab  es  also  nach  heutigem 
deutsch  eine  wichtige  platz  frage;  dies  letztere  wort  hätte  bei 
seiner  heut  zu  tage  häufigen  Verwendung  wol  aufnähme  verdient, 
womit  übrigens  dem  überflüssigen  gebrauch  desselben  und  anderen 
vielfach  grofsspurig  auftretenden  Zusammensetzungen  mit  -frage 
nicht  das  wort  geredet  werden  soll,  platz  wart  für  komman- 
dant  gebraucht  Jahn  1,  515  (=  Denknisse  208  und  209).  Müller 
im  Verteutschungswörterbuch  der  kriegssprache  (1814)  hat  das 
wort  nicht,  dafür  aber  platzhauptman  n  in  gleichem  sinne 
und  platzoberst  für  gouverneur.  —  plan  der  in.  sollte 
die  verkürzte  wortform  besonders  belegt  werden,  so  könnte  man 
über  Stieler  hinaufgehen  zu  Rebhuns  Susanna  3,  3,  25:  du  plau- 
derin,  loas  darfstu  fragn?  plaudersp räche  gebraucht  Scherer 
Gesch.  d.  d.  litt.  M02  mit  beziehung  auf  Geliert:  sein  leichter  ge- 
wandter Vortrag  scheint  nur  die  ylaudersf räche  des  täglichen 
lehens  zu  idealisieren.  plauderstübchen  und  Plauder- 
stündchen sollten  nicht  fehlen;  weniger  vermisst  man  die 
entsprechenden  ebenfalls  übergangenen  unverkleinerten  formen, 
plaudertasche  kommt,  wie  Lexers  hinweis  auf  den  sp.  mhd. 
namen  Plodertasch  zeigt,  lange  vor  Stieler  vor;  die  form 
plautertasche  bietet  Harsdörffer  Frauenzimmergespr.  5,260 
(1645).     plauderweib  bei  Günther  463: 

du  sammlest,   hörst  und  liebst  die  mährchen  aus  der  Stadt, 
weil  jedes  plauderweib  erlaubten  zutritt  hat. 
plauderkunst    wird    nur    aus    Jean    Paul    belegt,    doch    vgl. 
Rachel  50    (in   der   ausgäbe  von  1743),   wo   das  wort  im  sinne 
von  Zanksucht  steht: 


DELTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  11  13 

hat  aber  jemand  gar  der  plauder-kunst  geschworen 
und  ist  wie  von  natnr  zmn  streiten  nur  geboren. 
—  plauel  als  imumgelaulete  nebenlorm  von  pleuel  sehen  wir 
auch  bei  Schottehus  1376:  planel,  ein  schlegel,  damit  man  das 
esterich  ebenet.  —  plauschen  wird  nur  aus  wbb.  belegt,  wäh- 
rend es  doch  neuerdings  auch  aufserhalb  des  bairisch-öslreichi- 
schen  Sprachgebiets  nicht  gerade  selten  vorkommt,  besonders 
aber  in  lebenserinnerungen  von  schauspielern  und  Sängern,  die 
ja  im  ausdruck  gerne  wienern.  dem  in  den  letzten  beiden 
Jahrzehnten  zu  beobachtenden  vordringen  des  wortes  entspricht 
es,  dass  Sanders  es  in  seinem  gröfseren  wb.  (1863)  übergeht, 
aber  im  Verdeutschungswörterbuch  (1883)  verzeichnet.  Jahn  1,444 
(Denknisse  32)  glaubt  es  noch  erläutern  zu  müssen:  der  post- 
meister  würde  geiois  noch  eine  weile  so  fort  geplauscht  haben, 
%Die  die  Öslreicher  vertrauliches  plaudern  nennen.  —  plau- 
sibel steht  mehr  als  100  jähre  vor  Aler  in  Londorps  Acta  publica 
2,  134'  (vor  1618):  wird  von  vielen,  sonderlich  von  den  fried- 
hessigen  Jesuiten  und  ihren  creaturen,  als  plausibel  gelehret.  — 
p  lau  Stern.  Lexer  verweist  mit  recht  auf  das  nd.  plustern, 
das  besonders  in  der  Zusammensetzung  aufplustern  (sich)  vor- 
kommt, der  im  DWB  1,700  für  aufplaustern  gegebene  beleg 
aus  Tiecks  novelien  zeigt  wol  nur,  dass  der  Berliner  Tieck  das 
ihm  geläufige  plustern  glaubte  hochdeutscher  machen  zu  müssen, 
später,  wo,  insbesondere  seit  der  anerkennung  Groths  und  Reuters, 
nd.  formen  weniger  ängstlich  gemieden  werden,  lesen  wir  bei 
Geibel  Spätherbstbl.  118: 

und  als  sich  der  nun  wie  ein  puterhahn 
aufplustert.  — 
plebej  kommt,  wenn  auch  vereinzelt,  neben  plebejisch  vor: 
scherzhafte  und  plebej e  formen  lasse  man  nicht  zur  gewohnheit 
werden.  JNiemeyer  Grunds,  d.  erziehung  3^,  121  (1819).  dass  die 
Popularität  des  chtistentums  oft  zu  plebej em  geschmack  aus- 
artete. Herder  Schulreden  bd.  16,  169  der  Hempelschen  aus- 
gäbe (1797).  piebs  für  pöbel  gebraucht  nimmt  regelmäfsig 
von  diesem  letzteren  worte  das  geschlecht  an;  vgl.  Schwetschke 
Venu.  sehr.  2,69:  der  deutsche  gefühlsplebs.  —  pleite  gehen 
und  auch  das  jüngere  pleite  machen  sollten  verzeichnet  sein, 
seitdem  wori  und  sache  so  häufig  vorkommen.  Weigands  er- 
kläruug  1^,553  ist  gt'gen  DWB  3, 1824  als  richtig  anzunehmen.  — 
plempe.  man  hat  besonders  die  Verbindung  blanke  pl.  dass 
das  wort  auch  in  spöttischem  sinne  gebraucht  wird,  ist  bekannt; 
aber  Vilmar,  auf  den  sich  Lexer  hier  bezieht,  engt  mit  unrecht 
die  bedeutuug  des  worles  auf  diesen  sinn  ein.  es  ist  eben  ein 
kraftwori,  das  in  Wendungen  wie  mit  der  blanken  pl.  ein- 
hauen, einem  die  blanke  pl.  zu  kosten  geben  gar  nicht  spöttisch 
gesetzt  wird,  unter  den  belegen  vermisse  ich  die  zeilen  aus 
ThFontanes  frischem  liede  auf  Seidlitz: 


14  DEUTSCHES  WÜRTEBBUCH  VII  11 

schwarz  glänzen  hut  und  krempe 

im  Sonnenschein  zumal, 

und  gar  die  blanke  plempe 

blitzt  selbst  wie  Sonnenstrahl.  — 
Plenarbeschluss,  -sitzung,  -Versammlung  scheinen  erst 
im  19jh.  üblich  zu  werden,  wenigstens  werden  sie  beiCarape(180l) 
nicht  erwähnt. — pli  =  schli  ff,  äufserlich  feines  und  ge- 
wandtes benehmen,  ist  gewöhnlich  m.,  als  n.  steht  es  bei 
Hermes  Sophiens  reise  4,  309  (1718):  unsere  ganze  dorfschaft 
hat  ein  ganz  anderes  pli  gekrigt.  übrigens  hört  man  in  Nord- 
deutschland häufig  mit  unrichtiger  ausspräche  dafür  plii.  —  pling 
steht  als  lautmalendes  wort  zur  bezeichnung  des  tones  der  beim 
stimmen  der  geige  gekneipten  darmsaite:  pling  —  tioing  —  twang 
—  prut  —  trut.  's  ist  ein  altes  brett  von  einer  geige,  wissen 
Sie,  ob  meine  geige  stimmt  oder  nicht?  trut  —  prut  —  prut. 
Bodes  übers,  von  Tristr.  Schandy  5,  77.  —  pliete  als  nd.  neben- 
form  zu  plante  wird  vor  Stieler  von  Scholtelius  1377  verzeichnet 
(gladii  genus  apud  Germanos).  —  p  I  i  n  z  e  (als  gebäck)  aus  Räd- 
lein belegt  findet  sich  ebenfalls  bei  Schottelius  1377!  —  ploton, 
zweisilbig  nach  der  ausspräche  des  frz.  peloton,  sei  hier  nur 
erwähnt,  weil  es  gelegentlich  auch  mit  deutscher  mehrheitsendung 
vorkommt: 

und  grenadiere,  starke  leute 

die  schweren  beutel  an  der  seile, 

sah  man  mit  zündstrick  und  mit  heilen 

längs  den  plo tonen  sich  verteilen.  Annette  von Droste- 
Hülshoff  Ges.  Schriften  2,  172  (schlacht  im  Loener  bruch).  — 
plotz  als  adv,  finden  wir  auch  in  der  wenduüg  platz  (=plotz) 
unde  Tisch  bei  Martin  von  Bolkenhain  Scr.  rer.  Sil.  12,  10  zum 
jähre  1430:  sie  brachen  platz  unde  risch  uff  unde  czogen  do 
von.  das  zeitwort  plotzen  wird  auch  vom  stofsen,  schlagen 
und  rütteln  der  zu  mischenden  Stoffe  gebraucht  im  Neuen  distil- 
lierbuch210''  (1597):  er  schütte  oder  plo  tze  es  wol  durch  einander. 
entsprechend  dem  später  behandelten  plump(s) weise  gibt  es 
auch  ein  plotzweise:  bißweilen  hebet  er  plotzweise  oder 
auff  einen  stutz  an.  Comenius  Güld.  spr.  ih.  s.  204  nr  752 
(1639).  —  plumprian  (aus  Stieler)  und  plumpstolz  (aus 
Rädlein)  finden  sich  beide  schon  bei  Schottel  1377.  —  plumpen, 
die  Wendung  in  (den)  sinn  plumpen  wird  zweimal  aus  Fischart 
belegt,  findet  sich  aber  schon  im  Tacitus  des  Micyllus  420''  (1535): 
die  Teutschen  liefsen  jnen  nichts  sagen,  liefsen  sich  weder  regieren 
noch  fi'iren,  sondern  lieffen  hinan  on  vermin fft  vnd  thatten  alle 
ding  alleyn  wie  es  Jnen  gefiel  oder  inn  sinn  p lumpt  (cuncta  ex 
libidine  agere  Tac).  aus  Fischart  und  einem  liederbuch  des  18  jhs. 
werden  die  volksmäfsigen  reime  angeführt: 

es  war  ein  mönch  vom  bäum  (bauer  in  brunn)  gefallen, 
ich  hab  ihn  hören  plumpen. 


DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  11  15 

aus   meiner  heimat  und  Jugend  kenne  ich  in  den  versen  weder 
mönch  noch  bauer,  sondern  habe  immer  gehört: 

't  was  en  jud  in't  water  falln 

hebh  en  höan  plumpen; 

wer  ik  nich  da  tö  gekäni, 

wer  he  mi  verdrimken. 
die  erste  zeile  war  und  ist  noch  heute  ukerm.  die  allgemein  ver- 
standene bezeichnung  einer  bestimmten  (sog.  schottischen)  tanz- 
weise. —  neben  plumpisch  gibt  es  auch  ein  mehr  verhoch- 
deutschtes  p  1  u  m  p  f  i  s  c  h :  so  treibet  dich  je  der  allerunhescheidenste 
und  plump  fischte  geist ,  so  in  der  hölle  mag  sem  Dungerfsheim 
gegen  Luther  in  der  neuen  Frankfurter  Sammlung  von  Luthers 
reformationshistor.  Schriften  3,  347  (aus  dem  jähre  1 528).  plump- 
sen wird  richtig  als  verstärkende  form  zu  plumpen  gefasst; 
es  gehört  dem  entsprechend  mehr  dem  hausdeutsch  an,  vgl.  Raabes 
Horacker  90 :  muss  es  denn  stets  gerade  unsereiner  sein,  der  alle 
halbe  stunde  einmal  in  derlei  verdriefslichkeiten  hineinplump  st?  — 
plunder.  den  umlaut  in  der  mehrzahl  hat  auch  Micyllus  aao. 
421"^  (1535):  die  gezält  und  die  plünder  und  die  rustwägen.  zu 
plu  ndrig  sei  hier  beiläufig  der  plundrige  hund  erwähnt  als  ge- 
wöhnliche bezeichnung  eines  kurzen  preufsischen  trommelwirbels, 
in  dessen  klang  und  tonfall  der  dichtende  unteroffiziersgeist  jene 
schmeichelhafte  anrede  fand,  es  fehlt  der  plundermatz,  obvvol 
schon  von  Frisch  2,  64^  als  verächtlicher  ausdruck  für  plunder- 
mann verzeichnet,  das  wort  ist  in  der  städtischen  brandenburgi- 
schen spräche  (auch  Berlins,  so  weit  es  dort  noch  Berliner  gibt)  üb- 
licher als  das  gleichbedeutende  1  u  m  p  e  n  m  a  l  z.  vgl.  FLJahn  2, 602 
(Merke  180):  durch  das  erpichtsein  auf  fremde  sprachen  behelligen 
wir  die  kinder  mit  so  vieler  lapperei,  dass  ihr  wissen  wie  ein 
plundermatz  umherfährt,  auf  dem  lande  nennt  man  die 
leule  lumpenfahrer,  was  erwähnt  sei,  da  dies  wort  im  6  bde 
des  DWB.s  fehlt.  —  plunschig.  den  aus  Sebaldus  Nothanker 
belegten  ausdruck  d  ick  pl  ii  nschi  g  halte  Nicolai  vielleicht  aus 
Zimmermanns  Nationalstülz  ^56  (1768):  alle  nationen  von  Europa 
werden  von  einem  mit  dickplütit schigten  pudding  und  starkem 
biere  wolgefilllten  Engländer  verachtet,  vorher  schon  bietet  Ludwig 
im  Engl. -teutsch- franz.  lexicon  517^  (1706)  unter  plump  und 
plumpness:  dickblünschig  und  dickblünschigkeit. — 
pluralität,  ein  jetzt  kaum  gebrauchtes  wort,  scheint  am  ende 
des  18  jhs.  häufiger  gewesen  zu  sein;  vgl.  aufser  dem  in  Kehreins 
Fremdwörterbuch  angeführten  belege  aus  Schillers  briefwechsel 
auch  JGMüller  Emmerich  7,  152  (1789):  sollte  eine  pluralität 
von  1999  gegen  1  durch  ganz  Deutschland  nicht  bei  sinnen  sein? 
ferner  Hippel  Über  die  ehe  111  (Brockh.  1872):  wäre  es  mög- 
lich, dass  die  stimmen  des  gesitteten  menschenalls  gesammelt  würden, 
die  pluralität  würde sichtbarlich  für  die  ehe  sein,  pluralistisch 
bei  Kant  Anthropologie  ^9:  wie  ist  es  zugegangen,  dass  die  Wechsel- 


16  DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  YII  11 

seitige  anrede,  welche  in  den  alten  classischen  sprachen  durch  Du, 
mithin  iinitarisch  ausgedruckt  wurde,  von  verschiedenen ,  vornehm- 
lich germanischen  Völkern,  pluralistisch  durch  Ihr  bezeichnet 
iDorden?  —  plus  eh  hat  eine  nebenform  plufs  bei  Erasmus 
Franciscus  Ost-  uud  westind.  lust-  und  Staats  -  garten  3,  1450'' 
(1668):  die  allesamt  mit  plufs  oder  gxdden  stuck  bekleidet  waren.  — 
plusmach  er  uud  plusmach  er  ei  werden  zwar  verzeichnet, 
doch  fehlt  die  angäbe  der  bedeutung  dieser  früher  häufig  ge- 
brauchten Wörter,  dass  sie  in  bestimmtem  sinne  die  rücksichts- 
losen vermehrer  und  die  gleiche  Vermehrung  der  einkünfte  des 
landesherren  durch  drückende  abgaben  bezeichnen,  lehren  die 
bei  Sanders  beigebrachten  beispiele.  plusmäfsig  kommt  wol 
nur  vereinzelt  vor,  so  in  dem  schlechten  roman  Veit  Rosenstock 
1,  162  (1776):  sobald  sie  nun  des  herrn  kommercienrathes  plns- 
mäfsiges  ansehen  und  seine  vollgestopften  waden  bemerkte,  hatte 
sie  ihn  in  affection  genommen.  —  pnaff  als  lautnachahmendes 
wort  öfters  bei  Kopisch: 

der  burgemeister  ritt  gar  stolz, 

pnaff!  platzte  da  der  sattel.     . 

puff!  lag  er  unten  wie  ein  holz, 

paff!  hatt'  er  eine  dattel.     Ges.  werke  2,  264. 
fährt  der  knecht  hinaus  mit  schall, 
ruft  er  [der  hausgeist]  pnaff!  zum  peitschenknall. 

ebd.  267. 
—  pneumatisch  fehlt,  ist  auch  wol  im  DWB  entbehrlich. 
Kant  gebraucht  es  im  jähre  1766  mit  einer  gewissen  Zurück- 
haltung: ich  bin  mit  meiner  art  wesen  durch  vermittelung  körper- 
licher gesetze  in  Verknüpfung ;  ob  ich  aber  auch  sonst  nach  anderen 
gesetzen,  loelche  ich  pneumatisch  nennen  loill,  ohne  die  ver- 
mittelung der  materie  in  Verbindung  stehe  oder  jemals  stehen  werde, 
kann  ich  auf  keinerlei  weise  schliefsen.  Träume  eines  geisters.  65 
(Kehrbach);  ebd.  17:  man  wird  sich  von  dem  dasein  immaterieller 
loesen  überredet  finden,  deren  besondei^e  wirkungsgeselze  pneuma- 
tisch .  .  .  genannt  werden,  auch  Campe  (1801)  verdeutscht  das 
wort  nur  durch  geistig,  zur  geisterlehre  gehörig,  pneu- 
matik  als  geister lehre  oder  band-  und  lehrbuch  der  geister- 
lehre steht  1703  in  den  anmerkungen  zu  der  Gewissensrüge  an 
ChrThomasius  s.  6:  hr  Thomasius  redet  hier  offenba^-lich  nur  von 
der  Unzulänglichkeit  der  pneumaticken;  ebd.  7:  wer  regulas 
honae  interpretationis  versteht,  wird  leicht  begreifen  können,  dass 
der  hr  Thomasius  die  falschen  glaub ensarticul  aus  den  pneuma- 
ticken meine,  dass  der  teufel  könne  leiblich  erscheinen,  welter  und 
pacta  machen,  pneumatik  und  pneumatologie  sind  auch 
bei  Moerbeek  (1787)  335''  nur  geestkunde,  desgl.  pneu- 
matologisch  tot  de  geestkund  e  behoerend.  vgl.  Kant 
aao.  43:  auf  diesen  fufs  kann  die  pneumatologie  der  menschen 
ein  lehrbegriff  ihrer  notwendigen  Unwissenheit  in  absieht  auf  eine 


DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  IL  17 

vertmitete  art  icesen  genannt  icerden.  ferner  Kritik  d.  urteilskr.  443 
(:=  Kehrb.  360) :  wie  die  theologie  für  %ins  niemals  theosophie,  so 
kann  die  rationale  psychologie  niemals  pneumatologie  werden; 
vgl.  ebd.  469  (=  Kehrb.  383).  pneumatism  us  steht  Kr.  d. 
reinen  vern.  379  (=  Kehrb.  320)  als  gegensatz  zu  materialis- 
mus.  pueumatist  gebraucht  Schmid  Wörlerb.  zum  leichteren 
gebrauch  der  Kantischen  schritten  152  (1798).  in  unserer  zeit 
sind  diese  ausdrücke  kaum  noch  üblich,  und  pneumatisch 
dient  uns  als  bezeichnung  von  geraten,  deren  herstellung  und 
Verwendung  auf  der  benulzung  der  zusammengedrückten  Infi  be- 
ruht. —  pnüsel  und  pnüselicht  seien  hier  als  md.  und  nd. 
nebenformen  zu  pfnüsel  erwähnt,  da  sie  sp.  1786  unter  pfnüsel 
fehlen;  vgl.  Veneroni-Castelli  3,  127"  (1714):  pnüsel  le  rhu- 
niatisme,  il  catarro,  pnüselicht  qui  a  une  pesanteur 
de  töte,  catarroso;  pnüsel  catarrus  hat  auch  Schottelius 
1377.  —  pöbel.  auch  die  form  püfel  war  zu  erwähnen  aus 
Nicias  vWyle  320,  321  uü.  unter  den  belegen  wird  die  zum  ge- 
flügelten Worte  gewordene  wendung  süfser  pöbel  vermisst: 
platz  l  Junker  Yoland  kommt,    platz!  süfser  pöhel,  platz! 

Goethe  12,  129  (Hempel). 
auch  der  vornehme  pö bei  sollte  nicht  fehlen;  belege  hüten  Liscow 
484  (1736),  Eberhard  Handbuch  der  ästhetik  3,  1G9  (1800)  und 
Schiller  in  der  bekannten  vorrede  zu  den  Räubern:  der  pöbel, 
worunter  ich  keineswegs  die  gassenkehrer  allein  will  verstanden 
wissen,  der  pöbel  icurzelt  (unter  uns  gesagt)  weit  um  und  giebt  zum 
nnglück  den  ton  an.  vgl.  auch  Bohlau  Poet.  Jugendfrüchte  410 
(aus  einem  gedieht  vom  jähre  1732): 

der  pöbel  fähret  oft  mit  sechsen  in  carossen. 
•  diese  gedanken  finden  sich  von  den  verschiedensten  Schriftstellern 
aufs  manigfaltigste  und  oft  in  überraschenden  Wendungen  aus- 
gedrückt; doch  da  Lexer  in  der  mitteiluug  solcher  stellen  offenbar 
fntsagung  geübt  hat,  so  will  ich  seinem  beispiele  folgen  und  in 
dieser  beziehuug  nur  die  von  HLeo  im  monatsbericht  zu  bd.  13 
des  Volksblatles  für  Stadt  und  land  (sp.  1656  vom  27  dec.  1856) 
gegebene  begriffsbestimmung  von  pöbel  anführen:  pöbel  nennen 
wir  alles,  was  kein  inneres  maß  hält,  mag  es  in  Scharlach  ein- 
hergehen oder  in  lumpen,  unter  den  Zusammensetzungen,  deren 
zweiter  teil  pöbel  ist  und  die  an  anderen  stellen  des  DVVB.s 
zu  suchen  wären,  mögen  einige,  eben  weil  sie  an  jenen  stellen 
fehlen,  hier  angeführt  werden,  bildungspöbel  Lassalle  Herr 
Julian  79  (ausg.  Lpz.  1872):  an  Ihren  werken  wahrscheinlich  hat 
sich  Heinrich  Leo  den  ausdruck  bildungspöbel  erfunden,  den 
Urheber  des  ausdrucks  gibt  Lassalle  wol  richtig  an,  die  weitere 
Unterstellung  ist  boshafter  scherz;  denn  Leo  redet  aao.  sp.  978 
<2  aug.  1856)  vom  bildungspöbel  mit  beziehung  auf  solche 
Spanier,  die  in  der  napoleonischen  zeit  entweder  englisches  oder 
französisches  wesen  an  die  stelle  spanischer  Verhältnisse  zu  bringen 
A.  F.  ü.  A.   XV.  2 


18  DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VH  11 

bemülil  waren:  weder  echte  Spanier  noch  echte  EnxjUinder  noch 
echte  Franzosen,  sondern  ein  charakterloses  bildungsgesindel  wie 
die  modernen  bildungsjuden.  .  .  .  seitdem  hat  sich  dieser  bil- 
dnngspobel  in  Spanien  gemehrt,  und  ebd.  sp.  OSO  mit  be- 
ziehuBg  auf  deutscbe  verhältuisse:  in  den  unteren  schichten  haben 
sich  katholische  und  lutherische  bestimmtheit  noch  so  lange  erhalten, 
dass  der  bildungspöbelbrei  nur  langsam  hat  zur  geistigen 
herrschaft  gelangen  können,  auf  derselbea  seile  kirchenpübel: 
gro/se  gesellschaften  .  .  .  machen  es  sich  zum  geschäfte,  bloß  auf 
negativer  grundlage  des  gegensatzes  gegen  die  römische  kirche  allen 
möglichen  kirchenpöbel  in  christlicher  brüderlichkeit  zu  einem 
grofsen  religiösen  bildungsdrecke  zusammenzurühren.  kunst- 
pöbel  Riehl  Kulturst.  376  (1862):  eine  gefeierte  echt  moderne 
Sängerin  .  .  .  sang  die  scene  mit  einer  solchen  gewaltthat  des  ent- 
fesselten pathos,  dass  der  ganze  kunstpöbel  ihren  gefühlssturm 
durch  seinen  beifallssturm  noch  überstürmte  (künstle rpobel 
briugt  Sanders  aus  Forsters  Briefen  über  Italien),  lesepöbel 
bei  Jabn  2,731  (Briefe  an  auswanderer  1833):  der  grofse  holz- 
dichter  [FW Guh'ilz,  früher  holzschneider]  in  der  hauptstadt  seines 
Staates  vom  lesepöbel  angestaunt  {lese rpöhel  bei  Sanders  aus 
Wielands  übers,  des  Luciau).  nachbeterpöbel  der  kunstrichter 
Jahn  2,  628  (Merke  219).  pöbelei,  aus  HPSturz  belegt,  findet 
sich  schon  bei  Büblau  aao.  410  (aus  dem  jähre  1732): 

die,  da  der  himmel  sie  zur  grofsmut  angewöhnt, 

dergleichen  pöbelei  mit  billigkeit  verhöhnt. 
übergangen  sind   pöbe  Ige  sieht   (Seume  4,  198   ausg.  v.  1853 
bei  Harlknochj,  pübelslallen  (Schottelius  987  : 

was  nimt  mir  das  pöbelslallen 

und  des  neiders  misgefallen?); 
pöbelluin  scheint  von  dem  erfinder  des  Volkstums  gebildet, 
vgl.  Jahn  2,  813  (Leuwagen  49):  ohnehin  erwächst  jetzt  in  den 
haupt-  und  grofsstädten  eine  nebenbevölkerung  zuchtlosen  gesindels, 
was  mit  einer  noch  furchtbareren  nachzucht  droht ,  seitdem  bilder- 
läden  und  bühnen  sich  wetteifernd  abmühen,  einen  pöbelgemein- 
sinn,  einen  pöbelgeist,  ja  ein  absonderliches  pöbeltum  zu 
erschaffen,  pöbelherschaft  wird  aus  Hoffmeisters  Weltan- 
schauung des  Tacitus  (1831)  und  aus  Pialeu  beigebracht;  Campe 
(1807)  führt  das  wort  als  ein  neues  ein  und  belegt  es  aus  Ewald 
(Jördens  1,  489  ff)  und  seinen  eigenen  Schriften,  da  er  es  1794 
und  1801  als  Übersetzung  von  Ochlokratie  gegeben  hat.  das 
wort  wird  wol  nicht  so  ganz  neu  sein,  da  Lexer  für  das  nahe- 
liegende pofelsherschung  schon  auf  Stieler  verweisen  kann.  — 
podagraisch  (HSachs)  findet  sich  auch  bei  Albertiuus,  Guevara 
Güld.  sendschr.  1,98'' (1598).  neben  podagränisch  auchpo- 
dagränig  bei  Dasyp.  187'  und  395^  ebd.  395"^  das  poda- 
gran,  —  podex  schon  vor  Günther  in  Neukirchs  Sammlung 
2,264  (1697):   wann  der  podex  wird  erkalten,    eine  bei  Grim- 


DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII 11  19 

melshausen  mehrfach  mit  dem  noch  unfeinereQ  gleichbed.  worle 
auftretende  wendung  bietet  im  jähre  1700  Zeidler  Sieben  böse 
geister,  so  die  küster  regieren  s.  44  (ausg.  v.  Israel):  das  morgen- 
läuten  kömmt  den  schulmeistern  am  allerverdriefslichsteti  an,  sonder- 
lich des  montages,  wenn  sie  am  sonntag  abend  haben  einen  dichten 
rausch  gehabt  und  den  faulen  podex  nicht  wohl  aus  dem  bette  heben 
können,  eine  andere  volkstümliche  wendung  bietet  Edelmann 
Lebensbeschr.  264  bei  der  Schilderung  des  in  andacht  und  an- 
spräche hin-  und  herruckenden  wetterauischen  Schwärmers  Rock: 
der  heilige  podex  hatte  von  glück  zu  sagen,  dass  er  nicht  von 
glase  war;  sonst  würde  es  gewis  scherbel  gegeben  haben.  —  poesie- 
ibedürfnis.  WvUumboldt,  der  in  naiv  egoistischem  poesie- 
hedürfnis  Rom  am  liebsten  ganz  und  gar  mittelalterlich  un- 
berührt gesehen  hätte.  Grenzboten  1888  2quart.  343  (vom  10  mai). 
poesieberauscht  steht  widerbolt  bei  Iletlner  Gesch.  d.  litt.  d. 
18  jhs.  3,  3,  2,  417:  echte  jünger  der  stürm-  ujid  drangperiode, 
poesieberauscht  in  krankhafter  phantastik  schwelgend;  ebd. 436 : 
diese  poesieberauschten  Jünglinge,  zu  poesielos  gehört 
auch  Poesielosigkeit;  siehe  VVieubarg  Zur  neuesten  litt.  4 
(Mannheim  1835) :  man  kann  die  Poesielosigkeit  eines  Wil- 
helm Meister,  der  Wahlvericandtschaflen  usw.  ebenso  thatsächlich 
nennen  als  die  poesielosigke it  Jener  sozialen  zustände,  denen  diese 
dichtungen  entkeimten,  poesie reich  fehlt ;  siehe  Riehl  Kulturst. 
41  (1862):  der  uralte  poesiereiche  volksaberglaube.  poesie- 
voll wird  ohne  beleg  verzeichnet;  ein  solcher  steht  bei  Herder 
16,  249  Suph.:  die  poesievollsten  nationen.  poete  wird 
im  wesentl.  richtig  als  älterneuhochd.  bezeichnet;  doch  hat  die 
form  mehrfach  bei  Goethe  neben  dem  alterlümlichen  etwas  ge- 
mütlich volksmäfsiges  (vgl.  bei  demselben  prophete,  fan- 
tasle  uä.),  wie  im  Divau: 

sag  poete,  sag  prophete, 

was  bedeutet  dieser  trau7n'? 
vgl.  auch  Ungl.  hausgenossen  1,1  (9,  245  Hempel) :  der  baronesse 
günstling  ist  ein  poete;  an  dieser  stelle  freilich  haben  (siehe  die 
anm.  seile  320)  die  anderen  ausgaben  poet.  wenn  poetchen 
und  poetlein  aufnähme  fanden,  so  konnte  auch  des  poe- 
tasterchens  gedacht  werden,  das  ich  in  meinen  Dem.  und  erg. 
zu  Weigand  5,16  (1882)  aus  GNeumark  nachgewiesen  habe,  von 
übergangenen  Zusammensetzungen  seien  genannt  poetengang 
bei  Menantes  Allern.  art  3(1707):  andere  können  nicht  eine  zeile 
ausbrüten,  wenn  sie  nicht  in  einsamer  gelassenheit  sind  oder  sich 
an  einem  lustigen  orte  eines  gartens  oder  aue  befinden,  daher 
man  auch  einen  anmuhtigen  spatzierweg  einen  poeten-gang  zu 
nennen  pfleget,  in  derselben  bedeutung  steht  noch  häufiger 
poetensteig;  vgl.  Kehrberg  Chronol.  abriss  der  Stadt  Königs- 
berg i.  d.  Neumark  -11  (1724):  bey  der  Stadt  neben  dem  äufsersten 
icalle  und  poeten-steige,  welcher  a.  1719  auf  beiden  seilen  mit 

2* 


20  DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  11 

loetden  besetzet  ward,  wo  zur  frühlings-  und  Sommerzeit,  zu- 
mahlen  wegen  der  nachtigallen  und  anderer  gesangvögel  .  .  .  ein  an- 
genehmer spatziergang.  dieser  Köüigsberger  poetensteig  hat 
übrigens  nocli  heute  seinen  alten  naraen.  etwas  zu  eng  wird 
der  begrifl'  des  Wortes  von  Fontane  Wanderungen  4,9  begränzt: 
jeder  kennt  die  langgestreckten  laubgänge,  die  sich  unter  dem 
namen  der  poetensteige  in  allen  alt  französischen  parkanlagen 
vorfinden,  poetengaul  steht  Günther  1110  in  demselben  sinne 
wie  das  ebenfalls  aus  Günther  belegte  poetenpferd.  ebd.  1123 
t  i c h  te  rga  u  1 :  da  muss  mein  lichter gaul  bisweilen  kraftlos  schäumen. 
poetengedicht  (=  erfindung  von  dichte rn) :  in  fabeln  und 
poetengedichten  Burkh.  Waklis  4,  57,  4  =  bd.  2,  291  Tittm. 
poetenkasten  wird  im  17  jh.  und  in  der  1  hälfte  des  18  mehr- 
lach gebraucht,  um  den  Vorrat  an  dichterischem  Stoffe  zu  be- 
zeichnen, zb.  Zesen  Helik.  hechel  101:  ich  bitte  ihn  mich  zu  be- 
richten, welche  schwanen-  und  rabenfeder  ihm  solche  stünkende 
lügen  in  seinen  ungehobelten  p o et enk asten  gewehet.  Hunold 
liebt  den  ausdruck  und  gebraucht  ihn  in  der  Allern.  art  s.  508. 
510.  532.  555  (1707);  desgl.  Günther,  zb.  1106:  ich  zog  sogleich 
meinen  poetenkasten  aus  dem  winkd,  worinnen  er  seit  denen 
academischen  Jahren  gelegen;  vgl.  auch  Neukirchs  Sammlung  3,  318: 

0  schleufs  bei  Zeiten  zu  den  kunstgefüllten  kästen. 
gleichbedeutend  mit  poetenkasten  steht  poetenfass   in  Gün- 
thers Lebensbeschr.  36  (1732): 

doch  eh  ich  gänzlich  zieh  und  Pleifs-Athen  verlasse, 

so  fliefst  mir  noch  was  zu  aus  dem  poeten- fasse. 
ebenso  poetenschrank  ebd.  48: 

weil  mich  nun  ort  und  zeit  so  sonderbar  erquickte 

und  den  poetenschrank  zur  rechten  stelle  rückte, 

so  wollte  geist  und  sinn  nicht  faul  und  müfsig  sein. 
poetenkrahm  Günther  1156: 

die  verse  gehn  zwar  etwas  lahm, 

mit  hinken  kommt  man  auch  zu  rechte; 

wer  weifs,  ob  manch  poetenkram 

auch  so  ein  redlich  herz  wie  hier  mein  stümpern  brächte. 
poetenorde  n : 

ich  schleiche  wie  ein  dachs  aus  dem  poetenorden.     B.  N.  in 
den  Auserles.  ged.  Hoffmannswaldaus  6,  102  (1700). 
poetensattel: 

steig  in  den  poetensattel,  reit  den  Pegasum  scharf  an, 

dass  kein  schulpferd  deinem  pferde   in  dem  drabe  folgen  kann. 

Stoppe  Ged.  1,22  (1728). 
poeten  wagen: 

so  dass,  ob  unsre  quasi-stadt 

gleich  manchen  starken  Vorspann  hat, 

doch  keiner  den  poetenwagen 

nur  eine  spanne  fortgetragen.    Poesie  der  Franken  1,241  (1730). 


DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  11  21 

poetenwerk:  es  ist  poetenwerk,  mit  fremden  namen  spielen 
und  also  mit  gelimpf  auf  wahre  laster  zielen. 
Rachel  92  (ausg.  von   I743j. 
poetenzunft:  verwirft  Demokritus  die  regeln  der  Vernunft, 

utid  lobt  er  nur  den  geist  an  der  poetenzunft. 
Gottsched  Krit.  dichtk.  246. 
vgl.  auch  Fabarius  im  vorbericht  zu  Böhlaus  Poet,  jugeodfrüchten 
(1740):  oh  sich  die  hochadeliche  Böhlauische  muse  mit  getroster 
Zuversicht  zu  der  menge  anderer  geschickter  musen  gegenwärtiger 
poetenfruchtbarer  zeit  gesellen  dörfte.  poetik  wird  erst  aus 
Klopstock  belegt,  findet  sich  jedoch  schon  bei  Schuppius  914 
(Teutscher  lehrmeister):  rumpelt  oft  wider  die  grammatic  und 
poetic;  später  bei  Gottsched  Krit.  dichtk.  219 :  man  sehe  Scaligers 
poetik  nach,  neben  poetisieren  auch  poeticieren  zb. 
VVackernagel  Kirchenl.  1,  871"  (1604).  —  pol,  in  übertr.  bed. 
erst  seit  der  2  liälfle  des  18jhs.  belegt,  steht  1728  in  Stoppes 
Gedichten  1,41: 

icenn  ich  mich  mit  sorgen  kränke, 

bist  d%i  meiner  fr  ende  pol. 
polar-,  wenn  zahlreiche  Zusammensetzungen  mit  polar-  ge- 
geben werden,  so  müge  auch  auf  polar  mensch  hingewiesen 
werden:  von  der  hitze,  die  mohren  sengt,  bis  zum  frost,  der  polar- 
men sehen  einschrumpft.  FLJahn  1,  235  =  Volkst.  182.  Jean 
Paul  im  Siebenkäs  2,  6  (Hempel  s.  169)  sagt  dafür  der  polar- 
1  an  der.  polarschiff  hat  Fontane  Wanderungen  4,76  (Spree- 
land), neben  polarisation  konnte  auch  polarisierung 
platz  finden,  das  schon  Novalis  2,  237  in  übertr.  bed.  gebraucht: 
aus  der  polarisierung  der  stände  müsste  am  ende  eine  grofse 
weit  entstehen,  so  wie  ein  pöbel.  —  zu  polack  wäre  zu  bemerken, 
dass  das  wort  im  munde  des  seiner  bildung  (gleichviel  mit  welchem 
rechte)  sich  bewusten  Deutschen  zur  bezeichuung  des  ungebildeten 
und  rohen  gebraucht  wird.  vgl.  Gottsched  Krit.  dichtk.  2290: 
wer  wider  die  natur  unserer  mundart  alle  regeln  der  sprachkunst 
aus  den  äugen  setzt,  der  verdient  ein  Pohl  oder  Wende  genannt 
zu  icerden,  der  nicht  einmal  deutsch  kann,  geschweige,  dass  er  ein 
poet  zu  heifsen  verdienen  sollte,  polackei  wird  nur  durch  eine 
bekannte  stelle  aus  Heine  belegt;  vgl.  jedoch  die  aus  dem  j.  1781 
stammende  vorrede  zur  2  aufl.  von  JGMüUers  Siegfr.  vLinden- 
berg:  in  Polen  (obgleich  der  böse  scrihent  dieses  land  ärgerlicher 
weise  die  polackei  nennet).  Müller  hat  demnach  das  wort  schon 
in  der  1  aufl.  (1779)  gebraucht,  besonders  häufig  ist  die  Zu- 
sammensetzung wasser  polakei  zur  bezeichnung  der  polnisch 
redenden  landschaft  im  regierungsbezirk  Oppeln.  —  zu  pol  der 
in  der  1  bed.  (eingedeichtes  land)  füge  man  poldertorf  aus 
Schwerz  Prakt.  ackerb.  31,81 :  die  asche,  welche  aus  dem  polder- 
oder  mineraltorfe  hervorgeht,  ist  als  dungmittel  durchaus  un- 
tauglich,    polder  kommt  mittelmärkisch   im  sinne  von  kamin 


22  DEITSCHES  WÖRTERBUCH  VII  11 

widerholt  vor  bei  FZiegler  Ges.  nov.  und  briefe,  zb.  1,  324 
(Landwehrmaon  Krille):  während  der  kiehn  ganz  ausgegangen  ist 
und  man  dahin  gelangen  wird ,  statt  seiner  im  i^older  das  theiire 
Öl  in  der  lampe  zu  brennen;  ebd.  2,  19  (Nach  1815):  auch  ist  der 
ßlte  Lncke  schon  auf,  er  steht  bereits  am  polder,  auf  dessen 
feuer  ich  mich  freue;  ebd.  2,  28:  Lücke  stand  jetzt  lauernd  und 
in  gebückter  Stellung,  loährend  Abraham  sich  am  kamin  oder 
vielmehr  polder  loärmte.  hier  wird  zwischeu  polder  und 
kamin  noch  ein  unterschied  gemacht,  aber  sogleich  ebd.  29  heifst 
es:  Abraham  verliefs  den  kamin  und  wider  33:  als  der  wirt 
abgetreten  war,  las  er  noch  einige  briefe  und  übergab  sie  sodann 
der  flamme  im  polder.  —  poleu(n)isch  ,  polinisch  und 
polonisch  sind  mhd.  und  älternbd.  uebenformen  für  pol- 
nisch, natürlich  am  häufigsten  in  ostdeutschen  quellen,  vgl. 
Cod.  dipl.  Sil.  10,  238  (1393):  eilf  marg  Pregischir  groschen 
polennischer  czal;  ebd.  66:  polinischer  zale;  61  (1351), 
70  (1385),  38  (1416):  polonischer  czal;  65:  polenscher 
czal.  das  heute  übliche  polnisch  ebd.  48  (1429)  und  49 
(1433).  polichen  steht  wie  das  aufgenommene  pölichen  zur 
bezeichuung  einer  kleinen  cig.  polnischen  münze  schon  im  16  jh., 
zb.  Cod.  dipl.  Sil.  12,  33  (1528).  für  polack  als  polnisches 
kleid  verweist  Lexer  auf  Frisch,  der  2,65'  nach  dem  vorgange 
von  Erasmus  Alher  in  p  olle  rock  (veslis  ad  pedes  usque  pro- 
missa)  das  lauge  kinderkleid  sieht,  das  an  die  tracht  der  gewöhn- 
lichen Polen  erinnerte,  mir  ist  das  wort  in  der  form  pölrock 
(oder  pohlrock)  aus  meiner  Jugend  und  heimat  sehr  geläufig, 
es  begegnet  mehrfach  in  nd.  gegend,  zb.  JGMüller  Waldheime 
1,  17:  Junker  Walther  war  gerade  um  die  zeit  aus  dem  pohl- 
rocke in  die  ersten  hosen  geschlüpft;  derselbe  Emmerich  8,  397 
(1789):  ein  kleines  bübchen  im  pohlrocke  hatte  einlöwenhündchen 
vor  einen  rollwagen  gespannt;  derselbe  Herr  Thomas  1,243  (1790) : 
innerhalb  eilf  jähren  sah  er  ein  feines  häuflein  von  9  munteren 
kindern  um  sich  her  krabbeln,  die  ihm  an  haschen  und  schuhen 
und  pohlröcken  und  anderen  unaufhörlichen  bedürfnissen 
einen  unermesslichen  aufioand  verursachten,  deutlicher  noch  ist 
FWASchmidt  Gedichte  13  (1796): 

beim  backofen  des  bauern,  geschwärzt  am  dampfenden  rauchloch, 
spielten  fröhliche  kinder  im  sand'  am  rücken  den  pohlrock 
zugeknöpft. 
hierzu  gibt  Schmidt  s.  17  die  erklärung:  pohlrock  ein  nach 
polnischer  art  bis  auf  die  füfse  gerade  herangehender  leibrock,  ein 
neglige  für  kinder.  FLJahu  2,  2,  568  (=  Merke  130):  die  windeln 
des  Säuglings  und  den  pohlrock  der  kinderzeit.  Sanders,  der 
diesen  beleg  für  das  wort  hat,  leitet  es  von  pohl  ab,  welches 
entsprechend  dem  franz.  poil  in  besonderer  anvvendung  bei  den 
sammtwebern  das  haar  des  sammtes  bedeutet  s.  Adelung  3,1112. 
diese    herleitung   des    polrocks    lasse    ich    dahingestellt;    aber 


DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VIl  U  23 

ganz  unrichtig  ist  es,  wenn  Euler  bei  Jahn  aao.  den  pol  rock 
erklärt  als  einen  rock  von  haaren,  aus  tuchstreifen  geflochten,  ich 
habe  den  polrock  selber  getragen  und  damals  au  manchem 
anderen  kleinen  jungen  gesehen,  aber  aus  tuchstreifen  geflochten 
war  er  nicht.  —  politik.  an  das  miifsige  schwatzen  von  politik 
erinnert  das  beispiel  aus  Arnim ;  besser  aber  stünde  das  lebendigere 
und  wenigstens  für  alte  Berliner  so  anschauliche  aus  der  Polit. 
wochenstube  von  Prutz: 
politik   allein!   so  schnattern  sie  laut   und  fressen  baisers  hei 

Stehely. 
Politiker    wird    nicht    recht    in    seiner   höheren   bedeutung 
=  Staatsmann  belegt,  vielleicht  weil  die  belege  zu  wolfeil  waren; 
trotzdem  sei  verwiesen  auf  Geibel  Spätherbstbl.  263 : 

nicht  wer  staatstheorieen  doziert  —  ein  politik  er  ist  nur, 
wer  im  gegebenen  fall  richtig  das  mögliche  schafft. 
zu  den  bezeichnend  neben  einander  gestellten  auslassungen  über 
das  politische  lied  wäre  als  ausdruck  vermittelnder  meinung 
zu  fügen  Geibel  Ged.  und  gedenkbl.  ^259: 

wo   der  politische  ström  sich  ergiefst   in  den  ström  der  ge- 

schichte, 
dort  erst,  tieferen  betts,  trägt  er  das  schiff  des  gesangs.  — 
politur,  aus  dem  Chemnitzer  bergmäun.  Wörterbuch  v.  1743 
[1  aufl.  1730]  belegt,  findet  sich  schon  1699  bei  Leibnitz  2,  101 
(Guhrauer)  in  iibertr.  sinne:  seine  letzte  politur  erhalten;  also 
gewis  im  eig,  sinne  noch  früher.  —  polizei  hat  auch  die  aller- 
dings wol  nur  seltene  nebenform  politei  Scr.  rer.  Sil.  4,  171 
(1557):  gutte  politei  vnd  Ordnung  im  land.  Zusammensetzungen 
sind  reichlich  (mehr  als  60)  gegeben;  um  so  eher  hätte  man  in 
der  stattlichen  zahl  auch  den  polizeibe rieht,  -hauptmann, 
-oberst,  -rat  nebst  -gebäude  und  -wache  erwartet,  abgesehen 
vom  polizeipräfecten, -Präsidenten  und  -secretär.  auch 
polizeispion  und  das  aus  der  Wiener  spräche  nach  Nord- 
deutschland verpflanzte  und  bes.  von  den  socialdemokraten  häufig 
im  munde  geführte  Polizeispitzel  konnten  aufnähme  finden; 
am  meisten  aber  vermisst  man  das  gewöhnliche  wort  polizist, 
mit  dem  man  bekanntlich  einen  untergeordneten  polizei- 
beamten  bezeichnet,  das  aber  nach  Wolff  Berliner  revolutions- 
chronik  1,  30  in  den  märztageu  des  Jahres  1848  der  damalige 
Polizeipräsident  von  Minutoli  von  sich  selber  gebrauchte, 
unter  polizeiwidrig  würde  der  hinweis  am  platze  sein,  dass 
das  wort  häufig  halb  oder  ganz  scherzhaft  gebraucht  wird,  zb. 
polizeiwidriger  gestank,  er  ist  polizeiwidrig  dumm  udgl.  — 
polka.  sobald  in  den  vierziger  jähren  der  polkatanz  allgemein 
in  Deutschland  verbreitet  war,  wurden  alle  möglichen  Zusammen- 
setzungen mit  polka  gebildet,  die  längst  wider  verdienter  ver- 
gessenheitanheimgefallen sind;  wol  am  dauerhaftesten  erwies  sich 
die  polkajacke,  jene  eng  anliegende  frauenjacke  mit   kurzem 


^i  DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  11 

festem  schofse,  der  hinten  zahlreiche  falten  zeigte,  endlich  un- 
üblich geworden,  ist  sie  doch  seit  einer  reihe  von  jähren  wider 
aufgetaucht  und  erfreut  sich  jetzt  als  polenjäckchen,  bes. 
bei  den  Schlittschuhläuferinnen ,  einer  nicht  unverdienten  beliebt- 
heit.  weil  ferner  der  polkatanz  als  besonderes  vergnügen  galt, 
so  bezeichnete  man  etwas  anscheinend  überflüssiges  und  nur 
•zum  vergnügen'  vorhandenes  durch  die  vorsetzung  von  polka. 
in  diesem  sinne  bekam  auch  der  vierte  major  der  infauterieregi- 
menter  (dienstlich  rieht-  oder  richtungsmajor)  in  der 
kaseruen-  und  Volkssprache  den  namen  polkamajor.  —  poll 
=  spitze,  insbesondere  wipfelende  der  bäume  (Schotlei 
1327)  konnte,  wenn  auch  nd.,  aufgeführt  werden,  da  das  wort 
seil  Adelung  in  den  hochdeutschen  wbb.  erscheint  und  gelegent- 
lich von  Norddeutschen  auch  in  hochdeutscher  rede  gebraucht 
wird  zb.  in  der  Zusammensetzung  pollsauer  =  vvip feidürr 
von  FLJahn  2,824:  hier  nagt  er  als  borkwurm  in  den  poll- 
sauern  bäumen.  —  polnischer  bock  wird  nur  in  der  bed» 
dudelsack  verzeichnet;  dass  man  aber  unter  dem  ausdruck 
auch  eine  bestimmte  art  schmerzhafter  oder  wenigstens  unbehilflich 
und  wehrlos  machender  zusammenschnüruug  der  arme  über  den 
knieen  verstand,  lehren  Adelung  und  Campe;  vgl.  auch  Jahn 
1,584  (Volkstum  153):  [ein  volk]  m^iss  seine  wehrarme  frei  haben 
und  sich  nicht  in  den  polnischen  bock  spannen  lassen.  — 
po Ister  ist  heute  wol  überwiegend  sächlich,  polstern  bed. 
auch  bequem  machen  bei  Stoppe  Parnass  im  Sattler  455 
(1735):  Christen  haben  viel  beschwerden ; 

denn  es  giebt  hier  auf  der  erden 
kein  gepolstert  Christentum. 
polstermach  er  steht  auch  im  übertr,  sinne  =  beschöniger 
bei  G Arnold  Kirchen-  und  kelzerhistorien  2,  107^  (Schaffh.  ausg.): 
es  wären  in  dieser  bösen  zeit  solche  placentiner  und  'polster- 
mach er,  welche  menschentage  suchten  und  ohne,  ja  wohl  wider 
gottes  wort  die  gewissen  befriedigen  wollten.  —  polterer  (aus 
Luther  belegt)  steht  schon  1486  im  Vocab.  pred.  k  4'':  furiosns 
ein  dobender,  ein  rumorischer,  zornlicher  bollderer.  zu  polter- 
abend  wären  auch  hinzuzufügen  die  Weiterbildungen  polter- 
abend gedieht,  -scherz,  -spafs  (Jahn  1,454)  uä.  polter- 
abend  machen  ist  im  hausdeutsch  auch  so  viel  wie  geschirr 
(aus  glas,  porzellan,  Ihon)  zerschlagen,  polterkammer 
im  übertr.  sinne  (belege  aus  Goethes  später  zeit)  steht  schon 
1774  bei  Bode  Tristram  Schandy  4,  58:  in  den  polterkammern 
der  gelehrsamkeit.  polte r werk  =  gepolte r.  Gottsched  Rrit. 
dichtk.  -307  führt  aus  Heraus  beschreibung  der  Lappländer  an: 
der  kutschen  ewiges  rollen 

des  haufens  polt  er  werk,  das  im  gedräng  erschollen. — 
dass  Lexer   darauf  verzichtet  hat,   eine   auswahl   aus  den  vielen 
gröstenteils  entbehrlichen  Zusammensetzungen  mit  poly-  zu  geben, 


DEUTSCHES  WÜRTERBUCH  VII  11  25 

ist  nur  anzuerkennen;  einzig  aufgeführt  ist  polyp,  zu  dem  man 
wider  die  Zusammensetzung  polypenarm  verzeichnet  sehen 
mochte,  da  sie  schon  im  übertr.  sinne  uns  aus  Schiller  geläufig 
geworden  ist: 

seine  handelsßotten  streckt  der  Brüte 

gierig  wie  polypeuarme  ans. 
vgl.  auch  Jean  Paul  Quintus  Fixlein  130  (Hempel):  alle  polypen- 
arme seiner  seele  zuckten  schwimmend  auf  dem  freudenmeer.  — 
die  pomeranze  wird  wegen  ihres  feinen  und  zugleich  streng 
bitteren  geschmackes  von  Weckherlin  2,  135  (Goedeke)  sprich- 
wörtlich genannt: 

zu  köstlich  und  zu  rein  und  frisch 

für  euren  tisch 

und  magen  seind  die  trachten  meiner  Schriften; 

den  bauren  taugt  ein  hafenkäs, 

die  pomeranzen  seind  zu  räfs, 

damit  sie  sich  wol  förchten  zu  vergiften. 
Zusammensetzungen  sind  reichlich  beigebracht,  pomeranzen- 
saft  aber  war  nicht  erst  aus  Kortums  Jobsiade,  sondern  schon 
aus  Fries  Spiegel  der  arznei  lOS''  (1532)  und  aus  vielen  alten 
arznei-  und  pQanzenbiichern  zu  belegen;  so  auch  pomeranzen- 
wasser  nicht  erst  aus  Zedlers  lexikon ,  sondern  ebenfalls  aus 
dem  16  jh.,  zb.  aus  Sebiz  Vom  feldbau  424  und  425  (1580). 
erwähnt  sei  nebenher  die  landpomeranze  (das  von  der  sonne 
verbrannte  landmädcheu,  überhaupt  mädchen  vom  lande  mit  dem 
nebenbegriff  der  derbheit  und  des  mangels  an  städtischer  gewandt- 
heit  und  feinheit),  weil  das  worl  im  6  bände  des  DWB.s  fehlt.  — 
pompen  im  sinne  von  prangen  und  prunken  wird  erst  aus 
Stieler  (1691)  und  Erberg  (1710)  belegt,  findet  sich  jedoch  schon 
1520  bei  Luther  Gute  werke  B  iiij'':  das  ist  die  vrsach  war  umh 
ich  szo  offt  wider  solcher  werck  pompen,  pracht,  menige  geret 
vnd  sie  furworffen  hab.  pompös  statt  des  früheren  pompös 
steht  schon  bei  GArnold  aao.  1,  182'':  pompöse  eimceihung. 
daneben  kommt  bei  Londorp  Acta  publica  2,  690  (1619)  ein 
später  wider  verlorenes  pomposisch  vor:  mit  grofsen  pom- 
posischen  solenniteten.  pomposisch  bei  Schottel  1377  (1663). 
ein  beispiel  für  pompös  vor  1650  wäre  Philander  vSittewald 
7,  558  (Frankft.  1647):  wollet  mein  leichnam  nicht  zwar  pom- 
pös, sondern  ehrlich  nach  niönchsgebrauch  begraben  lassen.  — 
pontifex  ist  als  ungeändertes  lateinisches  wort  wol  mit  recht 
übergangen,  weil  es,  wenn  auch  in  einem  gedichte  Schülers 
(Deutsche  treue)  gebraucht,  doch  nicht  in  so  weite  kreise  ge- 
drungen ist  wie  der  ebenfalls  in  classischer  form  auftretende 
podex;  pontificat  aber  hätte  schon  aufnähme  verdient,  desgl. 
pontificalien,  die  beide  in  SFrancks  Chronik  der  Teutschen 
vorkommen,  ersteres  zb.  40'  und  101^  das  zweite  ebd.  53'':  man 
sagt  bapst  Leo  sei  im  in  seinen  pontificalien  begegnet;  daneben 


26  DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VlI  It 

ponlificalen  ebd.  142'':  da  der  bapst  in  sein  pontificalen 
ob  [dem]  altar  stund.  —  popelsie.  Lexer  verweist  für  das  wort 
aut  Dielenbach;  doch  finden  wir  dasselbe  noch  gegen  ende  des 
16  jhs.  I)ei  Sebiz  aao.  70  (1580):  wider  den  schlag  oder  die  po- 
pelsie  auch  sehr  nutz,  das  man  ein  conserff  von  lavendelblumen 
mit  zucker  brauche.  —  popo.  die  verhüllende  form  poppe 
habe  ich  mehrfach  auch  aufserhalb  Leipzigs,  zb.  in  Berlin  ge- 
hört, hierbei  muss  ich  allgemein  bemerken ,  dass  Lexer  häufig 
ausdrücke  oder  formen  nach  Albrechls  verdienstlichem  buche 
über  die  Leipziger  mundart  als  leipzigerisch  bezeichnet,  die  in 
weiten  kreisen  Mittel-  oder  Norddeutschlands  üblich  sind,  noch 
entschiedener  aber  muss  ich  das  ausschliefslich  preufsische  ge- 
präge  sehr  vieler  als  preufsisch  angegebener  Wendungen  in  Frisch- 
biers Wörterbuch  bestreiten ,  da  mir  dieselben  auch  aus  der  ukerm. 
spräche  geläufig  sind,  sodass  man  sie  auch  dem  verbindenden 
pommerschen  lande  wird  zusprechen  müssen,  den  popo  selbst 
anlangend  möge  daran  erinnert  werden,  dass  WGrimm  DWB 
2,  199  bobo  aufstellt  und  über  Campes  und  Heyses  Schreibung 
popo  (er  konnte  ebenso  gut  Heinsius  hinzufügen)  tadelnd  be- 
merkt: niemand  spricht  so.  WGrimm  zeigt  also,  wie  fremd  ihm 
trotz  langem  aufenthalt  in  Berlin  die  nord(ost)deutsche  haus- 
sprache  war.  zu  dieser  derberen  haussprache  gehört  auch  die 
Wendung  sich  den  popo  (hintern)  toörme»  =  untätig  im  zimmer 
am  warmen  ofen  weilen;  ein  beispiel  in  malerischer  ausführlich- 
keit  gibt  Bahrdt  Lebensbeschr.  2,328  (1791):  [die  Graubündner] 
arbeiten  im  sommer  gerade  nur  so  viel  als  sie  brauchen  um  nicht 
hungers  zu  sterben,  und  den  winter  über  sizzet  die  werte  familie 
auf  ihren  grofsen  breiten  Öfen,  welche  aus  einer  steinernen  platte 
bestehen,  wärmt  sich  den  popo  und  erzählt  sich  von  der  geschieht e 
der  landtage  und  den  abschlüssen,  die  da  gemacht  sind.  —  p  o  p  u  - 
larisch  (Goethe,  Wieland,  Bürger)  findet  sich  schon  1619  bei 
Londorp  2,  69 T:  in  ein  ander  form  des  populari sehen  regi- 
ments  versetzet;  ebd.  2,  688":  dem  popularischen  regiment 
zugewandt;  vgl.  auch  Verh.  und  actenst.  zur  gesch.  des  grofsen 
kurf.  9,  524  (1661):  die  popularischen  stimmen  zu  sammeln. 
eine  Seite  der  begriffe  populär  und  populari  tat  gibt  FLJahn 
1,  341  f  (Volkstum  385)  durch  volksfasslich  und  volks- 
fasslichkeit  (heute  gemein  fasslich  oder  gemeinver- 
ständlich): alle  grofse  wichtige  weltbücher  sind  volksfasslich, 
die  biicher  der  hörsäle  strotzen  voll  schulwitz.  ebd.:  die  volks- 
fasslichkeit  will  auch  ihre  muse  haben  und  bedarf  jetzt  mehr 
wie  sonst  einer  sorgfältigen  wissenschaftlichen  Sichtung,  popu- 
larphilosoph  Goethe  34,  97  Hempel  (Zur  naturvvissenschaft 
im  allg.  1820):  da  wir  andern  vorher  uns  von  den  popnlar- 
philosophen  und  von  einer  andern  art philosophen,  der  ich  keinen 
namen  zu  geben  weifs,  gar  iinwürdig  mussten  behandeln  lassen. 
populärphilosophisch  wird  auch  wol  schon  aus  dem  beginne 


DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VI[  11  27 

des  Jahrhunderts  herrühren,   ich  habe  es  aber  nur  aus  Lassalle 
Herr  JuHan  3  4.42.43.46  angemerkt,    populär  philosophie 
(Hettner)  schon  bei  Herder  Kalligone  2,  107  (1800);  doch  deutet 
das  hinzugefügte  sogenannt  darauf,  dass  der  ausdruck  damals 
noch  wenig  eingebürgert  war.     auch  Goethe  leitet  1813   in  der 
gedächtnisrede   auf  Wieland   bd.  27,  60  (Hempel)   das  wort  noch 
ein  und  gibt  eine  erklärung  desselben:  damit  wir  uns  bei  unserm 
gedrängten  vortrage   eines  kurzen ,   aber   allgemein   verständlichen 
xoortes  bedienen,  jene  pojjularphilosophie,  wodurch  ein  prak- 
tisch geübter  sinn  zum  urteil  über  den  moralischen  wert  der  dinge 
so  wie  über  ihren  ästhetischen  zum  richter  bestellt  wird,    popu- 
larisieren (-ung)   konnte  aufgenommen  werden.   —   porös 
wird  lediglich  aus  Goethes  später  zeit  (1820)  belegt,  findet  sich 
jedoch   schon    1727    als   geläufiges  wort   bei   Fleming  Teutscher 
Jäger  2,  299' :  [esche]  ist  ein  sehr  zähes  holtz,  daher  den  wagnern 
nicht  unbrauchbar,  hat  grobe  gahre,  ist  ungemein  porös.  — por- 
tion  ist  nicht  erst,  wie  mit  Weigand  behauptet  wird,  im  17jh. 
entlehnt,    sondern    steht   schon    1538    bei    SFranck   Chronik   d. 
T.  118':  musst  dem  künig  nit  ein  kleine  portion  seiner  dörffer 
in  Beyern  geben.   —  portnerin    übertr.  bei  Fries  Spiegel  der 
arznei  97''  (1532):    will  dir  sagen  von  der  schlundrören,   welche 
ein  portnerin  des  magens  ist.  —  porto.    vor  Hermes  (1776) 
war  Sperander  (1728)  in  betrachi  zu  ziehen,  der  485'  das  wort 
in  der  Zusammensetzung   brief -porto   schon  als  deutsch  einge- 
bürgert aufweist.  —  portrait  steht  1703  in  den  anm.  zur  Ge- 
wissensrüge   an    Thomasius    s.  209:     das    ist    kein    raisonnabler 
methodus  disputandi,   sondern  das  portrait  eines  offenbaren  ca- 
lumnianten.      der    pl.    portraite    vor    Leasings    Em.    Gal.    bei 
Menautes  Altern,  art  vorrede  7^*  (1703).    unter  den  compositionen 
wäre  noch  porträtbild  anzuführen  aus  Hegel  Ästhetik  23,  519. 
ein   beispiel    für    das    häufige   wort    por trätmalerei    konnte 
leicht   vor   Heine  gefunden  werden,   zb.  bei  Goethe  32,  47    und 
28,  170    Hempel.   —   porzellau    minulich    auch    bei   Stoppe 
Neue  fabeln  2,  221  (1741): 

der  teure  por  cell  an,   den  man  so  kostbar  schätzt, 

der  jedes  Deutschen  aug'  ergötzt. 
an  die  zerbrechlichkeil  des  porzellans  erinnern  manche  Wendungen  ; 
vgl.  Jahn  1,  442  (üenknisse  28):  aber  draufsen  recht  langsam  ge- 
fahren wie  ein  trauergeleit  oder  was  man  in  Wien  porzellan  nennt. 
auch  in  Berlin  redet  man  in  ähnlichem  sinne  von  einer  porzel- 
lanfuhre.  porzellanen  (Voss,  Goethe,  Jean  Paul)  steht  in 
Wurffbains  Reisebeschreibung  156  (1686):  die  porcellanene 
geschirr.  dass  porzellanfabrik  nicht  erst  aus  H Heine  be- 
legt zu  werden  brauchte,  war  nach  Lexers  mitteilungen  auf 
sp.  2007  von  vorne  herein  klar;  die  Berliner  porzellanfabrik 
wurde  im  jähre  1761  errichtet,  und  Stoppe  Parnass  im  Sattler  496 
lässt  schon  1735  einen  schlesischen  bauern  sagen:  zu  Drefsden 


28  DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  II 

Jiab  ich  in  der  porcellaiyifabric  einen  galanter iedegen  von 
porcellain  mit  indianischen  figuren  vor  uns  zu  verfertigen  beordert. 
porzel  lange  wölbe  in  derselben  bed.  bei  Geliert  Lustspiele 
(Betschwester)  193  (1747):  ich  will  in  das  porcellangeioölbe 
und  einen  anfsatz  von  gutem  porcellan  ausnehmen  und  ihn  der 
mama  herschicken,  zu  porzellantisch  wird  ein  belehrendes 
beispiel  aus  GFreytags  Bildern  gegeben,  in  dem  dieser  die  üblich- 
keit des  porzellantisches  in  der  späteren  zeit  des  ISjhs. 
bezeugt,  dazu  wäre  denn  ein  beispiel  aus  jener  zeit  selbst  zu 
lügen,  etwa  Hermes  Sophie  5,  622  (1778):  ein  günstiger  zufall 
wollte,  dass  die  magd  im  Vorzimmer  den  porcellaintisch  um- 
werfen musste,  —  posaunerei  Jahn  1,  330  (Volkstum  366); 
eine  französische  inschrift  [auf  einem  denkmale  Kleists]  ist  un- 
schicklich, die  lateinische  verrät  posaunerei  der  errichter.  — 
posen.  die  nd.  aus  Dähnert  angeführte  Wendung  ist  hochdeutsch 
im  brandenburgischen  ganz  gewöhnlich:  in  den  posen  sein  oder 
liegen,  in  die  posen  gehen  oder  scherzend:  nach  Posen  ab- 
marschieren.—  zu  Position  in  der  heeressprache  gehört  posi- 
tionsgeschütz  im  gegensalze  zu  feldgeschutz.  —  positiv  als 
eigenschaflwort  erscheint  zunächst  im  sinne  von  bestimmt 
nicht  ausreichend  belegt,  aufnähme  verdiente  der  ausdruck  po- 
sitive kenntnisse,  ferner  Lessings  berühmtes  abschreckend  und 
positiv  gegen  den  stümper  aus  dem  57  antiq,  briefe.  in  der 
theologie  und  in  beziehung  auf  die  glaubenslehre  bezeichnet  man 
als  positiv  die  richtung  und  auch  die  menschen,  welche  die 
überlieferten  glaubenssätze  vollständig  oder  im  wesentlichen  als 
ausgemacht  annehmen,  also  bejahen;  man  spricht  von  posi- 
tiver und  natürlicher  religion,  von  positivem  und  natür- 
lichem recht,  innerhalb  der  preufsischen  kirchenunion  unter- 
scheiden sich  anhänger  einer  sogenannten  positiven  union 
gegenüber  solchen,  welche  auf  die  bekenntnisse  selbst  weniger 
wert  legen,  so  bildete  man  wider  das  wort  positivismus; 
vgl.  Hagenbach,  Theologische  encyclop.  ^84  (1869):  eine  neue 
gestaltung  des  supranaturalismus  ist  der  wieder  mit  macht  sich  er- 
hebende positivismus  und  confessionalismus.  in  schneidendem 
gegensatze  dazu  steht  der  begriff,  den  man  in  der  geschichte 
der  Philosophie  seit  Aug.  Comte  mit  dem  worte  positivismus 
verbindet,  indem  dasselbe  eine  Weltanschauung  und  lehre  be- 
zeichnet, welche  unter  Verwerfung  von  theologie  und  metaphysik 
sich  mit  der  erkenulnis  der  die  erscheinungen  regelnden  gesetze 
genügen  lässt.  auch  diese  lehre  nennt  sich  positiv  oder  zur 
Unterscheidung  von  ihrem  gegenteil  positivistisch,  das  haupt- 
wort  positiv  (=  stubenorgel)  bildet  in  der  mehrheit  auch  po- 
sitiffen,  zb.  Faustbuchl38  (neudruck,  anhang  aus  dem  j. 1590): 
lauten,  positiffen,  zwerchpfeiffen,  zincken,  posaunen  usw.  an 
das  positiv  als  orgel  der  dorfUirche  erinnern  des  küsters  be- 
hagliche worte  bei  FWASchmidt  Ged.  284  (1797): 


DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  U  29 

ich  dien'  ihm  (dem  bauein)  mit  gevatterbrief 
und  mit  der  schneidernadel, 
und  spiel  ihm  auch  sein  positiv 
des  sonntags  ohne  tadeh  — 
positur  in    der  bed.  fechlerstellu  ng   sollte  nicht  erst  aus 
dem  Schelmufsky   (1696)   belegt   werden,    sondern   lieber  durch 
die  bekannte   stelle   aus   dem    Horribilicribrifax  78  (neudr.),   auf 
die   schon    im   Anzeiger  iv  181    hingewiesen   wurde,     die  stelle 
aus  Gryphius  empfiehlt  sich  um  so  mehr,  als  ihr  wahrscheinliches, 
wenn  auch  nur  mittelbares  vorbild  bei  Shakespeare  uns  in  Schlegels 
Übersetzung  (so  lag  ich  und  so  führte  ich  meine  klinge)  zum  ge- 
flügelten Worte    geworden  ist.      in  der  verkürzten  form   postur 
■wird  das  wort  wol  schon  im  16  jh.  vorkommen,   doch  kann  ich 
es  erst  1624  in  Zincgrefs  Auserles.  ged.  65  nachweisen: 
ein  jeder  sei  bedacht ,  wie  er  das  lob  erwerbe, 
dass  er  in  mannlicher  postur  und  Stellung  sterbe.  — 
p  0  s  s  e  n  h  a  f  t  i  g  muss  aus  possenhaftigkeit  geschlossen 
werden,  wird  aber  nicht  verzeichnet;  es  steht  bei  Zesen  Ibrahim 
1,358:  possenhaftige  schimpf- und  Scherzgedichte,     possen- 
welt  bei  Hettner  3,3,2,435  (1870):  wer  je  in  glücklichen  stunden 
den  blaubart   und  den  gestiefelten  kater  gelesen,   der   möchte  doch 
wohl  geneigt   sein,   sich   dieser  tollen  phantastischen  possenweit 
herzlich  zu  freuen,    possig  (BAuerbach)  wäre  auch  aus  Musäus 
Straufsfedern  1,  89   zu    belegen:  possige  abenteuer.     das  wort 
wird  schon   viel   früher  vorkommen,    da  das  gleichbed.   bossig 
DV\B  2,  267  bereits   aus  Dasypodius   nachgewiesen  wird,     pos- 
sierig  (übergangen)  kommt,  wenn  auch  wol  selten,  neben  dem 
bd.  2,  266    beigebrachten    bossierig    vor:    mit   possierigen 
textlein  gemehret  Erasm.   Widmann  (1618)  bei  Pfudel  Bibliotheca 
Rudolfina  3,  104.      freunde    nachdenklicher    sprüche    vermissen 
hier  vielleicht  den  alten  satz,  dass 

der  äffe  gar  possierlich  ist, 

zumal  wenyi  er  vom  apfel  frisst. 
—  possession  ist  nicht  erst  bei  Luther,  sondern  schon  1478 
bei  Niclas  von  W'yle  292  zu  finden.  —  post.  häufig  ist  im 
17  und  18  jh.  die  Wendung  auf  der  post  =  in  gröster  Schnel- 
ligkeit oder  auch  Übereilung,  zb.  Stoppe  Ged.  1,  80 
(1728):  heilte  frein  tmd  übermorgen 

auf  der  post  Verlobung  machen 

schlägt  nicht  selten  übel  ein: 

bei  der  wähl  so  schwerer  Sachen 

will  nichts  übereiltes  sein. 
die  Zusammensetzungen  wären  leicht  zu  häufen  ohne  ersicht- 
lichen vorteil  für  das  Wörterbuch;  doch  sei  auf  einiges  hin- 
gewiesen, für  postdampfer  wird  nur  auf  den  weltpostvertrag 
vom  j.  1878  hingewiesen,  während  es  doch  schon  ein  menschen- 
alter früher  postdampfer  und  zwar  unter  diesem  namen  gab. 


30  DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  11 

posulorf  bei  Jahn  1,  447  (Denknisse):  das  waren  die  aus  dem 
postdorfe,  wo  die  umspanne  ist;  ebd.  448:  das  postdorf, 
das  zum  pferdeicechsel  bestimmt  icar.  postfahr  er  (vgl.  post- 
reiter)  wird  von  Jahn  neben  dem  häufigeren  postknecht  ge- 
braucht aao.  442  und  452.  postgeleiter  anstatt  des  ganz 
ausländischen  pos tconducteur  ist  mir  nur  aus  Stifters  Stu- 
dien 3,  172  (ausg.  V.  1870)  bekannt:  unter  dem  vordach  des 
Wagens  safs  neben  dem  postgeleiter  ein  Student,  die  deutsche 
Postordnung  sagt  dafür,  wie  Lexer  anführt,  postbegleite r. 
post halterei  (Börne  und  spätere)  steht  schon  bei  Adelung, 
posthorn.  es  werden  gute  belege  gegeben  zur  bezeichnung 
der  durch  das  posthorn  angeregten  gefühle  der  freude  und  der 
Wehmut,  da  aber  inzwischen  mit  der  postreise  auch  das  post- 
horn stark  zurückgedrängt  ist,  so  wäre  zum  ausdruck  der  ver- 
änderten Verhältnisse  jetzt  hinzuzufügen: 

Sehnsüchtig  wuchs  das  herz,  wenn  seine  weisen 
das  posthorn  sang  im  nächtgen  Waldrevier; 
jetzt  pfeift  der  dampf  und  lässt  im  stürm  uns  reisen. 
Geibel  Gedichte  und  gedenkbl.  693. 
postkasten  wird  nur  aus  dem  anfange  des  17  jhs.  (engl,  ko- 
mödianten)  und  im  eigentlichen  sinne  (kästen  zur  beför- 
derung  von  postgut)  beigebracht;  das  wort  ist  aber  noch 
heute  gewöhnlich  als  unwillige  bezeichnung  eines  engen  und  un- 
bequemen Postwagens,  postkibitke  Seume  3,74:  das  fuhr- 
werk gilt  zwar  für  eine  postkibitke,  ist  aber  blofs  ein  offener 
sehr  massiver  backtrogähnlicher  karren,  telege  genannt,  fest  auf 
der  achse  liegend  und  hei  jedem  stofs  durch  alle  sehnen  dröhnend. 
vgl.  ebd.  58:  der  regen  stürzte  stürmend  bis  zum  erstarren  kalt 
auf  meine  offene  posttelege  herab,  postleute  (postbe- 
diente, heute  in  dienstlicher  spräche  postunterbeamte) 
Jahn  1,  447:  ich  weifs,  dass  der  herr  im  wagen  ein  richtiger  mann 
ist,  der  den  postleuten  gern  etwas  zuwendet,  postnation 
(vgl.  nation  im  DWB)  Seume  1,  216  (Spaziergang  nach  Syr.): 
zu  der  postnation  habe  ich  in  ganz  Deutschland  nicht  das  beste 
zutrauen  in  rücksicht  der  humanität  und  hößichkeit.  von  einem 
postraube  (dh.  der  beraubung  einer  post)  liest  man  mehrfach 
in  Zeitungen,  so  im  Reichsboten  vom  26juli  1888.  posträuber 
bei  Jean  Paul  jus  de  tablette  hinter  Quintus  Fixlein  (Hempel 
3,  217):  auch  wollt'  ich  einen  gehenkten  posträuber  in  augen- 
schein  nehmen,  weil  ich  einige  moralen  aus  ihm  für  die  meinigen 
ziehen  wollte,  postreiser  gebraucht  Jahn  1,  412  (Neue  ru- 
nenbll.  22)  nicht  übel  von  demjenigen,  welcher  viel  umherfährt 
und  wenig  sieht:  jener  postreiser ,  der  weit  und  breit  umher- 
gestuckert worden,  hatte  so  unrecht  nicht,  auf  die  frage,  dass  er 
doch  sehr  in  der  geographie  bewandert  sein  müsse,  zu  antworten: 
nein!  da  bin  ich  nie  hineingekommen,  sondern  immer  vorbei  gereist. 
postschäse  (postchaise)  verdiente  aufnähme,  nicht  weil  das 


DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  11  31 

w'ort  unentbehrlich  oder  auch  nur  schön  wäre,  sondern  weil  es 
talsächhch  lange  üblich  war,  zum  teil  noch  heute  ist.  post- 
schäse  JGiMüller  Emmerich  5,  145  und  148;  postchaise 
Hermes  Für  luchter  edler  herk.  3,  248  und  Heinsius  3,  932\ 
postSprache  Jahn  1,446:  kunstansdrücke  der  post spräche. 
postStatt  ebd.  451,  offenbar  zur  Vermeidung  des  üblicheren, 
aber  fremd  klingenden  poststatiou.  das  gewöhnl.  wort  post- 
tasche  fehlt  wol  nur  aus  versehen;  auch  den  neuigkeitskrämer 
bezeichnet  man  wol  als  alte  posttasche  vgl.  postträger, 
postübel  Jahn  1,  136:  alle  post  übel  vom  strafsenkot  bis  zur 
kotseele.  —  dass  poslen  in  der  bed.  von  aml,  Stellung  erst 
im  18  jh.  vorkomme,  kann  ich  durch  einen  bestimmten  nachweis 
aus  früherer  zeit  allerdings  nicht  widerlegen;  doch  meldet  Adelung 
3,1126,  dass  bei  der  röm.  königswahl  vom  j.  1658  der  kurbranden- 
burgische  gesandte  die  unzulässigkeit  der  in  einem  amilichen 
Schriftstücke  gebrauchten  Wörter  posten  und  rang  behauptet 
und  deren  änderung  in  stelle  erreicht  habe,  woher  aber  Adelung 
seine  nachricht  schöpfte,  vermag  ich  nicht  zu  sagen,  poslen 
als  zeitw.  findet  sich  auch  in  der  bed.  von  postieren  =  in 
eine  stelle  bringen,  anstellen  bei  Neukirch  2,  126  (1697): 
itzt  dünkt  er  sich  viel  zu  sein  und  vor  andern  wol  gepostet, 
weil  er  das  iimsonst  genüfst,  welches  andern  geld  gekostet, 
—  postillenreiter  und  postillant  werden  allerdings  von 
Rädlein  beide  mit  poslillante  übersetzt,  doch  unterscheidet 
dieser  sehr  deutlich  den  predicateiir  qui  pille  les  livres  oü  les 
evangiles  sont  expliquez  (predicateur  pilleur)  von  dem  faiseur  des 
livres  OH  usw.  das  wort  postillenreiter  (- reute r)  wird 
übrigens  schon  lange  vor  Rädlein,  vielleicht  schon  im  16  jh.  ge- 
braucht sein.  Weises  von  Lexer  angeführter  ausdruck  postillen 
reiten  (1673)  deutet  wenigstens  auf  bekanntschaft  mit  dem 
hauptwort.  entstanden  ist  dies  augenscheinlich  aus  einer  scherzen- 
den vermengung  von  postreiter,  postillon  und  po stille, 
da  die  postille  mehrfach  als  bild  einer  eintönigen  und  geistlosen 
predigt  erscheint,  so  enthält  auch  pos tillenhaft  und  postil- 
lenhaftig  den  gleichen  tadel.  vgl.  Gewissensrüge  an  ChrTho- 
masius  s.  3  anmerkung  (1703):  der  herr  Thomasins  hat  nicht  nur 
in  dem  collegio  die  wunder  Mosis  contra  atheos  raisonnabel  und 
nicht  so  postillenhaftig  wie  ihr  defendieret.  ebd.  s.61  postil- 
lantisch  und  63:  das  sind  so  postillen -streiche.  —  posto 
soll  erst  im  18  jh.  aufgenommen  sein  und  wird  in  der  wendung 
posto  fassen  zuerst  aus  Rädlein  (1711)  belegt,  vgl.  darum 
Leibnitz  1,  170  (1670):  wenn  er  einmal  am  Rhein  posto  ge- 
fasset, —  potenz  im  allg.  sinne (=  macht,  vermögen)  wird  aus 
Leibnitz  belegt,  dürfte  aber  schon  weit  früher  vorkommen,  da 
wenigstens  die  Zusammensetzung  Pienipotenz  mehrfach  bei 
Londorp  Ada  publica  erscheint,  zb.  1,  166':  vermag  ertheilter 
plenipotentz  vnd  vollmacht  (IQH)  und  ebd.48P  (1619)  sechs- 


32  DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  II 

mal.  —  pottasclie.  die  bei  Campe  verzeichneten  Zusammen- 
setzungen mit  -sieder  und  -sie  der  ei  wird  man  kaum  ver- 
missen; zu  erwähnen  aber  ist,  dass  für  das  letztere  wort  auch 
.pottascherei  gebraucht  wird,  zb.  Schwerz  Prakt.  ackerbau 
^1,  78:  m  sichern  gehirgsgegenden ,  wo  der  holzbestand  die  pott- 
aschereien begünstiget,  spielt  der  daraus  hervorgehende  ascher 
(äscherich)  eine  wesentliche  rolle;  ebd.  79:  auf  wiesen  hält  die 
Wirkung  derasche  der  pottaschereien  10 — \2  jähre  an.  —  prä  in 
den  Wendungen  das  prä  haben  (lassen,  erhalten)  findet  sich  schon 
vor  Grimmeishausen  um  1622  bei  Londorp  2,  413'':  dass  der  cal- 
vinische geist  niemand  neben  sich  leiden  könne  und  überall  das 
prae  haben  wolle.  —  p rachern,  aus  wbb.  seitKilian,  aus  Schrift- 
stellern erst  seit  Voss  und  Bürger  belegt,  wäre  auch  aus  dem 
j.  1660  beizubringen:  wie  pr  acher  tstu  um  einen  kussl 
Schwieger  Geh.  Venus  neudr.  41.  —  p rächt,  erwünscht  wäre 
ein  hinweis  darauf,  dass  das  wort  nicht  selten  für  sich  oder  in 
Zusammensetzungen  (wie  Prachtausgabe,  prachtexemplar 
in  übertr.  sinne)  mit  spöttischer  färbung  auftritt,  vgl.  das  fast 
zum  geflügelten  worte  gewordene  original,  fahr  hin  in  deiner 
pracht!  Goethe  13, 68 (Hempel).  prachtaufwand,  ein  schwer- 
fälliges wort,  wird  von  Campe  im  Verdeutschungswörterbuch  zum 
ersatz  für  iuxus  vorgeschlagen  und  dann  1809  in  das  Allg. 
Wörterbuch  als  angeblich  eigene  eründung  aufgenommen,  das 
wort  steht  aber  schon  1788  bei  Hermes  Manch  hermäon  1,  30, 
wo  dieser  Rousseaus  entretien  du  luxe  durch  aufrechterhaltung  des 
pracht  aufwände  s  übersetzt;  ebd.  1,32:  die  auflagen  seien  nur 
da,  damit  prachtaufwand  sein  könne,  prachtausdruck : 
die  zahlreiche  Masse  ästhetischer  prachtausdrücke,  die  jedem 
gebildeten  geläufig  und  keinem  denkenden  deutlich  sind.  JBernays 
Aristoteles  über  die  wUrkung  der  tragödie,  einleitung.  pracht- 
stelle erwähne  ich  lediglich  darum,  weil  das  wort  bei  Goethe 
11,  1,  138  Hempel  (theaterprogramm  zum  Epimenides)  vorkommt: 
alles  loas  im  hintergrunde  steht,  das  tempelartige  wohngebäude ,  die 
hallen  itnd  sonstigen  prachtstellen,  stürzen  ivirklich  zusammen. 
aus  demselben  gründe  weise  ich  auf  prachtmasse  hin.  siehe 
Goethe  27,  261  (Hempel),  wo  er  mit  dem  worte  ein  ihm  zu  grofs- 
artig  scheinendes  für  ihn  in  aussieht  genommenes  denkmal  be- 
zeichnet: als  anmutige  Verzierung  einer  idyllischen  gartenscene 
war'  es  dankbar  anzuerkennen  gewesen,  aber  als  grofse  architek- 
tonische selbständige  prachtmasse  icar  es  wol  geziemender,  sie 
bescheiden  zu  verbitten.  als  prachtstrom  bezeichnet  Jahn 
1,  498  (Denknisse  167)  den  Rhein:  marschall  Vorwärts  hatte  mit 
der  nachjagd  auf  pechleinwandenen  pramen  den  prachtstrom 
überschritten,  prachtvoll  (1780  aus  Stilling)  zeigt  sich  schon 
1759  auf  dem  titel  eines  damals  zu  Hamburg  erschienenen  hohn- 
liedes  auf  Friedrich  den  grofsen:  relation  von  dem  grofsen  und 
pracht-vollen   solennen  siegesfeste ,  so   zu  Ludwigsburg  im 


DEUTSCHES  WÜRTERBUCH  villi  33 

Wiirtemherger  lande  über  den  russischen  sieg  zu  Frankfurt  a.  0. 
[Kunersdorf]  gefeyret  worden,  siehe  OHarrassowitz  antiq.  catalog 
144  nr  1687  (188S).  bei  Adeluug  steht  das  wort  noch  nicht, 
bei  Campe  (1807)  wird  es  mit  einem  O  versehen  als  eins  der 
neugebildeten  Wörter,  welche  teils  von  guten  Schriftstellern  bereits 
angenommen,  teils  von  achtungswürdigen  Sprachforschern  geprüft 
und  gebilligt  worden  sind.  —  practicierer  im  sinne  von- 
practicus  wird  aus  Diefenbach,  im  sinne  von  ambitor  aus 
Aler  (1727)  belegt,  diese  letztere  bedeutung  gieng  längst  in  die 
von  ranke  Schmied  über,  vgl.  Hedio  Joseph,  antiq.  11,6  bl.  203* 
(ausg.  von  1550):  vmb  des  lasters  willen  so  hanget  dieser  prac- 
ticierer [der  Judenfeind  Haman]  sanipt  allen  seinen  verwandten 
vor  der  porten  dieser  statt  Susis  am  galgen.  practikabel  vor 
Aler  bei  Leibnitz  D.  sehr.  2,  156(1700):  dieses  könnte  dermaleins 
neben  andern  guten  anstallen  practicabel  werden;  desgl.  1697 
in  GAruolds  vorrede  zu  seinen  Kirchen-  und  ketzerhistorien 
§20:  dieses  und  jenes  aus  der  allerersten  kirchen  sei  nicht  mehr 
practicabel  oder  den  zeiten  gemäfs.  practikant  (Fischart) 
steht  bei  Fries  Spiegel  der  arznei  (1532)  mehrfach,  zu  pratic 
als  nebenf.  für  practik  wird  auf  Schmeller  verwiesen;  da  aber 
auch  dort  kein  beispiel  gegeben  wird,  so  vgl.  Poesie  der  Franken 
1,208  (1730),  wo  pratic  im  sinne  des  heutigen  praxis  als 
gegensalz  zur  theorie  auftritt: 

icann  ich  an  reguln  nichts  vermisse, 

ist  doch  die  pratic  umgekehrt.  — 
präge  als  weibl.  hauptwort  =  ge präge  ist  nicht  aufgeführt, 
steht  aber  in  der  deutschen  ausgäbe  von  Napoleons  Geschichte 
Julius  Cäsars  2,  520 :  die  Untersuchung  der  münzen  von  gallischer 
präge  ist  von  nicht  geringerer  bedeutung.  unklar  ist  das  ge- 
schlecht bei  Görres  Teutschland  und  die  revol.  ^20:  der  drei- 
zehnte artikel  [der  bundesacte] ,  anfangs  in  ziemlicher  Währung 
ausgeprägt,  dann  täglich  durch  kipper-  und  wipperkünste  beschnitten, 
ausgeschabt  und  abgenagt ,  war  endlich  in  seiner  gegenwärtigen  ge- 
stalt  ohne  präge  in  den  Umlauf  eingetreten.  das  sächliche 
präg,  nur  aus  der  Zimmerschen  chronik  belegt,  findet  sich  auch 
später  1714  bei  Veneroni-Caslelli  3,  128^*:  präg  le  coin  de  la 
monnaye.  prägezeichen  fehlt,  vgl.  AStahr  übers,  von  Aristo- 
teles Politik  1,  3,  14  s.  16":  denn  das  prägezeichen  ward  ge- 
setzt als  zeichen  des  werts  (6  yäg  xapo(><^»J?  kxid^r]  tot  Ttoaov 
or](A.üov).  prägung  im  übertr.  sinne  wird  durch  eine  wenig 
bezeichnende  stelle  Rückerts  belegt;  ich  würde  vorziehen  Scherer 
Gesch.  d.  d.  litt.^  551:  Goethe  [in  seiner  späteren  zeit]  strebte  nach 
den  typischen  prägungen,  die  zwischen  dem  Individuum  und 
der  gattung  liegen.  —  pragmatisch  soll  im  17  jh.  gebildet  sein, 
findet  sich  jedoch  schon  inStamlers  übers.  desSleidanus  6^  (1557): 
vermog  einer  alten  pragmatischen  sanction.  —  prahl,  das 
A.  F.  D.  A.    XV.  3 


34  DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  11 

nd.  wort  wird  von  Jahn  gern  gebraucht,  zb.  2,  526:  sie  hielten 
starken  prahl  nnd  prafs  (angetührt  als  äiifserung  des  schwedi- 
schen reichsdrosten  Pehr  Brahe  über  den  biindestag  der  evangeli- 
schen zu  Frankfurt  a/M.  im  j.  1634;  ich  weifs  aber  nicht,  ob  hier 
Jahn  aus  dem  lat.  oder  schwed.  übersetzt  oder  ob  sein  gewährs- 
mann  deutsch  geschrieben  hat),  ausdrücklich  aber  beruft  sich 
Jahn  ebd.  615  auf  die  Verwendung  des  wortes  durch  Balthasar 
Russow  in  der  Livländ.  chronik,  wo  es  heifse:  ivelcher  könig  sie 
mit  einem  grofsen  prahle  gar  herrlich  empfangen  hat.  die  Ver- 
bindung von  prahl  und  pracht  belegt  Jahn  ebd.  aus  WeudeHn 
Schildknechts  Beschreibung  festungen  zu  bauen,  Stettin  1652. 
die  Übertragung  des  wortes  prahl  vom  schall  auf  den  anblick 
kennt  Jahn  recht  gut,  da  er  aao.  äufsert:  mag  auch  ursprüng- 
lich, wie  Adelung  wahrscheinlich  macht,  prahlen  ein  schallwort 
fürs  ohr  geivesen  sein,  so  ist  es  gewiss  sehr  bald  ein  glanzwort 
fürs  äuge  geworden,  und  in  dieser  bedeutung  ist  es  in  unserer 
spräche  reich  an  ahleilungen  zur  bezeichnung  von  dem,  was  augen- 
fällig erscheint,  wie  in  prahl salat,  den  beide,  Adelung  und  Campe, 
kennen,  und  in  prahlbohne,  prahlkorn,  was  pachter  und 
gutsbesitzer  an  den  wegen  durch  bessere  bearbeitung  des  bodens  an 
den  wegen  hervorbringen ;  und  prahlgelb,  prahl  grün,  prahl- 
rot.  von  diesen  Zusammensetzungen  hat  das  wb.  nur  prahl- 
salat.  Jahn  fährt  fort:  für  alle  bezeichnungen ,  die  mit  parade 
gegeben  werden,  hilft  prahl  aus  (nun  folgen  eine  reihe  von 
Wörtern),  bis  in  die  aschgraue  möglichkeit.  von  den  hier  als 
zweckmäfsig  empfohlenen  bilduugen  finde  ich  übrigens  bei  Jahn 
nur  prahldegen  bd.  2,  710:  die  rittergeschichten  neuerer  zeit 
verhalten  sich  zum  alten  rittertum  wie  der  alten  schlachtschwert 
ztim  heutigen  prahldegen,  wie  der  hämisch  zur  wattenen  brtist. 
von  anderen  Zusammensetzungen  mit  prahl  gebraucht  Jahn 
folgende,  die  nicht  bei  Lexer  verzeichnet  sind:  prahlessen 
2,  604;  prahlgesellschaft  2,  710  (für  liebe  und  herzlichkeit 
passt  keine  prahlgesellschaft);  prahlmensch  und  prahl- 
mann (mit  dem  man  prahlen  kann)  2,  749  (verehren  wie  Frank- 
reichs aberwitzige  freiheitler,  blutlüsterne  ungeheuer  als  prahl- 
menschen und  prahlmänner) ;  prahlseite  2,  553  (ihre 
[der  Jesuiten]  prahlseite  sollte  die  gründliche  kenntnis  vom 
altertum  sein,  was  sie  als  schau-ende  überall  aushiengen) ;  prahl- 
slube  2,  828  (unsere  schrifthelden  der  kirchenreinigung  arbeiteten 
in  zimmern,  wo  die  wiege  neben  dem  Schreibtische  stand,  wenn 
nur  prahl  st  üben  zu  geisteswerkstätten  passten,  möchte  der  geist 
längst  verflüchtiget  sein);  prahlstück  2,  553  (sie  [die  Jesuiten] 
wollten  nach  eigenem  geständnis  gelehrte  männer  als  lockschilder 
und  prahlstücke,  um  dadurch  mehr  ansehn  bei  färsten,  grofsen 
und  Volk  zu  erhalten),  prahlsucht  endlich,  von  Lexer  seit 
Stilling  (1780)  belegt,  haben  wir  schon  1732  in  Günthers  Lebens- 
beschr.  63: 


DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  II  35 

grofse  Wörterzierde, 
die  mancher  sansewind  aus  seiner  gnrgel  stöfst, 
dem  prahlsucht  mehrentheils  die  falsche  zunge  löst. 
prahl  er.      neben    oder  vielmehr  vor  mehreren   wenig  bedeut- 
samen belegen  muste  Lessings  bekannte  Vorschrift  aus  dem  57sten 
antiq.   briefe    aufnähme  finden:    höhnisch   gegen    den   prahl  er! 
nebenbei   möge   hier  an    Hans  Prahler  erinnert  werden,   da 
unter  den  mit  Hans  gebildeten  spöttischen  bezeichnungen  diese 
bei   Heyne   im  DVVB    fehlt  und   auch   in   meinen   Bemerkungen 
5,  12  (1882)  übersehen  ist: 

genug,  schaff  ich  sie  nicht,  die  achtzig  bare  thaler, 

so  nennet  mich  pik-as,  mann  von  papier,  Hans  Prahler. 

Goethe  8,  65  (Hempel), 
von  Strehlke  zu  den  Mitschuldigen  3,  3  unter  dem  texte  aus  der 
hs.  mitgeleiU.    p  r  a  h  1  e  r  e i.    anstatt  einiger  wenig  hervortretenden 
belege  sähe  ich  lieber  die  schöne  stelle  aus  dem  frischen  kampf- 
rufe  von  Abschalz  (1704): 

lasst  lerch'  und  falken  [namen  von  geschützarten]  fliegen, 

setzt  alle  kräfte  bei, 

mit  ihnen  zu  besiegen 

des  hahnes  [Frankreichs]  pr  ahler  ei! 
ferner  die  noch  bekanntere  Chlands: 

steht  vor  mir  der  sich  gerühmet  in  vermessner  prahlerei, 

dass  ihm  nie  mehr  als  die  hülfte  seines  geistes  nötig  sei? 
—  das    eigenschaftswort   prall    wird    nicht   blol's   von   den   ge- 
drungenen  gliedern,   sondern  auch  von  der  straff  und  faltenlos 
über   sie   gezogenen    bekleidung  gebraucht,     vgl.  in   dem   schon 
zu  plempe  angeführten  gedichte  Fontanes: 
noch  weit  sind  die  Franzosen, 
doch  Seidlilz  will  sw  ball; 
die  gelben  lederhosen 
sie  sitzen  drum  so  prall. 
im    nd.  Sprachgebiet   wird    das  woit    auch   zur  bezeichuung   der 
grellen    ungemilderten    licht würkiing    gebraucht;    siehe   Fontane 
Wanderungen  4,  43:    ich  hab   es  gern,   uenn  er  [der  mond]  mir 
so  prall  avfs  deckbett  scheint;  vgl.  auch  den  beleg  aus  Wieland 
zu   prallen,    ebenso  redet  man  von  der  prallen  sonne  oder 
auch  der  prallsonne;  Frischbier  Pr.  wb.  2,  176' bringt  pra  11- 
auge  als  grofses  starr  schauendes  äuge,    der  begriff  des  zurück- 
prallen s   wird   hier  in    der   norddeutschen  spräche  wol  kaum 
noch  gefühlt,   bei  anderen  Schriftstellern  gelegentlich  geflissent- 
lich ausgedrückt,     vgl.  Jean  Paul  Quintus  Fixlein  98  (Hempel): 
weil   das   silberlicht   des  mondes  schon   am  kupfernen  tnrmknopf 
widerprallte  (in  märkischem  bausdeutsch  etwa:  prall  auf  den 
turmknopf  schien),    zum  hauptworte  prall  vermisse  ich  ühlands 
bekannte  vcrse: 


36  DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  11 

stofst  an!  mit  diesem  kraft' gen  lirall 
versuch'  ich  das  glück  von  Edenhall. 
prallkralt  uud  prallkrätlig  als  ein  von  Campe  gebotener 
ersatz  für  elasticilät  und  elastisch  hat  wol  nur  wenig  an- 
klang gefunden;  Campe  selbst  bringt  prallkraft  aus  seinem 
eigenen  Theophron  und  prallkräftig  finde  ich  im  zusammen- 
hange der  rede  nur  bei  Jahn  2,  547  (Merke  97  aus  dem  j.  1833) 
aufgenommen :  das  ganze  [des  Jesuitenordens]  hesafs  einen  kunst- 
vollen, gelenken ,  prallkrä  ftigen  gliederbau,  unter  den  fremd- 
und  Verdeutschungswörterbüchern  haben  die  von  Heyne,  Dobel 
und  Sarrazin  prallkraft  aufgenommen;  Kehrein  und  HDunger 
lassen  wol  mit  absieht  das  klotzige  wort  unerwähnt.  —  p ram- 
meln (auch  brämmelu  oder  bremmeln)  =  rasch  und  ein- 
dringlich oder  summend  reden  hat  Jahn  1,482  (Denkuisse  129) 
aus  dem  nd.  aufgenommen:  lange  genug  ist  ihnen  in  die  ehren 
geprämmelt,  dass  die  Franzosen  das  richtvolk  des  erdkreises 
sind  und  die  thatriesen  der  zeit.  —  prampieren  (mit  ungestüm 
etwas  fordern  oder  auch  mit  ungeschliffenheit  sein  misfallen  aus- 
sprechen) ist  nach  dem  nd.  (prampern  bei  Danneil  160'')  von 
Ziegler  1,355  (Landwehrmann  Krille)  gebraucht:  ich  wollte  pram- 
■piren,  unverschämt  fordern  und  das  beste  und  schönste  zum 
essen  verlangen.  Frischbier  im  Pr.  wb.  und  Sauders  im  Er- 
gänzungsworterbuch  bringen  p ramstieren,  wofür  man  ukm. 
b ramstieren  sagt.  —  prang(m.),  für  das  16jli.  aus  Pauli, 
Kirchhof  und  Fischart  belegt,  findet  sich  auch  bei  Luther  Von 
guten  werken  kiiif  (1520):  dz  tzeichen  meines  prangs.  — 
pranger.  Lexer  beschränkt  die  wendung  an  (den)  prang  er 
schlagen  auf  Sachen;  vgl.  jedoch  Luther  Abendmahl  9*"  (1528): 
das  heiß  mit  vrlaub  sich  wol  bethan  und  den  teuffei  nackt  an  den 
pranger  geschlagen. —  pras  für  prasem  wird  erst  aus  Lessing 
helegt  und  auf  das  engl,  und  frz.  prase  zurückgeführt;  vgl. 
jedoch  Albinus  Meifsnische  bergchronik  113  (Drefsdeu  1590): 
Stella  schreibt  auch,  das  man  den  pras  (loelcher  des  smaragden 
mutter  ist,  als  darinnen  derselbe  wechst . .  .)  hei  uns  finde,  und 
ebd.  am  rande:  pras  wird  in  Meisen  gefunden,  pras  des  sma- 
ragden mutter.  —  prasser.  der  begriff  des  unersättlich  ge- 
niefsenden  wird  von  dem  gebiete  des  essens  und  trinkens  auch 
5uf  das  anderer  sinnlicher  Vergnügungen  übertragen,  in  dieser 
anwendung  vermisst  man  die  bekannte  stelle  aus  Schillers  Don 
Karlos  2,  8:  des  weibes  hohe  majestät, 

der  gottheit  grofses  meisterstück,  verstümmeln, 
den  abend  eines  pr  assers  zu  versüfsen. 
neben  prasserkost  (Grün)  konnte  auch  prassergericht  bei- 
gebracht werden  aus  Neubeck  Gesundbrunnen  75  (1798): 
gleich  einsiedlern  zu  fasten,  zu  darben  am  reichen  naturmahl 
ist  nicht  der  göttin  befehl,  nur  prasser gerichte  versagt  sie. — 
<3as    ausgelassene    präser vativ    steht    bei    Sebiz    Feldbau    mit 


DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  II  37 

wechselndem  geschlecht;  vgl.  dort  418:  difs  wasser  ist  ein  treff- 
lich gute  preservatiff  für  den  fallenden  siechtag.  ebd.  64: 
SM  einer  preservatif  oder  zur  venoarnng  für  dieser  plag; 
ebd.  65:  zu  eirn  praeservatif  wider  die  pest;  ebd.  243:  an- 
statt eines  preservatifs  oder  vorbewarung  wider  alle  gifft  zu 
gebrauchen,  das  überflüssige  zwitterwort  präservativmi ttel 
hat  Hippel  Ehe  176  (Brockh.  1872).  —  präses,  wol  schon  früh 
aufgenommen,  bezeichnet  jetzt  vorzugsweise  den  Vorsteher  eines 
studentischen  Vereins  oder  trinkgelages  (kneippräses),  doch 
auch,  und  zwar  in  amtlicher  spräche,  den  leiter  einer  preufs.  pro- 
vinzialsynode.  der  pl.  heifst  heute  durchweg  die  präsiden.  — 
prästieren  vor  Bürster  in  Hainhofers  von  ThSchlegel  (beilage 
zu  den  schulnachrichten  der  städt.  real-lehranstalt  zu  Stettin, 
1878)  herausgegebenen  brieten  aus  dem  j.  1610  s.  12,  ferner 
1598  bei  Albertinus  in  der  übers,  von  Guevaras  Güld.  sendschr. 
1,  128*^:  die  officia  prastirt.  —  präsumption  (nicht  auf- 
genommen) steht  bei  Albertinus  aao,  3,  41''  (1599):  die  prä- 
sumption und  einbildung,  dass  er  viel  gelte.  —  prätendent 
(Günther)  bei  Londorp  ^Sl**  (1628).  prätension  (1706  aus 
Ludwig)  ebd.  2,  1130'^  (1622);  2,  1205'^  (1624);  1,  164^  (1616) 
und  Hainhofer  aao.  4  (1610).  —  zu  p ratschen  wird  nach 
Albrecht  brätschen  als  leipzigerisch  für  weitschweifig,  breit 
reden  verzeichnet,  das  wort  ist  in  weiten  strecken  Norddeutsch- 
lands üblich,  doch  fast  mehr  in  der  bedeutung  des  vorher  sp.  2070 
als  nebeuform  zu  p raschen  aus  Vilmar  angeführten  pratschen. 
—  das  wort  predigertochter  würde  ich  nicht  vermissen,  wenn 
nicht  predigersohu  aufgenommen  wäre;  und  weil  dieses  von 
Lexer  aus  Hermes  belegt  wird ,  so  sei  auch  für  jenes  auf  Manch 
hermäon  1,38  (1788)  verwiesen;  bekannter  noch  sind  aus  Heine 
die  blonden  predigerstöchter.  —  preis,  zu  preisgeben 
-machen,  -lassen,  -haben,  -stellen,  -füh  len  füge  mau 
auch  preis  erkennen,  dh.  durch  einen  richterspruch 
für  gemeingut  erklären,  aus  Galeazzo  Capeila  104(1536): 
darumb  was  zu  letst  nit  anders  da,  dann  das  man  die  flüchtigen  ins 
eilend  und  ir  gut preifs  erkennet,  neben  preisgeben  findet  sich 
gelegentlich  älternhd.  zu  preis  geben,  vgl.  Hedio  Übersetzung  v. 
Baptista  Piatina  126'^  (1546) :  als  ietzund  schon  Rom  erobert  und  ein- 
genommen war,  vnnd  der  burger  guter  dem  kriegsvokk  zu  preifs 
geben,  isttienricus  für Hadriani  bürg  gezogen.  Zusammensetzungen 
mit  preis  sind  in  genügender  fülle  gegeben;  nachzutragen  wären 
etwa  preisantwort  Hippel  Ehe  95  (Brockh.  1872),  Preis- 
ausschreiben und  Preisausschreibung  (letzteres  bei Hett- 
ner  Gesch.  der  litt,  des  18jhs.  3,3,2,269),  preisdruck^ 
Preislage,  Preisliste,  preismedaille  (diese  vier  sehr  ge- 
wöhnlich in  der  heutigen  geschäftssprache),  preissuche  (neues 
bei  den  Vertretern  der  höheren  hundezucht  beliebtes  wort  für  eine 
neue  sache),  preist yrannei  Leo  im  Volksbl.f. stadt  und  land  185'2 


38  DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VII  11 

sp.  824:  es  ist  eine  vollkommen  alberne  klage,  iiher  die  alte 
Zunfttyrannei  zu  schreien,  während  man  jetzt  nur  so  lange 
vor  preistyrannei  sicher  ist,  als  concurrenz  stattfindet,  auf- 
fallend ist  das  lehleu  des  in  den  letzten  Jahrzehnten  der  öffent- 
lichen ausstellungen  so  häufig  gebrauchten  vvortes  preisgekrönt, 
einen  beleg  habe  ich  mir  nur  aus  Riehl  Kulturst.  354  (1862)  an- 
gemerkt, der  älteste  mitgeteilte  beleg  für  pr eisschrift  (aus 
Hermes)  wird  ausdrücklich  mit  der  Jahreszahl  1776  versehen; 
darum  sei  auf  Lessings  brief  an  Mendelssohn  vom  18  febr.  1755 
hingewiesen,  wo  die  von  beiden  gemeinschaftlich  verfasste  ab- 
handlung  Pope  ein  metaphysiker!  schon  als  die  beivusste  preis- 
schrift  bezeichnet  wird,  ebenso  findet  sich  das  aus  Goethe  im 
Briefwechsel  mit  Schiller  und  aus  Iffland  (1798)  belegte  preis- 
stück in  Lessings  brief  au  Nicolai  vom  25  nov.  1757:  Sie  dürfen 
nur  hinten  mit  einfliefsen  lassen,  dass  die  preisstücke  ehestens 
gedruckt  werden  sollen,  die  preiscourante  anstatt  des  heute 
üblichen  preisco  uran  t  (m.)  wird  unter  Preisverzeichnis 
aus  Ludwig  (1706)  angeführt,  steht  auch  noch  gegen  ende  des 
18jhs.  bei  JGMüller  Emmerich  5,47  (1788):  mit  der  preis- 
kurante  der  Schmiederschen  diebswaare  hausieren  gegangen.  — 
prellkissen  (fehlt)  ein  ledernes  oder  leinenes  (mit  werg  oder 
dergl.  gestopftes)  kissen,  welches  die  kraft  des  zusammenstofses 
zweier  harten  körper  mindert,  also  in  anderem  sinne  als  die  von 
L.  angeführte  prellplatte,  vor  etwa  zehn  jähren  wurde  mehr- 
fach in  öffentlichen  blättern  (ua.  in  der  Berliner  Nationalzeitung) 
Afghanistan  als  das  einstweilen  zwischen  Russland  und  dem  briti- 
schen Indien  befestigte  prellkissen  bezeichnet.  —  preppeln 
==  brabbeln,  dh.  rasch  und  undeutlich  reden:  tzu  grossem 
schaden  und  Verblendung  der  seelen,  darinnen  sie  hyngeen  und 
preppeln  vil  mit  dem  mundt  Luther  Von  guten  werken  G  l"" 
(1520).  —  preschen  ist  nicht,  wie  man  aus  dem  hinweis  auf 
Weinhold  und  Albrecht  schliefsen  könnte,  auf  Schlesien  und 
Sachsen  beschränkt,  anpreschen,  angeprescht  kommen, 
vorbeipreschen  sind  in  Norddeutschlaud,  wenigstens  von  Mek- 
lenburg  bis  Ostpreufsen  ganz  übliche  ausdrücke,  siehe  auch  Frisch- 
bier Preufs.  wb.  2,  179\  hinein  preschen  gebraucht  FLJahn 
in  einem  von  Euler  (Jahns  Ges.  werke  2,  658)  mitgeteilten  briefe 
aus  dem  j.  1832;  er  nennt  hier  die  Polen  eine  mamelukkenhorde, 
eine  zwingherr-  und  sklavenbande ,  die  einst  von  Allila  in  die  ger- 
manischen marken  hineingeprescht,  erst  nach  den  Hohenzollern 
bedeutend  geworden.  —  presse,  es  fehlt  die  seit  etwa  30  bis 
40  Jahren  übliche  und  heute  sehr  gewöhnliche  anwenduug  des 
Wortes  auf  nicht  öffentliche  lehranstalten ,  in  denen  junge  leute 
zur  ablegung  einer  prüfung  vorbereitet  werden.  Sanders  hat  1863 
das  wort  noch  nicht,  wol  aber  im  Ergänzungswörterbuch,  dazu 
die  üblichen  Zusammensetzungen  wie  fähnrichs-,  Offizierspresse  uä. 
die  weiteste  Verwendung  findet   das   wort   presse  begreiflicher 


DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  VH  11  39 

weise  in  dem  sinne  von  druckerpresse,  insbesondere  von  zeitungs- 
presse.  Lexers  ältestes  beispiel  für  pressfreiheit  ist  aus  dem 
j.  1781  (2  aufl.  von  JGMüllers  Siegfr.  vLindenberg),  und  ich  weifs 
für  den  augenblick  das  wort  auch  nur  aus  dem  j.  1774  zu  belegen 
bei  Bode  Tristram  Schandy  2,  114:  das  kommt  von  der  leidigen 
pressfreiheit!  irrig  ist  es,  wenn  Lexer  behauptet,  dass  das 
wort  pressfrechheit  zuerst  in  dem  preufsischen  censuredict 
vom  j.  1788  an  den  grofskanzler  von  Carmer  (nicht  Cramer, 
wie  verdruckt  ist)  gebraucht  sei.  auffallender  weise  steht  das 
wort  mit  derselben  wendung  in  der  vorrede  JGMüllers  zur  2  aufl. 
seines  Siegfr.  vLindenberg  s.  24  (Leipzig,  Reclam):  was  die 
pressfreiheit  betrifft,  so  lass  sie  nicht  in  pressfrechheit 
ausarten,  sondern  ziehe  die  grenzen  derselben  hübsch  eng  zusammen 
in  Sachen,  die  die  sitten  angehen,  vgl.  im  censuredict:  da  ich  ver- 
nehme, dass  die  pressfreiheit  in  pressfrechheit  ausartet. 
demnach  könnte  es  fast  scheinen,  als  habe  dem  Verfasser  des 
pressedicts  die  augeführte  stelle  des  Müllerschen  buches  vorge- 
schwebt, welches  ja  damals  sich  eines  grofsen  ansehens  und 
einer  noch  gröfseren  Verbreitung  erfreute;  man  vgl.  nur  die 
urteile  und  die  nachweisungeu  über  auflagen  und  nachdrucke 
bei  Jördens.  allen  Zusammensetzungen  mit  press-  nachzugehen, 
wäre  verlorene  arbeit,  mag  es  auch  belehrend  sein,  oft  schon  aus 
dem  gebrauchten  wort  den  slaudpunct  des  jedes  mal  schreibenden 
zu  erkennen,  ich  denke  hierbei  an  Wörter  wie  press  flegel 
und  pressflegelei,  pressjude  und  pressj  udentum  (beide 
im  Berliner  Reichsboten  vom  29juni  1888),  presslümmel  und 
presslümmelei;  pressmacht  (Reichsbote  1888  nrr27:  die 
Überzeugung,  dass  gegen  die  internationale  press-  und  kapital- 
macht nirgends  mehr  regiert  werden  kann);  press husar  und 
press kosak,  pressknebelung  (wofür  GSchwetschke  Ges. 
sehr.  2,108  pressunter  drückung  sagt);  pressverbrechen 
gebraucht  HLeo  Gedankenspäne  74  (solche  pressverbrechen 
die  an  hochverral  streifen),  während  unser  pressgesetz  wol  nur 
press  vergehen  kennt,  pressgesetzgebung  wird  von  L. 
erst  aus  HoUzendorfs  Rechlslexikon  belegt,  während  es  doch 
schon  vor  1848  eine  bundespressgesetzgebung  gab  und 
könig  Friedrich  Wilhelm  iv  in  einer  cabinetsordre  vom  8  märz 
1848  erklärt:  ich  würde  mit  einer  auf  censurfreiheit  begründeten 
durchgehenden  reform  der  pressgesetzgebung  interimistisch 
vorgehen. 

Der  druck  ist  mit  der  am  DWB  gewohnten  ausgezeichneten 
genauigkeit  und  Sorgfalt  ausgeführt  und  überwacht,  wenigstens 
ist  mir  aufser  dem  zu  pressfrechheit  (sp.  2110)  erwähnten 
Cramer  nur  noch  ein  statt  kein  in  dem  aus  Heines  Buch  der 
lieder  entnommenen  beispiele  zu  pöbelwahn  aufgestofsen. 

A.  GOMBERT. 


40  WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH 


Der  ägyptische  Joseph  im  draina  des  xvijhs.  ein  beitrag  zur  A-ergleichenden 
litteraturgescliiclite  von  Alexander  vox  Weilen.  Wien,  Holder,  18S7. 
VIII  und  19C  SS.     S".     dazu  eine  tafel.  —  4  m. 

'Die  geschichte  Josephs  ist  einer  der  wichtigsten  dramen- 
stoffe  des  sechszehnteu  Jahrhunderts;  oft  und  oft  behandelt;  fast 
der  einzige,  in  welchem  iiehesleidenschaft  zum  ausdruck  kommt.' 
diese  worte  leiten  bei  Scherer  (D.  st.  3,  29)  einen  kurzen  über- 
bUck  über  die  Josephsdramen  des  16jhs.  ein;  mit  sicherer  band 
zog  er  dabei  die  linien,  auf  welchen  sich  eine  spätere  Unter- 
suchung bewegen  müsse,  er  selbst  halte  die  absieht,  dieses 
fruchtbare  ihema  in  einer  monographie  abzuhandeln,  bis  er,  von 
gröfseren  fragen  gefangen  genommen,  von  der  ausführung  zurück- 
trat und  seine  vorarbeiten  einem  jüngeren  forscher  überliefs, 
welcher  durch  seine  hübsche  schrift  Shakespeares  Vorspiel  zu 
Der  widerspänstigen  Zähmung  (Frankfurt  a/M.  1884)  seine  be- 
fähigung  für  solche  aufgaben  bewiesen  hatte,  wer  die  art  von 
Scherers  vorläuGgen  aufzeichnungen  kennt,  der  weifs  auch,  dass 
AvWeilen  in  ihnen  viel  und  wenig  erhielt:  viel,  denn  es  steckten 
Scherers  ideen  darin;  wenig,  denn  abgerissene  nolizen,  kurze 
bemerkungen  ,  flüchtige  einfalle  sind  hieroglyphen,  zu  denen  nur 
der  Schreiber  selbst  den  Schlüssel  besitzt,  aber  vWeilen  erhielt 
auch  diesen  Schlüssel  zu  den  blättern:  jeder  schüler  Scherers 
wird  es  dem  verf.  nachfühlen,  dass  er  sich  am  meisten  durch 
Scherers  'lange,  unvergessliche  besprechungen'  in  seiner  arbeit 
unterstützt  sah,  und  in  vielen  abschnitten  'mitgeteiltes  und  selbst- 
erworbenes' nicht  trennen  konnte. 

Das  vorliegende  buch  beweist,  dass  vW.  der  ihm  gewordenen 
Unterstützung  in  vollem  mafse  würdig  war.  es  enthält  nicht  nur 
die  ausführlichste  und  eingehendste  monographie  eines  drameu- 
stoffes,  sondern  zeigt  eine  Sicherheit  der  methode,  welche  durchaus 
erfreulich  ist.  vW.  verfolgt  ein  doppeltes  ziel:  einmal  sucht  er 
Streng  chronologisch  die  nachrichten  über  Josephsdramen  zu 
ordnen,  und  zweitens  innerhalb  dieses  chronologischen  rahmens 
die  filiatiou  der  uns  erhaltenen  Josephsdramen  auizudecken.  diese 
beiden  aufgaben  zu  vereinigen  und  dabei  doch  klar  zu  bleiben, 
war  nicht  leicht;  das  gelingen  niuss  um  so  mehr  anerkannt 
werden,  die  brauchbarkeit  des  buches  hätte  aber  gewonnen,  wenn 
uns  der  verf.  ein  kurzes  Schema,  etwa  nach  art  des  Brahmschen 
entworfen  und  durch  seilen-  oder  capitelüberschriften  die  Über- 
sicht hergestellt  hätte ;  freilich  gab  er  ein  sehr  sorgfälliges  register, 
in  welches  nur  leider  dramatis  yersonae  nicht  aufgenommen  wurden, 
und  einen  graphischen  Stammbaum  der  stücke  bei,  aber  sie  reichen 
nicht  aus,  um  zb.  die  einordnung  eines  neuen  Stückes  ohne  ge- 
naues Studium  vorzunehmen,  wie  Scherer  die  Josephsdramen 
nach  den  namen  von  Potiphars  frau  ordnete,  so  liefsen  sie  sich 
auch  nach   anderen  moliven    übersichtlich  gruppieren,   und  dies 


WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH  41 

Aväre  ein  besserer  abschluss  gewesen,  als  die  kurzen  bemerkungen 
s.  187  f.  ich  meine  zb,  das  moliv:  Joseph  entfernt  sich  nach 
der  Vorstellung  Benjamins,  oder  Ruhen  weifs  nichts  vom  verkaufe 
Josephs,  oder  einführung  der  Assenath,  des  Morio.  alles  das 
steht  im  buche  selbst,  muss  aber  vom  benutzer  zusammengesucht 
werden,  und  der  satz  des  buches  ist  so  klein,  dass  niemand  seinen 
äugen  eine  allzu  häufige  lectüre  desselben  zumuten  darf. 

vW.  beginnt  mit  den  ausführungen,  welche  die  biblische  er- 
zählung  im  laufe  der  zeit  erfuhr,  vornehmlich  characterisiert  er 
die  Haggada  und  das  Sepher  Hajaschar,  sowie  den  Koran;  nach- 
würkung  derselben  im  deutschen  drama  vermochte  er  nicht  auf- 
zuweisen, wir  werden  sehen,  dass  Sepher  Hajaschar  die  grund- 
lage  des  jüdisch-deutschen  purimspieles  war,  welches  aber  aufserdem 
noch  von  den  abendländischen  gestaltungen  beeinflusst  erscheint, 
die  gattin  Potiphars  heifst  im  Sepher  Hajaschar:  Zalicha,  im  Koran 
Zuleicha.  dann  bespricht  vW.  die  Testameuta  duodecim  patriar- 
charum  des  englischen  bischofs  Robertus  Groslhead,  bekanntschaft 
derselben  begegnet  bei  Zyrl  (1572),  die  Agyptiaca,  frau  des  Pho- 
timar  oder  Pethefri ,  führt  keinen  namen,  die  Historia  Assenath^, 
welche  dem  Speculum  historiale  des  Vincentius  Bellovacensis  ent- 
nommen ist,  hinterlässt  im  drama  keine  spur,  wol  aber  im  romane 
des  17  jhs. 

Zusammenhängend  betrachtet  vW.  auch  'die  romanischen 
Josephsspiele'  (s.  7  —  21),  welche  nicht  in  die  Chronologie  ein- 
gereiht wurden,  da  sie  eine  weit  für  sich  bilden,  im  französi- 
schen mistere  hat  die  frau  (la  dame)  keinen  namen,  ähnlich 
einzelnen  deutschen  dramen  (so  von  Rute,  RuelT,  Zyrl,  Hunnius, 
Frischlin  ,  Schlayfs)  ist  nur  die  Zweiteilung,  auf  mehrere  schein- 
bare anklänge  an  das  mistere  bei  Hans  von  Rute  (1538)  und 
bei  Thiebolt  Gart  (1540)  macht  vW.  gelegentlich  aufmerksam,  bei 
Micael  da  Carvajal  (1546)  treffen  wir  bekanntschaft  mit  dem  Sepher 
Hajaschar,  oder,  was  für  Spanien  noch  näher  liegt,  mit  dem 
Koran.  Poliphars  frau  heifst  Zenobia;  bei  Lope  de  Vega  wird 
sie  Nicela  genannt,  dieser  führt  auch  ihre  reue  vor,  was  im 
deutschen  bei  Macropedius  begegnet,  in  der  italienischen  rap- 
presentatione  (ende  des  15  jhs.)  kein  name,  bei  Pandolfo  Col- 
lenucio  (1527)  Beronica. 

Im  zweiten  fast  das  ganze  buch  füllenden  abschnitt  bespricht 
der  verf.  der  reihe  nach  ausführlicher  19  deutsche  und  8  lateinische 
dramen  aus  den  jähren  1534 — 1625,  während  Scherer  aao.  3,29 
im  ganzen  nur  20  aufgezählt  hatte,  dazu  kommen  zahlreiche 
nachrichten  über  aufführungen  von  dramen  des  Stoffes,  ferner 
kurze  angaben  über  ein  polnisches  drama,  über  ein  lateinisches 
von  Simonius,  über  Rochotius  (vgl.  Bolte  in  der  DLZ  1887  s.  1515) 
und  über  Bidermann.    eine  betrachtung  der  jesuilendramen  wird 

1  aus  ihr  hat  wol  auch  die  polnische  Istorya  o  swyetym  Jozefye  Pa- 
tryarsse,  Krakau  1530  geschöpft,     vgl.  ßruchnalski  (s.u.)  s.  4. 


42  WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH 

in  aussieht  gestellt,  das  jähr  1625  bildet  den  abschluss,  weil 
mit  den  dramen  des  Voidius  und  Rhodius  die  bedeutung  des 
biblischen  Stoffes  —  man  muss  hinzusetzen:  die  litlerarische  be- 
deutung —  erlischt,  auf  zwei  selten  orientiert  vVV.  endlich  über 
die  weiteren  Schicksale  des  themas,  auch  hier  aus  der  fülle  des 
materials  schöpfend ,  wodurch  unser  wünsch  nach  gröfserer  breite 
der  darstellung  um  so  erklärlicher  wird. 

Die  kurzen  characteristiken,  welche  den  einzelnen  dramen 
beigegehen  sind,  nehmen  auf  alles  wichtige,  auch  auf  spräche 
und  metrik  rücksicht  und  ziehen,  wo  es  nötig,  andere  werke  der 
einzelnen  dramatiker  zum  vergleiche  herbei,  ein  umstand  aber 
fällt  in  dem  ganzen  buche  auf,  das  ist  die  geringe  ausnutzung 
der  bibel.  natürlich  durfte  die  biblische  erzählung  durchaus  als 
bekannt  vorausgesetzt  werden,  allein  widerholt  hätten  züge  ein- 
zelner dramen  aus  ihr  erklärt  und  das,  wie  wir  annehmen  müssen, 
absichtliche  zurückkehren  zu  dem  einfachen  biblischen  texte  her- 
vorgehoben werden  sollen,  es  ist  nicht  einerlei,  so  sagt  einmal 
vW.,  dem  verf.  fehlten  die  ausdrücke  für  liebe  ganz,  weil  er  bei 
dem  biblischen  'schlafe  bei  mir'  bleibt,  so  muste  als  gemeinsame» 
zug  verschiedener  dramen  das  fortlassen  des  motives  der  bibel 
41,  14  'und  er  liefs  sich  bescheeren,  und  zog  andere  kleider  an' 
aufgezeigt  werden;  s.  131  wird  Hunnius  mit  recht  getadelt,  dass 
er  von  Benjamins  aller  und  seinen  10  kindern  sprechen  lässt, 
was  freilich  geringen  dramatischen  sinn,  dafür  umso  treuere  bibel- 
kenntnis  verrät,  vgl.  46,21  der  Genesis.  Hunnius  verwertet  ja 
auch  im  genauen  anschluss  an  die  bibel  das  cap.  38  der  Ge- 
nesis vgl.  vW.  s.  125.  schon  Scherer  hat  aao.  s.  25  den  namen 
von  Potiphars  frau  bei  Greff- Major  und  darnach  bei  Leschke 
und  Gasmann:  Media  als  moecha  gedeutet,  doch  darf  nicht 
vergessen  werden,  dass  die  bibel  1  Chron.  8,  15  f  eine  Maecha 
kennt,  das  weih  Machirs,  welcher  ein  söhn  des  Manasses,  also 
ein  enkel  Josephs  ist.  s.  156  rühmt  vVV.  die  characteristische 
scene  bei  Gasmann  v  4,  wo  sich  die  brüder  wegen  ihrer  schwel- 
gerei bei  der  tafel  aufziehen,  er  sagt:  'wieviel  naturgemäfser  ist 
dieser  dialog  als  die  gespreizte  unwahre  reserviertheit  bei  Hun- 
nius.' Gasmann  hat  aber  nur  dramatisiert,  was  in  der  Genesis 
43,  34  angedeutet  ist:  und  sie  tranken,  und  wurden  trunken.  . .  . 

Gleich  bei  dem  ältesten  deutschen  drama  gibt  die  eröffnende 
scene  die  erste  abweichung  von  der  bibel.  Greff-Major  beginnen 
mit  einem  danke  Jacobs  für  die  ihm  erwiesene  gnade  des  himmels; 
das  ist  im  37  cap.  der  Genesis  nicht  vorgebildet,  kehrt  dann  aber 
wider  bei  Dielher,  dessen  abhängigkeit  (vgl.  auch  s.  77)  auf  dem 
Stammbaum  hätte  ersichtlich  werden  sollen,  denn  dieser  zug  kann 
nur  auf  Greff-Major  direct  zurückgehen,  ferner  bei  Leschke,  der 
auch  den  namen  Mecha  aufweist,  bei  Schonaeus  (vielleicht  unter 
vermittelung  Diethers)  und  bei  Gasmann,  was  vVV.  angibt,  auch 
das  purimspiel  beginnt  wie  Greff-Major. 


WEILEN   DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH  43 

Wenn  dann  Voidius  mit  Jacobs  trauer  über  'die  schlimmen 
nachrichten,  die  Joseph  ihm  von  seinen  brüdern  gebracht',  an- 
hebt, so  kehrt  er  zur  Genesis  37,  2  zurück,  treuer  als  Zyrl,  der 
daiür  dramatischer  die  klagen  des  erfundenen  uachbars  Joab  vor- 
anstellt,    auch  Rueff  weicht  nur  wenig  von  der  bibel  ab. 

Rute  und  nach  ihm  Gart,  Jordann,  (Balticus)  und  Brunner 
setzen  mit  Genesis  37,  4  ein,  sind  also  auch  treuer  als  Greff- 
Major  der  biblischen  Überlieferung  gefolgt. 

Crocus,  Betuhus,  Macropedius,  Frischlin  (und  Rochotius) 
fangen  erst  mit  dem  39  capitel  der  Genesis  an,  um  die  ganze 
handlung  zu  concentrieren.  im  gegensatz  zu  ihnen  hat  Pusch- 
man  auf  die  Vorgeschichte  Jacobs  zurückgegriffen. 

Huunius  nimmt  37,  12  voraus  und  recapiluliert  dann  das 
frühere,  seiner  weise  folgen  Schlayfs,  Goeze,  Rhodius. 

Das  volksdrama  zeigt  also  die  gröste  freiheit  gegenüber  der 
bibel ,  was  die  exposilion  belrifl't.  dies  ist  interessant  genug ,  um 
erwähnt  zu  werden,  es  hätte  zudem  so  nahe  gelegen,  die  dra- 
matisieruugen  gerade  mit  der  quelle  des  Stoffes  immerwälirend 
zu  vergleichen,  aber  freilich  bot  dies  bei  vVV.s  chronologischer 
betrachtung  schwierigkeilen  und  drohte  reiche  widerholungen. 
noch  oft  können  wir  bei  Greff- Major  ein  solches  abweichen 
von  der  bibel  aufdecken,  so  ii  1  die  beratung  der  brüder,  ii  2 
wird  Joseph  an  sie  abgeschickt,  während  die  Genesis  die  richtige 
reihenfolge  bietet,  wider  folgt  getreulich  Diether  i  2  und  Leschke 
I  4,  wogegen  Schouaeus(?}  und  Gasmann  den  biblischen  text 
haben,  wie  Rute,  Gart,  Rueff,  Zyrl,  Hunnius  und  seine  gruppe, 
Voidius.  bei  Jordann  i  3,  Brunner  1 1  ist  die  exposilion  anders  und 
daher  die  Übereinstimmung  mit  Greff- Major  vielleicht  zufall,  aber 
Balticus  I  3  erinnert  stark  an  Greffs  Ordnung,  ebenso  Puschman  i  4. 

Die  bibel  erzälill  37,  15  ff  von  dem  zusammentreffen  des  ver- 
irrten Joseph  mit  einem  manne,  der  ihn  zurecht  weist,  auch 
dieser  zug  scheint  bei  Greff- Major  i2  zu  fehlen;  sogleich  Rute 
lässt  den  landmann  auftreten,  Hueff  nennt  ihn  Bootz  Meyer,  Gart 
und  nach  ihm  Leschke  Beria,  Jordann  nur  Agricola  (sein  stück 
ist  deutsch!),  Diether  Xenus,  Balticus  Viator,  ßrunner  Sichimita 
und  ihm  folgend  Voidius  Sichemites;  Zyrl,  Schlayfs  und  Goeze 
Peretz,  Hunnius  und  Gasmann  Sychar,  Puschman  nur  Pawer; 
bei  Schonaeus  ist  die  sache  zweifelhaft,  hier  stehen  also  Greff- 
Major  ganz  allein,  selbst  Leschke  weicht  von  ihnen  ab  und  er- 
gänzt aus  Gart;  interessant  ist  Goeze,  welcher  vor  der  scene  mit 
Peretz,  die  er  aus  Zyrl  schöpft ,  teufel  Joseph  angreifen  und  engel 
ihn  verteidigen  lässt;  im  Sepher  Hajaschar  weist  ihn  ein  engel 
zurecht,  ebenso  im  purimspiel  der  Malach  (engel). 

Eine  weitere  änderung  von  Greff-Major  zeigt  das  benehmen 
Josephs  II  3:  er  bittet  und  klagt,  wovon  die  bibel  37,  23  nichts 
weifs.  auch  bei  Rute,  der  sonst  keinen  einfluss  von  Greff-Major 
aufweist,  dieselbe  erweiterung,  ferner  bei  Rueff,  Jordann,  Diether, 


44  WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH 

Balticus,  Briinaer,  Zyii,  Hiinnius  und  seiner  gruppe,  Gasmann, 
Voidius,  anders  endlich  bei  Rhodius;  der  bibel  nach  ändert  da- 
gegen Gart,  und  ihm  folgend  Leschke,  Puschman(!)  und  Scho- 
uaeus,  bei  ihnen  spricht  Joseph  in  dieser  scene  nichts. 

Ich  wollte  an  diesen  beispielen ,  welche  sich  sehr  leicht  ver- 
mehren liefsen  ,  nur  darlun  ,  wie  der  vergleich  mit  der  bibel  nütz- 
lich gewesen  wäre  und  wie  ich  mir  die  oben  geforderte  tabelle 
vorstelle,  natürlich  will  ich  damit  keinen  tadel  aussprechen,  aber 
da  dramenfiliation  mit  hssverhällnis  die  gröste  ähnlichkeit  hat, 
glaube  ich  auch  von  solchen  Untersuchungen  das  zurückgehen 
auf  den  stoff  verlangen  zu  sollen,  und  die  bibel  gab  für  alle  die 
grundlage;  finden  wir  nun  eine  abweichung  von  ihr,  wie  im 
letzten  falle,  so  erscheint  eine  Übereinstimmung  der  einzelnen 
repräsenlanten  wie  zwischen  Greff-Major  und  Rute  jedesfalls  be- 
achtenswert, dies  ist  auch  das  einzige  methodische  bedenken, 
welches  mir  vW.s  arbeit  eingeflöfst  hat. 

vW.  konnte  sich  für  das  sehr  merkwürdige  drama  des  Polen 
Mikolai  Rej  nur  auf  den  aufsatz  von  YVlNehring  im  Archiv  für 
slav.  phil.  IX  392  ff  berufen,  gleichzeitig  mit  Nehring  hat  das- 
selbe thema  eingehend  auch  WABruchnalski  im  Lemberger  Mu- 
zeum  (darnach  selbständig:  Studya  nad  pisami  Mikotaja  Reja  i 
Zyvvot  Jözefa  w  stosunku  do  literatury  obcej.  we  Lwowie  1886. 
39  ss.  8^)  behandelt,  das  buch  vW.s  macht  es  möglich,  die 
Untersuchung  weiterzuführen  und  auf  einzelne  puncte  näher  hin- 
zuweisen, ich  ciliere  das  drama  nach  dem  neudruck  bei  KWlWoj- 
cicki  Biblioteka  starozytna  pisarzy  polskicb,  Warschau  1854,  bd.  iv 
273  —  435  zweite  aufläge,  die  abhängigkeit  Rejs  von  Crocus 
haben  Nehring  und  Bruchnalski  unzweifelhaft  nachgewiesen,  beide 
haben  auch  Grell- Majors  einfluss  aufgedeckt. 

Rejs  drama  führt  den  litel :  Zywot  Jozepha  z  pokoleuia  zy- 
dowskiego  sina  Jakobowego  rozdzielony  w  rozmowach  person, 
klöry  w  sobie  wiele  cznot  y  dobrych  obyczajöw  zamyka  (Leben 
Josephs  aus  jüdischem  stamme,  des  sohnes  Jacobs,  eingeteilt  in 
dialoge ,  welches  viele  tugenden  und  gute  sittensprüche  enthält), 
das  klingt  an  Thiebolt  Garts  litel  an:  Joseph,  ein  schone  vn 
fruchtbare  comedia  ...  in  rheimen  bracht ...  in  welcher  vil  christ- 
licher zucht  vnnd  gottsforcht  gelernet  wirt.  das  drama  beginnt 
mit  einem  dankgebete  Jacobs,  das  wir  als  eigentum  Greff-Majors 
(s.  0.)  erkannt  haben,  es  wäre  freilich  denkbar,  dass  Rejs  quelle 
Diether  gewesen  sei,  und  das  glaubt  Bruchnalski  s.  18,  weil  ihm 
der  eingang  von  Greff-Major  nur  aus  Scherers  scenarium  bekannt 
war.  der  Wortlaut  lässl  aber  keinen  zweifei ,  dass  Rej  dem  Magde- 
burger drama  folgte,  gleich  das  erste  wort  Ach  wszechmoczny 
panie  (o  allmächtiger  herr!)  erinnert  an:  o  herr  goU  (vW.  s.  22). 
ferner  Baies  dzialki  pocciwe,  ku  moieij  radosci 

(du  gabst  mir  rechtschall'ene  kinder  zu  meiner  freude): 
Du  hast  mir  so  viel  kinder  bscherti 


WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH  45 

Das  ist  vorwar  die  höchste  gab  / 
Mein  gipste  freudt  die  ich  ytzt  hah  /. . 
weder  die  von  Bruchnalski  cilierle  stelle  Diethers: 
Quibns  tibi  verbis  Deus  dignas  agam 
Snppj^eme  gratias  pro  inexhausta  tua  in 
Me  liberalitate?  .  .  . 
Crescere  me  f'ecit  ac  multiplicavit  .  .  . 
noch  Rueffs   monolog  (Weiler   Das  alte  volkstlieater  der  Schweiz 
s.  155)  stehen    so   nahe  wie  Greif- Major.     Rej  lässt  dann  einen 
monolog   der  Rachel    folgen,   hierauf  erzählt   ihr  Joseph   seinen 
träum  von   den  garben    (nur  diesen)   und  Rachel  legt  ihm  den- 
selben aus.     das   ist,  wie  es  scheint,   zusalz  Rejs,  aber  Rachels 
monolog  hat  ähnlichkeit  mit  den  worten  in  HvRütes  Joseph,  welche 
Lya,  Jacobs  gemachele,  spricht  (vW.  31);    es  wäre  denkbar,  dass 
Rej,   durch    dieselben    angeregt,   die    mutter  Josephs  eingeführt 
hätte,    sie  preist  Joseph  sehr,  als  ihren  liebling,  am  auffallend- 
sten sind  aber  die  verse: 

Zwtaszcza  Jozeph  dzieci^  ticoie, 
Dziivnie  cieszy  sercze  moie  . . . 
(zumal  Joseph  dein  kind  erfreut  niein  herz  besonders),  das  gibt 
in  Rachels  munde  keinen  guten  sinn,  während  Lya  sehr  wol  von 
ihrem  Stiefsohne  sagen  kann ,  sie  liebe  ihn ,  als  wenn  er  ihr  leib- 
licher söhn  wäre,  wir  hätten  also  hier  einflus  Rütes  auf  Rej  zu 
vermuten;  höchstens  könnte  Jordann  (s.  63)  vermittelt  haben, 
das  liefse  sich  denken,  weil  Rej  dann  fortfährt:  Jakob  sie  Jo- 
zepha  do  braciey  na  pole  (J.  schickt  Joseph  zu  den  brUdern 
aufs  feld): 

Juz  tho  kilka  dni  themu,  iako  nie  nie  wiemy, 
Czo  si^  dzieie  na  polu,  thez  y  z  drugiemi  siny . . . 
(es  ist  schon  einige  tage,  dass  wir  nichts  wissen,  was  auf  dem 
feld  geschieht,  und  was  mit  den  anderen  söhnen),  das  entspricht 
II  1  bei  Jordann :  Jacob  ist  schon  unruhig  icegen  der  söhne  .  .  . 
(vW.  s.  63) ,  sonst  nirgends  die  ähnlichkeit.  Joseph  macht  sich 
auf,  er  begegnet  keinem  landmann,  in  dieser  abweichung  von  der 
bibel  folgt  Rej  unzweifelhaft  Greff-Major.  mit  diesem  stimmt  auch 
Josephs  schweigen  von  der  begrüfsung  der  brüder  an,  Judas  be- 
schwert sich  über  Joseph,  er  rät  ihn  zu  verkaufen  (Greff-Major), 
er  ruft  den  kaufmann  Corobon  izmaelita,  der  name  scheint  Rejs 
erfindung  zu  sein.i  wider  stimmt  mit  Rute,  dass  Joseph  die 
brüder  gott  empfiehlt,  wie  bei  Diether  und  im  purimspiel  über- 
bringt Ruhen  die  trauernachricht  dem  vater,  es  folgt  eine  grofse 
trostscene,  an  welcher  sich  neben  Ruhen  und  Judas  auch  Rachel 
beteiligt,     auch  hier  wandelt  Rej  eigene  wege. 

Die  erste  scene  in  Ägypten  stammt  unzweifelhaft  aus  Betu- 
leius,   Potyfar  verhandelt   mit  Corobon,   zahlt  bereitwillig,    fragt 
dann  Joseph   um  geburt  und  rehgion  (Potyfar  übergibt  ihm  die 
*  CoUenucio  führt  (vgl.  vW.  s.  20)  einen  diener  Cabasan  ein. 


46  WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH 

Schlüssel),  Joseph  verspricht  treuen  dienst,  endlich  gebet  Josephs 
(Greff- Major?). 

In  der  lojgeuden  dritten  scene  tritt  zuerst  Magon  hausknecht 
sfuga  niewolny  Potyfaröw  auf;  der  name  Magon  stammt  aus  Crocus, 
aber  Rej  hat  unzvveilelhaft  nicht  aus  Crocus  sondern  aus  Birk 
geschöpft,  das  beweist  das  sonderbare  fremdwort:  Mago,  haus- 
knecht Potifarow.  bei  Birk  gibt  der  hausknecht  Gnato  seiner 
erbitterung  über  Joseph  ausdruck;  das  muss  die  quelle  sein, 
denn  wie  wäre  Rej  dazu  gekommen ,  den  servus  Mago  zu  einem 
hausknecht  zu  machen?  andererseits  stimmt  der  name  mit  Crocus, 
und  wir  haben  das  gefühl,  Rej  gebe  eine  contamination  von 
Crocus  und  Birk,  darum  die  merkwürdige  Überschrift  Magon 
hausknecht  sluga  niewolny  Potyfaröw  dh.  'Magon  hausknecht 
sclave  des  Potyfar',  also  hausknecht  wie  bei  Birk,  servus  wie  bei 
Crocus.  oder  haben  wir  hier  wie  sonst  bei  den  freiheiten  Rejs 
eine  weitere  spur  des  von  Scherer  (D.  st.  3,  37)  als  verloren  an- 
genommenen ältesten  dramas?  die  Schwierigkeit  geht  weiter.  Ze- 
phira  die  gattin  stammt  aus  Crocus,  doch  wird  sie  widerholt 
auch  nur  Pam' ==frau  genannt,  als  flössen  auch  hier  Crocus  und 
Birk  (Rute)  in  einander.  Rej  führt  dann  eine  vertraute  der  Ze- 
phira,  die  Achiza  ein,  welchen  namen  wir  sonst  nicht  finden, 
auch  weicht  Rej  in  der  scenenfolge  einiger  mafsen  ab;  es  folgen 
bei  ihm  Zephira  und  Mago,  Zephira  und  Achiza,  Joseph  und 
Achiza,  Zephira  (welche  aber  in  dieser  scene  immer  nur  Pani 
heifst)  und  Joseph,  Joseph  allein,  Zephira  um  hilfe  rufend,  Achiza 
kommt,  wird  zuerst  ins  vertrauen  gezogen,  dann  erst  schreit  Ze- 
phira laut  weiter;  Josephs  monolog;  Potyphars  monolog  über 
frau  und  diener;  Achiza  lobt  die  frau;  Potyphar  und  Joseph; 
Potyphar  fragt  den  hausknecht,  welcher  nichts  weifs,  da  ihn  früher 
Zephira  aus  dem  hause  gejagt  hatte;  dann  kommt  Pani,  klage, 
Achiza  unterstüzt  sie,  Joseph  verteidigt  sich;  die  häscher  (czeklarze) 
holen  ihn.  diese  scenen  zeigen  wider  buntes  gemisch  des  ein- 
flusses:  Crocus,  Rute  (grofsweibel),  Birk,  Jordann  hören  wir  heraus 
und  könnten  die  frage  wider  am  einfachsten  durch  die  annähme 
eines  verlorenen  archetypus  lösen. 

Die  vierte  scene i  führt  uns  in  den  kerker;  Hano  heifst  der 
podczaszy  kröla  Faraonow,  das  ist  der  mundschenk  Hanno  aus 
Crocus.  wie  bei  Crocus  zuerst  ein  monolog  Josephs,  zum  teil 
wörtlich  übersetzt,  dann  preist  wie  bei  Crocus  Hano  Josephs  Un- 
schuld, darauf  ähnlichkeit  mit  Jordann  (und  Rute),  erst  nach 
dem  schlaf  erzählt  Hano,  hierauf  Zophar  der  bäcker  die  träume 
und  Joseph  legt  sie  aus.  der  gefangen  Wärter  fTT^'/einj/j  lässt  den 
mundschenken  frei,  der  häscher  holt  den  bäcker  zum  galgen, 
eine  Übereinstimmung  mehr  mit  Jordann  als  mit  Rute. 

Die  nächste  scene  folgt  wider  Rute  von  dem  moment,  wo 

*  bei  Wojcicki  s.  370  trzecia  wol  druckfehler  für  czwarta;  der  fehler 
in  der  Zählung  geht  dann  bis  zu  ende  durch. 


WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH  47 

die  weisen  bereits  ihr  unwissen  eingestanden  haben;  der  mund- 
schenk  erinnert  sich  Josephs  und  wird  um  ihn  geschickt,  sein 
monolog,  er  rult  den  kerkermeisler,  welcher  den  an  Crocus  Gii- 
Inssa  gemahnenden  namen  Gulofer  führt,  ohne  den  pwer,  also 
nach  Rute,  dann  Josephs  vorwürfe  nach  Crocus.  —  es  folgt  die 
auslegung,  ohne  dass  der  könig  seine  träume  wider  erzählt,  der 
schrecken  des  königs,  Josephs  ratschlage,  alles  nach  Rute,  Josephs 
ernennung  ohne  vorgehende  beratung,  Joseph  dankt. 

Die  sechste  (fünfte  gedruckt)  scene  erinnert  am  meisten  an 
Birk,  ohne  jedoch  zu  stimmen,  auch  an  Rute  konnte  man  denken, 
da  der  mundschenk  Josephs  gesinnung  gegen  Potyfar  ergründet, 
den  schluss  macht  eine  Unterredung  zwischen  dem  könig  und 
Joseph  (?Diether  iv  1). 

Rute  ist  jedesfalls  die  vorläge  für  das  folgende:  Jacob  weh- 
klagt um  Joseph ,  sendet  die  söhne  nach  Ägypten  (Rubens  rede 
fehlt),  sie  kommen  dahin  usw.,  alles  am  ähnlichsten  Rute,  ohne 
dass  volle  Übereinstimmung  herschte;  einmal  werden  wir  an 
Diether  iv  4  erinnert,  woher  der  schluss:  widersehen  zwischen 
Joseph  und  Jacob,  Jacob  bei  Farao  stammt,  vermag  ich  nicht 
festzustellen,  aus  Ruelf,  an  welchen  man  denken  könnte,  keines- 
falls, da  Rej  Aseneth  vollständig  fortliefs. 

Nach  dem  gesagten  scheint  es,  dass  Rej  vor  allem  Rute 
folgte,  daneben  Crocus,  Diether  und  Greff-Major  benutzte,  wenn 
ihm  nicht  das  von  Scberer  vermutete  nicht  erhaltene  drama  vor- 
lag, auch  bekannlschaft  mit  Birk  ist  nicht  abzulehnen,  sogar 
Jordann  klingt  an.  wir  können  nicht  glauben,  dass  Rej,  mit 
dessen  bilduug  es  freilich  nach  Brucbnalskis  Untersuchung  besser 
aussah,  als  man  bisher  allgemein  angenommen  hatte,  würklich 
sein  drama  aus  den  angegebenen  sechs  quellen  geschöpft  habe, 
das  ist  auch  im  16  jb.  ganz  unwahrscheinlich,  am  leichtesten 
wären  alle  Schwierigkeiten  durch  annähme  eines  verlorenen  ar- 
chetypus  zu  heben,     davon  aber  will  vW.  nichts  wissen. 

Er  schreibt  s.  132:  '1587  verfasste  der  Jesuit  Simon  Simo- 
nius  (Symonowicz)  einen  lateinischen  Castus  Joseph'  und  citiert 
zu  dieser  notiz 'Nitschmann  Geschichte  der  polnischen  lileraturSl.* 
dieses  citat  ist  falsch  und  die  notiz  selbst  enthält  mehrere  Un- 
richtigkeiten. Nitschmann  spricht  überhaupt  nicht  vom  Castus 
Joseph,  dafür  hat  er  aber  den  richtigen  namen  des  dichters.  es 
muss  an  unserer  stelle  beifsen:  '1587  veröffentlichte  der  polnische 
dichter  Simon  Simonides  (Szymonowicz)  einen  lateinischen  Castus 
Joseph'.  Szymonowicz  nannte  sich  in  seinen  lateinischen  dich- 
tungen  immer  Simonides  und  war  niemals  Jesuit;  er  ist  am 
24  october  1558  [nach  anderen  1557]  zu  Lemberg  geboren  und 
am  5  mai  1629  gestorben,  hatte  in  Krakau  studiert  und  war  dann 
wahrscheinlich  durch  Belgien  und  Frankreich  gereist,  befreundet 
war  er  mit  Scaliger,  aufser  dem  Joseph  hat  er  noch  einen  Joel 
und  1618   eine  Penthesilea   veröffentlicht,     der  Joseph  ist  sein 


48  WEILE.N    DEn  ÄGYPTISCHE  JOSEPH 

erstes  drama.  das  litelblalt  verzeichnet  neben  dem  titel  auch 
die  Persona',  auf  seiner  rilckseite  steht  die  vvidmung:  D.  Sta- 
nislao  Socolovio:  j  Theologo  Regio:  Venera- fhiU  miracvlo  ingenii 
et  j  h'lterarvm:  venerabilio- 1  vi  virtvte  et  moribvs  :  patri  j  svo  in 
Christo  :  Simon  Simoni-  j  des  Leopoliensis  Hb :  mer :  j  de.  dicavit. 
zum  schkiss  die  angäbe:  Cracoviae  j  In  Officina  Lazari:  j  Anno 
D.  I  M.D.LXXXVIl.  39  bll.  unpag.  4».  dieses  drama  zeigt, 
so  viel  ich  sehe,  keinen  einfluss  westlicher  Fassungen,  es  be- 
wegt sich  in  den  formen  der  antiken  tragödie,  ein  Chorus  ex 
imellis  Aegijptijs  und  ein  semichorus  wird  breit  verwertet,  er- 
öffnet wird  es  durch  einen  langen  monolog  des  Mahis  Dcemon. 
auch  Schlayfs  stellt  nach  Wickrams  Tobias  in  seinem  Joseph  von 
1593  einen  komischen  monolog  des  teufeis  voran  (vW.  s.  144). 
seine  macht  will  der  Dfemon  in  iuuene  zeigen. 

men!   que  Senatus,  qne  aula,  que 
Rex,  quem  popuhis,  et  purpurati  omnes  pauent! 
überall  hersche  er: 

vnicus  puer, 
Hebrcea  pessima  soboles,  foex  seruuli 
C'ontempserit!  inultum  id  ei  abierit  peruicol 
Dabitnr  opera,  ne  scilicet  abeat;  et  quidem 
Pridem,  sciens  peperceram;  quum  commodiim 
Necare,  fratrnm  inter  mamis  poßem ;  ratus 
Doclum  periclo,  miliorem  posted 
Nobis  futurum,    sed  video,  non  in  loco 
Me  misericordia  vsuni;  acerbioreni  etiim 
Inuenio;  .... 
er  steht  in   alter  feindschaft  mit  der  stirps  Hebraica  wegen  der 
Prophezeiung,  dass  einst  eine  frau  aus  diesem  stamme  pedibns  .  . 
swuiret  super  caput  meum.    nun  versucht  er  es  durch  ein  weih, 
Joseph  zu  verderben,  denn 

Mulier,  mulier,  inquam,  iunentm  maxima 
Siren  . . .  i 
Joseph  dient  bei  Fcetifer, 

Summo  loco  vir,  summa  apud  Regem  fide: 
lempsar  Uli  vxor,  supra  humanum  modum 
Pulcherrima;  eins  ex  animo  ego  sustuli 
Mariti  amorem,  et  seruuli  huius  intuli  .... 
da  er  Joseph  kommen  sieht,  ego  me  aufero.    bei  dieser  eingangs- 
scene  wird  man  an  die  Invidia  des  Carvajal  (vW.  s.  13)  erinnert. 
Es  folgt  eine  scene  zwischen  Joseph  und  FamvH.    er  bedauert, 
dass  alle  zum  fest  wollen  und  niemand  zurückbleibe,    wenn  die 
herrin  etwas  benötige,     aber  die  Famvli  wurden  von  der  herrin 
selbst   fortgeschickt;    es   entwickelt   sich   ein   gespräch   über  die 
götter  und  gott,  die  Famvli  wundern  sich,  dass  Joseph  die  götter 

'  bei  Bedekovics  (s.  u.)  sagt  Joseph  selbst  (s.  21):   Fuge,  Joseph,  /ce- 
minam:   Sijren  est  forsitan. 


WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH  49 

nicht  ehre  und  dass  trotzdem  seit  seinem  eintritt  ins  haus  alles 
so  wol  gedeihe,  er  spricht  von  gott,  wodurch  sie  sich  bewegt 
fühlen,  aber  Joseph  entlässt  sie  und  hält  einen  monolog,  es  ahnt 
ihm  ein  schreckliches,  aber  gott  lebt;  kurzer  rückblick  auf  sein 
leben ,  er  verlässt  sich  auf  gott.  chor  ägyptischer  mädchen ,  sie 
sehen  endlich,  wie  Nutrix  die  herrin  herausführt: 

Heu  me,  quam  viepallida  Dominae 

Facies;  quam  illum  primum  ßorem 

Formae  penitus  amisisti! 
Nutrix  Schilden  den  zustand  der  herrin: 

Respuis  omnia;  nil  tibi  volupe  est: 

Quod  adest  damnas:  quod  abest  poscis; 

Mox  quoq.  id  ipsum,  horres  et  refugis: 

Quid  faciam  tibi!  vel  quid  non 

Faciam ! 
man  fühlt  sich  lebhaft  an  Rhodius  gemahnt  (vW,  s.  185),  es  ist  wol 
Seneca  die  gemeinsame  quelle,  wie  sich  unten  noch  zeigen  wird, 
lempsarsi  zustand  ist  furchtbar,  ach  me,  ach  me  klagt  sie, 
vergebens  sucht  Nutrix  zu  trösten:  Seruo  cupio,  serua  locari. 
der  chor  fragt,  was  das  bedeute.  Nutrix  weifs  es  selbst  nicht, 
tres  dies  cibo  abstinens.  sie  dringt  in  lempsar,  ob  sie  liebe,  viel- 
leicht sei  Josippus  schuld  an  ihrem  zustand. 

IE:  Ach  me.     NV:  pungit  hie  te  scilicet. 
IE:    Perij;  occidis  me  mater,  vudiq.  occidis; 

De  iuuene  eo,  sit  obsecro  silentium. 
in  einem  gespräch  ganz  nach  art  der  dialoge  Senecas  kommt  es 
endlich  heraus: 

NV:  Quis  isl  vel  vndel  crimini  qui  te  appetit! 
IE:  Cuiatem  eum  tu  dixeris  iuuenem  exterum? 
NV:    Nostrumne  Josippum!  IE:  loquente  te  audio; 

Non  ipsa  narro.     NV:  Proch  DiJ  Deceq; ,  quid 

Ego  audio!  nosterne  Josip!  illene 

Josippus!  illud  vnicum  delicium  Heri! 

nie  oculus  alter!  lux,  fides,  columeu  domus! 
auch  der  chor  äufsert  sich  über  Joseph: 

Et  me  non  mediocris  impetiuit 

Admiratio;  talibus  repertum 

In  malis,  iuuenem  hunc;  prcBire  cunctos 

Qui  Visus  mihi  moribus  modestis: 

Ignosco  sedenim ;  acer  Imperator 

Est  amor;  senibus  quoq;  egelatis 

Cit  incendia;  nee  viros  remittit; 

Quantö  perniciosior  iuuentce  est; 

Cui  cor  feruet,  et  ipsa  adurit  cetas.'^ 

Non  amem:  vel  amem  pudico  amore. 

*  dieser  name  ist  wol  erfindung  des  dichters. 

2  man  vgl.  bei  Seneca  Phaedra  v.  296 ff  den  chor  über  Amor: 

A.  F.  D.  A.    XV.  4 


50  WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH 

h'mpsar  erwidert  niil  einer  philosophischen  ervv;ij,uing;  volnptatum 
genera  sunt  yluria.  . .  . 

Fudor  eliam  ceßationis  mel  fouet. 

Geminus  quidem  ille;  ornamen  aller,  et  color 

Virtutis;  alter  pestis,  et  Scabies  domus. 
sie  war    sich    ihrer   coiistuntia'  bewust,    da  Amors  pf'eil    sie  traf, 
kämpfte  sie  (v<^l.  Rliodius).    gedanke  des  Selbstmords;  sie  scliliefst: 

Omne  meam  culpam  eße;  iuuenem  hüc  criminis 

Nihil  dediße;  proiler  eximia  qnod  est 

Forma;  meam  quin  sednlö  cupidinem 

Prauam  refuyere;  quod  ne  sitis  nesciw. 
der  chor   bestärkt  sie    in    ihrem  verzieht;   auch   die  anime   sagt: 

Nihil  supra  humaiimn  modum ;  nihil  stipra 

Perpessa  naturam  es:  polens  in  te  Dea 

Irruit.   amas:  quid  tum!  quid  hinc  miraculi! 

Volgarium  hoc  est  plurimis  morlalibus:  .  .  . 

mitte  Inbricam  meutern  tuam : 

lucundius  periculum  est  euadere; 
auch  sie  rät  ihr:    Obfirma,  et  obdura . .  . 

Amans,  amorem  frange  cum  prudentia: 

Morbo  icta;  morbum  vince  cum  patientia. 

Vel  verba  quoq.  sunt  dia;  sunt  magicm  notw; 

Sunt  fortia  indigitationum  carmina; 

aber  vergebens  alles  reden  und  so  bietet  Nutrix  liilie: 

Euince,  perfer,  laudo  criminis  fugam: 

Sin  minus;  obedi  mihi;  secunda  erit  hci'C  salus. 

Sunt  philtra  delenifica  quoq.  amoris  mihi; 

Quam  modo  in  mentem  quam  oportnne  venit; 

Ea,  eis  pudoris,  eis  animae  periculum, 

Morbum  leuasint;  tuipsa  modo  non  obfuas. 
lempsar  willigt  ein',  doch  niiiss  alles  geheim  bleiben;  Nutrix  ab, 
um  zu  bereiten ,  was  sie  weifs.  der  chor  singt  ein  lied  gegen 
Amor,  bis  ihm  die  herrin  schweigen  gebietet,  ein  langes  gespräch 
zwischen  ihr  und  dem  chor,  sie  gerät  immer  mehr  in  eifer.  wo 
ist  die  amme?  ruit  sie  klagend;  der  chor  tröstet:  perbreuem  tolera 
moram,  aber  lempsar  meint:  Amor  moram  non  tolerat  .  .  .  Nutrix 
kehrt  zurück  und  nun  gibt  lempsar  einen  rückblick  aul  ihr  Ver- 
hältnis zu  Joseph: 

Ego  cum  primiim  in  hunc  imiem-  oculos 
Conieci,  et  haust  amoris  ignem;  rem  rata 

Sum  facilem,  et  in  manu  mea  sitam  aggredi ; 

Qua,  vhi  libitum  animo  foret,  passem  frui; 

....  iuuenum  feroces 
concitat  flammas  senibusqtie  f'essis 
rursus  extinctos  reuocat  calores.  .  .  . 
*   das  erinnert  wider  an  Rhodius  vgl.  vW.  s.  185;   die  einteilung  ist 
nach  Seneca. 


WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH  51 

Ipsumq.  iuuenem,  sicubi  id  rescisceret, 

In  parte  non  parna  bealitudims 

Dnciurum;  umari  ab  Hera,  et  rogari:  tempore 

Itaq.  aucupato;  adorla  solum;  detnli 

Cupidinis  mew  voluntatem ;  paläni- 

Qne  fassa  postulani:    At  ille,  ferreus, 

An  f'atnus  incertum,  an  ratm  fidem  suam 

A  me  experiri,  vel  peti  in  periculum; 

Repulit  volentem :  quin  senerioribus 

Hortatns  ad  modestiam  est  sermonibns. 

Qua  nie  f'uisse  menle  tum  putabitis! 

Aul  quid  animo  volutasse! 

vviderholt  habe  er  sie  zurückgewiesen 

quasi  innocens, 

Quasiq;  mulieris  insciens  sit;  qui  alicubi 

Diabolarias  apud  lupas,  suam 

Obscoenitatem  prostituit:  ach  me:  illene 

Mihi  hoc  negdritl  vhi  melius,  et  tut  ins 

Potuit  locare:    seruulon'  ego  improbo 

Preces  meas  obtruseriml   cuius  preces. 

Nee  vir,  nee  hominü  quispiä  vnquä  inaudijt. 

Veriim  eslo:  petij ;  sed  Domina;  sed  peiij  Hera^; 

Neq;  potui  forsan  adeö  demitlere 

Animum;  utq;  seruilis  animus  deposceret. 

Ramm  est;  amore  d  femina  virnm  appeti; 

Neq.  prostitutas  inter,  hoc  inueneris; 

Quantö  profecta  d  Domina,  inerte  in  seruolum 

Insuelum,  inauditumq.  habebitur  magisl  .... 
nun  hat  sie  das  fest  benutzt,  die  ganze  familiam  fortgeschickt 
und  fleht  darum  die  anime  an,  ihr  beizustehen.  die  ent- 
scheidende scene  geht  wider  nicht  auf  der  bühne  vor,  sondern 
Nutrix  erzählt  sie  als  augenzeugin  (!)  dem  chor^,  wobei  sie  die 
reden  der  frau  und  Josephs  getreu  widergibt;  Joseph  hat  den 
mantel  verloren ,  da  sie  ihn  heftig  umarmte. 3  man  glaubt  einen 
bericht  über  die  scene  zwischen  Phaedra  und  Hippolyt  aus  Se- 
uecas  iragödie  zu  lesen,  nun  kommt  lempsar,  das  gewand  Josephs 
in  der  band,     trotz  ihrer  Stellung  sei  sie 

Heu,  spreta,  despicata,  serno  peßimo, 
Ludibrium,  iocusq ; 
die  Steigerung  ist   nun   schön   ausgeführt,    wie  ihr  die  schmach 
den  gedanken  der  räche  erzeugt:  memento  me  eße  feminam,  ruft 

^  erinnert  an  Rhodius. 

^  auch  bei  Seneca  muss  die  Nutrix  zeugin  der  entscheidenden  scene 
zwischen  Phaedra  und  Hippolytus  sein. 

^  et  Collum  eripere  nodo  appetens:  Beneftcio  donec  fluentis  pallij 
Elapsus.  das  gemahnt  an  die  Situation  des  Hippolytus  v.  712  f  Procul  in- 
pudicos  corpore  a  casto  amoue  tactus.  quid  hoc  est?  etiam  in  amplexus 
mit?  dann  wirft  er  das  schwert  fort. 


52  WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH 

sie  endlich,    während  ihrer  klagen  und  drohungen  erscheint  plötz- 
lich F.Tliit'r. 

Quid  est!  quid  hie  tnrbcB  est!  q.d  wgrimomw! 

Quid  ante  Urnen  statio!  quid  turhatio! 
er  spricht  also  ähnlich  wie  Theseus  v.  858: 

Quis  fremitus  aures  ßehilis  pepulit  meas? 

expromat  aliquis.    luctus  et  lacrimae  et  dolor 

in  limine  ipso  maesta  lamentatio  ... 
lempsar  will    nicht    mit  der   rede    heraus  (Rhodius),    mit  halben 
Worten  spricht  sie  und  klagt  an,  sodass  Fsetifer  ruft: 

Quis  is !  quis  ausus !  clariüs  fare,  loquere. 
und  noch  einmal 

Vxor  Deos  obtestor,  ede  quisquis  est. 
IE:    Quem  tu  nisi  omnihus  modis  vlcisceris;  .... 
noch  einmal  die  frage,  da  endlich  sagt  lempsar: 

Haec  vestis  expediat;  quam  adulter  territus 

Clamore  nostro,  liquit  elabens  fuga. 
F(b:  0  Dij,  Deceque;  quod  facinus  ego  video! 
diese  worte   sind    ein  unzweifelhafter  beweis,    dass  Szymouowicz 
Seneca   benutzte,    denn   an   der  entsprechenden   stelle   heifst   es 
V.  902  f: 

Thes.  Quis  ede  nostri  decoris  euersor  fuit? 

Ph.      quem  vere  minime 

Ph.      Hie  dicit  ensis  quem  twmultu  territus 

liquit  stuprator  eiuiwn  accursum  timens. 
Thes.  quod  faeinus  heu  me  cerno?  quod  monstrum  intuor? 
Fsetifer  kann  nicht  glauben,  was  er  sieht  und  hört,  worüber 
lempsar  sich  gekränkt  stellt.  Faetifer  fragt:  quo  euasit?  aut 
Quo  erupit?  aut  vbi  sit?  (Theseus  v.  909:  sed  ipse  quonam  evasit?), 
lempsar  antwortet:  Quid  ego  misera  id  sciam!  sie  sei  glücklich 
gewesen:  qudd  fugerit;  quod  territus  me  liquerit.  Fsetifer  sendet 
alle  aus,  Joseph  zu  suchen,  dann  klagt  er  ähnlich  wie  Theseus; 
der  muste  ihn  so  teuschen,  der  ihm  der  liebste  war.  aber  com- 
munio  In  rebus  alijs  eße,  in  vxore  haud  potest.  Joseph  kommt 
von  einem  diener  herbeigeholt;  Fsetifer  begrüfst  ihn  mit  harten 
Worten:  0  perfide;  aut,  quibus  imprecationibus  Tandem  vtar  in 
te.  warum  schweigst  du  ?  was  sollte  ich  antworten,  meint  Joseph. 
Fffitifer  lässt  ihn  in  den  kerker  werfen.  lempsar  sähe  ihn  lieber 
geköpft:  Sed  experiar  tuam  Meo  in  pudore  vindicando  instantiam. 
der  chor  spricht  mit  anderen  worten  dasselbe  aus,  was  der  chor 
bei  Seneca  im  anschluss  an  unsere  scene  singt:  in  der  natur  ist 
strenge  Ordnung,  nur  im  menschenleben  herschl  das  glück  blind, 
dann  spricht  Chorus  und  Semichorus  über  die  Schuldlosigkeit  und 
beklagt  Josephs  geschick.  Nuntius  meldet,  dass  er  mit  wider- 
streben Joseph  einkerkerte,  dieser  habe  sich  ruhig  gefügt,  ihnen 
gute  lehren  gegeben,  sodass  sie  von  seiner  Unschuld  über- 
zeugt   seien,      nun   wolle    er  (Nuntius)    mit  dem   herrn   reden. 


WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH  53 

Chorus  bestärkt  ilm  darin,  es  folgen  noch  abschliefsende  Sep- 
tenarii  i  —  v. 

Der  aufbau,  die  spräche,  manche  Vorstellungen  und  Wendungen 
in  den  churen,  alles  nach  Seneca,  dessen  eiofluss  auf  Szymono- 
wicz  bisher  nicht  nachgewiesen  wurde,  merkwürdig  erscheint 
unser  drama,  weil  es  ganz  ähnlich  wie  der  zweite  teil  bei  Rho- 
dius  nur  ein  stück  der  geschichte  gibt,  als  hätte  Szymonowicz 
auch  die  absieht  gehabt,  in  einem  stücke  Josephs  verkauf,  im 
zweiten  den  keuschen  Joseph  und  im  dritten  Joseph  in  seiner  glorie 
vorzuführen,  das  sind  freilich  nur  Vermutungen,  auch  die  ein- 
leitung  zu  Stanislaus  Goslawskis  Übersetzung  gibt  keinen  auf- 
schlussi;  aber  das  drama  mit  seinem  abbrechen  führt  uns  un- 
willkürlich darauf.  Rejs  Zywot  Jozepha  repräsentiert  mehr  die 
volkstümliche  richtung,  Szymonowicz  setzt  dieser  volkstümlichen 
seine  nach  antiker  weise  gebaute  tragödie  entgegen,  da  neben 
diesen  beiden  dramen  nur  noch  Kochanowskis  Abfertigung  der 
griechischen  gesandten  aus  dem  16  jh.  stammt,  Rejs  werk  das 
älteste  polnische  drama  überhaupt  ist,  so  beweist  die  zweimalige 
behandlung,  wie  beliebt  der  stolT  des  ägyptischen  Joseph  gewesen 
sein  muss.2 

Ganz  flüchtig  gedenkt  vW.  s.  189  auch  des  jüdisch-deutschen 
purimspieles  über  den  ägyptischen  Joseph,  es  hätte  jedoch  eine 
besondere  beachtung  verdient,  da  es  uns  den  interessantesten 
nachweis  für  die  grofse  würkung  der  deutschen  dramen  aus  dem 
16  jh.  liefert,  in  seinem  stoffreichen  buche  Jüdischer  merkwürdig- 
keiten,  welches  Heine  zu  seinem  Rabbi  von  Bacharach  benutzte 
(vgl.  Briefe  1,  168  f),  hat  Johann  Jacob  Schudt  auch  über  das 
purimspiel  gehandelt,  er  erzählt  (Franckfurt  und  Leipzig  anno 
MDccxiv)  im  'zweiten  teil'  zweite  hälfte  s.  314  ff  (vi  buch  35  cap. 
§  19  f)  von  den  purimbelustigungen:  Dass  nun  auch  unsere  Franck- 
furter  Juden  an  ihrem  Purini  und  Hamans-Fest  sich  wacker  herumb 
tummeln  /  essen  und  trincken  /  frölich  sind  und  allerhand  Lustbar- 
keit treiben ,  ist  ausser  allen  Zweiffei  j  und  wollen  wir  dessen  eine 
sonderliche  und  merckwürdige  Probe  anführen  j  dafs  sie  ein  paar 
Jahr   vor    dem   Brand    [der    grofse    brand,    welcher    die    ganze 

'  sie  führt  den  titel:  Gastvs  Jozeph ,  Przekladania  Stanislawa  Goslaw- 
skiego.  .  .  .  W  Kräkowie  |  W  Drukärni  Läzärzowey  |  Roku  panskiego  |  1597. 
4».     76  SS. 

2  NGogol  schildert  in  seiner  novelle  Der  könig  der  erdgeister  (Collection 
Spemann  s.  180)  das  leben  der  Kiewer  Seminaristen  und  erzählt:  an  fest- 
lagen giengen  Seminaristen  und  convictoren  in  die  hüuser  der  stadt  mit 
Puppentheatern,  zuweilen  führten  sie  auch  2Vol  selbst  eine  comoedie 
auf,  und  in  diesem  falle  machte  stets  ein  theolog  den  helden.  er  hatte 
eine  höhe  wie  der  kirchturm  von  Kiew,  und  spielte  die  Herodias  und 
die  fratcPotiphar  ztim  verwundern,  zum  dank  erhielten  sie  ei?i  stück 
leinwand,  einen  sack  mais,  eine  halbe  gebratene  gans,  oder  sonst  etwas 
derartiges,  hier  hätten  wir  also  eine  spur  des  Josephdramas  auf  klein- 
russischem boden.  leider  scheint  sich,  gütiger  mitteiiung  meines  coliegen 
EOgonowski  zu  folge,  kein  stück  in  ruthenischer  spräche  erhalten  zu  haben. 


54  WEILEN  DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH 

judengasse  in  Fraiikturl  einäscherte,  am  14  jauuar  1711]  auf 
ihrem  Pun'm  aUJiier  im  Hanfs  zur  weissen  oder  silbernen  Kand 
[es  belaiid  sich  nach  iii  s.  197  au!  der  liuken  seile  der  gasse 
und  halte  '2  haul's- gesäfs',  das  65  haus  in  der  reihe  neben  der 
Gülden  kann]  /  so  damahls  David  Ulff  (der  jetzo  Rabbiner  zu 
Mannheimb  ist)  eigentimmblich  zustünde  und  von  Low  Worms 
umb  Zins  bewohnet  wurde  j  anjetzo  dem  Wertheim  er  von  Wien 
zuständig  ist  /  in  ihrer  Gasse  ein  Theatrnm  auffgeschlagen  und  eine 
Comcedie  von  der  Verkauf  fung  Josephs  gespielet  j  und  die 
bey  dergleichen  Schau-Spielen  gewöhnliche  machinen  verfertiget  /  in 
Verkleidung  allerhand  Auffzüge  vorgestellet  j auch  so  gar  einen  Pickel- 
häring  in  lächerlicher  bundfarbiger  Kleidung  dabey  auffgeführet  / 
welches  dann  einige  Prager  und  Hamburger  Juden- Studenten  sollen 
verfertiget  und  prwsentiret  haben  /  davon  der  Verfertiger  und  Haupt- 
Director,  wie  mich  ein  Jud  berichtet  j  Beermann  von  Lim- 
burg seyn  soll,  der  sich  zu  Friedberg  verheurathet  und  wohnhafft 
niedergelassen;  die  Juden  j  so  es  mit  selber  angesehen  j  können  der 
Wtmder  nicht  gnug  erzehlen  j  wie  Feuer  j  Himmel  /  Donner  \ind 
allerley  wunderliche  Sachen  darbey  seyen  zu  sehen  gewesen  ,  und 
bedaure  ich  /  dafs  mir  solches  nicht  voihero  kund  worden  j  damit 
ich  meiner  curiosilät  j  solches  selbst  mit  anzusehen  l  hätte  ein  Gnügenj 
und  dem  geneigten  Leser  eine  so  viel  genauere  umbständlichere 
Nachricht  j  geben  können;  sie  haben  zwey  solcher  Comoedien  damahls 
agirt  Wechselweise  j  eine  von  David  und  Goliath  j  so  nicht  in  Druck 
kommen  I  die  andere  von  Verkauffung  Josephs J und  das  14.  Tag  vor 
und  14.  Tag  nach  dem  Purim,  haben  auch  umb  den  grofsen  Zulauff  ab- 
zuhalten j  zwey  Soldaten  an  die  Thür  des  Hauses  j  worin  sie  agirt  / 
gestellet  j  und  da  sich  endlich  auch  Christen  als  Zuschauer  angemeldet  / 
haben  die  Baumeister  das  fernere  agiren  bey  20.  Thaler  Straffe  ver- 
boten. Dafs  die  Juden  ein  gar  grofs  Vergnügen  müssen  daran  ge- 
habt haben  ,  ist  dahero  wohl  abzunehmen  ,  dafs  sie  nicht  nur  diese 
Comoedie  auch  so  gar  mit  Hebräisch-Teutscher  Schrifft  in  8.  (doch 
ohne  Benennung  Zeit  und  Orts)  trucken  lassen  i  so  aber  Joh.  W\ist 
zu  Franckfurt  gedruckt ;  sondern  auch  /  da  durch  den  grossen  Brand 
die  Exemplaria  im  Feuer  verzehret  worden  j  dieselbe  An.  1713.  all- 
hier  wieder  aufflegen  lassen  /  da  dan  beyde  Editionen  in  der  Sache 
selber  gantz  genau  miteinander  übereinkommen;  der  Unterscheid 
ist  I  dafs  in  der  ersten  Edition ,  wie  gedacht  j  weder  Jahr  noch  Ort  j 
sondern  nur  auff  dem  letzten  Blat  stehet:  rm^irr:;  aib  "innr; 
'bD£D  ■'"172'n  U-nDp:N^E7:  d.  i.  gedruckt  durch  den  jungen 
Low  Gintz  bürg  von  Franckfurt  am  Mayn;  in  der  zweyten 
Edition  stehet  nur  -:;•  End;  auf  dem  Titul-Blal  der  zweyten  Edition 
stehet  oben  ricr  m-i"i3"3  [Mchiras  Josipli]  wwf/  unten  v^izn  'ci^fpziD 
Franckfurt  am  M a y n  i  •^,:-:yp  tnh^  «■'■«a  üpi-ira  gedruckt 
bey  Johann  Keiner  ,  icelches  alles  in  der  ersten  Edition  nicht 
ist.  Die  zweyte  Edition  ist  etwas  grösser  im  Format ,  weisser  Papier 
und  sauberer  Druck  /  auch   viel  correcter  und  accurater   als   die 


WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH  55 

e/'s/e.  Eben  diese  Comoedie  haben  die  Juden  auch  vor  ein  paar 
Jahr  zu  Metz  in  Lothringen  agiret  I  indem  ein  paar  Juden  /  von 
denen  so  selbige  vormahls  zu  Franckfurt  gespielet  j  mit  dem  Büch- 
lein rjOT'  mTina  [Mchiras  Josiph]  dahinkommen  /  icie  mich  ein 
gelehrter  Jud  j  so  es  zu  Metz  gesehen  j  versichert  hat;  Ein  ver- 
trauter Jude  versicherte  mich  j  es  loürde  so  bald  keine  Comoedie, 
ob  sie  auch  gleich  alle  toieder  in  guten  Zustand  kämen  /  wieder  bey 
ihnen  gespielet  werden  j  es  seyen  kurtz  nach  solcher  Comoedie  Agi- 
rung  ungewöhnlich  mehr  Leuthe  /  als  sonsten  j  gestorben  j  welches  sie 
als  eine  Straffe  und  Zeichen  Göttlichen  Missfallens  auffgenommen  / 
dann  zu  GOtles  Wort  müsse  man  nichts  zusetzen  /  und  es  j  als 
etwas  kurtzweiliges  /  auff  dem  Theatro  vorstellen  /  dabey  ein  Pickel- 
hüring  seine  Narrenpossen  miteinmische  j  das  könne  GOtt  nicht  ge- 
fallen; GOttes  Wort  solle  man  mit  Furcht  in  Ehren  halten. 

§  20.  Es  findet  sich  in  solchem  Mist  zuweilen  ein  Perlgen 
guter  Einfälle  und  nützlicher  Erinnerung  /  wie  dan  der  -üan?: 
[mechaber]  oder  auctor  aus  dem  ^^^2  [medrascli  =  buche]  und 
D-^iaiTD  [phiroischimj  der  Gelehrten  vieles  entlehnet  hat  I  obwohl 
im  exterieur  ziemlich  Verstössen  j  indem  die  Sache  weder  in  actus 
noch  scenas,  als  sonst  in  einer  Comödie  nöthig  ist  j  eingetheilet  j 
sondern  una  continua  serie  so  aneinander  fortlaufft;  und  da  alles 
soll  carminice  und  Vers-weise  abgefasst  seyn  /  so  binden  sich  die 
Juden  an  das  metrum  und  accurate  Abmässung  der  Syllaben  nicht  / 
loie  die  alten  Heyden  und  Christen  thun  /  es  hat  xcohl  ein  vers  4.  5. 
auch  1 0.  U7id  mehr  Sylben  als  der  andere  j  das  nehmen  sie  so  ge- 
nau nicht  I  wan  es  nur  gute  Knippelharden^  sind  I  die  sich  hinden 
beym  Aufsgang  ulcunque  reimen;  sie  mischen  auch  gewöhnlich 
einige  Hebräische  Brocken  mit  unter  (und  brauchen  Teutsche  Wörter  j 
loelche  bey  keinen  Teutschen  j  ohne  den  Juden  allein  j  im  Gebrauch 
sind  I  dan  theils  sind  aufs  dem  Hebräischen   gemacht  j  andere  aufs 

gutem  Teutsch  verdorben  I  einige  gantz  von  ihnen  erfunden  I 

Wan  die  Hebräische  und  gantz  schwere  Wörter  nur  erkläret  werden! 
die  leichtere  verstehet  der  Leser  schon  aufs  dem  context  selber.  Weil 
nun  I  unser s  Wissens  j  dergleichen  Juden-  Comödie  noch  nie  unter 
Christen  zum  Vorschein  kommen  j  und  es  doch  zur  Franckfurter 
Juden-Historie  mit  gehör  et  j  so  wolle  er  sie  mit  hochdeutscher  Über- 
setzung mitteileo Sonsten  haben  sie  auch  die  Comödie  vom 

Ahasverus  und  der  Königin  Esther  gemeiniglich  auf  das  Purim  allhier 
gespielet  /  so  aber  nachmals  von  ihren  Vorstehern  verbotten  j  und  / 
wie  mich  ein  Jude  versicherte  /  die  Exemplaria  verbrandt  worden  / 
dahe/ro  selbige  jetzt  rar  und  nicht  wohl  zu  bekommen  sind  /  Doch 
habe  ich  eins  von  anno  nc"n  d.  i.  1708.  gedruckt  bekommen  j  soll 
mir  vor  Kinder  seyn  j  gar  alber  und  abgeschmackt  /  werden  auch 
keine  Personen  j  als  der  König  Ahasverus  I  Esther  j  Haman  j  Mar- 
dochai  I  Hassag  und  Schreiber  ange führet  j  zu  geschweigen  der  Gott- 

*  diese  form  fehlt  im  DWB,  wo  nur  knütelhardi  und  knüppelvers 
angegeben  sind  5,  1536,  s.  v.  knüUelvers  6. 


56  WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH 

losigkeit  /  dass  sie  den  frommen  MardocJiai  als  einen  garstigen 
unzüchtigen  Un/ldther  aufführen  j  der  selbst  zu  der  Esther  un- 
ziemliche Lust   bekommen  /  und  garstige   grobe    Worte   darin   zu 

finden : da  sich  nun  die  Juden  selber  dieser  Hamans-Co- 

mödie /  oder  sogenannten  Ahasverus-Spiel  schämen  /  auch  solche 
gern  untertrucken  wolten  j  so  wollen  wir  hingegen  solche  suchen 
zu  erhalten  /  doch  /  ein  Aergernufs  der  unschuldigen  Hertzen  zu  ver- 
meiden I  nicht  übersetzen. 

Im  dritten  teil  seines  Werkes  steht  s.  202  —  225  das  Ahas- 
verusspiel,  von  s.  226 — 327  die  Verkaufung  Josephs. 

Diese  zwei  paragraphen  geben  uns  aus  dem  beginne  des 
18  jhs.  interessante  und  wichtige  aufschlüsse.  wir  sehen  ein  leb- 
haftes schauspielerisches  treiben  unter  den  Juden  von  Frankfurt 
am  Main.  Studenten  von  Prag  und  Hamburg  sollen  die  verfertiger 
und  darsteller  gewesen  sein,  ßeermann  von  Limburg  ist  der  ver- 
fertiger und  hauptdirector;  der  zudrang  zu  ihren  Vorstellungen 
ist  ungeheuer,  und  da  man  ihnen  in  Frankfurt  zu  spielen  ver- 
bietet, ziehen  sie  nach  Metz,  wir  werden  lebhaft  an  die  eng- 
lischen comödianten  erinnert  und  haben  in  unserer  zeit  eine 
parallele  an  den  jüdischen  schmieren,  welche,  freilich  ohne 
grofsen  erfolg ,  von  ort  zu  ort  ziehen ,  um  stücke  im  judendeutsch 
darzustellen,  auch  hier  in  Lemberg  hörte  ich  widerholt  von 
solchen  aufführungen.  wenn  Schudt  von  Studenten  spricht,  so 
meint  er  natürlich  bocher,  Talmudschüler,  welche  auch  heute 
noch  die  purimspiele  aufführen  und  aus  ihrem  repertoire  weder 
den  Joseph  noch  den  Ahasverus  haben  verschwinden  lassen. 

Wir  finden  bei  Schudt  also  das  zeugnis,  dass  ein  spiel  Die 
verkaufung  Josephs  um  das  jähr  1700  in  Frankfurt  mit  grofsem 
beifall  dargestellt  wurde,  er  verzeichnet  auch  die  nachricht,  dass 
es  damals  soll  verfertigt  worden  sein,  womit  freilich  nicht  ge- 
sagt ist,  dass  die  Prager  und  Hamburger  Studenten,  unter  ihnen 
Beermann  von  Limburg,  keine  alte  grundlage  könnten  benutzt 
haben,  denn  betrachten  wir  seinen  text,  so  wird  wahrschein- 
lich, dass  Beermann  nur  bearbeiter  war  und  ein  zu  erschliefsendes 
älteres  drama,  vielleicht  des  16  jhs.,  blofs  dem  Zeitgeschmack  an- 
passte.  die  rolle  des  pickelhärings  ist  gewis  spätere  zutat,  die 
anderen  mir  vorliegenden  fassungen  wissen  nichts  von  ihr.  frei- 
lich ist  die  komische  figur  der  jüdisch- deutschen  bühne  nicht 
mehr  der  pickelhäring  sondern  der  schmendrig,  welcher  zb.  in 
einem  Achaschwajryschspiel  auftritt,  das  ich  in  einem  volks- 
drucke   besitze';   er   ist   die  hauptperson    eines  dreiactigen  lust- 

'  dieses  Stoffes  gedenkt  auch  Wagenseil  De  civitate  Norimbergensi  s.  166: 
etiamnum  Judcei,  apud  nos,  in  H'dariis  Purim,  Ahasveri  Sc  Eslheris  liisto- 
riam  more  comico  reprcesentant ,  vocantque  das  Acliasverus- Spiel.  Ave- 
Lallemant  Das  deutsche  gaunertum  1862  in  s.  491  — 511  gibt  nach  Schudt 
eine  probe  des  Josephspieles  und  spricht  s.  492  die  Vermutung  aus,  die  sich 
mir  unabhängig  von  ihm  aufgedrängt  hat,  dass  dem  text  bei  Schudt  ein 
älteres  stücii  zu  gründe  liegen  müsse.    iii417  anm.  1  gibt  er  ein  Verzeichnis 


WEILEiN    DER  ÄGYPTrSCHE  JOSEPH  57 

Spiels:  ti3inri  ^^''aNp  «"^"i  [Die  komische  chassune  (hochzeit)]  | 
-,Ns  [van]  I  p-'Snry?:^  [schmendrig]  j  nbs  n-^t  ü-its  [mit  die  kalle 
(braut)],  auch  dieses  lustspiel,  dessen  Zusammenhang  mit  Hans- 
wursts hochzeit  zu  vermuten  ist,  befindet  sich  in  meinem  besitze 
(gedruckt  in  Lemberg  1875). 

Schudts  Frankfurter  fassung  wimmelt  von  französischen  Wör- 
tern ,  welche  dem  Stile  des  17  jhs.  entsprechen  und  unmöglich 
alt  sein  können;  der  ganze  ton,  die  anläge  des  dramas  usw. 
weisen  aufs  17  jh.  und  wenn  wir  dann  hören,  dass  bei  der 
aufführung  ein  grofser  scenisch- technischer  apparat  aufgeboten 
wurde,  so  fühlen  wir  uns  gleichfalls  an  das  drama  des  17  jhs., 
zumal  die  oper  gemahnt,  alles  das  ist  nicht  abzuläugnen,  es 
kann  nur  die  frage  aufgeworfen  werden ,  ob  dem  drama  eine 
ältere  fassung  zu  gründe  liegt,  welche  dem  damaligen  Zeitge- 
schmack angepasst  wurde,  auch  dies  scheint  mir  nicht  zweifel- 
haft und  schon  Steinschneider  hat  im  Serapeum  1848  stück  23 
nr  146  Beermann  von  Limburg  nur  als  angeblichen  Verfasser  an- 
geführt (Av6-Lallemant  m  491).  diese  frage  müssen  wir  ins  äuge 
fassen. 

Mir  liegt  das  Josephspiel  in  drei  verschiedenen  fassungen 
vor.  A  bei  Schudt,  der  nicht  sagt,  welche  von  den  beiden  ihm 
bekannten  ausgaben  seinem  drucke  zu  gründe  gelegt  wurde;  die 
unterschiede  der  beiden  ausgaben  sind  oben  mit  seinen  Worten 
angegeben.  B,  ein  neuerer  Lemberger  druck,  welchen  mein 
ehemaliger  zuhörer  herr  Meier  Weifsberg,  gegenwärtig  director 
einer  bürgerschule  in  Stanislau,  für  mich  kaufte;  er  halte  die 
gute,  mir  eine  Umschrift  anzufertigen,  das  original  aber  gieng  bei 
dem  brande  von  Strij  mit  den  übrigen  Sachen  des  herrn  Weifsberg 
zu  gründe,  jähr  und  ort  des  druckes  waren  nicht  angegeben. 
C,  ein  druck  Bi  H)3o$ob'Ji  Op^nnai^KÜi  1876  Bt  Tunorpa^iii 
t.  aeueppa:  so  steht  auf  dem  titelblalte,  auf  der  rückseite  ist  zu 
lesen  /I,oBBO.ieHo  J^eHaypoio  KicBi.  12  Iiohh  1875r.  i 

A  führt  den  titel  Mechirus  Joseph  [r]OT'  niT'r)?:]  'die  ver- 
kauffung  Josephs.' 

B:  Seder  mchiras  Jossif spil  [spiel  vom  verkauf  Josephs  nach 
der  reihe]. 

Mlizuh  jkurim  bcharisim  toschürim 

Lsimchas  ßsruel  hojim  hapürim 
[köstliche  gedichte  in  reimen  und  liedern,   zur  freud  Israels  am 
purimtage]. 

Di  bagebünhait  vün  Jojsef  mit  di  brüder. 

mit  sijse  weiter  iin  herliche  lieder. 

der  'bis  jetzt  bekannt  gewordenen  purimspiele',  nennt  aber  nur  das  Ahas- 
verusspiel,  die  action  von  könig  David  und  Goliath  dem  philister  und  das 
Josephspiel  und  setzt  ausdrücklich  hinzu:  diese  purimspiele  sind  äufserst 
selten  getvorden. 

*  In  Jozeföw  Ordinacki  1876  in  der  druckerei  von  ASezerr.    zugelassen 
von  der  censur  Kiew  12.  G.  75. 


58  WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH 

ZU  singen  im  pnrim  mit  dem  hecher  in  der  hant 
in  jejder  schtiil  Und  in  jeden  lant. 
C  [auf  dem  Umschlag]:  Mchiras  Joseph  i  ügdülas  Joseph  I  Joseph 
mit  diebrüder,  [auf  ilem  eigentlichen  litelblallc  ausführlich:]  Gi- 
schechte  fiin  wjc/j?ras  Jose/ [verkauf  Josephs]  cheilek  rischon  [erster 
teil]  ügdülas  Josef  [und  grofse  Josephs]  cheilek  scheini  [zweiler 
teil]  In  dem  werd  verzeilt  wie  die  schwutrin  [stamme]  hohen  (er- 
hofft seier  hrüder  Josef  in  dernnch  senen  sei  zi  ihm  gekimmen 
tioin  [gelraide]  kojfen.  hot  er  sich  fin  sei  farfremt  in  hot  gesugt 
sei  senen  gekimmen  aussehen  dns  land  in  hohen  gehat  grojse  leid, 

in  as  er  hot  sich  zy  sei  hakent  is  gihoen  grojs  di  frajd 

lEIllIJXTE  31EXMPACI>  1()CE(|>'L  [Geschichte  mechiras  Jo- 
seph], dann  folgt  die  obige  angäbe  des  druckortes. 

A  ist  trotz  dem  alter  des  druckes  kaum  Vertreter  der  ältesten 
fassung,  B,  obwol  ein  junger  druck,  vertritt  uns  die  ursprüng- 
liche form  genauer,  während  C  auf  eine  neubearbeitung  hindeutet, 
allen  drei  dramen  liegt  das  Sepher  Ilajaschar  zu  gründe,  das 
ich  leider  nur  aus  der  inhaltsangabe  bei  vW.  s.  l  ff  kenne:  hier 
war  mir  keine  der  ausgaben  zugänglich,  doch  genügt  der  aus- 
zug,  um  die  abhängigkeit  des  purimspieles  nachzuweisen.  A  hat 
in  so  fern  einen  altertümlichen  zug,  als  das  Verhältnis  Josephs 
zu  Selicha  dargestellt  wird  (der  name  Selicha  stammt  aus  dem 
Sepher  Hajaschar).  in  B  deutet  wenigstens  einiges  darauf  hin, 
dass  dieses  Verhältnis  dramatisiert  war,  doch  hat  unsere  fassung 
nichts  davon  erhalten,  vielleicht  ist  dies  ein  zeichen ,  dass  wir 
eine  bearbeitung  für  kinderi  (vgl.  Schudts  worte  über  das  Ahas- 
verusspiel)  vor  uns  haben.  C  zerfällt  in  zwei  teile,  die  erleb- 
nisse  Josephs  im  hause  Potiphars  fallen  zwischen  beide,  als 
fehlte  uns  zwischen  dem  verkauf  und  der  gröfse  Josephs  ein  teil 
Josephns  servus. 

Der  deutlichste  beweis,  dass  unser  purimspiel  —  ich  will 
es  mit  P  bezeichnen  —  aus  dem  Sepher  Hajaschar  schöpfte ,  sind 
drei  momente,  welche  .4BC  gemeinsam  sind  und  nur  im  Sepher 
Hajaschar  begegnen :  1)  Joseph  wird  in  der  grübe  von  den  Media- 
nitern  entdeckt,  herausgezogen  und  dann  erst  an  sie  verkauft  (vW. 
s.  2  betont  ausdrücklich,  dass  sich  dadurch  das  Sepher  Hajaschar 
von  der  Haggada  unterscheide);  2)  Joseph  verrichtet  am  grabmal 
seiner  mutter  ein  gebet  und  Rachel  tröstet  den  als  sclaven  ver- 
kauften söhn  (ebenso  im  spanischen,  wol  nach  dem  Koran);  3)  der 

•  diese  Vermutung  wud  mir  von  kennern  des  jüdischen  lebens  be- 
stätigt, darnacli  sind  diejenigen,  welche  gegenwärtig  die  spiele  darstellen, 
hauptsächlich  die  sogenannten  belfer  d.  i.  behelfer,  die  man  als  männliche 
bonnen  bezeichnen  könnte;  sie  erteilen  den  ersten  Unterricht,  begleiten  dann 
die  kinder  zur  schule,  leiten  und  erhalten  sie,  wobei  den  purimspielen  eine 
grofse  rolle  zufällt,  sie  müssen  natürlich  aus  pädagogischen  gründen  alles 
fortlassen,  was  für  ihr  kleines  publicum  nicht  passt,  und  daraus  erklärt  sich 
der  umstand,  dass  die  scenen  zwischen  Joseph  und  der  frau  Potiphars  in 
unserem  texte  fehlen. 


WEILEiN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH  59 

woU,  welcher  nach  der  augabe  der  brüder  Joseph  zerrissen 
haben  soll,  tritt  auf  und  spricht;  dadurch  bilden  ABC  eine  gruppe 
für  sich  allen  anderen  dramen  gegenüber,  trotzdem  sehen  wir 
besonders  in  B  einzelnes,  was  wir  in  den  anderen  Josephdrameu 
des  16jhs.  belegen  können. 

A,  B  und  C  gehen  zum  teil  weit  aus  einander,  doch  ver- 
mögen wir  nicht  nur  die  gemeinsame  quelle  zur  erklärung  ge- 
meinsamer eigentümlichkeiten  heranzuziehen ,  es  zeigen  sich  Über- 
einstimmungen in  den  werten,  welche  nicht  zufällig  sein  können 
und  auf  eine  verloren  gegangene  grundlage  P  hinweisen,  ich 
will  nur  einzelnes  anführen,  da  ich  die  absieht  habe,  über  die 
purimspiele  selbständig  zu  handeln,  wie  ich  schon  Anz.  xiii  90 
andeutete.  ^ 

A  s.  228  sagt  Joseph  zu  Jacob: 

Zweitens  kan  ich  nit  var  gut  erkenen 
als  sie  etliche  van  nnsre  brider  knecht  soln  nenen. 
B  Deine  älteren   söhne  nennen  die   kinder  Bilhas  und  Silfas 
knechte  und  mägde  (so  sagt  Joseph  hebräisch). 
C  is  den  asoj  recht 

as  di  bnei  Bilhu  ywnei  Sylpu  rifen  sej  knecht  [die  söhne 
Bilhas  und  die  söhne  Silphas]. 

Diese  Übereinstimmung  kann  der  quelle  entstammen  vgl.  die 
bibel  (Gen.  37,  2),   aber  das  ist  bei  folgender  stelle  nicht  möglich. 
Jacob   hat  Joseph   den   auftrag   gegeben,    nach  seinen  lang  aus- 
bleibenden brüdern  zu  sehen,  Joseph  antwortet: 
A  s.  236: 

Alirliebster  vater   sein  dienst  j  tvelchi  sie  mir  habn  gigebn, 
dem  wil  ich  gihorsam  nachlebn. 
B  dich  will  ich  folgen  mit  dem  ganzin  leb(i)n 

ün  got  soll  mir  sdn  hilf  geb(i)n. 
C  äufsert  er  seine  bereilwilligkeit  anders: 
Einziger  futer  ich  bin  ungebreit 
zi  hören  dani  reit 
asoj  wie  ddn  kind. 
zi  lojßn  gejch  in  geschwind, 
futerlebin  blöb  mir  gisind. 
dasselbe  bemerken  wir  in  der  scene  zu  Doson. 
A  s.  241   [Levi  sagt]: 

Lieber  bruder  ich  befinde  nit  vor  gut  j 
zu  vergiefsen  menschen  blut. 
in  specie  er  ist  unser  fleisch  %md  bein. 
und  Joseph  sagt  s.  242: 

Libi  brider  bit  eich  sämtlich  um  farzeien. 
auf  mein  nerische  red  hob  ich  reien  [reue]. 

»  die  lirn  Reinhold  Köhler  und  dr  Johannes  Bolte  hatten  die  gute,  mich  in 
meinen  forschungen  zu  unterstützen,  für  weitere  nachweise  wäre  ich  sehr 
dankbar. 


60  WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH 

auch  ist  der  weit  bekant. 

als  bei  einm  jnngn  kiml  nit  gros  ist  der  far  stand. 
in  B  saj,'t  Joseph: 

Wen  ich  hob  gisindigt  ün  bin  nicht  gut, 

müst    ir  mir  doch   far  gebin    den    ich  bin  euer  fleisch  ün 
blilt 

ans  man  lebin  het  ich  mir  gur  nicht  gimacht, 

nur  auf  dem  altin  vuter  bin  ich  badacht. 
in  C  halb  mit  A,  halb  mit,  B  stimmend: 

hot  rachmunis  [erbarmen]  iber  mir  in  inser  tatyn  dem  altin 

in  Vit  ajer  kaas  [zorn]  ajnhalten. 
(A*:     Drum  bit  ich  ir  salt  barmherzikeit  mitteiln 

un  Salt  in  aier  zarn  nit  eiln) 

hot  rachmunis   [erbarmen]   iber   mir  in  seit  mir  mojchajl 
[verzeiht]  mir  mdne  sind, 

in   gidenkt   in   lebediken  gott   ich  bin  doch  bei  inser  futer 
dus  jüngste  kind. 
wir  hören    hier  das   gemeinsame  heraus,   ohne  dass  es  gelingen 
würde,  das  ursprüngliche  zu  reconstruieren.    auch  die  erwideruug 
der  brüder  zeigt  denselben  character: 
A  s.  242  t : 

Joseph  mir  habn  abservirt. 

was  du  var  lengst  hast  spargirt. 

un  waln  dir  zaln  dein  var  dintn  Ion. 

dein  seidn  hemit  salstu  aus  ton. 

un  waln  dich  werfn  in  disr  grub  anein. 

du  saht  nimr  krign  zo  sehn  kein  licht  nach  schein. 

nun  werdn  mir  sich  gwis  nit  var  dir  tun  bukn. 

den  die  schlangn  ader  sonst  ungizifr  werdn  dich  ver  zukn . . . 

es  hilft  niks  dein  ver  defendirn. 
mir  sein  schon  biwust  als  du  kanst  flatirn. 
wie  vil  arlei  seist  du  spargirn 
wan  mir  dich  widrum  zu  unsrm  vatr  saltn  fihrn. 
drum  auch  Simeon  werf  im  in  der  grub  anein. 
dar  mit  mir  seinr  las  sein. 
B  du  meinst  du  host  var  fürt  dem  vuter  dem  klugen, 

wilst  du  auch  uns  mit  ddn  falsclikeit  batrügen 

imis  nüzin  dir  die  ölisachin  [hohen  sachen?] 

wir  müsin  mit  dir  ein  end  machin 

brüder  brüder  thüt  euch  bamihin, 
im  dus  stolzi  hemdil  üb  zi  zihin  ... 
du  solst  endigen  bald  loi  a  wind, 
warft  im  tif  bis  zürn  gründ. 
kimt  brüder  essin  ün  trinken 

1  ich  habe  hier  wie  überall  den  text  nach  dem  hebräischen  druck  um- 
geschrieben, da  Schudt  die  Schreibung  durchaus  modernisierte. 


WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH  61 

ün  er  sol  du  inter  sinkin. 
er  sol  fressen  dus  Schlangengift, 
hert  nit  wer  euch  ruft. 
C  brider,  brider  lit  ihm  nit  zi  hörin 
wurim  falsch  is  sän  giwein. 
brider  lost  ihm  nit  aheim  gein  .  .  . 
brider  brider  tit  ihm  nit  zi  hörin  in  schleit  nit  trib, 
zit   ihm  arnp   dns  sadine  hemdl,   in  warft  ihm   aran  in 

fmstern  grib  .  .  . 
losen  mir  sich  setzen  essen 
un  Josefin  losin  mir  vergessen. 
in  der  grübe  betet  Joseph  ua.: 
A  s.  243: 

Bischerm  mich,  als  das  ungizifr  nit  sol  zu  reifsn, 
und  du  ihn  die  mailr  bandn, 
da  mit  sie  mich  nit  kenn  machen  zu  schandn. 
B  Got  du  weifst  doch  wi  ich  bin  mit  erlichkeit  um  gigangin, 
d'rüm  var  schli'ss  die  mdler  vin  die  schlangin. 
dir  is  bekant  wi  'ich  hob  min  vnter  erlich  gihaltin, 
d'rum  sollin  die  schlangin  man  kop  nit  spaltin. 
C  (Got)  er  soll  die  maier  fin   die  schlangin   in  egdisen  far- 

schlisen. 
ich  könnte  noch  vieles  zur  bestäligung  meiner  ansieht  anführen, 
doch  glaube  ich,  diese  proben  geniigen,  um  den  schluss  auf  eine 
vorläge  P  zu  begründen,  ich  teile  noch  die  stelle  mit,  durch 
welche  sich  P  am  stärksten  von  allen  anderen  dramen  unter- 
scheidet, das  auftreten  und  sprechen  des  wolfes.  diese  probe  zeigt 
auch  deutlich  die  art  der  drei  fassungen  unseres  purimspieles: 
A  s.  272fl":         (sagt  Ascher) 

Libr  vatr  in  seini  bifelich  habn  mir  sich  bißeist. 

un  loal  ein  wald  aus  gereist. 

so  habn  mir  disn  wolf  atapirt. 

abr  Josephs  tot  kerpr  habn  mir  nit  gespirt. 

weiln  uns   disr  wolf   selstn   (I.  selbstn)    in  hendn 

gilofn. 
so  habn  mir  ohni  zweifl  den  selbn  an  gitrofn.^ 
der  mit  unsrm  brudr  so  on  erbärmlich  und  misrabl  ist  tim 

gigangn. 
drum  habn  im  die  himl  uns  zu  gischikt  zu  fangn. 
mm  kan  der  her  vatr  an  im  kihln  sein  mut. 
un  rechen'^  misrs  brudrs  blut. 

(sagt  Jekub] 
Ir  habt  mich  nit  winig  erschrekt. 
mit  dem  als  ir  habt  endekt. 

•  ich  liebe  das  wörtlicii  in  allen  oder  wenigstens  zwei  fassungen  stim- 
mende hervor. 

^  bei  Schudt  ist  gedruclvt  l^bV)  (rechnen),  was  wol  für  ^J^Syn  steht. 


62  WEILEN    DER  ÄGYPTISCBE  JOSEPH 

als  ir  meinm  libn  son  sein  totn  kerpr  nit  habt  angitrofn. 

worauf  ich  hab  tun  hofn. 

den  ich  hab  ver  meint  da  durch  mein  trost  zu  erlangn. 

abr  leidr  es  ist  nit  vun  statin  gigangn. 

ich  mus  mich  gidultig  drein  gebn. 

abr  doch  wil  ich  mein  stim  erhebn. 

disn  xDolf  zu  exsaminirn. 

nn  mein  son  an  im  pretendirn. 

beslia  sag  mir  bald. 

den  ich  hab  dich  aniezo  in  meint  giwalt. 

aus  was  ursach  du  dich  solchn  frefil  hast  untr  standn. 

un  hast  mir   mein   alrlibstn  son  so   miserabl  gimacht  zu 

schandn. 
un  hast  im  ver  zukt  un  zu  risn. 
das  hab   ich  gispirt  an  seinm  hemd  den  es  ist  vol  blut  un 

ganz  zu  schlisn. 
warum  hastu  solchis  gitan  meinm  kind  um  sunst. 
un  hat  bei  dir  nit  kenn  erlangn  eini  ginad  odr  gunst. 
wie  hastu  mein  son  erschlagn. 
un  hast  kein  furcht  gitragn: 
vor  dem  vatr  ibr  himl  un  erd. 
odr  vor  meinm  scharfn  schwert. 
drum  wil  ich  iezundr  an  dir  suchn  rachn 
un  dirs  der  gleichn  machn. 
den  di  himl  habn  mir  dich  des  wegn  zu  gisend. 
als  ich  sal  machn  dein  end. 

(Antwort  der  wolf) 
Mensch  mensch  er  sei  in  sein  zorn  nit  gischwind. 
den  ich  hab  nit  gisehn  sein  kind. 
vil  wenigr  als  ich  in  solt  habn  gesn. 
das  tu  ich  mich  bei  got  ver  mesn. 
mein  her  ich  gib  im  noch  recht  repart  [rapportj. 
als  mir  auch  geht  der  ragard  [regard]. 
ich  hab  mein  son  schon  ver  lorn  zehn  tag. 
woribr  ich  auch  grosi  ungidult  trag. 
un  bin  des  loegn  in  lendr  gilofn. 
abr  ich  hab  im  leidr  noch  nit  an  gitrofn. 
nun  ich  bin  komn  on  weit  von  hir. 
habn  sich  deini  kindr  gistelt  kign  [gegen]  mir. 
un  bigirig  giwesn  mich  zu  fangn. 
da  bin  ich  gut  wiligr  weis  zu  in'n  gigangn. 
den  ich  weis  ich  hab  niks  ver  schult, 
auch  aus  grosr  un  gidult. 
ich  bin  in  seinr  hand. 
er  kan  mit   mir  ver  farn  nach  seinm  wolgifaln 

un   verstand, 
abr  ich  sagi  im  auf  mein  giwisn. 


WEFLEN    DER   ÄGYPTISCHE  JOSEPH  63 

als  in  mein  inund  ist  nit  komn  ein  bisn. 
es  mag  sein  von  ein  menschn  teer  er  will, 
hir  mit  schlis  ich  meini  wort  un  schweigi  stil. 

(sagt  Jekub) 
Her  zu  du  loilds  Uhr. 
ich  bit  du  solst  ver  zeihn  mir. 
den  kwal  den  ich  dir  hab  ver  ursacht, 
mit  dem  als  man  dich  hat  zu  mir  gibracht. 
nun  winsch  ich  dir  ans  herzngrund. 
als  du  dein(e)n  son  magst  seht  gisund. 
nu  tuh  dich  in  namn  gots  auf  dein  loeg  kehrn. 
die  himl  soln  uns  unsri  kindr  bischern. 
abr  ich  kan  leidr  nit  auf  dem  fundament  un  grund  kumn. 
durch  welchs  mein  libs  kind  Jusef  ist  wordn  vun  der  weit 

ginumn. 
damit   endet  in  A  der   erste  teil,   es  tritt   der  pickelliäriog  auf, 
um   auf  den    menschenmarkt  (menschen  marik)   zu   gehen ,   wir 
sind  bereits  in  Ägypten. 

B  stellt  die  scene  so  dar:    m  andern  tug  kirnen  saj  zurück, 
brengin  ein  wolf  mit  sich,     (die  briider  sagen:) 
Vutir  Hb,  gut  morgin, 
hör  schon  of  zu  sorgin, 
wir  sind  liberal  herum  gilofin 
ün  hob  in  dem  wolf  zürn  er  st  in  gitrofin. 
Jakow  (spricht  zuerst  hebräisch   und  fährt  dann  deutsch   fort): 
wus  hot  dich  of  man  kind  vor  drossin, 
dus  du  host  un  schuldig  blüt  var  gossin. 

Der  wolf  (ebenso): 
Ich  iceis  nit  wurini  men  hot  mich  gibünden, 
gros  senin  majni  schmerzin  ün  windin. 
ich  bin  im  schuldig  ün  rein, 
dus  weist  nör  got  alein 


ich  schwer  dir  baj  gott 

dus  ich  hob  ddn  sihin  [söhn]  Josef  nischt  bärirt  [1.  getojt?] 
ich  hob  im  nit  gisehin  in  man  lebin, 
asö  sol  mir  got  vi'l  güts  gebin, 
mir  hot  sich  gitrofin  dus  selbi  tcus  dir, 
du  konst  tun  wus  du  wilst  mit  mir. 
schlug  mich  tojt,  dus  is  mir  recht, 
den  es  geht  mir  sehr  schlecht. 
Jakow: 
Du  bist  ginüg  zu  badöirin, 
ddn  harz  müs  stark  trören. 
var  gib  mdni  kindir,  wus  si  höbin  dich  gibünden, 
si  hobin  gimeint  zu  heilin  majni  wündin. 


64  WEILEIS    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH 

geh  im  fri'din  nuch  ddnini  bagerin, 
ün  got  soll  ddn  schmerz  vin  dir  üb  werin. 
auch   in  ß  sclilielst   damit   die    eine  scenenreihe    und  gleich  die 
nächsten  worte  hringen  die  rede  Pharohs. 

In  C  hat  die  scene  folgenden  Wortlaut,    sie  bringen  das  tief 
und  NaftaH  sagt: 

dl  chaju  [das  tier]  geben  mir  in  dein  hend 
iln  Josefs  beiner  hoben  mir  nit  der  kent. 
die  chaju  [das  tier]  is  uns  gikümen  akegen. 
willst  megstü  sie  fregen. 

Jakow  (sugt  zu  dem  thier): 
Ich  wel  dich  nit  losen  zu  rih  [ruh]. 
sug  mir  madia  uchalt  es  Josef  bni  [weshalb  hast  du  gefressen 

meinen  söhn  Joseph?]. 
mit  biteri  zurojs  [leiden]  hostü  mich  der  driikt, 
far  iDus  hostü  mein  sün  far  zükt. 
mit  zurojs  [leiden]  wel  dich  plagin. 
solst  mir  dem  emes  [Wahrheit]  sagin. 
Hachajuch  (dis  thier  sagt  zu  Jakow  mit  abiiter  harz): 
Wei  is  mir  wus  ich  tu  vün  dir  aseliche  werter  heren. 
of  meinü  curojs  [leid]  tust  du  noch  meren. 
fün  aweit  land  bin   ich  aher  gikimmin  gech  ün  gischwind. 
wurin  es  is  mir  far  lorin  giworin  azütrüg  kind. 
fin  deini  curojs  [leid]  los  mich  zu  ri  [ruh]. 
kaascher  kurnh  loch  kein  knruh  li  [was  dich  traf,  das  hat 

auch  mich  getroffen]. 
asuruh  jumim  loj  nchalti  wloj  schusisi  [zehn  tage  habe  ich 

nicht  gegessen  und  nicht  getrunken]. 
binchu    Josef    loj   ruisi   [deinen    söhn    Joseph    habe    ich 

nicht  gesehen]. 
zehn   tag  hab   ich  nit  gegesen  im  gitnmkin  nur  arüm 

gilofin. 
haben  mich  deini  künder  gitrofin. 
ich  bin  iezt  in  dein  hand. 
wilst  mir  awek  nemen  mein  leben, 
nur  west  müsin  din  wcheschbojm   [rechenschaft]   im  himel 


ich  sol  gech  fün  mein  kind  wisin. 

as  ich  hab  dein  sün  Joseph  nit  zu  risin. 

dein    tfiluh    [gebet]    wet    hascheim    [gott]    bwadei   [gewis] 

zu  heren. 
ün  wet  dein  sün  zu  dir  ümkeren.^ 
Endedi  erste  teil. 
Auffallend  ist  A  wegen  des  völligen  mangels  an  hebräischen 
Worten   und  versen,    während  in  BC  die  rede  fortwährend  zwi- 

'  dass  alle  drei  fassungen  denselben  reim  am  Schlüsse  des  ersten  teils 
aufweisen,  kann  unmöglich  zufall  sein. 


WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH  65 

sehen  hebräisch  und  judendeulsch  wechselt,  ich  kann  nicht 
glauben,  dass  A  darin  altertümlich  ist,  weil  übereinstimmend  in 
den  anderen  mir  vorliegenden  purimspielen  derselbe  Wechsel  be- 
gegnet, höchstens  liefse  sich  für  die  altertümlichkeit  von  A  in 
diesem  punct  anführen,  dass  C  mehr  einzelüe  hebräische  worte 
als  B  einmischt,  dabei  aber  gewis  die  jüngste  Fassung  ist;  man 
könnte  demnach  annehmen,  dass  die  hebräischen  worte  erst  all- 
mählich in  den  ursprünglich  reinen  text  eindrangen,  doch  ist 
mir  dies  sehr  zweifelhaft.  B  soll  jüdisch -deutsche  Wörter  ent- 
halten, welche  gegenwärtig  nicht  mehr  gebraucht  werden:  so 
behauptet  herr  M Weifsberg,  ich  vermag  das  nicht  zu  verfolgen, 
aber  so  viel  sieht  man  augenbhcklich,  dass  B  das  beste  bild  des 
alten  dramas  gewährt,  auf  diesen  punct  möchte  ich  schon  jetzt 
die  aufmerksamkeit  lenken,  um  die  obige  behauptung  zu  be- 
weisen, dass  wir  Zusammenhang  des  purimspieles  mit  den  deut- 
schen dramen  des  16  jhs.  annehmen  müssen,  ich  beschränke 
mich  auf  die  züge,  welche  der  vergleich  von  B  mit  den  ana- 
lysen  in  vVV.s  buch  ergibt. 

P  wurde  durch  einen  prolog  eröffnet,  welcher  nur  in  AB 
vorliegt,  in  beiden  verschieden,  aber  doch  ähnlich.  B  beginnt 
mit  einer  hebräischen  anspräche :  Zur  freud  mid  Inst  der  herzen 
am  pnrimtage ,  zur  wonne  von  alt  und  jung,  liebe  und  theuere 
herren,  höret  zu.  verleiht  ein  geneigtes  ohr  diesen  dingen,  dann 
wird  deutsch  fortgefahren: 

Unsere  eitern  hob'ti  giliten  fiel  leit. 
ober  zu  letzt  hot  sai  got  gigebin  frait. 
ein  zeichen  far  uns  im  unsere  kinder 
dus  got  Wirt  uns  tihn  winder. 
mir  mach'n  mit  unser  futer  Jakew  dem,  anfang. 
insere  werter  wein  nit  dohrn  lang. 
das  auch  ziemlich  entsprechend  in  A.    die  aufforderung  zuzuhören 
finden  wir  auch   in  deutschen  dramen  zb.  bei  Rute  (s.  30),   bei 
Diether  (s.  72),   besonders   bei    Brunner,   welcher  ausdrücklich 
betont,  der  kurz  nachgangen  zu  sein  (s.  92). 

Auf  den  prolog  folgt  Jacobs  rede,  der  sich  glücklich  preist 
und  besonders  seinen  söhn  Joseph  hervorhebt  (vgl.  Greff- Major, 
Diether  s.  72).     an  das  spanische  drama  (s.  13)  und  die  worte: 
Ea  hermanos  atencion 
He  vos  aqui  el  senador 
erinnert  die  stelle: 

der  baal  chulom  (traumdeuter)  kirnt,  ich  höh  im  d'r'kent, 
schlugin  wir  im  tojt  ün  machin  mit  im  ein  end. 
und  auch  ein  zweiter  zug  gemahnt  an  das  spanische  (vgl.  vW. 
s.  16):  'eigentümHch  ist,  dass  die  berufung  Josephs  erfolgt,  bevor 
noch  die  weisen  ihre  Unwissenheit  eingestanden.'  ebenso  in  B: 
Pharoh.^   Ruft  mir  her  gischwind  ün  gleich 

»  auch  Macropedius  (s.  82)  braucht  die  hebr.  form  vgl.  DLZ  1887  sp.  1515. 
A.  F.  D.  A.    XV.  5 


66  UEILF.N    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH 

all  gileni  im  zoberir  in  mdnim  königreich. 

ich  will  hörin 

wf  si'  man  trom  erklerin, 

si  solin  mir  sugin  baj  zajtin, 

wus  der  trom.  tit  batajten. 
Potifer      loift  zii  Josef. 
Pharoh.     Loift  im  brengt  im  gischwind  her, 

den  man  herz  is  mir  schwer. 

ich  wil  im  nit  bazuhlin  im  balönin, 

of  sdn  köpf  sezin  kronin, 

ich  wil  im  balonen  [mit]  dem  ring  vin  mdner  hand, 

er  sol  herschin  iibir  dem  ganzin  land. 
und  dieser  zug  begegnet  nicht  minder  in  A,  wenn  auch  die 
reden  dabei  länger  sind,  hier  zuerst  Pharohs  anspräche  an  die 
weisen  und  Wahrsager  verbunden  mit  einer  drohuug,  wenn  sie 
die  träume  innerhalb  acht  tagen  nicht  deuten;  dann  erzählt  der 
mundschenk  von  Joseph  und  dieser  wird  gerufen,  iu  C  fehlt 
dieser  teil,  wir  sehen  Joseph  gleich  in  seiner  vollsten  glorie,  aber 
die  Übereinstimmung  zwischen  A  und  B  deutet  auf  P  und  die 
ähnlichkeil  mit  dem  spanischen  ist  sehr  auffallend. 

Wenn  es  in  ß  dann  wie  bei  Birk,  Gart,  Jordann,  Macro- 
pedius  heifst: 

Zofnos  Paneiach  is  sein  numin  of  ewig  zaj'ten, 
sajne  herlichkeit  sol  sich  in  der  ganzin  weit  ös  breitin, 
so  darf  darauf  kein  gewicht  gelegt  werden,  das  entstammt  wol 
der  gemeinsamen  quelle,  wie  bei  Diether  (s.  75  f)  werden  Josephs 
briider  von  ihm  als  spinne  erklärt,  wie  bei  Gart  unterhält  er 
sich  mit  ihnen  durch  den  mund  des  dolmetsch,  wenn  Jakow 
seine  Weigerung,  Binjumin  ziehen  zu  lassen,  ähnlich  wie  Gart 
ausdrückt,  konnte  wider  die  bibel  vermittelt  haben,  wie  bei 
Schonaeus  (s.  143)  findet  der  ausgeschickte  diener  den  becher 
sogleich  bei  Binjumin. 

Wenn  auch  nicht  dies  alles  notwendig  auf  einen  Zusammen- 
hang des  purimspieles  mit  dem  drama  des  16  jhs.  hindeutet,  so 
bleibt  doch  noch  genug,  was  ihn  höchst  wahrscheinlich  macht, 
und  der  abdruck  des  ganzen  purimspiels  in  der  fassung  B  wird 
dies  unzweifelhaft  erhärten,  ich  will  durch  längere  proben  nicht 
ermüden,  zumal  die  angeführten  genügen  dürften. 

In  A  tritt  der  pickelhäring  erst  auf,  da  die  scene  nach  Ägypten 
verlegt  wird ,  er  entspricht  dem  Morio  zb.  bei  Birk ,  übernimmt 
aber  auch  die  rolle  von  Selichas  vertrauter  kammerfrau  oder 
amme  und  Gnatos.  seine  witze  sind  unflätig,  oft  nicht  zur  sache 
gehörig,  werden  auch,  wie  seine  traumauslegung,  gar  nicht  be- 
achtet, in  B  und  C  findet  sich  keine  spur  des  pickelhärings 
oder-  des  schmendrig.  Potiphars  frau  heifst  in  A  entsprechend 
dem  Sepher  Hajaschar:  Selicha,  bei  Crocus  zuerst  wird  der  name 
Sephirach   eingeführt,      man    niochLe   fast   glauben,   dass   er  sich 


WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH  67 

dabei  an  das  hebräische  anlehnte,  fand  er  vielleicht  in  seiner 
quelle  einen  druckfehler?  nsb;  heifstSelichah  und  msT  Sephirah: 
nehmen  wir  an,  es  wären  in  Crocus  quelle  die  hebräischen  buch- 
staben  etwas  undeutlich  gedruckt  oder  gar  kaph  und  lamed  ver- 
setzt gewesen,  dann  ist  ein  verlesen  sehr  leicht  möglich  und  die 
nament'orm  bei  Crocus  erklärt:  nbsT  -ist.  natürlich  ist  diese 
Vermutung  nur  ein  versuch,  die  auttallende  namenf'orm  bei  Crocus 
zu  erklären,  zufällig  kann  er  nicht  auf  eine  Sephirach  gekommen 
sein  entsprechend  der  Selichah  des  Sepher  Hajaschar.  mir  scheint 
mein  einfall  näher  zu  liegen,  als  die  ansieht  vW.s  (s.  25  anm,  3). 

Wo  das  purimspiel  entstanden  ist,  vermag  ich  nicht  zu  sagen, 
man  könnte  nach  den  angaben  bei  Schudt  an  Prag  denken ,  von 
wo  die  Studenten  das  stück  nach  Frankfurt  brachten,  doch  reicht 
zur  entscheidung  dieses  punctes  das  mir  vorliegende  material  noch 
lange  nicht  aus.  jedesfalls  aber  ist  das  purimspiel  ein  interes- 
santer beweis  für  die  würkung  des  deutschen  dramas.  bis  nach 
Kiew,  und  bis  in  unsere  tage  können  wir  die  spur  des  alten 
Josepbspieles  verfolgen,  gewis  ein  zeichen  fruchtbarsten  nach- 
lebens. 

Der  curiosität  halber  erwähne  ich  zum  schluss  ein  werk, 
welches  wie  ein  atavismus  sich  ausnimmt:  JOSEPH.  |  DRAMMAj 
CASliMIRI  BEDEIvOVlCS.  |  Vindobon»,  |  Typis  Joan.  Thom.  Nob. 
de  Trattnern,  i  Typographi  et  Bibliopol«  avlici.  (  1778.  (58  ss.  S"). 
also  zu  einer  zeit,  da  bereits  der  höhepunct  des  sturms  und 
drangs  erreicht  ist,  erscheint  in  Wien  ein  biblisches  drama,  latei- 
nisch, abgefasst  in  einem  längst  überholten  geiste.  und  doch 
scheint  sich  die  neue  zeit  darin  zu  äufsern ,  dass  der  dialog  in 
lateinischer  prosa,  nicht  in  versen  sich  abspielt,  wir  haben  ein 
inlriguenstück  vor  uns,  welches  nur  leicht  an  die  bibel  erinnernd 
im  wesentlichen  frei  erfunden  ist.  Joseph  hat  die  träume  ge- 
deutet, Pharao  will  ihn  zum  Pro- Rex  ernennen,  nun  hat  il 
Aseneth  ihrem  vater  Putiphar  Sacerdos,  der  längere  zeit  von  Mem- 
phis lern  war,  ihre  liebe  zu  Joseph  gestanden,  ohne  seine  Zu- 
stimmung zu  einem  bunde  mit  Joseph  zu  erlangen.  Putiphar 
Dux  fürchtet  die  räche  des  von  ihm  drei  jähre  im  kerker  ge- 
haltenen Joseph,  und  so  tun  sich  die  beiden  brüder  zu  einer 
gegenaction  zusammen.  Pharao  befiehlt  (i  3),  das  beer  solle  Joseph 
huldigen,  Putiphar  Sacerdos  äufsert  ohne  erfolg  seine  bedenken 
gegen  Josephs  traumdeutung.  Aseneth  will  dem  könige  ihre  liebe 
gestehen,  wird  aber  von  ihrem  vater  daran  verhindert;  sie  will 
nicht  verzichten  (i  6),  streicht  sich  Joseph  gegenüber  heraus,  der 
jedoch  sehr  zurückhaltend  und  kalt  erscheint,  im  zweiten  acte 
kommt  es  zu  einem  religiösen  conflict,  Joseph  will  den  ägypti- 
schen göttern  nicht  opfern,  das  henulzi  Putiphar  Sacerdos,  aber 
Joseph  findet  einen  ausweg  (ii2):  habeo  repertum,  sagt  er  zu 
Pharao,  unde  tibi  quies,  mihi  securitas.  Putiphar  Dux  legt  seine 
steile   als  heerführer   nieder,   weil   das   beer  von  Joseph   nichts 


68  WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH 

wissen  wolle,  Putiphar  Sacerdos  bittet  im  namen  des  adels  und 
aller  anhänger,  Pharao  möge  nicht  um  eines  einzigen  willen  alles 
gefährden,  da  erscheint  Joseph  (ii  5)  wider  veste  indutus  viatoria 
und  nimmt  abschied,  er  will  in  sein  Vaterland  zu  seinem  greisen 
vater  zurückkehren.  Pharao  muss  endlich  widerstrebend  nach- 
geben und  Joseph  eilt  davon.  Putiphar  Sacerdos  triumphiert, 
seine  tochter  Aseneth  will  Joseph  nachfolgen ,  ihr  vater  hält  sie 
durch  die  Vorspiegelung  zurück,  er  werde  einwilligen,  wenn 
Joseph  Pro-Rex  sei;  der  chor  beklagt  das  scheiden  Josephs,  im 
dritten  act  enthüllt  sich  natürlich  die  intrigue  der  beiden  Puti- 
phare,  sie  haben  den  könig  absichtlich  über  die  Stimmung  im 
lande  geteuscht;  Joseph  wird  zurückgeholt:  Revocate,  reducite, 
aut,  si  opus,  etiam  retrahite.  Pharao  lässt  den  adel  abstimmen, 
ob  Joseph  zu  halten  oder  zu  vertreiben  sei.  die  abslimmung  er- 
folgt in  abwesenheit  des  königs  geheim.  Joseph  kehrt  zurück, 
erfährt  den  Umschwung,  nun  wird  die  urne  aufgesperrt,  alle 
kugeln  sind  weifs ,  also  für  Josephs  bleiben  (in  5).  die  beiden 
Putiphare  werden  gebracht,  es  kommt  heraus,  dass  Putiphar  Dux 
Joseph ,  weil  er  ihn  fälschlich  mit  seiner  (namenlosen)  frau  ver- 
dächtigte, hatte  einsperren  lassen,  aber  Joseph  verzeiht  ihm  und 
dem  Sacerdos  grofsmütig.  da  stürzt  sich  (iii  7)  Aseneth  zu 
Pharaos  füfsen:  Rex!  vitam  mihi  dona.  sie  gesteht  ihre  liebe 
zu  Joseph ,  der  ihr  auch  zugetan  ist,  aber  von  der  heidin  nichts 
wissen  will,  da  bekennt  sie  sich  zu  seinem  gotte  und  Pharao 
vereint  sie,  nachdem  er  auf  bitten  Josephs  allen  schuldigen  ver- 
geben hat. 

Pharao.  ..  .  Joseph  Aegypti  Pro-Rex 

0  m  n  e  s.  Vivat ! 

Pharao.        Et  novus  cum  Sponsa  Sponsus 

Omnes.  Vivat! 

Pharao.        Aegypti  amor,  gaudium,  felicitas 

Omnes.  Vivat ! 

ein  Jubelgesang  des  Chorus  Aegyptiorum  macht  den  beschluss. 

Die  intrigue  ist  plump,  Joseph  Uberfliefst  von  edelmut,  die 
characteristik  entbehrt  jeder  Wahrheit,  nur  Aseneth  erscheint 
etwas  lebensvoller;  einheit  des  ortes  und  der  zeit  wurde,  nicht 
zum  vorteil  des  ganzen,  gewahrt,  die  darstellung  ist  überaus 
schmucklos  und  schlicht. 

Der  dichter  hat  sein  werk  mit  folgender  widmuug  (s.  2)  ver- 
sehen: Dicatum  Honorihus  j  Excellentissimi ,  lllustrissimi ,  et  Re- 
verendissimi  Domini  /  Josephi  Gallyuff,  j  dum  Zagrabiensi  Ecclesiae  / 
per  Episcopalem  Consecrationem  j  xvi  Kai  Mariias,  Anno  1773.  | 
jungerelur.  er  war,  wie  schon  sein  name  zeigt,  ein  Kroate. 
Wurzbach  ii  221  gibt  an,  er  sei  in  Szigeth  am  1  märz  1728  ge- 
boren und  in  Wien  als  director  des  kroatischen  collegiums  ani 
4  mai  1781  plötzlich  gestorben,  er  war  Jesuit,  professor  der  Phi- 
losophie  und  theologie   in  Agram    und  Raab,    der  geschichte   in 


WEILEN    DER  ÄGYPTISCHE  JOSEPH  69 

Tyrnau;  nach  aufhebung  des  Jesuitenordens  (1773)  wurde  er  ca- 
nonicus  an  der  domkirclie  zu  Agram.  Wurzbach  citiert  das  Joseph- 
drama in  der  ausgäbe:  Hilaria  Collegn  Croatict  ante  cineres  seu 
drammata  de  Josepho ,  S.  Bernardo  et  Justino.  Viennae  1778 
und   1780. 

Auch  in  neuester  zeit  wird  die  geschichte  Josephs  noch  für 
katholische  gesellenvereine  in  der  weise  des  16jhs.  verarbeitet,  mir 
liegt  ein  heJt  vor:  Joseph  in  Ägypten  oder  die  verfolgte  Unschuld 
in  ihrem  triumphe.  Schauspiel  in  fünf  aufziigen.  von  Johannes 
Clericus  (Paderborn  1887).  es  ist  die  zweite  (verbesserte)  aufläge, 
die  erste  erschien  vor  10  jähren,  in  der  vorrede  s.  3  gedenkt 
der  Pseudonyme  Verfasser  eines  anderen  dramas  'vom  pfarrer 
Behrle',  welches  aber  'nur  die  letzten,  entscheidenden  momente 
der  geschichte  Josephs  ins  äuge  fasst,  während  unser  spiel  sein 
ganzes  leben  vorführt,  zudem  ist  jene  arbeit  sehr  frei,  während 
unser  stück  sich  möglichst  genau  an  den  text  der  hl.  schrift  hält.' 
ich  begnüge  mich  mit  der  inhaltsangabe,  welche  der  verf.  selbst 
s.  3  f  entwirft,  wir  sehen:  'im  ersten  aufzuge  den  groll  der 
brüder  Josephs  deutlich  hervortreten'  (aus  anlass  des  neuen  rocks 
und  der  träume,  Jacob  tadelt  Joseph  vor  den  brüdero) . . . 'im 
zweiten  aufzuge  steigert  sich  der  hass  zur  gottlosen  tat:  Joseph 
wird  unschuldig  verkauft'  (der  kaufmann  heifst  Ben  Ali),  'im 
dritten  aufzuge  treffen  wir  ihn  in  noch  gröfserem  elende,  im 
tiefsten  kerker'  (mit  Ganymed  dem  mundschenk  und  Ophni  dem 
bäcker,  Potiphar  ist  nicht  genannt,  von  dessen  frau  sagt  Joseph 
s.  28  nur  die  ranke  eines  schlechten  weibes).  'im  vierten  aufzuge  .  .  . 
legt  Joseph  dem  Pharao  seine  träume  aus  und  wird  erhoben  zum 
vice-könig  von  Ägypten,  im  fünften  ...  vollzieht  sich  die  Ver- 
söhnung mit  seinen  brüdern.'  das  drama  würde  man  dem  19  jh. 
kaum  zutrauen,  besonders  die  liedeinlagen  verraten  einen  kind- 
lichen geschmack.  Issachar  spricht  'im  jüdischen  dialect',  sonst 
ist  seine  rolle  nicht  komisch,  ich  glaubte  das  stück  erwähnen 
zu  sollen,  da  es  zeigt,  dass  die  entwickelung  des  dramas  für  ge- 
wisse kreise  seit  Jahrhunderten  still  steht,  der  'anhang'  s.  55 
gibt  Weisungen  für  die  costüme,  wobei  in  der  köstlichsten  weise 
das  gegenbild  zum  modernen  ausstattungsluxus  geliefert  wird. 

Die  von  mir  zuletzt  besprochenen  dramen  greifen,  wie  man 
sieht,  nur  dem  scheine,  nicht  dem  wesen  nach  übers  16  jh. 
hinaus;  ich  führte  sie  als  interessante  ergänzung  des  vW.schen 
buches  an,  ohne  ihm  deren  auslassung  irgendwie  zum  Vorwurf 
machen  zu  wollen. 

Lemberg  im  Januar  1888.  R.  M.  Werner. 


70  BIBLIOGRAPHIE   FÜr.    1887    lA 


Verzeichnis  dek  auf  dem  gebiete   der   neueren  deut- 
schen    LITTEKATUK    IM    JAHRE    18S7     ERSCHIENENEN    WISSEN- 
SCHAFTLICHEN   PUBLICATIONEN. 

VON  Philipp  Strauch.* 

lA.    Bibliographie.     Sammelwerke. 

Export  Journal,  bulletin  international  de  la  librairie  et  des  Industries  con- 
nexes.  internationaler  anz.  f.  bucliliandel  u.  buchgewerbe.  international  cir- 
cular  for  the  book,  paper  and  printing-trades.  hg.  u.  verlegt  von  GH  edel  er. 
Leipzig.    Ijg.    4.  [1 

Wissensch.  bibliogr.  der  welllilt.  scientific  bibliogr.  of  universal  literature. 
bibliogr.  scientifique  de  la  lilterature  universelle,  bg.  von  Herbich  u.  Rap- 
silber.     Leipzig.    Ijg.  —  Litt,  centralbl.  nr  50.  [2 

Hluslr.  rundschau  über  die  litt,  erscbeinungen  des  j.  1S87  —  hg.  von 
GMoldenhauer.     Leipzig  u.  Elbing,  Moldenhauer.     iii,  124.    8.  [3 

Seemanns  litt,  jahresber.  [u.  weihnachtscat.]  für  1887.  hg.  unter  mitwir- 
kung  von  EDobmke,  KGehlert,KHeineniann,ELehmann,  ARosen- 
berg,  OSeeuiann.  l"jg.  Leipzig,  dr.  von  Fischer  &  Willig.  176  mit  illustr. 
8.  —  Grenzboten  46,  4.  556.  [4 

Verzeichnis  der  auf  dem  gebiete  der  neueren  deutschen  litt,  im  j.  1886  er- 
schienenen wissensch.  publicationen  von  PhStrauch.  Anz.  xiii  309.  [5 
Continental  literaliire  in  1887:  Germany.  Athen,  nr  3114  (RZimmer- 
m  a  n  n).  [6 

[Eine  Zusammenstellung  einschlägiger  Übersetzungen  in  osteurop.  sprachen : 
russ.  poln.  magyar.  lett.  czech.  kroat.    Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  8].  [7 

Ribl,  der  gesammtlitt.  d.  in- u.  ausl.  Halle,  Hendel.  8.  Blumauer,  Virgils 
Äneis  travestiert.  189  (nr  166.  7).  —  Geliert,  Fabeln  u.  erzählungen.  voll- 
ständige mit  der  ältesten  verglichene  ausg.  viii,  168  (nr  99.  100).  —  Goethe, 
Clavigo.  ein  trauerspiel.  46  (nr  113).  Die  natürliche  tochter,  trauerspiel. 
Jery  u.  Rälely,  Singspiel.  100  (nr  151).  Reineke  fuchs,  episches  gedieht. 
115  (nr  130).  Stella,  trauerspiel.  Die  geschwister,  Schauspiel.  57  (nr  155).  — 
Hauff,  Das  bild  des  kaisers.  85  (nr  124).  Die  letzten  ritter  von  Marienburg. 
Othello.  102  (nr  159).  iMitteilungen  aus  den  memoiren  des  satans.  vi,  255 
(nr  122.  3).  Die  Sängerin.  Jud  Süfs.  2  novellen.  113  (nr  154).  —  H  ebel, 
Alem.  gedichte.  vni,  131  (nr  121).  —  Heine,  Atta  Troll,  ein  sommernachts- 
traum.  68  (nr  72).  Das  buch  der  üeder.  xiv,  186  (nr  70.  1).  Deutsch land. 
ein  Wintermärchen.  64  (nr  83).  Zur  gesrb.  der  religion  u.  philos.  in  Deutsch- 
land. 132  (nr  104.  5).  Die  Harzreise  [1824].  59  (nr  139).  Letzte  gedichte. 
VIII,  118  (nr  78).  Neue  gedichte.  Zeitgedichte,  xii,  108  (nr  75).  Reisebilder 
I  Memoiren,  ii  Engl,  fragmente.  iv,  274.  266  (nr  73.  4.  81.  2).  Romancero. 
IV,  147  (nr  76.  7).  Die  romantische  schule  [1833].  127  (nr  106.  7).  — 
Immermann,  AusMünchhausen.  Deroberhof.  316  (nr  118— 20).  — HvKleist, 
Das  Käthchen  von  Heilbronn  oder  die  feuerprobe.  grofses  bist,  ritterschau- 
spiel.  94  (nr  108).  Prinz  Friedrich  von  Homburg.  Schauspiel.  64  (nr  127).  — 
Körner,  Die  braut.  Der  grüne  domino.  Der  vetter  aus  Bremen.  3  lustspiele, 
59  (nr  138).  Erzählungen,  iv,  40  (nr  125).  Hedwig,  ein  drama.  49  (nr  147). 
Toni,  ein  drama.  Der  nachtwächter,  ein  lustspiel.  59  (nr  137).  —  Lessing, 
Laokoon  oder  über  die  gränzen  der  maierei  u.  der  poesie.  mit  erläut.  ver- 
schiedener puncle  der  alten  kunstgesch.  1  teil.  1766.  161  (nr  103.  4).  — 
Elaten,  Gedichte,  gesammtausg.  viii,  398  (nr  90 — 2). —  FRaimund,  Der 
Verschwender,  zaubermärchen.  77  (nr  128).  —  MvSchenkendorf,  Gedichte, 
mit  einl.  u.  anm.    xn,  232  (nr  168.  9). —  Schiller,  Die  braut  von  Messina 

*  mit  frcundL  untersiützung  von  JBolte,  AChuouet,  FMichel,  JMimor,  ENeulinc, 
OPniower,  ThReismann.  MRiess,  MRoediger,  ASaleb,  PSchlentuer,  ESchhidi,  KSchob- 
BACH,  SScHWARZ,  ThSiebs,  EStkinmeter,  R.MWerner,  HSWhite,  AWohlwill,  GWolfi?, 
BVVirss  u.  des  germ.  Seminars  zu  Wien. 


BIBLIOGRAPHIE.      SAMMELWERKE-  71 

oder  die  feindlichen  bröder.  ein  trauerspiel  mit  chören.  iv,  98(nr79).  Die  Ver- 
schwörung des  Fiesco  zu  Genua,  ein  republicanisches  trauerspiel.  100  (nr  146). 
Kabale  u.  liebe,  ein  bürgerliches  trauerspiel.  98  (nr  162).  Phädra.  trauer- 
spiel von  Racine,  ins  deutsche  übertragen.  57  (nr  158).  Die  räuber.  ein 
Schauspiel.  126  (nr  101).  —  Voss,  Homers  Ilias.  390  (nr  85— 7).  Verwand- 
lungen nach  P.  Ovidius  Naso  übers.  144  (nr  88.  9).  —  KJWeber,  Demo- 
kritos  oder  hinterlassene  papiere  eines  lachenden  philosopben.  2  bdchen. 
76.  84  (nr  160.  5).  —  Wieland,  Oberon.  ein  gedieht.  212  (nr  102.  3).  [8 
D.  nationallitt.  Ifg.  345  —  94.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr.  19.  37.  49  (Boxberger) 
vgl.  auch  Zs.  f.  deutsche  spr.  i  heft  9  (Mohr).  [9 

*Deutsch-österr.  nationalbibl.  hg.  von  HWeichelt.  heft  16—21.  Prag, 
Weichelt,  1885.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  878  (Löhner).  [10 

Kleine  hausbibl.  f.  die  Jugend,  hg.  von  ThWeyler.  Leipzig,  Gressner  & 
Schramm.  8.  Campe,  Robinson  der  jüngere,  erzählung  f.  die  Jugend  nach 
JHC.  87  (nr  13).  —  ChAGEberhard,  Hannchen  u.  die  küchlein.  64  (nr  8).  — 
vGaudy,  Venetian,  novellen.  56  (nr  14).  —  Hauff,  Ausgew.  märchen.  56 
(nr  12).  —  Heine,  Die  Harzreise,  f.  die  reifere  Jugend  beerb.  50  (nr  22).  — 
JKerner,  Die  heimatlosen,  erzählung.  31  (nr  30).  —  Musäus,  Noch 
3  legenden  von  Rübezahl.  52  (nr23).— ChvSchmid,  Die  Ostereier,  erzählung. 
45  (nr  10).  Der  Weihnachtsabend.  40  (nr  29).  —  GSchwab,  Die  schöne 
Magelone.    43  (nr  15).  [11 

Meyers  Volksbücher  nr  1 — 50.  Leipzig,  Bibliogr.  inst.  16.  —  Zs.  f.  d.  österr. 
gymn.  38,  155  (Schachinger),  vgl.  auch  ebenda  38,  953  (Schmidt)  und  Taal- 
studie  viii  6.  [12 

Dieselben.  LAvArnim,  Die  ehenschmiede.  Der  tolle  invalide.  Fürst  Ganz- 
gott u.  Sänger  Halbgott.  3  novellen.  100  (nr  349.  50)... —  MBeer,  Struensee. 
ein  trauerspiel.  126  (nr  343.4).  —  Blumauer,  VirgilsÄneis.  164  (nr 368— 70), 
—  Börne,  Aus  meinem  ta^ebuche.  66  (nr  234).  Vermischte  aufsätze  [aus- 
wahl].  59  (nr  467).  —  Brentano,  Gesch.  vom  braven  Casperl  u.  dem  schö- 
nen Annerl.  34  (nr  460).  Gockel,  Hinkel  u.  Gackeleia.  ein  märchen.  83 
(nr  235.  6).  —  Bürger,  Gedichte.  118  (nr  272.  3),  Wunderbare  reisen  u, 
abenteuer  des  frhrn  vMünchhausen.  deutsch.  84  (nr  300.  1).  —  Cha- 
misso,  Gedichte.  427  (nr  263—8).  —  AvDros  te-Hü  Ishoff,  Die  juden- 
buche.  ein  sittengemälde  aus  dem  gebirgigten  Westfalen.  47  (nr  323). 
Lyrische  gedichte.  327  (nr  479—83).  Die  schlacht  im  Loener  bruch.  erzäh- 
lendes gedieht.  62  (nr  439).  —  Fichte,  Reden  an  die  deutsche  nation.  208 
(nr  453 — 5).  —  Fouque,  Undine.  eine  erzählung.  78  (nr  285).  —  vGaudy, 
Venezianische  novellen.  197  (nr  494—6).  —  Geliert,  Fabeln  u.  erzählungen, 
176  (nr  231 — 3).  —  Goethe,  Clavigo.  ein  trauerspiel  hg.  von  HKurz.  47 
(nr  224),  Ausgew,  gedichte  hg.  von  HKurz,  160  (nr  216.7).  Italienischereise. 
348  (nr  258—62).  Die  laune  des  verliebten.  Die  geschwister.  42  (nr  434). 
Wilhelm  Meisters  lehrjahre.  ein  roman  hg.  von  HKurz.  547  (nr  201  —  7). 
Die  mitschuldigen,  ein  lustspiel  in  versen.  42  (nr  431).  Die  natürliche 
tocbter.  ein  trauerspiel.  86  (nr  432.  3),  Reineke  fuchs,  ein  gedieht  hg, 
von  HKurz.  119  (nr  186.  7),  Stella,  ein  Schauspiel  f.  liebende.  44  (nr  394). 
Xenien  von  G.  u.  Schiller.  48  (nr  208).  —  Grabbe,  Napoleon  oder  die 
100  tage,  ein  Schauspiel.  131  (nr  338.  9).  —  Grim  m  e  Ish  a  usen  ,  Der 
abenteuerliche  Simplicissimus.  eine  lebensbeschreibung.  448  (nr  278 — 83).  — 
FvHa gedorn,  Fabeln  u.  erzählungen.  162  (nr  425—7).  —  Hauff,  Der  mann 
im  mond  nebst  controverspredigt,  222  (nr415 — 7).  —  Hebel,  Schatzkästlein 
des  rhein,  hausfreundes.  207  (nr  286 — 8).  —  Heine,  Atta  Troll,  ein  sommer- 
nachtstraum.  74  (nr  410).  Buch  der  lieder.  174  (nr  243—5).  Deutschland, 
ein  Wintermärchen.  70(nr411).  Neue  gedichte.  110  (nr  246.  7).  Die  nord- 
see.  Das  buch  Le  Grand.  100  (nr  485.  6).  Reisebilder  i  Die  Harzreise.  66 
(nr  250).  Romancero.  140  (nr  248.  9).  —  Herder,  Über  den  Ursprung  der 
spräche,  von  der  acad,  der  wissensch,  zu  Berlin  im  j.  1770  gekrönte  preis- 
schrift.  102  (nr  321.  2).  Volkslieder  [Stimmen  der  völker  in  liedern].  307 
(nr  461— 4).  —  vHippel,  Über  die  ehe.  212  (nr  441—3).  —  Hölderlin, 
Gedichte.    123  (nr  190.  1).    Hyperion  oder  der  eremit  in  Griechenland.    138 


72  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887    lAB 

(nr  471.  2).  —  WvHumboldt,  Briefe  an  eine  freundin.  463  (nr  302—7).  — 
1  ff la  nd,  Die  Jäger,  ein  ländliclies  siltengemäide.  108  (nr 340.  1).  Der  Spieler, 
ein  Schauspiel.  94  (nr  395.  6).  —  Immermann,  Tristan  u.  Isolde,  ein 
gedieht  in  romanzcn.  228  (nr  428—30).  Tulifänlchen.  ein  heldengedicht.  86 
(nr  477.  8).  —  Jung-Stilli  ng,  JHJ.s  leben,  eine  wahrhafte  gesch.  von  ihm 
selbst  erzählt.  352  (nr  310—4).  —  Kant,  Von  der  macht  des  gemüts,  durch 
den  blofsen  vorsatz  seiner  kraniien  gefühle  meister  zu  sein.  hg.  u.  mit  anm. 
vers.  von  GWHufeland.  31  (nr  325).  —  HvKleist,  Die  familie  Schroffen- 
stein, ein  Irauerspiel.  99.  (nr  465.  6).  Penthesilea.  ein  trauerspiel.  102 
(nr351.  2).  —  Knigge,  Über  den  umgang  mitmenschen.    264  (nr  294— 7). 

—  Kortum,  Die  Jobsiade.  ein  com.  heldengedicht.  316  (nr  274 — 7).  — 
vKotzebue,  Die  beiden  Klingsberg,  ein  lustspiel.  76  (nr  257).  —  Lessing, 
Gedichte.  163  (nr  241.  2).  Miss  Sara  Sampson.  ein  trauerspiel.  neu  hg.  von 
FBornmüUer.  87  (nr  209.  10).  Ein  vade  mecum  f.  den  hrn  SGLange,  pastor 
in  Laublingen.  in  diesem  laschenformate  ausgefertigt.  Berlin  1754.  44(nr348). 

—  Matthisson,  Gedichte.  68  (nr  484). —  Moser,  Patriotische  phantasien 
(auswahl).  171  (nr  422  —  4).  —  Musäus,  Volksmärchen.  132.  102.  132 
(nr  225  —  30).  .^-  Novalis,  Heinrich  von  Ofterdingen.  ein  roman.  148 
(nr  497.  8).  —  Öhlen  schläger,  Correggio.    ein  Irauerspiel.  91  (nr  469.  70). 

—  Pestalozzi,  Lienhard  u.  Gertrud,    ein  buch  f.  das  volk.    403  (nr315— 20). 

—  Piaten,  Gedichte.  147  (nr  269.  70).  —  FRaimund,  Der  bauer  als 
millionär  oder  das  mädchen  aus  der  feenweit,  romant.  original-zaubermärchen. 
64  (nr  436).  Der  Verschwender,  original-zaubermärchen.  83  (nr  437.  8).  — 
Raupach,  Der  müiler  u.  sein  kind.  volksschauspiel.  54(nr  435).—  vSallet, 
Laien- evangelium.  292  (nr  487 — 90).  —  MvSchen  kendorf,  Gedichte.  88 
(nr  336.  7).  —  Schiller,  Die  braut  von  Messina  oder  die  feindlichen  brüder. 
ein  trauerspiel  mit  chören  hg.  von  HKurz.  83  (nr  184.  5).  Über  naive  u. 
Sentimentalische  dichtung.  86  (nr  346.  7).  Der  neffe  als  onkeL  ein  lustspiel 
aus  dem  frz.  des  Picard.  48  (nr  456).  Phädra.  ein  trauerspiel  von  Racine, 
übers.  56  (nr  440).  — AWvSchlegel,  Engl.  u.  span.  theater.  176  (nr356— 8). 
Griech.  u.  röm.  theater.  188  (nr  353— 5).  —  Schleiermacher,  Monologe, 
eine  ntnjahrsgabe.  60  (nr  468). —  Schubart,  Leben  u.  gesinnungen.  von 
ihm  selbst  im  kerker  aufgesetzt.  232  (nr  491 — 3).  —  GSch  wab,  DrFaustus. 
72  (nr  405).  Fortunat  u.  seine  söhne.  103  (nr  401.  2).  Der  gehörnte  Sieg- 
fried. Die  schöne  Magelone.  Der  arme  Heinrich.  82  (nr  445.  6).  Griseldis. 
Robert  der  teufel.  Die  Schildbürger  84  (nr  447.  8).  Hirlanda.  Genovefa.  Das 
schloss  an  der  höhle  Xa  Xa.  96  (nr  449.  50).  Kaiser  Octavianus.  Herzog 
Ernst.  120  (nr  406.  7).  Kleine  sagen  des  altertums.  72  (nr  309).  Die  schöne 
Melusina.  83  (nr  284).  Die  vier  Heymonskinder  108  (nr  403.  4).  —  Seume, 
Mein  leben.  107  (nr  359.  60).  Mein  sommer  1805.  154  (nr  499.  500).  — 
Tieck,  Der  alte  vom  berge,  eine  novelle.  88  (nr  290.  1).  Die  gemälde.  eine 
novelle.  72  (nr  289).  Shakespeare-novellen.  120  (nr  332.  3).  — JAvTörring, 
Agnes  Bernauer.  ein  trauerspiel.  56  (nr  393).  —  Voss,  Luise,  eine  länd- 
liche gesch.  in  3  Idyllen.  75  (nr  271). —  Wieland,  Clelia  u.  Sinibald  oder 
die  bevölkerung  von  Lampeduse.  ein  gedieht  in  10  büchern.  104  (nr  457.  8). 
Gandalin  oder  liebe  um  liebe,  ein  gedieht.  84  (nr  182.  3).  Pervonte  oder 
die  wünsche,  ein  gedieht  in  3  teilen.  46  (nr  459).  —  Zschokke,  Der 
feldweibel.  Die  Walpurgisnacht.  Das  bein.  3  novellen.  103  (nr  366.  7). 
Kleine  Ursachen,  eine  novelle.  90  (nr  363.  4).  Kriegerische  abenteuer  eines 
friedfertigen,  eine  novelle.  42  (nr  365).  Der  tote  gast,  eine  novelle.  95 
(nr  361.  2).  [13 
Universalbibl.  Leipzig,  Reclam.  16.  G h am isso,  Gedichte,  mit  biogr.  einl. 
von  OFLachmann.  xvi,  431  (nr  314  —  7).  —  vGaudy,  Schülerliebe  u. 
andere  erzählungen  u.  humoresken.  131  (nr  2319).  —  Heine,  Atta  Troll, 
ein  Sommernachtstraum.  Deutschland,  ein  wintermärchen.  hg.  von  OFLach- 
mann. 148  (nr  2261).  Buch  der  lieder.  vervollständigt  hg.  von  OFLach- 
mann. 258  (nr  2231.  2).  Die  Harzreise,  nach  AStrodtmanns  handexeniplar 
berichtigt  u.  hg.  von  OFLachmann.  86  (nr  2221).  Memoiren,  eingel.  u. 
hg.   von   OFLachmann.     84  (nr  2301).     iNeue   gedichte    hg.    von    OFLach- 


BIBLIOGRAPHIE.      SAMMELWERKE.       LITTERATURGESCHICIITE  73 

mann.     112  (nr  2241).    Roinanceio.     hg.  von  OFLachmann.    179  (nr  2251). 

—  HvKleist,  Der  zerbrochene  krug.  luslspiel.  bühnenbearb.  nach 
FLSchniidt  mit  dem  vollständigen  scenarium  von  CFWitlmann.    44  (nr  2304). 

—  Kopisch,  Gedichte,  ausgew.  u.  eingel.  von  FBrümmer.   382  (nr  2281 — 3). 

—  Lessing,  Der  hausvaler.  ein  Schauspiel  von  Diderot,  ausdemfrz.  übers. 
97  (nr  2336).  —  JvPlötz,  Der  verwunschene  prinz.  schwank,  durchges. 
u.  hg.  von  CF Wittmann,  bühneneinrichtung  mit  regieanm.  u.  den  extempores. 
59  (nr  2228).  —  Voss,  Ausgew.  idyllen  u.  lieder.  hg.  u.  eingel.  von  OFLach- 
mann.   123  (nr  2332).   Vergils  Äneide.   neu  hg.  von  OGüthling.  293  (nr  461.  2). 

—  Zschokke,  Abellino.  Schauspiel.  157  (nr  2259).  [14 
Volksbibl.  des  Lahrer  hinkenden  boten.  Lahr,  Schauenburg.  12.  Campe, 
Robinson  s.  1886  [43ü.  208  (nr  325— 32).  —  Ghamisso,  Peter  Schlemihls 
wundersame  gesch.  66  (nr  408—13).  —  Goethe,  Die  geschwister.  Die  laune 
des  verliebten.  55  (nr  417— 21).  —  Körner,  Leier  u.  schwert.  50  (nr422— 6). 

—  Musäus,  Die  bücher  der  chron.  der  3  Schwestern.  46  (nr  340—4). 
Richilde.  Volksmärchen.  39  (nr  345—8).  Rolands  knappen.  Volksmärchen. 
42  (nr  429— 32).  —  ChvSch  mid,  Rosa  von  Tannenburg.  140  (nr  349— 58). 
Der  Weihnachtsabend.  68  (nr  359 — 64).  Heinrich  von  Eichenfels.  42  (nr 
365—9).  Das  verlorene  kind.  23  (nr  433.  4).  Das  täubchen.  32  (nr  435-8). 
Das  lämmchen.  56  (nr  439— 43).  —  GSchwab,  Die  erschalTung  des  men- 
schen. 98  (nr  371— 7).  Meleager  u.  die  eberjagd.  Niobe.  Orpheus  u.  Eury- 
dice.  16  (nr  378.  9).  Die  argonaulen.  72(nr380— 5).  Heracles.  58  (nr386— 90). 
Theseus  u.  Ödipus.  56  (nr  391  —  5).  Die  nachkommen  des  Ödipus  u.  Heracles. 
56  (nr  396—400).  Die  schöne  Magelone.  44  (nr  451—5).  Der  arme  Heinrich. 
17  (nr  456-60).  Der  trojan.  krieg  i-iv,  73.  123.  94.  68  (nr  461  — 86).  — 
Zschokke,  Der  tote  gast.  116  (nr  492— 500).  [15 
Zs.  f.  vgl.  litleralurgesch.  hg.  von  MKoch.  bd.  1.  —  Frzewodnik  nauliowy 
i  literacki  xv  86  (vAntoniewicz).  [16 
Chron.  des  wiener  Goelhe-ver.  [hg.  von  KJSchröer].  —  Arch.  f.  litteratur- 
gesch.  15,  203  (vBiedermann).  Goethe-jb.  9,  310.  [17 
*Kurze  besprechungen  deutscher  u.  österr.  gymnasialprogr.  von  1886:  Gymn. 
v  423  (Hellinghaus).    685  (Saliger).                                                               [18 

iB.     LiTTERATüRGESCHICUTE.       GESAMMTDARSTELLUISGEN. 

Abriss  der  deutschen  litteraturgesch.  zum  practischen  gebrauche  f.  buchhändler 
von  LA  u  b.  mit  einem  von  FHK I  e  i  n  bearb.  anh.  Leipzig  -  Reudnitz ,  Rühle. 
IV,  173.    8.  [19 

Leitfaden  zur  deutschen  litteraturgesch.  f.  mehrclass.  bürgerschulen  von 
HDamm.    5  aufl.    Berlin,  Müller.  40.    8.  [20 

♦Egelhaaf  s.  [24.  2  aufl.  Heilbronn,  Henninger,  1882.  —  Arch.  L  d.  slud. 
d.  neueren  spr.  77,  417.  [31 

Egelhaaf  1886  [17.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  78,335.  [22 

Egelhaaf  1886  [18.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  79,  470.  [23 

Grundzüge  der  deutschen  litteraturgesch.  ein  hilfsbuch  f.  schulen  u.  zum 
privatgebrauch  von  GEgelhaaf.    5  aufl.    Heilbronn,  Henninger.  viii,  160.  8. 

—  Zs.  f.  d.  deutschen  Unterricht  i  277  (Klee).  [24 
Goedeke  s.  1886  [20.  heft  7  [schluss  des  3  bdes.  bog.  11—24].  viii, 
161-364.  8.  —  Gegenwart  nr  16  s.  255.  nr  47  s.  335.  DLZ  nr  52  (SeufTert). 
Xalionalztg.  nr  128  (EUinger).  [25 
Kurzgefassie  gesch.  der  deutschen  dichtkunst.  ein  hb.  f.  d.  deutschen  Unter- 
richt in  den  oberclassen  höherer  mädchenschulen  von  AGoerth.  Leipzig, 
Klinkhardt.  viii,  160.  8.  [26 
Zurrepetition  der  deutschen  litteraturgesch.  von  RHagen.  Nürnberg,  Korn. 
32.  8.  [27 
Hedge  1886  [21.  —  Christian  register  (Boston)  66,42.  [28 
Hirsch  1885  [17.  1886  [23.  —  unsere  zeit  i  72  (vGottschall).  [29 
Kurzer  abriss  d.  deutschen  litteraturgesch.  von  KHoffba  uer.  2  wesentlich 
veränderte  aufl.    Frankfurt  a/0.,  Harnecker  &  cie.    iii,  44.    8.                     [30 


74  BIBLIOGRAPHIE    FÜR     1887    IBC 

Hilfsbuch  beim  Unterricht  in  der  litteralurgesch.  zum  gebrauch  in  präparan- 
denanst.  u.  oberen  classeti  der  bürgerschule  von  GWHorn  (nach  mafs^abe 
des  normal-lehrplans  f.  präparandenanst.  v.  j.  1878).  3  verm.  u.  verb.  aufl. 
Langensalza,  schulbnchhandi.  viii,  158.    8.  [31 

Kirchner  1SS6  [24.  —  Litteraturbl.  f.germ.  u.  rem.  phil.  nr  10  (Lambel).  [32 
Gesell,  der  deutschen  nationallitt.  zum  gebrauche  an  höheren  unterrichtsanst. 
u.  zum  selbststud.  bearb.  von  HKluge.  18  verb.  aufl.  Allenburg,  Bonde. 
VIII.  248.    S.  [33 

♦Deutsche  litteraturgesch.  von  RKönig.  17  aufl.  Bielefeld  u.  Leipzig,  \  ei- 
hageii  &  Klasing,  1886.  —  Unsere  zeit  i  76  (vGottschall).  [34 

Abriss  der  deutschen  litteraturgesch.  ein  hilfsbuch  f.  schule  u.  haus  bearb. 
von  RKönig  mit  13  beil.  u.  67  abbildungen  im  texte.  Bielefeld  u.  Leipzig, 
Velhagen  &  Klasing.  ix,  202.  8.  —  N.  evang.  kirchenztg.  1886  sp.  733. 
Theol.  litteraturbl.  1886  nr  49  s.  470.  Balt.  monatsschr.  1886  s.  731.  Litt, 
merkur  vii  146  (Bode).  D.  litteraturbl.  ix  nr  37  (Keck).  Zs.  f.  d.  österr. 
gymn,  38, 153  (Minor).  N.  jbb.  f.  phil.  u.  päd.  136,  366  (Bötticher).  Zs.  f.  d. 
realschulwesen  s.  501.    Centralorgan  14  (48),  859.  [35 

Könnecke  1886  [27.  Ifg.  9  u.  10  (schluss).  Marburg,  Elwert,  fol.  —  Arch. 
f.  litteraturgesch.  15,  101.  204  (vBiedermann).  Nord  u.  süd  40,  120.  BU. 
f.  litt,  unlerh.  nr  3  (Schlossar).  AZ  nr  75  B  vgl.  nr  79  B  Verschiedenes  (Loh- 
naeyer).  D,  litteraturbl.  ix  nr  47  (Keck).  Litt,  centralbl.  nr  19  (Creizenach). 
Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  298  (Wastler).  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil. 
nrlO  (Koch).     Litt,  rundschau  13,92  (Hellinghaus).  [36 

WLindenianns  Gesch.  der  deutschen  litt.  6  aufl.  erste  abt.  von  den  ältesten 
Zeiten  bis  zum  anf.  des  17jtis.  hg.  unter  mitwirkung  von  FBrül  I.  Freiburg 
i/Br.,  Herder,  vni,  371.  8.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  19  (Boxberger).  [37 
JTLublin,  Primer  of  german  literature.  based  on  Kluge.  London, 
Sonnenschein.  [38 

Menge  1885  [24.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  77,  420.  [39 

Müller- Lichtenstein  1886  [30.  —  Revue  critique  nr  1  (Chuquet).  Modern 
language  notes  2,  166  (Gübel).  DLZ  nr  32  sp.  1155.  New-York  nalion 
44,  477.  [40 

Leitfaden  zur  gesch.  der  deutschen  litt,  von  FAP  i  sc  hon.  15  aufl.  bearb. 
von  ÜZernial,  Leipzig,  Reichardt.  vi,  303.  8.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  37 
(Boxberger).  [41 

Posnett  1886  [33.  —  DLZ  nr  44  (Meyer).    Dial  7,  21.  [42 

Gesch.  der  deutschen  nationallitt,  des  19  jhs.  von  LSalomon.  mit  30  portr. 
2  aufl.  Stuttgart,  Levy  6c  Müller,  viii,  663.  8.  —  Litt,  merkur  vn  97.  D. 
litteraturbl.  ix  nr  52  (Pfleiderer).  [43 

Sanders  1886  [35.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38, 153  (Minor).  Bll.  f.d.  bayr. 
gymnasialschuivvesen  23,  397  (Bauer).  Zs.  f.  d.  gymnasialwesen  41,367  (Jonas). 
Zs.  f.  d.  realschulwesen  s.  629.  [44 

Deutsche  litleraturkunde  f.  die  weibl.  Jugend  in  schule  u.  haus  von  HSaure. 
Berlin,  Herbig.    xxiii,  690.    8.  [45 

Scherer  1886  [36.  —  Unsere  zeit  i  66  (vGottschall).  [46 

Gesch.  der  deutscheu  litt,  von  WScherer.  4  aufl.  Berlin,  Weidmann. 
XII,  816.    8.  [47 

Scherr  1886  [38.  —  Litt,  merkur  vii  185.  [48 

Bildersaal  der  deutschen  litt,  von  JScherr  [aus:  Bildersaal  der  weltlitt.]. 
Stuttgart,  Kr.iner.    592.    8.  [49 

Allg.  gesch.  der  litt,  ein  hb.  in  2  bden,  umfassend  die  nationallitt,  ent- 
wickelung  sämmtl.  Völker  des  erdkreises  von  JScherr.  7  verb.,  ergänzten, 
verm.  aufl.  Ifg.  1—10.    Stuttgart,  Conradi.    viii,  488.    1—320.    8.  [50 

Schmidt  1886  [39.  —  Unsere  zeit  i  81  (vGottschall).  Westermanns  monats- 
hefte  62,  406.  D.  rundschau  52,  151  (Dillhey).  AZ  nr  156  B  (Muncker). 
Nationalztg.  nr  192.  [51 

Stern  1886  [40.  —  Unsere  zeit  i  77  (vGottschall).  [52 

Stern,    anh.  zu  1886  [42.  —  DLZ  nr  11  (.Minor).  [53 

Gesch.  der  weltlitt,  in  übersichtl.  darstellung  von  AStern.    Ifg.  1—7.    Stutt- 


LITTERATURGESCHICHTE  /O 

gart,  Rieger.  592.  8.  —  Litt,  merkur  vii  78  (Pfleiderer).  Westermanns  mo- 
natshefte  62,544.    AZ  nr  156  B  (Muncker).  [5i 

♦Widerlioluiigeii  au»  der  deutschen  iitteraturgesch.  in  kalecliet.  form  —  von 
einem  schulmanne.  3  verb.  aufl.  Leipzig,  Lesimple,  1883.  —  Zs.  f.  d.  österr. 
gymn.  38,  233  (Schmidt).  [55 

iC.      LlTTERATÜRGESCHICHTE.      MONOGRAPHIEN. 

La  poesie,  ctudes  sur  les  chefs-d'oeuvre  des  poetes  de  tous  les  temps  et  de 
tous  les  pays  par  PAlbert.    8  ed.    Paris,  Hachette.    402.    18.  [56 

Meister-Bäumker  1886  [45.  —  Litt,  centralbl.  nr  9.  [57 

Lebensbilder  aus  der  gesch.  der  kirche  u.  des  Vaterlandes  von  WBaur. 
Bremen  u.  Leipzig,  Müller,  viii,  447.  8  [behandelt  ua.  Arndt,  Gerhardt, 
Schenkendorf  u.  Spee].  —  Theol.  litteraturztg.  nr  21  (Härtung),  AZ  nr  250  B. 
Theol.  litteraturbl.  s.  307  (Gussmann).  [58 

Musikal.  discurse  [neudr.  einer  um  1700  erschienenen  Schrift]  von  JBeer. 
Kirclienmusikal.  jb.  2,  82.  [59 

Belling  1886  [48.  —  Bll.  f.  litt,  unterli.  nr  17  (Schranka).  [60 

Gymnasialreden,  nebst  beitr.  zur  gesch.  des  humanismus  u.  der  päd.  von 
HBender.  Tübingen,  Laupp.  vii,  275.  8  [berührt  JBSchupp  u.  JVAndreä].— 
Litt,  merkur  vm  63  (vSallwürk).  [61 

Am  eigrenen  herd.  ein  deutsches  hausbuch  hg.  von  iMBern.  Leipzig,  Titze. 
xxiv,  459.  12.  —  AZ  1886  nr  350  Verschiedenes.  D.  rundschau  51,  158.  [62 
Declamatorium.  eine  mustersamml.  ernster  u.  heiterer  Vortragsdichtungen 
aus  der  weltlitt.  hg.  von  iMBern  (Universalbibl.  nr  2291  —  5).  Leipzig, 
Reclam.    636,    16.  [63 

Zur  gesch.  des  romant.  von  ABiese.  Zs.  f.  vgl.  Iitteraturgesch.  u.  renais- 
sancelitt, n.  f.  I  259.  [64 
Findlinge  aus  schwäb.-augsb.  hochzeit-  u.  leichencarmina  von  ABirlinger. 
Alem,  15,  64.  [65 
Findlinge  [zur  Iitteraturgesch.  des  17  u.  18  jhs.,  ua.  zu  Schillers  Gang  nach 
dem  eisenhammer]  von  ABirlinger.  Alem.  15,  111.  [66 
Zur  Sittenkunde  von  ABirlinger.  Alem.  15,  112  [aus  Schriften  des  17  u. 
18  jhs.].  [67 
Alle  gute  Sprüche  [18 Jh.]  von  ABirlinger.  Alem.  15,125.  [68 
Bleib  treu  s.  1SS6  [55.  neue  [3]  verb.  u.  verm.  aufl.  Leipzig,  Friedrich. 
XXIII,  101.  8.  [69 
Frau  vStael,  ihre  freunde  u.  ihre  bedeutung  in  pol.  u.  litt,  von  Gh.  lady 
Blennerhassett,  geb.  gräfin  Leyden.  mit  einem  portr.  der  frau  vSt.  Berlin, 
Paetel.  viii,  521.  8  [berührt  deutsche  litt.].  —  Grenzboten  46,  2,  550.  Weser- 
ztg.  nr  14740.  Köln.  ztg.  nr  159.  257.  [70 
Begehrte  bücher  [zur  hymnol.]  von  WBode.  Bll.f.hymnol.  s.2.20.45. 171.  [71 
Das  Rebenleinsche  gesangbuch.  Der  anh.  zum  Rebenleinschen  gesangbuch, 
Hamburgl674.  von  WBode  u.  AFischer.  Bll.  f.  hymnol.  s.  28.  62.  [72 
Ratsmüdelgeschichten  von  HBöhlau.  D.  rundschau  50,453.  51,119.  438. 
52,  291.  445  [berührt  die  class.  Weimarer  zeit].  [73 
Ein  lied  auf  die  bernauer  Wolfsjagd  (16091  [von  MBracht  u.  JBerend]  mit- 
geteilt von  JBolte.  Arch.  f.  Iitteraturgesch.  15,225.  [74 
Aus  den  briefen  der  herzogin  Elisabeth  Charlotte  von  Orleans  von  JBolte. 
Alem.  15,  50.  [75 
Nürmberg.  quodlibet.  zu  Hebels  Marktweiber  in  der  stadt  von  JBolte. 
Alem.  15,  7S.  [76 
Variarum  nationum  proprietates  iii  von  JBolte.  Alem.  15, 120  [aus  Schriften 
des  17  u.  18  jhs.].  [77 
Eine  reise  zweier  württemb.  prinzen  nach  Berlin  im  j.  1613.  mitgeteilt  von 
JBolte.  Mark,  forschungen  xx  13.  auch  sep.  19.  8  [s.  20  (10)  spuren 
der  Faustsage  in  Wittenberg].  [78 
Aus  der  wittenberger  Universitätsmatrikel  1560 — 1660.  von  JBolte.  Zs. 
f.  d.  phil.  20,-SO.                                                                                         [79 


76  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887    IC 

Das  märchen  von  Hans  Pfriem  von  JBolte.  Zs.  f.  d.  phil.  20,  325  [berührt 
einschlägiges].  [80 

Idealisni  in  lilerature  by  Bradford.     The  Andover  review  nov.  [81 

Die  litt,  des  19  jhs.  in  ihren  hauptströmungen  dargest.  von  GBraiides. 
2  bd.  Die  romant.  schule  in  Deutschland.  Leipzig,  Veit  &  de.  v,  400.  8. 
—  Mag.  f.  d.  litt.  d.  in-  u.  ausl.  nr  4.  Litt,  centralbl.  nr  17.  BU.  f.  litt, 
unlerh.  nr  19  (Boxberger).  [82 

Weimar  von  GBrandes.  N.  fr,  presse  nr  8314  morgenbl.  vgl.  auch  Basler 
nachr.  nr  289.  [83 

Brandl  1886  [62.  —  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr  3  u.  Litt,  merkur 
VII  205  (Pröscholdl).  DLZ  nr  40  (Mosen).  Engl.  stud.  xi  139  (Koch).  AZ  nr  329 
Verschiedenes.  [84 

Schiller,  Goethe,  Ghamisso  et  HdeKleist.  les  auteurs  du  programme  (extraits 
relies  par  des  analyses).  La  fiancee  de  Messine,  tragedie  de  Seh.  classe  de 
rhetorique.  suivi  de:  Hermann  et  Dorothee,  Idylle  epique  de  G. ;  Marie  Stuart, 
dranie  de  Seh.;  Pierre  Schlemihl  par  Gh.;  MKohlhaas  par  HdK.,  et  oeuvres 
historiques  de  Seh.,  avec  notices  et  notes  par  Oßriois.  classe  de  seconde. 
Paris,  Delagrave.    lv,  373.    18.  [85 

A  look  round  literalure  by  RBuchanan.  London,  Ward  &  Downey. 
New-York,  Scribner  &  WelfoVd.  386.  12  [s.  54-95  Goethe,  s.  210— 7  Heine, 
s.  239  —  302  die  moderne  biilme].  —  Litt,  merkur  vii  178.  Acad.  nr  773 
(Gaine),  vgl.  nr  774  s.  165.    Literary  world  18,  148.  [86 

Eine  gereimte  augsb.  confession  (1630)  von  GBuchwald.  BU.  f.  hymnol. 
s.  92.  [87 

11  libro  deH'amore.  poesie  italiane  e  straniere  raccolte  e  tradotte  da  MACanini. 
Venezia,  Coen  &  figlio  [ua.  sind  Goethe  u.  Heine  reich  vertreten  in  guter 
übers.].  —  Gegenwart  nr  22  s.  351.  [88 

Die  geisll.  liederdichter  Schleswig-Holsteins  [nachtr.  u.  forts.  von  1886  [67] 
von  CECarstens.  Zs.  der  gesellsch.  f.  Schleswig -holstein-lauenb.  gesch. 
bd.  17.  [89 

Lettres  autographes  composant  la  collection  de  Mr  ABovet,  decriles  par 
ECharavay.  Paris,  Charavay  freres  [bietet  viel  einschlägiges,  ua.  brief 
Goethes  an  Schiller  vom  13  oct.  1795].  [90 

Poesias  liricas  alemanas  de  Heine,  ühlaud,  Zedlitz,  Rückert,  Hoflmann,  Platen, 
Hartmann  y  otros  autores,  vertidas  en  castellano  por  JClark.  Paris,  Bouret. 
158.    32.  [91 

Württemb.  väter.  bd.  1.  Von  Bengel  bis  Burk.  bilder  aus  dem  christl.  leben 
Württembergs  von  WGIaus.  Stuttgart,  Calwer  vereinsbuchhandl.  326.  8 
[behandelt  ua.  JJ Moser,  den  liederdichter  FGHiller].  —  Litt,  merkur 
VI!  257.  [92 

Deutsche  bailaden  u.  bilder.  aus  den  quellen  von  ThColshorn.  2  aufl. 
Halle,  Gesenius.    358.    8.  [93 

ßConstants  lagebücher.  Revue  internationale  heft  1.  2  [der  erste  abschnitt 
behandelt  Constants  u.  der  frau  vStael  aufenthalt  in  Weimar].  —  AZ  nr  65  B. 
vgl.  auch  Litt,  merkur  vii  123.  [94 

Heinrich  von  Villena,  ein  span.  dichter  u.  zauberer,  von  EDorer.  Arch.  f. 
d.  stud.  d.  neueren  spr.  77,  129  [berührt  JLimberg,  Denkwürdige  reisebe- 
schreibung  1690,  Ghamissos  Schlemihl,  Körners  Der  teufel  in  Salamanca].  [95 
Reden  von  Edu  Bois- Rey  mond.  2  folge,  biogr.  wissensch.  ansprachen. 
Leipzig,  Veit  &  cie.    viii,  589.    8  [berührt  mehrfach  unsere  class.].  [96 

Hamburg  im  vorigen  jh.  von  FEy fsen ha rdt  in:  Mitteil,  aus  der  stadtbibl. 
zu  Hamburg  iv.  dr.  von  Meifsner,  s.  3—38  [forts.  von  1886  [77,  aus  AvHen- 
nings  hss.,  berührt  litt.  Verhältnisse].  [97 

Mme  de  Stael  par  EFaguet.  Revue  des  deux  mondes  83,357  [berührt 
deutsche  litt.].  [98 

Figures  de  l'Allemagne  conlemporaine  par  JFastenrath.  Paris,  Savine. 
xviii,  350.  8  [behandelt  ua.  Raimunds  Verschwender.  Karl  Laroche.  Schiller- 
u.  Uhland-feiei].  —  Ell.  f.  litt,  unlerh.  nr  48  (Friedmann).  Schwab,  chron. 
9,  1462.  [99 


LITTERATURGESCHICHTE  77 

Die  allg.  lilteraturgesch,  vor  dem  richterstuhle  der  unfehlbaren  kirche  von 
CFey.  D.-evang.bll.  12,811  [mit  bezug  auf  das  1884  [17  verzeichnete  werk].  [100 
Ein  wort  über  das  lüneb.  gesangbuch  von  1625  von  AFischer.  Bll.  f. 
hymnol.  s.  49.  [101 

Das  lied  0  gott,  du  liebster  gott  u.  dessen  Umbildung  von  AFischer. 
Bll.  f.  hymnol.  s.  145.  [102 

iMach  dich  aufl",  du  Christen  hertze  (1657)  von  AFischer.  Bll.  f,  hymnol. 
s,  177.  [103 

Ein  Zittau,  dialectgedicht  aus  dem  j.  1659  von  LHFi scher.  N.  lausitz. 
mag.  62,  292  (Jahresber.  9,  24).  [104 

ThCarlyles  reiig.  u.  silti.  entwickelung  u.  Weltanschauung,  stud.  von  EFlügel. 
Leipzig,  Grunow.  xii,  280.  8  [behandelt  einschlägiges,  ua.  Goethe,  s.  Goethe- 
jb.  9,  336].  —  Engl.  stud.  xi  304  (Krummacher).  [105 

Aus  der  Jugendzeit  von  EFörster.  Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.  xii,  391. 
8  [berührt  Goethe,  vgl.  Goethe-jb.  9,  337].  [106 

Mysticismus  u.  pietismus  im  19  jh.  von  GFranck.  Bist,  taschenbuch  vi  folge. 
6  jg.  s.  195.  [107 

Die  bearbeitungen  der  gesch.  von  dem  bergmann  von  Fahlun  von  GFried- 
mann.  berliner  diss.  Berlin,  dr.  der  Berl.  börsenztg.  61.  8  [behandelt  Nüb- 
ling  (1810),  Hebel,  Rückert,  CBTrinius,  GTAHoffmann  u.  Öhlenschläger].  — 
Zs.  f.  vgl.  lilteraturgesch.  u.  renaissancelitt.  n.  f.  i  298.  [108 

Das  leben  ThCarlyles  von  JAFroude.  aus  dem  engl,  übers.,  bearb.  u.  mit 
anm.  vers.  von  ThAFischer.  2  bde.  Gotha,  Perthes,  vi,  370.  xii,  408.  S 
[berührt  Goethe  u.  Schiller].  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  14.  5  (Waldmüllei). 
Engl.  stud.  X  467  (Krummacher).  Litt,  centralbl.  nr  45.  DLZ  nr  50 
(vWeilen).  [109 

ThCarlyle.  life  by  RGarnett  (Great  writers  ed.  by  Robertson).  London, 
Scott.  xxviH,  178.  12  [mit  rücksicht  auf  Goethe  u.  Schiller  notiert].  —  Litt, 
centralbl.  nr  45.    Acad.  nr  799.    Engl.  stud.  xi  304  (Krummacher).  [110 

Ein  Prediger  aus  dem  17  jh.  mitgeteilt  von  GGeilfus.  Zürcher  taschen- 
buch n.  f.  10  jg.  [111 
Mutlerlieb  in  lust  u.  leid,  eine  festgabe,  den  deutschen  müttern  geweiht 
von  AGeorge.  Würzburg,  Stahel.  xiv,  343  mit  einer  lichtdr.-tafel  [enthält 
auch  älteres].  —  AZ  1886  nr  350  Verschiedenes.  [112 
Glässer  1886  [91.  —  Grenzbolen  46,  1,  45.  Zs.  f.  d.  gymnasialwesen  41, 
676  (Wezel).  [113 
Die  legende  von  der  pfalzgräfin  Genovefa  von  FGörres.  Westdeutsche  zs. 
f.  gesch.  u.  kunst  vi  218.  [114 
D. -Schweiz,  dichter  u.  das  moderne  naturgefühl.  zur  feier  des  lOOjähr. 
kultus  der  Schweizerreisen  von  WGötz.  Stuttgart,  Schröter  &  Meyer,  25. 
8.  —  Litt,  merkur  vii  33  (Dippel).  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  4  (Weitbrechl).  [115 
Des  Schweizerlandes  kultur  u.  weltstellung  im  Spiegel  der  dichtung.  ein 
Vaterland,  lesebuch  f.  die  Schweizerjugend  zur  pflege  nationaler  gesinnung 
hg,  von  WGötz.  Davos,  Richter,  xi,  185.  8.  [116 
Grand-Carteret  1886  [93.  —  D,  rundschau  51,  478.  Revue  critique 
nr  26  (Joret).  [117 
Grisebach  1886  [97.  —  Saturday  review  nr  1657.  [118 
Die  lilleraturwissensch.,  ihr  ziel  u.  ihr  weg  von  EG  rosse,  hallenser  diss. 
Halle,  iii,  71.  8.  [119 
Kaiserin  Maria  Ludovica  von  Österreich  von  EGuglia.  Zs.  f.  allg.  gesch., 
kultur-,  litt.-  u.  kunstgescb.  4,  264  [berührt  ihre  beziehungen  zur  deutschen 
litt.,  vgl.  1886  [749.  782.  783].  [120 
Samml.  zeitgemäfser  broschüren  von  PLHaff  ner.  Frankfurt  a/M.  u.  Luzern, 
Fösser  nachf.  362.  8  [enth.  s.  33  Goethes  Faust  als  Wahrzeichen  moderner 
kultur.  s.  74  Goethes  dichtungen  auf  sittl.  gehalt  geprüft,  s.  301  Voltaires 
epigonen  in  Deutschland].  [121 
The  Hayward  letlers,  being  a  seleclion  from  the  correspondence  of  the  late 
AHayward  (translator  of  Goethes  Faust)  1834—1884.  2  vols.  New-York. 
Scribner  &  Welford  [briefwechsel  mit  frau  vGoethe,  Tieck  usw.].           [122 


78  BIBLIOGBAPHiE    FCB    1887    IC 

Deutsches  lesebuch  aus  den  besten  dichtem  u.  Schriftstellern  zum  gebrauch 
beim  Unterricht  im  deutschen  zusammengest.  von  CHebbel  u.  PdeMont. 
3  teil.  Die  deutsche  litt,  von  1720  bis  zur  gegenwart.  mit  biogr.  u.  anm. 
Lierre,  Van  In  i-  cie.     582.    8.  [123 

FH  ebb  eis  tagebncher.  mit  einem  vorw.  hg.  von  FBamberg.  bd.  2. 
Berlin,  Grote.  592.  8.  vgl.  auch  1886  [101.  —  Grenzboten  46,  1,  22. 
Gegenwart  nr  18  (Zolling).  Litt,  centralbl.  nr  22.  ßU.  f.  litt,  unterb.  nr  22 
(Conrad!).  Beil.  zur  Bohemia  nr  159.  63.  Nord  u.  süd  42,304.  Wissensch. 
beil.  d.  Leipz.  ztg.  nr63  (Prölfs).  AZ  nr  ti.  8  B,  Westermanns  monatshefte  62, 
801  u.  Unsere  zeit  n  354.  471  (Lemniermayer).  Wiener  ztg.  nr  14—7  (Werner). 
Presse  nr  17  (Karpeles).     N.  fr.  presse  nr  8181.  2  (Königsberg).  [124 

Briefe  von  u.  an  Hegel,  hg.  von  KHegel.  2  bde  (H.s  werke  xix  1.  2). 
Leipzig,  Duncker  &  Humblot.  xii,  430.  399.  8  [bietet  manches  einschlägige]. 
—  Revue  des  deux  mondes  82,  213  (Valbert).  D.  rundschau  52,  478.  Litt, 
centralbl.  nr  38.  Grenzboten  46,  4,  25  (Borinski).  Saturday  review  nr  1657, 
Philos.  monatshefte  23,  598  (Schaarschmidt).  Mind  12,  474.  Litt,  merkur 
vm  61  (Klüpfel).  AZ  nr  125.  6  B  (Carriere).  vgl.  auch  Goethe-jb.  9,  301 .  [125 
Kulturgesch.  des  deutschen  volkes  von  OHenne  am  Rhyn.  5  (schluss-)  abt. 
bd.2.  Berlin,  Grole.  241— 412.  4  [berührt  ua.  Goethe]  (Goethe-jb.  8,323).  [126 
Hense  1886  [102.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  78,463.  [127 

Deutsches  lesebuch  f.  die  oberen  classen  höherer  lehranst.  ausw.  deutscher 
poesie  u.  prosa  mit  litterarhist.  Übersichten  u,  darsteliungen  von  JHense. 
2  teil.    Dichtung  der  neuzeit.     Freiburg  i/B.,  Herder,    mi,  438.    8.  [128 

RdeCarbonnieres,  ein  beitr.  zur  gesch.  der  stürm-  und  drangperiode  von 
FHeymach.  progr.  d.  gymn.  zu  Corbach.  Mengeringhausen,  dr.  der  Wei- 
gelschen  hofbuchdr.    20.    4.  [129 

Zur  gesch.  des  Arminiuskultus  in  der  deutschen  litt.  1  u.  2  teil  von  PvHof- 
mann-Wellenhof.  progr.  der  landesoberrealschule  zu  Graz.  52.  8. 
vgl.  1886  [107.  [130 

Dichter  u.  dichterinnen  aus  dem  hause  der  Ascanier  von  WHosäus.  forts. 
Mitteil,  des  ver.  f.  anhält,  gesch.  u.  altertumskunde  v  114.  [131 

Luise,  königin  von  Preufsen.  nach  Hudsons  Life  and  time  of  Louisa,  queen 
of  Prussia  unter  niitwirkung  von  WW  agner  selbständig  bearb.  von  RCarl 
u.  KFPfau.  rechtmäfsige  deutsche  ausg.  1  u.  2  unveränderte  aufl.  Leipzig, 
Pfau.  X,  460.  8  [berührt  ua.  ihre  beziehungen  zu  Goethe,  Schiller,  Jean  Paul]. 
—  Gegenwart  nr  52  s.  414.  [132 

Karpeles  1886  [113.  —  Litt,  centralbl.  nr  17.  [133 

Kawerau  1886  [114. —  Litt,  centralbl.  nr  28.  DLZ  nr  49  (Schmidt).  [134 
Das  bergwerk  in  der  litt,  von  WKirchbach.  Nationalztg.  nr  214.6.  [135 
Von  deutscher  dichtung  in  Böhmen  von  AKlaar.  Österr.-ungar.  revue 
III  312.   IV  66.  [136 

Ausw.  deutscher  gedichte.  im  anschluss  an  die  Gesch.  d.  d.  nationallitt,  von 
HKluge.  3verb.u.verm. aufl.mit66  portr.  Altenburg, Bonde.  vin,619.  8.  [137 
Ausw.  deutscher  gedichte  f.  d.  schulgebrauch  zusammengest.  u,  hg.  von 
FKnaulh.  mit  einem  litterargeschichtl.  überblicke,  den  biogr.  der  dichter 
u.  einem  abrisse  der  poetik.    9  aufl.    Halle,  Hendel,    vm,  350.    8.  [138 

Preufs.  hilderbuch  von  KKoberstein.  Leipzig,  Duncker  &  Humblot.  vii, 
243.  S  [darin  Der  dichter  des  Frühlings  (EvKleist),  Lützows  wilde  verwegene 
jagd  (Körner  u.  Jahn)].—  Litt,  centralbl.  nr  31.  DLZ  nr  38  (Wiegand).  Gegen- 
wart nr  43  s.  271.  Westermanns  monatshefte  63,  270.  [139 
Die  deutsche  dichtung  u.  die  befreiungskriege  von  KKoberstein.  Wester- 
manns monatshefte  62,  465.  [140 
*[Über  vgl.  litteraturgesch,  von  MKoch.  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  1. 
vgl.  DLZ  nr  14  (Burdach)].  [141 
Lebensbilder  deutscher  dichterinnen  von  MKoch.  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch. 
u.  renaissancelitt.  n.  f.  i  282  [behandelt  1885  [249.  1887  [402.  470.  474.  731. 
856.  1022].  [142 
Kohn  1886  [117.  —  Zs.  f.  deutsche  spr.  i  47.  Revue  critique  nr  6  s.  119 
(Joret).     Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  78,  469  (Arnheim).                  [143 


LITTERATURGESCHICHTE  79 

Ragende  gipfel.  beitr.  zur  litteraturgesch.  der  letzten  2  jhh.  essays  u. 
Skizzen  von  AK  oh  ut.  Minden,  ßruns.  viii,  332.  8  [behandelt  einschlägiges, 
ua.  s.  60  Goethe  u.  Manzoni].  [144 

Materiaux  pour  servir  a  l'histoire  des  etudes  allemandes  en  France  au  18* 
siecle  par  Kont.  Revue  de  l'enseignement  des  langues  Vivantes  nr  9  nov. 
[auszüge  aus  dem  Journal  etranger  u.  der  Gazette  litt,  de  l'Europe].  [145 
Landeiiberger  1SS6  [123.  —  Litt,  centralbl.  nr  24.  [146 

Leimbach  1886  [128.  bd.  7  Ifg.  3  (schluss).  321—475.  S.  —  Ell.  f.  litt, 
unterh.  nr  48  s.  766.  [147 

L'influence  de  JJRousseau  en  Alleniagne  par  Levy-Brühl.  Annales  de 
l'ecole  iibre  des  sciences  politiques  1887  ni.  [148 

Histoire  des  idees  religieuses  en  Allemagne,  depuis  le  inilieu  du  18*  siecle 
jusqu'ä  nos  jours  par  JLi ch ten berger.  3  vols.  Paris,  Fischbacher. 
370.  402.  404.    18.  [149 

EGeibel.  aus  erinnerungen,  briefen  u.  tagebüchern  von  CGTLitzmann.  Berlin, 
Hertz.  VII,  255.  8  [berührt  einschlägiges,  vgl.  Goelhe-jb.  9,  338].  —  Sonntags- 
beil, zur  Voss.  Ztg.  nr  27  (Preufs).  [150 
Der  kämpf  um  den  hist.  roman  von  HLöbner.  Gegenwart  nr  34.  [151 
Weimar  u.  seine  kunstschätze  von  WLübke.  Nord  u.  süd  41,22  [berührt 
die  Goethe-Schiller-zeit].  [152 
Mayr  1886  [136.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  4  (Weilbrecht).  Litt,  merkur 
VII  105.  Zs.  f.  d.  österr.  gymn,  38,  154  (Minor).  Litt,  centralbl.  nr  50.  Österr. 
litt,  centralbl.  nr  7  (Gassiier).  [153 
Mays  1886  [137.  —  Westermanns  monatshefte  61,564.  [154 
HMeyer  1886  [139.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  77,228.  [155 
Die  deutschen  class.  u.  das  kirchenlied  von  ÜTMeyer.  Bll.  f.  hvninol. 
s.  104.  19.  36.  49.  62.  "  [156 
Meyer  Gohn  1886  [140.  —  N.  fr.  presse  nr  8178  abendbl.  (vWeilen).  [157 
Quellenstud.  zur  litteraturgesch.  des  18  jhs.  von  JMinor.  i  Zu  WieJHnd 
[Der  unzufriedene.  Selim  u.  Selima.  Nadine.  Musarion.  Die  W.schen  Sing- 
spiele u.  Goethes  Iphigenie].  ii  Zu  Lessing  [L.s  urteil  über  den  Goetheschen 
Werlher.  Zum  Philolas].  Zs.  f.  d.  phil.  19,  219.  [158 
Quellenstud.  zur  litteraturgesch.  des  18  jhs.  von  JMinor.  1.  Zur  hamb, 
preisaussclireibung  [1775,  behandelt  Schinks  Gianetla  Montaldi,  vergleicht 
Schillers  Cosmus  von  Medici  mit  Brandes  Die  Mediceer  u.  Edinhards  Ver- 
schwörung der  Pazzi  zu  Florenz].  2.  Schiller  u.  Leisewitz.  3.  Die  rauher 
u.  Goethes  Götz.  4.  Schiller  u.  Shakespeare.  5.  Zu  Schillers  Spaziergang 
u.  Tiecks  Gestiefeltem  kater.  6.  Zum  Venuswagen  [bekanntschaft  Schillers 
mit  ÄAlbertinus,  Lucifers  seelengejaidt  u.  dem  Simplicissimus  (?)].  7.  Zu 
Goethe  [Götz,  Faust,  Unterhaltungen  deutscher  ausgewanderten,  Erwin  u. 
Elmire,  briefe  an  frau  vStein].  8.  Zu  Goethes  naturwissensch.  schriften. 
Zs.  f.  d.  phil.  20,  55.  128.  [159 
Schleswig-Holsteins  anteil  am  deutschen  evang.  kirchenliede  von  Möller. 
Zs.  der  gesellsch.  f.  schleswig-holstein-lauenb.  gesch.  bd  17.  [160 
GMonti,  Studi  critici.  Firenze,  Münster.  295.  16  [behandelt  ua.  Schiller 
u.  Goethe].  [161 
Moser  1886  [142.  —  Anz.  xiii  125  (Steinmeyer).  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  5 
(Schröter).  Litt,  merkur  vii  178.  [162 
Diejüd.kanzelberedsamkeit  im  ISjh.  vortr.von  JMüller.  Populär-wissensch. 
monatsbll.  zur  belehrung  über  das  Judentum  hg.  von  Brüll  vii  nr  3  ff.  [163 
Dichterbilder  u,  dichterstud.  aus  der  neueren  u.  neuesten  litt,  von  FAMuth 
I.  Frankfurt  a/M,,  Fösser.  vn,  357.  8.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  19  (Box- 
berger).  Stimmen  aus  Maria-Laach  32,  119.  [164 
Neil  ring,  Mickiewicz  w  literaturze  niemieckiej  [Mickiewicz  in  der  deutschen 
litt.].  —  Pamietnik  towarzystwa  literackiego  imienia  AMickiewicza  pod  re- 
dakcya  Romana'  Pilata  (Lemberg)  s.  234  (Zipper).  [165 
Das  evang.  kirchenlied  f.  schule,  seminar  u.  confirmandenunterricht  ausgew., 
erklärt  u.  disponiert  nebst  einem  anh.:  Kurzer  abriss  der  gesch.  des  kirchen- 
liedes  von  LNesemann!    Gütersloh,  Bertelsmann,  iv,  416.    8.                [166 


80  BIBLIOGRAPHIE    FÜR     1887    IC 

Wie  man  litteraturgesdi.  u.  derartige  biicher  macht  von  ENestle.  Korrespon- 
denzbl.  f.  d.  gelehrten-  u.  realschulen   Württembergs  34,  108.  [167 

Norton  1886  LTT4.  —  Litt,  cenlralbl.  nr  13.  D.  rundschau  51,  155.  [168 
ThCarlyle,  Reminiscences,  ed.  by  ChENorton.  2  vols.  London,  Macmillan  Sc 
cie.  VII,  277.325.  8  [aufgenommen  mit  rücksicht  auf  Goethe  u.  Schiller].  — Litt, 
centralbl.  nr  45.     Acad,  nr  792  (Wallace).  [169 

Von  deutscher  art.  gedichte  zur  förderung  deutscher  gesinnung  hg.vonAOhorn. 
Leipzig,  Renger.  xvi,  242.  mit  5  photozinkogr.  8  [berührt  ua.  Arndt].  [170 
Die  genesung  des  Idealismus  der  Deutschen  von  WOncken  in:  Das  Zeitalter 
der  revolution,  des  kaiserreiches  u.  der  befreiungskriege.  Berlin,  Grote. 
bd.  2  s.  377  [berührt  Kant,  Goethe,  Schiller,  Fichte].  [171 

Oesterlen  1886  [144.  —  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  339  (Weyman).  [172 
Pape  1886  [146.  —  D.  revue  xii  1,  125.  [173 

La  legende  du  mari  aux  2  femmes  par  GParis.  Revue  pol.  et  litt.  21.  [174 
Pommersche  lebens-  u.  landesbilder.  nach  gedr.  u.  ungedr.  quellen  entworfen 
vonHPetrich.  2  teil.  Aus  dem  Zeitalter  der  befreiung.  2  halbbd.  Stettin, 
Saunier,  x,  364.  8  [behandelt  ua.  EMArndt,  KGLappe].  —  DLZ  nr  33  (Lorenz). 
Litt,  centralbl.  nr  33.  Monalsbll.  hg.  von  der  gesellsch.  f.  pommersche  gesch. 
u.  altertumskunde  s.  95  (Wehrmann).  Litt,  merkur  vii  136  u.  Theol.  litteraturbl. 
s,  61  (Strehle).  [175 

Pf  äff  1886  [148.  —  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  360  (Weifsenfeis).  Zs.  f. 
d.  österr.  gymn.  38,  152  (Minor),  vgl.  ebenda  s.  325.  7.  Litteraturbl.  f. 
germ.  u.  rom.  phil.  nr  1  (Muncker),  vgl.  ebenda  nr  3  sp.  150.  Nationalztg. 
nr  452  (Ellinger).     Litt,  rundschau  13,  249.  284.  [176 

Dichterfreundinnen  von  FPfalz.  2.  Karoline  vWolzogen.  3.  Die  Titanide 
[ChvKalb].  4.  Madame  Lucifer  [Karoline  Schlegel].  Grenzboten  46,  1,  529. 
83.  3,  179.  220.  76.  4,  128.  75.  223.  [177 

Pisanski  1886  [150.  —  Litt.  centralbL  nr  38.  [178 

La  letteratura  tedesca  in  Italia.  vortr.  von  prof.  Pizzo.  N.  Zürcher  ztg. 
nr  20.  [179 

*  Festkalender  in  bildern  u.  liedern,  geistl.  u.  weltl.  von  FvPocci, 
GGörres  u.  ihren  freunden,  neue  ausg.  2  teil.  Freiburg  i/Br.,  Herder, 
1886.  —  AZ  nr  24  Verschiedenes.  Stimmen  aus  Maria -Laach  32,  111.  Litt, 
rundschau  13,  27.  [180 

Pol.lieder  aus  dem  30  jähr,  kriege  veröffentlicht  von  CPöhlmann.  Arch.  des 
bist.  ver.  von  Unterfranken  u.  Aschaffenburg  bd.  30.  [181 

Aus  LvRankes    lebenserinnerungen   mitgeteilt  von    ADove.     D.  rundschau 

51,  38  [berührt  Goethe,  Klopstock,  Schiller].  [182 
Rathgeber  1886  [153.  —  Litt,  centralbl.  nr  6.  [183 
vReinhardstöttner  1886  [154.  —  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  342  (Francke). 
DLZ  nr  37  (vWeilen).  Litt,  centralbl,  nr  49.  [184 
Aufsätze  u.  abhandiungen,  vornehml.  zur  litteraturgesch.  von  KvRein ha  rd- 
stöttner.  Berlin,  Oppenheim.  310.  8  [s.  63  Rückerts  Herodes  der  grofse. 
s.  71  Napoleon  i  in  der  zeitgenössischen  dichtung.  s.  250  Goethes  Faust  in 
Portugal  (vgl.  Goethe-jb.  9,  333)].  —  Gegenwart  nr  22  s.  350.  Zs.  f.  vgl. 
ntteraturgesch.  u.  renaissancelitt.  n.  f.  i  92  (Storck).  [185 
Über  die  beziehungen  der  ital.  litt,  zum  bayr.  hofe  u.  ihre  pflege  an  dem- 
selben von  KvReinhardstöttner.  Jb.  f.  münchner  gesch.  i  93  [bietet  einiges 
wenige  einschlägige].  [186 
Renner  1886  [155.  —  Theol.  litteraturbl.  s.  116  (Wilhelmi).  [187 
Ritschi  1886  [159.  —  Bist.  zs.  57,  476  (Gottschick).  [188 
Bilder  aus  dem  berliner  leben  von  JRodenberg.  n.  f.  1  u.  2  ausg.  Berlin, 
Paetel.  viii,  283.  8.  s.  1886  [160.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  37.  [189 
Über  litt.-stud.  als   mittel  der  erziehung  von  JRodenberg.     D.  rundschau 

52,  474  [im  anschluss  an  JMorley  On  the  study  of  literature.  the  annual 
address  to  the  students  of  the  London  society  for  the  extension  of  univer- 
sity  teaching.  delivered  at  the  Mansion  house,  febr.  26,  1887.  London,  Mac- 
millan &  cie].  [190 
Roeber  1886  [161.  —  DLZ  nr  31  (Sauer).  [191 


LITTERATURGESCHICUTE  81 

Grofse  u.  kleine  leute  in  Alt-Weimar,  novellen  von  ORoquette.  Breslau, 
Schottländer,  vin,  460,  8  [behandelt  die  Goethe-Schiller- zeit].  —  AZ  1886 
nr  344  B  (Lang).  D.  dichtung  ii  303  (Börnes).  Schwab,  chron.  s.  1633.  [192 
Künstlerbriefe  aus  den  jj.  1760—1830.  aus  dem  nachlass  von  WRossmann 
I— IX.  Wissensch.  beil.  d.  Leipz.  ztg.  nr  52.  4.  6.  8.  64.  6.  76.  8.  88  [i— iii 
enth.  briefe  von  u.  an  Friderike  Oeser].  [193 

Ruge-Nerrlich  1886  [163.  —  Bist.  zs.  57,  106.  [194 

Über  die  neuere  deutsche  prosa.  rede  von  GRümelin.  referat  in  Schwab, 
chron.  s.  2010.  Staatsanz.  f.  Württemberg  nr  262  beil.  vgl.  auch  Litt,  mer- 
kur  VIII  54.  [195 

*Fürs  deutsche  haus,  blüteniese  aus  der  bibel  u.  den  mustergiltigen  griech. 
u.  röm.  Schriftstellern,  als  der  grundlage  unserer  volks-  u.  gelehrtenbildung. 
von  DSanders.  mit  einem  titelbild  von  OWisnieski.  Berlin,  Rosenbaum, 
]  886  [bietet  einschlägiges].  —  Gegenwart  nr  28  s.  30.  [196 

Zum  100 jähr,  andenken  an  JF.  frhrn  vCotta  [von  ASchäffle].  AZ  nr  333. 
42.  3.  53.  4.  9.  60  B.  [197 

*Gesch.  der  Deutschen  in  England  von  KHSchaible.  Strafsburg,  Trübner, 
1885.  —  Engl.  Studien  x  438  (Hager).  [198 

Schieiden  1886  [167.—  Nationalztg.  nr  416  (Ellinger).  [199 

Schmidt  1886  [168.  —  Grenzboten  46,  1,  129.  Bes.  beil.  des  Staatsanz,  f. 
Württemberg  nr  7  s,  109  (Fischer).  Bll.  f.  litt,  unterh,  nr  20  (Schlossar), 
Saturday  review  nr  1657.  New-York  nation  nr  1053.  Anz.  xiii  388  (Werner). 
Litteraturbl.  f,  germ,  u.  rom.  phil.  nr  11  (Koch).  DLZ  nr  51  (Minor).  Revue 
critique  nr  51  (Chuquet),  Weser-ztg.  nr  14593.  Ztg.  f,  litt.,  kunst  u,  wissensch. 
des  Hamb.  corresp,  nr  2.  [200 

Ein  deutscher  Don  Quixote,  lustige  streiche  des  frhrn  vKyau,  weil,  comman- 
dant  der  festung  Köiiigstein.  bearb.  von  FSc hmid t-H ennigker  (Humorist, 
bücherei  8  bdclien).    Leipzig,  Leiner,    80.     12,  [201 

Gesch.  der  nl.  litt,  mit  benutzung  der  hinterlassenen  arbeit  von  FvHellwald 
verf.  u,  durch  proben  veranschaulicht  von  LSchneider  (Gesch.  der  weltlitt, 
in  einzeldarsteilungen  bd.  9).  Leipzig,  Friedrich,  xvi,  868.  8  [berührt  auch 
einschlägige  deutsche  litt.].  [202 

Lichtgedanken,  aus  deutschen  dichtem  ausgew.  von  RSchramm.  Leipzig, 
Wigand.    iii,  234.    8.  —  Bil.  f.  liü,  unterh,  nr  44  (Ziel).  [203 

Das  land  der  Bajuvaren  in  iiedern  verherlicht,  gesamm.  u.  zusammengest, 
von  GvSchulpe.  mit  einem  vorw.  von  KZettel,  Leipzig,  Friedrich,  vn, 
195,    8  [berührt  ua.  Chamisso,  Platen,  Simrock].  [204 

Die  pflege  der  poesie  in  der  Volksschule,  volkstüml.  u.  class.  gedichte, 
f.  den  gebrauch  in  volks-  u.  mittelschulen  erläut.  u.  methodisch  behandelt, 
nebst  kurzen  biogr.  der  dichter  von  LESeidel.  Langensalza,  schulbuch- 
handl.    xii,  508.    8.  [205 

Perlen  der  pessimistischen  Weltanschauung,  in  meisterwerken  der  litt,  ge- 
funden von  .MSeiling.  München,  Ackermann,  x,  140,  8.  —  Litt,  merkur 
VII  265,  *  [206 

Switzerland.  literature.  Encycl,  britannica  9  ed,  22,  796  (JSime),  [207 
Söderhjelm  1886  [182.  —  Litt,  centralbl.  nr  23  (Greizenach).  Litteraturbl. 
f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr  6  (Koch).  [208 

Springer  1SS6  [184.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  79,  112.  [209 
Springer  1886  [185.  —  Litt,  merkur  vii  121  (Koch).  [210 

Die  grofse  Stufenleiter,  ein  cap.  aus  der  gesch,  der  ideen  von  GSterne. 
2,  Von  Leibniz  bis  auf  Kant  u.  Goethe.  Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg.  nr  31.  [211 
Strackerjan  1S86  [187.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  77,  231.  [212 
S  ü  p  f  1  e  1886  [189.  —  DLZ  nr  4  (vWaldberg).  Litt,  centralbl.  nr  9.  Wester- 
manns  monatshefte  62,  134.  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  334  (.Meyer).  D. 
rundschau  53,  478.  Revue  de  l'enseignement  des  langues  Vivantes  nr  7/8 
sept.-oct.    (Veyssier).  [213 

Frz.  stud.  über  die  deutsche  litt,  vor  frau  vStael  von  ThSüpfle.  Zs.  f. 
vgl.  litteiaturgesch.  u.  renaissancelitt.  n.  f.  i  221.  [214 

Über  kriegspoesie.    ein  beitr.  zur  betrachtung  des  krieges  von   der  idealen 
A.  F.  D.  A.    XV.  6 


82  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887     ICD 

Seite  von  FT  ei  eher.  München,  Ackermann,  iv,  122.  8.  —  Grenzboten  46, 
3,  247.  [216 

Thiemann  1886  [190.  —  Bli.  f.  litt,  unterh.  nr  2  (Henne  Am-Rliyn).  D. 
revue  xii  1,  254.  DLZ  nr  10  (v Waldberg).  Westermaniis  monatshefte  62, 
134.  Litt,  centralbl.  nr  14  (Greizenach)  u.  nr  28  (Koch).  Litt,  merkur  viii  20. 
D.  litteraturbl.  x  nr  4  (Gast).  [216 

AUg.  bist,  porträtwerk,  eine  samml.  von  über  600  portr.  der  berühmtesten 
personen  aller  nationen  von  ca.  1300  bis  ca.  1840.  mit  biogr.  daten  von 
HTillmann  u.  HALier.  nach  ausw.  von  WvSeidlitz.  phototypien  nach  den 
besten  gleichzeitigen  originalen.  [5  seiie:  Dichter,  Schriftsteller,  Verleger] 
Ifg.  47  —  60.  [7  Serie:  Dichter  u.  schriftsteiler]  Ifg.  61 — 70.  München,  Ver- 
lagsanst.  f.  kunst  u.  wissensch.  ä  5  bl.  mit  je  5  bl.  text.  fol.  —  AZ  nr  196  B 
(Beiger).    Gegenwart  nr  49  s.  366.  [217 

Eines  meistersingers  hinrichtung  zu  Ulm  1608.  von  KTrautmann.  Alem. 
15,  68.  [218 

Trinius  1886  [192.  —  D.  rundschau  51,479.  Litt,  centralbl.  nr 45.  [219 
Von  der  Spree  bis  zum  Main,  eine  eisenbahnfahrt  von  der  deutschen  reichs- 
hauptstadt  zur  deutschen  krönungsstadt  von  ATrinius.  3  aufl.  (Europ. 
Wanderungen  ii).  Berlin,  Laverrenz.  vii,  167.  8  [berührt  ua.  class.  dichter- 
stätlen].  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  48.  [220 

Die  anfange  neuzeitl.  dichtung  im  württemb.  Schwaben  von  KTrost.  Zs. 
f.  allg.  gesch.,  kultur-,  litt.-  u.  kunstgesch.  4,  594.  [221 

Zur  altenb.  hymnopoeogr.  von  WTümpel.  Bll.  f.  hymnol.  s.  12.  76.  159.  [222 
Was  haben  die  deutschen  dichter  nach  den  befreiungskriegen  getan,  um  das 
deutsche  nationalbewustsein  zu  heben  u.  zu  stärken?  von  WUlrich  in: 
Bilder  aus  der  gesch.,  der  kullurgesch.  u.  dem  litt,  leben  der  Völker.  Leipzig, 
Unflad  [VI,  318.    8],  s.  193.  [223 

Eginhard  u.  Emma,  eine  deutsche  sage  u.  ihre  gesch.  ein  vortr.  von  HVarn- 
h  a  ge  n.  Arch.  f.  litteraturgesch.  15, 1.  449  [berührt  JLipsius,  Zincgref,  Omeis, 
Hofmannswaldau,  Langbein,  BNaubert,  FKratter,  Fouque,  HvChezy,  Haus- 
wald]. [224 
Der  Spectator  als  quelle  der  Discurse  der  maier  von  ThVetter.  Frauenfeld, 
Huber.  i  u.  34.  4.  —  Litt,  centralbl.  nrl7.  [225 
Chron.  der  gesellsch.  der  mahler.  1721—2.  nach  dem  ms.  der  Zürcher 
stadtbibl.  hg.  von  ThVetter  (Bibl.  älterer  Schriftwerke  der  deutschen  Schweiz 
2  Serie,  1  hefl).  Frauenfeld,  Huber.  viii,  117.  S.  —  Litt,  centralbl.  nr  46.  [226 
Die  bedeutungsentwicklung  des  Wortes  roman  von  PVölker.  Zs.  f.  rom. 
phil.  10,  485.  auch  hallenser  diss.  41.  8.  [227 
Wagner  1886  [195.  —  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  1 483  (Luber).  [228 
vWaldberg  1886  [196.  —  Revue  critique  nr  2  (Chuquet).  [229 
Verschollene  dichter,  biogr.-krit.  aphorismen  von  HWa  1  ter.  Berlin,  Nauck 
in  comm.  vi,  28.  8  [behandelt  AFresenius,  JGWetzel  u.  den  frhrn  vSonnen- 
berg].  [230 
Jugendeindrücke  u.  erlebnisse.  ein  bist,  zeitbild  von  GW  eher.  Leipzig, 
Engelmann,  viii,  295.  8  [behandelt  die  romant.  schule].  [231 
Wehl  1886  [202.  —  Unsere  zeit  i  90  (vGottschall).  AZ  nr  193.  4  B  (Bor- 
mann). [232 
Wehl  1886  [203.  —  Litt.  centralbL  nr  3.  [233 
Weitbrecht  1S86  [207.  —  Grenzboten  46,4,351.  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  19 
(Boxberger).  Litt,  merkur  vii  216  (Geiger).  D.  evang.  kirchenztg.  nr  22.  [234 
Weitbrecht-Seuffer  1886  [208.  —  Litt,  merkur  Mii  51  (Geiger).  [235 
Deutschland  vor  100  jj.  pol.  meinungen  u.  Stimmungen  bei  anbruch  der 
revolutionszeit  von  WWenck.  Leipzig,  Grunow.  viii,  276.  8  [berührt  litterar- 
geschichtl.].  —  Bll.  1.  litt,  unterh.  nr  32  (Müller).  Litt,  centralbl.  nr  35. 
Litt,  merkur  vii  279.  DLZ  nr  42  (Wohlwill).  AZ  nr  127.  9  B  (Blum).  [236 
Wetz  1886  [210.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  15,323  (Werner).  Litteraturbl. 
f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr  7  (Stiefel).  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  484  (Bober- 
lag). Zs.  f.  nfrz.  spr.  ix  108  (Mahrenholtz).  [237 
Litt,  kastentum  von  SWollerner.    Litt,  merkur  vii  133.  42.                 [238 


LITTERATDRGESCHICHTE.       DRAMA    UND    THEATER  85 

Wustmann  s.  1886  [213.  2  verra.  u.  verb.  aufl.  Leipzig,  Grunow.  xvi, 
608.  8.  —  Grenzboten  45,  4,  385  (Pfalz).  DLZ  nr  52.  Litt,  merkur  vii  90. 
D.  litteraturbl.  ixnr51  (Weitbrecht).  AZ  nr  165  B  Verschiedenes.  Litt,  rund- 
schau  13,  188  (Hellinghaus).  [239 
Das  liircheniied,  im  anschluss  an  biblische  lebensbilder  behandelt  von  OZuck. 
mit  einem  anh. :  Kurze  gesch.  des  Kirchenliedes.  2  aufl.  Bernburg,  Bac- 
meister.  viii,  267.  8.  [240 
Ähren  u.  bluten,  vgl.  1886  [219.  4  bdchen  (Volksbibl,  d.  Lahrer  hinken- 
den boten  nr  301—20).  Lahr,  Schauenburg.  52.  64.  62.  56.  12.  [241 
Berlin  im  j.  1786  1886  [220.  —  Litt,  merkur  vii  120.  DLZ  nr  11  (Erman).  [242 
Blüten  u.  perlen  deutscher  dichtung.  f.  frauen  ausgew.  von  frauenhand. 
neue  miniaturausg.  mit  10  illustr.  29  aufl.  Halle,  Gesenius.  xvi,  464.  16.  [243 
Bilder  aus  vergangener  zeit  nach  mitteil,  aus  grofsenteils  ungedr.  fami- 
lienpapieren, als  ms.  gedr.  2  teil.  Bilder  aus  KSievekings  leben.  Ham- 
burg, agentur  des  rauhen  hauses.  xi,  367.  8.  vgl.  Goethe-jb.  8,  320,  auch 
1884  [62.  [244 
Berichte  des  fr.  d.  hochstiftes  zu  Frankfurt  a/M,  hg.  vom  acad.  gesammt- 
ausschuss.  n.  f.  3  bd.  jg.  1886/7.  Frankfurt  a/M.,  Knauer.  vii,  175  u.  313 
u.  80.  8  [darin  s.  4  LGeiger,  Goethe  im  j.  1786.  eine  säcularerinnerung; 
s.  47  TliZiegler,  Schiller  u.  das  sittliche  ideal;  s.  172  JNo ver,  LUhland; 
in  den  berichten  aus  den  acad.  fachabt.  s.  11  MZiegert,  Wieland  u.  seine 
Verleger;  zu  s.  65  JCLavater  nach  dem  originalgemälde  (lichtdr.);  s.  131 
MZiegert,  Der  musiker  KEberwein  u.  Goethe;  s...  145  FR e hörn,  Das  Ver- 
hältnis Shaftesburys  zu  Lessings  Laokoon;  s.  164  RÖsten,  Deutsche  balladen- 
poesie;  s.  254  KReinhardt,  Goethes  Egmont  u.  Schillers  rec.].  [246 
Aus  der  tageslitt.  des  30  jähr,  krieges.  Belletrist.-litt.  sonntagsbeil.  der  Hamb. 
nachr.  nr  35.  [246 
Politische  verse  vom  j.  1812.  Hamb.  nachr.  nr  212  feuill.  [247 
.\us  u.  über  Hamburg,  mitleil.  aus  dem  briefwechsel  des  Schwab,  dichter- 
kreises.  Belletrist.-litt.  sonntagsbeil.  der  Hamb.  nachr.  nr21.  [248 
Wer  nicht  liebt  wein,  weib  u.  gesang  [zeugnis  aus  d.  j,  1797].  Arch.  f. 
litteraturgesch.  15,  210.  [249 
Allerlei  vom  kirchenliede.  Bll.  f.  hymnol.  nr  8.  11.  2.  [250 
Aus  dem  Karlsbade.  Nationalztg.  nr  432.  8.  [251 
[Autogr.,  in  verschiedenen  catalogen  angeboten,  insbes.  Goethe  betr.:  Goethe- 
jb.  9,  302—4].                                                                                                [252 

iD.    Geschichte  des  dramäs  xtsd  des  theaters. 

Der  Schwab,  dialect  auf  der  bühne  von  JBolte.    Alem.  15,  97.  [253 

Der  verirrte  soldat,  ein  drama  des  17  jhs.  von  JBolte.  Zs.  f.  d.  phil. 
19,  86.  [254 

Schulcomödien  in  Goslar,  auch  zu  Blankenburg  a/Harz  von  JBolte.  Zs.  des 
Harzver.  20,  553.  [255 

Jesuitencomödien  in  Posen  ums  j.  1600  von  JBolte.  Zs.  der  bist,  gesellsch. 
f,  die  provinz  Posen  3,  230.  [256 

[Über  dramatisierungen  der  Bandelloschen  novelle,  welche  Shakespeare  in  Viel 
lärm  um  nickts  verarbeitete,  durch  DBärholtz  (1644 — 92),  Kongehl  (1683)  von 
JBolte.    Jb.  d,  d.  Shakespearegesellsch.  22,  273].  [257 

Hans  unter  den  Soldaten,  eine  posse  des  17  jhs,  von  JBolte.  Jb.  f.  nd. 
sprachf.  12,  130.  vgl.  Korrespondenzbl.  d.  ver.  f.  nd.  sprachf.  xii  44 
(Sprenger).  [258 

Zur  Kunst  über  alle  künsle  (1672)  von  JB  o  1 1  e.  Arch.  f.  litteraturgesch. 
15,  446.  [259 

Zur  stettiner  theatergesch.  (1724)  von  JBolte.  MonatsblL  hg.  von  der 
gesellsch.  f.  pommersche  gesch.  u.  altertumskunde  s.  57.  112.  [260 

Le  theätre  en  Allemagne,  son  origine  et  ses  lüttes  (1200—1760)  par  JBrü- 
ning  avec  preface  de  HLapommeraye.  ouvrage  accompagne  de  gravures. 
Paris,  Plön,  Nourrit  &  cie.   xii,  300.    18.  —  DLZ  nr  50.    Athen,  nr  3125. 

6* 


84  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887    ID 

Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  u.  renaissaiicelitt.  n.  f.  i  299  (Creizenach).  Die 
natiou  iv  586  (Duboc).  [261 

Dramaturgie  der  oper  von  HBulthaupt.  2  bde.  Leipzig,  Breitkopf  &  Härtei. 
VI,  404.  322.  S  [berülirt  gelegentlich  auch  die  dichterische  behandlung  der 
einschlägigen  Stoffe].  [262 

Stud.  zur  gesch.  der  dram.  poesie  im  17  jh.  von  WCreizenach.  2.  Die 
tragödie  Der  bestrafte  brudermord  oder  prinz  Hamlet  aus  Dänemark  u.  ihre 
bedeutung  für  die  kritik  des  Shakespeareschen  Hamlet.  Ber.  der  kgl. 
sächs.  gesellsch.  der  wissensch.  phil.-hist.  cl.  39,  1.  —  Engl.  stud.  xi  141 
u.  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  u.  renaissancelitt.  n.  f.  i  107  (Pröscholdt), 
vgl.  [291.  [263 

Engl,  comödianten  in  Strafsburg  i/E.  von  JC rüger.  Arch.  f.  litteraturgesch. 
15,  113.  [264 

Dehlen  1886  [233.  —  Philos.  monatshefte  23,622  (Schaarschmidt).  [265 
Das  Stadttheater  in  Coblenz,  eine  festschr.  zum  100  jähr.  Jubiläum  am  23  nov. 
1887  von  CDommershausen.  mit  einer  ansieht  des  Innern  des  theaters, 
einem  plane  der  numerierten  sitze  u.  2  theaterzetteln  von  1788  u.  91.  Coblenz, 
Groos  in  comm.    40.     16.  [266 

Ellinger  1886  [236.  —  D.  dichtung  ii  124  (Boxberger).  Zs.  f.  d.  österr. 
gymn.  38,  205  (Werner).  [267 

Zur  Wechselwirkung  des  volks-  u.  kunstdramas  im  ausgehenden  17  u.  be- 
ginnenden 18  jh.  von  GE Hingen  Zs.  f.  d.  phil.  19,  119  [behandelt  eine 
scene  aus  ChReuters  Singspiel  Des  harlequins  hochzeitschmaufs].  [268 

Die  Don  Juan-sage  auf  der  bühne  von  KEngel.  zur  100  jähr,  feier  der 
ersten  aufführung  von  Mozarts  Don  Juan  am  29  oct.  1787.  mit  einem  anh. 
[darin  ua.  Don  Juan,  gedieht  von  ARudolf  (mit  Zugrundelegung  des  Schiller- 
schen  bruchstückes).  Zusammenstellung  von  Don  Juan-schriflen].  Dresden 
u.  Leipzig,  Pierson.  265.  8  [2  capitel  auch  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  392 
mitgeteilt].  —  Berl.  tagebl.  nr  547  (Ehrlich),  s.  auch  [272.  292.  815.  [269 
Zur  gesch.  des  liebhabertheaters.  ein  kulturhist.  beitr.  von  RFalck.  Berlin, 
Brachvogel  &  Boas,  vi,  168.  12  [berülirt  ua.  die  aufführungen  des  Goethe- 
schen  kreises  in  Weimar  u.  die  ersten  Faustaufführungen  durch  fürst  Radziwill 
in  Berlin].  —  Wissensch.  beil.  d.  Leipz.  ztg.  18S.6  nr  92  (Riffert).  Litt,  centralbl. 
nr  10.    DLZ  nr  17  (vWeilen).    Westermanns  „monatshefte  63,  272.  [270 

Das  wiener  volkstheater  von  SFeldmann.  Über  land  u.  meer  nr  43.  [271 
Mozarts  Don  Juan  1787  — 1887.  ein  beitr.  zur  gesch.  dieser  oper.  von 
RvFreisauff.  hg.  von  der  internationalen  Stiftung  Mozarteum  in  Salzburg, 
mit  9  kunstbeil.  Salzburg,  Kerber.  viii,  188.  8.  —  Berl.  tagebl.  nr  547 
(Ehrlich),    s.  auch  [269.  292.  815.  [272 

Gaedertz  1885  [166.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  77,456,  [273 
*100  jj.  des  kgl.  Schauspiels  in  Berlin  nach  den  quellen  geschildert  von 
RGenee.  Berlin,  Hofmann  &  cie,  1886.  —  Die  post  1886  nr  308  1  beil. 
feuill.  Berl.  tagebl.  1886  nr  618  (Blumenthal).  Bazar  1886  nr  46  (vPederzani- 
Weber).  D.  wochenschr.  1886  nr  28  (Lindenberg).  D.  ztg.  1886  nr  5371. 
Nord  u.  Süd  40,  268.    Litt,  merkur  vii  130  (George).  [274 

Die  natürlichkeit  u.  die  bist,  treue  in  den  theatralischen  Vorstellungen,  von 
RGenee.    AZ  nr  161.  4B.  [275 

Über  dram.  Schüleraufführungen  von  GHauber.  Korrespondenzbl.  f.  d.  ge- 
lehrten- u.  realschulen  Württembergs  34,  120.  auch  sep.  Tübingen,  Fues. 
26.  8  [berührt  im  eingang  die  geschichll.  enlwicklung  des  schuldramas].  [276 
JVelten.  ein  beitr.  zur  gesch.  des  deutschen  theaters  im  17  jh.  von  KHeine. 
hallenser  diss.    Halle  a/S.,  Niemeyer  in  comm.    63.     8.  [277 

Die  narrenweltder  bühne  von  FHelbig.  Westermanns  monatshefte  62, 654.  [278 
Hermann  1886  [239.  —  DLZ  nr  3  (Minor).  [279 

Jonas  1886  [241.  —  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  u.  renaissancelitt.  n.  f.  i  280 
(Werner).    Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr  4  (Koch).  [280 

Kern  1886  [242.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  78,  327.  [281 

Klaue ke  1886  [243.  —  Zs.  f.  d.  gymnasialwesen  41,  150  (Müller).  Litt, 
merkur  vii  201.    Bll.  f.  d.  bayr.  gymnasialschulwesen  23,  396  (Bauer).  [282 


DRAMA    Ui>D    THEATER  85 

Neue  beitr.  zur  gesch.  der  engl,  comödianten  von  GKön necke.  Zs.  f.  vgl. 
)itteraturg:esch.  u.  renaissancelitt.  n.  f.  i  85.  [28S 

Kralik- Winter  1SS6  [246.  —  Anz.  xiii  53  (Werner).  [284 

*  Gesch.  der  Karl-Franzensuniv.  in  Graz  von  FvKrones.  Graz,  Leuschner  & 
Lubensky,  1886.  darin:  s.  333  das  acad.  theater  (der  Jesuiten).  —  Litt, 
centralbl.  nr  30  (Jahresber.  9,  193).  [285 

ChWOpitz.    ADB  24,  368  (JKür sehne r).  [286 

LFPauli.    ADB25,  266  (JKürschner).  [287 

ThPeche.    ADB  25,  305  (JKürschner).  [288 

Passionsspiele  in  Fürstenfeld  von  HLange.  Mitteil.  des  bist.  ver.  f.  Steier- 
mark 35,  131  (Jahresber.  9,  122).  [289 
KBLOels.  ADB  24,  319  (HALier).  [290 
Die  entstehungszeit  [2  hälfte  des  17  jhs.]  des  ersten  deutschen  Hamlet  von 
BLitzmann.  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  u.  renaissancelitt.  n.  f.  i  6. 
vgl.  [263.  [291 
Zum  Don  Juan-jubiläum  von  PMarsop.  Gegenwart  nr  44.5  [berührt  auch 
die  fabel].  s.  auch  [269.  272.  815.  [292 
Berl.  theater  von  AMeyer.  Die  nation  iv  85  [bist,  reminiscenzen  über  Voss, 
Angely,  Kaiisch].  [293 
Beitr.  zur  gesch.  des  hamb.  theaters.  mitgeteilt  von  FXMoestl.  Hamb. 
corresp.  nr  176—8.  80.  1.  3.  4  feuill.  [294 
Die  deutsche  theaterstadt  Prag  von  AMüIler-Guttenbrunn.  D.  ztg. 
nr  5660.  [295 
Deutsche  volksbühnenspiele  von  HPöhnl.    2  bde.    Wien,  Konegen.  359.  472. 

8.  —  Grenzboten  46,  3,  531  (Necker).  AZ  nr  288  (Schlossar).  Gegenwart 
nr48  (Ebner).  Wiener  ztg.  nr  121  (Ehrlich).  [296 
Pro  1  fs  1884  [87.  —  Arch.  f.  d.  slud.  d.  neueren  spr.  78, 119  (Hölscher).  [297 
Das  hgl.  meiningsche  hoftheater,  seine  entwickelung,  seine  bestrebungen 
u.  die  bedeutung  seiner  gastspiele.  ein  führer  durch  das  repert.  der  Meininger 
von  RPrölfs.  Leipzig,  Conrad.  72.  8.  [298 
ARezek,  Eine  jesuitencomödie  zur  verherlichung  des  kaisers  Matthias  vom 
j.  1717,    Casopis  musea  krälovstvi    ceskeho   60,  388   [czechisch]  (Jahresber. 

9,  193).  [299 
Schäffer-Hartmann  1886  [280.  vgl.  Goethe-jb.  9,  287.  [300 
Die  univ.  Göttingen  im  7  jähr,  kriege,  aus  der  hslichen  chron.  des  prof. 
SChHollmannn  (1696 — 1787)  mit  erläut.  u.  beil.  hg.  von  ASchöne.  Leipzig, 
Hirzel.  xii,  82.  8  [enth.  s.  26  eine  interessante  notiz  über  die  anfange  des 
göttinger  theaters].  [301 
Eine  nachricht  über  engl,  comödianten  in  Mähren  von  ESoffe.  Anglia 
X  289.  [302 
Spengler  1886  [25S.  —  Osterr.  litt,  centralbl.  nr  2.  4  (Nagele).  Arch.  f.  d. 
stud.  d.  neueren  spr.  79,  118.  Zs.  f.  d.  realschulwesen  s.  315  (Khull).  [303 
Ein  Franzose  [Beaunoir]  als  originalverf.  eines  deutschen  theaterstückes  [Les 
libellistes  1807,  aufgeführt  in  Berlin  1792  in  der  deutschen  übers,  der  frau 
Unger].  von  ThSüpfle.  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  327,  vgl.  ebenda  477 
(Litzmann).  [304 
Teuber  1886  [260.  —  AZ  nr  307.  10.  24.  5  B  (Gundling).  [305 
Aus  dem  tagebuche  des  Niklastheaters  [prager  dilettantentheater  seit  anf. 
des  jhs.]  von  OTeuber.  Beil.  zur  Bohemia  nr275.  [306 
Die  Schauspieler  des  Hotel  de  Bourgogne  in  Basel  (1604)  von  KTrautmann. 
Arch.  f.  litteraturgesch.  15,  102.  [307 
Engl,  comödianten  in  Stuttgart  (1600.  9.  13.  4),  Tübingen  (1597)  u.  Ulm 
(1602)  von  KTrautmann.  Arch.  f.  litteraturgesch.  15,  211.  6.  [308 
Frz.  comödianten  in  Stuttgart.  Stuttgarter  ausgaben  von  dramen  PCorneilles 
(1698  u.  1706),  Eine  deutsche  Polyeucle-übers.  vom  j.  1698  von  KTraut- 
mann. Arch.  f.  litteraturgesch.  15,218.  [309 
Ital.  Schauspieler  am  bayr.  hofe  von  KTrautmann.  Jb.  f.  münchner  gesch. 
1  193  [behandelt  überhaupt  die  gesch.  des  münchner  Schauspiels  seit  anf. 
des  16  jhs.].  —  AZ  nr  229  B.  [310 


86  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887    IDE 

Das  geistl.  weihnachtsspiel  unter  den  zipser  Deutschen  von  SWeber.  Ethnol. 
mitteil,  aus  Ungarn  i  1.  [311 

Preisausscliieibungen  für  bülmenstücke  in  Deutsclilajid  von  FWe  hl.  Unsere 
zeit  I  763.  [312 

Der  blaue  stein,  von  CFWittmann  [geheimbund  deutscher  Schauspieler, 
der  seit  dem  2  decenuium  dieses  jhs.  bis  1840  bestand].  Der  Zeitgeist  (beibl. 
zum  Berl.  tagebl.)  nr41.  [313 

Die  Sturm-  u.  drangcomödie  u.  ihre  fremden  Vorbilder  von  EWolff.  Zs. 
f.  vgl.  litteraturgesch.  u.  renaissancelitt.  n.  f.  i  192.  [314 

Puppenspiel  im  früheren  Strafsburg.  Landesztg.f,Elsass-Lothringennrl09.  [315 
Das  deutsche  theater  vor  100  jj.,  beurteilt  von  einem  Franzosen.  D.  lese- 
halle  (beibl.  zum  Bed.  tagebl.)  nr  11— 26.  [316 

Leipzig  u.  sein  theater  vor  60  jähren,  aus  dem  reisetagebuch  eines  Parisers 
vom  j.  1827.     Wissensch.  beil.  d.  Leipz.  ztg.  nr  19.  [317 

Unter  fahrenden  leuten.  Grenzboten  46,  3,  155.  88  [über  herumziehende 
Puppenspieler]  (Jahresber.  9,  123).  [318 

Theaterzettel  zur  ersten  aufführung  im  alten  wiener  burgtheater  (8  april 
1776):  Die  Schwiegermutter.  Die  indianische  witwe  oder  der  Scheiterhaufen. 
Wiener  allg,  ztg.  17  sept.  abendbl.  [319 

s.  auch  [86.  426. 

iE.    Geschichte  der  poetischen  und  metrischen  form. 
*Der   Stil,    zum    gebrauche    f.   mittelschulen    u.    zum    Selbstunterricht   von 
LAuspitz.    Wien  u.  Teschen,  Prochaska,  1886.  —  Zs.  f.  d.  gymnasialwesen 
41,  565  (Jonas).     Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  771  (Schmidt).  [320 

Hb.  der  poetik.  eine  krit.-hist.  darstellung  der  theorie  der  dichtkunst  von 
HB  a  um  gart.  Stuttgart,  Gotta.  xii,  735.  8.  —  Litt,  centralbl.  nr  33.  AZ 
nr  246  B  (Dahn).  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  42  (Hermann).  Wissensch.  beil.  d. 
Leipz.  Ztg.  nrSl.  [321 

Theorie  der  prosa  u.  poesie.  ein  leitfaden  f.  den  Unterricht  in  der  Stilistik 
[rhetorik]  u.  poetik  an  gymn.  u.  verwandten  lehranst.,  wie  auch  zum  pri- 
vatgebrauche von  FBeck  [=  Lehrbuch  des  deutschen  prosaslils  f.  höhere 
unterrichtsanst.  wie  auch  zum  privatgebrauche.  7  verb.  u.  verm.  auf!.].  1  abt. 
München,  MerhofT.  xii,  266.  8.  —  Bll.  f.  d.  bayr.  gymnasialschulwesen  24, 
317  (Baldi).  [322 

Becker-Lyon  1886  [286.  —  Päd.  bU.  16,591.  [323 

Über  das  schöne,  analytische  u.  hist.-krit.  Untersuchungen  von  JBergmann. 
Berlin,  Mittler  &  söhn.  201.  8.  —  DLZ  nr41  (Glogau).  Mind  12,629.  [324 
PBertini,  Dell'  accompagnamento  della  natura  col  soggetto  principale  del 
dramma.  in:  Atti  e  mem.  d.  r.  accad.  in  Padova.  n.  s.  vol.  ni  disp. 
1—2.  [325 

Deutsche  poetik.  theoretisch-practisches  hb.  der  deutschen  dichtkunst.  nach 
den  anforderungen  der  gegenwart  von  CBeyer.  2  aufl.  3  bde.  Stuttgart, 
Göschen,     v,  xxn,  765.    xiv,  576.    xiii,  276.    8.  [326 

Die  ästhetische  naturbeseelung  in  antiker  u.  moderner  poesie  von  ABiese. 
Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  197.  407.  s.  1886  [287.  [327 

Das  erwachen  des  gefühls  f.  das  romant.  in  der  natur  am  ende  des  18  jhs. 
von  ABiese.  Ztg.  f.  litt.,  kunst  u.  wissensch.  des  Hamb.  corresp.  nr  7.  8.  [328 
Die  naturanschauung  in  der  zeit  der  perücke  u.  des  zopfes  von  ABiese. 
Ztg.  f.  litt.,  kunst  u.  wissensch.  des  Hamb.  corresp.  nr  14.  5.  [329 

Die  naturwissenschaftl.  grundlagen  der  poesie.  prolegomena  einer  reali- 
stischen ästhetik  von  WB  öl  sehe.  Leipzig,  Reifsner.  iv,  93.  8.  —  Nord 
u.  Süd  42,  445.  D.  rundschau  52,  159.  Litt,  merkur  vii  242  (Löbner).  Gegen- 
wart nr  33.  Grenzboten  46,  3,  372.  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  35  s.  558.  Der 
kunstwart  i  stück  3  (Bölsche).  [330 

Vischer  u.  Fechner  als  ästhetiker  von  WBö  Ische.  Gegenwart  nr  40.  [331 
Borinski  1886  [289.  —  Unsere  zeit  i  85  (vGottschall).  DLZ  nr  19  (SeufTert). 
Bist.  zs.  58,  124.    Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  482  (Meyer).  [332 

Calmberg  1885  [205.  —  Päd.  bll.  16,590.  [333 


DRAMA    U.ND    THEATER.       POETISCHE    UND    METRISCHE    FORM         87 

Poesie  u.  philos.  von  HGonradi.    Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  17.  [334 

♦Dichterische  einbildungskraft  u.  Wahnsinn,    rede  geh.  —  von  WDiltliey. 
Leipzig,  Duncker  &  Humblot,  1886.  —  Grenzboten  46,  4, 198.  [335 

Das  schafl'en  des  dichters,  bausteine  zu  einer  poetik  von  WDiithey  in: 
Philos.  aufsätze.  EZeller  zu  seinem  50  jähr,  doctorjubiläum  gewidmet. 
Leipzig,  Fues.  14,  482.  8.  —  DLZ  nr  40  (Ziegler).  Die  nation  iv  536  (Lass- 
witz). [336 
Zur  geschichtschreibung  der  ästhetik  von  ADöring.  Preufs.  jbb.  60,  123. 
229  [im  anschluss  an  [332.350.360.383].  [337 
Duboc  1886  [295.  —  DLZ  nr  16  (Minor).  Revue  philos.  23,  83  (Arreat). 
Philos.  monatshefte  23,  445  (Schaarschmidt).  [338 
Flögei-Ebeling  18S6  [297.  —  Österr.  litt.  centralbL  nr  1  (vFalke).  [339 
Übersetzen  u.  Übersetzungskunst  von  LFreytag.  Zs.  f.  d.  deutschen  unter- 
rjcht  I  172.  248.  [340 
Über  tragische  schuld  u.  poet.  gerechtigkeit  mit  bes.  berücksichtigung  auf  die 
frage  nach  der  zulässigkeit  schuldloser  beiden  von  JGassner.  progr.  des 
real-  u.  obergymn.  zu  Ungar.-Hradisch.  20.  8.  [341 
Bemerkungen  über  wert  u.  Wirkung  der  kunstkritik  von  HGrimm.  D.  rund- 
schau  51,  398  [berührt  Goethe].  [342 
Die  litteraturwissensch.,  ihr  ziel  u.  ihr  weg  von  EG  rosse,  hallenser  diss. 
Halle.  111,71.  8.  [343 
Gude  vgl.  1886  [304.  2  reihe.  8  umgearb.  u.  verm.  auf].  3  reihe.  7  umgearb. 
u.  verm.  aufl.  Leipzig,  Brandstetter.  viii,  385.  vi,  377.  8.  [344 
Günther  1886  [306.  —  Philos.  monatshefte  23,454  (vKleist).  [345 
Zeugnisse  u.  proteste.  gesamm.  aufsätze  über  tragische  kunst  von  GGün- 
ther,  1  reihe.  Plauen,  Neupert.  vm,  127.  8.  —  Grenzboten  46,  4,  199.  [346 
Das  Verhältnis  der  Sittlichkeit  zur  kunst,  insbes.  zur  poesie  von  PGyulay. 
Ungar,  revue  7  jg.  heft  3.  [347 
Elemente  der  philos.  i  Logik  u.  poetik.  ein  leitfaden  f.  acad.  Vorlesungen 
sowie  zum  Selbstunterrichte  von  GHagemann.  5  durcbges.  u.  verm.  aufl. 
Freiburg  i/Br.,  Herder,  ix,  213.  8.  [348 
Zur  repetition  der  dichtungsarten  u.  der  Verslehre  vonRHagen.  Nürnberg-, 
Korn.  16.  8.  [349 
Hartmann  vgl.  1886  [307.  2 — 5  Ifg.  (Ausgew.  werke,  wolfeile  ausg. 
heft  8—12.  bd.  3).  xii,  113—584.  8.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  12  (Portig). 
AZ  nr  172  B  (vGoeler-Ravensburg).  Philos.  monatshefte  23,  465  (Melzer). 
DLZ  nr  43  (Lehmann).  Acad.  nr  790  (Sully).  D.  rundschau  53,  316.  iMind 
12,  308.  Arch.  f.  gesch.  der  philos.  i  122  (Dilthey).  [350 
Philos.  der  Schönheit.  2  systematischer  teil  der  Ästhetik  von  EvHartmann. 
8  Ifgen  (Ausgew.  werke,  wolfeile  ausg.  13  —  20  heft).  Berlin,  Duncker. 
XV,  836.  8.  [351 
Der  blankvers  Shakespeares  im  drama  Lessings,  Goethes  u.  Schillers  von 
HHenkel.  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  321.  [352 
Über  das  naturgefühl  in  alter  u.  neuer  poesie  von  KKHense.  Zs.  f.  vgL 
litteraturgesch.  u.  renaissancelitt.  n.  f.  i  182.  [353 
Von  der  kunst  des  ästhetischen  geniefsens  von  MHoff mann.  Mähr.-Ostrau, 
Wattolik.  48.  8.  [354 
Humperdinck  1886  [310.  —  Gymn.  v  197  (Kern).  [355 
Jungmann  1S85  [218.  —  Grenzbolen  46,  1,  77.  120  (Borinski).  [356 
Das  kunstideal  u.  die  Schillerkrit.  OLudwigs  von  Keim,  progr.  des  real- 
u.  obergymn.  zu  SPölten.  [357 
Kern  1886  [315.  —  Korrespondenzbl.  f.  die  gelehrten-  u.  realschulen  Würt- 
tembergs 34,  557  (Ehemann),  [358 
Deutsche  Stilistik  f.  schulen  von  KKiesel.  Freiburg  i/Br.,  Herder.  256.  8. 
—  Gymn.  v  869  (Matthias).  Stimmen  aus  Maria-Laach  33,  542.  [359 
Kögel  1886  [316.  —  DLZ  nr  21.  Arch.  f.  gesch.  der  philos.  i  122  (Dilthey). 
Theol.  litteraturbl.  s.  107.  [360 
Die  Phantasie  in  der  erzählung  von  JKohler.  D.  revue  xii  3,  359.  [361 
Die  deutsche  dichtkunst.    leitfaden  zum  unterrichte  in  der  metrik  u.  poetik 


88  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887    IE.    II 

an  höheren  lehranst.,  seminarien  u.  höheren  löchterschulen ,  wie  auch  zum 
selbststud.  von  WKrause.     Berlin,  Öhmigke.  vi,  100,    8.  [362 

Eine  vernachlässigte  aufgäbe  der  litteraturgesch.  von  MLandau.  Zs.  f.  vgl. 
litteralurgesch.  i  470.  [363 

Die  poet.  u.  wissensch.  betrachtung  der  natur  von  KLasswitz.  Nord  u. 
Süd  41,270.  [364 

*  Grundzüge  der  ästhelik.  dictate  aus  den  Vorlesungen  von  HLotze.  Leipzig, 
Hirzel,  1884.  —  Philos.  monatshefte  22,427.  [365 

Über  das  phonetische  element  in  der  poesie  von  WLutosla wski.  Zs.  f. 
völkerpsychol.  17,  215.  [366 

Lyon  1886  [323.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,209  (Löhner).  [367 

Etüde  bist,  et  crit.  sur  le  realisme  dans  la  poesie  et  dans  l'art  per  CMartha. 
Seances  et  travaux  de  l'acad.  des  sciences  mor.  et  poi.  n.  s.  28,  5.  [368 
Poesie  u.  prosa,  ihre  arten  u.  formen.  4teil:prosa.  von  JMethner.  progr. 
d.  gymn.  zu  Gnesen.    26.    4.  [369 

Metz  1886  [327.  —  Mag.  f.  d.  litt.  d.  in-  u.  ausl.  56  jg.  nrl5  (Cristaller). 
Gymn.  v  380  (Buschmann).  [370 

Mommsen  1886  [330.  —  DLZ  nr  43  (Brandl).  Engl.  stud.  xi  306 
(Koch).  [371 

Der  vortr.  von  gedichten  als  bildungsmittel  u.  seine  bedeutung  f.  d.  deutschen 
Unterricht  von  WParow.  Berlin,  Gärtner.  84.  8.  —  Zs.  f.  d.  gymnasial- 
wesen  41,  462  (Schultz).  Gymn,  v  197  (Kern).  Zs.  f.  d.  deutschen  Unter- 
richt I  281  (Lyon).  [372 
Subjective  u.  objective  dichtkunst  von  KPinn.  Litt,  merkur  vii  285.  [373 
Sanders  1886  [337.  —  The  educational  times  1  febr.  Revue  critique  nr  18 
(Bauer).  Gymn.  v  448  (Blasendorff).  Schwab,  chron.  nr  90.  Gegenwart  nr  22 
s.  351.  Päd.  bll.  16,  293.  Zs.  f.  d.  gymnasialwesen  41,  368  (Jonas).  D.  rund- 
schau  53,  314.  Zs.  f.  d,  österr,  gymn.  38,  772  (Schmidt).  Nationalztg.  nr 
404  (Raab).  [374 
Schasier  1886  [338.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  7  (Portig).  [375 
Schiefsl  1886  [340.  —  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil,  nr  3  (Berlit).  [376 
Schmeckebier  1886  [341.  —  DLZ  nr  13  (Meyer).  Zs.  f.  d.  realschuiwesen 
s.  41  (Tumlirz).  [377 
Schweisthal  1886  [345.  —  Litt,  merkur  vii  105  (Dippel).  Bll.  f.  litt, 
unterh.  nr  6  s.  94.  D.  litteraturbl.  10  jg.  nr  2  s.  7  (Schaedel).  Westermanns 
monatshefte  62,  807.  [378 
Sommer  1886  [348.  —  Zs.  f.  d.  gymnasialwesen  41,  370  (Zernial).  [379 
Die  Ungeduld  als  metronom  des  dramas  von  GSpitteler.  Der  kunstwart 
I  stück  5.  [380 
La  question  de  l'art  pour  l'art  par  PStapfer.  Revue  pol,  et  litt,  nr  9. 
vgl,  Litteraturbl.  f.  germ,  u.  rom.  phil,  viii  sp.  495,  [381 
Der  kehrreim  in  der  deutschen  litt,  von  FS  tarck,  göttinger  diss,  33,  8.  [382 
vStein  1886  [350.  —  AZ  nr  16  B,  Bll,  f,  litt,  unterh.  nr7  (Portig).  D.  rund- 
schau  50,  471  (Grimm).  DLZ  nr  13  (Siebeck).  Gegenwart  nr  17  s.  271.  Mind 
12,  152.  Arch.  f.  gesch.  der  philos.  i  122  (Dilthey).  [383 
Die  ästhetik  der  deutschen  class.  von  HvStein.  separatabdr.  aus  den  Bay- 
reuther bll.  X  mai/juni.  —  Arch.  f.  gesch.  der  philos.  i  122  (Dilthey).  [384 
Stransky  1886  [352.  —  Litt,  merkur  vii  95  (Dippel).  [385 
Tumlirz  1885  [235.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  798  (Pajk),  [386 
Unbescheid  1886  [353,  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  77,  231.  [387 
Aristoteles  u.  die  schicksalstragödie  von  PWeidenbach.  progr.  des  gymn. 
zum  hl.  kreuz  in  Dresden.  Dresden,  Lehmannsche  druckerei.  xv.  4.  [388 
Welti  1886  [355.  —  Arch.  f.  d.  stud.  der  neueren  spr.  78,  466.  [389 
Methodik  des  schönen  vortr.  beim  lesen  u.  declamieren,  sowie  bei  der  freien 
rede,  für  lehranst.  u.  zum  Selbstunterrichte  von  FMWendt  (Erziehung, 
Unterricht,  Schulwesen,  samml.  päd.  Schriften  xv),  Wien,  Graeser.  viii. 
76.  8.  [390 
Phantasie  als  quelle  der  dichtung.  Der  kunstwarl  i  stück  13.  [391 
s.  auch  [115. 


VERZEICIIMS    DER    SCHBIFTSTELLER  :     ABRT BECIISTEIN  89 


n.    Alphabetisches  Verzeichnis  der  Schriftsteller. 

Abbt,  Th.:  ThA.  von  HSchuUer.     N.  jbb.  f.  phil.  u.  päd.  136,76.  [392 

Abraham  aSClara:  Magnet  u.  knoblauch.  eine  anfrage  an  die  naturwissensch. 
collegen  von  ENestle.  Korrespondenzbl.  f.  d.  gelehrten-  u.  realschulen 
Württembergs  34,  261  [eine  stelle  in  AaSGl.s  Judas  der  erzschelm  betr.]. 
vgl.  ebenda  34,  422  (Schmidt).  [393 

Wienerisches  aus  AaSGl.     Presse  nr  270.  [394 

Albertinus,  Ä,  s.  [159. 

Andrea,  JV.  :  JVA.  u.  sein  ideal  eines  christl.  Staates  von  Karo.  Jbb.  f.  prot. 
theol.  13,  260.  [395 

Landenberger  1886  [365.  —  Theol.  litteraturztg.  nr  9  (Löber).  D.  dichtung 
II  276  (vLöher).  [396 

JVA.  ein  glaubenszeuge  aus  der  zeit  des  30  jähr,  krieges,  mit  auszögen  aus 
seinen  schritten,  dargest,  von  PWurm  (Galwer  familienbibl.  bd.  6).  Calvi', 
vereinsbuchhandl.    240.    8.  —  Theol.  litteraturztg.  nr  6  (Bilfinger).  [397 

s.  auch  [61. 

Arndt,  EM.:  Stammbuchvers,  mitgeteilt  von  EStengel  in:  Frankf.  neuphil. 
beitr.  festschr.  Frankfurt,  Mahlau  &  Waldschmidt  (xii,  136.  8),  s.  52.  [398 
BAfinger  in  seinen  beziehungen  zu  A.  u.  Reuter  von  KThGaedertz.  Hamb. 
nachr.  nr  252—4  feuill.  [399 

Notiz  zu  EMA.s  Des  Deutschen  Vaterland,  von  PvHofmann- Wellen  hof. 
Arch.  f.  litteralurgesch.  15,  224.  [400 

Lösche  1885  [247.  —  Bll.  f.  d.  bayr.  gymnasialschulwesen  23,  262 
(Brunner).  [401 

s.  auch  [58.  170.  175. 

vArnim,  B.:  BvA.  von  MGarriere.  Nord  u.  süd  40,65.  auch  sep.  D.  bücherei 
heft  42.  Breslau,  Schottländer,  43.  8.  —  AZ  nr  156  B  (Muncker).  D. 
wochenschr.  nr  53.     Mag.  f.  d.  litt.  d.  in-  u.  ausl.    nr24.  [402 

vArnim,  LA.  s.  [13. 

Zu  Des  knaben  wunderhorn  xii.  xiii.  von  ABirlinger  u.  WGrecelius. 
Alem.  15,  41.  98.  [403 

Zum  Wunderhorn  von  FPfaff.  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  u.  renaissancelitt, 
n.  f.  i  264.  [404 

Arnold,  JGD.:  A.s  Pfingstmontag  von  FSchuItess.    Preufs.  jbb.  60,484.  [405 

vAuERSPERG,  A.:  Aus  AGrüns  nachlass  von  LAFrankl.  N.  fr.  presse  nr  8124.  [406 
Aus  dem  nachlasse  des  frhrn  vHofmann  [briefe  von  AGrün].  Wiener 
allg.  Ztg.  4  Jan.  morgenbl.  feuill.  [407 

Das  AGrün-denkmal  in  Graz,    lllustr.  ztg.  nr  2299.  [408 

vBabo,  FM.:  Buchholz  1886  [384.  —  Gegenwart  nr  2  (Bormann).  [409 

Bahrdt,  KF.:   KFB.   ein  litt,  characterbild   von  WKawerau.     Grenzboten  46, 
4,  15.  72.  [410 

Bälde,  J.  s.  [973. 

Bärholtz,  D.  s.  [257. 

Basedow,  JB.:  Walsemann  1886  [389.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  721.    [411 

vB.auernfeld,  E.:  Der  alte  vom  berge.  Schauspiel.  D.  dichtung  in  21.  [412 
Mädchenrache  oder  die  Studenten  von  Salamanca.  comödie.  D.  dichiuntr 
I  251.  76.  308.  [413 

Poet,  tagebuch.  in  zahmen  xenien  von  1820  bis  ende  1886.  Berlin,  Freund 
&  Jeckel.  V,  178.  8  [proben  auch  D.  dichtung  i  168.  305].  —  Gartenlaube 
nr  38.  [414 

Sprüche.   D.  dichtung  ii  27.  [415 

EvB.  von  JBayer.     D.  dichtung  i  317.  [416 

Beckstein,  L.  :  Märchenbuch  mit  84  holzschn.  nach  original -Zeichnungen  von 
LRichter.    37  aufl.     Leipzig,  Wigand.    vi,  233.    12.  [417 

Neues  deutsches  märchenbuch.  50  aufl.  volksausg.  mit  einem  titelbild  u. 
60  holzschn.     Wien,  Hartleben,    vi,  278.    8.  [418 


90  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887      II 

Beck,  JF. :  Ein  altes  festspiel  der  frankf.  bühne  (1731)  von  EMentzel.  Die 
kleine  chron.    frankf.  wochenschr.  hg.  von  Holthof  x  nr  1.  2.  [419 

Beer,  M.  s.  [13. 

Bengel,  JA.:  Zu  JAB.s  Jubiläum  von  AFischer.  BU.  f.  hymnol.  s.  103.  [420 
JAB.  zu  seinem  Jubiläum  von  RKübel.  Zs.  f.  kirchl,  wissensch.  u.  kirchl. 
leben  8,  310.  [421 

JAB.    AZ  nr  166  B  Verschiedenes.  [422 

Zur  erinnerung  an  JAB.     Schwab,  chron.  s.  1169.  94.  [423 

Stammbaum  von  dr  JAB.,  geb.  1687,  t  1752,  sowol  nachkommen  als  vor- 
fahren, nebst  photogr.  u.  eingeflochtenen,  teilweise  iislichen  familienmitteil., 
liedern,  biogr.  notizen  etc.  zusammengest.  nach  dem  stände  vom  15  dec. 
1886.  festgabe  zu  B.s  200  jähr,  geburtstage  1887.  Stuttgart,  Greiner  & 
Pfeiffer.    42.    fol.  [424 

Bertlch,  K.  s.  [821. 

BiTzius,   A.  (Jeremias  Gotthelf):   Eine   Studentenfahrt  JG.s   [reisetagebuch  vom 

sept.  1821].  eingel.  u.  hg.  von  FVetter.    Bund  (sonntagsbl.)  nr8— 16.     [425 

Blümel,  Gh.:  Der  Jude  von  Venetien,  die  älteste  deutsche  bearbeitung  des  Mer- 

chant  of  Venice.  von  JBolte.    Jb.  d,  d.  Shakespearegesellsch.  22,  189.     [426 

Blumauer,  A.  s.  [8.  13. 

BöHiME,  J. :  JB.  in:  Die  philos.  Weltanschauung  der  reformationszeit  in  ihren 
beziehungen  zur  gegenwart  von  MGarriere.  2  verm.  aufl.  (2  bde.  Leipzig, 
Brockhaus)  1,  310.  [427 

JB.  versuch  einer  übers,  in  die  spr.  der  gegenwart.  von  Fürer.  Evang. 
kirchenztg.  nr  41.  [428 

Börne,  L.  s.  [13. 

Ungedr.  briefe  von  LB.  [an  AGAMüUner].  mitgeteilt  von  KEFranzos.  D. 
dichtung  in  62.  [429 

Jeanette  Straus-Wohl  u.  ihre  beziehungen  zu  B.  von  GSchnapper-Arndt. 
Westermanns  monatshefte  62,  46.  [430 

Böttiger,  CA.  s.  [821.  1391.  1418. 
Brandes,  JCh.  s.  [159. 
Brentano,  C.  s.  [13. 

New  fairy  tales,  told  in  english  by  KFreiligrath-Kroeker  and  pictured 
by  FCarruthers  Gould.  London,  tjnwin.  4.  —  Westermanns  monatshefte 
63,408.    Acad.  nr813  s.  369.  [431 

Wondrous  tale  of  Cocky,  Clucky  and  Gackle,  translated.  London,  Hogg.  8.  [432 
Die  Llorona,  das  weinende  mädchen  der  Mexicaner  u.  ihre  Schwestern  bei 
den  Ariern  u.  Mongolen  von  EVeckenstedt.  Arch.  f.d.  stud.  d.  neueren 
spr.  77,  285  [berührt  s.  295  B.s  Loreleilied].  [433 

Brentano,  S.:  Reliquien  von  SB.  mitgeteilt  von  BSeuffert.  D.  rundschau  52, 
199  [enthält  SB.s  briefe  an  Wieland].  vgL  Schwab,  chron.  s.  2033.  [434 

Brockes,  BH.  s.  [1266. 

Brunchorst,  Gh.:  GhB.  von  WTümpel.     BIL  f.  hymnol.  s.  78.  [435 

Bürger,  GA.  s.  [13. 

Ein  neuer  beitr.  zur  litt,  des  Leonorenstoffes  [deutsche  übers,  von  2  kroat., 
2  kroat.-sloven.  u.  einem  slovak.  Leonoren-märchen]  von  BKrek.  Mag.  f. 
d.  litt.  d.  in-  u.  ausl.    nr  43.  4.  [436 

Ein  problem  der  vgl.  sagenkunde  u.  litteraturgesch.  (die  Leonorensage)  von 
KKrumbacher.    Zs.  f.  vgL  litteraturgesch.  i  214.  [437 

GAB.  u.  sein  wilder  Jäger  von  JSahr.  Zs.  f.d.  deutschen  Unterricht  i  26. 
119.  515.  37.  [438 

Zur  säcularfeier  Münchhausens.  von  RFalck.  Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg. 
nr  48.  [439 

WlBelza,  Notatka  Mickiewicza  o  Bürgerze  [bemerkung  Mickiewiczs  über 
B.].  Pamietnik  towarzystwa  literackiego  imienia  AMickiewicza  pod  redakcya 
Romana  Pi'lata  (Lemberg)  s.  1 13.  [440 

B.s  geburt.     Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  77,  125.  [441 

Burmeister,  J. :  JB.s  christl.  Martial  von  KvReinhardstöttner.  Vierteljahrschr. 
f.  kultur  u.  litt,  der  renaissance  ii  283.  [442 


VERZEICHNIS    DER    SCHRIFTSTELLER:      BECK DIETMAR  91 

Campe,  JH.:  Robinson  Crusoe,  nach  Defoe  u.  C.  hg.  u.  f.  die  Jugend  bearb. 
von  FHoffmann.  mit  (5)  farbendr.-illustr.,  gezeichnet  u.  lithogr.  von  OWoite. 
Berlin,  Drewitz.     in,  220.    8.  [443 

Robinson  der  jüngere,  ein  lesebuch  f.  kinder.  2  teile.  110  rechtmäfsige  aufl. 
mit  37  illustr.  Braunschweig,  Vieweg  &  söhn,  xiv,  116u.  156.  12.  [444 
Dasselbe.  111  rechtmäfsige  aufl.  (wolf.  ausg.  ohne  illustr.)  ebenda,  xiv, 
116  u.  156.     12.  [445 

Robinson,  i  Robinson  der  jüngere  von  JHG.  ii  Robinsons  colonie  u.  ihre 
ferneren  Schicksale  von  WHerchenbach.  2  aufl.  Mülheim,  ßagel.  222. 
128.     8.  [446 

Robinson,  ein  lesebuch  f.  kinder.  mit  6  farbendr.-bildern  nach  aquarellen 
von  COfterdinger.    7  verb.  aufl.    Stuttgart,  Loewe.     iv,  114.    4.  [447 

Robinson  der  jüngere,  ein  lesebuch  f.  kinder.  2 — 4  aufl.  Oranienburg, 
Freyhofl".    185.     12.  [448 

Robinson  Crusoe,  eine  erzählung  f.  die  Jugend,  grofse  ausg.  mit  4  farbendr.- 
bildern.  Berlin,  Liebau.  148.  8.  [449 
Dasselbe,  kleine  ausg,  mit  3  chromolithogr.  ebenda,  63.  8.  [450 
El  nuevo  Robinson.  —  traducida  al  castellano  con  varias  correcciones  per 
Tdelriarte.  nueva  ed.  Paris,  Garnier,  xi,  374.  18.  [451 
s.  auch  [11.  15.  1428. 

JHG.  als  Vorkämpfer  f.  die  reinheit  der  mutterspr.  von  FK  o  1  d  e  w  e  y.  Grenz- 
boten 46,  2,  357.  [452 
vCamtz,  FRL.:  FRLvC,  sein  Verhältnis  zu  dem  frz.  classicismus  u.  zu  den  lat. 
Satirikern  nebst  einer  Würdigung  seiner  dichterischen  tätigkeit  f.  die  deutsche 
litt,  von  VLutz,  heidelberger  diss,  Neustadt  a/H.  (München,  Kaiser). 
83.  8.  [453 
vChamisso,  A.  s.  [13.14.15,85. 

L'homme  qui  a  perdu  son  ombre  (Pierre  Schlemihl).  traduction  nouvelle 
par  JGeny,  avec  etude  sur  la  vie  et  l'oeuvre  de  Gh.  Paris,  Gautier. 
32.     8.  [454 

Merveilleuse  histoire  de  Pierre  Schlemihl.  texte  allemand,  public  avec  une 
notice  et  des  notes  en  fran^ais  parGKoell.  Paris,  Hachette.  viii,95.  16.  [455 
Merveilleuse  histoire  de  Pierre  Schlemihl,  ou  l'homme  qui  a  perdu  son  ombre. 
trad.  fian(;aise.     Paris,  Hachette.    iv,  92.    16.  [456 

HGAndersens  briefwechsel  mit  dem  grofsherzog  Carl  Alexander  von  Sachsen- 
Weimar-Eisenach  u.  anderen  Zeitgenossen  hg.  vonEJonas.  Leipzig,  Fried- 
rich. XVI,  284.  8  [berührt  Ch.].  [457 
Ch.-büste.  Gartenlaube  nr  15  s.  237.  54.  [458 
[Ch.-denkmal  in  Berlin.  Revue  critique  nr  39  s.  224].  [459 
s.  auch  [204. 
vChezy,  H.  s.  [224. 
Glauben,  H.  s.  [994. 

CoBER,  G.:  Geyer  1886  [440.  —  Theol.  litteraturztg.  nr  9.  [460 

VGOCHEM,  M.  s.   [1132  ff". 

Crugot,  M.:  Manchot  1886  [443.  —  Litt,  merkur  vii  112  (Reinhardstöttner). 

DLZ  nr  27  (Minor).     Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  31  (Buchner).  [461 

Crüsius  vKrusenstiern,  Ph.:  PhGvK.  ein  rehabilitierter  balt.  dichter  von  BGordt. 

aus:  Sitzungsber.   der  gelehrten   estn.  gesellsch.     Mitau.     Hamburg,  Behre. 

20.     8.  [462 

CüNRADUs,  G. :   CG.  u.  seine  Prosopographia  melica   von  WGrecelius.     Arch. 

f.  litteraturgesch.  15,  334.  [463 

Dach,  S.:  Ännchen  von  Tharau.    Landesztg.  f.  Elsass-Lothringen  nr  138.     [464 

Dethardi-ng,  GA.  :  Hoffory-Schlenther  1886  [444.  445.    —    Westermanns 

monatshefte  62,  136.     Die  post  nr  342  beil.  1.  [465 

Dasselbe.  Ifg.  9.  10  (schluss).     Berlin,  Reimer,     xv,  *  123  (bd.  1).    iii,385  — 

540  (bd.  2).     8.  [466 

DiETL,  GA.:  1886  [447  auch  in:   Hist.  vortrage  u.  stud.  von  KThHeigel.    3  f. 

München,  Rieger.    vii,  365.    8.  [467 

Dietmar,  B. :    BD.     leben  eines  evang.   pfarrers   im   früheren  markgräfl.    amt 


92  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887     II 

Kitzingen  von  1592—1670,  von  ihm  selbst  erzählt,  zugleich  ein  beitr.  zur 
gesch.  des  30  jähr,  krieges  in  Franken,  mit  erläut.  Zusätzen  hg.  von  VW'irth. 
Kitzingen,  Stahel.    182.    8.  [468 

Drollinger,  KF.:  kfd.  von  KTrost.  Zs.  f.  allg.  gesch.,  kultur-,  litt.-  u.  kunst- 
gesch.  4,  379.  [469 

vDroste-Hülshoff,  AE. :  Gesamm.  werke,  hg.  von  EvDroste-Hülshoff.  nach 
dem  hslichen  nachlass  verglichen  u.  ergänzt,  mit  biogr.  einl.  u.  anm.  vers. 
von  WKreiten.  1  bd.  1  hälfte.  AEvD.-H.  ein  characterbild  als  einl.  in 
ihre  werke,  nach  den  gedr.  u.  ungedr.  quellen  entworfen  von  WKreiten. 
Münster,  Schöningh.  xxiii,  592.  8.  vgl.  1886  [448.  449.  —  AZ  nr76.  7  B 
(Hüffer).  Stimmen  aus  Maria-Laach  32,  569  (Gietmann).  Hist.-pol.  bll.  100, 
273.     DLZ  nr40  (Frey).  [470 

s.  auch  [13. 

Gedichte.  3  aufl.  mit  erklärung  schwer  verständl.  Wörter.  Paderborn, 
Schöningh.    vm,  512.    12.  [471 

Die  dichterin  AvD.-H.  von  ThEbner.    D.-evang.  bll.  12,176.  [472 

AvD.-H.  von  JHart.     Nationalztg.  nr45.  55.  [473 

AvD.-H.  u.  ihre  werke,  vornehml.  nach  dem  litt,  nachlass  u.  ungedr.  briefen 
der  dichterin  von  HHüffer.  Gotha,  Perthes,  xviii,  368.  8.  —  D.  revue 
XII  3,  256.  Wissensch.  beil.  d.  Leipz.  ztg.  nr  62  (Müller-Frauenstein).  Hist.- 
pol.  bll.  100,  273.  DLZ  nr  40  (Frey).  Litt,  merkur  vii  295.  Litt,  centralbl. 
nr49.  Ztg.  f.  litt.,  kunst  u.  wissensch.  des  Hamb.  corresp.  nr  13  (Wohlwill). 
Nationalztg.  nr  410,     Die  nation  iv  682.  [474 

Eberhard,  ChAG.  s.  [11. 

EccARD,  M.  geb.  Bornhold:  ME.,  eine  vergessene  dichterin  von  JB ölte.  Korre- 
spondenzbl.  d.  ver.  f.  nd.  sprachf.  xii  18.  [476 

Eckermann,  JP.:  Erinnerung  an  E.  von  HRollett.  Chron.  des  wiener  Goethe- 
ver.  1,  54.  [476 

Edinhard,  G.  s.  [159. 

vEiCHENDORFF,  J. :  Sämmtl.  poet.  werke.  1  Ifg.  Leipzig,  Amelang,  o.  j.  80.  8. 
—  Gegenwart  nr  48  s.  351.     Litt,  merkur  viii  73  (Geiger).  [477 

Aus  dem  leben  eines  taugenichts.  novelle.  miniaturausg.  15  aufl.  Leipzig, 
Amelang.    148.    16.  [478 

JvE.  von  OErdmann.     Schles.  ztg.  nr  832.  [479 

JvE.  sein  leben  u.  seine  dichtungen  dargest.  von  HKeiter.  zur  100  jähr, 
geburtstagsfeier  am  10  märz  1888  [3  vereinsschr.  der  Görres-gesellsch.  f. 
1887].    Köln,  Bachem  in  comm.  112.    8.  [480 

Scholl  1885  [310.  —  Revue  critique  nr  2  (Chuquet).  [481 

Eschen,  FA.  s.  [1569. 

Eschenburg,  JJ.  s.  [982. 

Eysenberger,  M.:  gedieht  zur  Vermählung  des  hermannstädter  königsrichters  u. 
comes  VFranck  1693.  Korrespondenzbl.  d.  ver.  f.  siebenb.  landeskunde 
10,  123.  [482 

Fichte,  JG.  s.  [13. 

Aus  JGF.s  Reden  an  die  deutsche  nation.  Zs.  f.  deutsche  spr.  i  heft 
10-12.  [483 

JGF.    Weser-ztg.  nr  14429.  40.  [484 

s.  auch  [171. 

FouQUE,  FdelaMotte  s.  [13. 

Sintram  and  bis  companions,  Aslaugas  knight.  New-York,  Gassell.  [485 
Undine.  eine  erzählung.  26  aufl.  mit  60  holzschn.  nach  Zeichnungen  von 
A.^lüller,  ausgeführt  von  AGaber.  Gütersloh,  Bertelsmann.  131.  8.  [486 
Undine,  translated  by  JCartwright.  illustr.  4.  London,  Chapman.  [487 
s.  auch  [224.  700. 

Fbancke,  ah.:  *AHF.  ein  lebensbild  dargest.  von  GKramer.  2  bde.  Halle, 
Waisenhaus,  1880.  82.  —  Hist.  zs.  57,  294  (Gottschick).  [488 

Freiligrath,  f.:  FF.  in:  Litt,  reliefs.  dichterporträts  von  EZiel.  2  reihe. 
Leipzig,  Wartig.    223.    8.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  51  (Alberti).  [489 

Fresenius,  A.:  Ein  dichter  aus  der  Wetterau.    Didaskalia  nr  81.  [490 


VERZEICHNIS    DER    SCHRIFTSTELLER:      DIETMAR GOETHE  93 

s.  auch  [230. 

Friedrich  der  grofse:  [Vortr,  von  dr  Seidel,  geh.  im  ver.  f.  d.  gesch.  der  mark 
Brandenburg,  über  eine  von  HHoffmann  verf.  übers,  der  ode  F.s  d,  gr. 
an  den  hofmaler  Pesne  1737  u.  über  F.s  Stellung  zur  religion  u.  zu  den 
schönen  künsten.    DLZ  nr  23  sp.  837].  [491 

Suphan  1SS6  [469.  —  Bist.  zs.  57,  505  (Krauske).  [492 

Baumgart  1886  [471.  —  Litt,  merkur  vii  178.  Westermanns  monatshefte 
63,  270.    Hist.  zs.  58, 128  (Krauske).  [493 

.  Fisch  1886  [472.  —  Revue  critique  nr  2  (Ghuquet).  Hist.  zs.  57,  505 
(Krauske).  [494 

F.  II  nach  päd.  seite  von  HKeferstein.  Rhein,  bll.  f.  erziehung  j  g.  61  heft  5.  [495 
Kohut  1886  [476.  —  Westermanns  monatshefte  61,  839.  Litt,  merkur 
VII  162.  [496 

Krause  1885  [329.  —  Hist.  zs.  57,505  (Krauske).  [497 

Pröhle  1886  [477.  —  Hist.  zs.  57,505  (Krauske).  [498 

Schöne  1885  [333.  —  Hist.  zs.  57,  505  (Krauske).  [499 

Zell  er  1886  [478.  —  Litt,  centralbl.  nr  13.  Hist.  zs.  58,  129  (Fechner). 
Revue  critique  nr  49  (Ghuquet).    Mind  12,  150.  [500 

Zur  philos.  F.s  d.  gr.    Sonntagsbeii.  zur  Voss.  ztg.  nr  13—5.  [601 

Friese,  F.:  Mag.  FF.,  weiland  conrector  am  Friedrichsgymn.  zu  Altenburg,  Hist. 
nachr.  von  den  merkwürdigen  ceremonien  der  altenb.  bauern  1703.  neudr., 
mit  einl.  u.  anm.  vers.,  mit  einer  nachbildung  des  trachtenbildes  bei  F.  u.  einem 
modernen  trachtenbilde  [besorgt  von  MGeyer].  SchmöUn,  Bauer.  39.  8 
[enthält  s.  34(1  ein  lustspiel  mit  3  scenen  im  dialect  vom  j.  1687].         [502 

Fritsoh,  A.:  Berichtigung  zu  meinem  artikel  über  AF.  (1886  [479)  von  AFischer. 
Bll.  f.  hymnoi.  s.  29.  [503 

Funcke,  F.  s.  [1266. 

Garve,  Ch.  :  Aus  vergessenen  büchern  [G.  über  Werthers  leiden]  von  JM  i  n  o  r. 
Chron.  des  wiener  Goelhe-ver.  1,  38.  [504 

vGaudy,  f.:  vGaudy  1886  [484.  —  BIL  f.  litt,  unterh.  nr  5  (Stein).  [505 

s.  auch  [11.  13.  14. 

vGebler,  TPh.:  Briefe  von  G.  an  Ramler  mitgeteilt  von  JMinor.  Zs.  f.  d. 
österr.  gymn.  38,  169.  [506 

Gellert,  ChF.  s.  [8.  13.  1083.  1085. 

Ein  brief  GhFG.s.  zu  G.s  geburtstage  mitgeteilt  vonThDistel.  Wissensch. 
beil.  d.  Leipz.  ztg.    nr  52.  [607 

Zur  hermannstädler  bücherkunde.  notiz  über  CFG.s  Briefe.  Hermannstadt, 
Barth,  1781.  Korrespondenzbl.  d.  ver.  f.  siebenb.  landeskunde  10,  23.  [508 
Badegeselligkeit  [aus  einem  briefe  G.s,  5  aug.  1764].  Grenzboten  46,  2, 
390.  [509 

Gerhardt,  F.:  Eine  notiz  zu  PG.s  leben  von  Schleusner.  Bll.  f.  hymnoi. 
s.  95.  [510 

s.  auch  [58. 

Gessner,  S.:  SG.  ein  gedenkbl.  zu  seinem  100  jähr,  todestage  (2  märz)  von 
AKohut.    lUustr.  Ztg.  nr  2279.  [511 

GiovANE,  J.  herzogin :  Juliane  herzogin  von  G..  ein  beitr.  zur  gesch.  der  auf- 
klärungslitt.  in  Österreich  von  EGuglia.    Österr.-ungar.  revue  iii  88.     [512 

Geeim,  FWL.:  Ein  Jugendbrief  vMeusebachs  [an  G.].  mitgeteilt  von  CSchüdde- 
kopf.    Zs.  f.  d.  phii.  20,  109.  [513 

Vom  preufs.  grenadier  [G.]  von  HPröhle.  Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg. 
nr  41—3.  [514 

vGoETHE,  JW. :  Werke.  4  teil.  Der  westöstl.  divan  hg.  von  HDüntzer 
(D.  nalionallitt.  bd.  85).  Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.  xxiv,  376,  8.  [515 
Dieselben.  22  teil.  Gampagne  in  Frankreich.  Belagerung  von  Mainz,  hg. 
von  HDüntzer  (D.  nationallitt.  bd.  103).  Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann. 
XI,  241.    8.  [516 

Dieselben.  9  teil.  Dramen.  4  bd.  [Iphigenie.  Tasso.  Die  natürl.  tochter] 
hg.  von  KJSchröer  (D.  nationallitt.  bd.  90).  Berlin  U.Stuttgart,  Spemann. 
XXXVI,  394.    8.  [517 


94  BIBLIOGRAPHIE   FÜR    1887     II 

vGoETHE,JW.:  Dieselben.  33  teiL  hg.  von  Steiner  1885  [361.  —  Philos.monats- 
hefte  22,  429  (HarpO-  [51S 

Dieselben.  34  teil.  Naturwissensch.  Schriften  2  bd.  hg.  von  RS t einer 
(D.  nationallitt.  bd.  115).  Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.  lxxiv,  403.  8.  [519 
Werke,  hg.  im  auftrage  der  grofsherzogin  Sophie  von  Sachsen.  [1  abt.] 
bd,  1  [Gedichte  I].  14  [Faust  i].  3  abt.  bd.  1.  Tagebücher  1775-87.  4  abt. 
bd.  1.  2.  Briefe  1764—75.  Weimar,  Böhlau.  xxviii,  477.  323.  370.  282.  336. 
8.  vgl.  Goethe-jb.  9,  289—99.  —  Gegenwart  nr  49  (Geiger).  D.  rundschau 
53,  425  (Grimm).  Die  post  nr  335  2  beil.  feuill.  (Rosenberg).  Litt,  centralbl. 
nr  50.  AZ  nr  339  B  (Fischer).  New- York  nation  45,  509.  Belletrist.-litt. 
sonntagsbeil.  der  Hamb.  nachr.  nr  47.    Nationalztg.  nr  622.  [520 

Werke,  ausw.  in  16  bden.  Berlin,  Warschauer,  iii,  210.  iv,  234.  183.  265. 
315.  244.  180.  214.  166.  189.  164.  239.  287.  182.  200.  287.     12.  [521 

Class.  Sentenzen,  eine  spruchsamml.  aus  G.  u.  Schiller  von  MM  a  n  d  1. 
Leipzig,  Wigand.    vm,  365.    8.  [522 

Belagerung  von  Mainz  s.  [516. 
Campagne  in  Frankreich  s.  [516. 

Les  guerres  de  la  revoiution.  Valmy.  La  retraite  de  Brunswick.  parAChu- 
quet.    Paris,  Gerf.  277.    277.    8.  vgl.  Goethe-jb.  9,  330.  1.  [523 

Clav  ig  o  s.  [8.  13. 

Zum  Clavigo  von  JMinor.    Chron.  des  wiener  G.-ver.  1,  24.  [524 

Glaudine  von  Villa-Bella  s.  [531. 

Dichtung  u.  Wahrheit.  Autobiografia :  poesia  e  veritä.  prima  versione 
ilaliana  di  AGourtheoux.     Milano,  Sonzogno.    225.    16.  [525 

Düntzer  1885  [368.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  77,  423.  [526 
Egmont.  ein  trauerspiel.  mit  einl.  u.  anm.  von  LBlume  (Schulausg.  class. 
werke  hg.  von  JNeubauer  heft  29).     Wien,  Graeser.    xxxii,  87.    8.  [527 

♦Egmont.  ein  trauerspiel.  mit  ausführl.  erläut.  f.  den  schulgebrauch  u.  das 
privatstud.  von  LZürn.  Paderborn  u.  Münster,  Schöningh,  18S6.  [528 
Egmont  (Erläut.  ausgew.  werke  G.s  f.  d.  obersten  classen  höherer  lehranst. 
sowie  zum  Selbstunterricht  von  PKlaucke  nr  2).  Berlin ,  Weber,  v,  232. 
8.  —  Litt,  merkur  vii  201.  Zs.  f.  d.  gymnasialwesen  41,  362  (Müller).  D. 
litteraturbl.  x  nr  6.  [529 

Erklärung  zweier  stellen  in  G.s  Egmont  von  LZürn.  Arch.  f.  d.  stud.  d. 
neueren  spr.  79,  122.  [530 

s.  auch  [245. 

G.s  Singspiele  [Erwin  u.  El  mir  e.  Glaudine  von  Villa-Bella]  im  Verhältnis 
zu  den  Weifsischen  Operetten  von  WMartinsen.  giefsner  diss.  Dresden 
(Giefsen,  Ricker),    viii,  51.    8.  [531 

s.  auch  [159. 

GAiroldi,  Faust o.   tragedia.   Bellinzona,  tip.  SalvionL  [532 

Faust  part  2  (translation  by  JAnster).    New- York,  Harper.  [533 

Fausto  y  el  segundo  Fausto,  seguidos  de  una  coleccion  de  poesias  alemanas. 
trad.  por  LAquarone.    nueva  ed.    Paris,  Garnier,    v,  398.    18.  [534 

Claudy  1886  [514.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  15,  198  (vBiedermann).  Nord 
u.  Süd  41,  313.    AZ  nr  1  B  (Evans).  [535 

G.s  Faust,  f.  die  aufführung  als  mysterium  in  2  tagewerken  eingerichtet  von 
ODevrient  [musik  von  ELassen].  3  durchges.  aufl.  Karlsruhe,  Braun, 
102.     12.  [536 

Faust,  tragedie  af  G.  oversat  af  PHansen.  andet  oplag.  Kjobenhaven, 
Gyldendalske  boghandels  forlag.  Hegel  &  son.  277,6  (Goethe-jb.  9,331).  [537 
♦Holland  vgl.  1884  [228.  2  aufl.  Freiburg  u.  Tübingen,  Mohr,  1882.  — 
Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  78, 463  (Hölscher).  [538 

Lee  1886  [516.  —  Athen,  nr  3101  s.  447.  New- York  nation  44,272.  Satur- 
day  review  63, 28.  [539 

G.s  Faust  in  urspr.  gestalt  nach  der  Göchhausenschen  abschr.  hg.  von 
ESchmidt.  Weimar,  Böhlau.  xxxviii,  110.  8:  —  Litt,  centralbl.  nr  49. 
Nationalztg.  nr  629.    AZ  nr  339  B.  [540 


VERZEICHNIS    DER    SCHRIFTSTELLER:     GOETHE  95 

vGoETHE,  JW.:  Schröer  1886  [519.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  15,  88  (vBieder- 
mann).  Rostocker  ztg.  nr  85  (Bechstein).  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rem.  phil. 
nr  4  (vLoeper).  Bll.  f.  d.  bayr.  gymnasialschulwesen  23,  462  (Koch).  [541 
Snider  1886  [520,  —  New-York  nation  44,127.  [542 

Faust,  translated  inlo  english  verse  by  BTaylor.  Boston,  Houghton.  16.  [543 
Faust,  eine  tragödie.  mit  iliustr.  von  AZick  (billige  prachtausg.).  Berlin, 
Grote,    123.    fol.  [544 

Faust,  eine  tragödie.  1  teil,  iliustr.  in  50  compositionen  von  ALiezen 
Mayer,  mit  Ornamenten  von  RSeitz.  ausgeführt  in  i  radierungen  von  WHecht 
u.  WKrauskopf,  2  zinkogr.  von  Angerer  u.  Göschl  u.  in  75  holzschn.  aus 
WHechts  xylogr.  anst.  (neue  ausg.).  München,  Ströfer.  128.  fol.  [545 
Faust  (translation).    New-York,  Munro.  [546 

s.  auch  [520, 

[Über  eine  frz,  Faustübers.  von  CBenoit.    Goethe-jb.  9,  332].  [547 

Faust  (ins  griech.  übers,  von  GKStratigis).  von  ABoltz.  Mag.  f.  d.  litt.  d. 
in-  u.  ausl.  nr  23.   vgl.  Goethe-jb.  9,332.  [548 

Zu  G.s  Faust  von  LBückmann.  Arch.  f.d.  stud.  d.  neueren  spr.  78,478.  [549 
Der  plan  von  G.s  Faust  erläut.  von  CEGludius.  Bremen,  Müller,  vii,  167. 
8.  —  Litt,  centralbl.  nr  45.    D.  evang.  kirchenztg.    nr  50.  [550 

WScherer  über  die  entstehungsgesch.  von  G.s  Faust,  ein  beitr.  zur  gesch. 
des  litt,  humbugs  von  WCreizenach.  Grenzbolen  46,2,624.  —  DLZ  nr 
29  sp.  1045  (Schmidt),  entgegnung  Grenzboten  46,3,248  (Greizenach).  [551 
Der  älteste  Faustprolog  [in  ThDekkers  If  it  be  not  good,  the  divil  is  in  ii] 
von  WCreizenach.    Krakau,  univ.-druckerei.    19.    8.  [552 

UCurto,  Mefistofele  nel  Faust  di  G.  Messina,  tip.  del  Progresso.  15.  S. 
vgl.  Goethe-jb.  9,  317.  [553 

HGurto,  Über  einige  stellen  im  G.schen  Faust.  Pisa,  tip.  Nistri  &  de. 
15.    8.  [554 

Eine  interpretationsfrage  zu  G.s  Faust  von  HDen icke.  Wissensch.  bell,  d. 
Leipz.  ztg,  nr  53.  [555 

G.s  Faust.  2  teil,  von  HDüntzer.  4  neu  durchges.  u,  verm.  aufl.  (Erläut, 
zu  den  deutschen  class.  20.  1  bdchen).  Leipzig,  Wartig.  314.  12.  [556 
Histoire  de  la  legende  de  Faust  par  EFaligan.  Paris,  Hachette  &  cie.  xxxii, 
478.    8.  [657 

G.s  Faust  nach  seiner  entstehung,  idee  u.  composition  von  KFischer.  2  neu 
bearb.  u.  verm.  aufl.  Stuttgart,  Cotta.  xvi,  472.  8.  —  Grenzboten  46,  1, 
615.  AZ  nr  174  B.  Gegenwart  nr  32  s.  95.  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  34 
(Buchner).  D.  litteraturbl.  x  nr  13  (Geiger).  Nationalztg.  nr304(Frenzel).  [558 
Parzival,  Faust,  Job  u.  einige  verwandte  dichtungen  [zb.  Prometheus]  von 
GGietmann,  S.  J.  Freiburg  i/Br.,  Herder,  vi,  802.  8.  —  Stimmen  aus 
Maria-Laach  33,417  (Baumgartner).  DLZ  nr  47  (Werner).  Bll.  f.  litt,  unterh. 
nr  40  (Portig).  Litt,  centralbl.  nr  45,  Theol.  litteraturztg,  nr  22.  D.  litte- 
raturbl, nr  32  (Schröter).  Theol.  litteraturbL  s.  269.  [559 
Hansen-Taylor-Scudderl885[384.  — Bist.  zs.  57,190  (Fechner).  [560 
Heinemann  1886  [546.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  15,  198  (vBieder- 
mann).  [561 
ELHolmberg,  La  noche  cläsica  de  Walpurgis  in:  Anales  de  la  sociedad 
cientifica  Argentina  22,  6.  [562 
Die  verschiedenen  plane  im  1  teile  von  G.s  Faust,  über  entstehung  u.  com- 
position des  gedichtes  von  AHuther.  Cottbus,  Kittel,  vi,  99.  12.  — 
Gegenwart  nr  20  s.  319.  DLZ  nr  29  (Schmidt).  D.  litteraturbl.  x  nr  13 
(Geiger).  [663 
[Über  eine  poln.  übers,  des  Fausti  von  LJenike  in  der  warschauer  monatsschr. 
Ateneum.  Goethe-jb.  9,  333].  [664 
Justin  US,  Altezech,  'berliner  blau',  noch  ein  wort  über  die  königinhofer 
hs.  Beil.  zur  Bohemia  nr  55  [berührt  das  hexeneinmaleins]  (Goethe-jb. 
9, 317).  [565 
Zur  domscene  des  G.schen  Faust  von  GKettner.  Zs.  f.  d.  phil.  20,  23u 
[beziehungen  der  scene  zu  Wielands  cantate  Serafina].                            [566 


96  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887     11 

vGoETHE,  JW.:  Faust,  eine  Iragödie.  3  teil  zu  G.s  Faust,  von  CALinde.  Darm- 
stadt (Leipzig,  Opetz).  vi,  114.  12.  —  Gegenwart  nr  47  s.  335.  [567 
Sphinx  locuta  est.  G.s  Faust  u.  die  resultate  einer  rationellen  methode  der 
forschung  von  FALouvier.  2  bde  u.  ein  lieft  nachtrage.  Berlin,  George 
&  Fiedler,  vi,  443.  491.  m,  60.  8.  —  Didaskalia  64  jg.  nr  286.  Gegenwart 
nr  2  (Geiger).  AZ  nrl5ß.  DLZ  nr  24  (Werner).  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch. 
I  497  (Xantippus).  Saturday  review  nr  1657.  Ztg.  f.  litt.,  kunst  u.  wjssensch. 
des  Hamb.  corresp.  nr  14.  Belletrist.-litt.  sonntagsbeil.  der  Hamb.  nachr. 
nr  9.  Nationalztg.  nr  171.  4  u.  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  79,  87 
(Wätzoldt).  [568 
HKvM.  1886  [553.  —  Litt,  merkur  viil28.  [569 
Zu  Faust.  1.  Der  vorname  des  G.schen  Faust  von  JMinor.  2.  Eine  paral- 
lelstelle zu  G.s  Faust  in  serb.  dichtung  von  MKoch.  Goethe-jb.  8,  231.  2.  [570 
DrFausts  ende,  tragödie  von  AMüller.  Ilfeld,  Fulda,  vii,  144.  8.  [571 
The  decline  and  fall  of  drFauslus.  the  legend  in  english.  by  ERPennell. 
Contemporary  review  51,  394  u.  ebenfalls  Littells  Living  age  173, 195.  [572 
[Über  G.s  Faust  von  GdelaRosa  im  Progreso.  Goethe-jb.  8,290].  [573 
ESchnobricii,  Hamlet,  Faust  i  Gustaw  [in  Mickiewiczs  Dziady].  — 
Paniietnik  towarzystwa  literackiego  imienia  AMickiewicza  pod  redakcya 
Roma'na  Pilata  (Lemberg)  s.  244  (Zipper).  [574 
Faustscenen  mit  einer  einl.  über  G.  u.  KLaroche.  vorgetragen  von  KJSchrö  er. 
Chron.  des  wiener  G.-ver.  1,  62.  [575 
Das  doppelreich  [Faust  ii  1942  ff]  von  KJSchröer.  Chron.  des  wiener 
G.-ver.  1,44  (Goethe-jb.  9,317).  [576 
♦The  melhods  ol  WScheier  as  a  critic  of  Faust  by  GThomas.  Transactions 
of  the  modern  language  association  of  America  1886.  bd.  2  s.  92  (Goethe- 
jb.  9,319).  [577 
Fauststudien,  i  G.s  'ideal  u.  leben'  [Faust  ii  sc.  1].  Mephistopheles  u.  Ariel 
von  JKW agner.  Breslau,  Zimmer,  vi,  123.  8.  [578 
G.s  Faust,  legend  and  poem.  by  WSWolsh.  Philadelphia,  Lippincott. 
—  New-York  nation  45,  463.  Lippincotts  mag.  dec.  s.  941.  Literary  world 
18, 415.  [579 
Faust  and  ihe  Faust-legend.  Edinburgh  scotsman  22  aug.  (Goethe-jb.  9, 
364).  [580 
Eine  Faustvorstellung  in  Kronstadt  (1794).  Korrespondenzbl.  d.  ver.  f.  siebenb. 
landeskunde  10,47.  [581 
[Über  eine  aufführung  des  Faust,  übers,  von  LvDoczy  in  Budapest.  Goethe- 
jb.  9,  333.  vgl.  auch  Köln.  ztg.  nr  97].  [582 
The  Faust  of  Egremont.  Temple  bar  79,  208.  [583 
Ungar.  Faust- Übertragungen  [StNagy,  LvDoczy,  AVarady].  Weser-ztg.  nr 
14557.  8.  [584 
s.  auch  [121.  159.  185.  270.  686.  780.  839  ff. 

Über   eine  Faustaufführung    am   D.   theater  zu  Berlin    von  OB  rahm.     Die 
nation  iv  737.  [585 

:    Die  Faustaufführung  im  D.  theater  [zu  Berlin]  von  AGerstmann.    Schorers 
familienbl.  nr  39.  [586 

Die    erste    aufführung    des    Faust    im    D.    theater.       Berl.    lagebl.    nr    448 
(PLindau).  [587 

Eine  berliner  Faustaufführung.    Grenzboten  46,  3,  620.  [588 

Pictorial   successes  of  Mr  Irvings  Faust  (J.  and  EPennell).    Century  mag. 
35, 309.  [589 

lUuslratious  of  Faust.    Eclectic  mag.  108,230  (WHPollock).  [590 

G.  and  Irving.    New-York  Iribune  20  nov.  [591 

The  acting  of  Irvings  Faust.    Century  mag.  35,  311.  [592 

Hlrving  in  Faust.    Century  mag.  35,  309.    Critic  11,  250.    Edinburgh  scotsman 
24  aug.  (Goethe-jb.  9, 364).  _  [593 

G.s   Faust,    ein  musikdrama    von   HZöllner.    von   AvMensi.    N.  fr.  presse 
nr  S321  morgenbl.  [594 


VERZEICHMS    DER    SCHRIFTSTELLER:      GOETHE  97 

vGoETHE,  JW.:  HZöllners  Faust,    erste  aufführung  in  München.    Allg.  musik« 
Ztg.  nr  44.  [695 

Zöllners  Faust.    Der  kunstwart  i  stück  3.  [596 

Zöllners  musikdrama  Faust.    Köln.  ztg.  nr  293.  349.  [597 

HBerlioz  u.  seine  Faustmusik  von  Persius.  Allg.  musikztg.  nr  14.  6.  8.  [598 
Faust  in  music  by  FSewall.     Contemporary  review  52,370.  [599 

Volksbb.  des  16  jhs.  Eulenspiegel.  Faust.  Schildbürger  (mit  beil.  aus  sprich- 
wörtersamml.  u.  chron.)  hg.  u.  erklärt  von  FBobertag  (D.  nationallitt, 
bd.  25).    Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.    iv,  452.    8.  [600 

Zu  den  quellen  des  Faustbuchs  von  1587  von  GE  Hing  er.  Zs.  f.  vgl. 
litteraturgesch.  u.  renaissancelitt.  n.  f.  i  156.  [601 

Das  300jähr.  erste  Faustbuch  vom  j.  1587.  ein  buch-jubiläum  besprochen 
von  KEngel.    Oldenburg,  Schulze.    32.    8.  [602 

Nachr.  über  3  höchst  seltene  Faustbücher  [aus  den  jj.  1589.  1596.  7]  von 
KEngel,    Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  329.  [603 

The  old  german  puppet  play  of  doctor  Faust,  turned  into  english.  with  an 
introduction  and  notes  by  TCHHedd erwick.  London,  Paul,  Trench  &  cie. 
248.    8.  —  Athen.  nr3133.  [604 

Zum  Jubiläum  des  Faustbuches  von  LKellner.    AZ  nr  345.  6  B.  [605 

Auch  ein  Jubiläum  [betr.  drJFaust  geb.  1487  zu  Knittlingen]  von  MLilie. 
Iliustr.  Ztg.  nr2285.  [606 

Die  berliner  fassung  des  Puppenspiels  vom  dr  Faust  von  HLübke.  Zs. 
31,  105.  [607 

Marlowe  and  Green,  Tragical  history  of  dr  Faustus.  2  ed.  London, 
JVIacmillan.  [608 

Zum  Jubiläum  des  Faustbuchs  von  JMinor.  D.  dichtung  in  29.  59.  91.  [609 
Mountford-Francke  1886  [557.  —  DLZ  nr  23  (Mosen).  BII.  f.  d.  bayr. 
gymnasialschulwesen  23,  410  (Wolpeit).  [610 

Das  Volksbuch  von  dr  Faust  u.  seine  bearbeitungen  von  ANicoladoni. 
D.  Ztg.  nr  5580.  1.  [611 

The  sources  of  Marlowes  Dr  Faustus  by  WEPPantin.  Acad.  nr790.  [612 
♦Das  älteste  Faustbuch.  Historia  von  dr  JFausten.  nachbildung  der  zu 
Frankfurt  a/M.  1587  durch  JSpiefs  gedr.  1  ausg.  mit  einer  einl.  von 
WScherer  (D.  drucke  älterer  zeit  in  nachbildungen  hg.  von  WScherer  ii). 
Berlin,  Grote,    1884.  —  Zs.  f.  d.  phil.   19,  244  (EUinger).  [613 

Schwan  gberg  1886  [561.  —  Anz.  xiii  156  (Ellinger).  [614 

RSTjaden  Moddermann,  Het  oudste  Faustdrama.  Marlowes  Tragische 
historie  van  dr  Faustus  vertaald  en  toegelicht.  Groningen  (Goethe-jb. 
9,  322).  [615 

Das  Jubiläum  des  Faustbuches  von  AvW eilen.  N.  fr.  presse  nr  8292 
morgenbl.  [616 

Ein  doppeljubiläum  [Faustbuch  von  1587  u.  Don  Juan]  u.  seine  beziehungen 
zu  Württemberg.     Schwab,  chron.  nr  263  sonntagsbeil.  [617 

Melanchthons  Schilderung  des  dr  Faust.  Die  kleine  chron.  frankf.  wochenschr. 
hg.  von  Holthof  ix  nr  38  beil.  [618 

s.  auch  [78. 

Lyrische  ge dichte,  zum  schulgebrauch  ausgew.  u.  chronologisch  geordnet 
von  LSevin  (Meisterwerke  der  deutschen  litt.  —  hg.  von  KHoldermann  u. 
LSevin  9  bdchen).    Berlin,  Reuther.    112  mit  G.s  bild.    8.  [619 

s.  auch  [13.  520.1319. 

vLoeper  1886  [589.  —  D.  revue  xii  1,  256.  Bll.  f.  Utt.  unterh.  nr  10 
(Buchner).  Voss.  ztg.  3  jan.  (vLoeper).  Arch.  f.  litteraturgesch.  15,  202 
(vBiedermann).  DLZ  nr  13  (Werner).  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38, 152  (Minor). 
Westermanns  monatshefte  62,  679.  vgl.  dazu  G.s  lyrische  gedichte  u.  hr 
GvLoeper  in  Berlin,  beleuchtung  eines  seltsamen  angriffs.  von  fIDüntzer. 
Leipzig,  dr.  von  Teubner.  8  ss.  [620 

G.s  gedieht  An  den  kuchenbäcker  Hendel  von  JM  i  n  o  r.   Goethe-jb.  8,  225.  [621 
A.  F.  D.  A.    XV.  7 


98  BinLIOGRAPHIE    FÜR    1887     n 

vGoETHE,  JW. :  Die  ode  An  Zachariä  von  JMinor.     Goethe-jb.  8,  228.       [62*1 
Rieger  1886  [592.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  730.  [623 

Zu  G.s  Braut  von  Korinth  von  ThvRiekhoff.  Arch.  f.  litteraturgesch. 
15,  1U9.  [624 

Ahasverus.  die  sage  vom  evv'igen  Juden,  eine  wissensch.  abhandl.  mit  einem 
krit.  Protest  wider  EvHartmann  u.  AStöcker.  von  PGassel.  neue  (titel-) 
ausg.     Berlin,  Kühl  (1885).    70.    8.  [625 

Gefunden  von  JMinor.  Chron.  des  wiener  G.-ver.  1,  36  (Goethe-jb. 
9,  328).  [626 

Religion  u.  wissensch.  gesamm.  reden  u.  abhandl.  von  RSeydel.  Breslau, 
Schottiänder.  ix,  417.  8  [behandelt  s.  22  ff.  37  ff  G.s  gedieht  Die  geheim- 
nisse]  (Goethe-jb,  8,  298).  [627 

Geheimstes  s.  [780. 

The  probable  source  of  G.s  Goldschmidsgesell  von  JGöbel.  Modern  language 
notes  2,  206.  vgl.  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  u.  renaissancelitt,  n,  f,  i  128 
u.  Goethe-jb.  9,  328.  [628 

G.s  indische  legenden  (Der  gott  u.  die  bajadere).  von  MHaberlandt. 
N.  fr.  presse  nr  8088  morgenbl,  [629 

Zu  G.s  Homer  wider  Homer  von  FThomas.     Goethe-jb.  8,  229.  [630 

Jahrmarkt  zu  Hünfeld  (epigramm)  s.  [780. 

Johanna  Sebus  von  Scheins  [über  einen  ihr  von  Napoleon  i  gesetzten 
denkstein],     Köln.  ztg.  nr  226.  [631 

Liebeslied  eines  amerikan.  wilden  von  HDüntzer.  Signale  f.  d,  litt,  weit 
sp.  2179  (Goethe-jb.  9,  327).  [632 

Der  misanthrop  s.  [780. 
Palinodie  i  s.  [780. 

Zu  G.s  Sänger.     Zs.  f.  d.  deutschen  Unterricht  i  556.  [633 

Zu  G.s  gedieht  Der  sänger.     Zs.  f.  deutsche  spr.  i  69.  [631 

Das  schreyen  von  JMinor.     Goethe-jb.  8,  229.  [635 

G.  u.  Caroline  vStaupitz.  ein  scherflein  zur  neuen  G.-ausg.  [ungedr.  gedieht 
G.s].     D.  rundschau  53,  303.  [636 

Das  tagebuch.    gedieht.     5  aufl.     Dresden,  Lemke.  13.    12,  [637 

Zu  G.s  gedichten  Trilogie  der  leidenschaft  von  GvLoeper.  Goethe-jb. 
8,  165.  [638 

Vertrauen  s.  [780. 
Der  wahre  genuss  s.  [780. 
Der  Wanderer  s.  [780. 

Weissagungen  des  Bakis.  Novelle.  Baumgart  1886  [602.  —  Arch.  f. 
litteraturgesch.  15,  93  (vBiedermann).  Litt,  merkur  vii  86  (Geiger).  D.  dich- 
tung  I  261  (Schönbach).     Anz.  xiii  182  (Pniower).  [639 

G.s  Willkommen  u.  abschied,  hrn  WHertz  zum  1  jan.  1&S7  gewidmet  von 
RMWerncr.  als  hs.  gedr.  Lemberg,  dr.  des  Stauropigianischen  inst. 
14.    8.  [640 

s.  auch  [780. 

G.s  gedieht  an  frl.  Casimira  Wolowska  von  PERichter.  Arch.  f.  litte- 
raturgesch. 15,  293  vgl.  1886  [603.  [641 
Zu  einem  kleinen  gedichte  G.s.  Zs.  f.  deutsche  spr.  i  heft  11.  [642 
Ein  nicht  anerkannter  vers  von  G.  [Lang  hab  ich  mich  gesträubt].  Grenz- 
boten 46,  4,  80,  doch  s.  Goethe-jb.  9,  329,  [643 
Geschwister  s.  [8.  13.  15. 

Götz.  Bauer  1886  [607.  —  Bll,  f.  d.  bayr,  gymnasialschulwesen  23,50 
(Baldi).  [644 

Chuquet  1885  [447.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  15,  96  (vBiedermann).  [645 
Toischer  1886  [610.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  687  (Löhner).  Bll.  f, 
d.  bayr.  gymnasialschulwesen  23,  526  (Bauer).  [646 

Götz  de  Berlichingen  (analyse  et  extrails).  avec  etude  sur  la  vie  et  l'oeuvre 
de  G.     Paris,  Gautier.    32.    16.  [647 

Klaucke  1886  [612.  —  Zs.  f.  d.  gymnasialwesen  41,  150  (Müller).  Litt, 
merkur  vii   201.      Bll.   f.  d.    bayr.   gymnasialschulwesen   23,  396   (Bauer). 


VERZEICHNIS    DER    SCHRIFTSTELLER:      GOETHE  99 

Korrespondenzbl.  f.  d.  gelehrten-  u.  realschulen  Württembergs  34,  445 
(Schanzenbach).    D.  litteraturbl.  x  nr  G.  [648 

vGoETHE,  JW.:  Lebens-beschreibung  Gözens  1886  [613.  —  DLZ  nr  36  (Sauer).  [649 
s.  auch  [159. 

Hermann  et  Dorothee,  poeme  en  neuf  chants.  trad.  de  Tallemand 
par  Bi taube.     Paris,  Gautier.  32.    8.  [650 

Chuquet  1S86  [618.  —  DLZ  nr  S  (Suphan).  Litt,  centralbl.  nr  24.  [651 
♦Herman  en  Dorothea,  in't  oorspronkelijk  metrum  vertaald  d.  HPDewald. 
'sGravenhage  1886  (Goethe-jb.  9,  332).  [652 

Hermann  u.  Dorothea,  transiated  by  EFro thingham.  Boston  (tilelausg. 
von  1870  (?)).  [653 

Hermann  et  Dorothee.  ed.  class.  du  texte  allemand,  public  avec  une  notice 
biographique  et  litt,  et  des  notes  en  francais,  par  PhGüthlin.  Paris, 
Belin  &  fils.    xx,  111.    12.  '  [654 

Hermann  et  Dorothee,  explique  litteralement,  trad.  en  francais  et  annote 
par  BLevy.     Paris,  Hachette.     iv,  331.    12.  '  [655 

Hermann  u.  Dorothea,  mit  einl.  u.  anm.  von  ALichtenheld.  3  aufl. 
(Schulausg.  class.  werke  nr  2).    Wien,  Graeser.  xii,  61.    8.  [656 

Hermann  u.  Dorothea,  schulausg.  bearb.  von  LSevin  (Meisterwerke  der 
deutschen  litt.  —  hg.  von  KHoldermann  u.  LSevin  5  bdchen).  Berlin,  Reuther. 
63.    8.  [657 

Hermann   u.   Dorothea,     mit  12  holzschn.    nach   Zeichnungen    von  LRichter. 

2  aufl.  Leipzig,  Wigand.  104.  8.  [658 
Hermann  u.  Dorothea  (Stenogr,  bibl.  System  Roller  1  bd.).  Berlin,  Robolsky 
in  comm.  in,  44.  8.  [659 
s.  auch  [S5. 

Der  pfarrer  in  G.s  Hermann  u.  Dorothea  von  HB  es  s  er.  N.  jbb.  f.  phil.  u. 
päd.  136,  619.  [660 

Die  Urbilder  zu  Hermann  u.  Dorothea  von  ABielscho  wsky.  Preufs.  jbb. 
60,  335.  [661 

Über  die  technik  von  Hermann  u,  Dorothea  von  WDuschinsky.  Ärch.  f. 
d.  stud.  d.  neueren  spr.  79,  1.  [662 

♦WvHumboldts  Ästhetische  versuche  über  G.s  Hermann  u.  Dorothea. 
4  aufl.  mit  einem  vorw.  von  HHettner.  Braunschweig  1882.  —  Arch.  f. 
d.  stud.  d.  neueren  spr.  79,  472.  [663 

Hermann  u.  Dorothea  von  KKnortz.  Bahn  frei,  organ  des  New- Yorker 
turnver.  5  jg.  nr  6—9  (Goethe-jb.  9,  326).  [664 

Zu  Hermann  u.  Dorothea  vi  51  von  GhWirth.  BU.  f.  d.  bayr.  gymnasial- 
schulwesen  23,  445.  [665 

Das  titelkupfer  zu  G.s  Hermann  u.  Dorothea.    Grenzboten  46,  2,  234.     [666 
Jery  u.  Bätely  s.  [8. 
Iphigenie  auf  Tauris.    ein  Schauspiel,    mit  einl.  u.  anm.  von  JNeubauer. 

3  unveränd.  aufl.  (Schulausg.  class.  werke  nrl).  Wien,  Graeser.  xiii,66.  8.  [667 
Iphigenie  auf  Tauris.  ein  Schauspiel,  f.  die  zwecke  der  schule  erläut.  u.  metho- 
disch bearb.  von  HVockera  dt.  2aufl.  Paderborn,  Schöningh. VIII,  176.  8.  [668 
s.  auch  [517. 

G.s  Iphigenia  auf  Tauris  von  AHagemann  3. aufl,  (Vortr.  f.  die  gebildete 
weit  hg.  von  PHagemann  heft  2).  Spandau,  Österwitz.  vi,  69.  8.  [669 
Über  die  entsühnung  des  Orestes  in  G.s  Iphigenie  auf  Tauris  von  GKanzow. 
progr.  d.  kneiphöf.  gymn.  zu  Königsberg.    39.   4.  [670 

Die  heilung  des  Orest  in  G.s  Iphigenie,  eine  religiös-sittliche  lösung  im 
geiste  des  Christentums,  zur  erinnerung  an  das  erste  erscheinen  von  G.s 
Iphigenie  im j.  1787  von  AMatthias.  Düsseldorf,  Voss  &  cie.  48.  8.  vgl. 
auch  Lehrproben  u.  lehrgänge  aus  der  praxis  d.  gymn.  u.  realschulen  heft  1 1 .  [671 
s.  auch  [158. 

Italienische  reise  s.  [13. 

BCroce,  Figurine  Goethiane.  Trani,  Vecchi,  64.  16  [über  das 'prinzesschen' 
in  der  Ital.  reise,  Goethe-jb.  9,  330].  [672 

Zu  G.s  Ital.  reise  von  KJSchröer.    Ghron.  des  wiener  G.-ver.  1,42.    [673 

7* 


100  BIBLIOGRAPHfE    FÜR    1S87      II 

vGoETHE,  JVV. :  Gurugium,  ein  kleiner  beitr.  zur  G.-phil.  von  Xanthippus. 
Nalionalztg.  nr  364  [zu  der  Romanze,  Hempel  24,  537  f:  ist  kein  hexenlied 
sondern  ein  kinderlied,  an  die  turteltaube  gerichtet.  X.  schreibt  die  1  zeile 
'Gurugiu  m'a  tel  gurugiül  d.  i.  kurrukul  da  bin  ich  (besuche  dich)'].  [674 
Laune  des  verliebten  s.  [13.  15. 

G.s  Lila  von  EReichel.  Frank.  Courier  nr  48  (Goethe-jb.  9, 324).  [675 
Wilhelm  Meisters  apprenticeship.    New- York,  Lovell.  [676 

s.  auch  [13. 

Mignon  par  G.  imite  de  Tallemand  par  ChSimond.  Paris,  Lecene  &  Oudin. 
95.    8.  [677 

Die  mitschuldigen  s.  [13. 
Natürliche  tochter  s.  [8.  13.  517. 

G.s  Natürliche  tochter  im  deutschen  Unterricht  von  FK  e  r  n.  Zs,  f.  d. 
deutschen  Unterricht  i  61.  [678 

Naturwissensch.  Schriften  s.  [159.  518.  519. 
Novelle  s.  [639. 
Prometheus  s.  [559. 
Reineke  fuchs  s.  [8.  13. 

Reynard  the  fox.  translated  byThJArnold.  Boston,  Roberts  brothers.  vgl. 
1886  [646.  [679 

Anf.  einer  übers,  von  G.s  Reineke  fuchs  in  klingenden  russ.  hexametern  von 
Dostojewsky  mitgeteilt  in  der  Russ.  illustr.  ztg.,  pfingstnr.  [680 

Nagl  1886  [647.  —  DLZ  nrl2  (Seemüller).  [681 

s.  auch  [1262. 

Der  Sammler  u.  die  seinigen,  mit  erläut.  u.  anm.  von  DSanders.  Zs.  f. 
deutsche  spr.  i  heft  1  ff.  [682 

Stella  s.  [8.  13. 

Tagebücher.  Schmidtl886  [650.  —  Gegenwart  nr  9  (Düntzer).  Nationalztg. 
nr  78.  80  (Xanthippus).  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  10  (Buchner).  Grenzboten  46, 
3,  325  (Wickhoff).  Preufs.  jbb.  60,  417  (Harnack).  N.  fr.  presse  nr  8039 
morgenbl.  (Lang).  New-York  nation  44,  101.  Frankf.  ztg.  nr  37.  8  (Prölfs). 
vgl.  auch  [738.  [683 

s.  auch  [520. 

Tancred.  Weifs  1886  [653.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,323.5  (pole- 
mik  zwischen  Weifs  u.  Werner).    Anz.  xni  411  (Seuffert).  [684 

Tasso  s.  [517. 

WKröwczynski  Goethego  Torquato  Tasso.  Dodatek  literacki  do  Kurjera 
(iWowskiego  nr  43  [übers,  der  letzten  scene  des   5  actes].  [685 

Über  G.s  Tasso.  über  G.s  Faust,  über  HvKleisl.  von  EG  n  ad  (Populäre  vor- 
trage über  dichter  u.  dichtkunst  n.  f.).  Triest,  Schimpff.  vii,  107.  8. —  Bll.  f. 
litt,  unterh.  nr31  s.  495.  D.  revuexii4,376.  D.litteraturbl.x  nr  19(Guber).  [686 
*G.s  drama  Torquato  Tasso  im  Zusammenhang  mit  seinen  erlebnissen  f.  den 
schulgebrauch  exponiert  von  ESzaidzicki.  progr.  des  k.  k.  gymn.  in 
Kolomea  1886.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  473.  [687 

Wittich  1886  [657.  —  Arch.  f.  d.  stud,  d.  neueren  spr.  77,230.         [688 
Unterhaltungen  deutscher  ausgewanderten  s.   [159. 
Wahlverwandtschaften.    Semler   1886  [660.  —  Zs.   f.  d.  deutschen 
Unterricht  i  93  (Lyon).     D.  litteraturbl.  x  nr  14  (Brenning),    Arch.  f.  gesch. 
der  philos.  i  122  (Dilthey).  [689 

s.  auch  [739. 

Werther.  versione  ital.  di  RGeroni.  3  ed.  Firenze,  succ.  Le  Monnier. 
Lxxx,  43S.    24.  [690 

Werther  (Auteurs  celebres  nr23).  Paris,  Marpon  &  Flammarion.  218.  16.  [691 
G.s  Werther  u.  Foscolos  Jacopo  Ortis  von  MLandau.  AZ  nr  250  ß,  vgl. 
Goethe-jb.  9,  329.  [692 

ESchnobrich,  Dziady  a  Werter  [Mickiewiczs  totenfeier  u.  der  Werther].  — 
Pamietnik  towarzystwa  literackiego  imienia  AMicklewicza  pod  redakcya 
Romana  Pilata  (Lemberg)  s.  246  (Zipper).  [69^ 


VERZEICHNIS    DER    SCHRIFTSTELLER:     GOETHE  101 

vGoETHE,  JW.:  Werthers  leiden  im  Elsass  von  LSpeidel.    N.  fr.  presse  nr8l2& 
iiiorgenbl.  darnach  auch  Strafsb.  post  nr  125.  [694 

s.  auch  [15S.  504. 
Westöstl.  divan  s.  [515. 
Xenien  s.  [13. 

G.  u.  die  blumen  von  HGhild.  Der  Zeitgeist  (beibl.  zum  Berl.  tagebl.) 
nr  35  [behandelt  einzelne  distichen  in  den  Xenien].  [695 

[Aus  dem  fremdenbuche  der  grübe  Dorothea  bei  Clausthal  a,H.  Zs.  f.  berg-, 
hütten-  u.  salinenwesen  35,  142,  auch  Chron.  des  wiener  G.-ver.  1,  44 
(Goethe-jb.  9,  307)].  [696 

G.s  brief  Wechsel  mit  FRochlilz.  hg.  von  WvBiederma  nn,  mit  bildnis 
u.  hs.-nachbildung.  Leipzig,  vBiedermann.  xxvi,  525.  8.  —  Litt,  centralbl. 
nr  40.  Gegenwart  nr  47  s.  335  (Düntzer).  Grenzboten  46,  4,  425.  80  (Stern). 
Preufs.  jbb.  60,  652  (Harnack).    D.  litteraturbl.  x  nr  35  (Ziegler).  [697 

13  briefe  G.s.  [an  frau  vHeygendorf  (1),  Höpfner  (2),  den  landgrafen  von 
Hessen  (1),  Stieler  (5),  Streckfufs  (1),  FSVoigt  (3)]  nebst  einem  fragment  G.s 
veröffentlicht  von  ACohn,  LGeiger,  EMentzel,  RWerner.  Goethe-jb. 
S,  121.  [698 

G.-Zelter  ed.  Coleridge  1886  [680.  —  Acad.  nr  775  s.  181.  New-York 
nation  44,  209.    Athen,  nr  3090  s.  96.  [699 

2  interessante  briefe.  1.  von  G.  2.  von  LaMotte  Fouque.  von  Deinhard- 
stein.  Didaskalia  nr  105  [ersterer  vermutlich  identisch  mit  dem  G.s  an 
Deinhardstein,  27  märz  1830,  abgedr.  An  der  schönen  blauen  Donau  (Wien) 
heft  9  s.  201  (Goethe-jb.  9,307)].  [700 

Düntzer  1886  [672.  —  Köln.  ztg.  nr  86.  Strafsb.  post  nr  124  (Erdmann). 
Literary  world  18,  366.  [701 

35  geschäftsbriefe  von  G.  an  FFrommann  aus  den  jj.  1816—24.  mitgeteilt 
von  HF  rommann.  Goethe-jb.  8,  144.  vgl.  ebenda  s.  242  Zur  erinnerung 
an  FJFrommann.  [702 

Regesten  [von  LGeiger].    Goethe-jb.  8,278.  [703 

Mitteil,  aus  dem  G.-arch.  veröffentlicht  von  LGeiger  u.  BSuphan  mit 
anm. ,  eingel.  durch  einen  brief  ESchmidts  an  LGeiger.  Goethe-jb.  8,3. 
102  [entb.  einen  brief  G.s  an  WScott  u.  briefe  an  G.  von  frau  vStael  (4), 
UFoscolo  (1),  A.VIanzoni  (1),  AÖhlenschläger  (2),  JG.,  C.  u.  AHerder  (14), 
ChvSchiller  (16),  Körner  (12),  WvHumboldt  (14),  CvHumboldt  (1),  AvHum- 
boldt  (3),  BGNiebuhr  (7),  Savigny  (1);  aus  3  briefen  WvHumboldts  an  Riemer, 
ein  brief  AvHumboldts  über  G.].  [704 

Hesse  1886  [676.  —  Zs.  f.  d.  deutschen  Unterricht  i  84  (Unbescheid).  Arch. 
f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  77,  230.  [705 

Zu  G.s  leipz.  briefen  von  OHoffmann.     Goethe-jb.  8,235.  [706 

Correspondence  between  G.  and  Cariyle.  ed.  by  ChENorton.  London  and 
Xew-York,  Macmillan  &  de,  xix,  362.  8.  —  Grenzboten  46,  2,  81  (Flügel). 
Litt,  centralbl.  nr  45.  Acad.  nr  781  s.  281  (Dowden).  Athen,  nr  3101  s.  441. 
Blackwoods  Edinburgh  mag.  142,  121.  Atlantic  monthly  59,  849.  Dial  8, 
19  (Hubbard).  Saturday  review  63,  697.  New-York  nation  44,  391.  Gritic 
10,  226.     Literary  world  18,  188.  [707 

G.s  u.  Carlyles  briefwechsel  [hg.  von  HOldenberg].  Berlin,  Hertz,  xii, 
254.  8.  —  Gegenwart  nr  26  (Geiger).  AZ  nr  163  B  (Carriere),  DLZ  nr  38 
(Werner),     D.  rundschau  53,43  (Grimm).     Litt,  centralbl.  nr45.  [708 

Der  serbische  freund  LvRankes  von  HPenn.  Mag.  f.  d.  litt,  d.  in-  u.  ausl. 
56  jg.  nr  1  —  3  [enthält  na.  einen  brief  von  G.].  [709 

[Pfarrer  vR  a  n  k  e  über  einen  zettel  von  G.s  band  im  besitz  LvRankes. 
Goethe-jb.  8,  234].  [710 

Ein  brieflein  G.s  an  Lenz,  mitgeteilt  von  KWeinhold.  Chron.  des  wiener 
G.-ver.  1,  27.  [711 

Ein  par  angestrichene  stellen  in  G.s  briefen  an  frau  vStein  von  JVWid- 
mann.     Die  nation  nr  8  (Goethe-jb.  9,  305).  [712 

s.  auch  [90.  159.  520.  683.  717.  738. 


102  BIDLIOGIIAPHIE    FÜR    1887      11 

vGoETHE,  JW. :  Briefe  von  G.s  frau  an  NAIeyer.  mit  einl.,  facss.,  einer  lebensskizze 
NMeyers  u.  porlr,  Strafsbiirg,  Trübner.  (4),  41,  (16).  4.  —  Litt,  centralbl. 
nr  31.    Grenzboten  46,  3,  463.  [713 

Baumgartner  1S86  [686.  —  Arch.  f.  d.  slud.  d.  neueren  spr.  78,457.  [714 
Baumgartner  1886  [687.  —  NVestermanns  monatshefle  62,408.  Linzer 
tlipol.-pract.  quartalschr.  heft  2.  Moniteur  de. Rome  nr  36.  Polybiblion 
Ott.  (de  Saint-Albin).  Dublin  review,  july.  üsterr.  litt,  centralbl.  nr  12 
(iMüllner).  [715 

Beitr.  zur  metrik  G.s  von  EBelling  in.  Über  G.s  frz.  u.  deutsche  alexan- 
driner.     progr,  d.  gymn.  zu  Bromberg.  15.    4.  [716 

2  forts.  der  nachtrage  zu  SHirzels  Verzeichnis  einer  G.-bibl.,  hg.  von  LHirzel 
u.  zu  G.s  briefen  von  FStrehlke.  von  WvBiederma  n  n.  Arch.  f.  litteratur- 
gesch.  15,  380.  453.  [717 

Der  alte  G.  im  jungen,  von  WvBiedermann.  Wissensch.  beil.  d.  Leipz. 
Ztg.  nr  93.  [718 

G.s  Lili  von  ABielscho wsky.  Westermanns  monatshefte  62,  593.  [719 
Die  ästhetische  naturanschauung  G.s  in  ihren  Vorbedingungen  u.  in  ihren 
Wandlungen  von  ABiese.     Preufs.  jbb.  59,  542.  60,  36.  [720 

Blume  1885  [502.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,730.  Arch.  f.  d.  stud. 
d.  neueren  spr.  77,  447.  [721 

G.  and  philosophy.  Eclectic  mag.  108,  145  (ECaird)  =  1886  [701.  [722 
G.  als  denker  von  MCarriere.  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  u.  renaissance- 
litt, n,  f.  I  1  [mit  bezug  auf  [744.  775].  [723 
MVDudley,  Poetry  and  philosophy  of  G.  Chicago,  Griggs  &  cie.  vi,  300. 
12.  vgl.  Goethe-jb.  9,  309.  —  New-York  nation  45,  122.  Literary  world 
18,  171.  [724 
Düntzer  1886  [705.  —  Anz.  xiii  172  (Minor).  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren 
spr.  78,329.  [725 
Zur  G.-litt.  von  HDüntzer  u.  RWulckow.  Didaskalia  nr  23.  6  [persönl. 
bemerkungen].  [726 
Francke  1886  [711.  auch  sep.  Berlin,  Bettler.  26.  8.  [727 
Urkundl.  funde  von  JFroitzheim.  1.  Urkundl.  über  G.s  ausflug  nach  Saar- 
brücken u.  seine  examina  in  Strafsburg.  2.  Die  Jungfern  Lauth  im  alten 
Strafsburg.  Strafsb.  post  nr.  313.  27.  [728 
Das  unechte  und  das  echte  G.-haus  am  Alten  fischmarkt  [zu  Strafsburg]  von 
JFroitzheim.  Strafsb.  post  nr  81.  [729 
Das  echte  G.-haus  am  Alten  fischmarkt  nr  36  [zu  Strafsburg]  von  JFroitz- 
heim. Strafsb.  post  nr  130.  [730 
G.s  Minchen,  auf  grund  ungedr.  briefe  geschildert  von  KThGaedertz. 
mit  dem  von  JFrommann  gemalten  portr.  Wilhelmine  Herzliebs  u.  facs. 
Bremen,  Müller,  xi,  153.  8.  —  Litt,  centralbl.  nr  18.  lUustr.  ztg.  nr  2292 
(Salomon).  Gegenwart  nr  24  (Düntzer).  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  33  (Buchner). 
DLZ  nr  45  (Schmidt).  Gartenlaube  nr41.  Nord  u.  süd  43,  410.  AZ  nr71B 
Verschiedenes.  Weser-ztg.  nr  14455.  Schles.  ztg.  nr  805.  8.  D.  litteraturbl. 
X  nr  5  (Geiger).  Die  kleine  chron.  frankf.  wochenschr.  hg.  von  Holthof  ix 
nr  38  beil.  Saturday  review  63,  706.  Köln.  ztg.  nr  145.  Schwab,  chron. 
s.  1633.  [731 
G.  w  Polsce  von  MGawalewicz.  —  Pamietnik  towarzystwa  literackiego 
imienia  AMlckiewicza'  pod  redakcya  Romana  Pilata  (Lemberg)  s.  251 
(Zipper).  [732 
G.-jb.  bd.  7  1886  [713.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  15,  80.  204  (vBieder- 
mann).  [733 
Dasselbe,  hg.  von  LGeiger.  bd.  8.  mit  dem  2jahresber.  der  G.-gesellsch. 
Frankfurt  a/M.,  Litt.  anst.  (Rütten  &:  Loening).  xx,  346,  94.  8  [darin  s.  xiii 
Schutzgeister  von  CFMeyer,  s.  235  nachtrage  u.  berichtigungen  zu  bd.  7.  8, 
s.  241  chron.,  s.  270  bibliogr.].  —  Litt,  centralbl.  nr27.  Grenzboten  46,3,77 
(Düntzer).  Die  nation  iv  591.  [734 
G.  u.  die  renaissance  von  LGeiger.     Vierteljahrsschr.   f.  kultur  u.  litl.  der 


VERZEICHNIS    DER    SCHRIFTSTELLER:     GOETHE  103 

renaissance  ii  141.  29".  auch  sep.  vortr.  geh.  im  wiener  G.-ver.  am  10  märz 
1887.    Berlin,  Haack.    40.    8.  vgl.  dazu  Goethe-jb.  9,  349.  [735 

vGoETHE,  JW.:  Die  Juden  u.  die  deutsche  litt.  i.  G.  u.  die  Juden  von  LGeiger. 
Zs.  f.  gesch.  der  Juden  in  Deutschland  i  321.  —  Revue  critique  nr  48. 
D.  litteraturbl.  x  nr  30  (Gloatz).  [736 

Zu  G.  in  Franlireich  von  LGeiger.    Goethe-jb.  8,233.  [737 

G.s  briefe  aus  Italien  von  LGeiger.    Die  nation  iv  175.  93.  [738 

WHerzlieb,  die  Ottilie  in  den  Wahlverwandtschaften  G.s  von  LGeiger.  Die 
nation  iv  418.  [739 

G.  Catholic  world  45,  145  (JGmeiner).  [740 

Rechtsstud.  u.  Prüfungsordnung,  ein  beitr.  zur  preufs.  u.  deutschen  rechts- 
gesch.  von  LGoldschmidt.  Stuttgart,  Encke.  451.  8  [darin  über  G.  als 
Juristen]  (Goethe-jb.  9,  347).  [741 

G.  Vorlesungen  geh.  an  der  kgl.  univ.  zu  Berlin  von  HGrimm.  4  durch 
einen  vorher,  verra.  aufl.    Berlin,  Hertz,    xxxviii,  517.    8.  [742 

Griswold  1886  [718.  —  New- York  nation  44,85.  [743 

G.  in  der  epoche  seiner  Vollendung.  1805—1832.  versuch  einer  darstellung 
seiner  denkweise  u.  weltbetrachtung  von  OHarnack.  Leipzig,  Hinrichs. 
XLvi,  249.  8.  —  D.  revue  xii  2, 255.  Grenzboten  46,  2,  271  (Necker).  Saturday 
review  nr  1667.  Preufs.  jbb.  60,  656  (Bielschowsky).  Presse  nr  166.  Weser- 
ztg.  nr  14699.  D.  litteraturbl.  x  nr  20  (Bürkner).  Arch.  f.  gesch.  der  philos.  i 
122  (Dilthey).    Beil.  zur  Bohemia  nr  174.  [744 

Gedanken  über  G.  von  VHehn.  Berlin,  Borntraeger.  327.  8.  —  Die  post 
nr  142  beil.  D.  revue  xii  3,  374.  Litt,  centralbl.  nr  43  (Greizenach).  AZ  nr 
276  B.  Grenzboten  46,  4,  582  (Necker).  Weser-ztg.  nr  14699.  Belletrist.-Iitt. 
sonntagsbeii.  der  Hamb.  nachr.  nr  25  (Eyfsenhardl).  D.  litteraturbl.  x  nr  15 
(Koch).  Nationalztg.  nr  322  (Delbrück).  Die  nation  iv  572  (Geiger).  Köln. 
Ztg.  nr  172.  [745 

G.  u.  die  spr.  der  bibel  von  VHehn.    Goethe-jb.  8,187.  [746 

Henkel  1886  [720.  —  Zs.  f.  d.  phil.  19,  249  (Kettner).  Arch.  f.  litteraturgesch. 
15,  99  (vBiedermann).  D.  dichtung  i  261  (Schönbach).  DLZ  nr  16  (Jacoby). 
Anz.  XIII  303  (Pniower).  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  496  (Muncker).  [747 
Das  geistige  leben  Neapels  in  den  letzten  jhh.  vornehmlich  im  18.  vortr. 
geh.  bei  der  G.-feier  in  Neapel  am  25  febr.  1887  von  AHolm.  Zs.  f.  allg. 
gesch.,  kultur-,  litt.-  u.  kunstgesch.  4,  321.  [748 

G.  in  Italien  von  Allg.    Presse  nr  19.  25.  [749 

G.-reliquien  von  Allg.    Ghron.  des  wiener  G.-ver.  1,51.  [750 

Keil  1886  [725.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  15,97  (vBiedermann).  [751 

Aus  den  tagebüchern  Riemers,  des  vertrauten  freundes  von  G.  mitgeteilt  von 
RKeiL  D.  revue  xii  1,  11.  173.  278.  3,  55.  4,  39.  vgl.  Goethe-jb.  9,  353. 
305.  [752 

GKühne  u.  Ottilie  vG.  von  AKohut.  Der  Zeitgeist  (beibl.  zum  Berl.  tagebl.) 
nr  1.  [753 

G.  u.  Schiller  in  Dresden  u.  die  Gustel  von  Blasewitz  von  AKohut.  Sieg- 
fried nr  1  (Goethe-jb.  9,  346).  [754 
Langguth  1886  [734.  —  Grenzboten  46,  1,  169  (Koch).  [755 
G.  als  päd.  von  ALanggut h.  Halle,  Niemeyer,  xn,  205.  8.  —  D.  litte- 
raturbl. X  nr  40  (Bender).  [766 
Erinnerungen  an  FLiszt  von  FLewald.  D.  rundschau  52,  270  [berührt 
s.  283.  7  Liszts  u.  AStahrs  bemühungen  um  gründung  einer  G.-stiftung].  [757 
Lewes-Frese-Geiger  1886  [735.  —  BU.  f.  litt,  unterh.  nr  3  (Buchner). 
Litt,  merkur  vii  96  (Geiger).  [758 
Lewes-Lippert  1886  [736.  —  DLZ  nr  21  (Werner).  [759 
Das  Frankfurt  G.s.  eine  reiseskizze  von  GLiebe.  Wissensch.  beil.  d.  Leipz. 
Ztg.  nr  101.  [760 
Erinnerungen  an  G.s  familie  (Alma  vG.)  von  AvLittrow-Bischoff.  Chron. 
des  wiener  G.-ver.  1,  30,  [761 
G.s  Verhältnis  zur  bildenden  kunst.  vortr.  geh.  im  ver.  junger  kaufleute 
[zu  Berlin]  von  dr  Lücke,    referat  darüber  im  Berl.  tagebl.  nr20  3,        [762 


104  BIBLIOGRAPHIE   FÜR    18S7    II 

aGoethe,  JW.  :  G.s    Verhältnis  zur  gesch.  u.  pol.   von   ALüttge.     progr.  d. 
kaiserin-Aiigusta-gymn.  zu  Charlottenburg.    29.    4.  [763 

G.s  reisen  vonFMaschek.  1  teil,  progr.  der  Staatsmittelschule  zu  Reichen- 
berg. Reichcnberg,  Pritsche.  58.  8.  [764 
Melzer  1886  [741.  —  Philos,  monatshefte  22,  392  (Harpf).  Zs.  f.  vgl. 
litteraturgesch.  i  359  (Steiner).  [765 
Meyer  1886  [743.  —  D.  litteraturbl.  x  nr31  (Geiger).  [766 
Homer  u.  die  Ilias  von  EHMeyer  [behandelt  auch  den  einfluss  Homers  auf  G. 
u.  Schiller].  Berlin,  Oppenheim,  vii,  258.  8.  —  Gegenwart  nr  14  s.  223.  [767 
G.  and  Schiller  by  MMundt.  New-York,  Lovell.  [768 
Der  söhn  des  henkers.  erzählung  von  KNeumann-Strela  [roman  aus 
G.s  Jugend].  Der  Sammler  (beibl.  zur  Augsb.  abendztg.)  nr  133  ff.  [769 
Erinnerungen  an  G.  von  HRinn.  Ztg.  f.  litt.,  kunst  u.  wissensch.  des  Hamb. 
corresp.  nr  19.  20.  [770 
Scherer  1886  [754.  —  DLZ  nr  3  (Grimm).  Gegenwart  nr  3  (Gebhardt). 
Bes.  beil.  des  Staatsanz.  f.  Württemberg  nr  7  s.  109  (Fischer).  D.  rundschau 
51,  240  (vLoeper).  Grenzboten  46,  2,  271  (Necker),  Revue  critique  nr  51 
(Chuquet).  New-York  nation  44,  514.  D.  litteraturbl.  x  nr  11.  3  (Geiger).  [771 
Ein  G.-bildnis  (von  Grünler)  von  KJSchröer.  Ghron.  des  wiener  G.-ver. 
1,  22.  [772 
G.-reliquien  von  KJSchröer.  ebenda  1,58.  vgl.  Goethe-jb.  9,307.  [773 
Einige  bemerkungen  über  G.s  Verhältnis  zur  ethik  von  GSimmel.  Zs.  f. 
philos.  u.  philos.  kritik  92,  101.  [774 
Steiner  1886  [761.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  16  s.  254.  Litt,  centraibl. 
nr21.  Chron.  des  wiener  G.-ver.  1,28  (Schröer).  Zs.  f.  philos.  u.  philos. 
kritik  91,  298  (Hermann).  Arch.  f.  gesch.  der  philos.  i  122  (Dilthey).  [775 
G.s  litt,  einfluss  auf  Frankreich  von  ThSüpfle.  i.  Goelhe-jb.  8,203.  [776 
G.  in  the  british  museum  by  FThimm.  The  library  chronicle  vol.  4  nr43 
(Goethe-jb.  9,  357).  [777 
G.  In  Neapel  von  ThTrede.  AZ  nr61— 3  B.  [778 
G.s  leben,  geistesentwickelung  u.  werke  von  HViehoff.  5  (titel-)aufl.  in 
4  teilen.  Stuttgart,  Conradi  (1877).  xiv,  198.  232.  226.  218.  8.  [779 
Kleine  Goetheana  von  RMWer  ner.  1.  Gretchen  Wagner.  2.  Brief  u.  gedieht 
[zu  den  gedichten  Der  misanthrop.  Der  wahre  genuss,  Willkomm  u.  ab- 
schied, Geheimstes].  3.  G.s  aussehen  i.  j.  1832.  4.  Hasen  laufen  lassen. 
5.  Der  wanderer.  6.  Tom  Jones  als  G.s  mutmafsliches  vorbild  [zu  dem  ge- 
dichte  Vertrauen],  7.  Eine  parallele  zu  Faust  i  29.  8.  Zwei  conjecturen 
[zur  Palinodie  i  u.  zum  Jahrmarkt  zu  Hünfeld].  Arch.  f.  litteraturgesch. 
15,  276.  auch  bes.  veröffentlicht  für  frhr  WvBiedermann  zur  feier  des  5  märz 
1887.  dr.  von  Teubner  in  Leipzig.  19.  8.  [780 
Die  rose  von  Sesenheim.  eine  erzählung  aus  G.s  liebesieben  von  AZapp, 
Berlin,  Cronbach.  160.  12.  —  D.  dichtung  ii  304  (Honegger).  Die  nation  iv 
572  (Geiger).  [781 
AZipper,  Z  mlodosci  Goethego  i  Schillera  [aus  der  Jugend  G.s  u.  Schillers]. 
Ognisko  dornowe  iv  nr  102  ff  (Lemberg  20  febr.).  [782 
JWG.  Meyers  con versa tions-lexicon  4  aufl.  7,542.  [783 
[G.-genealogie.  Berl.  börsencourier  6  juli  (Goethe-jb.  9,  338).  vgl.  auch 
Litt,  merkur  vii  259].  [784 
[Ber.  über  den  tod  eines  pathenkindes  G.s  in  Chemnitz:  des  bezirkschul- 
lehrers  Wolfgang  Engau,  des  sohnes  eines  Weimarer  druckers.  Leipz. 
Ztg.  vgl.  Athen.  nr3111  s.  768<=].  [785 
Zur  kenntnis  der  hss.  G.s.  Chron.  des  wiener  G.-ver.  1,  41.  [786 
Table  analytique  der  Bovetschen  samml.  (Mitteil.  f.  autogr.-sammler,  hg.  von 
EFischer  vRöslerstamm  4  jg.  nr  7)  [über  G.  aus  briefen  von  Knebel,  Tieck 
u.  VHugo]  (Goethe-jb.  9,  350).  [787 
G.  and  the  irish  queslion.  Critic  10,  261.  [788 
G.  als  verkündiger  deutscher  gröfse.  Schles.  ztg.  nr  169.  [789 
G.-erinnerungen.  Sonntagsbl.  hg.  von  APhillips  nr  13.  [790 
G.-gedenkstätten  Italiens.     Chron.  des  wiener  G.-ver.  1,  60.                      [791 


VERZEICHNIS    DER    SCHRIFTSTELLER:     GOETHE  lUO 

vGoETHE,  JW. :  G.  in  Italien,  aus  einem  vortr.  im  wiener  G.-yer.   Chron.  des  wiener 
G.-ver.  1,26.  [792 

Die  Wohnung  der  Jungfern  Lauth  im  allen  Strafsburg  [G.s  mittagstisch]. 
Strafsb.  post  nr  294.  [793 

Sassafras.     Chron.  des  wiener  G.-ver.  1,  24.  [794 

G.-bildnisse.    Westermanns  monatshefte  62,  748.  [795 

[G.s  portr.  von  Tischbein  (G.  auf  den  trümmern  Roms)  dem  Staedelschen 
inst,  in  Frankfurt  a/M.  aus  MGvRothschilds  nachlass  zum  geschenk  gemacht, 
notiz  im  Litt,  merkur  vii  107].  [796 

[Anbringung  einer  tafel  an  dem  hause,  wo  G.  30  nov. — 1  dec.  1777  in  Ilfeld 
übernachtet.     Köln.  ztg.  nr  244].  [797 

[G.-denkmal  in  Strafsburg.  Strafsb.  post  nr  197.  293.  auch  Presse  nr  199].  [798 
G.  medals.     Newport  news  20  sept.  [799 

[Über  das  G.  u.  seinen  erben  von  Cotta  ausgezahlte  honorar.  Litt,  merkur 
VIII  75].  [800 

Friderike  von  Sesenheim,  nach  WvG.,  eine  deutsche  liebesidylle  in  3  büchern. 
Berlin.  64.    8  (Goethe-jb.  9,  327).  [801 

s.  auch  [86.  88.  106.  121.  125.  126.  132.  150.  161.  171.  182.  192.  245. 
251.  270.  342.  352.  1144.   1397.  1415. 

*  Musikerbriefe  aus  5  jhh.  nach  den  urhss.  erstmalig  hg.  von  La  Mar  a.  2 
bde.  Leipzig,  Breitkopf  &  Härtel,  1886  [Beethoven  über  G.].  —  BU.  f.  litt, 
unterh.  nr  28  s.  436.  [802 

Sulpiz  Boisseree  u.  der  kölner  dorn  von  HHüffer.  Köln.  ztg.  nr  358  erstes 
bl.  (Goelhe-jb.  9,  336).  [803 

G.s  Friderike  [Brion]  von  RWulckow.    Didaskalia  nr  112.  3.  [804 

Charlotte  BufT  von  WCrecelius.  Arch.  f.  litleraturgesch.  15,336.  [805 
Ein  deutsch -frz.  familienleben  im  Elsass  von  Kestner- Köchlin  [über 
die  frz.  nachkommen  der  Charlotte  Kestner].  Strafsb.  post  nr  161.  vgl. 
dazu  Les  descendents  de  Charlotte.     Temps  4  mai.  [806 

G.  u.  Carlyle  s.  [105.  109.  110.  168.  169.  707.  708. 
G.  u.  Eberwein  s.  [245. 
G.  u.  FJFrommann  s.  [702. 

ChvGoethe.     lUustr.  ztg.  nr  2322.  [807 

s.  auch  [713. 

G.  u.  Herder,  vortr.  geh.  in  Weimar  den  21  mai  1887  bei  der  2  jahresver- 
samml.  der  G.-gesellsch.  von  BSuphan.     D.  rundschau  52,  63.  [808 

s.  auch  [992. 
WHerzlieb  s.  [731.  739. 
G.  u.  Homer  s.  [767. 

*Der  dresdner  baumeister  FAKrubsacius.  abdr.  aus:  Barock  u.  rococco  von 
PThSchumann.  leipz.  diss.  Leipzig,  Pries,  1885  [cap.  7,  s.  54—61  G. 
u.  Krubsacius,  dessen  polemik  gegen  Von  deutscher  baukunst]  (Goethe- 
jb.  9, 329).  [809 
G.  u.  KLaroche  s.  [575,  vgl.  auch  [99. 

Lavater.  Steck  1886  [780.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  51  (Minor).  [810 
MvLoen  u.  die  staatskirchlichen  reformprojecte  der  aufklärungszeit  von  WBen- 
der.  D.  revue  xii  1,  230.  336  [mit  rücksicht  auf  G.  hier  verzeichnet].  [811 
Eine  vergessene  kaiserin  [Maria  Ludovica  von  Österreich].  D.  ztg.  nr  5510.  [812 
s.  auch  [120. 
G.  u.  Manzoni  s.  [144. 

Aus  dem  briefwechsel  der  LMendelssohn-Bartholdy.  Berl.  börsencourier  21 
aprii,  nach  der  N.  fr.  presse  [berührt  G.s  Verhältnis  zu  Felix  Mendelssohn- 
Bartholdy]  (Goethe-jb.  9,  352).  [813 

Stahlberger,  Mickiewicz  in  Weimar  1829.  —  Pamietnik  towarzystwa 
literackiego  imienia  AMickiewieza  pod  redakcya  Romana  Pilata  (Lemberg) 
s.  250  (Reha).  '  [814 

G.  über  Mozarts  Don  Juan.  Berl.  tagebl.  nr  547  (Goethe-jb.  9,  347).  [815 
G.  u.  Öhlenschläger  s.  [825. 


106  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887     II 

vGoETHE,  JW. :  Friderike  Oeser  s.  [193. 

Parthey  1884  [448.  —  Belletrist.-litt.  sonntagsbeil.  der  Hamb.  nachr.  nr  23 
(Eyfsenhardt).  [816 

JLPassavant  ADB  25,  196  (HDechent).  [817 

G.  u.  Plessing  von  JDuboc.     Gegenwart  nr  39.  [818 

[Lebensabriss  des  preufs.  diplomaten  frhrn  vPlotho  [vgl.  G.s  werke  ed.  Hempel 
20.  169.  93.  353.  64].  vortr.  von  dr  Na  ude.  vgl.  DLZ  nr  20  sp.  730].  [819 
ChDRauch.  von  F.  u.  KEggers.  4  bd.  2  hälfte,  schlusslfg.  Berlin,  Duncker. 
XVII,  167—470  [berührt  G.]    (Goethe-jb.  9,  344).  [820 

Aus  einem  briefe  KBertuchs  an  Böttiger,  mitgeteilt  von  PER  ich  t  er.  Arch. 
f.  litteraturgesch.  15,  447  [G.  über  Schiller  u.  FSchlegel].  [821 

Elisabeth  Schönemann,  baronne  de  Türckheim.  la  Lili  de  G.  1758—1817. 
La  revue  nouvelle  d'Alsace-Lorraine  7«  annee  nr  5.  [822 

s.  auch  [719. 

G.  u.  ThSeebeck.  Fischer  1886  [795.  Richter  1886  [750.  —  DLZ  nr  6 
(Werner).     Litt,  centralbl.  nr  15.  [823 

Luise  Seidler,  die  zeichenlehrerin  der  kaiserin  Augusta  von  FBornhak. 
Der  bär  14  jg.  nr  6  (Goethe-jb.  9,336).  [824 

RSchmidt,  Fra  liv  og  literatur.  syv  foredrag.  Kjobenhavn,  Wrobleswski. 
226  [darin:  s.  125—207  Shakespeare  og  G.  u.  G.  og  Öhlenschläger,  sodann 
dänische  übers,  der  Goethe-jb.  8,  11  abgedr.  briefe  Öhlenschlägers  an  G. 
mit  anm. ,  letztere  auch  Dagbladet  (Kopenhagen)  26.7  mai  (Goethe-jb.  9, 
343.  304)].  [825 

Spinoza,  vortr.  geh.  im  G. -hause  in  Frankfurt — von  JBergmann.  Philos. 
monatshefte  23,  129  [berührt  G.s  Verhältnis  zu  Spinoza].  [826 

G.  u.  Spinoza.  Populär-wissensch.  monatsbll.  zur  belehrung  über  das  Juden- 
tum vii  nr  3.  [827 
G.  u.  frau  vStein  von  EAdler.  Wien,  Töplitz  &  Deuticke.  16.  8  [aus:  D, 
wochenschr. ,  febr.  26  feuill.].  —  D.  revue  xii  3,  255.  Bll.  f.  litt,  unlerh. 
nr  49  s.  782.  [828 
s.  auch  [159.  520.  683.  701.  712. 

G.  u.  Tennyson  von  DAsher.  Wissensch.  beil.  d.  Leipz.  ztg.  nr  82.  [829 
Notes  and  queries  for  a  bibliogr.  of  the  works  of  WMThackeray  ii.  Athen. 
nr3090  s.  96^  [G.  u.  Thackeray].  [830 

4  briefe  Varnhagens  an  HViehoff  über  G.  von  VKiy.    D.  revue  xii  4,  105.    [831 

Keil  1886  [805.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  15,  204  (vBiedermann).  Bll.  f. 
litt,  unterh.  nr  34  (Buchner).  [832 

Die  schätze  des  G.-hauses  zu  Weimar,  von  WLübke.  AZ  nr  56  B.  [833 
s.  auch  [152. 

Portraits  of  Englishmen  in  G.s  house  at  Weimar  by  MM  ü  11  er.  Acad.  nr  782 
s.  308.  [834 

Die  schätze  des  G.-nationalmuseums  in  Weimar.  60  photogr.  aufnahmen 
nach  den  originalen  in  lichtdr.  einl.  u.  erläut.  text  von  CRuland.  mit 
höchster  genehmigung  im  auftrage  des  grofshgl.  Staatsministeriums  unter 
leitung  der  direction  hg.  von  LHeld.  Ifg.  1 — 3  ä  6  photogr.  bll.  mit  16  ss. 
text.  Leipzig,  Titze.  fol.  vgl.  Goethe-jb.  9,  358  f.  —  Belletrist.-litt.  sonn- 
tagsbeil. der  Hamb.  nachr.  nr48.  Nationalztg.  nr  648  (Grimm).  [83B 
Das  G.-nationalmuseum  von  CRuland.  D.  illustr.  ztg.  nr  54.  [836 
G.  als  kunstsammler  [G.-museum]  von  JWahle.  Sonntagsbeil.  zur  Voss. 
Ztg.  nr  27.  [837 
G.-museum.  notiz  im  Litt,  merkur  vii  139.                                                 [838 

ESchmidts  G.-fund  von  OB  rahm.    vgl.  Litt,  merkur  vii  219.  [839 

Die  Weimarer  G.-tage  u.  die  neuen  Faustscenen  von  OB  rahm.  Frankf.  ztg. 
nr  144.  5.  [840 

Generalversamml.  der  G.-gesellsch.  in  Weimar  am  21  mai  1887  von  AFre- 
senius.  DLZ  nr  23  sp.  836.  nr24  sp.  877.  vgl.  auch  AZ  nr  143  B.  BU. 
f.  litt,  unterh.  nr24  s.  382.     Athen.  nr3111  s.  768<=.  [841 


VERZEICHMS    DER    SCHRIFTSTELLER:     GOETHE  —  GRILLPARZER        lö7 

vGoETHE,  JW.:  Tlic  new  Faust-ms.    by  LKatscher.     Liteiary  world  18,200. 

[842 
A  new  Faust.  Weimar  and  the  G.-gesellsch.  by  HSWhite.  New-York 
nation  44,  488.  [843 

The  nieeting  of  the  Weimar  G.-society  and  the  new  Faust-ms.  by  HSWhite. 
Acad.  nr  787.  [844 

Die  älteste  form  von  G.s  Faust.    Basler  nachr.  nr  144.  [845 

[Ber.  über  die  aufßndung  des  ur-Faust  u.  kurze  characteristik  desselben, 
aus  der  Voss.  ztg.     Köln.  ztg.  nr  141].  [846 

The  english  G.-society.  Acad.  31,  79.  95.  171.  261.  400.  55.  32,  13.  429. 
40.    Athen,  nr  3095  s.  259.  [847 

Goethe,  KE.:  Burkhardt  1886  [825.  vgl.  Coincidences  by  FMMüller.  Athen. 
nr3118  s.  149^  [848 

Ein  entwendeter  Originalbrief  der  mutter  G.s  an  ihren  söhn  [nach  Rom, 
17  nov.  1786].  abdr.  mit  erläut.  von  SSamosch.  Nationalztg.  nr  588.  [849 
Die  frau  rat.     Iliustr.  ztg.  nr  2292.  [850 

Götter,  FW.  s.  [1443. 

GOTTHELF,   J.    S.    [425. 

GöTTLiNG,  GW. :  CWG.  von  GLothholz.  2  abt.  progr.  d.  kgl.  u.  gröningschen 
gymn.  zu  Stargard  i/P.    33.    4.  [851 

Gottsched,  JCh.:  Bieling  1886  [829.  —  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  354 
(Vogt).  [852 

Koch  1886  [832.  —  D.  litteraturbl.  x  nr31  (Geiger).  [853 

Die  poetik  G.s  u.  der  Schweizer  litterarhist.  untersucht  von  FServaes 
(QF  60).     Strafsburg,  Trübner.  viii,  178.    8.  [854 

s.  auch  [1262. 

Gottschedin,  LAV. :  Frau  G.  u.  ihr  einfluss  auf  die  frankf.  bühne  von  EMen- 
tzel.    Didaskalia  nr52.  6.  61.7.  76.  9.  82.  7.  93.  9.  106.  7.  [855 

Schient  her  1886  [834.  —  Revue  critique  nr  2  (Ghuquet).  GGA  nr  6 
(Seuffert).  [856 

GözE,  JM.  s.  [1113. 

Grabbe,  ChD.  s.  [13. 

Vergessene  deutsche  kaiserdramen  [G.s  Friedrich  Barbarossa  u.  Heinrich  iv]. 
Bund  (sonntagsbl.)  nr  22.  [857 

ChDG.  eine  biogr.-litt.  Studie  von  CAlberti.  Westermanns  monatshefte 
62,  178.  [858 

Greflinger,  G.:  Zu  GG.  von  JBolte.     Anz.  xiii  103.'  [859 

Gries,  JD.  :  TTassos  Befreites  Jerusalem  in  2  teilen  übers,  von  JDG.  mit  einer 
biogr.  einl.  von  HF  1  eis  eher  (Bibl.  d.  welllitt.  bd.  139.  40).  Stuttgart, 
Colla.    256.  272.    8.  [860 

Grillparzer,  F.:  G.s  Faust  von  ASauer.     D.  ztg.  nr5401.  [861 

Psyche.    1  act.     D.  ztg.  nr  5409.  [862 

Der  träum  ein  leben,  ein  beitr.  zur  wiener  theatergesch.  mit  benützung  von 
ungedr.  material  von  JZeidler.     Wiener  ztg.  nr  176—9.  [863 

Ein  ungesprochener  toast  G.s.  mitgeteilt  von  KEFranzos.  D.  dichtung 
III  35.  [864 

Ein  brief  G.s  [vom  26  febr.  1866].  Jahresber.  der  lesehalle  der  deutschen 
Studenten  in  Prag,    auch  Staatsanz.  f.  Württemberg  nr  70  beil.  [865 

Ein  brief  G.s.  Wiener  allg.  ztg.  13  dec.  morgenbl.  unter:  litt.,  kunst  u. 
wissensch.  [866 

Frankl  1885  [654.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  77,  424  (Kölscher).  [867 
G.  in  Deutschland  von  EKuh.  Österr.-ungar.  revue  heft  10  s.  1,  vgl.  Presse 
nr  47.  [868 

G.-stud.  von  ALich  tenheld.  progr.  d.  staatsgymn.  ix  zu  Wien.  26.  8.  [869 
FG.  eine  litterarhist.  skizze  von  ASauer  (sonderabdr.  aus  G.s  sämmtl. 
werken,  4  ausg.  bd.  1).     Stuttgart,  Cotta.  lxxxv.    8.  [870 

G.  u.  Laube  von  JW  eilen.     D.  dichtung  ii  33.  93.  [871 

Der  hsliche  G.-nachlass.  AZ  nr  119  Verschiedenes,  vgl.  nr  125  B  Verschie- 
denes, auch  Litt,  merkur  vii  194.     D.  ztg.  nr  5512.  [872 


108  BIDLIOCnAPIlIE   FÜR    1887    II 

GfiaLPARZER,  F.:  Das  G.-zimmer  [bildet  einen  teil  des  bist,  museums  im  neuen 
ratliause  zu  Wien  u.  enthält  reliquien  sowie  den  nachlass  G.s],  AZ  ni  116  B 
Verschiedenes.  [873 

vGrtmm,  FM. :  MG.  et  sa  correspondance  litleraire  par  Chantavoine.  La 
nouvelle  revue  15  sept,  [874 

FMG.  von  KFrenzel.     Nationalztg.  nr  396.  408.  20.  [875 

Baron  MG.  von  RPhilip  psthal.  Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg.  nr  21.  2.  [876 
MG.  von  RPrölfs.    Wissensch.  beil.  d.  Leipz.  ztg.  nr  84.  [877 

MG,  ein  lebensbild  von  MRing.  Westermanns  monatshefte  63,328.  [878 
MG.,  l'homme  de  lettres,  le  factotum,  le  diplomate.  avec  un  appendice  sur 
la  correspondance  secrete  de  Metra  par  ES c herer.  Paris,  Levy.  480.  8. 
—  Litt,  cen^ralbl.  nr  18  (Creizenach).  Revue  pol.  et  litt,  nr  10  caus.  litt. 
Revue  critique  nr  10  s.  199.  DLZ  nr  39  (Stern).  Litteraturbl.  f.  germ.  u. 
roni.  phil.  nr  12  u.  Modern  language  notes  2,  192  (Mahrenholtz).  Athen, 
nr  3125.  New-York  nation  44,  247.  Ztg.  f.  litt.,  kunst  u.  wissensch.  des 
Hamb.  corresp.  nr  24— 6.  [879 

MG.  (1723—1807)  von  GWeifs.     Frankf.  ztg.  nr  138.  9.  41.  [880 

vGroimelshausen,  JJCh.  s.  [13. 

Stud.  zu  G.s  Simplicissimus  iv  von  JBolte.    Alem.  15,62.  [881 

s.  auch  [159. 

Gryphics,  A.:  Cardenio  u.  Gelinde  des  AG.  u.  Shakespeares  Romeo  u.  Julia  von 
Vogeler.     Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  79,  391.  [882 

Der  Papinianus  des  AG.  als  schulcomödie  in  Speyer  (1738)  von  KTraut- 
mann.     Arch.  f.  litteraturgesch.  15,  222.  [883 

s.  auch  [1179. 

vGÜNDERODE,  K.:  KvG.  (1780—1806)  von  GKWSeibt.  Frankf.  ztg.  nr210,  vgl. 
nr  258.  [884 

GdtsMuths,  JChF.:  Einige  bemerkungen  G.M.s  über  die  körperl,  bildung  der 
Jugend  von  JPawel.     Monatsschr.  f.  das  turnwesen  jg.  6  heft  5.  [885 

WHarnischs  beurteilung  von  G.M.s  Turnbuch  von  1817.  mitgeteilt  von 
KWassmannsdorff.     Monatsschr.  f.  das  turnwesen  jg.  6  heft  10.      [886 

vHagedorn,  f.  s.  [13. 

vHuLER,  A.:  AHaguette,  L'eternite,  ode  imitee  de  H.  Paris,  impr.  Chamerot. 
'27.     8.  [887 

Bodemann  1886  [865.  —  Zs.  f.d.  phil.  19,256  (Holstein).  [888 

vHardenberg,  f.  s.  [13. 

FvH.  (Novalis),  vortr.  von  HAKöstlin.  referat  darüber  Schwab,  chron. 
nr  76.  [889 

Novalis  leben,  dichten  u.  denken,  auf  grund  neuerer  publicationen  im  Zu- 
sammenhang dargest.  von  AS  c  h  u  b  a  r  t.  Gütersloh  ,  Bertelsmann,  xii, 
466.     8.  [890 

Ber.  über  Webskys  vortr.  über  Novalis  als  religiöser  dichter  u.  denket 
Nationalztg.  nr  127.  [891 

Hauff,  W.  s.  [8. 

Das  bild  des  kaisers  (Meisterwerke  unserer  dichter  hg.  von  OHellinghaus 
39bdchen).     Münster,  Aschendorff.    vii,  119.    16.  [892 

Kalif  Stork  and  The  phantom  crew:  a  first  german  book  for  students.  ed. 
by  WEM  u  Hins  and  FStorr.  new  ed.  London,  Rivingstons.  104.  8.  [893 
Lichtenstein,  romant.  sage  aus  der  württemb.  gesch.  mit  Zeichnungen  von 
PThumann,  in  holz  geschn.  von  RBrend'amour.  5  verb.  aufl.  Berlin,  Grote. 
XII,  404.     8.  [894 

Der  mann  im  monde.  Grenzboten  46,  2,  651.  3,  149.  auch  in:  Die  kleine 
chron.  frankf.  wochenschr.  hg.  von  Hollhof  x  nr  2.  [896 

s.  auch  [13. 
Märchen  s.  [11. 

Phantasien  im  bremer  ratskeller.  ein  herbstgeschenk  f.  freunde  des  weins 
(Meisterwerke  unserer  dichter  hg.  von  OHellinghaus  40  bdchen).  Münster, 
Aschendorff.    xi,  67.    16.  [896 

vHai:g\vitz,  AA.:  Eine  engl  Wallensteintragödie  [Glapthornes  Trajedy  of  Alber- 


VERZEICHMS    DER    SCHRIFTSTELLER:    GRILLPARZER HELNE  109 

lus  Wallenstein  1639]  in  Deutschland  von  JBolte,  Zs.  f.  d.  phil.  19,93. 
vgl.  1885  [691.  [897 

Hauswald,  AW.  s.  [224. 

Hebel,  JP.  s.  [8.  13. 

Ausgew.  erzälilungen  des  rheinläad.  hausfreundes.  f.  die  Jugend,  insbes.  f. 
Volks-  u.  schulbibl.  hg.  von  KStöber.  6  aufl.  mit  16  holzschn.  von  All- 
gaier  &  Siegle  nach  Zeichnungen  von  Rothbari.  Lahr,  Schauenburg.  xx, 
266  mit  4  chromolith.    8.  [898 

s.  auch  [1428. 

Der  dichter  des  Schatzkästleins  u.  seine  heimat  von  OBehaghel.  Vom 
fels  zum  meer  i  1029.  [899 

Der  erste  deutsche  dialectdichter  von  HElfinger.  D.  ztg.  nr  5654.  [900 
Funck  1886  [898.  —  DLZ  nr  22  (Ziegler).  [901 

Zur  erklärung  H. scher  naturgedichte  von  HSch ulier.  Zs.  f.  d.  deutschen 
Unterricht  i  488.  [902 

s.  auch  [76.  108. 

Heine,  H.:  Sämmtl.  werke  mit  einer  biogr.  des  dichters  u.  einl.  von  WBö Ische, 
ausg.  in  6  bden.  Leipzig,  Dürselen.  xxviii,  440.  xii,  452.  xii,  490.  x,  421. 
VII,  540.  X,  374,  8.  —  D.  dichtung  ii  156  (Härtung).  D.  rundschau  52, 
479.  [903 

Sämmtl.  werke  in  12  bden.  mit  einer  biogr.-litterarhist.  einl.  von  StBorn. 
bd.  1—7  (Bibl.  d,  weltlitt.  bd.  144—6.  150.  4.  5.  160).  Stuttgart,  Cotta. 
272.  326.  259.  228.  248.  287.  254.    8.  [904 

Sämmtl.  werke,  mit  einl.,  erläut.  anm.  u.  Verzeichnissen  sämmtl.  laa.  von 
EEIster.  1—20  Ifg.  bd.  1— 3.  Leipzig,  Bibliogr.  inst.  572.  555.  1—464.  8. 
—  Gegenwart  nr  11  s.  175.  nr  26  s.  415.  D.  dichtung  ii  155  (Härtung). 
D.  rundschau  51,477.  DLZ  nr  23  (Sauer).  Litt,  merkur  vii  201.  17.  Litt, 
centralbl.  nr48  (Creizenach).  [905 

Gesamm.  werke  hg.  von  GKarpeles.  krit.  gesammtausg.  bd.  1— 8.  Berlin, 
Grote.  Lxxvi,  402.  xix,  590.  xxii,  398.  xxiv,  380.  xxiv,  461.  xvii,  482.  xvii, 
501.  X,  499.  8.  —  Die  post  1886  nr324  beil.  feuilL  1887  nr  103  beil.  Gegen- 
wart nrll  s.  175.  D.  dichtung  ii  155  (Härtung).  DLZ  nr23  (Sauer).  AZ 
nr  307  B  Verschiedenes.  Ztg.  f.  litt.,  kunst  u.  wissensch.  des  Hamb.  corresp. 
nr  4.  Belletrist.-litt.  soiintagsbeil.  der  Hamb.  nachr.  nr  16.  36.  Mag.  f.  d. 
litt.  d.  in-  u.  aus!,  nr  28  (Kohut).  [906 

Sämmtl.  werke  hg.  von  OFLachman  n.  4  bde.  Leipzig,  Reclam.  787.  640. 
722.  780.    12.  —  D.  dichtung  ii  156  (Härtung).  [907 

Werke.  Laube  vgl.  1886  [907.  Ifg.  62—87.  bd.  4  s.  313-79.  bd.  5  s.  1— 
380.  bd.  6  s.  1—164.  —  D.  dichtung  ii  156  (Härtung).  [908 

Sämmtl.  werke  mit  biogr.  von  JReuper,  nebst  einl.  u.  dem  portr.  des 
dichters.  Ifg.  1—21.  bd.  1-3.  Halle,  Hendel,  lxxx,  720.  vi,  734.  1—620. 
8.  —  D.  dichtung  ii  156  (Härtung).  [909 

Sämmtl.  werke,  neue  ausg.  in  12  bden.  Hamburg,  HofTmann  &  Campe,  ix, 
152.  210.  VII,  247.  vi,  270.  iv,  199.  257.  234.  235.  196.  iv,  268.  iv,  292.  239. 
219.  [910 

s.  auch  [8.  13.  14.  88.  91. 

Poems,  selected  by  KFreiligrath  Kroeker.  London,  Scott.  16.  —  Satur- 
day  review  nr  1667.     vgl.  BU.  f.  litt,  unterh.  nr  47.  [911 

Songs  and  lyrics,  done  into  english  verse  by  JGeikie.     London,  Simpkin. 

[912 
Ausgew.  gedichte.  hg.  mit  einl.  u.  erläut.  von  OHellinghaus.  Münster, 
Aschendorff.    xvi,  272.    12.  [913 

Dichtungen,  ausgew.  u.  erläut.  von  KHessel.  mit  einem  bisher  unbekann- 
ten bildnis  des  dichters  aus  d.  j.  1828,  einer  biogr.  desselben  u.  einem  Ver- 
zeichnis der  compositionen  H. scher  lieder.  Bonn,  Weber.  349.  8.  —  Bll. 
f.  litt,  unterh.  nr  48  (Lemmermayer).  [914 

Buch  der  lieder  nebst  einer  nachlese  nach  den  ersten  drucken  oder  hss.  [hg. 
von  EEIster]  (DLD  27).  Heilbronn,  Henninger.  oliv,  255.  8.  —  Die  nation 
nr  14  (Geiger).  [915 


110  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887    11 

Heine,  H.:  Buch  der  lieder.  illustr.  prachtausg.  hg.  von  HLaube.  Wien,  Ben- 
singer. IV,  228.  8.  [916 
Buch  der  lieder.  illustr.  von  PThumann.  5  aufl.  der  1  illustr.  ausg.  (kleine 
ausg.).  Leipzig,  Titze.  197.  4.  —  D.  dichtung  ii  156  (Härtung).  [917 
Buch  der  lieder.  mit  dem  medaillon-portr.  HH.s.  Hamburg,  Hoffmann  & 
Campe.  240.  8.  [918 
Buch  der  lieder.  Stuttgart,  Krabbe,  xvi,  319.  16.  [919 
Buch  der  lieder  (D.  band-  u.  hausbibl.  bd.  278).    Stuttgart,  Spemann.  191.    8. 

[920 
Das  buch  der  lieder.     Halle,  Hendel,    xiv,  186.    8.  [921 

Buch  der  lieder.  f.  die  frauenweit  ausgew.  von  CB  r  a  u  n.  illustr.  von  REKepler 
(diamantausg.).  Stuttgart,  Greiner  &  Pfeiffer,  xvi,  286  mit  8  lichtdr.  16.  [922 
Dal  Lyrisches  Intermezzo  di  HH.  versione  di  EGicogna.  [Venezia,]  tip. 
delia  Gazetta  di  Venezia.    8.    8.  [923 

Notti  fiorentine.  trad.  dal  tedesco  di  PValabrega,  illustr.  di  artisti  fio- 
rentini.    Milano,  Hoepli.    157.    IG.  [924 

Ein  gedieht  H.s  von  GKarpeles.     Presse  nr  179.  [925 

[Die  Frankf.  ztg.  teilte  ein  bisher  unbekannt  gebliebenes  gedieht  von  H.  mit, 
welches  sich  im  Frankf,  musenalmanach,  hg.  von  JBachmann,  Korbett,  HKothe 
und  GMäurer  (Frankf.  1S51),  befindet  (es  beginnt:  Michel  nach  dem  märz.  So 
lang  ich  den  deutschen  Michel  gekannt,  War  er  ein  bärenhäuter;  Ich  dachte 
im  märz,  er  hat  sich  ermannt  Und  handelt  fürder  gescheitter,  dann  folgen 
weitere  8  strr.  mit  der  unterschr.:  HH.  in  Paris),  darauf  noch  einige  be- 
merkungen  über  GMäurer  (niederrhein.  dichter,  gest.  in  den  70er  jj.  in  Paris), 
polemisierend  gegen  die  Frankf.  ztg.,  welche  behauptet  hatte,  keiner  von 
den  hgg.  jenes  musenalmanachs  sei  mit  H.  bekannt  gewesen.  Berl.  tagebl. 
nr548.  vgl.  auch  Athen.  nr3132  s.  GOöb].  [926 

Die  Harzreise.     Hamburg,  HofTmann  &  Campe.    70.    8.  [927 

Die  Harzreise  [1824].  in  Gabelsbergersche  stenogr.  übertragen  u.  autogr. 
von  EC brist.     Leipzig,  Zehl.    80.    8.  [928 

Viaggio  sul  Harz  da'  Reisebilder  (Impressioni  di  viaggio):  saggio  di  versione 
di  VTrettenero,     Alessandria,  Ragazzone.  vii,  130.    16.  [929 

s.  auch  [11. 

Noch  einmal  HH.s  Memoiren.    Gartenlaube  nr  6  s.  99.  [930 

Neuer  frühling,  gedichte.  gesammtausg.  der  lyr.  gedichte  f.  die  frauenhand. 
Hamburg,  Hoffmann  &  Campe,    xii,  258.    8.  [931 

Neue  gedichte.  Zeitgedichte.  Halle,  Hendel,  xn,  108  mit  bild  des  verf.s.  8.  [932 
Die  pariser  februarrevolution.  ungedr.  nachlass  [mitgeteilt  von  GKarpeles]. 
D.  dichtung  ii  3.  54.  [933 

Travel  pictures:  including  the  Tour  in  the  Harz,  Norderney  and  Book  of 
ideas,  together  with  the  Romant.  school.  translated  by  FStorr.  with  map 
and  appendices.  London,  Bell  &  sons.  12.  —  Acad.  nr  769.  Athen.  nr3090 
s.  96.  [934 

Viaggio  in  Italia  (1828—9).  trad.  di  GVerdaro.  Pisloia,  tip.  del  Popolo 
pistoiese.    252.    16.  [935 

Travel  pictures.     New-York,  Scribner  &  Welford.  [936 

Reisebilder.    Spectator  60  :  48,  77.  [937 

Romancero.  illustr.  prachtausg.  hg.  von  HLaube.  Wien,  Bensinger.  iv, 
232.    8.  [938 

Zur  gesch.  des  bürgerkönigtums  in  Frankreich,  drei  aufsätze  (ungedr.  nach- 
lass) [mitgeteilt  von  GKarpeles].  D.  dichtung  II  126.  81.  [939 
Ungedr.  briefe  von  HH.  mitgeteilt  von  KEFranzos.  mit  zwei  autogr.  u. 
einem  porlr.  H.s  nach  einer  Zeichnung  von  CBrandt  aus  dem  anf.  der  2Öerjj. 
D.  dichtung  ii  125.  43.  [940 
Neue  briefe  von  H.  von  GKarpeles.  Presse  nr  282.  3.  [941 
Aus  einem  berliner  brief  H.s  vom  16  märz  1822  an  einen  freund  in  Hamm. 
Zs.  f.  deutsche  spr.  i  heft  4—7.  [942 
Le  romantisme  allemand.  la  jeunesse  de  HH.  [anknüpfend  an  1886  [920]  par 
JBourdeau.    Revue  pol.  et  litt.  2.                                                           [943 


VERZEICHNIS   DER    SCHRIFTSTELLER:      HEINE  —  HERDER  111 

Heine,  H.:  Rembrandt  u.  H.  von  GB  ran  des.  deutsch  von  EJonas.  Der  Zeit- 
geist (beibl.  zum  Berl.  tagebl.)  nr  5.  [944 
[H.  u.  AdeMusset  von  AErnst  im  Voltaire,  vgl.  Litt,  merkur  vii  219].  [945 
Reponse  de  Mr  Hüffer  ä  Mr  Ducros.  Revue  critique  nr  7  s.  137.  vgl.  1886 
[920.  [946 
HH.  von  JJ essen.  Hamb.  corresp.  nr  1  feuill.  [insbes.  zu  H.s  lied  vom 
Asra].  [947 
HJulia  über  die  beziehungen  HH.s  zu  seinem  bruder  Gustav.  Gil  Blas.  vgl. 
Litt,  merkur  vii  107.  [948 
HH.  in  Frankfurt  a/M.  (1815).  von  GKarpeles.  Frankf.  ztg.  nr96.  7.  [949 
Neue  mitteil,  über  HH.  von  GKarpeles.  Vom  fels  zum  meer  ii  365.  [950 
Aus  H.s  leben  von  GKarpeles.  D.  dichtung  n  152.  [951 
HLaube  über  HH.  ein  ungedr.  aufsatz  Laubes  mitgeteilt  von  GKarpeles.  D. 
rundschau  52,  458.  s.  auch  N.  Zürcher  ztg.  nr  257.  [952 
Neues  von  u.  über  H.  von  GKarpeles.  N.  fr.  presse  nr8191.  [953 
Guizot  u.  H.  von  GKarpeles.  Berl.  tagebl.  nr  545.  [954 
Jenny  Lind  u.  HH.  von  GKarpeles.  Berl.  tagebl.  nr  558.  [955 
HH.  u.  WIMenzel.  mit  ungedr.  briefen  H.s.  von  GKa  rpeles.  i.  ii.  Derzeit- 
geist (beibl.  zum  Berl.  tagebl.)  nr43.  4.  [956 
Ein  dcnkmal  f.  HH.  von  GKarpeles.  Berl.  tagebl.  nr  660.  [957 
Erinnerungen  an  HH.  ii  von  FLewald.  Westermanns  monatshefte  62,  100. 
206.  vgl.  1886  [931.  [958 
H.  u.  der  Harz  von  HPröhle.  1.  Die  bergidylle.  2.  Die  Harzreise.  Sonn- 
tagsbeil, zur  Voss.  Ztg.  nr  8. 10.  2.  [959 
Prölfs  1886  [933.  —  Saturday  review  63,  705.  vgl.  Bll.  f.  litt,  unterh. 
nr25  8.399.  AZ  nrl56B  (Muncker).  [960 
H.  Visit  to  London.  National  review  10,  542  (TPryde).  auch  Littells 
Living  age  175,  807.  [961 
H.  in  Italien  von  SSamosch.  Nalionalztg.  nr494.  [962 
HH.  N.  Zürcher  ztg.  nr  177.  [963 
H.-kultus.  Grenzboten  46,  2,  296.  [964 
s.  auch  [86. 

Heinse,  W.  :  Ein  stich  [Die  kirschensammlerin]  von  JHRamberg  von  RKade. 
Zs.  f.  bildende  kunst  22,  319  [behandelt  H.s  gedieht  Die  kirschen  nach  dem 
frz.  des  Dorat].  [965 

WH.  als  musikschriftsteller  von  HM  ü  11  er.  Vierteljahrsschr.  f.  musikwissen - 
Schaft  3,  561.  [966 

vHenmngs,  A.  s.  [97. 

Hessel,  LM.  :  Lieder,  mit  d.  porlr.  der  dichterin.  6  aufl.  Paderborn,  Schöningh. 
XX,  394.     12.  [967 

vHerder,  JG.:  Sämmtl.  werke.  Suphan  bd.  4.  6.  7.  10—12.  17—23.  25—28. 
Berlin,  Weidmann,  1878  ff.  —  Theol.  litteraturztg.  nr6  (Baur).  [968 

Dieselben,     bd.  13.  16.     Berlin,  Weidmann,     iv,  484.  ni,  630.    8.  [969 

Dieselben,  bd.  23—25  1886  [939—41.  —  Arch.  f.  gesch.  der  philos.  i  122 
(Dilthey).  [970 

Dieselben,  bd.  24  1886  [940.  —  D.  rundschau  50,  470  (Grimm).  Bes.  beil. 
des  Staatsanz.  f.  Württemberg  nr  8  s.  128.  Revue  critique  nr  6  s.  119 
(Joret).  [971 

Ausgew.  werke  hg.  vonBSuphan.  bd.  3.  Ausgew.  dichtungen.  bd.  3.  hg. 
von  CRedlich.  bd.  4  Ideen  zu  einer  philos.  der  gesch.  1  u.  2  teil.  Berlin, 
Weidmann,     iv,  138.  iv,  428.    8.  [972 

*H.s  griech.  u.  morgenländ.  an thologie  u.  seine  Übersetzungen  aus  JBalde, 
im  Verhältnis  zu  den  originalen  betrachtet  von  FLauchert.  münchner  diss. 
München,  univ.-buchdr.  von  CWolf  &  söhn,  1886.    176.    8.  [973 

Der  Cid.  nach  span.  romanzen  besungen,  mit  einL  u.  anm.  von  KJauker 
(Schulausg.  class.  werke  nr  24).  Wien,  Graeser.  xii,  66.  8.  —  Zs.  f.  d. 
österr.  gymn.  38,  688  (Prosch).  [974 

Lambel  1886  [943.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  688  (Prosch).  Bll.  f.  d. 
bayr.  gymnasialschulwesen  23,  526  (Bauer).  [975 


112  BIBLIOGRAPHIE    FÜR     1887     II 

vHerder,  JG.:  Der  Cid  u.  die  Cidromanzen.  litterarhist.  abhandl.  von  LFischer 
OSB.  Jahresber.  über  die  cantonal-lehranstalt  zu  Samen.  Samen,  Müller. 
24.    4.  [976 

H.s  Erstes  krit.  Wäldchen,  i.  von  GKettner.  progr.  d.  landesschuie  zu 
Pforta.    64.     4.  [977 

Zu  H.s  gedieht  Dem  jungen  baron  Budberg  von  ThvRiekhoff.  Arcli.  f. 
litteraturgesch.  15,  447.  [978 

H.s  legenden  Die  ewige  Weisheit  u.  Der  friedensstifter  u.  ihre  quellen  von 
RKöhler.  Ber.  der  kgl,  sächs.  gesellsch.  der  wissensch.  phil.-hist.  cl.  39, 
105.    vgl.  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  u.  renaissancelitt.  n.  f.  i  128.  [979 

Über  den  Ursprung  der  spr.    Volkslieder  s.  [13. 
s.  auch  [1428. 

H.s  briefwechsel  mit  Nicolai,  im  Originaltext  hg.  von  OHoffmann.  Berlin, 
Nicolai  (Stricker),  vni,  144.  8.  —  Litt,  centralbl,  nr  42.  Grenzboten  46,  4, 
295.  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr51  (Berg).  Osterr.  litt,  centralbl.  nr  22/3  (Haas). 
D.  litteraturbl.  x  nr40  (Brenning).     Köln.  ztg.  nr  256.  [980 

Ein  brief  H.s  an  FLSchröder  u.  das  ms,  zu  Adrastea  iv  271 — 309  von 
ENaumann.     Arch.  f.  litteraturgesch.  15,265.  [981 

Briefe  H.s  [an  Adelung,  Schiller  u.  gräfin?]  u.  Wielands  [an  Eschenburg, 
Vieweg,  Göschen]  mitgeteilt  von  CSchüddekopf.  Arch.  f.  litteraturgesch. 
15,  254.  [982 

s.  auch  [704. 

Haym  1886  [948.  —  Litt,  centralbl,  nr  5.  Nationalztg.  nrlOl.  12  (Brahm). 
Revue  critique  nr6  (Chuquet).  [983 

Notiz  zu  H.  von  OHoffmann.     Arch,  f.  litteraturgesch.  15,223,  [984 

H.  als  milarbeiter  an  der  Allg.  deutschen  bibl.  von  OHoffmann.  Arch.  f. 
litteraturgesch.  15,  238.  [985 

H.  u.  JWPetersen  von  DJacoby.  Arch.  f.  litteraturgesch.  15,357,  [986 
Les  idees  politiques  de  H.  par  Levy- Brühl.  Revue  des  deux  mondes 
80,  919.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  25  s.  398.  [987 

Nevinson  1884  [570.  —  Litt.  centralbL  nr  5.  [988 

H.  in  Riga,  ein  vortr.  von  GPipers.  Nord,  rundschau  bd.  6,  mai.  [989 
Scholl  1885  [744,  —  Revue  critique  nr  2  (Chuquet).  [990 

H.s  bedeutung  in  der  evang.  kirche  von  AW  e  r  n  e  r.  Prot,  kirchenztg, 
nr  8.  9.  [991 

H.s  bruch  mit  Goethe,  eine  abrechnung  zwischen  class.,  ästhetischer  u.  christ- 
lich-moralischer Weltanschauung.  Evang. -luth.  gemeindebl.  nr  37 — 40 
(Goethe-jb.  9,  340).  [992 

s.  auch  [1018. 

Hessel,  P.:  PH.  u.  seine  lieder  von  AFischer.     Bll.  f.  hymnoL  s.  185.     [993 

Heun,  KGS.  ps.  Clauren,  H.:  Cl.s  Mimili.    Bund  nr  282,  3.  4.  6,  [994 

Hey,  W,  :  50  fabeln  f.  kinder.  in  bildern  nach  OSpeckter.  prachtausg.  1  heft: 
12  chromolith.  mit  untergedr.  text,     Gotha,  Perthes,    fol.  [995 

Hansen  1886  [962,  —  TheoL  litteraturztg.  nr  6  (Lindenberg).  D,  rundschau 
52,  156.  [996 

HaLER,  FC.  s.  [92. 

vHippEL,  ThG.  s.  [13. 

Denknisse  u.  erinnerungen  aus  der  zeit  der  erhebung  Preufsens.  aus  ThGvH.s 
hslichem  nachlass  mitgeteilt  von  ThBach.  2  teil,  progr.  d,  Falk-realgymn, 
zu  Berlin.  24.  4.  vgl.  1886  [963.  [997 

Hoffmann,  EThW.:  Gontes  fantastiques:  Le  violon  de  Cremone,  Ignace  Denner. 
Le  majorat.     Paris,  Gautier.    32.    8.  [998 

Bauer  1886  [969,  —  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil,  nr  7  (Behaghel).  [999 
Le  tonnelier  de  Nuremberg.  traduction  francaise  par  LJeanneret.  Paris, 
Hachette  &  cie.   viii,  91.    16.  '  [1000 

s.  auch  [108. 

Hoffmann  vFallersleben,  HA. :  Gedichte,  mit  dem  bildnisse  des  dichters.  ge- 
stochen von  Weger,  9  aufl.     Berlin,  Grote.    iv,  413.    8.  [1001 

Hofmann  vHofmannswaldau,   Gh.:   *Über  ChvH.  u.  die  Umarbeitung  seines  Ge- 


VERZEICHNIS    DER    SCHRIFTSTELLER:     HERDER KABSCHIN  113 

treuen  Schäfers  von  KF  r  i  e  b  e.  greifswalder  diss.  Greifswald ,  dr.  von 
Abel,  1886.  [1002 

s.  auch  [224. 

Hölderlin,  F.  s.  [13. 

Neue  mitteil,  über  H.  von  CGTLitzmann.  Arch.  f.  litteraturgesch.  15, 
61.  452.  [1003 

Wi  rth  1886  [980.  —  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom,  phil.  nr  3  (Muncker).  [1004 
Beitr.  zur  krit.  u.  erklärung  H.s  von  RWirth.  4.  Griechenland,  Arch.  f. 
litteraturgesch.  15,  310.  [1005 

Hübner,  T.  s.  [1573. 

VHUMBOLDT,  \V.  s.  [13.  704. 

Bruchmann  1886  [986.  —  Berl.  phil.  wochenschr.  nr38  (Vogrinz).  [1006 
Neues  u.  altes  von  Tegel  von  ATrinius.  Nationalztg.  nr  516  sonntags- 
beil.  nr  39.  [1007 

HuNOLD,  ChF.  s.  [1266. 

Jahn,  FL.:  Werke,  neu  hg.  —  von  GEuler  s.  1886  [989.  bd.  2,  12—16  (schluss-) 
Ifg.     Hof,  Lion.  Lxi,  817—1093  nebst  reg.  36.    8.  [1008 

FFallenstein  u.  FLJ.  von  KWassma  n  nsdorff.  Monatsschr.  f.  das  turn- 
wesen  6jg.  heft  12.  [1009 

s.  auch  [139. 

Iffland,  AW.  s.  [13.  1393. 

vImhoff,  AA.:  AAvI.  zu  Weimar  von  HDüntzer.  ii.  Westermanns  monatshefte 
61,  526.    vgl.  1886  [994.  [1010 

Immermann,  K.:  Werke,  hg.  von  MKoch.  1  teil.  2  abt.  Merlin.  Tristan  u. 
Isolde.  Goethe  u.  die  falschen  wanderjahre.  2  teil.  Münchhausen.  2  bde 
(D.  nationallitt.  bd.  159,  2.  160,  1.  2).  Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.  335. 
XL,  404.  374.  8.  [1011 

s.  auch  [8.  13. 

KI.s  Shakespeareeinrichtungen  n.  von  G.  frhrn  Vincke.  Jb.  d.  d.  Shake- 
spearegesellsch.  22,  172.  [1012 

Jung-Stilling,  JH.:  JHJ.s  [genannt  St.]  lebensgesch.  neue  ausg.  mit  St.s  bild- 
nis  (Galwer  familienbibl.  bd.  7).  Calw,  vereinsbuchhandl.  xii,  340.  8.  [1013 
s.  auch  [13. 

J.-St.,  auch  ein  Spiritist,  von  SFeldmann.  Sonntagsbeil,  zur  Voss,  ztg, 
nr  26.  [lOM 

vKalb,  Gh.  :  GhvK.  in  Berlin  begraben  (auf  dem  dreifaltigkeitskirchhoO-  Die 
kleine  chron.  frankf.  wochenschr.  hg.  von  Holthof  x  nr  8.  vgl.  auch  Köln. 
Ztg.  nr222.  [1015 

s.  auch  [177.  1414. 

Kant,  I.  s.  [13. 

Lose  bll.  aus  K.s  nachlass.  mitgeteilt  von  RR e icke.  Altpreufs.  monats- 
schr. XXIV  312.  443.  648.  [1016 
♦Aus  K.s  briefwechsel.  vortr.  —  von  RReicke.  mit  einem  anh.  Königrs- 
berg,  Beyer,  1885.  —  Philos.  monatshefte  23,  620.  [1017 
Kant  u.  Hume  um  1762  von  BErdmann.  Arch.  f.  gesch.  der  philos.  i  62 
[behandelt  die  beziehungen  Herders  zu  K.  u.  Hume].  [1018 
*  Kulturbilder  aus  Altpreufsen  von  AHorn.  Leipzig,  Reifsner,  1886.  vgl. 
Gartenlaube  nr  40  s.  667.  [1019 
s.  auch  [171. 

Karl  August  von  Sachsen-Weimar:  Diezmann  1886  [1002.  —  D.  rundschau 
50, 479.  [1020 

KA.  u.  gräfin  O'DoneU.  ungedr.  briefe  mitgeteilt  von  RMWerner.  Arch. 
f.  litteraturgesch.  15,  37.  [1021 

Karschin,  AL.:  Die  deutsche  Sappho  (ALK.),  ihr  leben  u.  dichten,  ein  litt.-  u. 
kulturbild  aus  dem  Zeitalter  Friedrich  des  grofsen.  von  AKohut.  Dresden 
u.  Leipzig,   Pierson,   x,  180.    8.    —  Gegenwart   nr  24  s.  382.     Bll.  f.  litt. 

O  unterh.  nr  31   (Doehn).     Nord   u.   süd  43,  406.     Die  nation   nr  4  (Geiger). 
Zs.   f.   allg.   gesch.,  kultur-,  litt.-  u.    kunstgesch.   4,479.    D.  wochenschr. 
A.  F.  D.  A.   XV.  8 


114  BIRLIOGRAPHIE    FÜR    1887     II 

3  sept.  (Christel).    Ztg.  f,  litt.,  kunst  u.  wissenscli.  des  Hamb.  corresp.  nr  20. 

D.  litteralurbl.  x  nr  28  (Lösche).     Bund  nr  324—6.  9.  31.  [1022 

Kaufwann,   Gh.:   Der  aposlei   der  geniezeit.    nachtr.   zu   HDüntzers  ChK.     von 

JBaec.htold.     Arch.  f.  litteraturgesch.  15,  161.  [1023 

Kerner,   G.:  Wohlwill    1886   [1003.  —   Hist.  zs.   57,302.     Litt,  nierkur  vm 

50  (Klüpfel).  [1024 

Kerner,  J.  s.  [11. 

JK.  u.  sein  arzt  [aus  dem  litt,  nachlass  JK.s]  von  AKohut.  Mag.  f.  d.  litt, 
d.  in-  u.  ausl.  nr  8.  [1025 

s.  auch  [1482.  1505. 
vKleist,  BHW.  s.  [8.  13.  14.  85. 

Michel  Kohlhaas,  texte  alleniand,  publie  avec  une  notice  litteraire,  un  argu- 
nient  et  des  notes  par  MLKoch.  Paris,  Hachette.  xvi,  172.  16.  [1026 
Michel  Kohlhaas,  explique  litteralement  et  trad.  en  francais  par  MLKoch. 
Paris,  Hachette.    449.    12.  '  [1027 

Vgl.  stud.  zu  HvK.  von  RWeifsenfels.  l.Der  tod  der  Penthesilea.  Zs.  f.  vgl. 
litteraturgesch.  i  273.  [1028 

Die  todesfurcht  des  Prinzen  von  Homburg.  vonRLehmann.  Sonntagsbeil, 
zur  Voss.  Ztg.  nr  15.  [1029 

Zu  K.s  Prinz  Friedrich  von  Homburg  von  BLitzmann.  Grenzboten  46, 
2,  445.  [1030 

Neuer  beitr.  zur  behandlung   der  dram.  lectüre.     Prinz  Friedrich  von  Hom- 
burg.   Schauspiel  von  HvK.  von  HUnbescheid.    Zs.  f.d.  deutschen  Unter- 
richt I  222.  320.  [1031 
Brahm  1885  [797.  —  AZ  nr  37.  42.  3.  7  B  (Bormann).                         [1032 
s.  auch  [686. 
vKleist,  ChE.:   De  EKleistii  vita  et  scriptis,  thesim  proponebat  facultati  litte- 
rarum  Parisiensi  ad  doctoris  gradum  promovendus  AChuquet.    Paris,  Gerf. 
103.     8.                                                                                                        [1033 
s.  auch  [139. 
vKlinger,   FM.:    K.s  Faust,     eine  litterarhist.  Untersuchung  von  GJPfeiffer. 
würzb.  diss.    Würzburg,  dr.  von  Memminger.   108.    8.  —  Zs.  f.  vgl.  litteratur- 
gesch. u.  renaissancelitt,  n,  f.  i  298.                                                         [1034 
Moderne  geister.    litt,   bildnisse   aus   dem    19  jh.   von   GBrandes.     2  neu 
durchges.    u.  verm.  aufl.  mit  dem  bildnis  des  verf.s.     Frankfurt  a/M. ,  Litt, 
anst.  (Piütten  &  Loening).    vii,  465.    8  [enth.  einen  essay  über  K.].       [1035 
Klopstock,  fg.:  Gesamm.  werke  in  4  bden.  mit  einer  einl.  von  FMuncker  (Bibl. 
d.  weltlitt.  bd.  141.  2.  8.  9).    Stuttgart,  Gotta.    272.  312.  228.  208.  8.     [1036 
Messias  1884  [639.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  77,  447.          [1037 
Ein   stück  aus  K.s  Messias  in  urspr.  gestalt  von  HFunck.     Arch.    f.  litte- 
raturgesch. 15,337.                                                                                     [1038 
Oden.    ausw.  mit  einl.  u.  anm.    hg,  von  HDüntzer,    3  aufl.    Leipzig,  Brock- 
haus.   XXVI,  221,    8.                                                                                    [1039 
Oden,    [in  ausw.].    mit  einl.  u.  anm.  von  ChWürfl   (Class.  f.  den  schulge- 
brauch nr  17).     Wien,  Holder,    xiv,  144.    8.                                             [1040 
Briefwechsel   des   herzogs  Leopold  Friedrich  Franz   von  Anhalt-Dessau   mit 
FGK.   im  j.  1779.    mitgeteilt  von  WHosäus.     Mitteil,   des  ver.   f.  anhält, 
gesch.  u.  altertumskunde  v  49.                                                                  [1041 
Ein  briefK.s  an  Meta.    mitgeteilt  von  CSchüddekopf.    Arch.  f.  litteratur- 
gesch. 15,  235.                                                                                            [1042 
Gluck  u.  K.     Presse  nr  318.                                                                       [1043 
s.  auch  [182. 
Klotz,  ChA,:   K.  u.  die  Klotzianer  von   Kawerau.     Geschichtsbll.  f.  Stadt  u. 
land  Magdeburg  xxii  heft  4.                                                                       [1044 
s.  auch  [1167. 
Knapp,  A.:   Geistl.  lieder  in  einer  ausw.     2  verm,  aufl.     Stuttgart,  Gotta.    viii, 
216.     8,                                                                                                        [1045 
vKnebel,  kl.  s.  [787. 
vKwGGE,  A.  frhr  s.  [13. 


VERZECCHMS    DER    SCHRIFTSTELLER:     KARSCHLN  —  LEIRNIZ  115 

Knoll,  Ch.  :  Zu  ChK.s  Trostbüchlein  u.  den  liedern  von  GRichter  dem  jüngeren 
von  AFischer.     Bil.  f.  hymnol.  s.  56.  71.  [1046 

KOXGEHL,  M.  s.   [257. 
König,  JU.  s.  [1266. 

König,  S.:  Ein  litt,  betrug  von  JZahn.     ßll.  f.  hymnol.  s.  93.  [1047 

KopiscH,  A.  s.  [14. 
Körner,  ChG.  s.  [704. 

Körner,  Th.  :  Sämmtl.  werke.    2  bde.    Berlin,  Warschauer,    iii,  375.  in,  398.   12. 

[1048 
s.  auch  [8.  15. 

Zriny.  ein  trauerspiel.  mit  einl.  u.  anm.  von  KTomanetz  (Schulausg.  class. 
werke  nr  25).  Wien,  Graeser.  xvi,  82.  8.  —  Litt,  centralbl.  nr  34.  [1049 
ThK.  u.  die  geschichtl.  Überlieferung  von  FLatendorf.  Ztg.  f.  litt.,  kunst 
u.  wissensch.  des  Hamb.  corresp.  nr  5.  [1050 

Anfrage  u.  bitte  [K.  betr.]  von  FLatendorf.  Litt,  centralbl.  nr  28  sp. 
960.  [1051 

ThK.  im  Riesengebirge  von  AvdVelde.  Der  wanderer  im  Riesengebirge 
6  jg.  nr  4.  5,  laufende  nr  51.  2.  [1052 

s.  auch  [95.  139. 
KORTUM,  KA.  s.  [13. 

Kosegarten,  GL. :  GLK.  ein  lebensbild  von  HFranck.  nebst  einem  bildnis  K.s, 
gestochen  von  AKraufse.  Halle,  Waisenhaus,  x,  467.  8.  —  D.  dichtung  ii 
124  (Boxberger).  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  19  (Boxberger).  Grenzboten  46,  3, 
147.  DLZ  nr33  (Eigenbrodt).  Zs.  f.  d.  phil.  20,365  (Gering).  Nationalztg. 
nr  28  (Ellinger).     Theol.  litteraturbl.  s.  20  (Petrich).  [1053 

VKOTZEBUE,  A.   s.   [13. 

La  petite  ville  allemande,  et  extraits  de  Misanthropie  et  repentir  et  de  L'epi- 
gramme.  texte  allemand,  public  avec  une  notice,  un  argument  analytique 
et  des  notes  par  MBailly.    Paris,  Kachelte,    xxiv,  187.    16.  [1054 

La  petite  ville  allemande,  comedie.  expliquee  litteralement  et  traduite  en 
francais  par  MDesfeuilles.    Paris,  Hachette.    352.    16.  [1055 

II  casino  di  campagna:  farsa.  nuova  riduzione  dal  tedesco.  Firence,  Inno- 
centi.    30.  24.  [1056 

Kratter,  f.  s.  [224. 

Krummacher,  FA.:  Paraboles.  ed.  precedee  d'une  notice  sur  la  vie  de  l'auteur, 
acconipagnee  de  notes  en  francais  et  suivie  d'un  vocabulaire  par  ChKochers- 
perger.     Paris,  Belin  &  fils'.    viii,  108.    12.  [1057 

s.  auch  [1428. 
Lafontaine,  AHJ.  :   Allg.  encykl.  der   wissensch.   u.    künste.     2  sect.   41,161 
(MK  0  c  h).  [1058 

Langbein,  ÄFE.  s.  [224. 
Lappe,  KG.  s.  [175. 

Lauremberg,  J.:  Zu  L.  von  WSchlüter.  Korrespondenzbl.  des  ver.  f.  nd. 
sprachf.  xii  37.  [1059 

JL.  ein  plattdeutscher  Satiriker  des  17  jhs.  von  PSchütze.  Zs.  f.  allg. 
gesch.,  kultur-,  litt.-  u.  kunstgesch.  3,  62.  139.  [1060 

Lavater,  JK.:  JKL.s  büUetins  an  Häfelin  u.  Stolz  über  die  Zürcher  staatsum- 
wälzung  vom  j.  1798.  mitgeteilt  von  FOPestalozzi.  Zürcher  taschenbuch 
n.  f.  10  jg.    [schluss  von  1885  [861].  [1061 

Der  vater  der  physiognomik  (L.).     Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg.  nr  38.    [1063 
s.  auch  [245. 
vLeibniz,  GW.:  Gerhardt  1886  [1096.  —  Philos.  monatshefte  23,481  (Schaar- 
schmidt).  [1063 

Philos.  Schriften,  hg.  von  CJGerhardt.  bd.  3.  Berlin,  Weidmann,  vii, 
684.     4.  .  [1064 

Die  in  Halle  aufgefundenen  L.-briefe,  im  auszug  mitgeteilt  von  LStein. 
Arch.  f.  gesch.  der  philos.  i  78,  [1065 

L.  u.  Hobbes  von  ET ön nies.  Philos.  monatshefte  23,557  [ein  brief  L.s 
an  Hobbes].  [1066 

8* 


116  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887     II 

vLeibniz,  GW. :  [Über  die  auffindung  neuer  L.-briefe.  Litt,  merkur  vii  259].  [1067 
GVVL.  verf.  der  Histoire  de  Bileam.  mit  vollständigem  abdr.  der  Hist.  de 
Bilcam  in  der  von  L.  gebilligten  form  von  WBranibach.  Leipzig,  Barth. 
VII,  38.    8  (nur  in  300  exemplaren  gedr.).  [1068 

Der  Optimismus  des  L.  von  GMayer.     erlanger  diss.  20.    8.  [1069 

Leisenvitz,  ja.  :  Werkstücke,  gesamm.  stud.  u.  vortrage  zur  braunschweig,  gesch. 
von  LHänselmann.  2  bde.  W^olfenbüttei,  Zwissler.  347.314.  8  [darin: 
JAL,  u.  die  armenpflege  in  der  Stadt  Braunschweig].  [1070 

s.  auch  [159. 

Lenz,  JMR.:  Die  sizilianische  vesper.  trauerspiel.  hg.  von  KWeinhold.  Breslau, 
Koebner.  72.  8.  —  Litt,  merkur  vii  120  (Reinhardslöttner).  DLZ  nr  16 
(Suphan).  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr  8  (Koch).  Zs.  f.  d.  phil. 
20,  255  (Erdmann).  [1071 

s.  auch  [711. 

Lessing,  GE.:  Sämmtl.  Schriften  hg.  von  Lachmann-Muncker  s.  1886  [1107. 
bd.  3.  Stuttgart,  Göschen,  xx,  500.  8.  —  EU.  f.  litt,  unterh.  nr  44  (Box- 
berger).  Revue  critique  nr  51  (Chuquet).  [1072 
Werke  in  6  bden.  neu  durchges.  von  FMuncker.  mit  einl.  von  KGoedeke. 
Stuttgart,  Göschen,  vi,  362.  xii,  329.  viii,  399.  vi,  342.  viii,  347.  viii, 
330.  8.  [1073 
Werke.  6  bde.  Berlin ,  Warschauer,  vi,  410.  in,  392.  374.  iii,  413.  in, 
394.  in,  362.  12.  [1074 
L.-perlen.  eine  systematisch-geordnete  blumeniese  aus  L.s  sämmtL  werken 
von  SBlumenau.  Bielefeld,  Helmich.  vii,  49.  8.  [1075 
s.  auch  [8.  13.  14. 

Abhandlungen  über  die  fabeL  mit  einl.,  anm.  u.  textbeil.  hg.  von 
FProsch  (Schulausg.  class.  werke  nr  27).  Wien,  Graeser.  xvi,  124.  8.  — 
Litt,  centralbl.  nr  34.  [1076 

Antiquarische  u.  epigrammatische  abhandlungen.  Werther  1885  [876.  — 
Arcb.  f.  d.  slud.  d.  neueren  spr.  78,  336.  [1077 

Litt.  u.  dramaturgische  abhandlungen.  Werther  1886  [1109. —  Arch.  f.d. 
stud.  d.  neueren  spr.  78,  335.  [1078 

Emilia  Galotti.  Dundaczek  1886  [1112.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  3S, 
687  (Löhner).  Bll.  f.  d.  bayr.  gymnasialschulwesen  23,  526  (Bauer).  [1079 
Emilia  Galotti  u.  Shakespeares  Othello  von  DJacoby.  Sonntagsbeil,  zur 
Voss.  Ztg.  nr  26.  [1080 

vWol zogen  1886  [1119.  —  Litt,  centralbl.  nr  23.  [1081 

Über  eine  stelle  in  L.s  Emilia  Galotti.  Zs.  f.  deutsche  spr.  i  heft  9.  10.  [1082 
Fabeln  u.  erzählungen  von  L.  u.  Geliert,  selected  and  ed.  (wilh  an  in- 
troduction,  english  notes  etc.)  by  KBreul  (Pitt  press  series).  Cambridge, 
university  press.    24,200.    16.  —  Athen.  nr3121  s.  242.  [1083 

Goedeke  1885  [882.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  78,336.  [1084 
L.  and  Geliert,  with  selection  from  L.s  essays  on  fables.  ed.  with  gramma- 
tical  and  explanatory  notes  and  comprehensive  german-english  vocabularies 
by  ELNaftel.     London,  Hachette.    190.    8.  [1085 

Fables,  ed.  with  notes  by  FStorr.  3  ed.  London,  Rivingtons.  8.  [1086 
L.s  fabel  vom  alten  löwen  (Vorbereitung  eines  aufsatzes  in  quarta)  von 
MHeidingsfeld.  Lehrproben  u.  lehrgänge  aus  der  praxis  der  gymn.  u. 
realschulen  heft  10.  [1087 

Oueilennachwcise  zu  L.  [L.s  gedieht  Das  muster  der  eben  nach  Pope,  Der 
eremit  nach  Poggio]  von  RMM eye r.     Zs.  31,  104.  [1088 

Hamburgische  dramaturgie.  Buschmann  1885  [883.  —  Arch.  f. 
d.  stud.  d.  neueren  spr.  78,  333.  [1089 

Extraits  de  la  Dramaturgie  de  Hambourg.  publies  avec  une  introduction 
et  des  notes  en  francais  par  GC ottler.  nouvelle  ed.  Paris,  Hachette.  xxvin, 
187.    16.  '  [1090 

Dramaturgie  de  Hambourg  (extraits).  traduction  francaise  litterale  par  Cde 
Suplicy.     Paris,  Poussielgue  freres.    174.  18.  [1091 

Laokoon,  transl.  by  EGBeasley,  revised  ed.   London,  Bell.    8.  [1092 


VERZEICHMS    DER    SCHRIFTSTELLER:     LEIBMZ LESSING  117 

Lessing,  GE.:  Laocoon  ou  des  limites  de  la  peinture  et  de  la  poesie.  traduction 
fran9aise  par  ACour tin.  4  ed.  Paris,  Hachette.  xxiv,  235.  16.  [1093 
Del  Laocoonte,  ossia  dei  limiti  della  pittura  e  della  poesia,  coli'  aggiunta 
dei  frammenti.  trad.  di  CGLandonio.  Miiano,  Sonzogno.  176.  16.  [1094 
Laocoonte.  versione  completa  di  TMPersico.  2  ed.  riveduta  dail'  autore. 
Bologna,  Zanichelli.    273.    16.  [1095 

Pözl   1885  [889.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  726.  [1096 

Les  auteurs  du  programme  (exlraits  relies  par  des  analyses).  Le  Laocoon. 
avec  notices  et  notes  par  LSchmitt.  Paris,  Delagrave.  ix,  66.  18.  [1097 
Le  piü  belle  pagine  dei  Laocoonte,  voltate  in  italiano  da  VTurri  ad  uso 
delle  scuole  classiche,  con  prefazione,  note  ed  una  fototipia.  2  ed.  rive- 
duta e  correlta.  Torino,  Loescher.  55.  8.  [1098 
L.s  Laokoon  u.  die  gesetze  der  bildenden  kunst  von  HFischer.  Berlin, 
Weidmann,  viii,  200.  8.  —  Gegenwart  nr  22  (Fischer).  Zs.  f.  vgl.  litte- 
raturgesch.  i  488  (Blümner).  New- York  nalion  44,  155.  Ztg.  f.  litt.,  kunst  u. 
wissensch.  des  Hamb.  corresp.  nr  24.  Belletrist. -litt,  sonntagsbeil.  der  Hamb. 
nachr.  nr  17.  D.  litteraturbl.  x  nr  22  (Schädel).  Köln,  ztg,  nr  119.  [1099 
Laokoon- Paraphrasen.  Umschreibungen  u.  erweiterungen  der  wichtigsten 
cap.  von  L.s  Laokoon,  aus  der  Schulpraxis  hervorgegangen  u.  zusammengest. 
von  GS  Chi  Hing.  Leipzig,  Teubner.  180.  8.  [1100 
s.  auch  [245. 

Minna  von  Barnhelm  oder  das  soldatenglöck,  texte  allemand  conforme  ä 
Ted.  de  1770  — B,  avec  une  introduction  et  des  notes  par  AGirot.  Paris, 
Delagrave.    xxxvii,  174.    8.  —  Revue  critique  nr  44  (Chuquet).  [1101 

Minna  de  Barnhelm,  comedie.  ed.  class.,  precedee  d'une  notice  litteraire 
par  EHalberg.     Paris,  Delalain.    xxiv,  154.  18.  [1102 

Minna  von  Barnhelni  oder  das  soldatenglück.  ein  lustspiel.  1763.  schulausg. 
besorgt  von  KHold ermann  (Meisterwerke  der  deutschen  litt.  —  hg.  von 
KHoldermann  u.  LSevin  6  bdchen).     Berlin,  Reuther.    96  mit  1  titeibild.    8. 

[1103 
Minna  von  Barnhelm  oder  das  soldatenglück.  ein  lustspiel.  zum  übers,  aus 
dem  deutschen  in  das  engl,  bearb.  von  JMorris.  3  aufl.  (Engl,  übungsbibl. 
hg.  von  PhHangen  nr  11).     Dresden,  Ehlermann.    142.    12.  [1104 

Die  Verwundung  des  major  von  Tellheim  vonLHolthof.  Die  kleine  chron. 
frankf.  wochenschr.  hg.  von  Holthof  ix  nr  31  beil.  [1105 

Notiz  über  die  erste  aufführung  von  L.s  Minna  in  engl,  übers,  u.  bearb.  zu 
London:  aus  der  Berlinischen  ztg.  1786  nr  85.  98.  Nationalztg.  nr  17  sonn- 
tagsbeil. nr2.  [1106 
L.s  Nathan  der  weise,  durch  eine  hist.-krit.  einl.  u.  einen  fortlaufenden 
commentar,  bes.  zum  gebrauche  auf  höheren  lehranstalten  erläut.  von  ENie- 
meyer.  Leipzig,  Siegismund  &  Volkening  (1855).  vi,  218.  8.  [1107 
Pözl  1886  [1138.  —  Zs.  f.  d.  österr,  gymn.  38,  726.  [1108 
*L.s  Nathan  u.  Der  mönch  vom  Libanon  [von  JGPfranger].  zum  100 jähr, 
gedächtnis  beider  dichtungen.  beitr.  zum  Verständnis  Nathans  u.  zur  er- 
kenntnis  der  Wahrheit,  vortr.  von  EBorgius.  Barmen,  Klein,  1881.  — 
Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  78,  334.  [1109 
Nathan  der  weise  ein  tendenzgedicht  von  EMauerhof  in:  Vom  wahren 
in  der  kunst.  Leipzig,  Hassel.  238.  8.  [1110 
Philotas  s.  [158. 

Wie  die  alten  den  tod  gebildet  (gekürzt  nach  Hopf  u.  Paulsieck).  in- 
hallsübersicht  der  L.schen  abhandl.  in  form  einer  ausführl.  disposition  von 
AvSanden.     Zs.  f.  d.  deutschen  Unterricht  i  heft  6.  [1111 

Briefe.    Redlich  1886  [1145.  —  DLZ  nr  7  (Sauer).  [1112 

JMGöze  u.  L.  eine  säcularerinnerung  u.  ehrenrettung  zum  lOOjähr.  todesjahre 
des  ersteren.  vortr.  geh.  von  past.  Becker.  Flensburg,  Huwald.  31.  8. 
—  Theol.  litteraturW.  s,  485  (Walther).  [1113 

Die  metrik  L.s  von  EBelling.  Berlin,  Hettler,  vi,  140.  8.  —  Litt,  cen- 
tralbl.  nr  47  (Creizenach).  [1114 


118  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887     II 

Lessing,  GE, :  L.s  ansichten  vom  genie.  von  BGebhardt.  Sonntagsbeil,  zur 
Voss.  Ztg.  nr37— 40.  [1115 

[L.s  Wohnung  in  Wolfenbüttel  als  titelbild  in:  *Die  hss.  der  ligl.  bibl.  zu 
Wolfenbüttel  beschrieben  von  OvHeinemann.  1  abt.  Die  helnistedter  hss. 
II.  Wolfenbüttel  1886].  [1116 

Bcitr.  zur  beurteilung  der  stilistischen  kunst  in  L.s  prosa,  in  Sonderheit  der 
Streitschriften  von  Olmmisch.  N.  jbb.  f.  phil.  u.  päd.  136,  331.  93.  [1117 
Schmidt  1884  [738.  1886  [1152.  —  lllustr.  ztg.  nr2271.  Bist.  zs.  58,  131 
(Eliinger).     Revue  critique  nr  51  (Chuquet).  [1118 

Schumann  1885  [913.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  233.  [1119 

GEL.  sein  leben  u.  seine  werke  von  AStahr.  9  verm,  u.  verb.  aufl.  mit 
einem  bildnis  L.s  u.  einem  facs.  aus  Emilia  Galotti.  2  bde.  Berlin,  Brach- 
vogel &  Ranft.  VIII,  334.  iv,  368.  8.  —  Nationalztg.  1886  nr  617.  Gegen- 
wart nr  16  s.  254.  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  19  (Boxberger).  DLZ  nr  44  (Sauer). 
D.  litteraturbl.  x  nr  7  (Saalfeld).  [1120 

Ein  Vorläufer  Lessings  [DHeinsius]  in  der  Aristoteles -interpretation  von 
MZ erbst.    Jenaer  diss.    Jena  (Pöble).    54.    8.  [1121 

Spracheigentümlichkeiten  bei  L.     Zs.  f.  deutsche  spr.  i  21.  [1122 

Ein  wort  L.s.     Prot,  kirchenztg.  nr  1.  [1123 

Die  concurrenz  um  das  L.-denkmal  f.  Berlin  von  ARosenberg.  Kunstchron. 
22  jg.  nrl3.  [1124 

Der  entwurf  des  Berliner  L.-denkmals.    lllustr.  ztg,  nr  2287.  [1125 

s.  auch  [158.  352. 

Lessing,  KG.:  Die  mätresse.  lustspiel  [hg.  von  EWolff]  (DLD  28).  Heilbronn, 
Henninger.     xx,  113.    8.  [1126 

Wolff  1886  [1160.  —  Litt,  merkur  vii  104  (Berg).  Litt,  centralbl.  nr  21 
(Greizenach).  DLZ  nr  25  (Sauer).  Bes.  beil.  des  Staatsanz.  f.  Württemberg 
nr  9  s.  144.  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  78,  342  (Pick).  Arch.  f.  litte- 
raturgesch.  15,  443  (Boxberger).     Revue  critique  nr  51  (Chuquet).         [1127 

Lichtenberg,  GCh.:  Schumann  s.  1886  [1163.  3  aufl.  Ifg.  23— 30  (schluss). 
12  stahlst,  mit  text  xxv,  265—354.    4.  —  D.  rundschau  53,  474.  [1128 

Meyer  1886  [1164.  —  Revue  critique  nr2  (Chuquet).  Anz.  xiii  304  (Seuff'erl). 
Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  78,  460.  [1129 

[Portr.  L.s.     lllustr.  ztg.  nr  2301].  [1130 

LicHTWER,  MG.  s.  [1428. 

Lipsius,  J.  s.  [224. 

Liebeskind,  AJ.  s.  [1428. 

Ludwig  i  von  Baiern:  L.  i  als  dichter  von  JSchrott,    AZnrl74.  5B,      [1131 

Martin  von  Cochem:  1885  [1171.  —  Litt,  rundschau  13,  121  (Falk).  [1132 
Gebetbuch  der  heiligen  Gertrudis  u.  Mechtildis,  sammt  einem  unterrichte  über 
das  mündliche  gebet,  nach  dem  7  dr.  der  1  aufl.  vomj.  1668  u.  der  ausg. 
von  1695  hg.  von  BvGalcar.  mit  1  stahlst.  Mainz,  Kirchheim,  viii, 
474.     12.  [1133 

Der  grofse  myrrhengarten  s.  1886  [1172.  32  aufl.  ausg.  nr  1.  Paderborn, 
Schöningh.    xxiii,  876.     8.  [1134 

Die  4  letzten  dinge,  tod,  gericht,  höUe,  himmelreich.  aufs  neue  zu  nutz  u. 
frommen  hg.     Brixen,  Weger.    iv,  279.    12.  [1135 

vMatthisson,  f.  s.  [13, 

Mendelssohn,  M.:  Baerwald  1886  [1186.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr. 
77,  229.  [1136 

Zur  M.-litt.  von  LG  eigen  Zs.  f.  d.  gesch.  der  Juden  in  Deutschland  ii 
heft  1.  —  D.  litteraturbl,  x  nr  30  (Gloatz).  [1137 

MM.s  letter  to  bishop  RLowth  by  ANeubauer.  Athen.  nr3105  s.  575.  [1138 
Ein  evang.  pfarrer  über  MM.  Populär-wissensch,  monatsbll.  zur  belehrung 
über  das  Judentum  vii  nr  1.  [1139 

M.  u.  die  Überlieferung.    Jeschurun  nr  10 — 2.  [1140 

Mendelssohniana.  Monatschr.  f.  gesch.  u.  wissensch.  des  Judentums  36, 
127.  215.  329,  [1141 

Was  will  u.  soll  der  M.-ver.?  vortr.  am  4  jan.  im  M.-ver.  zu  Frankfurt  a/M. 


VERZEICHNIS    DER    SCHRIFTSTELLER:     LESSING  —  NEUBER  119 

geh.  von  JBIau.     Populär- wissensch,  monatsbll.  zur  belehrung   über  das 
Judentum  vii  nr3.  [1142 

Mentzer,  J.:  JM.  ein  sächs.  liederdichter  (1658 — 1734)  von  PKruschwitz.  Wis- 
sensch. beil.  d.  Leipz.  ztg.  nr39.  [1143 
Merkel,  G.:  GM.  über  Deutschland  zur  Schiller-Goethe-zelt  (1797—1806).  nach 
des  verf.s  gedr.  u.  hslichen  aufzeichnungen  zusammengest.  u.  mit  einer  biogr. 
einl.  vers.  von  JEckardt.  Berlin,  Paetel.  208.  8.  vgl.  1886  [1222.  —  Gegen- 
wart nr  20  s.  319.  D.  rundschau  52,  156.  Die  post  nr  195  feuill.  Grenz- 
boten 46,  3,  299.  Litt,  centralbl.  nr  31  (Creizenach).  EU.  f.  litt,  unterh.  nr  33.  4 
(Buchner).  Saturday  review  nr  1667.  D.  wochenschr.  21  mai  (Christel).  D. 
litteraturbl.  x  nr  6  (Koch).     Nationalztg.  nr  327  (Nerrlich).    Bund  nr  241—3. 

[1144 

Meyer,  H.:  Weizsäcker  1886  [1223.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  10  s.  159.  Arch, 

f.   litteraturgesch.    15,  200   (vBiedermann).    DLZ  nr  18  (Urlichs).     Zs.  f.  d. 

österr.   gymn.    38,  154  (Minor).     N.  jbb.  f.  phil.  u.   päd.  136,  432  (Ziegler). 

Litt,  merkur  viii  11  (Merz).    Wiener  allg.  ztg.  7  febr.  hauptbl.    D.  litteraturbl. 

X  nr  35  (Prosch).  [1145 

Meyfart,  M.:   MM.s  Med  von  der  hölle.     zu  unserm  liede  u.   den  höllenliedern 

überhaupt  von  AFischer.     Bll.  f.  hymnol.  s.  113.  43.  [1146 

MöLLERiN,  G.:    Ein  königsberger  gedieht   in  nd.  mundart  aus  d.  j.  1670.     von 

LHFischer.    Jb.  f.  nd.  sprachf.  12,141.  [1147 

MöRiKE,  E.:  Baechtold  1885  [1010.  —  AZ  nr318B  (Muncker).  [1148 

MoscHEROscH,   HM.:   M.s   Gesichte  Philanders   von   Sittewaldt.     Verhältnis  der 

ausgg.  zu  einander   u.  zur  quelle,   nebst  einem  bibliogr.  anh.  von  JWirth. 

erlanger  diss.    61.    8.  [1149 

Ein    altes  Studentenlied    [Cerevisiam    bibunt    homines    aus    M.s    Philander]. 

Grenzboten  46,  3,  146.  [1150 

Moser,  JJ.:  JJM.  als  württemb.  landschaftsconsulent  1751 — 71   von  AEAdam. 

Stuttgart,  Kohlhammer,    vi,  160.    8.  [1151 

Wächter  1886  [1231.  —  Hist.  zs.  57,298.  [1152 

s.  auch  [92. 

MOSER,  J.  s.   [13. 

JJRousseauu.  JM.  vonFBlanckmeister.  Beweis  des  glaubens  23, 161.  [1153 
Müller,  W.:   Zur  biogr.  des  dichters  WM.    von  OFrancke.    Mitteil.  d.  ver.  f. 
anhält,  gesch.  u.  altertumskunde  v  33.  [1154 

Gedichte  dem  andenken  WM.s  gewidmet  u.  kurz  nach  dessen  tode  ver- 
öffentlicht von  .IHFränkel,  OLBWolff,  WKilzer  usw.  Mitteil.  d.  ver.  f.  anhält, 
gesch.  u.  altertumskunde  v  45.  [1155 

Müllner,  AGA.  s.  [429. 

MusÄus,  JCA.:  Volksmärchen  der  Deutschen,  f.  die  Jugend  ausgew.  u.  bearb. 
von  MWGMüUer.  mit  50  in  den  text  gedr.  abbildungen  u.  8  (färb.)  Voll- 
bildern nach  Zeichnungen  von  HVogel.  (prachtausg.).  Stuttgart,  Thiene- 
mann.    iv,  352.    8..  [1156 

Dasselbe,    billige  ausg.    mit  schwarzen  Vollbildern.  [1157 

s.  auch  [11.  13.  15. 

JCAM.  eine  säcularerinnerung  zum  28  oct.  1887.  vonAKohut,  Dersammler 
(beibl.  zur  Augsb.  abendztg.)  nr  128.  [1158 

Zur  erinnerung  an  den  volksmärchendichter  M.  von  AKohut.  Illustr.  ztg. 
nr  2313.  [1159 

Zur  100  jähr,  erinnerung  an  M.  (t  26  oct.  1787)  von  RKönig.  Daheim 
24 jg.  nr4.  [1160 

JKAM.  von  AStern.     AZ  nr  299.  304. 10.  9.  29.  49  ß.  [1161 

JKAM.     Gartenlaube  nr  43.  [1162 

M.    Presse  nr  303  feuill.  [1163 

JM.    Schles.  Ztg.  nr  754.  [1164 

Naubert,  B.  s.  [224. 
Nestroy,  J.  s.  [1254. 

Neuser,  K.:  Ein  unbekanntes  gedieht  von  KN.  von  HFischer.  Grenzboten 
46,  2,  444.  [1165 


120  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887     U 

Neukirch,  B.  s.  [1266. 

Nicolai  ChF.:  Ein  Berliner  [FN,]  über  München  vor  100  jähren  von  FMuncker. 

Jb.  f.  münchner  gesch.  i  173.  —  AZ  nr  229  B.  [1166 
N.  u.  Klotz  von  HPröhle.    Nalionalztg.  nr  606.  im  anschluss  an  [980.   [1167 

NiEMBSCH  vStrehienau,  N.  (Lenau):  Krüger  1886  [1293.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d. 

neueren  spr.  77,  232  (Hölscher).  [1168 
*CCastellini,  II  Faust  di  NL.:  saggio  critico.    Genova,  tip.  dell'  instiluto 

Sordomuti,  1886.  [1169 
Martensen  u.  L.  von  RBendixen.  Beweis  des  glaubens  23,18.  [1170 
s.  auch  [1556. 

Novalis  s.  [S89  ff. 

NÜBLING,   Th.    S.    [108. 

ÖHLENSCHLÄGER,  AG.  s.  [13.  108.  704.  825. 

Omeis,  MD.:  ADB  24,347  (MKoch).  s.  auch  [224.  [1171 

Oemler,  ChW.:  ADB  24,  349  (GFrank).  [1172 

Oepffelbach,  J.:  ADB  24,366  (JBolte).  [1173 

Oldendorp,  ChGA.:  ADB  24,263  (HALier).  [1174 

Olearius,  A.  (Ölschlä^er):  ADB  24,269  (FRatzel).  [1175 

Olearius,  J.:  ADB  24,  279.  [1176 

Olearius,  JG.:  ADB  24,280.  [1177 

Olischer,  JB.:  ADB  24,303.  [1178 

Opitz,  M.:  Aus  den  Stammbüchern  der  berliner  bibl.  von  JBolte.    Arch.  f.  lilte- 

raturgesch.  15,  335  [eintrage  ua.  von  MOpitz,  AGryphius].  [1179 

ADB  24,370  (FMuncker).  [1180 

Opsopaeus,  J.  (Kock):  ADB  24,407  (JBolte).  [1181 

Orsäus,  J.:  ADB  24,428  (JBolte).  [1182 

ÖRTEL,  FWPh.  (ps.  FWLips):  ADB  24,435  (Brummer).  [1183 

Ortlepp,  E.:  ADB  24,447  (Brummer).  [1184 

Ortlob,  K.:  ADB  24,  449  (Brummer).  [1185 

OssENFELDER,  HA.:  ADB  24,498  (ESchmidt).  [1186 

vdOsten,  H.:  ADB  24,  503  (vBülow).  [1187 

ÖTiNGER,  FCh.:  ADB  24,538  (Ritschi).  [1188 

ÖTTiNGER,  EM.:  ADB  24,567  (FSchnorr  vG  arolsfeld).  [1189 

Otto,  GCh.:  ADB  24,  751  (FMuncker).  [1190 

OvERBECK,  ChA.:  ADB  25,  5  (Hasse).  [1191 

Paalzow,  H.:  ADB  25,  35  (FBrümmer).  [1192 

vPahl,  JG.:  ADB  25,  69  (He yd).  [1193 

Pangküfer,  ja.:  ADB  25,  121  (FBrümmer).  [1194 

Pannasch,  A.:  ADB  25,  122  (ASchi ossär).  [1195 

Pape,  SCh.  u.  LMH.:  ADB  25,  135  (FBrümmer).  [1196 

Pappe,  JJCh.  :  ADB  25,  144  (Beneke).  [1197 

Parizek,  A.:  ADB  25,  175  (Reusch).  [1198 

Passow,  FLKF.:  ADB  25,210  (Schimmelpfennig).  [1199 

Pastorius,  FD.:  ADB  25,  219  (FBrümmer).  [1200 

Pastorius,  J.:  ADB  25,219  (Bertling).  [1201 

Patzke,  JS.:  ADB  25,  238  (FBrümmer).  [1202 

Pauli,  GJ.  :  ADB  25,  259.  [1203 

Pauli,  HR.:  ADB  25,  260.  [1204 

Pauli,  J.  :  ADB  25,  260.  [1205 

Pauli,  KW. :  ADB  25,  262  (FF  r  e  n  s  d  o  r  ff).  [1206 

Paulli,  WA.:  ADB  25,279  (Carstens).  [1207 

Paulmann,  JL.:  ADB  25,281.  [1208 
Paulus,  HEG.  u.  EFC.  geb.  Paulus:  ADB  25,  287.  94  (Wagenmann).      [1209 

vPechlin,  FChF.:  ADB  25,  306  (Carstens).  [1210 

Penzlin  (Penzel),  BJ.:  ADB  25,  364  (Eisenhart).  [1211 

Perinet,  J.:  ADB  25,  376  (FBrümmer).  [1212 

Pescheck,  ChA.:  ADB  25,  414  (FBrümmer).  [1213 

Pestalozzi,  JH.:  Lienhard  u.  Gertrud,   f.  den  gebrauch  der  seminarzöglinge  u. 


VERZEICHNIS    DER    SCHRIFTSTELLER:     NEUKIRCH  —  PÜCKLER  121 

lehrer  eingerichtet  von  FWBürgel  (Ausgew.  Schriften  berühmter  päd.  iii). 
Paderborn,  Schöningh.  viii,  172.    8.  [1214 

Pestalozzi,  JH.  s.  auch  [13. 

'Wie  Gertrud  ihre  kinder  lehrt',  ein  versuch,  den  müttern  anleitung  zu 
geben,  ihre  kinder  selbst  zu  unterrichten,  f.  den  gebrauch  der  seminar- 
zöglinge  u.  lehrer  eingerichtet  von  KABeck  (Ausgew.  schriften  berühmter 
päd.  IV).     Paderborn,  Schöningh.    viii,  22S.    8.  [1215 

P.s  Schrift  Wie  Gertrud  ihre  kinder  lehrt  von  Klofz.  N.  bll.  aus  Süddeutsch- 
land f.  erziehung  u.  Unterricht  xvi  3.  [1216 
Das  leben  des  päd.  HP.  von  HPHGrünfeld.  Schleswig,  Bergas.  63.  8.  [1217 
ADB  25,432  (Hunziker).  [1218 
Einige  bll.  aus  P.s  lebens-  u.  leidensgesch.  von  HMorf.  Langensalza,  Beyer 
&  söhne,  vii,  136.  8.  [1219 
P.  in:  Woltäter  der  menschheit  von  FOtto.  3  verb.  aufl.  Leipzig  u.  Berlin, 
Spamer.  xii,  324.  8.  [1220 
V  ogel  1886  [1322.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  69.  [1221 
Herbart  oder  P.  eine  krit.  darstellung  ihrer  Systeme  als  beitr.  zur  richtigen 
Würdigung  ihres  gegenseitigen  Verhältnisses  von  AVogel  (Päd.  bibl.  bd.  12). 
Hannover,  Meyer,  iv,  163.  8.  —  Litt,  merkur  vii  250  (vSallwürk).  [1222 
Ein  urteil  über  P.s  Gelenksübungen  in  Guts  Muths  ßibl.  f.  päd.  vom  j.  1809 
von  KWassmannsdorff.  Monatsschr.  f.  das  turnwcsen  jg.  6  heft  10.  [1223 
P.  in  Spanien  von  HWilhelmi.  Die  nation  iv  494.  [1224 
Petersen,  JW.:  ADB  25,506  (HFischer).  [1225 
Petersen,  JW.:  ADB  25,  508  (DJacoby).                                                     [1226 

s.  auch  [986. 

vPetrasch,  J.:  ADB  25,  516  (ASchlossar).  [1227 

Pezzl,  J.:  ADB  25,578  (Schi ossär).  [1228 

Pfeffel,  GK.:  GKPf.  über  die  Schauspieler  von  HF unck.   Alem.  15,229.  [1229 

ADB  25,614  (Martin).  [1230 

Pfeffer,  M.:  ADB  25,619  (HHolstein).  [1231 

Der  dramatiker  MPf.  von  HHolstein.     Zs.  f.  d.  phil.  20,  232.  [1232 

Pfefferkorn,  GM.:  ADB  25,619  (Schumann).  [1233 

Pfeiffer,  Gh.  :  ADB  25,  634.  [1234 

Pfeiffer,  E.:  ADB  25,635  (HHolstein).  [1235 

vPfeil,  ChKL.:  ADB  25,  646.  [1236 

Pfeil,  JGB.:  ADB  25,  655  (ESchmidt).  [1237 

Pfenninger,  JK.:  ADB  25,  660.  [1238 

Pfest,  LL.:  ADB  25,661  (FBrümmer).  [1239 

Pfizer,  PA.:  ADB  25,668  (ThSchott).  [1240 

Pforr,  f.:  Sulamith  u.  Maria  [behandelt  in:  *FOverbeck.    nach  seinen  briefen 

—  geschildert   von  MHowitt.    hg.   von  FBinder.     2  bde.     Freiburg  i/B., 

Herder,  1886].  —  AZ  nr  244.  5  B.  [1241 

ADB  25,  702  (WSchmidt).  [1242 

Pfranger,  JG. :  ADB  25,704  (Schaubach),     s.  auch  [1109.  [1243 

Pharetratüs,  M.:  ADB  25,737  (HHolstein).  [1244 

Philippi,  je.:  ADB  26,  76  (BLitzmann).  [1245 

PicHLER,  K.:  ADB  26,106  (ASchlossar).  [1246 

PiETscH,  JV.:  ADB  26,  123  (MvWaldberg).  [1247 

vPlaten,  A.  graf  s.  [8.  13.  91. 

*iMassime  per  la  vita,  tradotte  da  BCroce.     Trani,  Vecchi,  1886.        [1248 
Aus  P.s  Jugendzeit  (1796— 1818).    von  GBöhm.     AZ  nr  268.  9  B.        [1249 
s.  auch  [204. 
vPlötz,  J.  s.  [14. 
POSTEL,  ChH.  s.  [1266. 

Postl,  K.  (ChSealsfield):   Sealsfield -  P.  in  der  Schweiz  von  FHemmann.     N. 

Zürcher  zig.  nr  64—8.     auch  BeU.  zur  Bohemia  nr  313.  6.  22.  3.  [1250 

vPlckler-Muskau ,  H.   fürst:   Erinnerungen  von  FLewald.     fürst  HvP.-M.   u. 

bruchstücke    aus  seinen  briefen  an    sie.     Westermanns  monatshefte  63,  43. 

190.  [1251 


122  BIBLIOGKAPHIE    FÜR     1887     II 

vPücKLER-MusKAU ,  H.  füfst:  vP.-M.  in:  Mark,  streifzüge  von  ATrinius.  bd.  3 
(Minden  i.  W.,  Bruns.  viii,  360.  8)  s.  86.  —  Litt,  centralbl.  nr  43.  Bil.  f.  litt, 
unteih.  nr  48.    Nationalztg.  nr  410  (Samosch).  [1252 

Rabener,  GW.:  Der  Satiriker  R.  als  päd.  von  Holder.    N.  bll.  aus  Süddeutsch- 
land f.  erziehung  u.  Unterricht  xvi  2.  [1253 
Raimund,  F.  s.  [8.  13. 

EvBauernfeld  über  FR.  u.  JNestroy  im  N.  wiener  tagebl.  auszüge  daraus 
im  Beil.  tagebl.  nr363.  [1254 

s.  auch  [99. 
Ramleu,  KW.:  Ein  ungedr.  Jugendgedicht  KWR.s  mitgeteilt  von  APick.    Arch. 
f.  iitteraturgesch.  15,  345.  [1255 

Über  KWR.s  odentheorie.  eine  Iitteraturgesch.  erinnerung  an  das  Zeitalter 
Friedrichs  d.  gr.  von  AP  i  c  k.  progr.  der  handelsfachschule  zu  Erfurt. 
23.    4.  [1256 

Schüddekopf  1886  [1336.  —  BLZ  nr  17  (Sauer).  Litteraturbl.  f.  germ. 
u.  rem.  phil.  nr  10  (Muncker).  [1257 

s.  auch  [506.  1571. 
Raupach,  ES.  s.  [13. 

vdRecke,  E. :  EvdR.  in  ihren  beziehungen  zur  herzogin  Luise  von  Anhalt-Dessau 

von  WH  0  sä  US.     Wissensch.  beil.  d.  Leipz.  ztg.  nr  29.  [1258 

EvdR.  in  Leipzig  von  PLemcke.    Wissensch.  beil.  d.  Leipz.  ztg.  nr  64.  [1259 

EvdR.  eine  100  jähr,  erinnerung.  Hamb.  corresp.  nr  183. 4  feuill.  [1260 

s.  auch  [1474. 

Reinhard,  KF.:    Bassevilles   schatten  von   WLang  in  Von   u.   aus   Schwaben. 

gesch.  biogr.  litt,  heft  4  (Stuttgart,  Kohlhammer)  s.  1  =1885  [1120.     [1261 

[Reineke  FUCHS :]  Reinke  de  vos.    hg.  von  FPrien.    mit  2  holzschn.  (Altd.  text- 

bibl.     hg.  von  HPaul  nr  8).     Halle,  Niemeyer,    lxxiv,  274.    8  [berührt  auch 

die  hd.  überss.  u.  bearbb.  des  17  u.  18jhs. :  die  Zesenianische,   Gottsched, 

Goethe  usw.].  •  [1262 

Reuter,  Gh.:   GhR.   u.  seine  comödien   von   GEllinger.     Zs.  f.  d.  phil.  20, 

290.  [1263 

ChR.  redivivus  von  FZarncke.    Ber.  der  k.  sächs.  gesellsch.  der  wissensch. 

phil.-hist.  cl.  39,  44.  [1264 

Weitere  mitteil,  zu  ChR.s  Schriften  von  FZarncke.   ebenda  39,  253.  [1265 

ChR.   als  passionsdichter  von    FZarncke.     ebenda   39,  306  [berührt  auch 

Brockes,  FFuncke,  Hunold,  JüKönig,  Neukirch,  Postel].  [1266 

s.  auch  [268. 

Richter,  G.  s.  [1046. 

Richter,  JPF.  (.lean  Paul):  Werke.  6  teil.  Flegeljahre  [1 — 4  bdchen]  hg.  von 
PNerrlich  (D.  nationallitt.  bd.  134).  Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.  iv,  484. 
8.  —  Belletrist.-litt.  sonntagsbeil.  der  Hamb.  nachr.  nr  47  (Eyfsenhardt).  [1267 
Levana.  Lange  1886  [1353.  —  Zs.  f.  d.  gymnasialwesen  41,272  (Nerr- 
lich).  [1268 

Levana.  selections  translated  bySWood.  London,  Sonnenschein.  —  Acad. 
nr  808  s.  283.  [1269 

Zum  humor  bei  JP.  von  JBaske.  progr.  d.  gymn.  zu  Wehlau.  18.  4.  [1270 
Firmery  1886  [1356.  —  DLZ  nr  35  (Schönbach).  [1271 

Ein  jugendbrief  von  GGGervinus.  mitgeteilt  von  OHartung.  D.  dichtung 
III  89  [darin  ein  brief  von  JP.s  frau  an  hofrat  Jung  über  JP.s  tod].  [1272 
Witz  u.  humor  von  GKleinert  [berührt  JP.].  Gegenwart  nr  21.  2.  [1273 
ENencioni,  Gian-Paolo  R.  e  l'umorismo  tedesco.  Nuova  antologia  3,  xi 
373.  [1274 

Brief  GThFechners  an  JP.,  6  oct.  1825.  von  PNerrlich.  Nationalztg. 
nr  622.  [1275 

JPR.  u.  das  feuill.  von  HNoe.     AZ  nr  348  B.  [1276 

s.  auch  [132. 
Riemer,  FW.  s.  [704.  752. 
RiNCKART,  M.:  Ein  beitr.  zur  lebensgesch.  MR.s  von  Graubner.    hallenser  diss. 


VERZEICHMS    DER    SCHRIFTSTELLER:      PÜCKLER SCHILLER  123 

Halle  a  S.,  dr.   von   Teichmüller  &  Beyer  in  Eilenburg.    75,     8.  —  Theol. 
iitteraturztg.  nr  20  (Löbei).     Theol.  litteratuibl.  s.  283  (Bessert).  [1277 

Rist,  .IG.:  Gaedeitz  1886  [1364.  —  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  roni.  phil.  nr  4 
(Koch).  [1278 

Ein  dichlerdipiom  JR.s  vonJBolte.    Arcb.  f.  litteraturgesch.  15,444.  [1279 
RocHLiTz,  FJ.:  2  Schriftstücke  von  FR.     Grenzboten  46,  3,  415.  519.  [1280 

RücKERT,  F.:  Liebesfrühling,  prachtansg.  mit  4  Vollbildern  (in  lichtdr.),  gemalt 
von  HKaulbach,  u.  80  initialen  nach  vGrundherr,  Klimsch  ua.  5  aufl.  Frank- 
furt a/M,,  Sauerländer,  v,  155.  4.  —  D.  rundschau  53,  472.  AZ  nr  349  B 
Verschiedenes.  [1281 

s.  auch  [91. 

*Es  gieng  ein  mann  im  Syrerland  von  LHFischer.  N.  jbb.  f.  phil.  u.  päd. 
136,  628.  [1282 

Erinnerungen  an  FR.  [aus:  PdeLagarde,  Mitteilungen.  2  bde.  Götlingen 
1884.6].    Kationalztg.  nr57.  [1283 

FR.  u.  die  familie  Kopp  von  Fi'.euter.     Preufs.  jbb.  60,402.  [1284 

R.-denknial.     AZ  nr  78  B  Verschiedenes.  [1285 

s.  auch  [108.  185.  1504. 

vSallet,  f.  s.  [13. 

Salzmasn,  ChG. :  Päd.  Schriften  f.  lehrer  u.  erziehet  hg.  von  EWagner.  2  teile, 
mit  dem  bildnis  S.s  u.  einer  ansieht  Schnepfenthals  (Die  class.  der  päd.  bd. 
3.  4).     Langensalza,  schulbuchhandl.    viii,  223.  iv,  294.    8.  [128(> 

Die  grundgedanken  in  S.s  Ameisenbüchlein  u.  ihr  päd.  wert.  f.  lehrer  u. 
lehrerbildungsanst.  von  ROuandel.     Minden,  Hufeland.   32.    8.  [1287 

Saphir,  MG.:  Schriften,    volksausg.     Brunn,  Karafiat.    Ifg.  1—40  ä  5  bogen.    8. 

[1288 

ScHEFER,  L.:  Buch  des  lebens  u.  der  liebe,  hg.  von  HThom,  3  aufl.  Leipzig, 
Reinboth.    iii,  157.    S.  —  BU.  f.  litt,  unterh.  nr  34  (Waldmüller).  [1289 

ScHEFFLER,  J.  (Augclus  Silcsius) :  *AS.  von  GMDreves.  Kirchenmusikal.  jb.  i 
(1886).  [1290 

vScHELLisG,  FWJ.:  Lisco  1885  [1153.  —  Philos.  monatshefte  22,422  (Schaar- 
schmidt).  [1291 

ScHENCK,  HTh.:  HThSch.  von  JMearns.     BU.  f.  hymnoL  s.  94.  110.         [1292 

VSCIIENKEXDORF    S.    [8.   13.   58. 

ScHERER,  W.:  Ein  gegenlied  WSch.s  v.j.  1818  gegen  das  turnlied  Frisch  auf 
zum  fröhlichen  jagen  von  KWassmannsdorff.    Monalsschr.  f.  das  turn- 

wesen  6jg.  lieft  12.  [1293 

ScHERFFER  vScHERFFENSTEis,  W. :  Drcchslcr  18S6  [1392.  —  Zs.  f.  vgl.  litte- 
raturgesch. i  359  (Koch).  [1294 

vScHiLLER,  F.:  Werke  hg.  von  Boxberger  xii  2    1S86  [1394.  —  Litl.  cen- 

tralbl.  nr9.  [1295 
s.  auch  [8.  13.  522. 

Braut  von  Messina  oder  die  feindlichen  brüder.  mit  ausführl.  erläut. 
f.  den  schulgebrauch  u.  das  privatstud.  hg.  von  HHeskamp.  Paderborn, 
Schöningh.    170.    8.  [1296 

Dramas.  La  novia  de  Mesina.  Wallenstein,  trad.  de  JIxart,  illustr.  de 
ALiek  y  VFriedrik.    Barcelona,  tip.  de  Cortezo  y  cie.    405.    4.  [1297 

s.  auch  [85. 

Eine  quelle  zu  Sch.s  Braut  von  Messina  [PBrydones  Reise  durch  Sicilien  u.  Malta 
in  briefen  usw.  Leipzig.  1774]  von  GKettner.  Zs.  f.  d.  phil.  20,  49.  [1298 
Über  Sophokles  König  Ödipus  u.  Sch.s  Braut  von  Messina  von  WWittich. 
progr.  d.  realgymn.  zu  Cassel.    24.    4.  [1299 

Cosmus  von  Medici  s.  [159. 

Sch.s  Demetrius.  vortr.  von  JBaechtold.  Die  kleine  chron.  frankf. 
wochenschr.  hg.  von  Holthof  ix  nr  31.  vgl.  K.  zürcher  ztg.  nr  24.  [1300 
Düntzer  1886  [1401.  —  Zs.  f.  d.  deutschen  Unterricht  i  78  (Unbescheid).  [1301 
[Notiz  über  ein  exemplar  von  Sch.s  inauguraldiss.  in  der  büchersamml.  der 
militärzll.  biidungsanst.     Litt,  merkur  vii  266].  [1302 


124  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887     II 

vScHiLLER,  F.:  Don  Carlos  in  Riga  vor  100 jähren  (21  nov.  1787).  Die  lileine 
chron.  frankf.  wochenschr.  iig.  von  Holthof  x  nr  21  [über  eine  von  Seh.  selbst 
mit  Verbesserungen  vers.  hs.  des  Don  Garlos  in  prosa  auf  der  rigaer  stadt- 
bibl.].  [1303 

Sch.s  Don  Carlos,  f.  den  schul-  u.  Selbstunterricht  erläut.  von  HDeiter  (Erläut. 
zu  den  nieisterwerken  der  deutschen  litt.  ii).  Hannover,  Meyer.  40.  8.  [1304 
Zum  100  jähr,  bühnenjubiläum  von  Sch.s  Don  Garlos  am  29  aug.  1887.  von 
ThGesky.    Wissensch.  beil.  d.  Leipz.  ztg.  nr68.  [1305 

Löwen  berg  1886  [1406.  —  Zs.  f.  d.  deutschen  Unterricht  i  76  (ünbescheid). 
Saturday  review  63,  706.  [1306 

Zur  gesch.  des  Sch.schen  Don  Garlos.  ein  gedenkbl.  zum  säculärtage  der 
erstmaligen  aufführung  der  tragödie  am  29  aug.  1787  zu  Hamburg  von 
JL  Owen  berg.     Hamb.  ^orresp.  nr  239  feuill.  [1307 

Die  erste  aufführung  des  Don  Garlos  von  GMalkewitz,  Sonntagsbeil,  zur 
Voss.  Ztg.  nr  35.  [1308 

Don  Carlos  von  MNecker.     Presse  nr312.  [1309 

Der  prinz  Don  Garlos.  drama  aus  dem  span.  des  Don  Diego  Ximetiez  da 
Enciso  von  ASchäffer  [berührt  Seh.].  —  Belletrist, -litt,  sonntagsbeil.  der 
Hamb.  nachr.  nr  41.  [1310 

Das  bühnenjubiläum  von  Sch.s  Don  Carlos.     Frankf.  ztg.  nr  242.  [1311 

Der  marquis  Posa.     D.  ztg.  nr  5626.  [1312 

Don  Juan  s.  [269. 
Egmont-rec.  s.  [245. 

Fi  es  CO  u.  Doria.  von  ML  and  au  [rec.  der  neuesten  bist.  litt,  über  Fiescos 
Verschwörung  mit  hinweisen  auf  Sch.s  trauerspiel].  AZ  nr  34.  5  B.  [1313 
Scholl  1885  [1172.  —  Revue  critique  nr  2  (Chuquet).  [1314 

Über  Fiesco-aufführungen  am  wiener  burgtheater.  Wiener  allg.  ztg.  30  nov. 
morgenbl.  unter:  litt.,  kunst  u,  wissensch.  [1315 

Andrea  Doria  u.  die  Verschwörung  des  Fiesco  [im  anschluss  an  EPeüt.  An- 
drea Doria.  Paris,  Quantin].  Nationalztg.  nr  456.  [1316 
Gedichte.  Poems  and  ballads,  transl.  by  lord  Lytton.  London,  Roui- 
ledge.  8.  [1317 
Dasselbe,  new  ed.  London,  Warne.  [1318 
Scb.  et  Goethe.  Choix  de  poesies  lyriques.  avec  des  notices  biogr.  et  litter. 
et  des  notes  diverses  par  EEude.  Paris,  Garnier.  250.  12.  [1319 
Turner-Morshead  1886  [1414.  —  Acad.  nr  769.  [1320 
Minor  poems  and  ballads  with  bist,  and  lit.  notes  by  APVernon.  London, 
Williams  &  Norgate.  8.  [1321 
Gedichte,  erläut.  u.  auf  ihre  veranlassungen,  quellen  u.  Vorbilder  zurück- 
geführt, nebst  variantensamml.  von  HViehoff.  6  umgearb.  aufl.  3  bde. 
Stuttgart,  Gonradi.  xxvm,  290.  214.  252.  12.  [1322 
s.  auch  [1406. 

Gorvinus  1886  [1420.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  79,  119.  [1323 
Un  point  d'histoire  litt,  et  phitos.  L'ode  ä  la  joie  de  Seh.  par  EBeau  ssire. 
Rev.  pol.  et  litt.  5.  vgl.  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr  9  sp.  411.  [1324 
Sch.s  gedieht  An  die  freude  von  KKirchner.  Zs.  f.  d.  deutschen  Unter- 
richt I  207.  [1325 
Zu  Sch.s  balladen  von  HUllrich.  Arch.  f.  litteraturgesch.  15,449.  [1326 
Sch.-stud.  1.  Das  berglied.  2.  Thekla.  eine  geisterstimme.  3.  Talbots  sterbe- 
monolog.  von  GKettner.  Zs.  f.  d.  phil.  20,336.  [1327 
Die  macht  des  geheimnisses  in  kultur  u.  litt,  von  JNover  [behandelt  ua. 
Sch.s  Bild  von  Sais].  AZ  nr70.  1  B.  [1328 
Die  bürgschaft.  Dürnwirth  1884  [926.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  732 
(Prosch).  [1329 
Gang  nach  dem  eisenhammer  s.  [66. 

Song  of  the  bell,  a  metrical  translation.  Black woods  Edinburgh  mag.  141, 
579  (TMartin).  [1330 

Song  of  the  bell.     Boston,  Lothrop.  [1331 


VERZEICHNIS    DER    SCHRIFTSTELLER:    SCHILLER  125 

iScHiLLER,  F.:  *Sch.s  Lied  von  der  glocke.  eine  bibliogr.  stud.  von  LMohr, 
Strafsburg,  Schultz  &  cie.,  1877.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  78, 
336.  [1332 

Über  das  Sch.sche  Lied  von  der  glocke  u.  seine  übers,  in  das  frz.  u.  engl, 
von  WUlrich  in:  Bilder  aus  der  gesch.,  der  kulturgesch.  u.  dem  litt, 
leben  der  Völker.     Leipzig,  Unflad,  s.  165.  [1333 

Das  ideal  u.  das  leben.  Grosse  1886  [1418.  —  Zs.  f.  d.  gymnasialwesen 
41,  151  (Müller).  N.  jbb.  f.  phil.  u.  päd.  136,  423  (Muff).  Zs.  f.  d.  deut- 
schen Unterricht  i  80  (ünbescheid).  [1334 
Zu  Sch.s  Kampf  mit  dem  drachen  von  Salz  er.  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren 
spr.  77,  236.  [1335 
Kraniche  des  Ibycus  s.  [1336. 

The  ring  of  Polycrates.  The  cranes  of  Ibycus  (translations).  Blackwoods 
Edinburgh  mag.  142,684  (TMartin).  [1336 

Sacherklärung  zu  Sch.s  Spaziergang  f.  prima,  von  HHildebrand.  Zs.  f. 
d.  deutschen  Unterricht  i  547.  [1337 

s.  auch  [159. 

Sch.s  Taucher  von  CÄldenhoven.     Die  nation  iv  551.  [1338 

[Steinthal.     Zs.  f.  völkerpsychol.  17,  131.  232].  [1839 

Le  plongeur  (forts.).     Melusine  iii  19.  [1340 

Thekla  s.  [1327. 
Venuswagen   s.  [159. 

Extraits  des  oeuvres  historiques.  relies  ensemble  et  annoles  par  LS c h m i 1 1. 
Paris,  Garnier.    348.    12.  [1341 

s.  auch  [85. 

Jeanne  d'Arc,  tragedie.  texte  allemand,  public  avec  un  argument  analy- 
tique,  une  notice  litt.,  des  eclaircissements  et  des  notes  parMBailly.  2  ed. 
revue.     Paris,  Hachette.    m,  276.    16.  [1342 

Funke  1886  [1430.  —  Bll.  f.  d.  bayr.  gymnasialschulwesen  23,  395  (Bauer). 
Zs.  f.  d.  deutschen  Unterricht  i  85  (ünbescheid).    Gymn.  v  126  (Buschmann). 

[1343 
Die  Jungfrau  von  Orleans,  eine  romant.  tragödie.  schulausg.  besorgt  von 
KHoldermann  (Meisterwerke  der  deutschen  litt.  —  hg.  von  KHoIdermann 
u.  LSevin  7  bdchen).     Berlin,  Reuther.    128.    8.  [1344 

Jeanne  d'Arc,  tragedie.  publice  avec  une  notice  et  des  notes  par  ALange 
(avec  la  nouvelle  Orthographie  allemande).    Paris,  Delagrave.    xvin,  187.    18. 

[1345 
The  maid  of  Orleans,  a  romantic  tragedy.  transl.  into  english  by  EStPear- 
son  (German  class.  plays  nr4).     Dresden,  Pierson.    158.    12.  [1346 

Pözl  1885  [1197.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  726.  [1347 

Die  Jungfrau  von  Orleans,  eine  romant.  tragödie  (Repert.  des  hgl.  meinin- 
genschen  hoftheaters.  officielle  ausg.,  nach  dem  scenarium  des  hoftheaters 
bearb.  heft  20).     Leipzig,  Conrad.    94.    16.  [1348 

Eysell  1886  [1436.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  3  (Büchner).  Litt,  merkur 
vii  184  (Hörn).  D.  rundschau  52,  479.  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil. 
nr  12  (Weifsenfeis).  D.  litteraturbl.  x  nr  6.  Gymn.  v  126  (Buschmann).  [1349 
Die  Jungfrau  von  Orleans  u.  ihre  Zeitgenossen,  mit  berücksichligung  ihrer 
bedeutung  f.  die  gegenwart  von  HSemmig.  2  verm.  aufl.  Leipzig,  Peter- 
son.  VI,  280.  8.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  16  (Kleinschmidt).  D.  revue  xii  2, 
251.    Gegenwart  nr  36  s.  159.  [1350 

Isabeau  von  Bayern,  königin  von  Frankreich,  von  HSemmig  [streift  öfters 
Sch.s  Jungfrau  von  Orleans].  AZ  nr  136.  57.  60.  71.  2.  8.  9.  86.  7  B.  [1351 
s..  auch  [1327. 

[Über  die  aufführung  der  Jungfrau  von  Orleans  durch  die  Meininger  am 
Victoria-theater  zu  Berlin  von  OB  rahm.    Die  nation  iv  289].  [1352 

Die  Jungfrau  von  Orleans  auf  der  meininger  hofbühne.    Weser-ztg.  nr  144U8. 

[1353 
Maria  Stuart,  ed,  with  notes  by  JLB  e  v  i  r.  London ,  Rivingtons. 
228.     8.  [1354 


126  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887     11 

vScHiLLER,  F.:  Marie  Stuart,  tragedie.  texte  allemand,  precede  d'une  analyse 
litt,  de  Mme  de  Stael,  et  public  avec  des  notes  explicatives  par  TiiFix. 
nouvelle  ed.     Paris,  Hachette.    x,  212.    12.  [1355 

-Mary  Stuart,  a  tragedy.  transl.  into  english  by  EStPearson  (Gernian  ciass. 
plays  nr  5).     Dresden,  Pierson.    151.    12.  [1356 

s.  auch   [85. 

.Maria  Stuart  auf  der  berliner  hofbühne.  von  LHFischer.  Sonntagsbeil, 
zur  Voss.  ztg.  nr  19.  [1357 

Maria  Stuart,  eine  litterarhist.  stud.  von  PF  ecken  s.  leipz.  diss.  Berlin. 
104.     8.  [1358 

Die  erste  aufführung  von  Sch.s  Maria  Stuart  von  HKindt.  Der  Zeitgeist 
(beibl.  zum  Berl.  tagebl.)  nr  10.  [1359 

s.  auch  [1460. 

Über  naive  u.  sentimentalische  dichtung.  mit  einl.  u.  anm.  von  JEgger  u. 
KRieger.  2  durchges.  aufl.  (Schulausg.  class.  vv-erke  nr9).  Wien,  Graeser. 
XVII,  134.    8.  [1360 

Le  neveu  pris  pourl'oncle,  comedie.  traduction  francaise  parALe- 
roux.     Paris,  Delalain  freres.   iv,  60.    18.  '  [1361 

Dieräuber.  ein  Schauspiel,  mit  einl.  u.  anm.  von  JNeubauer  (Schulausg. 
class.  werke  nr28).     Wien,  Graeser.    xv,  124.    8.  [1362 

Der  bayr.  Hiesel  u.  die  Hiesel-litt.  von  KThHeigel.  Westermanns  monats- 
hefte  63,  122  [berührt  Sch.s  Räuber].  [1363 

Hauptquelle  zu  Sch.s  trauerspiel  Die  räuber.     Bund  nr312-  [1364 

s.  auch  [159. 

Spiel  d  es  Schicksals,  ein  bruchstück  einer  wahren  gesch.  Zs.  f.  deutsche 
spr.    I  heft  4  ff.  [1365 

Wilhelm  Teil,  with  historical  introduction,  and  notes  by  GEFasnacht. 
Foreyn  school  classics.  London  and  New-York,  Macmillan.  63,238.18,  [1366 
Guillaume  Teil,  drame,  traduction  francaise  par  ThFix,  avec  le  texte  alle- 
mand. Paris,  Hachette  &  de.  xxiv,  259.  18.  [1367 
Wilhelm  Teil,  with  grammatical  and  explanatory  notes  byELNaftel.  Lon- 
don, Hachette  <fc  cie.  [1368 
Wilhelm  Teil,  ein  Schauspiel,  mit  einl.  u.  anm.  vonFProsch.  2  durchges. 
aufl.  (Schulausg.  class.  werke  nr  12).  Wien,  Graeser.  xvi,  95.  8.  [1369 
Guillaume  Tel!,  tragedie.  trad.  en  vers  par  HVillard.  Paris,  libr.  des 
bibliophiles.  232.  16.  [1370 
Wilhelm  Teil,  mit  Zugrundelegung  von  Sch.s  Schauspiel  Wilhelm  Teil  f.  die 
reifere  Jugend  erzählt  von  MBarack.  mit  4  farbendr.-bildern,  2  aufl. 
Stuttgart,  Thienemann.  158.  8.  [1371 
Sch.s  Wilhelm  Teil  von  HDüntzer.  4  neu  durchges.  aufl.  (Erläut.  zu  den 
deutschen  class.  53.  4  bdchen).  Leipzig,  Wartig.  292.  12.  [1372 
Wilhelm  Teil  in  poesie  u.  Wirklichkeit,  eine  poet.  Wanderung  durch  Tells- 
erinnerungen  von  JNover  (Samml.  gemeinverständL  wissensch.  vortrage  n.  f. 
2  Serie  heft  1).  Hamburg,  Richter.  34.  8.  —  D.  litteraturbl.  x  nr  18 
(Brenning).  [1373 
Ein  sprachl.  misverständnis  in  Sch.s  Teil  [iv  1]  von  WPaulus.  Bes.  beil. 
des  Staatsanz.  f.  Württemberg  nr  5  s.  80.  [1374 
Sprachl.  anm.  zu  dem  3  (letzten)  auftritt  des  4  aufzuges  von  Sch.s  Wilhelm 
Teil.  Zs.  f.  deutsche  spr.  i  heft  10-2.  [1375 
über  Völkerwanderung,  kreuzzüge  u.  ma,  lat.  übers,  mit  ausführl.  ex- 
cursen.  f.  studierende  u.  lehrer  von  RBouterwek.  Paderborn,  Schöningh. 
68.  8.  [1376 
Wallen ste in  part  I.  Das  lager.  with  introduction  and  notes  byHBC  otte- 
rill.  Foreyn  school  classics.  London,  Macmillan.  62,  113.  18.  [1377 
Funke  1886  [1461.  —  Zs.  f.  d.  deutschen  Unterricht  i  85  (Unbescheid).  [1378 
Wallensteins  tod  von  GKern  (Class.  deutsche  dichtungen  hg.  von  KHKeck 
8  teil).  Gotha,  Perthes,  vii,  171.  8.  —  D.  litteraturbl.  x  nr  6.  [1379 
Wallenstein,  dram.  poem,  transl.  by  CGNLock hat  t.  London,  Blackwoods. 
—  New-York  nation  45,  483.                                                             '       [1380 


VERZEICHMS    DER    SCHRIFTSTELLER:     SCHILLER  127 

vScHiLLER,  F.:  Wallenstein,  ein  dram.  gedieht,  schulausg.  bearb.  von  LSevin 
(Meisterwerke  der  deutschen  litt,  —  hg.  von  KHoldermann  u.  LSevin  8  bdclien). 
Berlin,  Reuther.    160  mit  1  titelbild.    8.  [1381 

s.  auch  [1297. 

[Zu  Wallensleins  lager  von  JBöhm.    Päd.  bll.  16,467].  [1382 

RGenee  über  einen  Wallenstein  c.  1650,  in  Berlin  aufgeführt:  vgl.  Litt, 
merkur  vii  243.     Köln.  ztg.  nrl74.  [1383 

Der  bist.  u.  der  Sch.sche  Wallenstein  von  Grosse.  Landesztg.  f.  Elsass- 
Lothringen  nrlOS.  4.  [1381 

Sch.s  Wallenstein  als  theaterneuigkeit  [erste  aufführung  in  Weimar],  von 
FKatt.     Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg.  iir  25.  [1385 

Rönnefahrt  1886  [1468.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  3  (Buchner).  DLZ  nr22 
(Minor).  [1386 

Wallensteinstücke  auf  dem  alten  volkstheater  von  ORüdiger.  Hamb.  nachr. 
nr  168.  9.  [1387 

Neue  mitteil,  über  die  Veruntreuung  des  ms.  von  Wallensteins  lager  von 
MASpiefs.    Arch.  f.  litteraturgesch.  15,  388.  [1388 

Tomaschek  1886  [1469.  —  DLZ  nr  22  (Minor).  [1389 

s.  auch  [897. 
Xenien  s.  [13. 

Die  Urschriften  der  b riefe  Sch.s  an  Dalberg  von  MBernays.  AZ  nr  226. 
7.  30.  1  B.  [1390 

I  4  briefe  Sch.s  [an  WGBecker,  Böttiger?,  Frommann,  FvStein].  ii  Böttigers 
briefe  an  Seh.  mitgeteilt  von  RBo.xberger.  Arch.  f.  litteraturgesch.  15, 
296.  [1391 

Ausgew.  briefe.     ed.  by  ESßuchheim.     New- York,  Putnams.  [1392 

3  briefe  von  Seh.  [an  Wilmans,  Iffland,  Brannaschk.  mitgeteilt  von  FSchiiorr 
vCarolsfeld].     Arch,  f.  litteraturgesch.  15,194.  [1393 

[Sch.s  briefe  an  Dalberg  der  Münchner  universitätsbibl.  angeboten,  Athen. 
nr3125  s.  377].  [1394 

Sch.s  flucht  aus  der  heimat  von  EFAnders.  progr,  des  Leibniz-gymn,  zu 
Berlin,  Berlin,  Gärtner.  37.  4.  —  Bes,  beil.  des  Staatsanz.  f.  Württembero- 
nr  17.  [1395 

Aus  Sch.s  dichterwerkstatt.  von  LB  eller  mann.  Sonntagsbeil,  zur  Voss. 
Ztg.  nr  6,  7  [über  Sch,s  bemühung,  fremdwörter  zu  meiden],  [1396 

Über  Sch.s  einfluss  auf  Goethes  dichtung  von  RBorges,  progr.  d,  realschule 
zu  Reudnitz  [=leipz.  diss.  1SS6].    24.    4.  [1397 

Boxberg  er  1S86  [1476.  —  Zs.  f,  d.  deutschen  Unterricht  i  83  (Un- 
bescheid).  [1398 

Sch.s  vater  von  OBrahm.     D,  rundschau  53,200,  [1399 

*  Braun  s.  1884  [990.  erste  abt.  Seh.  bd.  1  u.  2.  1781—1800.  Leipzi?, 
Schlicke,  1882.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  78,  462.  [1400 

FSch.  curiose  freunde,  trübselige  tage,  misachtung  bis  ins  grab  hinein,  kein 
ehrenbuch  für  Weimars  gröfsen  von  SB  runner.  Wien,  verl.  der  SNor- 
bertus-buchdruckerei.  216...  S.  —  Gegenwart  nr  14  (Düntzer).  Bll.  f.  litt, 
unterh.  nr31  (Buchner).     Österr,  litt,  centralbl,  nr  10  (Zapletal),  [1401 

Seh.  u.  Vergil  von  GH  au  ff.  Zs.  f,  vgl.  litteraturgesch,  u,  renaissancelitt, 
n.  f.  I  46.  [1402 

Hepp  1885  [1238,  —  Bll,  f,  litt,  unterh.  nrl6  (Buchner).  [1403 

Howe  1886  [1484.  —  Zs.  f.  d.  deutschen  Unterricht  i  82  (Unbescheid). 
Arch.  f,  d.  stud.  d.  neueren  spr.  77,  230.  [1404 

Keller  1886  [1489.  —  Bes.  beil.  des  Staatsanz.  f.  Württemberg  nr  1.  [1405 
Sch.s  philos.  gedichte,  6  vortr.  geh.  in  Berlin  im  winter  1885/6  A'on  HLange, 
Berlin,  Oehmigke.   188,  8.  —  Zs.  f,  d.  deutschen  Unterricht  i  79  (Unbescheid). 

[1406 
Palleske-Fischer  1886  [1496,  —  Bll,  f,  litt,  unterh.  nr3  (Buchner),  Bist, 
zs,  58,  133,     Litt,  merkur  vii  248  (PfaflF).  [1407 


128  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887    11 

vScHiLLER,  F.:  Sch.s  einfluss  auf  die  entwicklung  des  deutschen  naüonalgefühls 
von  ARuhe,     progr.  d.  gymn.  zu  Meppen.    34.    4.  [1408 

Schäfer  1886  [1498.  —  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  u.  renaissancelitt.  n.  f. 
I  109  (Koch).  [1409 

Schanzenbach  1886  [1499.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  15,205  (Walzel). 

[1410 
Ueberweg  1885  [1263.  —  Philos.  monatshefte  23,  353  (Witte).  Arch.  f. 
d.  stud.  d.  neueren  spr.  79,  114  (Arnheim).  [1411 

Zur  krit.  des  Sch.-schädels.  ein  beitr.  zur  kraniolog.  diagnostik  von  HWelcker. 
Arch.  f.  anthropologie  17,  19.  [1413 

Weitrich  1886  [1505.  —  Litt,  centralbl.  nr  15.  BH.  f.  litt,  unterh.  nr  16 
(Buchner).  [1413 

Seh.  u.  Charlotte  vKalb  von  RWeltrich.  Die  gesellsch.  hg.  von  Conrad 
3  jg.  [1414 

Ein  pamphlet  auf  Seh.  u.  Goethe.    Gartenlaube  nr50  s.  839.  [1415 

s.  auch  [99.  109.  110.  132.  152.  159.  161.  168.  169.  171.  182.  192.  197.  245. 
352.  357.  704.  754.  767.  768.  782.  821.  982. 1144. 

SCHINK,  JF.  s.   [159. 

VSCHLEGEL,    AW.    S.    [13. 

Vorlesungen  1885  [1275.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  74  (Khull).  791. 
Litteralurbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr  12  (Muncker).  [1416 

AWvSeh.  in  den  jj.  1804 — 45  von  JMinor.  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38, 
590.  733.  [1417 

vScHLEGEL,  F.:  Briefe  von  FSch.  mitgeteilt  von  LLier,  ESchmidt,  JMinor. 
1.  an  GABöttiger.  2.  an  FJNiethammer.  3.  an  KJHWindischmann.  Arch.  f. 
litteraturgesch.  15,  399.  425.  35.  [1418 

s.  auch  [821.. 

Schlegel,  JE. :  Ästhetische  u.  dramaturgische  Schriften  [hg.  von  JvÄ ntoniewicz] 
(DLD  26).  Heilbronn,  Henninger.  clxxx,  226.  8.  —  ßll.  f.  litt,  unterh.  nr  44 
(Boxberger).     D.  revue  xii  4,  375.  [1419 

Schlegel,  K.  geb.  Michaelis  s.  [177. 

Schleiermacher,  FED.  s.  [13. 

Predigtentwürfe  aus  d.  j.  1800.  hg.  von  FZimmer.  Gotha,  Perthes,  iv, 
75.     8.  [1420 

Sch.s  briefe  an  die  grafen  zu  Dohna.  hg.  von  JLJacobi.  Halle,  Strien. 
93.     8.  [1421 

Seh.  als  päd.  von  HKeferstein.  Jena,  Mauke,  vi,  340.  8.  —  DLZ  nrl4 
(vSallwürk).  Litt,  centralbl.  nr  39.  Ztg.  f.  litt.,  kunst  u.  wissensch.  des 
Hamb.  corresp.  nr  24,  vgl.  nr  25  s.  196.  [1422 

Schmeller,  JA. :  Nicklas  1885  [1282.  —  BIL  f.  d.  bayr.  gymnasialschulwesen 
23.  280.  [1423 

Nicklas  1886  [1518.  —  N.  jbb.  f.  phil.  u.  päd.  136,  524  (Menge).  Arch. 
f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  77,  414.  [1424 

vScHMiD,  Ch.:  Sämmtl.  Schriften.  4—6.  heft.  Leipzig,  exp.  der  ChvSch.schen 
Schriften.    62.  68.    8.  [1425 

Auserlesene  erzählungen.  f.  evang.  christenkinder  bearb.  von  JFRanke. 
4  bde  [mit  8  abbildungen]  (Unterhaltungsbibl.  f.  kinder  bd.  1—4).  Elber- 
feld,  Bädeker.    143.  125.  131.  142.    8.  [1426 

Kleinere  erzählungen  f.  kinder.  Wahre  gesch.  von  tieren  [mit  illustr.  ini- 
tialen], ausgew.  u.  erzählt  f.  7—9  jähr,  kinder  von  JFRanke  (Unterhaltungs- 
bibl. f.  kinder  bd.  5).  Elberfeld,  Bädeker.  94.  8.  [1427 
Seh.,  Krummacher,  Liebeskind,  Lichtwer,  Hebel,  Herder  et  Campe,  contes 
et  morceaux  choisis  — ,  publies  avec  des  notices  sur  les  auteurs  et  des  notes 
en  franfais  par  DES  eher  dlin.  Paris,  Hachette.  xvi,  260.  16.  [1428 
Kurze  erzählungen.  Kleine  lehrreiche  erzählungen.  Blüten,  dem  blühenden 
alter  gewidmet  (Ausgew.  volks-  u.  jugendschr.  hg.  —  von  OHellinghaus  21—25 
bdchen).  Münster,  Ascbendorff.  iv,  220.  iii,  268.  iv,  92.  16.  [1429 
Ausgew.  Jugendschriften.  4  bde.  Stuttgart,  Gundert.  483.  432.  467.  420  mit 
je  3  illustr.    8.                                                                                             [1430 


VERZEICHNIS    DER    SCHRIFTSTELLER:     SCHILLER SCHWAB  129 

vScHMiD,  Ch.  s.  auch  [11.  15. 

7  erzählungen  f.  die  Jugend:  Der  kanarienvogel,  Das  johanniskäferchen,  Das 
täubchen,  Die  kapelle  bei  Wolfsbühl,  Der  diamantring,  Das  Marienbild,  Der 
kuchen.  mit  bildern.  neue  ster.-ausg.  Reutlingen,  Ensslin  &  Laiblin. 
176.     8.  [1431 

4  erzählungen  f.  kinder  u.  kinderfreunde.  Herborn,  buchhaadl.  des  nassau. 
colportagever.    212.    12.  [1432 

Derdianiantring.  eine  erzählung.  Reutlingen,  Ensslin  &  Laiblin.  16.  12.  [1433 
Wie  Heinrich  von  Eichenfels  zur  erkenntnis  gottes  kam.  neue  durchges. 
ausg.  mit  einem  vorw.  von  EEvers  (ChvSch.s  Erzählungen  f.  die  Jugend  u. 
das  voik  heft  1).     Wiesbaden,  Ebbecke.    1—32.    12.  [1434 

Die  kapelle  bei  Wolfsbühl,  eine  erzählung  f.  jung  u.  alt.  neue  ster.-ausg. 
Reutlingen,  Ensslin  &  Laiblin.    30.    12.  [1435 

Ludwig,  der  kleine  auswanderer.  —  Der  gute  Fridolin  u.  der  böse  Dietrich. 
—  Der  kanarienvogel.  Anselmo.  Die  feuersbrunst.  —  Die  2  brüder.  Der 
kuchen  (Ausgew.  volks-  u.  Jugendschriften  —  hg.  von  OHellinghaus  16—20 
bdchen).     Münster,  Aschendorff.    iv,  87.  244.  viii,  118.  91.    16.  [1436 

Das  Marienbild  oder  das  verlorene  kind.  eine  erzählung  f.  jung  u.  alt.  neue 
ster.-ausg.     Reutlingen,  Ensslin  &  Laiblin.    29.    12.  [1437 

Die  Ostereier  u.  5  andere  erzählungen  f.  die  liebe  jugend.  mit  6  feinen 
farbdr.-bildern  nach  aquarellen  von  COffterdinger,  2  aufl.  Stuttgart,  Löwe. 
115.     4.  [1438 

Das  täubchen.  eine  erzählung  f.  jung  u.  alt.  neue  ster.-ausg.  Reutlingen, 
Ensslin  &  Laiblin.    31.    12.  [1439 

[Zahlreiche  frz.  Übersetzungen  einzelner  stücke  s.  Bibl.  de  la  France,  annee 
1887,  table  alphabetique  p.  152]. 

Schneider,  E.:  Faber  1886  [1554.  —  Bist.  zs.  57,352.  Mitteil,  aus  der  bist, 
litt.  XV  93  (Hermann).  [1440 

Schober,  DG.:  DGSch.  von  AFischer.     EU.  f.  hymnol.  s.  124.30.  [1441 

Schosser,  A.:  Ein  vergessener  österr.  volksdichter.  N.  fr.  presse  nr  8220 
morgenbl.  [1442 

Schröder,  FL.:  Seh.  u.  Gotter.  eine  episode  aus  der  deutschen  theatergesch. 
briefe  FLSch.s  an  FWGotter.  1777  u.  8.  eingel.  u.  hg.  von  BLitzmann. 
Hamburg  u.  Leipzig,  Voss,  ix,  136.  8.  —  Ztg.  f.  litt.,  kunst  u.  wissensch. 
des  Hamb.  corresp.  nr  21.  [1443 

s.  auch  [981. 

SCHUBART,    ChFD.    S.    [13. 

Der  dichter  Seh.  als  Schulmeister  von  KB öckh'el er.  Daheim  nr  38.  9.  [1444 
Hauff  1886  [1559.  —  Anz.  xiii  161  (Werner).'  [1445 

Zwei  bittschriften  an  herzog  Carl  von  Württemberg,  den  gefangenen  dichter 
Seh.  betr.,  aus  demj.  1777  von  AvSchlos s berger.  Bes.  beil.  des  Staatsanz. 
f.  Württemberg  nr9s.  135,  s.  auch  Berl.  tagebL  nr353.  [1446 

Neue  kleine  beitr.  zur  kenntnis  ChFDSch.s  von  AWohl  will.  Arch.  f.  litte- 
raturgesch.  15,  21.  126.  [1447 

*Sch.  dram.  skizze  von  HvZimmermann.  Prag  1886.  —  D.  dichtung 
n  368  (Koch).     Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  4  (Nisse!).  [1448 

Ein  süddeutscher  patriot  vor  100  jj.  [ChDSch.].  Grenzboten  46,  3,  266.  [1449 
Zur  erinnerung  an  Seh.  Schwab,  chronik  s.  846.  vgl.  ebenda  s.  1941. 
2033.  [1450 

Schulz,  JChF.  :  Leben  u.  tod  des  dichters  Firlifimini.  eine  litt,  säcularerinnerung 
von  ROrtmann.     Didaskalia  nr  287.  [1451 

Der  verf.  des  Firlifimini.     Arch.  f.  litteraturgesch.  15,  448.  [1452 

Schulze,  E.  :  Die  bezauberte  rose,  romant.  gedieht,  min.-ausg.  14  aufl.  Leipzig, 
Brockhaus.    94.    16.  [1453 

Schupp,  JB.:  BSch.  u.  seine  lieder  von  AFischer.  Bll.  f.  hymnol.  s.  18.  vgl. 
ebenda  s.  62.  [1454 

s.  auch  [61. 

Schwab,  G.  :  Deutsche  Volksbücher,  f.  die  jugend.  2  bde.  Lahr,  Schauenburg, 
257.  274.    8.  [1455 

A.  F.  D.  A.    XV.  9 


130  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887     II 

Schwab,  G.     s.  auch  [11.  13.  15. 

Semper,  EL.  s.  [1567. 

Seume,  JG.  s.  [13. 

SiMRocK,  K.  s.  [204. 

VSONNENBERG,  FAJJM.  ffhr  s.   [230. 

Spangenberg,  W.:  Ausgew.  dichtungen.     Ganskönig  —  Saul  —  Mammons  sold 

—  Glückswechsel  [hg.  von  EMartin]  (Elsäss.  litt.-denkmäler  aus  dem  14 — 
17  jh.  IV).  Strafsburg,  Trübner.  xvi,  349.  8.  —  DLZ  nr  42  (Strauch).  Litt, 
centralbi.  nr  44.  [14B6 

Spee,  f.:  Goldenes  tugendbuch,  d.  i.  werke  u.  Übungen  der  3  götll.  lügenden, 
des  glaubens,  der  hoffnung,  der  liebe,  neu  hg.  von  FHattler  S.  J.  Frei- 
burg i/B.,  Herder,  xxiv,  543.  8.  [1457 
s.  auch  [58. 

Spener,  PhJ.  :  PhJS.  als  lehrer  der  Jugend,  ein  vortr.  geh.  von  prof.  drKöst- 
lin  in:  Denkschr.  des  evang.  predigerseniinars  zu  Friedberg  f.  dasj.  1886  u. 
bis  frühj.  1887  —  hg.  von  JGDiegel.  mit  einer  abhandl.  —  von  WWeiffen- 
bach  (Friedberg,  Bindernagel  in  comm.  vii,  312.  8)  s.  139.  [1458 

Sperontes:  Spitta  1885  [1388.  —  DLZ  nr  22  (Spiro).  [1459 

Spiess,  ChH.:  Theaterzettel  zur  ersten  aufführung  der  Maria  Stuart  von  S.  am 
wiener  burgtheater  (1787).     Wiener  allg.  ztg.    18juni,  hauptbl.  [1460 

Streckfuss,  AFK.  s.  [698. 

Sturz,  HP.:  Litt,  merkur  viii  17.  [1461 

Sudermann,  D.:  DS.  in:  *ChSepp,  Kerkhist.  stud.  (Leiden,  Brill,  1885)  s.  238. 

—  Theo!,  litteraturztg.  nr21  (Kattenbusch).  [1462 
Thomasius,  Ch.  :  Ein  allg.  deutsches  Universitätsjubiläum  (zum  200  jähr,  gedächt- 
nistage der  ersten  Vorlesung  in  deutscher  spr.).  von  MB  endin  er.  AZ 
nr269B,  vgl.  nr  356  B:  Die  ersten  deutschen  Vorlesungen  u.  Theophrast 
von  Hohenheim  [nicht  ChTh.  hielt  1687  an  der  leipz.  hochschule  die  ersten 
Vorlesungen  in  deutscher  spr.,  sondern  Theophrast  von  Hohenheim  1562  an 
der  univ.  Basel].  [1463 
Zum  Th.-jubiläum  von  AHofmeister.  Grenzboten  46,4,294.  vgl.  auch 
46,  2,  545.  99.  [1464 
Ein  Jubiläum  der  deutschen  wissensch.  von  ONeumann  Hofer.  D.  mon- 
tagsbl.  7  nov.  [1465 
ChTh.  zum  200  jähr,  gedächtnis  von  ARichter.  Illustr.  ztg.  nr  2312.  [1466 
Ein  allg.  deutsches  Universitätsjubiläum.  D.  ztg.  nr  5656.  [1467 
Das  erste  deutsche  colleg  zu  Leipzig  am  24  oct.  1687.  zur  erinneruner  an 
ChTh.  Wissensch.  beil.  d.  Leipz.  ztg.  nr  84.  [1468 
Zu  Th.s  gedächtnis.     Die  post  nr  279  beil.  1.                                          [1469 

TiECK,  L. :  Fisch  e  r  1884  [1055.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  38,  728  (Schmidt).  [1470 

Ausgew.  werke  in  8  bden.    mit  einer  einl.  von  HWelti.  bd.  4 — 6  (Bibi.  d. 

weltlitt.  bd.  147.  151.  6).     Stuttgart,  Gotta.    232.  270.  223.    8.  [1471 

s.  auch  [13.  159.787. 

Zu  LT.s  nachlass.    von  AHauff en.     Arch.  f.  litteraturgesch.  15,316.   [1472 

Der  dualismus   LT.s   als   dramatiker  u.   dramaturg    von  MOKaiser.     leipz. 

diss.    67.    8.  [1473 

s.  auch  [122. 
TiEDGE,  ChA.:   ChAT.  u.  EvdRecke   von   AKohut.     Mag.   f.  d.  litt.   d.  in-  u. 

ausl.  nr  24.  [1474 

vTÖRRING,    JA.    S.    [13. 

Trinius,  CB.  s.  [108. 

Thland,  L.:  Gedichte  u.  dramen.  jubiläumsausg.  zum  100  geburtstage  des  dich- 
ters  [1787.  1887].  mit  einem  portr.  U.s  nach  dem  original  von  Mortf  aus 
dem  j.  1818  u.  einem  gedieht  in  facs.  Stuttgart,  Gotta.  xxviii,  640.  8.  — 
Gartenlaube  nr  17  s.  288.     AZ  nr91B  Verschiedenes.  [1475 

LU.  lichtstrablen  aus  seinen  werken,  nebst  einer  biogr.  characteristik  u.  dem 
portr.  des  dichters.  ein  gedenkbl.  zum  100  jähr,  geburtstage  LU.s  am  26 
april  1887  von  AKohut.  Dresden,  Pierson,  ix,  93.  12.  —  Bll.  f.  litt, 
uhterh.  nr  20  «.  318.  [14:76 


VERZEICHWS    DER    SCHR[FTSTELLER  :      SCHWAB  —  UHLAND  131 

Umland,  L.  s.  auch  [91. 

Gedichte  von  LU.  verschollenes  u.  unbekanntes.  D.  dichtung  ii  38.  [1477 
Ritter  Harald  (nach  U.s  ballade).  gemälde  von  ATschantsch.  lUustr.  ztg. 
nr  2320.  [1478 

Wiersz  Uhlanda  do  iMlckiewicza  [U.s  gedieht  Mickiewicz]  von  RMWerner. 
Pamietnik  towarzystwa  literackiego  imienia  AMickiewicza  pod  redakcya  Ro- 
mana Pilata  (Lemberg)  s.  138  f.  vgl.  ebenda  s.  253  (Zipper).  [1479 
2  U.sche  gedichte,  erlauf,  f.  den  schulgebrauch.    N.  bll.  aus  Süddeutschland 
f.  erziehung  u.  Unterricht  xvi  3.                                                                [1480 
Ein  Stammbuchvers  von  U.  [vom  19  aug.  1861].    Daheim  nr  32  s.  511.  [1481 
Aus  LU.s  briefwechsel.     ungedr.  briefe  von  LU.,  JKerner  u.  FHebbel.     mit- 
geteilt von  KEFranzos.     D.  dichtung  ii  55.                                           [1482 
Briefe  von  U.     Schwab,  chron.  s.  605.                                                      [1483 
Ein   brief  U.s,  Paris   29  juni  1810.     Staatsanz.   f.  Württemberg   nr  70  beil. 
auch  AZ  nr87  Verschiedenes.     Litt,  merkur  vn  172  u.  in  [1500  s.  8.     [1484 
LU.  von  Armin.     D.  wochenschr.  23  april.                                             [1485 
Zur  U.-feier.     U.  u.  die  neugestaltung  Deutschlands,    anecdoten  u.  reminis- 
cenzen  von  HBauer.    Nationalztg.  nr  233.                                              [1486 
Zu  LU.s  gedächtnis.    festrede  geh.  am  26  april  1887   in  der  aula  der  univ. 
zu  Rostock  von  RBechstein.    Rostock,  dr.  von  Adlers  erben.    40.    8  [sep.- 
abdr.  aus  der  Rostocker  ztg.  nr  191.  3.  5.  7].                                             [1487 
Dederich  1886  [1592.  —  D.  dichtung  ii  244  (Strauch).                        [1488 
LU.  eine  stud.  zu  seiner  säcularfeier  von  HFischer.     Stuttgart,  Cotta.   vn, 
199.    8.   —  Gegenwart   nr  31   s.  79.     Grenzboten   46,  3,  447.     DLZ   nr  41 
(Schönbach).     Litt,   centralbl.   nr  47.     AZ   nr  285  B    (Lautenbacher).     Bll.  f. 
litt,  unterh.  nr  52  (Weigert).     Zs.  f.  d.  phil.  20,  374  (Kettner).    Wiener  ztg. 
nr  162  (Ehrlich).    D.  litteraturbl.  x  nr  14  (Koch).                                    [1489 
LU.    zur  jh.-feier  seiner  geburt  von  HFischer.     AZ  nr  115 — 8  B.        [1490 
U.s  beziehungen  zu  ausländischen  litt,   nebst  Übersicht  der  neuesten  U.-litt. 
von  HFischer.    Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  i  365.                                  [1491 
U,  u.  Hebbel  von  HFischer   [im  anschluss  an  [124].   N.  Zürcher  ztg.  nr  64. 
6.  7.   s.  auch  [1543.                                                                                      [1492 
LU. ,  ein   deutscher    dichter,    von  KFulda    (Aus   dem   reiche    f.  das  reich 
heft  8).    Barmen,  Wiemann.    29  mit  bild.    8.                                           [1493 
Festgrufs    zur   U.  -  feier    am   26   april   von    KvG  e  r  o  k.     Prot,   kirchenztg. 
nr  19.                                                                                                       [1494 
LU.  u.  die  altfrz.  poesie  von  FGinzel.     Grenzboten  46,  2,  206.           [1495 
LU.  von  RvGottschall.     Gartenlaube  nr  17.                                         [1496 
LU.  von  MG  reif.     D.  ztg.  nr  5499.                                                           [1497 
Zu  U.s  100  jähr,  geburtstag  von  HGrimm.    D.  rundschau  51,62.        [1498 
LU.    ein   gedenkbl.   zu    seinem   100  jähr,    geburtstage    von    FWGrimme 
(Frankf.  zeitgemäfse  broschiiren  bd.  8  heft  7).     Frankfurt  a/M.,    Fösser.    34. 
8.  —  D.  litteraturbl.  x  nr  16  (Brenning).                                                  [1499 
Nachlese  zu  den  U.-biogr.    zusammengest.  auf  den  100  jähr,  gedenktag  der 
geburt  des  dichters  [von  JHartmann].  Württemb.  vierteljahrshefte  s.  1.  [1500 
LU.  eine  darstellung  der  Volksdichtung  u.  das  volkstüml.  in  seinen  gedichten 
von  GHassenstein.    Leipzig,  Reifsner.    xi,  184.    8.  —  D.  dichtung  ii  244 
(Strauch).     Litt,  merkur  vii  288.     DLZ  nr  41  (Schönbach).    Gegenwart  nr  46. 
Altpreufs.  monatsschrift  xxiv   heft  5/6.    D.  litteraturbl.  x  nr  16  (Brenning). 

[1501 
Holland  1886  [1593.  — -  Litt,  centralbl.  nr  47.  AZ  nr  52.  N.  zürcher  ztg. 
nr  3.  4  (Fischer).  [1502 

LU.,  der  dichter  u.  der  patriot  von  ChHönes  (Samml.  gemeinverständl. 
wissensch.  vortrage  n.  f.  2  serie  nr  3).  Hamburg,  Richter.  52.  8.  —  Litt. 
centralbl.  nr49.     D.  litteraturbl.  x  nr  16  (Brenning).  [1503 

Ein  moderner  Sängerkrieg  [zwischen  U.  u.  Rückert]  von  GKarpeles.  Über 
land  u.  meer  nr  30.  [1504 

LU.  im  Kerner-hause.  Jugenderinnerungen  von  ThKerner.  Gartenlaube 
nr  17.  [1505 

9* 


132  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887     II 

Uhland,  L.:  Zur  U.-feier.    eine  festicde  von  JKlaiber.    Schwab,  chron.  nr98, 
teilweise  auch  abgedr.  Prot,  kirchenztg.  nr  19.  [1506 

Lü.  in  memoriam.  von  AKohut.  Mag.  f.  d.  litt.  d.  in-  u.  ausl.  nrl7.  [1507 
LU.  ein  gedenkbl.  zur  lOOsten  widerkehr  seines  geburtstages  am  26  april 
von  AKohut.    Wiener  allg.  ztg.  25  april.  [1508 

Prof.  Lü.  u.  seine  schiiler.  ein  gedenkbl.  zum  100  jähr,  geburtstage  des 
dichters  von  AKohut.     Gegenwart  nr  17.  [1509 

LU.  u.  sein  Verleger  von  AKohut.  Bürsenbl.  f.  d.  deutchen  buchhandel 
nr  93.  [1510 

U.s  character  von  AKohut.     D.  wochenschr.  25juni.  [1511 

Zu  U.s  100 jähr,  geburtstage  von  RKönig.     Daheim  nr  29.  [1512 

Zum  lOOjähr.geburtstagLU.svon  KKöstlin.  Tübingen,  Fues.  22.  8.  [1513 
U.s  gedichte  nach  ihrer  relig.  seile  betrachtet  von  ALandenberger.  Be- 
weis des  glaubens  23,  121.  [1514 
Der  character  der  ü. sehen  dichtung  von  ALandenberger.  Didaskalia 
nr  97.  8,  [1515 
Lü.  von  PLang.  Schwab,  chron.  s.  709.  [1516 
LU.  von  JLautenba  eher.  Zs.  f.  allg.  gesch.,  kultur-,  litt.-  u.  kunstgesch. 
4,  286.  [1517 
LU.  ein  gedenkbl.  zur  säcularfeier  von  HLöbner.  Litt,  merkur  vii  165.  [1518 
[Sitzung  der  berliner  geseiisch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  zur  feier  von  Lü.s 
100  jähr,  geburtstage:  Löschho  rn  sprach  über  U.s  leben  u.  dichten,  Tobler 
über  ü.  als  romanisten,  Roediger  über  ü.  als  germanisten,  Zupitzaüber 
U.  als  universitätsprof.    ref,  im  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  79,  90.  3]. 

[1519 
LU.  der  class.  der  Volksschule  von  FM artin.  Päd.  bll.  16,  273.  [1520 
Erinnerungen  an  Lü.  von  KMayer.     D.  dichtung  ii  60.  [1521 

Lü.  von  FMuncker.    Vom  fels  zum  meer  ii  556.  [1522 

FMu  scogiuri,  Nel  centenario  del  poeta  Lü.  Nuova  aatologia  3  s.  7  fasc. 
V.  —  Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  78,  475  (Mahrenholtz).  [1523 

Lü.,  der  Sammler  u.  forscher  von  ONeumann  Hofer.  D.  montagsbl.  25 
april.  [1524 

Lü.  zum  100  jähr,  gedächtnistage  seiner  gehurt  von  AOhorn  (Samml.  ge- 
meinnütziger vortrage,  hg.  vom  D.  ver.  zur  Verbreitung  gemeinnütziger  kennt- 
nisse  in  Prag  nr  119).     Prag,  D.  verein.  42.    8.  [1525 

LU.  u.  seine  heimat  Tübingen  von  EPaulus.  mit  24  illustr.  von  GGIoss. 
jubiläumsausg.  Stuttgart,  Krabbe.  48.  4.  —  Litt,  merkur  vii  177.  D.  dich- 
tung II  244  (Strauch).  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  28.  Zs.  f.  d.  phil.  20,  376 
(Kettner).  [1526 

Zum  100  jähr,  geburtstage  Lü.s.  festgedicht  bei  der  gedächtnisfeier  des 
gesangver.  Frohsinn  zu  Gannstatt  a/N.  von  EP  esc  hier.  Gannstatt,  Bosheuyer. 
14.    8.  —  D.  dichtung  n  244  (Strauch).  '  [1527 

ü.  von  RPfleiderer.    D.  litteraturbl.  x  nr  4.  [1528 

LU.  der  dichter  f.  die  deutsche  Jugend  von  PI  ei  bei.  N.  bll.  aus  Süd- 
deutschland f.  erziehung  u.  Unterricht  xvi  2.  [1529 
Zu  Lü.s  gedächtnis  von  JPrölfs.  Frankf.  ztg.  nr  116.  7.  [1530 
Zu  Lü.s  100  jähr,  geburtstage  von  JRiffert.  Wissensch.  beil.  d.  Leipz. 
Ztg.  nr  32.  [1531 
LU.  zum  100  gedenktage  seiner  geburt  von  ARümelin  (Württemb.  neu- 
jahrsbii.  hg.  von  JHartmann.  4  bl.).  Stuttgart,  Gundert.  48.  8.  —  Litt,  mer- 
kur VII  177.  [1532 
Lü.  eine  biogr.  dem  deutschen  volke  erzählt  von  LSalomon  [aus  [43]. 
Stuttgart,  Levy  &  Müller.  23  mit  portr.  12.  [1533 
Zu  U.s  100  geburtstage  von  LSalomon.  Illustr.  ztg.  nr  2286.  [1534 
Rede  zur  U.-feier,  gesprochen  —  zu  Graz  am  26  april  1887  von  AESchön- 
bach.  D.  ztg.  nr  5503  morgenausg.  feuill.  [1535 
Prolog  gesprochen  bei  der  feier  des  100  geburtstags  Lü.s  in  der  tübinger 
sonnlagsgesellsch.  am  19  febr.  1887  von  LSchwabe  [als  ras.  gedr.].  Tü- 
bingen, dr.  von  Fues.    4.    8.                                                                     [1536 


VERZEICHMS    DER    SCHRIFTSTELLER:      UHLAND  —  WEISSENBACH         13^ 

Uhland,  L.  :  LU.  (zu  seinem  100  geburtstag)  von  LS  p  e  i  d  e  1.  N.  fr.  presse 
nr  8140  morgenbl.  [1537 

LU.  von  JStöckle.     Rhein.  bU.  f.  erziehung  u.  Unterricht  61  jg.  heft  4 

[1538 
LU.  von  FViolet.    Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg.  nrl7.  [1539 

Festspiel  zur  U.-feier  von  FThVischer.  aufgeführt  im  kgl.  hoftheater  zu 
Stuttgart  24  april  1887.  Stuttgart,  Bonz.  16.  8.  —  D.  dichtung  ii  244 
(Strauch).  [1540 

Zur  erinnerung  an  LU.  von  einer  verwandten  des  dichters  [frl.  LWeifser]. 
Bes.  beil.  des  Staatsanz.  f.  Württemberg  nr  7    s.  97.  [1541 

LU.  von  KWeitbrecht.     N.  zürcher  ztg.  nr  112.4.5.  [154:2 

LU.  u.  FHebbel  von  KWerner.  Wiener  ztg.  nr  94.  5.  s.  auch  [1492.  [1543 
LU.  von  Willibald.     Presse  nr  114.  [1544 

LU.  von  RWolkan.     Beil.  zur  Bohemia  nr  115.  [1545 

LU.  von  RWulckow.     Didaskalia  nr  97.  [1546 

Zu  U.s  gedächtnis.  Die  kleine  chron.  frankf.  wochenschr.  hg.  von  Holthof 
IX  nr  44.  5.  [1547 

Zu  U.s  lOOjähr.  geburtstage.     Weser-ztg.  nr  14493.  [1548 

LU.  Schies.  Ztg.  nr  286.  9.  [1549 

Zum  säculargedächtnis  an  LU.     Schorers  familienbl.  nr  17.  [1550 

Ein  beitr.  zur  erinnerung  an  LU.  Sonntagsbl.  hg.  von  APhillips  nr  17.  [1551 
LU.     D.  Ztg.  nr  5501.  [1552 

LU.     Evang.-Iuth.  gemeindebl.     hg.  von  Rade  nr  18.  [1553 

U.s  lebensgang.     Didaskalia  nr  97.  [1554 

2  bisher  unbekannte  anecdoten  über  LU.  Universum  nr  24,  auch  Litt,  mer- 
kur  VII  283.  [1555 

U.s  beziehungen  zu  Lenau.  nach  briefen  geschildert.  D.  buchhändler-acad. 
IV  8.  [1556 

LU.s  reden  in  der  1848er  nationalversamml.  ein  gedenkbl.  zum  26  april  1887. 
D.  Worte  7  jg.  s.  145.  [1557 

LU.  u.  die  Schwaben.  Ztg.  f.  litt.,  kunst  u.  wissensch.  des  Hamb.  corresp, 
nr  6.  [1558 

U.  u.  die  Deutschen  in  Osterreich.    D.  ztg.  nr  5490.  [1559 

Etwas  über  LU.     Tübinger  unterhaltungsbl.  nr  20  s.  79.  [1560 

U.   über  bibl.   dichtungen.    Evang.-Iuth.    gemeindebl.  hg.  von  Rade  nr  30 

[1561 
Unsere  U.-feier.  Korrespondenzbl.  des  ver.  f.siebenb.  landeskunde  10, 58.  [1562 
Über  die  U.-ausslellung  in  Stuttgart  u.  U.-feier  in  Württemberg.  Presse  nr 
116."-  [1563 

[Die  U.-feier  zu  Tübingen].    Tübinger  chron.  nr  97.  8.  [1564 

[Über  U.-feiern.  Schwab,  chron.  nr  96— 101.  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  19  s. 
303].  [1565 

U.-häuser  in  Tübingen.  U.  als  kind.  Gartenlaube  nr  17  s.  287.  [1566 
s.  auch  [99.  245. 

Ulber,  ChS.:     U.-Semper  von  WBode.     Bll.  f.  hymnol.  155.  75.  [1567 

ÜXGER,  FH.  s.  [304. 

Varxhagen  vEnse,  KA.    s.  [831. 

Voss,  JH.:  Der  göttinger  dichterbund.  1  teil.  JHV.  hg.  von  AS  au  er  (D.  na- 
tionallitt, bd.  49).  Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.  clxvi,  363.  8.  —  Litt,  cen- 
traibl.  nr41  (Creizenach).  [1568 

s.  auch  [8.  13.  14. 

Briefe  von  JHV.  [an  FAEschen]  mitgeteilt  von  AEschen.  Arch.  f.  litlera- 
turgesch.  15,  361.  [1569 

Weber,  KJ.  s.  [8. 

Wegleiter,  Gh.:  W.s  lieder  von  JZahn  u.  WBode.    Bll.  f.  hymnol.  s.  30.  [1570 

Weisse,  ChF. :  Briefe  von  ChFW.  an  KWRamler.  im  auszuge  mitgeteilt  von 
KSchüddekopf.    Arch.  f.  d.  stud.  d.  neueren  spr.  77,  1.  79,  149.    [1571 

Weissexbach,  A.:  AW.  ein  deutscher  dichter  aus  Tirol,  von  RvS  trete.  Presse 
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134  BIBLIOGRAPHIE    FÜR    1887     U 

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diss.  51  SS.;  würdigt  auch  THübner].  —  Litt.  centralbL  ur  30  (Greizenach). 
Grenzboten  46,  3,  301.     DLZ  nr  39  (vWaldberg).  [1573 

Wetzel,  .JG.  s.  [230. 

Wieland,  ChM.  :  Werke.  1  teil,  Musarion.  Die  grazien  u.  Der  verklagte  Amor, 
arbeiten  in  dram.  form.  Stein  der  weisen,  verschiedene  recc.  6  teil,  abhandl. 
u.  dichluiigen,  welche  sich  auf  pol.  u.  kulturgesch,,  insbes.  auf  Friedrich 
Wilhelm  iii  u.  Napoleon  i  sowie  auf  das  mönchswesen  beziehen,  hg.  von 
HPröhle  (D.  nationallitt.  bd.  51.  6).  Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.  c,  360. 
xxxii,  338.  8.  [1574 

s.  auch  [8.  13. 

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W.s  Gespräche  unter  vier  äugen  von  HPröhle.  Nationalztg.  nr  31.  [1576 
Horazs  sämmtl.  dichtungen.  nach  den  rev.  übers,  der  öden  u.  epoden  von 
EGünther,  der  satiren  u.  episteln  von  ChMW.  neu  hg.  u.  mit  einer  biogr.- 
litterarhist.  einl.  u.  anm.  vers.  von  HFleischer  (Bibl.  d.  weltlitt.  bd.  158). 
Stuttgart,  Cotta.  343.    8.  [1577 

s.  auch  [158.  566. 

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s.  auch  [982. 

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s.  auch  [245.  434. 

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(Seuffert).  [1580 

vWoLZOGEX,    C.   s.   [177. 

vZedlitz,  JCh.  s.  [91. 

vZesen,  Ph.  :  Eine  litau.  str.  in  PhvZ.s  Rosenthal  (1669).  mitgeteilt  von  LNeu- 
baur.     iMitteil.  der  litau.  litt,  gesellsch.  2,  416.  [1581 

s.  auch  [1262. 

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vZinzendorf,  ed.  geb.  vReufs:  Leben  u.  lieder  der  gräfin  EDvZ.  geb.  gräfin 
vR.    von  KFLedderhose.     Gütersloh,  Bertelsmann,  vii,  152.    8.         [1582 

vZinzendorf.  NL.  graf:  'Christi  blut  u.  gerechtigkeit'  von  JLinke.  Bll.  f.  hvni- 
nol.  s.  13.  [1583 

Becker  1886  [1651.  —  Hist.  zs.  57,91  (Gottschick).  [1584 

ZSCHOKKE,  H.  s.  [13.  14.  15. 

Novellen  u.  dichtungen.  americ.  stereotyp,  ausg.  3  bde.  New-York,  Zickel. 
472.  568.  658.    8.  [1585 

Humoristische  novellen.  illustr.  von  APetschnig.  Ifg.  2—8.  Wien,  Bondy. 
49-384.     8.  [1586 

Aus  der  Selbstschau  u.  den  Stunden  der  andacht  hg.  von  RWeb  er  (Schweiz, 
nalionalbibl.  18  bdchen).     Aarau,  Sauerländer,    79.    S.  [1587 

Labour  Stands  on  golden  feet.  a  holiday  story.  4  ed.  revised.  London, 
Philip.    162.    8.  [1588 

Das  goldmacherdorf.  eine  erzählung.  ster.-ausg.  Reutlingen,  Ensslin  >k 
Laiblin.    136.    8.  [1589 

Beitr.  zur  pol.  tätigkeit  HZsch.s  in  den  levolutionsjj.  1798  — 1801  von 
JKeller.  Vom  Jura  zum  Schwarzwald  iv  1.  2.  auch  sep.  Aarau,  Sauer- 
länder. 73  mit  1  portr.  8.  [1590 
HZsch.  von  RWeb  er.  Helvetia  jg.  10  heft  6.  [1591 
HZsch.s  pol.  tätigkeit  im  kanton  Basel  (1800—1).  Basler  nachr.  nr  21"). 
21.  23.                                                                                                           [1592 


KLEINE    MITTEILUNGEN  135 


Kleine   Mitteilungen. 


Zur  GESCHICHTE  DES  WORTES  DEUTSCH,  am  eingehendsten  hat  sich 
mit  der  frage ,  wann  und  wie  unser  wort  'deutsch'  zu  seiner 
jetzigen  hedeulung  gelangt  sei,  JGrimm  beschäftigt,  er  bemerki 
(Gramm,  i^  12  ff),  nachdem  er  die  elymologie  von  got.  piudisks, 
ahd.  dmtisk  festgestellt  hat:  'der  sinn  des  wertes  ist  gentilis,  geu- 
lilitius,  popularis,  vulgaris,  was  vom  gesammten  volk  im  gegen- 
satz  zu  den  einzelnen  Stämmen  gilt,  heimatlich,  eingeboren,  all- 
gemein verständlich,  aber  auch  den  nebensinn  von  heidnisch, 
barbarisch,  den  piudisks  wie  k^vixög,  ebenso  sä-vog,  piuda, 
vulgus,  im  munde  der  geistlichen  Schriftsteller  an  sich  tragen, 
darf  man  nicht  abweisen,  hierin  stimmt  es  zu  germanicus:  beide 
ausdrücke  auf  die  spräche  bezogen  bezeichnen  die  gemeine,  rohe 
vulgarsprache  gegenüber  der  gebildeten,  verfeinerten  der  gelehrten, 
was  wir  noch  jetzt  Volkssprache  nennen.'  er  führt  hierauf  aus, 
dass  das  wort  bei  den  lateinischen  Schriftstellern  des  vi,  vii  und 
VIII  jhs.  dort,  wo  es  nach  dem  späteren  gebrauch  hätte  stehen 
können,  nicht  vorkomme,  während  fränkische,  auch  einige  aleman- 
nische, quellen  des  ix  jhs.  nicht  selten  theotisciis  mit  bezug  auf 
die  spräche  aufweisen,  hier  gelle  es  für  den  begriff,  den  frühere 
Schrittsteller  durch  ein  vnlgo,  rustice,  sermone  harharico,  harharico 
illius  gentis  sermone ,  juxta  riisticitatem  vornehm  bezeichneten.  — 
dass  diese  auffassung  nicht  au  allen  beigebrachten  stellen  mög- 
lich sei,  hat  im  vorbeigehen  —  weil  andere  ziele  verfolgend  — 
schon  Hattemer  behauptet  (Über  Ursprung,  bedeutung  und  Schrei- 
bung des  Wortes  teutsch ,  Schaffhausen  1847,  s.  8  f).  aus  den 
weiteren  äufserungen  Grimms  in  der  GDS  ist  jedoch  nicht  zu 
entnehmen,  dass  er  seine  meinung  (welcher  sich  auch  WGrimm 
im  DVVB  anschloss)  geändert  habe.  Rückert  (Geschichte  der  nhd. 
Schriftsprache  i  82)  ist  ebenfalls  anderer  ansieht:  er  fasst  das 
theotisciis  des  ix  jhs.  bereits  als  'deutsch'.  er  gründet  indes 
seine  aufstellung  nur  auf  den  gebrauch  des  wortes  bei  Otfrid, 
der  ebenso  gut  die  Grimmsche  deutung  zulässt;  diese  wird  aber 
gar  nicht  erwähnt,  also  auch  nicht  widerlegt. 

Wenn  wir  nun  die  stellen  aus  dem  ix  jh.  ins  äuge  fassen, 
so  ist  zunächst  bemerkenswert,  dass  in  dieser  zeit  so  häufig  ein 
nicht  lateinisches  wort  zur  bezeichnung  der  spräche  erscheint, 
während  man  früher  mit  lateinischen  ausreichte,  dies  macht  von 
vorn  herein  wahrscheinlich ,  dass  theotisciis  etwas  anderes  bedeute 
als  jene. 

In  vielen  fällen  ist  freilich  die  auslegung  'vulgarsprache'  sehr 
wol  möglich ;  denn  zumeist  steht  das  wort  in  ausdrücklichem 
oder  gedachtem  gegensatz  zu  'lateinisch',  aber  dies  ist  nicht 
immer  der  fall,  wenn  Hrabanus  Maurus  eine  kleine  abhandln ng 
(Opera,  Coloniae  1626,  vi  333)  überschreibt:  De  inventione  lingva- 


136  KLEINE    MITTEILU^GEN 

rtim  ab  hebraea  vsque  ad  theodiscam,  so  ergibt  die  Grimmsche 
aulfassung  einen  höchst  gezwungenen  sinn,  das  wort  wird  aber 
einmal  geradezu  im  gegensatz  zu  vulgo  und  zugleich  im  gegen- 
satz  zu  latine  gebraucht,  von  Adalhard ,  bischof  von  Corbie  in 
derPicardie,  einem  verwandten  und  ratgeber  Karls  des  grofsen, 
wird  in  einer  in  der  ersten  hälfte  des  ix  jhs.  ebenfalls  zu  Corbie 
geschriebenen  vita  (MG  SS  ii  542  §  77:  Grimm  citiert  die  stelle 
nicht  vollständig)  berichtet:  quem  si  vulgo  andisses,  dulcifluus  ema- 
nabat ,  si  vero  idem  barbara,  quam  teutiscam  dicunt,  lingua  lo- 
queretur,  praeeminebat  daritalis  eloquio ,  quod  si  latine,  iam  ulte- 
mis  prae  aviditate  dulcoris  non  erat  spiritus.  —  vtdgo  kann  hier 
auf  nichts  anderes  gehen  als  auf  die  romanische  vulgarsprache.^ 
Grimms  auffassung  von  teutiscam  ergäbe  also  nur  einen  sinn, 
wenn  man  übersetzte:  'in  der  barbarischen  (vulgär-)  spräche, 
welche  sie  (die  Deutschen)  die  volkstümliche  nennen.'  diese  aus- 
legung  von  dicunt  wäre  aber  eine  sehr  gezwungene;  es  bezieht 
sich  offenbar  auf  den  allgemein  üblichen  Sprachgebrauch  jener 
gegend,  welche  ja  gemischtsprachig  war,  und  nicht  blofs  auf  den 
der  Deutschen,  dass  der  verf.  eine  umschreibende  ausdrucks- 
weise gebrauchte,  scheint  mir  daher  zu  rühren,  dass  er  dem 
vulgo  nicht  ohne  weiteres  lingua  teutisca  gegenüberstellen  wollte, 
weil  ja  diese  auch  eine  vulgarsprache  war  und  der  eigentliche 
gegensatz  zu  vulgo  latine  ist.  er  wollte  also  nur  sagen:  'wenn 
er  in  der  barbarischen ,  der  anderen  vulgarsprache  redete ,  näm- 
lich der  lingua  teutisca.'  sobald  aber  dieser  ausdruck  im  gegen- 
satz zu  romanisch,  also  einer  anderen  vulgarsprache,  gebraucht 
wird,  kann  er  unmöglich  mehr  die  bedeutung  haben,  welche 
Grimm  ihm  beilegt. 

Und  diese  gegenüberstellung  ist  nicht  selten,  auf  der  synode 
von  Tours  813  (can.  xvii:  Labb6  Concilia  1671  vn  1263)  wird 
verfügt  und  auf  dem  unter  Hraban  847  abgehaltenen  concil  zu 
Mainz  (can.  ii:  Labb6  vni  42)  mit  denselben  Worten  bestimmt: 
ut  easdem  homilias  quisque  aperte  transferre  studeat  in  rusticam 
romanam  linguam  aut  theotiscam,  quo  facilius  cuncti  possint  in- 
telligere  quae  dicuntur.  hier  ist  wol  zu  theotiscam  nicht  blofs 
linguam  sondern  auch  rusticam  zu  ergänzen:  die  bischöfe  mögen, 
damit  sie  alle  verstünden ,  die  predigten  in  die  lingua  rustica, 
die  vulgarsprache,  übertragen,  und  zwar  je  nach  den  örtlichen 
Verhältnissen  in  die  romana  oder  theotisca,  die  romanische  oder 
deutsche;  das  wort  kann  hier  keinen  anderen  sinn  haben,  wenn 
nun  auch  rusticam  nicht  zum  zweiten  glied  zu  ergänzen  ist,  so 
könnte  lingua  theotisca  höchstens  'deutsche  vulgarsprache'  heifsen. 
—  der  Chronist  Nithard  berichtet  (MG  SS  ii  665  f)  von   den  be- 

'  eine  andere  vita  Adalhards  sagt:  Qui  *«  vulgari,  id  est  romana  linßua, 
loqueretur,  omnium  aliariim  j)uiarelur  inscitis;  si  vero  teutonica,  enitebat 
perfectius,-  si  latina ,  in  nulla  ornnino  ahsolutius  (Mabiüon,  Acta  sanct.  iv 
1,  375). 


KLEINE    MITTEILUNGEN  137 

kannten  Strafsbiirger  eiden  in  folgenden  Worten:  ....  sacramenta, 
qnae  snbter  notata  mnt,  Lodlmwicm  romana,  Karolus  vero  tendisca 
lingua  jnraverimt.     ac  sie  ante  sacramenlum  circumfusam  'plebem 

alter  tendisca,  alter  romana  lingua  alloquuti  sunt Cum- 

que  Karolus  haec  eadem  verba  romana  lingua  perorasset,  Lodhu- 
wicus,  quoniam  major  natu  erat,  prior  haec  deinde  se  servaturum 

testatus    est: Quod  cum   Lodhuvicus    explesset,    Karolus 

tendisca  lingua  sie  haec  eadem  verba  testatus  est:  ....  Sacramen- 
tumautem,  quo  utrorumqne  populus  quique  propria  lingua  testatus 

est,  romana  lingua  sie  se  habet: Tendisca  autem  lingua: 

wie  in  dieser  stelle,  welche  Grimm  nur  flüchtig  andeutet, 

wird  auch  in  den  acten  des  Vertrages  zu  Coblenz  860  (MG  LL 
I  468 IT),  welche  wörtlich  anzuführen  kaum  mehr  nötig  ist,  wider- 
holt lingua  romana  und  theotisca  einander  gegenübergestellt,  im 
ersten  fall  sind  uns  sogar  die  texte  in  beiden  sprachen  über- 
liefert. 

Es  kann  somit  nicht  bezweifelt  werden ,  dass  unsere  heutige 
bedeulung  'deutsch'  bereits  für  das  ix  jh.  feststeht,  i  dass  diese 
spräche  als  rustica,  vulgaris,  barbara  udgl.  bezeichnet  wird,  ist 
in  jener  zeit  nichts  auffälliges  und  kann  nicht  beweisen,  dass 
ihre  einheimische  bezeichnung  dasselbe  bedeute,  dieselben  aus- 
drücke werden  ja  auch  für  das  romanische  angewendet. 

Für  diese  auffassung  spricht  ferner  der  umstand,  dass  das 
wort  sehr  bald  substantiviert  erscheint.  Walahfrid  Strabo  sagt  in 
seinem  Liber  de  reb.  ecci.  cap.  vii  (Migue  114,  926  f,  am  besten 
Zs.  25,  99  gedruckt):  a  Latinis  autem  Theotisci  multa  .  .  .  (acce- 
perunt);  ....  non  solum  Latini  .  .  .  sed  etiam  Theotisci  proprias 
habent  uoces  .  .  .  hier  tritt  uns  unser  wort,  wenn  nicht  als 
volksname,  so  doch  als  bezeichnung  einer  Sprachgenossenschaft 
entgegen,  als  würklicher  volksname  erscheint  es  in  der  in  den 
zwanziger  jähren  des  xi  jhs.  geschriebenen  Vita  Bernwardi  ep. 
(MG  SS  IV  770).  der  kaiser  beginnt  eine  rede-  Vosne  estis  mei 
Romani?  Propter  vos  quidem  meam  patriam  propinquos  qnoqne 
reliqui,  amore  vestro  meos  Saxones  et  cnnctos  Theotiscos,  sang%iinem 
meum  proieci.  wenn  also  auch  in  den  deutschen  quellen  die 
ersten  belege  für  den  volksnamen  erst  im  xii  jh.  auftreten ,  so 
war  er  gewis  schon  früher  bekannt  und  gebraucht,  obwol  man 
lieber  das  adjectiv  in  Verbindung  mit  einem  Substantiv  wie  man, 
Hute  udgl.  anwendete. 

Wie  weit  die  gränzen  des  begriffes  theodiscus  im  ix  jh. 
giengen,  erkennen  wir,  wenn  Walahfrid  Strabo  in  seinen  weitereu 
ausführungen  aao.  sagt:  .  .  .  dicendum  .  .  .  multa  nostros  .  .  didi- 
cisse,  praecipueque  a  Gothis  .  .  .  cum  eo  tempore,  quo  ad  fidem 
Christi  .  .  .  perdticti  sunt,   in  Graecorum  provinciis  commorantes 

*  die  drei  zuletzt  angezogenen  stellen  scheint  Kluge  nach  einer  be- 
merkung  in  seinem  Etym.  wb.  ebenso  aufzufassen ,  obwol  der  schlusssatz 
des  artikels  'deutsch'  dem  nicht  entspricht. 


138  KLEINE    MITTEILUNGEN 

nostrum,  id  est  theotisaim,  sermonem  habuerint.  mag  diese 
kenntnis  nuu  gelehrte  Iraditiou  sein  oder  mag  er  würklich  Über- 
reste der  Goten  oder  ilirer  Schriften  gekannt  oder  von  ihnen  er- 
fahren habend  jedesfalls  denkt  er  sich  unter  theodiscus  mehr  als 
wir  unter  'deutsch'  denken.  ähnHch  wird  in  dem  allerdings  erst 
um  97S  und  iu  Italien  entstandenen  Chronicon  Salernitanum 
cap.  38  (MG  SS  iii  498)  die  spräche  der  Longobarden  als  lingua 
todesca  bezeichnet,  in  altsächsischen  glossen  endlich  gibt  thiudisca 
liudi  geradezu  Germania  wider  (Grimm  aao.  s.  14). 

Wenn  nun  die  geltung  des  wortes  in  unserer  heutigen,  ja 
in  noch  weiterer  bedeutung  für  das  ix  jh.  gesichert  ist,  so  folgt 
daraus  noch  nicht,  dass  sie  sich  erst  in  dieser  zeit  festgesetzt 
habe,  es  ist  sehr  wol  möglich,  dass  sie  sich  schon  früher  im 
Volke  herausgebildet  hatte,  dass  aber  die  latein  schreibenden 
in  vornehm -gelehrter  weise  sie  nicht  beachteten  und  entweder 
die  spräche  überhaupt  nur  als  barbarische  Volkssprache  bezeich- 
neten oder  für  sie  den  aus  dem  classischen  latein  her  bekannten 
ausdruck  teutonicus  gebrauchten. 2  die  Stärkung  des  national- 
gefühls  im  ix  jh.  —  wofür  unter  anderem  die  worte  Otfrids 
Zeugnis  ablegen  —  und  namentlich  der  gegensatz  zu  den  Romanen 
mochten  die  Verwendung  des  heimischen  ausdrucks  begünstigen, 
obwol  der  andere  noch  immer  in  gebrauch  blieb  (belege  bei 
Hattemer  aao.)  und  jenen  in  den  folgenden  jhh.  wider  verdrängte, 
auffällig  ist,  dass  niemals  germanicus  oder  germanus  zur  be- 
zeichnung  der  spräche  erscheint,  während  Germani  als  volksname 
ganz  üblich  ist;  vielleicht  gebrauchte  man  teutonicus,  weil  es  in 
der  Wurzel  der  heimischen  benennung  ähnUch  klang,  ja  vielleicht 
hielt  man  es  für  die  eigentliche  latinisierung  derselben,  also  beide 
Wörter  für  wesentlich  identisch. 3  dann  wäre  ein  im  neunzehnten 
jh.  verfochtener  irrtum  schon  im  neunten  und  früher  verbreitet 
gewesen,  ist  er  etwa  im  spiele,  wenn  mhd.  anlautend  t  sich 
festsetzt  ? 

Schwieriger  als  die  chronologische  frage  ist  die  andere:  wie 
der  Übergang  von  der  etymologischen  bedeutung  des  wortes  diutisk 
zu  'deutsch'  stattgefunden  habe,  da  der  einzige  gotische  beleg 
piudisko  (Gal.  2,  14)  e^vinwg  übersetzt,  ebenso  wie  der  plural 
des  Substantivs  im  got.  und  im  ahd.  öfters  €&pt],  geutes  wider- 
gibt,  hat  man   an   eine   Zwischenstufe  'heidnisch'   oder   'heideu- 

*  er  fährt  fort:  et  (ut  historiae  testantur)  postmodum  studiosi  illius 
gentis  divinos  libros  in  suae  locutionis  proprietatem  transtulerint ,  quo- 
rum  adhuc  monumenta  apud  nonnuUos  habentur.  et  fidelium  fratnim 
relatio7ie  didicimus,  apud  quasdam  Scytkarum  gentes,  maxime  Tomi- 
tanos ,  eadem  locutione  divina  haclenus  celebrari  officia. 

-  so  wird  im  viijh.  vom  heiligen  iMummolius  berichtet,  er  sei  nach 
Noyen  berufen  worden,  quia  praeval^at  non  tantum  in  teutonica,  sed 
etiam  in  romana  lingua  (Acta  sanctorum  Belgii  iv  403;  vgl.  Diez,  Gr. 
i5  99). 

^  eine  ähnliche  Vermutung  spricht  Grimrii  aao.  s.  17  aus. 


KLEI.NE    MITTEILUNGEN  139 

christlich'  gedacht,  so  sagt  Geiger,  Ursprung  und  entwickelung 
der  menschüchen  spräche  und  Vernunft  i451:  'deutsch  bedeutet 
also  nicht  jüdisch,  heidenchristlich,  und  wurde  umgekehrt  wie 
hellenisch  (und  bei  den  Syrern  'aramäisch')  zur  sonderbezeich- 
nung.'  eine  solche  specialisierung  scheint  mir  aber  schon  an 
sich  schwer  begreiflich,  da  es  neben  den  Germanen  so  viele 
andere  und  bedeutende  heideuchristliche  Völker  gab.  der  um- 
gekehrte fall ,  dass  'hellenisch'  zu  'heidnisch'  wird ,  ist  erklärlich ; 
da  die  Hellenen  das  erste  bedeutende  heidnische  volk  waren ,  auf 
welches  das  Christentum  stiefs,  konnte  sein  name  auf  alle  anderen 
ausgedehnt  werden,  die  belege  nun,  welche  man  aus  dem  got. 
und  ahd.  beibringt,  scheinen  mir  nicht  beweisend  zu  sein,  ülfilas 
hatte  für  eine  grofse  zahl  specifisch  christlicher  begriffe  keine 
eigenen  ausdrücke,  er  muste  die  schon  vorhandenen,  so  gut  es 
eben  gieng,  dafür  verwenden,  ähnlich  waren  schon  die  Verfasser 
des  Neuen  testamentes  verfahren  und  ülfilas  schliefst  sich  ihnen 
an,  wie  Weinhold  Die  gotische  spräche  im  dieuste  des  kristen- 
tums  s.  16  ausführt,  indem  er  den  griechischen  grundbegriff 
genau  widergibt,  jene  Verwendung  von  piuda  und  phidisks  wird 
also  nichts  anderes  sein  als  einer  der  graecismen  oder  eigentlich 
hebraeismen,  zu  welchen  ülfilas  notgedrungen  greifen  muste.  im 
ahd.  erscheint  nur  das  substautiv  in  ähnlichem  gebrauch;  es  wird 
im  plural ,  wie  Grafl"  v  128  bemerkt,  'oft  als  beiden  den  Juden 
entgegengesetzt',  indes  alle  belege,  die  er  anführt,  sind  aus  der 
Notkerischen  psalmenübersetzung,  also  wider  nur  eine  widergabe 
des  bibeltextes,  aus  der  nicht  geschlossen  werden  kann,  dass 
diese  bedeutung  des  Wortes  eine  würklich  lebendige  war.i  wahr- 
scheinlich haben  wir  blofs  eine  zu  wörtliche  Übersetzung  vor  uns. 
ja ,  nach  dem  Ursprung  dieses  bibelgebrauches  (vgl.  Geiger  aao.) 
und  da  gentes  auch  in  der  ursprünglichen  bedeutung  in  der  bibel 
vorkommt,  scheint  es  mir  leicht  möglich,  dass  nur  gemeint  sei: 
'Israel  gegenüber  den  Völkern',  nämlich  'den  anderen  Völkern', 
jedesfalls  mochten  die  bibelunkundigen  nach  dem  gewöhnlichen 
Sprachgebrauch  die  worte  so  auffassen. 

Ich  glaube  vielmehr,  dass  von  der  etymologischen  bedeutung 
'zum  volk  gehörig'  auszugehen  ist;  ferner  dürfte  es  nicht  un- 
wichtig sein ,  dass  das  wort  im  ix  jh.  gleich  an  einer  der  ersten 
stellen  und  auch  später  nicht  selten  im  gegensatz  zu  'romanisch' 
gebraucht  wird,  wenn  zu  jener  zeit  in  dem  namen  die  ursprüng- 
liche bedeutung  noch  nicht  ganz  verblasst  war  —  und  das  ist  wol 
bei  dem  bestehen  des  Substantivs  diot  als  appellativum  wahr- 
scheinlich — ,  so  kann  diese  nicht  ausschliefslich  'zum  niederen 
volk  gehörig,  vulgär'  gewesen  sein,  sondern  zunächst  und  haupt- 
sächlich 'zu  unserem  volk  gehörig',  vom  standpunct  des  sprechen- 
den aus  gerechnet,    das  wort  würde  also  das  gegenteil  dessen  be- 

*  bemerkenswert  ist,  dass  auch  die  Verbindung  heitniscun  deotun  vor- 
kommt (Graff  V  128). 


140  KLEINE    MITTEILÜINGEN 

deutet  haben,  was  die  Griechen  und  Römer  von  ihrem  stand- 
puocte  aus  mit  harhanis  bezeichneten,  in  der  tat  finden  wir 
nun  in  glossen  (Grimm  aao.  s.  18)  barbarus  mit  einem  compositum 
desselben  Stammes,  un-cadiuti,  übersetzt  und  Otfrid  gebraucht 
githiudi  dem  entsprechend  (Kelle  ni  228).  dies  beweist,  dass  der 
stamm  dmt-  neben  der  allgemeinen  bedeutung  'volk'  auch  die 
besondere  'eigenes  volk'  hatte,  die  weitere  Verengung  des  begriffs 
zu  'unser  eigenes  volk'  lag  dann  sehr  nahe. 

Dieser  bedeutungsübergang  kann  dem  nationalgefühl  und 
nationalstolz,  namentlich  gegenüber  den  unterworfenen  Romanen, 
seinen  Ursprung  verdanken;  er  kann  aber  auch  einer  gewissen 
naiven  beschränktheit  des  gesichtskreises  entsprungen  sein,  die 
wir  oft  bei  mittelalterlichen  Verhältnissen  finden,  wahrscheinlich 
werden  beide  Ursachen  zusammengewürkt  haben. 

Eine  solche  begriffsentwickelung  ist  auch  nicht  ohne  ein 
Seitenstück;  der  uame  Arier  entstand  (nach  den  angaben  Böht- 
lingk-Roths  im  grofsen  sanskritwörterbuch)  ebenfalls  dadurch,  dass 
eine  geistige  eigenschaft,  die  auch  angehörigen  anderer  Völker 
zukommen  konnte  ('zu  den  treuen,  ergebenen  gehörig',  dann  'den 
volksgöttern  des  Stammes  treu'),  auf  die  eines  Volkes  und  zwar 
des  eigenen,  beschränkt  wurde. 

Wien.  Karl  Luick. 

Zur  mittellateiniscuen  DICHTü^G.  das  lied:  Wol  vf  ir  gesellen  in 
die  tabern  Aurora  lucis  rutilat  usw.  muss  sehr  verbreitet  gewesen 
sein,  denn  Ho ffmami  vFaller sieben  hat  zwei  recensionen  davon  be- 
kannt gemacht  (In  duld  jubilo  nr  37.  Weimar,  jb.  6,  53  f),  eine 
dritte  und  vierte  hat  Wattenbach  (Germ.  17,  188.  Anz.  f.  k.  d. 
d.  Vorzeit  xxvn  173)  veröffentlicht,  in  der  sammelhs.  C  101  (467) 
der  Zürcher  Stadtbibliothek  findet  es  sich  ebenfalls  (fol.  127')  in 
einer  von  jener  ersten  fassung  sehr  wenig  abweichenden  gestalt 
unter  dem  titel:  jubilus  bibulorum.  in  demselben  ms.  stehen  noch 
zwei  ähnliche  lieder  (fol.  138'"  Carmen  principum  und  fol.  76^^ 
Carmen  noui  Episcopi),  von  denen  das  erste  noch  nicht  be- 
kannt zu  sein  scheint;  das  zweite  hat  Wattenbach  Germ.  17,186 
in  abweichender  textgestalt  herausgegeben,  ich  lasse  sie  unten 
folgen. 

Diese  papierhs.  ist  zusammengetragen  von  einem  cap^ellanus 
Gallus,  der  am  18  noü.  1417  geboren  war  und  am  Ijuli  1441 
seine  primiz  feierte,  sie  zeigt  den  buntesten  inhalt:  theologisches 
neben  medicinischem  (de  uino  stillato,  de  minutione  sanguinis), 
erbauliches  (Meditacio  neretricum  deuotarum:  Es  sass  ein  gftt 
mensch  vnde  span,  18  Strophen)  neben  humoristischem,  der  Stempel 
vonSGallen,  der  auf  mehreren  blättern  sich  findet,  lässt  über  die 
herkunft  des  codex  nicht  im  zweifei.  in  die  hs.  und  auf  die  innen- 
seite  der  beiden  deckel  sind  verschiedene  xylographa  geklebt  (vgl. 
Serapeum  iii  184 — 188).  durch  herausschneiden  und  herausreifsen 
von  blättern  ist  sie  aber,  gleich  anderen  derselben  bibliothek,  defect  ge- 


KLEINE    MITTEILUNGEN 


141 


worden,  wie  sehr  dies  zu  bedauern,  beweist  auf  fol.  76'  der 
schluss  eines  parodischen  officium: 

—  gaudere  per  tlolium  nostrum,  Reuerendum  bachum,  qui 
uiuit  et  potat  per  omnia  bocula  boculorum.  Ite  potum.  missum 
est.  Et  auime  omnium  ruslicorum  requiescant  in  pice  sacra- 
menti. 

Istud  officium  fuit  quondam  conpositum  a  quodam  magistro 
magno  in  studio  parisiensi.  Cuius  scolares  et  studentes  taber- 
nam  et  ludos  frequentantes  [qui]  nuUo  modo  poterant  corrigi  per 
lecturam  oplimorum  librorum,  et  ipsis  conuocatis  legit  eis  ad 
praesenciam  (?)  hoc  officium ,  vnde  multi  eorum  correxerunt  uitam 
suam  et  ad  bonum  statum  peruenerunt. 

Auch  eine  Variation  des  verbreiteten  Status  terrae  (vgl.  Zs. 
15,  502;  Birlinger,  Alemannia  xv  40)  findet  sich  fol.  63'': 


Virtutes    m  orales    regionum    per    uniuersum    orbem 
metris    subsequentibus    inuoiutae. 


Roma   potens   reuerenda   reue- 

renda,  brittauia  pauper, 
Nobilis    India,    fertilis    Anglia, 

francia  dulcis, 
Dacia  perfida,  flandria  garrula, 

Grecia  prudens.  [papia. 

Fortis  hyspania  teneris  pia,  magis 
Svveuia  promissa  praecepto  mu- 

nere  frangit, 
Vitat  turpia  loqui,    qui    nobilis 

atque  superba. 
Multum  franconia  subtilis,  habet 

bona  uina.  [habundat, 

Circa  Wormaciam  Renus  uinosus 
Sed  prope  traiectum  caret  Om- 
nibus, excipe  pisces. 
In  mensa   modica   prauant  agi- 

lisque  tenaxque. 
In   lacticiniis  hoUandia   pauper 

habundat. 
Audax,  insipiens  est  frisia,  casta, 

rebellis. 


Holsaticus  uix  catholicus,  nullius 

amicus, 
Cum    tibi    dicit  aue,    sicut   ab 

hoste  caue. 
Sclauia  destructa  non  est,   sed 

perfida,  stulta. 
Stulticiam  uitat  Saxonia  vidie  (?) 

pudica, 
Non  indiscrete  tribuat,  quia  pro- 

diga  non  est. 
AbsconditWestfalia  res,  discreta, 

quieta, 
Est  satis  ipsa  tenax,  ibi  regnat 

femina  pulcra. 
Hassia  de  praedis  gaudet  men- 

dax  quoque  dura. 
Missia   bonos    mores  habet  ho- 

spita  atque  facunda. 
Insulsus  bibulus,  timendus  quo- 
que uiger  bohemus. 
Decepit  te  leuiterdeuota  mosania 


multum. 

Eine  eigentümliche  fassung  der  Voces  animantium  begegnet 
bl.  107^ — 108^  7nit  der  Überschrift:  Nota  sonos,  uoces,  canlus 
uel  clamores  ferarum,  bestiarum,  iumentorum  et  auium.  Leonum 
est  fremere  vel  rugire,  Thigridum  rachanare  usw.  (51  tiere)  bis: 
Gallinarum  est  crispare  vel  gracillare. 

Fol.  IV  stehen  unter  der  aufschrift:  Versus  de  beata  virgine 
in  claustro   vier  vierzeilige  Strophen  aus  dem  im  x\  jh.  sehr  ver- 


142  KLEINE    JIITTEILUiNGEN 

breiteten:  Christus  nobis  tradidit  (vgl.  Zs.  15,  477).  von  der  beliebt- 
heit  des  gedicktes  zeugt  aufser  den  nadm eisungen  Wattenbachs  (Anz. 
f.  k.  d.  d.  Vorzeit  xviii  233)  auch  der  umstand,  dass  dasselbe  nach 
Scherrers  catalog  in  3  SGaller  hss.  sich  findet.  Wattenbach  gibt 
seine  länge  auf  'db  Strophen  an;  im  codex  Carol.  C  67  der  Zürcher 
cantonsbibliothek  (chart.  Ib  jh.)  hat  es  204  zeilen  und  die  Über- 
schrift Metra  de  diuersis  uirtutibus. 

Weiler  enthält  unser  codex  auch  den  Conflictus  animae  et 
corporis  in  74  Strophen  (ebenfalls  in  SGallen) ,  der  einen  viel 
glätteren  text  bietet  als  Karajans  Wiener  hs.  (Wright,  Walter 
Mapes  war  mir  nicht  zugänglich),  sowie  die  Descriptio  proprieta- 
tum  galli  gallinacei  in  20  Strophen  und  in  einer  von  der  Oehringer 
hs.   (vgl.   Oechsle   im  Serapeum  i  107  — 109)   stark  abweichenden 


Auch  der  von  Wattenbach  (Anz.  1866—1870)  vielfach  be- 
handelte Nemo  geht  nicht  leer  aus,  wie  der  diesem  sonderbaren 
heiligen  gewidmete  Serrao  de  beatissimo  Nemine  beweist,  der  be- 
kannte Stoff  wird  unter  7  gesichtspuncten  betrachtet:  1)  eius  nobi- 
litas,  ingenuitas  et  iusta  dignitas.  2)  noscitur  eius  sciencia  et 
doctrina.  3)  dicetur  de  eius  (promocione?).  4)  de  eius  caritate 
et  praecellentia.  5)  de  eius  misericordia  et  honore.  6)  de  eius 
fortiludine  et  triumpho.     7)  de  eius  maiestate  et  potestate. 

Merkwürdig  sind  ferner  drei  verschiedene  traumbücher :  Somp- 
nile  Danielis  (bekannt  als  Reutlinger  volksbuch),  Sorapnile  Jo- 
sephi  (ähnlich  wie  die  sortes  Vergilianae  oder  sortes  apostolorum) 
und  Sompaile  lunare. 

I    Carmen    noui   Episcopi. 

1  Presul  nobis  eraicuit,  Die  bursenschüler  alle. 
Omnis  luctus  continuit,  Frawe  dich,  phalanx  scolastica, 
Vergangen  ist  vnser  clage.  Las  dingen  die  süssen   musica 
Hinc  jubilemus  pariter  Ad  presulis  honorem, 

Zu  disem  herrenlage.  Mitt  singen,  springen  in  jubilo, 

2  Beatus  est  hie  vterus,  Pellens  cordis  merorem. 

A  quo  processit  dominus,  Kathonis  buch  gebüt  vch  das, 

Den  sollen  wir  alle  schavven.  Ut  gaudia  interponas 

Psallenl  vnanimiter,  Interdum 

Milt  im  vvellent  wir  uns  frawen.  Alzu  dem  wine  properas, 

3  Hinc  potens  est  in  opere  Drinck  gut  bir  daz  nit  sur  ist. 
Praesul  nullius  ec[clesiae].  In  laudem  tanti  presulis 

Er  lebet  ane  sorge[n],  Wellen  wir  vns  frawen  zu  diser 

Mensa  caret  ferculis,  frist, 

Das  brot  das   miiss  er  borgen.  De  studio  cessare, 

4  Die  bursenknecht  die  sint  so  fro  Wir  essen  vnd  trincken  wa  du 
De  uouo  jam  episcopo,  bist, 

Des  boret  man  luden  schalle         Et  corpus  reuocare. 
Ingenti  cordis  gaudio 


KLEINE  MITTEILUNGEN                                                 143 

II    Carmen  principum. 

1  Scitote  Christian!  Daz  sie  in  nitt  betriegeo. 
Wie  daz  der  ke[r]lzer  ordeu,  N.     dux  praeclare, 

Judei  et  pagani,  Du  salt  ringen  nach  eren, 

Die  sint  so  niechtig  worden.  Hussones  expugnare, 

2  0  Maria,  flos  florum,  Daz  sy  sich  wider  bekeren. 
Hanthabe  vns  mit  listen,  Episcopi  potentes, 

Et  rege  nostrum  chorum  Ir  sullent  nit  lenger  schlafl'eu; 

Daz  wir  beliben  cristen.  Heu,  multi  errant  gentes: 

3  Electores  magnanimi,  Ir  sullent  sy  billich  straffen. 
Dar  zu  sullent  ir  gedencken,  Presul  moguntinus  sis, 

Vt  fiant  christiani,  Dar  zii  sistu  nit  lasse, 

Vnd  von  der  ketzery  wencken.  Fac  ut  pungal  ensis, 

4  N.     dux  Saxonie,  So    blus    man    din    lob    dester 


Der  müs  sy  allezit  kriegen: 

Juvate  ipsum  strenue  0  Maria  flos  florum! 

Lenzburg.  J.  Werner. 

MiscELLEN  AUS  TiROL.  iu  einem  interessanten  formelbuche  des 
chorherreustitles  Innichen  im  Pustertal  (gegründet  770),  das  wol 
ein  Schreiber  dieses  klosters  während  der  ersten  hälfte  des  14  jhs. 
angelegt  hat  und  welches  gegenwärtig  als  codex  120  im  Inns- 
brucker statthaltereiarchiv  aufbewahrt  wird,  fand  dr  ORedlich 
einige  lateinische  rätsei  und  mehrere  verse  eines  passionsspiels 
eingetragen,  erstere  stehen  auf  der  linken  hälfte  der  seile  l  neben 
einer  reihe  von  notariatszeichen  in  schwer  leserlicher,  stark  ab- 
gekürzter Schrift  und  lauten: 

1.  Mater  niea  donmm  tunkam  circa  (?)  suam. 

2.  Patrem  progenies  occisit  (sol)  matris  in  alvo. 
[vgl.  Mones  Anz.  8,  316  nr  76  und  Zs.  30,  419  f.] 

3.  Est  qiioddani  esse,  qnod  malus  vellet  habere 
et,  si  contigerit,  perdere  voluerit. 

[etwas  andere  fassung  in  Mones  Anz.  8,316  nr83;  gemeint  ist 
wol  der  tod.] 

4.  Assumus  hie  omnes,  nullus  nostrum  tamen  hie  est. 

5.  Currit  et  incedit  paries,  si  fronte  carebit. 

[dh.  aries,  vgl.  Mones  Anz.  7,  43  nr  70,  45  nr  98  =  Anz.  des 
germ.  mus.  1873  sp.  360.] 

6.  Manducare  potes  for  .  .  .  si  caput  aiifers. 
[wol  formicae  —  micae.] 

7.  In  densis  silvis  venor  cum  quinque  catellis; 
quod  capto  perdo,  quod  fugit  hoc  habeo. 

dies  rätsei  von  den  lausen  ist  alt,  es  begegnet  schon  in  der  dem 
Herodot  zugeschriebenen  biographie  des  Homer  c.  35:  ooa^ 
eko/xev  Xinöueo^',   ooa^   ovx  €^o/.iev  (pegö/asa^a. 

8.  Floribus  et  lignis  vidi  mirabile  sertum, 
quod  ligno  caruit  et  sine  flore  fuit. 


144  KLEINE  MITTEILÜi-SGEN 

[==  Moues  Anz.  8,  316  nr  81.] 

Ebenda  s.  13  unten  sind  2  str.  eines  deutschen  passionsspiels 
aufgezeichnet,  und  zwar,  wie  aus  ihrem  mehrmals  widerholten 
und  ausgestrichenen  anfange  zu  schhefsen  sein  dürfte,  nach  dem 
gedächtnis : 

Oice  klaget  ir  ra'me  Christenheit  utisers  herze  grosse  lait 
wann  nns  nmbvangen  hat  der  valsche  Juden  rat  an  diser 

jamerlichen  stat. 
Owe  wie  jamerchlichen  es  stat  da  die  hert  an  hert  ergat 
Das  ist  wol  an  uns  schowen  an  uns  eilenden  dein  (drein?) 
frowen. 
gütiger  mitteilung  des  hrn  prof.  JEWackernell  zu  folge  entspricht 
die  erste  str.  der  frauenklage  des  Pfarrkircher  passionsspiels,  wo 
V.  2271   (Wackernell,    Die   ältesten   passionsspiele    in  Tirol  1887 
s.  70;  vgl.  auch  s.  117  v.  18  —  22)  Maria  Cleophe  singt: 
Wainet,  vil  liebe  cristenhait, 
Aufs  grosses  herczenlaidt 
Umb  unssern  herren  Jhesu  Crist, 
Der  nu  gemartert  ist 
Von  der  posen  Juden  list. 
die  andere  str.  gehört  wol    dem  dritten  teile  des  passions,   dem 
osterspiel,    an:    in   der   noch    nicht    gedruckten   Sterzinger  und 
Pfarrkircher  fassung  singen  v.  619  IT  die  drei  frauen: 
Awe  jamrige  traurikayt 
dy  uns  haltet  in  grossem  laydt 
das  mag  man  vil  wol  schawen 
an  uns  eilenden  frawen. 
Gleichfalls   auf  dem  Inusbrucker  statthaltereiarchive  befindet 
sich  in  einem ,  curiosa  betitelten  aclenconvolut  (A  vii  29)  ein  der 
länge  nach  beschriebener  papierstreifen ,  welcher  ein  schönes  ab- 
schiedslied  aus  der  ersten  hälfte  des  15jhs.  enthält,     es  stimmt 
mit  dem  jüngeren  Volkslied  Insbruck,  ich  muss  dich  lassen  (Uhland 
1,  131)  hin  und  wider  überein,  ist  aber  tiefer  empfunden,     ich 
löse  das  im  ms.  in  drei  absätzen  geschriebene  lied  in  Strophen  auf. 

1  Ich  sol  und  muss  pin  nit  der  man, 
an  mangels  püss  der  scheicht  dy  pan 
in  fromde  ardt  thün  raissen;         und  nit  spinet  seiden, 
verlassen  bin  es  ste  und  ge 

ich  biss  da  hin  wol  oder  loe, 

alss  manichen  armen  waisen           mich  irt  daran  khain  wint  noch 

beschechen  mag,  sehne. 

doch  nyemant  sag,  3  Villeicht  sich  geit 

loas  ich  am  aller  maisten  chlag.      der  val  und  zeit, 

2  Schweigen  thwe  ich,  daz  ich  dem  mag  vergleichen 
geduUigklich  sein  hillff  und  gab; 

wil  ich  mich  darinn  leiden,  pald  auff  pald  ab. 


KLEINE  MITTEILUNGEN  145 

trifft  armez  und  die  reichen      ob  ess  sich  spart 
nach  gluckess  art,  an  mir  ethwan  geratz  ein  fardt. 

von  gleicher  band  steht  rechts  unten  am  rande  Haimeran{=  Em- 
meram?)  Hueber:  ihn  dürfen  wir  wol  auch  für  den  dichter  des 
liedes  ansehen. 

Innsbruck.  S.  M.  Prem. 

Segen  gegen  zahnweii.  in  der  hs.  Vesp.  D.  20  des  Brit.  musenms, 
welche  nach  EMThompsons  urteil  ans  dem  ende  des  1 1  oder  dem 
anfang  des  \2  jhs.  stammt,  findet  sich  fol.^y  folgender  zauber- 
spriich,  der  in  längerer  fassung  von  Cockayne  Leechdoms  in  64 
aus  Harl.  585  (Xps  super  marmoreum  sedebat,  petrus  tristis  ante 
eum  stabat  nsw.)  mitgeteilt  ist.  Leechdoms  i  394  führt  de7'selbe 
Cockayne  den  analogen  anfang  einer  in  Bodl.  Jun.  85  erhaltenen 
beschivörungsformel  an:  Sanctus  Petrus  supra  marmoream  usio. 
[über  andere  Versionen  dieses  segens  vgl.  Germ.  13,  178 /f.  MSD^ 
4G6.  Zs.  27,  308]. 

Ad  dentium  dolorem. 

Petrus  sedebat  super  petram  et  manus  suas  tenebat  ad 
maxillas  suas  et  dixit  ihc:  Petre  quid  tristis  sedes?  Domine  vermes 
(dann  rasur)  in  me.  lac  milii  beuedictionem,  quam  fecisti  lazaro, 
quem  resuscitasti  de  monumento  in  nomine  patris  et  filii  et  spritu 
sei  amen. 

Adiuro  te  migranus  per  patrem  et  filium  et  spiritum  saoctum, 
ut  tu  ampiius  ne  possis  stare  nee  in  facibus  nee  in  dentibus  nee 
in  capite  tuo.    In  nomine  patris  et  filii  et  spiritus  sancti.    Amen. 

Accipe  saxifriga  id  H-grumin  et  petrosino  et  ambrosiana  et 
apia  et  tanesia  et  mitte  simul  et  dequocas  cum  vino  in  olla  nova, 
ita  ut  tribus  vicibus  sufTundes  eas  de  vino  ut  ad  medietatem  per- 
veniat  et  postea  da  infirmum  bibere.  R.  von  Fleischhäcker. 
Hans  Folz  in  Würzburg,  seit  Lochner  eine  anzahl  von  Urkunden,  die 
Hans  Folz  betrefFen,  im  Arch.  f.  litteraturgesch.  vi  324  ff  veröffent- 
lichte, sind  wir  wenigstens  über  die  spätere  Nürnberger  zeit  des 
dichters  einiger  mafsen  unterrichtet  und  wissen,  dass  er  vor  1515 
gestorben  ist.  dunkel  ist  dagegen  seine  frühere  lebensgeschichte. 
durch  verschiedene  drucke  seiner  werke  wird  er  zuerst  für  das 
jähr  1479  in  Nürnberg  nachgewiesen,  die  Lochnerschen  Urkunden 
gehen  nur  bis  1489  zurück,  von  je  her  kann  er  aber  der  ge- 
nannten Stadt  nicht  angehört  haben,  da  er  sich  bekanntlich  selbst 
die  bezeichnuug  von  Worms  beilegt,  wann  er  in  Nürnberg  ein- 
gewandert ist  oder  dort  bürger  wurde,  kann  auch  die  folgende 
miltteilung  nicht  direct  nachweisen,  sie  liefert  aber  wenigstens 
einen  beitrag  zur  geschichte  seines  lebens  vor  der  Nürnberger 
zeit,  im  'Würzburgischen  buche'  nr  vi  (de  anno  1461  — 1466) 
fol.  167'  des  Nürnberger  und  in  einem  standbuche  des  Würz- 
burger kreisarchivs  befinden  sich  copien  eines  Schriftstücks  vom 
20  juU  1461,  das  in  der  Würzburger  hs.  die  Überschrift  trägt: 
A.  F.  D.  A.   XV.  10 


146  KLEINE  MITTEILUNGEN 

Wie  meins  herrn  diner  dem  marggrauen  ein  abclage  getan  und 
dem  Racken  ein  mhde  zugeschrihen  haben,  dieser  Jörg  Back  war 
ein  Parteigänger  des  markgrafen  AlbreclU  Achilles,  und  die  klagen 
über  sein  morden  und  brennen  begegnen  in  den  actenslUcken 
über  die  fränkischen  kriege  jener  zeit  sehr  häufig,  die  unter- 
zeichneten diener  des  bischofs  Johann  von  Würzburg  sind  an- 
gehörige  aller  stände';  es  befinden  sich  jedesfalls  neben  den 
gliedern  fränkischer  adelsgeschlechter  hauptsächlich  bürger  von 
VVürzburg  darunter:  Cunlz  von  der  Tann  ist  schultheifs,  Dietrich 
Lauffer  bürger  der  Stadt  Würzburg,  und  auch  die  familie  Teufel 
war  eine  Würzburgische  (vgl.  Scharold,  Beiträge  zur  chronik  von 
Würzburg  s.  36,  Oegg,  Entvvicklunggeschichte  der  Stadt  Würzburg 
s.  214).  mitten  unter  ihnen  steht  nun  auch  unser  Hanns  Vollz 
(diese  Schreibweise  seines  namens  ist  auch  sonst  belegt,  vgl.  zb. 
Keller,  Fastnachtspiele  1228).  wir  sehen  ihn  also  1461  im  dienste 
des  Würzburger  bischofs,  doch  wol  in  seiner  eigenschaft  als 
Wundarzt,  und  wahrscheinlich  in  der  Stadt  Würzburg  sesshaft. 
seine  gehurt  können  wir  nun  —  im  Zusammenhang  mit  jener 
notiz  über  die  zeit  seines  todes  —  in  die  dreifsiger  jähre  des 
15  jhs.  verlegen. 

Man  kann  in  Würzburg  die  verschiedenen  phasen  der  ent- 
wickelung  beobachten,  welche  die  schwankhafte  erzählung  all- 
mählich durchmachte,  an  die  durchaus  unanstöfsigen  kleineren 
geschichten  Konrads  von  Würzburg  schliefst  sich  die  schon  be- 
denklichere erzählung  des  Ruprecht  von  Würzburg  Von  zwein 
koufmannen  (Gesammtabenteuer  68);  das  14  jh.  liefert  dann  die 
schwanke  des  sog.  Konrad  von  Würzburg,  dh.  des  dichters,  der 
unter  dem  namen  seines  grofsen  landsmanns  die  geschichten  von 
der  falschen  beichte,  von  des  alten  weibes  list  und  von  der  halben 
birne  veifasste,  erzählungen,  die  an  Schamlosigkeit  so  ziemlich 
alles  auf  diesem  gebiet  geleistete  übertreffen  und  darin  später  nur 
von  den  erzählungen  des  —  Hans  Folz  erreicht  werden,  offen- 
bar steht  also  Hans  Folz  in  dieser  Würzburger  tradition;  es  lässt 
sich  aber  noch  ein  genauerer  Zusammenhang  aufweisen,  jene 
schlimmste  geschichte  von  der  halben  birne  des  angeblichen  Kon- 
rad kehrt  mit  einer  einzigen  ausnähme  nirgends  in  der  litteratur 
wider,   auch   die  quelle  hat  sich  nicht  finden  lassen^:    die  eine 

*  sie  heifsen:  Cuniz  vo?i  dei'  Tann  schullheys,  Albrecht  Schrimpß', 
Wilhelm  von  Eberstein,  Philips  vo?i  Hohenriet,  Anthoniy  von  der  Tann, 
Dietrich  Zobel,  Fritz  von  Strolnfels,  Heinz  von  Renstein,  Oswalt  von 
Weyser ,  Hanns  Truchsefs ,  Hanns  Stoltzenrader ,  Hanns  von  Sparneck, 
Alexa7ider  Belicim,  Antoniy  von  Seckendorff,  Jörg  von  Ehenheirn,  Jo7'g 
von  Fechenbach,  Jörg  Suppan,  Lorentz  pf'affe,  Steffan  Besserer ,  Heintz 
Crontale,  Hanns  Ehlein,  Crafft  Dortsch,  Hanns  Kawtfs,  Dits  Lauffer,  Hanns 
Foltz,  Heintz  Tewfel,  Michel  Brecht,  Cuntz  Zucket,  Pauchpeter,  Hanns 
Grobe,  Peter  Schott,  Ulrich  Gricker,  Caspar  Bibrach,  Hans  Rüben,  Alt- 
hanns, Hans  Rodigast,  Cuntz  Smi  dt,  Heintz  Sc  hack  vnd  J'rban. 

*  am  nächsten  steht  die  erzählung,  die  Liebrecht  Zur  Volkskunde 
s.  149  f  aus  Perriers  Nouvelles  recreations  mitteilt,  während  die  romanischen 


KLEINE    MITTEILUNGEN  147 

ausnähme  aber  ist  eine  bearbeitung  des  Hans  Folz.*  ein  ver- 
gleich der  beiden  Versionen  zeigt,  dass  die  jüngere  ganz  vvol 
direct  aut  die  ältere  zurückgehen  kann,  von  einigen  unwesent- 
lichen änderuDgen  abgesehen,  die  auf  das  bestreben,  zu  moti- 
vieren und  zu  kürzen^,  zurückzuführen  sind,  stimmt  der  gang  der 
handlung  bis  in  die  kleinsten  einzelheiten  der  Situationsausmalung 
überein;  dafür,  dass  auch  fast  wörtlicher  Zusammenhang  nicht 
fehlt,  seien  hier  einige  beispiele  gegeben. 

Pseudo- Konrad  Hans  Folz 

(vdHagen,    Gesammtabenteuer       (Goedeke,  Deutsche  dichtung  im 

I  211  ff)  ma.^  855  — 856) 

104(1"  werder  hell,  63  ff — der  ganczvnkünend  hellt, 

der  die  hir  unbeschelt  der  dan  die  pirn  so  vngeschellt 

halben  in  den  munt  warf.  paldhalber  icarff  in  seynenmunt. 

Waz  er  zühte  noch  bedarf!  wie  gar  ist  ym  kein  hoffzitcht  knnt. 

ISQi  den  vronwen  alleti  si  gebot,  120  Sie  hifs  all  ir  Jungfrauen 
daz  si  sich  leiten  nidere.  nider.  [gericht. 

333  vnd  vuorte  in  an  ir  bette.  137  vnd  fürt  yn  zu  irm  pet 
339  und  smnhten  sich  zeinander.  141  die  Jungfrau  xoart  sich  zu 
381   (die   wichtigste   stelle   der         im  smucken. 

geschichte) 
Stipfe  maget  Irmengart.  155  o  stop  ff  mein  libste  Irmal- 

traut. 
wir  haben  wol  an  eine  neubearbeitung  nach  der  erinnerung   zu 
denken. 

Von  den  vielen  schwanken  des  15  jhs.,  deren  verf.  uns  nicht 
bekannt  sind,  dürfen  wir  einen  mit  ziemlicher  Sicherheit  einem 
Würzburger  zuschreiben,  die  geschichte  von  dem  moler  mit  der 
schon  frawen  (Keller,  Erzählungen  aus  altd.  hss.  s.  173  ff),  welche 
berichtet,  wie  ein  pfaffe  der  malersfrau  einen  besuch  macht, 
von  dem  verständigten  manne  überrascht,  von  der  frau  rot  und 
grün  bepinselt  und  zu  den  thönernen  modellen  an  die  wand  ge- 
stellt wird ,  schliefslich  aber  doch  mit  schimpf  und  schände  ab- 
ziehen muss,  wird  in  dem  gedichte  Der  moler  zu  Wierczpurgk 
(Keller,  Fastnachtspiele  1180  ff)  in  Würzburg  localisiert,  zwar 
die  Verlegung  des  Vorgangs  von  einer  Stadt  bey  dem  rein  nach 
Würzburg  beweist  allein  noch  nicht,  dass  diese  fassung  in  Würz- 
burg entstanden  ist,  denn  die  maier  von  Würzburg  waren  offen- 
bar allgemein  bekannt,  wie  es  denn  auch  eine  andere  geschichte 
von  einem  Würzburger  maier  gibt  (Keller,  Erz.  1251  ff),  die 
durchaus  nicht  in  Würzburg  ihren  Ursprung  zu  haben  braucht, 
was  uns  aber  veranlasst,  für  jene  erzählung  von  der  Würzburger 

fassungen  bei  Dunlop -Liebrecht,  Gesch.  der  prosadichtungen  anm.  301  und 
s.  542<^  (vgl.  Germania  i  259)  nur  sehr  weitläufig  verwandt  sind. 

1  ausgäbe  s.  1.  e.  a.  am  schluss  nennt  der  autor  sich  nur  hanß  folcz 
barwirer,  —  die  bearbeitung  könnte  also  sehr  wol  vor  der  Nürnberger  zeit 
entstanden  sein. 

2  hier  216,  dort  510  verse. 

10* 


148  KLEINE  MITTEII  UNGEN 

malersfrau  dies  zu  behaupten ,  ist  folgender  umstand :  im  original 
ist  von  einem  pfalTen  die  rede,  der  abtrünnig  geworden  sei  und 
sieb  dann  in  jene  Rbeinstadl  als  plarrer  eingeschmuggelt  iiabe, 
während  dagegen  unsere  lassung  diesen  ganzen  bericht  (14  vv.) 
forllässt  und  für  den  mönch  einen  Würzburger  dompropst  ein- 
setzt, nun  scheint  der  lockere  lebenswandel  der  Würzburger 
doniherren  zwar  auch  über  das  weichbild  der  Stadt  hinaus  bekannt 
gewesen  zu  sein:  denn  nicht  nur  der  falsche  Konrad  erzählt  von 
dem  dompropste  Heinz  von  Rotenstein  die  unsaubere  geschichte 
von  des  alten  weibes  list,  sondern  auch  in  De  fide  concubinarum 
wird  (Zarncke  s.  94)  von  der  concnbina  eines  canonkus  Herbi- 
polensis  berichtet,  immerhin  aber  sind  beide  ändern ngen  zu- 
sammen doch  nur  einem  bearbeiter  zuzutrauen,  dem  die  Würz- 
burger Verhältnisse  ganz  geläufig  waren. 

Diese  bearbeitung  wurde  früher  —  von  Weigand  (Zs.  9,  174) 
und  im  anschluss  an  ihn  von  Keller  (Fastnachtspiele  1179)  — 
dem  Rosenblül  zugesprochen,  nachdem  schon  Zarncke  gelegent- 
lich (Centralbj.  1852  s.  420)  die  völlige  grundlosigkeit  dieser  be- 
hauptung  betont,  hat  Goedeke  die  erzählung  nicht  unter  Rosen- 
blüts  werken  verzeichnet,  jetzt,  wo  wir  einen  dichternamen  für 
W'ürzburg  kennen,  dürfen  wir  den  herrenlosen  schwank  vielleicht 
für  Hans  Folz  in  anspruch  nehmen,  bedenklich  scheint  es  frei- 
lich, dass  ein  bischöflicher  diener  die  dompropste  in  so  arger 
weise  verspoltet  haben  soll:  vielleicht  unterliefs  es  der  dichter 
daher  absichtlich,  am  Schlüsse  der  erzählung  seinen  namen  zu 
nennen. 

Rerlin.  Max  Herrmann. 

Die  deutschen  Handschriften  in  der  Bibliothek  der  Wiltheims.  die 
brüder  Wiltheim,  Eustachius,  präsident  des  Luxemburger  provin- 
zialrats,  und  der  gelehrte  Jesuitenpater  Alexander,  besafsen  eine 
reichhaltige  bibliolhek,  in  der  sich  auch  manche  deutsche  hss. 
befanden.  Alexander  Wiltheim  erwähnt  in  seiner  Vita  venerabilis 
Yolandae  (Antverpiae  1674)  eine  anzahl  derselben;  wir  können 
bei  einigen  den  weiteren  verbleib  feststellen,  andere  sind  an- 
scheinend verschwunden,  zuerst  ist  die  abschrift  von  bruder 
Hermanns  Leben  der  gräfin  lolande  von  Vianden  zu  nennen, 
die  Pfeiffer  (Altd.  Übungsbuch  103)  beschreibt  und  die  ich  dem- 
nächst herauszugeben  beabsichtige,  sie  besafsen  ferner  die  han- 
noversche hs.  des  Wilhelm  von  Wenden  Ulrichs  vEschenbach,  die 
später  aus  dem  nachlass  EWiltheims  1721  zu  Metz  verkauft  wurde 
(vgl.  Toischer,  WvWenden  s.  1).  weiter  war  in  ihrem  besitz 
eine  hs.  des  Wigalois,  die  nach  den  von  Wiltheim  mitgeteilten 
proben  und  da  die  abfassungszeit  (1372)  stimmt,  mit  der  Lei- 
dener (B)  identisch  sein  wird,  allerdings  begegnet,  gütiger  mit- 
teilung  des  hrn  prof.  HKern  in  Leiden  zu  folge,  keine  notiz 
darüber  in  der  hs.,  dass  sie  im  besitze  der  Wiltheims  gewesen, 
und  es  lässt  sich  nichts  darüber  feststellen ,  wie  der  codex  in  den 


KLEINE  MITTEILUNGEN  149 

besitz  EWillheims  und  dann  in  den  der  maatschappij  gekommen 
ist.  auch  eine  hs.  des  Wälschen  gastes  gehörte  ihnen  (s.  178), 
doch  lässt  sie  sich  nicht  genauer  bestimmen,  da  sich  aus  den 
wenigen  proben  nichts  ergibt,  möghch,  dass  sie  identisch  war 
mit  der  Zs.  27,  384  erwähnten,  auch  zwei  handschriflliche, 
deutsch  geschriebene  Strafsburger  Chroniken  befanden  sich  in  ihrer 
bibliothek ,  von  denen  die  eine  bis  1550,  die  andere  bis  1555 
reichte,  ich  vermag  nicht  zu  ermitteln,  ob  es  Umarbeitungen 
und  lortsetzungen  der  Ciosenerschen  chronik  sind,  endlich  führt 
VViltheim  noch  alte  deutsche  glossen  aus  der  zeit  Friedrich  Bar- 
barossas an. 

Halle.  John  Meier. 


LiTTERATÜRNOTIZEN. 

Augustin  Lercheimer  (professor  IlWitekind  in  Heidelberg)  und  seine 
schrill  wider  den  hexenwahn.  lebensgeschichtliches  und  abdruck 
der  letzten  vom  verl.  besorgten  ausgäbe  von  1597.  sprachlich 
bearbeitet  durch  A>ton  Birllnger  herausgegeben  von  Carl  Binz. 
Strafsburg,  JHEHeitz  (Heitz  und  Mündel),  1888.  xxxii  und 
188  SS.  80.  3,50  m.  —  der  prof.  des  griechischen,  dann  der 
malhematik  an  der  Universität  Heidelberg,  Hermann  Wilcken 
(1522 — 1603),  der  sich  später  Witekind  nannte,  verfasste  ua. 
Pseudonym  als  Augustin  Lercheinier  von  Steinfelden  eine  schrift: 
Christlich  bedencken  und  erinnerung  von  zauberey,  welche  wäh- 
rend seiner  lebzeiten  drei  auflagen  (Heidelberg  1585,  Strafs- 
burg 1586,  Speier  1597)  erfuhr  und  nach  seinem  tode  noch 
einmal  gedruckt  wurde  (Frankfurt  1627).  er  tritt  darin,  den 
spuren  JVVeyers  folgend,  gegen  die  hexenprocesse  auf  und  sucht 
deren  wahnwitz  in  populärer  form  klar  zu  legen,  zahlreiche 
histörchen  und  anecdoten  sind  eingemischt,  darunter  auch  mehrere 
über  dr  Faust,  diese  zogen  schon  früh  das  interesse  der  Goethe- 
forscher auf  sich  und  darum  wurde  die  erste  ausgäbe  von  VVite- 
kinds  buche  aus  dem  1586  erschienenen  Thealrum  de  veneficis, 
in  welches  sie  aufgenommen  war,  1847  in  Scheibles  Kloster 
5,  263  —  348  reproduciert.  der  vorliegende  neudruck  gibt  die 
dritte,  an  umfang  mehr  als  doppelt  so  grofse  aufläge  wider; 
ein  wort-  und  Sachregister  sowie  eine  allerdings  nicht  recht  über- 
sichtliche vergleichung  mit  den  beiden  früheren  drucken  sind 
beigefügt,  wenn  übrigens  Binz  s.  xxv  bemerkt,  er  wisse  nicht, 
auf  welche  gründe  hin  Weller  im  Lexicon  pseudonymorum  Lerch- 
eimer und  Witekind  gleichsetze,  und  s.  xxvi  im  zweifei  ist,  wie 
Witekind  auf  seinen  verstecknamen  gekommen  sei,  so  brauche 
ich  nur  das  bekannte  Theatrum  anonymorum  et  pseudonymorum 
des  VPlaccius  (Hamburg  1708)  zu  eitleren,  wo  es  2,  417''  heifst: 

Augustini  Lercheimer  von  Steinfelden  Christliches  Bedencken 

Est    Hermanni   Wedechindi,    qui   sub    anagrammatismo    hoc 


150  LITTKRATün^lOTIZE^ 

latet,  nt  ex  M.  Goldasti  De  Confiscatione  der  Hexen- Güter  {iGQl] 
nnm.  6pag.  1 2.  Sf  in  Notis  lü.  N.  indicat  Symhola  Sperlmgiana.  St. 
ChMayer,  k.  Professor  und  rector,  Über  die  ortsnamen  im  Ries  und 
seinen  nächsten  angränzungen  (separatabdruck  des  programms 
zum  Jahresbericht  der  k.  realschule  Nördlingen  1886/7).  Nörd- 
liugen,  Beck,  1887.  103  ss.  8o.  1,20  m.  —  der  verf.  be- 
spricht, nachdem  er  einige  einleitende  bemerkungen  über  die 
vielseitige  bedeutung  und  die  methode  der  ortsnamenforschung 
vorausgeschickt,  ungefähr  700  ortsnamen,  die  alle  seiner  engeren 
heimat,  dem  sog.  Ries,  und  deren  nächster  Umgebung  angeboren, 
die  anordnung  der  namen  richtet  sich  nach  ihrer  begrifflichen 
Verwandtschaft;  das  nachschlagen  derselben  wird  aufserdem  durch 
ein  am  schluss  beigefügtes  Verzeichnis  erleichtert,  die  darstellung 
ist,  da  sie  für  weitere  kreise  geniefsbar  sein  soll,  durchweg  in 
volkstümlichem  tone  gehalten,  der  verf.  hat  sich  die  Schwierig- 
keiten seiner  aufgäbe  nicht  verhehlt,  Schwierigkeiten,  die  um  so 
gröfser  waren ,  als  er  nicht  zu  fachleuten ,  sondern  zu  einem 
leserkreis  sprechen  wollte,  dem  er  doch  nur  gesicherte  wissen- 
schaftliche ergebnisse  bieten  durfte,  leider  lässt  sich  nicht  sagen, 
dass  er  diese  Schwierigkeiten  immer  glücklich  überwunden  habe, 
die  hauptschuld  daran  trägt  jedesfalls  der  umstand,  dass  er  selbst 
zu  wenig  fest  auf  dem  von  ihm  betretenen,  'noch  vielfach  um- 
schleierten'  gebiete  steht,  um  anderen  als  zuverlässiger  führer 
auf  demselben  dienen  zu  können,  zwar  ist  anzuerkennen,  dass 
M.  durchaus  nicht  den  anspruch  erhebt  als  selbständiger  forscher 
zu  gelten;  auch  in  den  verhältnismäfsig  wenigen  fällen,  wo  er 
eigene  Vermutungen  aufstellt,  befleifsigt  er  sich  der  grösten  be- 
scheidenheit  und  Zurückhaltung,  aber  gerade  seine  abhängigkeit 
von  seinen  Vorgängern  verleitet  ihn  zu  einem  verfahren,  das  sich 
mit  dem  zwecke  seiner  schrift  nur  schlecht  verträgt,  er  führt 
gewissenhaft  die  ihm  zugänglichen  früheren  erklärungen  seiner 
namen  auf,  mögliche  und  unmögliche  neben  einander,  ohne  dazu 
entschieden  Stellung  zu  nehmen  (vgl.  s.  26.  36  ua.).  was  soll 
nun,  so  fragt  man,  der  laie  in  einem  solchen  falle  anfangen? 
was  nützt  es,  ihn  in  ein  labyrinlh  von  erklärungen  hineinzuführen, 
aus  dem  man  ihm  nicht  einmal  den  ausweg  zeigen  kann?  lobend 
zu  erwähnen  ist  das  bestreben  des  verf.s,  überall  die  urkund- 
lichen namensformen  ausfindig  zu  machen;  er  weifs,  dass  ohne 
diese  an  eine  zuverlässige  erklärung  der  heutigen  namen  gar 
nicht  gedacht  werden  kann,  um  so  mehr  fällt  es  daher  auf, 
wenn  er  auch  da  erklären  will,  wo  dieses  hilfsmittel  versagt  (vgl. 
s.  16.17.48.63  ua.),  die  eigenen  Vermutungen  des  verf.s  sind, 
wo  sie  sich  nicht  von  selbst  ergeben,  nicht  immer  ansprechend; 
manchmal  beweisen  sie  sogar  eine  merkwürdige  Unkenntnis  der 
lautgeschichllichen  tatsachen  (s.  11  wird  Ries  mit  ahd.  hriot  'riet' 
zusammengebracht,  s.  18  Leobermul,  Leubermül  mit  mhd.  lebere 
'binse';  hano  (s.  64)  soll  von  lat.  canere  kommen  usw.). 


LITTER  ATURNOTIZEN  151 

Es  Wäre  wol  verdienstlicher  gewesen,  wenn  der  verf.  mit 
einem  nach  bestimmten  gesichlspuncten  geordneten  Verzeichnis 
seiner  Ortsnamen ,  denen  die  ihm  zugängHchen  urkundlichen 
formen  beizufügen  gewesen  wären,  sich  begnügt  hätte,  auch 
jetzt  sind  wir  ihm  kaum  für  mehr  zu  dank  verpflichtet. 
Zürich.  Albert  Bachmamv. 

Gudrun,  eine  umdichtung  des  mhd.  Gudrunliedes  von  Leonhard 
Schmidt.  Wittenberg, RHerrose,  1888.  xix  und  114ss.  8».  1,80m. 
—  das  vorliegende  werkchen  gehört  nicht  in  die  eigentliche  über- 
setzungslitteratur,  sondern  ist,  wie  der  titel  angibt,  eine  um- 
dichtung des  mhd.  epos,  und  zwar  eine  sehr  freie,  von  den  Steilen, 
in  welche  das  letztere  in  der  uns  überlieferten  gestalt  zerfällt,  ist 
der  von  Hagens  Jugend  handelnde  fortgelassen,  der  inhalt  des 
zweiten,  die  Werbung  um  Hilde,  aber  als  episode  in  die  geschichte 
von  Gudrun  eingeflochten,  sodass  diese  den  kern  der  bearbeilung 
bildet,  es  ist  damit  ein  verschlag  ausgeführt,  den  Gervinus  ge- 
macht hatte  —  denn  dieser  ist  der  verf.  des  s.  xvi  erwähnten 
anonym  erschienenen  programms  und  probegesanges  (Leipzig 
1836)  — ,  nur  dass  G.  auch  die  abenteuer  Hagens  in  die  episode 
einbeziehen  wollte  und  sich  die  einschaltung  an  anderer  stelle 
dachte.  Schmidt  lässt  die  beiden  frauen,  Gudrun  und  Hildburg, 
abends  in  ihrer  kammer  von  den  alten  familiengeschichten  sich 
unterhalten,  auch  sonst  teilt  er  mehrfach  früher  geschehenes 
später  gesprächsweise  mit,  zb.  alles  was  vor  dem  raub  der  Gudrun 
liegt,  mit  dem  sein  gedieht  anfängt,  ganz  besonders  aber  zeigt 
sich  die  freiheit  der  bearbeitung  in  den  eigenen,  die  erzählung 
erweiternden  zutaten  des  verf.s  und  in  der  vom  original  abweichen- 
den form  der  darstellung:  es  ist  die  eines  romanzencyclus  mit 
wechselndem  versmafs;  nur  das  metrum  des  sechsten  liedes  gleicht 
der  alten  Gudrunstrophe  bis  auf  die  letzte  halbzeile,  die  von  5 
auf  4  tacte  verkürzt  ist. 

Wenn  der  verf.  auch  nicht  die  reife  kurst  eines  WHertz 
besitzt,  alte  mären  zu  nimoen,  so  hat  er  doch  vieles  recht  hübsch 
gemacht,  sodass  seine  arbeit  ohne  frage  zu  den  besseren  dieser 
art  zu  rechnen  ist.  besonders  ist  die  form  leicht  und  gefällig, 
nur  wäre  zu  wünschen ,  dass  das  lyrische  dement  in  seiner  dar- 
stellung mehr  zurückträte.  Gudrun  ist  nicht,  wie  im  mhd.  epos, 
in  all  ihrer  erniedrigung  die  stolze  königstochter,  die  von  ihrer 
schwächeren  gefährtin  Hildburg  so  schön  absticht,  sondern  ein 
zaghaftes  mädchen  ohne  bestimmten  character,  das  nur  viel  sinnige 
träume  von  seinem  fernen  verlobten  hat.  überhaupt  verliert  die 
dichtung,  sobald  man  sie  mit  dem  originale  vergleicht,  ich 
glaube,  es  war  ein  misgriff,  dass  S.  statt  eines  denkmals  zweiten 
oder  dritten  ranges  zum  gegenständ  seiner  bearbeitung  eins  der 
vorzüglichsten  kunstwerke  des  ma.s  wählte,  ich  meine  natürlich 
das  gedieht,  wie  es  Müllenhoffs  kritik  wider  hergestellt  hat,  und 
Scherer  in  der  Litteraturgeschichte  so  meisterhaft  schildert,    auch 


152  LITTERATURNOTIZEIS 

S.  lobt  ja  s.  IV  die  leistung  MullenhofTs.  hätte  er  die  Strophen, 
die  dieser  für  echt  erkennt,  treu  im  geist  des  Originals  übersetzt, 
so  hätte  er  uns  bei  seiner  grofsen  formgewandtheit  gewis  noch 
besseres  bieten  können ,  als  mit  dieser  seiner  umdichtung.  die 
änderungen  und  zutaten,  die  er  macht,  scheinen  mir  meistens 
nicht  gliiclvlich;  auch  die  episodische  behandlung  der  Hildesage 
nicht,  obwol  sie  von  Gervinus  angeraten  ist.  episoden  sind  nicht 
im  character  unseres  epos,  das  nicht  die  ruhe  des  griechischen 
epos  besitzt,  um  eine  Unterbrechung  der  handlung  zu  gestatten. 
S.  hat  das  wol  auch  gefühlt  und  deshalb  die  Werbung  um  Hilde 
so  knapp  behandelt,  dass  die  erzählung  auf  den  leser  ohne  ein- 
druck  bleibt,  von  den  eigenen  zutaten  des  verf.s  will  ich  eine 
probe  geben:  es  ist  der  lu  gesang,  'heimweh'  überschrieben. 
Gudrun  ist  erst  seit  kurzer  zeit  gefangene  im  Normannenland,  und 
man  versucht  noch,  ihren  trotz  durcb  gute  zu  überwinden,  an 
einem  frühlingstag  fahren  Ludwig,  Hartmut  und  Ortrun  mit  ihr 
nach  einer  klippe  im  meer,  wo  ein  türm  steht,  den  ein  er- 
blindeter Wächter  mit  seinem  söhn  hütet,  man  denke  sich  könig 
Ludwig  bei  einer  kahnpartiel  er  benimmt  sich  denn  auch  recht 
täppisch,  der  turmwart  singt  den  gasten  ein  trauriges  lied  von 
Schiffern ,  die  ins  nordmeer  verschlagen  sind  und  fürchten  müssen, 
nimmer  heimzukehren.  Gudrun,  von  dem  Inhalt  des  liedes  er- 
griffen, reicht  dem  Sänger  eine  armspange;  aber  Ludwig  schleudert 
den  goldschmuck  zornig  ins  meer,  weil  der  alte  mit  seinem  Hede 
den  schmerz  der  gefangenen  wider  auffrischte,  dann  fährt  man 
heim,  und  Gudrun  singt  während  der  fahrt,  in  die  wellen  schauend, 
in  welche  das  gold  versunken  ist,  ein  lied  —  von  der  unter- 
gegangenen Stadt  Vineta  I  —  der  ausdruck  'Christgotts  walküren' 
für  'engel'  ist  unnötig  gesucht. 

Der  verf.  wünscht  mit  seiner  umdichtung  (s.  v)  'dem  ent- 
wickelteren geschmacke  und  den  gesteigerten  ästhetischen  an- 
forderungen  unserer  zeit  gerecht  zu  werden.'  einer  solchen  auf- 
besserung  bedurfte  das  mhd.  gedieht  nicht,  doch  wird  derjenige, 
der  das  original  nicht  kennt,  mit  vergnügen  die  hübsche  er- 
zählung in  den  glatten,  wolklingenden  versen  dieser  bearbeitung 
lesen.  Stosch. 

Privatdozent  dr  Rudolf  Kögel  wurde  im  juni  zum  ao.  prof. 
an  der  Universität  Leipzig,  im  September  zum  ord.  prof.  an 
der  Universität  Basel  ernannt.  —  prof.  dr  JBächtold  in  Zürich 
wurde  zum  ord.  prof.  befördert.  —  an  der  Universität  Breslau 
habilitierte  sich  dr  ThSiebs  für  englische,  an  der  Universität 
München  dr  WGolther  für  deutsche  philologie,  an  der  Universität 
Leipzig  dr  EElster  für  neuere  deutsche  litteratur. 

Am  morgen  des  30  november  verschied  zu  Marburg  i/H.  der 
feinsinnige  kenner  und  interpret  mhd.  dichlung,  prof.  dr  Karl 
LucAE,  55  jähr  alt. 


ANZEIGER 

FÜR 

DEUTSCHES  ALTERTHUM  UND  DEUTSCHE  LIHERATUR 

XV,  2    APRIL  1889 

Beowulf,     Untersuchungen   von  Bernhard  ten  Brink.    Q¥  62.     Strafsburg, 
Trübner,  1888.    vm  und  247  ss.     8".  —  6  m. 

Gleich  dem  versuche  Möllers  geht  auch  diese  neueste  ent- 
wickelungsgeschichle  des  Beowulf  von  MüUenhofl's  Iheorie  aus 
und  hat  vieles  mit  ihr  gemein,  es  werden  vier  teile  des  gedichls 
unterschieden:  die  Säuberung  der  halle  Heorot  von  Grendel,  — 
der  kämpf  mit  Grendels  mutter  auf  dem  meeresgrund,  —  die 
heimkehr  Beowulfs,  —  der  drachenkampf  Beowulfs.  von  diesen 
vier  abenteuern  gab  es  einzellieder.  dabei  findet  aber  len  Brink, 
dass  im  ersten,  zweiten  und  vierten  teil  je  zwei  solcher  einzel- 
lieder durch  contamination  zu  einer  fortlaufenden  erzählung  ver- 
einigt worden  seien ,  und  weitaus  der  gröste  teil  des  buches  ist 
der  erkenntnis  und  Scheidung  dieser 'Varianten' gewidmet,  s.  1  — 165. 
den  schluss  bilden  erörtern ngen  über  die  Strophentheorie  Möllers, 
den  englischen  Ursprung  des  Beowulf,  die  nationalität  der  Geatas, 
die  geschichte  der  Beowulfsage  und  Beovvulfdichlung  in  England, 
die  entstehung  der  Beowulfhs. 

Die  methode,  nach  welcher  die  Scheidung  der  'Varianten' 
vorgenommen  wird,  ist  wesentlich  jene,  welche  von  Müllenhoff 
und  Möller  zur  erkenntnis  des  echten  und  unechten  gehandhabt 
worden  ist.  was  durch  sachliche  Voraussetzungen,  durch  dich- 
terische auffassuug  und  den  poetischen  ausdruck  zusammenzu- 
gehören scheint,  wird  einem  dichter  zugeschrieben,  das  dieser 
einen  persönlichkeit  widerstrebende,  wenn  es  nicht  zur  ergänzung 
von  dessen  werk  gedichtet  scheint  (siehe  zb.  s.  127)  und  in 
seinen  einzelnen  teilen  wider  jene  Zusammengehörigkeit  zeigt, 
einem  zweiten,  —  wo  dies  nicht  der  fall  ist,  wie  im  dritten 
teil  in  Beowulfs  heimkehr,  einem  interpolator. 

Von  einem  gelehrten  wie  ten  Brink  kann  man  erwarten, 
dass  diese  Untersuchungen  mit  der  grösten  genauigkeit,  schärfe 
und  feinfühligkeit  geführt  worden  sind,  dass  dem  so  ist,  wird 
jeder  anerkennen ,  der  auch  nur  ein  oder  das  andere  capitel  des 
schwierigen  buches  studiert  hat.  es  ergibt  sich  daraus  die  Ver- 
mutung, dass,  wenn  mit  diesem  aufwand  an  gedankenarbeit 
ein  sicheres  oder  wahrscheinliches  resultat  nicht  erreicht  wird, 
der  von  Müllenhoff  eingeschlagene  und  von  ten  Brink  energisch 
verfolgte  weg  nicht  der  richtige  sei. 

Ich  habe  meine  zweifei  in  dieser  beziehung  schon  in  den 
recensionen  von  Möller  und  Rönning  Anz.  x  220  ff.  234  ff  aus- 
A.  F.  ü.  A.   XV.  11 


154  TRN  nniNK  beowui.f 

gesprochen.  Icn  Brink  bezieht  sich  daraut  s.  4  und  sagt:  *wer 
seine  anschauung  von  dem  altepischen  stil  auf  den  überUeferten 
Beowulltext  mit  allen  seinen  unebenheilen  gründet,  —  dem  wird 
die  erklärniig,  welche  ich  von  derartigen  Unebenheiten  gebe,  sehr 
oft  in  ihrer  herechligung  oder  gar  notwendigkeil  nicht  einleuchten.' 
ich  zweifle  nicht  an  der  exislenz  von  einzelliedern,  und  sie  werden 
auch  ihre  eigene  kunstform  gehabt  haben,  aber  wir  kennen  sie 
nicht  oder  so  gut  wie  nicht,  aufser  dem  unvollständig  erhaltenen 
deutschen  Hildebrandslied  haben  wir  ja  nichts,  was  mit  einiger 
Sicherheit  als  episches  einzellied  der  altgermanischen  periode  be- 
zeichnet werden  könnte,  auf  Byrhtnodh  und  die  sehr  mit  unrecht 
so  genannten  lieder  der  Sachsenchronik,  denkmäler  des  10  und 
11  jhs.,  beruft  sich  ten  Brink  selbst  ebenso  wenig  als  auf  die 
verschiedenen  episodischen  dichlnngen,  die  in  mittelhochdeutscher 
zeit  von  Dietrichs  oder  Siegfrieds  abenteuern  verfasst  und  gesungen 
wurden,  ich  bestreite  auch  nicht  die  möglichkeit,  dass  im  Beownlf 
wie  im  Nibelungenlied  einzellieder  verwertet,  ja  sogar  das  eine 
und  andere  einzellied  oder  teile  eines  solchen  wörtlich  aufge- 
nommen worden  seien,  denn  es  ist  ja  richtig,  was  ten  Brink 
nach  der  angeführten  stelle  bemerkt,  dass  die  geistliche  epik  'der 
auffallenden  hysteraprotera  und  der  unerträglichen  widerholungen' 
weniger  enthält  als  die  Überlieferung  des  Beowulfs,  ebenso  wie  in 
den  IVibelungen  viel  mehr  sachhche  Widersprüche  erscheinen  als 
in  den  höfischen  epen,  wo  sie  gleichwol  nicht  fehlen.  —  aber 
dass  diese  lieder  oder  liedertrümmer  in  den  erhaltenen  epopöen 
erkennbar  und  ausscheidbar  seien,  das  bezweifle  ich  allerdings, 
weil  wir  die  richtschnur  für  eine  solche  kritische  tätigkeit,  näm- 
lich erhaltene  einzellieder  nicht  besitzen,  weil  die  abweichungen 
der  erzählungsweise  in  gedichten  wie  dem  Beowulf  und  den 
Nibelungen  von  den  so  genannten  kunstdichtungen  nicht  grofs 
genug  sind,  um  darauf  die  hypothese  einer  von  diesen  vollkommen 
verschiedenen  entstehung,  durch  Verbindung  ursprünglich  selbstän- 
diger teile,  zu  bauen,  und  weil  schliefslich  diese  abweichungen  auch 
eine  andere  erklärung  zulassen,  die  durch  sichere  analogien  gestützt 
werden  kann,  also  vor  der  ersten  den  vorzug  verdient. 

Ten  Brink  fährt  an  der  citierten  stelle  fort:  'so  gründe  ich 
diehofl"nung,  dennoch  zu  einer  Verständigung  zu  gelangen,  vor- 
nehmlich auf  folgenden  umstand,  es  gibt  gewisse  fälle,  wo  der 
von  dem  überlieferten  texte  erregte  anstofs  so  grober  art  und 
das  mittel,  wodurch  ich  ihn  hinwegräume,  so  leicht  und  einfach 
ist,  dass  der  gesunde  menschenverstand  dies  mittel  ohne  weiteres 
für  probat  erklären  wird,  ein  solcher  fall  liegt  zb.  in  dem  im 
dritten  capitel  dieser  schrift  besprochenen  abschnitt  Beownlf 
837  —  924 1  vor.'  auch  bei  der  dieser  stelle  gewidmeten  Unter- 
suchung wird  sie  als  ein  fall  bezeichnet,  der  wie  wenige  geeignet 

'  die  citate  ten  Drinks  wie  dieser  lecension  beziehen  sich  auf  die 
Greinsche  ausgäbe. 


TKN   nR(NK    RROWUr.F  155 

sei,  *die  riclitigkeit  der  variantenliypothcse  zur  evidenz  zu  bringen' 
s.  60.  das  Verhältnis  ist  folgendes.  Müllenhorf  und  ten  Brink 
s.  59  nehmen  daran  anstofs,  dass  in  den  versen  837 — 924  zwei- 
mal um  die  wette  geritten  werde  864  IT.  916  ff,  wobei  der  dichter 
sogar  ähnliche  worte  gebrauche: 

864  Hwilnm  headoi'öfe  hleäpan  leton 

on  yeflit  faran  fealwe  mearas 

und  916  Hwilum  flitende  fealwe  strd'te 

mearum  md'ton.  — 
zweimal  werde  BeowuH  gepriesen  856  ff.  870  ff,  das  zweite  mal 
aber  sein  lob  auf  die  auffallendste  weise  mit  dem  lobe  des  Wäl- 
sings  Sigemund  und  dem  tadel  des  Scyldingenherschers  Heremod 
verflochten.  —  von  Beowulf  auf  Sigemund  sei  gar  kein  Übergang, 
von  Sigemund  auf  Heremod  der  rätselhafteste,  der  sich  denken 
lasse:  Sigemund  gedieh  wegen  seiner  grofstaten  an  ehren,  darauf 
nahm  die  kampfesmacht  Heremods  ab.  oder  gar:  Sigemund  ge- 
dieh an  ehren ,  seit  Heremods  kraft  abgenommen  hatte. 

Um  diese  widerholungen  und  spriinge  der  darstellung  zu  be- 
seitigen, wird  angenommen,  dass  ein  ordner  zwei  parallele  dar- 
stellungen  vereinigt  habe,  ein  dichter,  C,  habe  837 — 861  mehr 
901 — 924  gedichtet,  zwischen  diese  teile  von  C  sei  aus  dem 
werke  eines  anderen  dichters,  D,  862—900  eingeschoben  worden. 
C  habe  also  erzählt ,  dass  die  Dänen ,  nachdem  sie  Grendels  spuren 
bis  zum  meere  verfolgt,  zurückreitend  Beowulf  gepriesen  hätten 
856  ff,  auch  durch  vergleichung  mit  dem  bösen  Heremod  901  ff; 
dann  stellten  sie  ein  wettreiten  an,  916  f.  — D  liefs  sie  zuerst 
Beowulf  preisen,  ein  rest  davon  sei  862  f,  dann  ritten  sie  um  die 
wette  864  ff,  schliefslich  sang  einer  von  ihnen  ein  lied  auf  Sige- 
mund 874  ff.  der  preis  Beowulfs  unmittelbar  vorher  870''  —  874^ 
wird  als  spätere  interpolation  aufgefasst. 

Das  von  ten  Brink  angewendete  mittel ,  die  Schwierigkeiten 
aus  dem  wege  zu  räumen ,  ist  nach  s.  4  'leicht  und  einfach',  ich 
glaube,  das  kann  man  nie  von  der  annähme  eines  litterarischen 
Vorgangs  sagen,  den  man  durch  keine  analogien  stützen  kann, 
wünschenswert  sind  natürlich  solche,  welche  der  zeit,  dem  orte, 
der  kunstgattung  des  in  rede  stehenden  denkmals  nahe  stehen, 
doch  auch  entferntere  können  lehrreich  sein,  aber  ten  Brink 
hält  es  für  überflüssig,  uns  zu  sagen,  wo  in  der  mittelalterlichen 
dichtung  es  nachgewiesen  sei ,  dass  zwei  von  verschiedenen  Ver- 
fassern herrührende  erzählungen  derselben  begebenheit,  nicht  dem 
inhalt  nach,  sondern  mit  beibehaltung  des  Wortlautes  in  ihren 
kleinen  und  kleinsten  teilen  contaminiert  wurden,  wie  etwa  in 
der  lateinischen  evangelienharmonie.  die  tatsache  ist  ja  möglich 
und  nicht  unglaublich:  aber  man  hat  das  recht,  die  hinweisung 
auf  bezeugte  fälle  der  art  zu  erwarten,  bevor  man  sich  ent- 
schliefst ,  den  von  ten  Brink  eingeschlagenen  weg  zur  erklärung 
der  auffallenden   erzählungsweise  unseres  Beowulftextes  als   den 

11* 


156  TK\  rsRiNK  nEowuLr 

einzig  möglichen  oder  wenigstens  den  nächstliegenden  anzuer- 
kennen. 

Es  gibt  aber  einen  anderen  weg,  nämlich  die  philologische 
erklärung.  ist  es  denn  eine  der  natur  des  menschlichen  oder 
allenglischen  geistes  widerstreitende  weise  der  orzählung,  wenn 
der  dichter  erst  850  (T  im  allgemeinen  sagte,  beim  heimreiten 
hätten  die  Dänen  Beownll'  gepriesen: 

pCBr  wcBs  Beöionlfes 

mdirdo  mäned:  monig  oft  f/ecwted, 

pwtte  snd  ne  nord  he  säm  tweönum 

ofer  eornmigrnnd  öder  imnig 

860  nnder  swegles  hegong  selra  ndre 

rondhcehbendra,  rices  wyrdra, 

dabei  hinzufügend,  dass  dies  lob  keine  herabsetzung  ihres  eigenen 
herren  enthalten  habe: 

Ne  hie  hüru  winedrihten        loiht  ne  lögon, 

glcedne  Hrödgdr :  ac  pmt  iccBs  göd  cyning, 

dann  von  dem  Wettrennen  erzählte,  das  sie  veranstalteten  864  IT,  dann 
wider  von  dem  lob,  das  sie  Beowulf  zollten,  diesmal   in  form  eines 
liedes,  das  einer  von  ihnen  zu  ehren  Beowulfs  improvisierte: 
871  secg  eft  ongau 

sid  Beöwnlfes  snyttrnm  styrian, 

in  dem  eine  zum  vorteil  Beowulfs  gereichende  vergleichung  des- 
selben mit  einem  der  berühmtesten  sagenhelden,  mit  dem  VVälsung 
Sigemuntl,  durchgeführt  wurde,  —  um  dann  wider  ein  welt- 
rennen zu  erwähnen?  eine  solche  erzählungsweise  anzunehmen 
ist  schon  deshalb  ohne  bedenken,  weil  sie,  wenn  ganz  wörtlich 
genommen ,  das  heifst  von  dem  standpunct  unseres  modernen 
kunstgefübis  aus  angesehen,  eine  abfolge  von  begebenheiten  ent- 
hielte, wie  sie  jeden  tag  vorkommt,  die  chronologische  abfolge 
von  ABA'B',  wobei  A'  und  B'  begebenheiten  bedeuten,  welche  A  und 
B  äbnlicli  sind,  also:  sie  priesen  Beowulf  in  prosa,  —  sie  ritten 
um  die  wette,  —  sie  priesen  Beowulf  durch  ein  lied ,  in  welchem 
eine  vergleichung  mit  Sigemund  vorkam,  —  sie  ritten  ein  zweites 
mal  um  die  wette.  —  dass  für  den  begriff  des  Wettrennens  ähn- 
liche ausdrücke  verwendet  werden,  kann  doch  in  einem  ags. 
gedieht  nicht  auffallen,  im  Andreas  zb.  widerholen  sich  die  phrasen 
in  weit  kürzeren  Zwischenräumen  198.  201.  —  204.  211.  —  609. 
619.  —  820.  827.  —  das  kommt  auch  sonst  vor;  vgl.  zb.  die 
chanson  de  geste  Mort  d'Aymeri  2744  ff 

Li  emperere  en  est  hrochant  alez 
a  .XX.  mil  homes  a  armes  conreez. 
er  kommt  in  den  wald  zu  den  damen,  die  ihn  freudig  empfangen. 
—  dann  2752  in  derselben  laisse: 

li  emperere  en  est  hrochant  tornez 
a  .XX.  mil  homes  a  armes  conreez. 
nun  geht  es  gegen  die  Sarazenen,  mit  denen  ein  kämpf  stattfindet. 


TEN  BKI>K    BEONVULF  157 

Unmöglich  wäre  es  aber  auch  nicht,  ilass,  wie  ich  Anz. 
X  222  ange«leiitel,  der  dichter  nicht  ein  zweimaliges  preisen  und 
ein  zweimaliges  wetlrenuen  gemeint,  sondern  von  867"^  —  924 
seine  Iriihere  erzählung  variiert  habe,  also  eine  form  ABAß. 

Ich  kann  allerdings  nicht  vollkommen  gleichartiges  aus  der 
ags.  poesie  beibringen,  was  vielleicht  darin  seinen  grund  hat,  dass 
die  zahlreichen  abhandlungen  über  den  stil  angelsächsischer  gedichte 
sehr  vieles  andere,  aber  nicht  die  composition  und  erzählungslorm 
beschreiben,  ich  also  auf  eigene  Sammlungen  beschränkt  bin,  — 
aber  sehr  ähnliches  und  zum  teil  auffälligeres,  letzteres  ist ,  wie 
ich  meine,  die  form  BAU,  wo  A  auch  das  chronologisch  vorher- 
gehende bezeichnet,  beispiele  aus  Crist  und  satan  und  lluthlac 
sind  im  Anz.  x  223  f  zusammengestellt,  aus  denen  man  ersieht, 
dass  auch  hier  wie  in  der  fraglichen  ßeowulfstelle  der  woitlaut 
des  ersten  B  sich  im  zweiten  widerholt.  —  und  sehr  häufig  ist 
die  form  AaA  und  AaAa  usw. ,  wenn  mau  unter  a  eine  zweite 
handlung  oder  einen  zweiten  zustand  versteht,  der  mit  A  gleich- 
zeitig zu  denken  ist.  dafür  linden  sich  beispiele  in  meiner  ab- 
handlung  Über  den  stil  der  altgerm.  poesie  s.  11  f  aus  der  Genesis 
und  der  Exodus,  sie  lassen  sich  leicht  vermehren,  siehe  Daniel 
1501V  (Anz.  X  223),  Phoenix:  34  —  77  die  immer  blühenden  und 
grünenden  bäume  des  paradieses,  —  andere  eigentümlichkeiten 
des  paradieses,  —  die  immer  blühenden  und  grünenden  bäume 
des  paradieses;  274"^  —  321:  der  phoenix  tliegt  in  seine  alte 
heimat  Ponne  dfijsed  bid 

dgenne  eard  eft  tö  secan, 

ponne  fötnm  ymbfehd        fyres  läfe, 
dam  biclyppeff  and  kis  cyddu  eft 

synbeorht  gesetu  seced  on  wynnum, 

eddig  edellond, 
nun  eine  lauge  beschreibung  seiner  neuen  gestalt,   dann 
320  ponne  he  gevited  wongas  secan, 

his  ealdne  eard,  of  pisse  edeUyrf. 

vgl.  Panther  15  —  34  der  panther  ist  jedermanns  freund  mit  aus- 
nähme des  drachen,  —  beschreibung  des  panthers,  —  dann 

he  is  monpwcere, 
lufsum  and  leöftd'l,  nele  Iddes  loiht 

cengum  geefnan  bütan  päm  nttorsceadan, 

his  fyrnyeflitan,  pe  ic  dr  fore  scegde. 

hier  ist  sich  der  dichter  dieser  gewohnheit  selbst  bewust. 

Ähnliches   findet  sich   im   mhd,  Reinfrid    von  Braunschweig 
12480.      die  gaste   nehmen  abschied  von  Reinfrid    und  Yrkanen 
dienestlkh  geneiget 
wart  houbet  mit  den  henden 
den  höherborn  eilenden: 
daz  tet  her  wider  onch  ir  mnot. 
dann  Ireueversprecheu  zwischen  dem  vvirl  und  den  gasten: 


158  TEIN   BlUISK    BtOWÜLF 

12494  Der  fürste  (Roiiiliitl)  und  diu  reine 

12495  %e  Brnnestoic  die  zil  verlrihen. 

die  herren  (die  gäslc)  langer  nilit  beliben, 
si  kerien  snnder  schände 
loider  he  in  ze   lande, 
ie  der  man  da  er  heime  loas. 
12500  von  Brnnesioic,  als  ich  ez  las, 
onch  heime  sine  zit  vertreip 
und  doch  also  daz  er  beleip 
niht  lanye  wider  e'ren. 
er  Teilet  wider  zu  krieg  und  lurnier. 

12494  1  islB,  —  12496— 12499  A,  —    12500  wider  B  mit 
wörtlicher  aufnähme  der  phrase  die  zit  vertriben. 
Herzog  Ernst  B,  die  älteste  Überarbeitung: 
4108  von  hmujer  sie  dö  stürben, 
swaz  ir  in  dem  schiffe  was, 
4110  daz  da  nieman  genas 

von  dem  volke  algemeine 
wan  der  herzog  alters  eine 
und  noch  mit  im  siben  man. 
nun  geht   die   erzählung  zurück:    die  anderen  gelahrten  starben 
und  ihre  leichen  wurden  von  den  greilen  fortgetragen,  was,  wie 
der  dichter  vorgreifend    bemerkt,    den  anlass    zu    der  später  er- 
zählten list  gab,  durch  welche  die  übrigen  sieben  mit  dem  herzog 
gerettet  wurden. 

4139  der  fürste  leit  ungemach, 

4140  dö  er  sine  geverten  sach 
vor  hunger  verderben 
und  so  jdmerliche  sterben 
und  in  niht  gehelfen  künde: 
des  muose  er  manige  stunde 

4145  obe  in  liden  die  jamers  not, 

als  lange  unz  sie  der  tot 

vor  sinen  ougen  gar  genam, 

so  daz  der  recke  lobesam 

nieman  het  wan  siben  man. 
die  form  ABA  bietet  in  recht  auffälliger  weise  wider  Reinfrid  von 
Braunschweig  1468911'.   Reinfrid  lässl  durch  holen  Vorbereitungen 
zu  seiner  Seereise  treffen 

14694  galinen,  kocken,  kiele 

14695  luodens  vil  mit  spise, 
win,  bröt,  in  der  wise, 
fleisch  und  alle  lipnar, 

daz  si  wol  ein  ganze z  ja r 

dd  von  sich  sollen  spisen. 
darauf  folgt    eine    lange   abschiedsscene   zwischen   Reinfrid   und 
Yrkanen,    15130  11   scheidet   er    von    ihr,    15135  tf  Schilderung 


TEN  BR1^K    BEOWÜLF  159 

ihres  Schmerzes,  15360  wendet  sich  der  erzähler  wider  dem  helden 
zu,  er  und  die  seinen  begeben  sich  ans  gestade  zu  dem  schille. 
15364  ir  boten  hatten  vor  bereit 

kocken,  kiel  und  manic  schif 

und  hatten  uf  des  meres  grif 

dar  an  von  loin  und  spise 

getragen  in  der  wise 

so  übermcezeclichen  rät, 
15370  daz  man  sin  niht  zioivels  hat, 

ros  und  Hute  hatten  gar 

ir  libes  fuor  ein  ganzez  jdr 

und  vil  tue,  denn  ich  wcenen  wil. 
nun  slofsen  sie  vom  lande. 

Sehr  häutig  wird  gleichzeiligkeit  in  der  form  AaA  oder  AaAa 
ausgedrückt.     Pleier  Tandareis  und  Flordibel: 
6010  hin  reit  der  ritt  er  icert  erkant 

gen  der  andern  kliise. 

daz  gesinde  in  dem  huse 

nämen  swaz  sie  vunden; 

au  den  selben  stunden 
6015  sie  zunten  an,  daz  hns  oerbran, 

unt  huoben  sich  vrceliche  dan, 

iecUcher  heim  in  sin  laut. 

Tandareis  der  loigant 

gen  der  andern  klüse  reit.  — 
oder  17065   Tandareis  der  ellens  rieh 

mit  siner  amien 

Flordibeln,  der  valsches  vrien, 

mit  urloube  sldfen  gie. 

Artiis  dö  des  niht  enlie, 
17070  er  bat  sie  haben  guote  naht. 

Beäcurs  der  wol  geslaht 

gie  sldfen  unt  daz  loip  sin, 

Kalnbin  mit  Claudin 

vuoren  sldfen  al  ze  haut 

unt  Tandareis  der  wert  erkant. 

Artus  gap  in  guote  naht. 
Karlmeinet  A  271,  59  (Moranl  und  Galie): 

Nw  er  satten  sy  sich  beijde  (die  kämpfer), 

mallich  in  syn  g  er  ei  de, 

dese  zwene  heren, 
und  bereiteten  sich  zum  kämpfe.    A  271,  6611"  angst  und  gebet  der 
zusehenden  fraueu,  neugier  der  grolseu  Volksmenge. 
A  272,  28  Nio  de  zxoene  heren 

da  sunder  erveren 

saessen  in  erem  gereide 

ind  eren  eyn  des  anderen  beide  usw. 


160  TEN  BRIMv    BEOWTLF 

Jüngerer  Tilurcl  (ed.  Halm),  seit  4677  streitet  Schioüatu- 
laniler  mit  zwei  ritleru ,  vou  cleueii  der  eine  erst  den  schlacht- 
rul  'paradies'  braiiclit  4691,  1.  4609,3,  —  dann  einen  anderen 
4696,4  daz  er  niht  schrei  die  lenge    paradis,  ein  anderz 

er  HH  schrite. 
das   getöse   des    kampfes   hörl   Ehkunal   im   wähle    4702,  3    und 
eilt  ihm  nach. 

4706  Nu  Idzz  wir  in  riten  die  stein  sam  die  stocke 
nach  disen,  die  hie  striten 

und  die  erzähhing  wendet  sich  wider  dem  kample  zu  und  be- 
richtet wider  von  iler  veränderten  krie  des  einen: 

4707  Der  eine  lange  stunde     schrite  paradise, 
dar  nach  er  aber  künde        ein  ander  krie. 

4709,  I.  4714,  1.2  blickt  aber  der  dichter  dazwischen  nach  dem 
immer  näher  herankommenden  Ehkunat,  —  4716,  1  wider  dass 
der  eine  der  kampier  nicht  mehr  'paradies'  rief,  —  endlich, 
4731,  kommt  Ehkunat  aul  dem  kamplplatz  an  und  wird  hier  erst 
mit  namen  genannt. 

In  Wisses  und  Colins  Parzival  59,  41  IT  gibt  der  dichter  der 
Verlegenheit  ausdruck,  welche  ihm  (üe  nötigung  bereitet,  zwei 
gleichzeitige  Vorgänge  zu  beschreiben: 

noch  han  ich  mit  braht  zuo  sinne, 

wie  ez  umbe  die  zwei  do  stnnt. 

ze  samene  mag  ich  nüt  tuon  kunt, 

eins  noch  dem  anderen  men  sagen  sol: 

daz  stot  ouch  dem  sager  lool. 
und  der  verf,  der  GönguhroKs  saga  ¥kS  3,  302  erklärt:  vikr  nn 
aptr  sögunni  ßdngat,  er  fyrr  var  frä  hör  fit,  pvi  eigi  verdr  af  tveimr 
hlntum  sagt  i  senn,  pött  bädir  hafi  jafnfram  ordit;  —  oder  s.  328 
bei  Schilderung  eines  kampfes  —  ok  gengu  hvdrir  sterkliga  ä  adra, 
voru  margir  ßeir  hlutir  ok  atburdir ,  at  jafnfram  bdru  vid,  ok 
verdr  p6  fram  i  einu  senn  at  segja ;  —  330  frd  f)vi  er  nii  at  segja, 
er  jafnfram  bar  vid.  vgl.  Thorgils  saga  c.  15,  Sturluuga  ed.  Vig- 
lusson  1,  23  Nu  ferr  tveim  sögunum  fram,  Gudhmundar  saga 
dyra  c.  1,  Sturi.  1,  126  Nu  tek  ek  par  til  fräsagnar  er  tvennum 
ferr  sögum  framat,  c.  9,  Sturl.  1,  140  Nu  hefir  fleira  ordit  senn 
en  einn  hlntr;  ok  verdr  p6  frd  einum  senn  at  segja  fyrst.  vgl. 
Örvarodds  saga  (ed.  Boer)  67,22:  var  pat  alt  jafnskjött ,  er  Oddr 
kom  ofan,  ok  pd  hafdi  Hjdlmarr  hrodit  skip  peira  oll. 

Aber  ten  ßrink  erklärt  die  Verbindung  des  lobes  BeowuUs 
mit  dem  Sigemunds  und  dem  ladel  Heremods  iür  aultallend:  und 
der  Übergang  vou  Sigemund  auf  Heremod  sei  ganz  rätselhalt, 
letzteres  ist  auch  meine  meinung,  und  ich  habe  deshalb  in  der 
oben  s.  156  vorgetragenen  aualyse  die  stelle  so  aufgefasst  wie  im 
Anz.  x228,  wo  ich,  ohne  mich  an  Riegers  und  Holtzmanns  Vorgang 
zu  erinnern  (Germania  8,  491,  Zs.  f.  d.  phil.  3,  399),  vorgeschlagen 
hatte,  heremöd  als   appellativum   aulzulassen.     dadurch    entsteht 


TEN  BRLNK    BEOWULF  161 

nieiücr  meinung  nach  ein  ganz  giilcr  Zusammenhang:  Beowulf  iinil 
Sigemund  sind  gleich  groise  helden,  aber  Beovvuir  isl  der  glück- 
lichere. —  dass  in  der  zweiten  Strophe  des  Hyndluliedes  Sigemund 
und  Hereinodhr  zusammen  als  solche  genannt  werden,  welche  Odhiun 
beschenkt  habe,  kann  ich  nur  für  einen  zutall  halten,  ebenso  wenn 
in  den  Eiriksmal  Sigmundr  und  Siutjütli  von  Odhinn  den  befehl  er- 
halten, den  gast  zu  emptangen,  in  Eyvinds  Hakouarmal  Hermodhr 
und  Bragi.  —  durch  diese  annähme  schwindet  aber  auch  das  allen- 
l'alls  autlällige  in  der  Zusammenstellung  Sigemunds  und  Beowulls. 
das  auffällige  läge  nämlich  darin ,  dass  ein  held  unseres  gedichtes 
durch  ähulichkeit  mit  einem  anderen  helden,  nicht  durch  den  gegen- 
satz  zu  demselben  characterisiert  würde,  wie  1471  Beowulf  und 
llunferd,  1709  Beowulf  und  der  böse  Heremod ,  1931  Hygd  und 
Modthrydho,  —  vgl.  auch  Hengist  und  den  gast,  der  sich  im 
frühjahr  fortsehnt  1137,  und  ausdrücke  wie  1018  Halles  fdcen- 
stafas  Peödscyldingas  penden  fremedon,  2179  nalles  druncne  slöy 
heordyeneätas,  worin  vielleicht  eine  anspieluug  auf  1709  liegt, 
unter  den  mhd.  dichtem  liebt  der  veri.  des  Reinfrid  von  Braun- 
schweig dieses  mittel  zur  characterislik.  v.  1515511  wird  ausgeführt, 
in  wie  fern  die  heldin  Yrkane  anderen  heldinnen  der  sage  und  ge- 
schichte  unähnlich  war,  Laudavinen  (Laudine),  Dalida  (Dalila),  Alha- 
nata,  der  geliebten  Virgils,'Silarin,  der  des  Aristoteles,  Helena 
von  Griechenland;  siehe  auch  15519  ff  und  oft.  —  fassen  wir  an 
unserer  stelle  Heremod  appellativisch,  so  ist  der  verlangte  gegen- 
salz vorhanden,  nur  liegt  er  im  geschicke,  nicht  im  character 
beider  helden.  —  ich  glaube,  es  ist  kein  grund,  auch  nur  einen 
vers  oder  ein  wort  in  der  Überlieferung  von  Beowulf  837 — 924 
zu  ändern  oder  zu  versetzen. 

Auch  s.  126  ff  spricht  ten  Briuk  von  drei  'evidenten  fällen' 
(s.  129),  an  denen  die  'Varianten  jedem,  der  nicht  durchaus  die 
äugen  verschlossen  halten  will,  sich  aufdrängen  müssen.' 

1)  2207  fl'  wird  erzählt:  Beowulf  wurde  künig  und  regierte 
durch  50  jähre,  da  begann  ein  drache  bei  nacht  seine  schäd- 
liche tätigkeit.  2210  öd  pcet  an  omjan 

deorcnm  nihtnm  draca  ricsian, 

se  pe  on  hedre  hd'de  hord  beweotode, 

stänbeorh  sledpne. 
es  hat  nämlich  ein  tlüchlling  aus  der  höhle  ein  kostbares  gefäfs 
entwendet  und  dadurch  den  zorn  des  dracheu  erregt,  er  war 
nicht  mit  der  absieht,  den  drachen  zu  berauben,  gekonunen, 
sondern  hatte  sich  vor  dem  zorn  der  menschen  in  die  drachen- 
höhle geflüchtet,  und  als  er  sie  voll  schrecken  wider  verliefs, 
das  gefäfs  mitgenommen  aus  der  fülle  alter  schätze. 

2233  swd  hy   on  yedrdayum         yumena  ndthwylc 
eormenldfe  cedelan  cynnes 

2235  panchycgende  pdr  gehydde 

deöre  mddmas. 


162  TEN  BRIINK    BEÜVVULF 

die  verwandten  dieses  niannes,    der  den  schätz  vor  dem  drachen 
besessen  hatte,  waren  alle  gestorben,    da  er  aber  die  schätze  liir 
seine  lebenszeit  noch  zu  geniefsen  wünschte,   so  trug  er  sie  in 
die  sichere  lelsenhöhle  am  mcer  und  hielt  folgende  anrede: 
2247  heaJd  pn  nn  hrnse,  nn  hwled  ne  möstan, 

eorla  ähtel  hiocet,  hü  ccr  on  pe 

göde  hegeäton.  ynddedd  fornam, 

2250  feorhbaio  frecne,  fyra  gehtoylcne 

höda  minra,  pdra  /)e  pis  lif  ofgeaf, 

gesdiDon  seledredm. 
jetzt  können  sie  diese  schätze  nicht  mehr  genielsen.  —  ten  Brink 
ist  mit  Miillenhofl"  der  Überzeugung,  dass  die  erzählung  besser 
würde,  wenn  mau  2233  auf  2212  folgen  liefse.  denn  in  den 
Versen  2212 — 2232  errege  anstofs  die  apposition  stdnbeorh  stedpne 
2213  iühord22l2,  und  die  Ordnung  einer  durchaus  planmäl'sigen 
erzählung  werde  auf  das  unverantwortlichste  gestört,  wenn  jetzt 
schon  die  erzählung  von  dem  manne  käme,  der  aus  dem  hört 
ein  gefäfs  gestohlen ,  bevor  der  hörer  noch  erfahren  habe ,  wie 
der  schätz  an  jenen  ort  gelangt  und  der  drache  in  den  besitz  des- 
selben gekommen  sei.  es  sei  deshalb  2200  —  2212  und  2233  ff 
einem  dichter  zuzuschreiben,  F,  das  eingeschaltete  2213 — 2232 
einem  anderen,  G.  —  zur  characterisierung  von  ten  Brinks  melhode 
ist  es  wichtig  hinzuzufügen,  dass  zur  annähme,  dass  v.  2212  und 
2233  zusammengehören,  eigentlich  nur  auf  den  'schönsten  Zusam- 
menhang' hingewiesen  wird,  der  dadurch  entstehe,  —  die  beiden 
incongruenzen  nur  angeführt  werden,  um  darzutun,  dass  hier, 
2213 — 2232,  ein  zweiter  dichter,  nicht  ein  interpolator  tätig  ge- 
wesen sei,  ein  interpolator  wäre  nicht  so  ungeschickt  gewesen, 
stdnbeorh  stedpne  als  apposition  zu  hord  zu  brauchen  und  das 
oben  angedeutete  hysteronproteron  in  eine  zusammenhängende 
dichtung   hineinzubringen. 

Vor  allem  scheint  mir  eine  solch  scharfe  erfassung  der  geistes- 
art  eines  uns  unbekannten  menschen  wie  dieses  interpolators  reine 
Willkür,  aber  ich  gehe  darauf  nicht  ein,  sondern  frage  nur,  ob  die 
von  ten  Brink  für  die  Zusammengehörigkeit  von  2212  und  2233  an- 
geführten gründe  ausreichen,  —  und  muss  das  verneinen,  bereits 
2210  f  war  von  den  nächtlichen  fahrten  des  drachen  erzählt  worden. 
es  können  nicht  die  gewöhnlichen  gemeint  sein ,  sondern  verderb- 
liche, bei  denen  er  die  häuser  der  menschen  verbrannte,  denn 
das  unschädliche  herumfliegen  bei  nacht  übte  er  nach  2278,  einer 
stelle,  die  nach  ten  Brink  auch  dem  dichter  F  gehört,  schon 
durch  300  jähre,  das  ricsian  von  2211  muss  demnach  auf  eine 
neue,  sehr  auffallende  tätigkeit  gehen,  das  ist  auf  die  verderblichen 
nachtfahrten.  ist  es  da  nicht  ganz  natürlich,  dass  der  dichter 
sogleich  eine  molivierung  hinzusetzt:  der  drache  war  nämlich  er- 
zürnt worden  durch  den  diebslahl  eines  gefäfses,  und  dass  die 
ervvähnung  des  gefäfses  2231   ihm  einen  Übergang  bietet  zu  der 


TEN  BKIMv    BEUWULF 


163 


erzählung  von  ilerii  ganzen  schätz,  wie  er  in  die  höhle  gekommen. 


bevor  der  drache  sich  seiner  bemächliglel 


solche  Übergänge  sind 


im  Beowiiir  sehr  behebt:  IQb  pcet  wces  geöcor  sUf,  fxjet  se  hearm- 
scada  tö  Heornte  dteäh :  dryhtsele  dynede.  —  lOöü  Grendel 
hätte  mehr  getötet  als  den  einen,  nefyie  him  loitig  god  loyrd 
fontöde  and  pces  mannes  mödimetod  eallum  weöld  gumena 
cynnes,  swd  he  nxi  git  deit.  —  1614  Beowuli'  nahm  nichts  von 
dem  horte  Grendels  hüton pone  hafelan  and pä  hilt  sotnod,  since 
fdge:  sweord  är  gemealt ,  forbarn  hrodenmdl.  — 2434  BeowuH 
sagt,  Ilredhel  habe  ihn  nicht  weniger  geliebt  als  einen  seiner 
söhne  Herebeald  and  Hd'dcyn  oitde  Hygeläc  min.  nun  die 
geschichte  von  Ilerebealds  totung  durch  Hiedhcyn.  —  2698 
ac  hy  (die  feigen  gelahrten  Beowults)  on  holt  bugon,  ealdre  burgan. 
hiora  in  dnnm  iveöll  sefa  loid  sorgnm,  nämlich  Wiglaf. 

In  bezug  auf  die  apposition  stänbeorh  steäpne  zu  hord  2212 
ist  ten  Brink  hier  viel  strenger  als  s.  144  anni.,  wo  er  hord  in 
dem  ausdruck  eall  swylce  hyrsta,  swylce  on  horde  cer  —  men  ye~ 
numen  hoefdon  in  einer  weise  übersetzt,  die  dem  begrill'  'ort  des 
Schatzes'  wenigstens  sehr  nahe  kommt;  vgl.  thesaurus,  tresor.  an 
unserer  stelle  bildet  stänbeorh  steäpne  wider  einen  glücklichen 
Übergang  zu  der  erzähluug  von  dem  diebstahl,  den  jener  üücht- 
ling  verübte,  denn  der  dichter  fährt  fort:  stig  ander  Iceg  eldum 
uncüd.     diesen  weg  fand  der  Öüchtling. 

2)  'noch  deutlicher',  sagt  ten  Brink ,  sei  die  stelle 


2302" 


2305 


2310 


earfodlice 
wces  pd  gebolgen 
wolde  se  Idda 
drincfat  dyre. 
ivyrme  on  willan, 
bidan  xoolde, 
fyre  gefysed. 
leödiim  on  lande, 
on  hyra  sincgifan 
pd  se  gcest  ongan 
beorht  hofu  b(ernan; 
eldum  on  andan: 
Idd  lyftßoga 


hordweard  onbdd 
öddcet  cefen  cwom. 
beorges  hyrde, 
liye  forgyldan 
pd  wces  dceg  sceacen 
nö  on  loealle  leng 
ac  mid  bcele  för, 
wcps  se  fruma  egeslic 
swd  hit  lungre  weard 
sdre  yeendod. 
gledum  spiwan, 
bryneleöma  stöd 
nö  pcer  dht  cwices 
Icefan  wolde. 


2315 

wie  durch  den  druck  hier  angedeutet,  fasst  ten  Brink  die  stelle 
ähnlich  auf  wie  die  erste,  der  Zusammenhang  von  F  ist  durch 
einen  einschub  aus  der  parallelen  fassung  G  gestört  worden. 

Die  gründe  ten  Briuks  sind  folgende:  2304  im  unmittel- 
baren anschluss  an  2303  sei  wunderlich;  denn  der  zorn  des 
drachen  begann  nicht  erst  mit  dem  abend,  zugegeben ,  dass  der 
dichter  sagen  wollte:  am  abend  wurde  der  drache  zornig,  so 
schiene  mir  das  nicht  wunderlich,  der  drache  muste  sein  rache- 
werk bis  zum  abend  aufschieben. 


164  TEN  BRIMK    BEOWULF 

räche  wartenden  ist  aber  nalurgenjäl's  nicht  so  stark  als  (He  des 
sich  rächenden,  und  liir  den  geguer  oder  Zuschauer  zeigt  sie  sich 
in  der  regel  nur  in  der  ausilbung  der  räche.  —  aber  es  ist 
unwahrscheinlich,  dass  es  der  dichter  so  gemeint  hat.  er  wollte 
vielmehr  den  seil  der  entdeckung  des  diebstahls  l'ortdanernden 
zorn  des  «Irachen  schildern  —  loces  gebolgen  kann  ja  auch  den 
zustand  bezeichnen,  —  und  tut  dies  sehr  passend  zwischen  dem 
enlschluss  des  drachen,  den  abend  zu  erwarten,  und  dem  herein- 
brechen dieses  abends,  vgl,  die  häutigen  als  parenthese  gedruckten 
hinweise  auf  zusländliches  bei  erzählung  von  einer  handlung, 
105  Beöionlf  madelode  (on  Mm  byrne  scä)i,  searonet  seöwed  smides 
orpancum),  Crist  und  satan  128.  162,  Genesis  2922,  Exodus  408, 
Elene  856  usw.  —  ferner  2312  im  anschluss  an  2311  sei  absurd, 
denn  schon  seit  2308  speie  der  drache  feuer,  wie  könne  er  eine 
handlung  beginnen,  deren  ausführuug  bereits  im  besten  zuge 
war.  dieser  auffassung  niuss  ich  widersprechen,  es  ist  doch 
ein  deutlicher  fortschritt  in  der  handlung,  wenn  es  vom  drachen 
erst  nur  heilst  mid  bd'le  för,  fyre  gefysed,  —  das  ist  eine  glänzende 
schreckliche,  egeslic  2309,  aber  nicht  verderbliche  lufterscheinung 
wie  2273:  tiihtes  fleöged 

fyre  befangen:  hyne  f'oldbüend  gesdwoti, 

—  und  dann  sein  verderbliches  feuerspeien  und  verbrennen  der 
höfe  berichtet  wird,  characteristisch  wider  ist  es,  dass  an  der 
spitze  und  am  schluss  der  gründe  für  die  aufieiluug  dieser 
verse  an  F  und  G  als  nummer  1)  und  4)  argumente  stehen,  die 
gar  keine  würkliche  oder  vermeintliche  incongruenz  hervorheben, 
sondern  nur  wie  4)  die  möglichkeit,  2303  und  2312  mit  einander 
zu  verbinden,  und  wie  1)  die  verschiedenheil  der  schon  von 
ten  Brink  geschiedenen  teile  F  und  G  kennzeichnen,  denn  wenn 
ten  Brink  unter  1)  anführt,  dass  F  den  zoru  des  drachen  vor- 
aussetzt, während  ihn  G  ausdrücklich  hervorhebe,  so  kann  er 
doch  nicht  meinen,  dass  die  Voraussetzung  die  ausdrückliche  her- 
vorhebung  ausschlielse.  —  übrigens  werden  alle  diese  gründe 
nur  für  den  minder  aufmerksamen  leser  vorgetragen,  dem  auf- 
merksamen genüge  die  aufteilung  der  verse  au  F  und  G,  wie  sie 
ten  Brink  s.  127  f  durch  den  druck  dargestellt  hat. 

Den  3)  'evidenten  fall'  gewähren  die  zwei  reden,  welche 
Beowulf  vor  dem  drachenkampf  hält,  2425—2509  und  2510  bis 
2537;  die  erste  sei  von  F,  die  zweite  von  G.  'es  ist  klar,  dass 
beide  reden  Varianten  bilden,  die  sich  gegenseitig  überflüssig 
machen',  um  so  mehr  als  sie  am  anfang  und  schluss  ähnliche 
gedaukeu  ausdrücken,  s.  2426  f  und  25111',  2508  f  und  2535  11". 
also:  zwei  monologe  in  kurzem  abstand  hinter  einander  —  da- 
zwischen ist  nur:  Beöioulf  madelode,  beötwordum  sprccc  niehstan 
side  — ,  die  ähnliche  gedanken  ausdrücken,  sind  'einem  dichter 
nicht  zuzutrauen.'  aber  in  den  auch  von  ten  Brink  als  eine 
litterarische  einheit  anerkannten  ersten  365  versen   von  Crist  und 


TEN  BRrNK    RROVVdLP 


165 


satan,  Litteraliirgeschiclile  1,  106,  hält  satan  sogar  drei  monologe 
nach  einander,  die  wesentlich  dasselbe  besagen,  75  — 125,  dann 
heifst  es 


12G  siod  se  werega  gast 
his  earfoflo 
fdh  in  fyrnum, 
geondpOBt  atole  scrcef 
'ic  eom  nsw.  bis  159. 

dann  160  Pd  gyt  feola  cwide 
atol  cBgldca 
witnm  werig. 
dttre  gelicost 
'Ed  Id  nsw,  bis  189. 

alle  drei  variieren  den  gedanken; 

jelzt  bin  ich  ein  nnseliger  teufel. 


wordum  smle 
ealle  cetsoinne 
(fijrUöma  st  öd 
dttre  geblonden): 

firna  herede 

üt  of  helle 

Word  spearcnm  ßedh 

fwnne  he  nt  /mrhdrdf: 

fndier  war  ich  ein  seliger  engel, 
die  zweite  und  dritte  rede  be- 
ginnen mit  dem  hinblick    aul  die  vormalige  lust  und  herlichkeit 
im    himmel,    alle   drei    schliefsen    mit   einem    ausdruck   der   Ver- 
zweiflung:   'nun  bin    ich   ewig  verdammt',    die    erste    und   dritte 
widerholen  dabei  sogar  die  phrasen : 
120  forpon  k  sceal  hedn  and  earm 
wadan  wrcBcldstas, 
nppe  mid  englum, 
pa>t  ic  wdere  seolfa 
wihta  loaldend: 


184 


Imeorfan  py  widor, 
ndmigne  dredm  dgan 
[)es  pe  ic  cer  geaowd, 
swegles  hrytta, 
ac  hit  me  wyrse  gelomp, 
ic  pws  moräre  sceal 
and  wrcece  dreögan 
iuddidnni  fdh, 
drillten  of  selde, 
sceal  nu  wrwcldstas 
sidas  Wide. 


heötwordnm  sprwc 


wedn  and  witu 
göda  bedd'led, 

pes  pe  ic  gepöhte  adrifan 
weoroda  waldend. 
settnn  sorhcearig, 
im  BeowuH    sind  die  zwei  monologe  getrennt  durch  die  andert- 
halb verse: 

Beöwulf  madelode, 
niehstan  side 

also  ein  erweitertes  'in(|uil'.  nur  etwas  mehr  erweitert  sind  die 
inquit  zwischen  der  ersten  und  zweiten,  der  zweiten  und  der 
dritten  rede  Lucifers  in  Crist  und  satan;  siehe  die  oben  an- 
geführten stellen. 

Auch  s.  47  nimmt  ten  Brink  anstofs    daran,   dass  die   frage 
des  strandwarts  zweimal    gestellt  wird,     einmal  ist  es  nicht  ganz 
dasselbe,    wenn   er  erst   fragt:    'wer   seid    ihr?'     dann:    'woher 
kommt  ihr?'  aber  vgl.  vor  allem  Andreas  256 
Hwanon  cömoti  ge  ceölnm  lidan 

mdcraftige  menn  on  merepissan 

dne  dgßotan?  Hwanon  edgorstredm 

ofer  yda  gewealc  eöwic  bröhte? 

können    solche  widerholungen   bei   der    neigung   der  ags.  poesie 


166 


TF.N  nnrNK  RKowur.p 


zu  Variationen  übeirasclien?  W(Min  Cynevvull  zb.  sich  nicht  scheut 
in  seinem  Crisl  1134  das  zerreifsen  des  Vorhangs  zweimal  nach 
einander  zu  erzählen,  oline  das  zweite  mal  irgend  etwas  neues 
hinzuzufügen:  pä  seö  peöd  geseah, 

hü  in  HiermaJem  godwebha  cyst, 

ßü't  cet  pdm  hdigan  hüse  sceolde 

td  weon/unya  weornd  scedioinn, 

nfan  eall  forbarst,  pwt  hü  on  eorc/an  Iceg 

011  twdm  slycum.  —  pa>s  temples  segl 

wnndorbledm  geworht  tö  wlite  pces  hmes 

sylf  sldt  on  tu,  stvylce  hü  seaxes  ecg 

scearp  purhwöde. 
vgl.  die   auf   einander   folgenden    parallelslrophen  AIhrechls   von 
Kemenaten    in    der   Virginal   oder    im    Eckcnlied,    siehe    Zupilza 
s.  XXII.  XXIV.  —  von  gedichten,   die  in  reimparen  geschrieben  sind, 
hat   diese  widerholung  wol    keines   häufiger   als    bruder  Philipps 
Marienleben;  zb.  von  den  heiligen  drei  königen  2578: 
Golt,  mirren,  wirotich  st  im  gaben 
zeini  opher;  da  mit  si  des  jähen, 
daz  er  got  und  mensche  wcere, 
des  himels  mid  der  erden  herre.  — 
mirren,  wirouch,  golt  iesUch 
dem  kinde  gäben  al  gelich, 
ir  aller  opfer  was  gelich:  — 
golt,  mirren,  wiiouch  ir  iesUch 
dem  kint  zeinem  opfer  brähten, 
da  mit  si  im  lobes  geddhten, 
daz  er  got  und  mensche  tocere, 
des  himels  und  der  werkle  herre. 
s.  69  ff.  101  ff.  135  ff.  179  ff.  208  ff.  2348  ff.  2360  ff.  2868  ff,  — 
und  Philipp  ist  keineswegs  ein  stümper. 

Im  französischen  nationalepos  ist  die  widerholung  von  einzel- 
heiten  in  verschiedenen  laisses  eine  bekannte  eigentümlichkeil, 
wie  immer  sie  entstanden  sein  mag,  so  muss  sie  in  den  über- 
lieferten epen  als  kunstprincip  anerkannt  werden,  denn  es  kommt 
vor,  dass  die  zweite  laisse  sich  auf  die  erste  bezieht,  und  gerade 
auf  eine  solche  stelle  der  ersten ,  welche  mit  einer  der  zweiten 
similär  ist.  im  provenzalischen  Fierabras  (ed.  Bckker),  laisse 
V.  588  ff,  geht  Karl  zu  tisch: 

Mot  fo  gram  lo  barnatge,  can  Karies  fon  dinnatz. 
605  mas  ans  que  prenga  aygua  a  sa  mas  per  lavar, 
Karies  sei^a  totz  tens  et  iratz,  so  sapiatz, 
que  ve  us  un  Sarrazi  e  rengarda  montatz. 
ja  de  pus  riche  home  parlar  non  auziratz, 
ni  oncas  pus  fer  home  de  mayre  no  fo  natz, 
610  ni  tant  valent  per  armas,  si  el  fos  baleyatz. 
also  ein  Sarazene  zeigt  sich.  —  die  nächste  laisse  beginnt  sofort 


TEN  nuriNK    nEOVVIJLF  167 

Gll   Mot  fo  heia  la  cort,  can  levo  del  dinnar: 

mas  enans  preiigan  aygna,  hi  anra  que  error. 

l'emperayre  de  Fransa  s'es  pres  a  reyardar, 

e  vic  lo  Sarrazi  en  Vengarda  montar. 

janiays  de  pus  ric  home  non  auziretz  parlar. 

de  las  tors  de  Palerna  s«  fay  senhor  clamar  usw. 
diese  vorse    sind   similär    zu  deo    angeliilirlen    der   ersten  laisse, 
trotzdem  setzen  sie  dieselben  voraus  durch  die  beziehung,  welche 
der  bestimmte  artikel  in  lo  Sarrazi  gegenüber  im  Sarrazi  in  der 
ersten  ausdrückt J 

Ganz  ähnlich  ist  eine  stelle  in  der  Prise  d'Orange  (ed.  Jonck- 
blopt).     die  erste  laisse  beginnt  105  mit: 

Or  fu  Gnillanmes  as  fenestres  del  mur 

Et  des  Franfois  ot  o  lui  cent  et  plus: 

Ni  a  celui  nait  hermine  vestn. 

Regarde  aval,  si  com  le  chemin  fn, 

Vit  im  chetif,  gut  est  de  l'eve  issu, 

Cest  GiUebers  de  la  cit  de  Leim. 
dann  die  erzählung  von  dessen  flucht: 

Desi  d  Nymes  ne  s'est  aresteuz  tisw. 
«lie  zweite  laisse  beginnt  131: 

Or  fu  Gnillaumes  as  fenestres  J'  bers 

Et  li  chetis  ot  le  Rosne  passe. 

Monte  les  tertres  s'a  les  vans  avale, 

Desi  ä  Nymes  ne  s'i  est  arestez  usw. 
die  zweite  laisse  widerholt  also,  was  die  erste  erzählt  hatte,  mit 
selir  ähnlichen  ausdrücken,  trotzdem  bezieht  sie  sich  auf  «lieselbe 
durch  li  chetis  gegenüber  dem  im  chetif  in  der  ersten. 

Im  Girard  de  Viane  (ed.  Tarb6)  endet  die  erste    laisse  s.  6  f 
so:    Girard  blickt  auf  die  strafse 

Et  voit  venir  .viii.  paiens  mescreant, 

.  XX .  mul  trousses  amenoient  devant ; 

Si  sont  charges  de  richesse  moll  graut. 

Girars  appelle  ses  freres  d  itant: 

'Seignor',  fait-il,  'or  oiez  mon  samhlant. 

Si  voi  venir  sarrasin  mercheant : 

.XV.  mnl  trousses  amenent  devant, 
Que  mar  viennent  d'Espagne.' 
darauf  folgt  die  zweite  laisse  s.  7 : 

Li  damoisel  firent  molt  d  prisier : 

Les  somiers  voient  ou  grant  chemin  plainnier. 

Girars  le  moinres  en  appella  Rainier: 

'Sire',  fait-il,  'd  celer  ne  le  quier, 

Moi  est  avis,  si  viennent  .xx.  somier, 

Qui  sont  charges  et  d'argent  et  d'or  mier  usw. 

'  der   franzüsisdie    Fierabras   (ed.  Kröber   und   Servois)   weiclit   liier 
ab:  s.  2. 


168  tF.N  TIRINK    nF.OWlJLF 

die  beiden  laisses   sind  similär,    aber  die  zweite  weist  durcb  les 
somiers  auf  die  erste  zurück. 

Es  ist  deninacb  nicht  nur  oft  unmöglich,  eine  von  zwei 
laisses  similaires  auszuscheiden,  wie  man  schon  lange  erkannt 
hat,  sondern  man  kann  mitunter  nicht  einmal  jene  verse  der 
einen  oder  der  anderen  laisse  streichen,  (hirch  welche  sie  similär 
sind.  vgl.  die  parallelerzählungen  im  Alphart  47 — 55,  2  und  55, 
3—67.  55,3  beginnt:  nü  hebe  mir  ze  Berne  daz  guot  liet  wider  an. 

Durch  die  angeführten  drei  stellen  ist  der  beweis  für  zwei 
Versionen  des  vierten  Beowulfabenteuers  erbracht:  denn  'drei 
evidente  fälle  wiegen  schwerer  als  ein  dutzend  solcher  fälle,  bei 
denen  allenfalls  verschiedene  auffassung  möglich  wäre',  s.  129. 
zu  den  letzteren  scheint  ten  Brink  demnach  die  im  folgenden 
besprochenen  fälle  zu  rechnen,  das  ist  sehr  auffallend,  denn 
gleich  s.  130  wird  einer  hervorgehoben,  der  wol  jedem  lescr 
schwerer  vorkommen  wird  als  die  obigen,  das  sind  die  ver- 
schiedenen Vorstellungen  von  dem  drachenhort,  wie  sie  einerseits 
2210  —  2280,  andererseits  3049  —  3057  und  3069  — 3073  zum 
ausdrnck  zu  kommen  scheinen,  nach  der  ersten  hat  der  schätz 
300  johre,  2278,  —  nach  der  anderen  1000  jähre  in  der  erde  ge- 
ruht, 3050,  —  nach  der  ersten  ein  vereinsamter  alter  ihn  in  die 
hiihle  gebracht,  nach  der  zweiten  haben  ihn  'hohe  herscher', 
peödnas  mcere  3070,  dort  geborgen  und  denjenigen  mit  einem 
tluche  belegt,  der  ihm  zu  nahe  käme,  überdies  scheint  3060  zu 
besagen ,  dass  der  drache  mehrere  Wächter  des  Schatzes  ge- 
tütet habe  Weard  (kr  ofslöh 

fedra  sumne, 
während  nach  2269  ff  <ler  alte  bei  seinem  schätze  starb,  den  erst 
darauf  der  drache  in  besitz  nahm,    demnach  wird  auch  von  ten  Brink, 
obwol  er  dem  kriterium  weniger  Wichtigkeit  beilegt  als  den  ersten 
drei,   die  erste  stelle  seinem  F,  die  zweite  seinem  G  zugewiesen. 

Aber  selbst  dieses  anscheinend  schlagende  argumeut  scheint 
es  nur.  bekannt  ist  die  mauier  der  Beowulfdichtung,  unvoll- 
ständige angaben  über  einen  Vorgang  bei  einer  späteren  gelegen- 
heil  zu  ergänzen;  siehe  die  erwähnungen  von  Hygelacs  zug  nach 
dem  Frankenland  1202  ff.  2354  ff.  2910  ff,  das  leben  Beowulfs 
zwischen  den  erzählten  abenteuern:  2200  ff  rede  des  dichters, 
2426  ff  (erster  monolog  Beowulfs),  2511  ff  (zweiter  monolog),  2900  ff 
(botenrede).  etwas  ähnliches  wird  hier  vorliegen:  2210  ff  werden 
die  jüngeren,  3049  ff  die  älteren  geschicke  des  Schatzes  erzählt. 
<ler  alte,  <ler  von  einem  grofsen  geschlecht  allein  übrig  geblieben, 
hat  allerdings  in  längst  vergangenen  Zeiten,  on  geärdagum  2233, 
den  schätz  in  die  höhle  gebracht,  aber  der  schätz  stammt  aus 
dieser  höhle;  der  alte  spricht  sie  ja  an: 

Heald  pü  nü  hrüse,  nü  hwJed  ne  möstan, 

eorla  cehle!  Hiocet,  hyl  ä-r  on  pe 

göde  hegedton. 


TEN  nniNK    nEOVVlILF  169 

also  das  kühne  geschlrclit,  dem  der  alte  angehört,  hat  den  schätz 
aus  der  höhle  entnommen,  oder  er  ist  ihm  irgendwie  aus  der 
höhle  zugekommen.  —  die  spätere  stelle  deutet  au,  wie  diese 
trefllichen  zu  dem  schätz  in  der  höhle  gekommen  seien,  vor  ihnen 
halte  ihn  einer  geraubt  und  dabei  die  Wächter  erschlagen,  diese 
Wächter  waren  wahrscheinlich  gesetzt  von  jenen  erhabenen  fürsten, 
Peödnas  mehre,  die  den  tluch  auf  den  schätz  gelegt  hatten,  von 
den  ersten  herren  desselben,  ich  glaube,  es  ist  keine  andere 
auftassung  möglich. 

Der  drache  lag  tot  bei  den  uralten  schätzen: 

3049  swd  hie  wid  eordan  fwdm 

3050  püsend  wintra  ßwr  eardodon. 
ponne  wo's  pCBt  yrfe  edcencroßftig, 
iümonna  gold,  galdre  beiounden, 
pcel  pdm  hringsele  hrinan  ne  moste 
gnmena  d>nig,  nefne  god  sylfa, 

3055  sigora  södcyning,  sealde  pdm  pe  he  wolde 

(he  is  manna  gehyld)  hord  openian 

efne  swd  hwylcnm  manna,      swd  him  gemet  (nihte. 
pd  tocEs  gesyne,  pcet  se  sid  ne  pdh 

pdm  pe  unrihte  inne  gehydde 

3060  icrwte  (hs.  wrcBce)  nnder  wealle,     loeai'd  är  ofslöh 
fedra  snmne:  pd  siö  ßced  geweard 

gewrecen  wrddlice.  Wundur,  hwdr  ponne 

eorl  ellenröf  ende  gefere 

Ufgesceafta,  ponne  leng  ne  mag 

3065  mon  mid  his  mdgum  meduseld  bnan. 

Swd  w(Bs  Biöwulfe,  pd  he  biorges  weard 

söhte,  searonidas:  seolfa  ne  ckde, 

purh  htowt  his  worulde  geddl     weordan  sceolde. 
Siod  hit  öd  dömes  diHg         diöpe  benemdon 
3070  peödnas  mcere,  pd  pcet  pwr  dydon, 

pa>t  se  secg  wcere  synnum  scildig, 

hergum  geheaderod,  hellbendum  fcest, 

wommum  gewitnad,  se  pone  wong  strude. 

so  dunkel  einiges  ausgedrückt  ist,  so  scheint  mir  der  sinn  des 
ganzen  doch  deutlich,  die  schätze  haben  1000  jähre  in  der  erde 
geruht,  am  beginne  dieser  zeit  war  ein  fluch  auf  sie  gelegt 
worden,  der  jeden  menschen  —  gnmena  cenig  3054,  secg  3071 
—  trelTen  sollte,  der  ihnen  nahte,  ausgesprochen  von  den 
iütnenn  3052,  denselben,  die  später  3070  peödnas  märe  ge- 
nannt werden,  —  es  sei  denn,  dass  gott  diese  schätze  jemandem 
zuwenden  wollte,  war  dies  nicht  der  fall ,  so  zeigte  sich  die 
kraft  des  fluches.  so  an  jenem  ungenannten  manne,  der  die 
kleinodien  in  der  höhle  geraubt  hatte  3059  —  gehi/dde  von  ge- 
hi'/dan,  nicht  gehydan,  jüngere  form  für  gehydde — ,  nachdem 
er  die  Wächter  erschlagen,  wenn  die  ersten  besitzer  sich  nicht 
A.  F.  D.  A.   XV.  12 


170  TEN  DRINK    ßEOWÜLP 

mit  einem  zauborkräftigen  fluclie  begnügteo,  sondern  noch  Wächter 
aulstellten,  so  hatten  diese  wol  die  aufgäbe,  den  räuber  zu  warnen, 
und  waren  ^'ewis  keine  menschen  von  gewöhnUcher  lebensdauer. 
denn  was  hätte  deren  amt  dann  für  einen  sinn  gehabt? 

Dieser  ungenannte  räuber  erhielt  auch  seine  strafe:  er  fand 
seinen  Untergang  wahrscheinhch  durch  feinde  —  seö  fdhd  geioearJ 
gewrecen  wrddlice  3061.  das  muss  aber  auf  irgend  eine  ungc- 
wöhnhche  weise  geschehen  sein ,  denn  die  folgende  allgemeine 
betrachtung  wundur,  Juodr  3062  und  ihre  beziehung  zu  dem 
folgenden  satz  ist  gewis  richtig  von  Sievers  erklärt  worden,  Bei- 
träge 9,  143.  'wun<lerbar  ist  es,  wo  der  held'  (d.i.  irgend  ein 
held) 'sein  ende  erreicht,  wenn  er  nicht  länger  unter  den  seinen 
mehr  weilen  soll,  so  wüste  auch  Beowulf  nicht,  was  sein  Schicksal 
sein  sollte.'  das  fehlen  der  copula  bei  wundur  hat  seine  parallelen 
etwa  Beowulf  879  oder  Menologium  15.  19.  die  erwähnung  von 
Beowulfs  tode,  der  ja  eine  folge  des  fluches  war,  führt  den  dichter 
wider  auf  diesen  zurück,  der  nun  mit  einem  grofsen  aufwand 
pathetischer  redensarten  als  etwas  sehr  gefährliches  und  schauer- 
liches dargestellt  wird. 

Wenn  nun  nach  2248  ff  die  verwandten  jenes  alten  mannes 
2233  ff,  der  den  schätz  in  die  höhle  zurückbringt,  diesen  einst  in 
derselben  erlaugt  hatten,  so  ist  entweder  anzunehmen,  dass,  nach- 
dem der  räuber  von  3059  gestorben,  der  schätz  wider  in  die 
höhle  zurückgelangte  und  später  dem  geschlechte  des  alten  von 
2233  ff  zufiel ;  oder  dass  dieser  in  den  worlen  2248  ff  hü  dr 
071  pe  göde  hegeäton  auch  den  räuber  von  3059  einbegriffen  habe, 
der  auf  veranlassung  oder  zum  vorteile  des  geschlechtes  des  alten 
den  raub  begieng  oder  als  ihr  verwandter  ihn  ihnen  nach  seinem 
tode  vererbte,  in  keinem  fall  ist  an  dem  ausdruck  'tausend  jähre' 
3050  anstofs  zu  nehmen,  wenn  der  schätz  innerhalb  derselben 
durch  ein  par  generationen  nicht  in  der  höhle  war,  sondern 
menschen  zum  gebrauche  diente,  menschen  oder  epischen  heroen ; 
denn  dass  die  reihenfolge  der  begebenheiten  an  den  verwünschten 
Nibelungenhort  Hreidhmars,  an  die  gewinnung  desselben  durch 
Siegfrid  von  Schilbung  und  Nibelung,  au  Siegfrids  tod  und  den 
Übergang  des  Schatzes  an  die  burgundischen  kouige  erinnert, 
welche  alle  ein  furchtbares  geschick  ereilte,  das  sieht  jeder, 
allerdings  ist  die  erinnerung  an  diese  sage  ebenso  verwirrt  als 
die  an  Sigemund  875  ff,  s.  Anz.  x  228,  und  die  Vorstellung  vom 
Ursprünge  des  Nibelungenhortes  ist  eine  andere  als  dort. 

Aber  es  gibt  noch  andere  fälle,  wo  'das  Vorhandensein  ver- 
schiedener Varianten  mit  bänden  zu  greifen  ist';  so  nach  ten  Brink 
s.  84  f  vv.  1687  und  1698.  wird  doch  sogar  zweimal,  1687  und 
1698  f,  der  beginn  von  Hrodhgars  rede  und  damit  der  folgende 
abschnitt  angekündigt: 

1687  Hröägär  madelode,      hyll  scedivode, 

ealde  fdfe,  on  pdm  W(£s  6r  writen 


TKN  Unimi    BKOVVUf-F  171 

fymgewimies :  syddan  ßöd  ofsUli, 

1G90  yifen  gedtende,  giyanta  cyn, 

frecne  yeferdon:  pa>t  wies  fremde  /jeöd 

ecean  dryhtne,  him  pi£s  endeledu 

purh  wcßteres  xoylm  loaldend  sealde. 

Swd  wu'S  on  pmm  sceiinum      sciran  goldes 
1695  pu7h  rnnstafas  rihte  yemearcod, 

geseted  and  yeswd,  hwdm  pwt  atoeord  yeworht, 

irena  cyst,  cerest  wdre, 

wreodenhilt  and  toyrmfdh.        Pd  se  wisa  sfrcec 

sunu  Healfdenes  (sivigedon  ealle): 

1 700  Pcet  Id  mcBy  secyan  usw. 
da  von  zwei  iiiquit  uur  eines  unentbehrlich  ist,  muss  das  zweite 
eine  Variante  sein ,  schliefst  demnach  ten  Brink.  dass  der  dichter 
[)ei  dem  ersten  einen  begleitenden  umstand  erwähnt  und  sich 
von  diesem  so  lange  ableiten  lässt,  bis  er  es  liir  nötig  findet, 
mit  einem  zweiten  wider  einzulenken,  ist  offenbar  unmöglich, 
da  möchte  man  doch  wissen,  wie  ten  Brink  den  anlang  des  VVidsidh 
erklärt  oder  widerherstellt: 

Widsid  madelode,       wordhord  onledc, 

se  pe  [monna]  mdest  md'gda  ofer  eordan, 

folca  geondferde:  oft  he  [on]  flette  yepah 

myneUcne  mdddum.  Him  from  Myrgingum 

5  (Bdelu  onwöcon.  He  mid  Ealhhttde, 

fcelre  freoduwebban,  forman  side 

Hredcyninges  hdm  gesöhte, 

edstan  of  Ongle,  Eormanrices, 

wrddes  locßrlogan.  Ongon  p d  worn  sprecan: 

10  Fela  ic  monna  gefrcegn  usw. 
das  gleiche  findet  sich  zb.  in  der  Babenschlachl  str.  473  und  474 : 
473  Der  werde  vogt  von  Berne 

zuo  den  sinen  sprach, 

(daz  sult  ir  hoeren  gerne) 

du  er  dort  her  zogen  sack 

Emriches  helfcere. 

der  was  so  vil,  als  ims  saget  daz  miere, 
AI  4:  Tal  nnde  Uten 

daz  was  allez  vol. 

nü  hcert  an  disen  ziten, 

waz  ich  iu  mere  sagen  sol. 

der  künec  von  Rcemisch  lande 

sprach  zuo  dem  alten  Hildebrande: 
oder  Str.  884  und  886.     auch  die  trage  Dietrichs  an  Witig  wird 
zweimal  angekündigt  str.  929  und  934.    allerdings  hat  auch  hier 
die    epische    kritik    anstofs   genommen;    siehe   Wegener    im   er- 
gänzungshand  zur  Zs.  f.  d.  phil.  533.  574. 

Im  Beowult  sollen  diesem  doppelten  inquit  im  lölgenden  zwei 

12* 


172  TEN  naiMi  nEOwni.F 

reden  Hrodhgars  entsprechen,  das  lieifsl  die  rede  1700 — 1784  wird 
aufgefasst  als  die  Vereinigung  einer  längeren  170011  und  einer  kür- 
zeren 1769  11,  der  schluss  1782 — ,1784  gehöre  auch  zur  längeren 
rede,  1723 — 1768  sei  eine  interpolalion.  aber  wenn  1769  IT 
als  selbständig  aufgefasst  wird,  so  sieht  man  nicht,  worauf  sich 
das  swd  im  anlang  bezieben  soll:  swd  ic  Hringdena  hund  missera 
weöld  Wider  wolcnnm  — ,  während  der  bezug  auf  die  vorher- 
gehende so  geoannte  Interpolation  ganz  deutlich  ist.  wenn  diese 
eine  'homilie  über  das  wechselvolle  geschick  der  menschen'  ist, 
so  fährt  Hrodhgar  ganz  passend  fort:  so  war  ich  einmal  ein 
mächtiger,  glücklicher  könig  und  habe  dann  doch  Grendels  feind- 
schaft  erdulden  müssen. 

Sehr  weitgehende  folgerungen  werden  aus  den  Worten  Hrodh- 
gars 1330  ff  gezogen,  der  könig  beklagt  den  tod  ^scheres  durch 
Grendels  mutler: 

1330   Weard  him  on  Heorote  tö  handbanan 

woilg  st  wwfre ;  ic  ne  lodt  hwcßper 

atol     se  wlanc  eftsidas  tedh, 

fylle  gefrd'gnod.  Heö  pd  f  hde  wrwc, 

pe  pH  gy Siran  niht  Grendel  cwealdest 

1335  pnrh  hd'stne  hdd  heardnm  dammum, 

forpan  he  tö  lange  leöde  mine 

wanode  and  wyrde.  He  wt  wige  gecrang 

ealdres  scyldig,  and  nü  öder  ctoom 

mihtig  mdnscada,  wolde  hyre  mg    wrecan. 

1345  ff  sagt  Hrodhgar  weiter,  dass  er  seine  leute  von  zwei  ge- 
waltigen markgängern ,  welche  die  moore  bewohnten,  habe  reden 
hören;  der  eine  sei  einem  weihe  ähnlich  gewesen,  der  andere 
einem  manne,  letzterer  war  Grendel.  1357  ff  beschreibt  der 
könig  die  behausung  der  unholde. 

Nun  weist  ten  ßrink  s.  95  f  auf  den  Widerspruch  hin,  dass 
der  könig  erst  erklärt,  1331,  er  wisse  nicht,  welcher  von  den 
beiden  dämonen  yEschere  getötet  habe,  während  er  es  nach 
1333''  wisse,  es  sei  demnach  1332 — 1344  zu  streichen,  sodass 
1345  IT  als  erklärung  des  ic  ne  wdt  hwwper  1331''  sich  unmittelbar 
an  dieses  anznschliefsen  habe,  da  der  mörder  /lascheres  dieser 
darstellung  nach  unbekannt  war,  man  zwischen  Grendel  und 
jenem  weib  die  wähl  hatte,  so  richtete  sich  natürlich  die  auf- 
merksamkeit  Hrodhgars  wie  Beowulfs  besonders  auf  Grendel ,  wie 
ja  auch  der  könig  1377  ff  sage: 

eard  git  ne  const, 
frecne  stöioe,  pär  pu  findan  miht 

Ifela]  sinnigne  secg 
und  Beowulf  1392.  1394  auch  durch  das  pronomen  he  auf  einen 
männlichen- gegner  hindeute,    die  folgende  unternehmungBeowulfs, 
der  kampl  auf  dem  meeresgrund  sei  in  erster  linie  gegen  Grendel 
gerichtet,     demnach  blicke   hier  eine  darstellung  durch,    welche 


TEN  BBI^K    BEOVVDLF  173 

ein  parallellied  zu  dem  kanipl"  BeowuUs  mit  Grendel  in  lleorot 
bildete,  —  dieses  lied  hatte  ungetähr  folgenden  gang  gehabt. 
Grendel  und  seine  mutier  haben  verderbliche  besuche  in  Heorot 
gemacht.  BeowuU  kommt  an  den  hoi'  des  Dänenkönigs,  um  die 
unholde  zu  bekämplen.  .Eschere  wird  getötet,  während  Beowult 
nicht  in  Heorot  ist.  ob  Grendel  oder  die  mutter  der  morder  ist, 
weifs  man  nicht.  Beowult"  sucht  beide  dämonen  im  meere  auf  und 
tötet  sie  daselbst,  s.  97.  im  weiteren  wird  der  versuch  gemacht, 
die  reste  dieses  als  ganzes  verlorenen  liedes ,  welches  ten  Brink  X 
nennt,  in  den  versen  von  C  und  D,  das  ist  den  bearbeitungen 
des  zweiten  abenteuers,  Beowulfs  kämpf  mit  Grendels  multer, 
welche  der  ordner  des  Beowulfgedichtes  zu  einer  fortlaufenden 
erzählung  contaminiert  habe,  zu  bestimmen.  —  die  existenz 
eines  liedes  mit  dem  inhalt  von  X  hat  schon  FSchneider  in 
seinem  programm  Der  kämpf  mit  Grendels  mutter,  Berlin  1887, 
zu  erweisen  gesucht,  nur  zum  teil  mit  anderen  gründen. 

Ten  Brink  legt  das  hauptgewicht  auf  die  verse  1331  ff.  dass 
llrodhgar  nicht  wisse  und  wisse,  wer  .Eschere  getötet,  sei  ein 
Widerspruch  'gleich  geheimnisvoll  für  kluge,  wie  für  toren';  s.  96. 
das  wissen  gebore  dem  dichter  C,  dem  verf.  des  einen  liedes  von 
Beowulfs  kämpf  mit  Grendels  mutter,  welches  den  ersten  kämpf 
mit  Grendel  in  Heorot  voraussetze ,  oder  seinem  interpolalor, 
das  nichtwissen  der  darstellung  von  X  au.  aber  wenn  wir  uns 
der  darstellung  vom  tode  .Escheres  erinnern,  dass  Grendels 
multer  in  finsterer  nacht  ihren  besuch  bei  Heorot  machte,  und 
als  einige  männer  aufsprangen,  nur  einen  schlafenden  .Eschere 
sowie  die  band  ihres  sohnes  ergriff  und  sich  auf  die  flucht  begab, 
also  kein  kämpf  stattfand,  in  welchem  die  Dänen  hätten  er- 
fahren und  dann  dem  köuige  sagen  können ,  wer  ihr  gegner  ge- 
wesen, dann  werden  wir  es  auch  wahrscheinlich  finden,  dass 
dieser  in  seiner  rede  an  Beowulf,  der  noch  gar  nichts  von  dem 
vorfalle  weifs,  seine  Vermutungen  über  die  person  des  feindes 
ausspricht,  eine  Vermutung  wird  nun  ganz  passend  so  ausgedrückt, 
dass  man  erst  erklärt:  ich  weifs  nicht,  wer  es  gewesen,  es 
möchte  aber  wol  der  oder  der  gewesen  sein,  das  hat  jedesfalls 
derjenige  gemeint,  der  den  vers  ISSS*"  geschrieben,  wenn  wir 
nicht  die  ten  Brinkschen  hypolhesen  von  einem  Hede  X  neben 
C  und  D  noch  durch  die  annähme  eines  vierten  liedes  vermehren 
wollen,  nach  dessen  darstellung  jeder  zweifei  über  die  person  des 
nächtlichen  augreiiers  beseitigt  wird,  etwa  durch  einen  längereu 
ringkampf  oder  fackelbeleuchtung.  wenn  wir  dabei  eine  con- 
junction  vermissen,  die  den  Übergang  von  dem  gedanken  'ich 
w eils  nicht ,  wer  von  beiden  es  war'  zu  dem  anderen  'es  war  die 
mutter'  bilde,  so  ist  das  unsere  schuld,  denn  dass  unsere  nhd. 
conjunctionen  in  den  mittelalterlichen  sprachen  oft  nicht  nötig 
sind,  ist  eine  bekannte  sache.  wie  für  das  mhd.  und  altn.  so 
gilt  das  auch  vom  ags.;   siehe  Beowulf   1080  'aber  auch',    1175 


174  TEN  BRIMi    BEOWULF 

'aber',  1202  'uachmals',  Cynewulf  Crist  1187''  'aber'  oder  'nur', 
Elene  169  'aber',  Rätsel  41,  52.  70  'andererseits',  'und  doch', 
auch  zu  dem  forpon  im  Seefahrer  33.  58  ist  eine  adversaliv- 
partikel  hinzuzudenken,  wodurch  allein  die  passende  bedeutung 
'trotzdem',  'nichts  desto  weniger'  erzielt  wird,  ein  schwanken 
zwischen  wissen  und  nichtwissen  kommt  auch  in  der  Raben- 
schlachl  vor,  str.  15  weifs  Rüdiger  die  Ursache  von  Dietrichs 
kummer,  dennoch  geht  er  auf  Heichens  auftrag  zu  ihm,  um  diese 
Ursache  —  offenbar  genauer  und  umständlicher  —  zu  erfahren. 
Was  fela  sinnigne  secg  1 379  anbelangt,  so  beweist  dies  gar  nichts 
lür  ten  Rrink,  der  könig  weifs  ja,  nach  meiner  auffassung,  nicht 
sicher,  ob  Grendel  noch  am  leben  ist  oder  nicht,  er  hat  ja  1333  ff 
nur  Vermutungen  ausgesprochen,  er  weifs  nur,  dass  Grendel  in 
Heorot  schwer  verwundet  worden,  er  weifs  ebenso  wenig  gewis,  dass 
Grendels  multer  die  mörderin  iEscheres  war.  er  konnte  also  1379 
in  der  tat  an  Grendel  denken,  den  wichtigeren  der  beiden  dämonen, 
—  aber  auch  an  die  mutter,  welche  Reowulf  2136  grimue  gryre- 
Ucne  gnmdhyrde  nennt,  dasselbe  gilt  von  he,  das  Reowulf  1392. 
1394  von  seinem  gegner  brauclit.  Reowulf  weifs  ja  noch  weniger 
als  Hrodhgar  von  dem  nächtlichen  abenteuer ,  nämlich  nur  was 
dieser  ihm  in  der  rede  1322  ff  mitgeteilt  hat. 

Zu  dem  bestände  von  X  rechnet  ten  Rrink  auch  1345 — 1380. 
aber  1376''  heilst  es:  nü  is  räd  gelang  eft  cet  pe  dnum.  das 
allitterierende  eft  müste  dann  jedesfalls  dem  ordner  angehören, 
wie  nach  ten  Rrink  s.  100  im  vers  1687  Mit  für  heafod,  in  dem 
auch  X  zugeschriebenen  stücke  1684 — 1687,  obwol  hilt  durch 
1677  sehr  gut  eingeleitet  ist. 

Weilgehend  ist  auch  folgendes,  ten  Rrink  glaubt  den  schluss 
des  ersten  liedes  nach  einer  ursprünglicheren  darstellung  von  A  in 
der  abschiedsscene  zwischen  Hrodhgar  und  Reowulf  18 18  ff,  einem 
teil  der  darstellung  C,  also  des  zweiten  liedes,  gefunden  zu  haben, 
denn  sie  passe  nicht  zu  der  Voraussetzung  des  zweiten  abenteuers. 
in  diesem  nämlich  hat  Hrodhgar  Reowulf  für  die  besiegung  von 
Grendels  mutter,  oder  überhaupt  für  bestehung  des  kampfes  unter 
dem  Wasser,  geschenke  in  aussieht  gestellt  1380.  1784.  da  hier 
aber  bei  der  abschiedsscene  1818  ff  keine  geschenke  vorkommen, 
setze  diese  scene  blofs  das  erste  abenteuer,  den  kämpf  mit 
Grendel  in  Heorot  voraus,  dafür  sind  die  geschenke  schon  ge- 
geben 1020  ff,  es  folge  nunmehr  der  abscbied  Reowulfs  vor  der 
heimreise  ins  Geatenland,  dieser  sei  aber,  als  man  das  zweite 
abenteuer  an  das  erste  auschloss,  hinter  dieses  gestellt  worden, 
der  erstaunte  leser  wendet  ein:  aber  es  folgt  ja  eine  zweite  be- 
schenkung  nach  181811,  nämlich  1866 

pd  git  Mm  eorla  Meö  inne  gesealde, 

mago  Healfdenes,  tnddmas  twelfe  usw.! 

richtig,    aber  die  verse  1866  ff  sind  nach   s.  86  f  zu  dürftig  und 
unterbrechen    den   'feineren    Zusammenhang',    der    zwischen    den 


TEIN   BRIKK    liEOWULF  175 

l'reundlichen  Worten  Hrodhgars  an  Beovvulf  1841  — 1865  und 
dem  küsse,  den  er  ihm  gibt,  besteht,  sodass  sie  nicht  dem  dichter 
C,  sondern  dem  jüngeren  D  zuzutrauen  sind,  nicht  einmal  die 
möglichkeit  wird  zugegeben,  dass  etwa  eine  erzählung  von  der 
beschenkung,  wie  C  sie  bot,  durch  verse  ähnhchen  inhalts  aus  Ü 
ersetzt  wurde,  also  ein  dichter,  der  sonst  —  in  ein  par  hundert 
Versen  —  sich  oft  recht  ausführlich  zeigt,  kann  sich  nie  knapp 
ausdrücken ,  und  dass  Hrodhgar  Beovvulf  liebte ,  müsse  dem  leser 
durch  vier  verse ,  in  denen  von  geschenken  die  rede  ist ,  not- 
wendig so  aus  dem  gedächtnis  entschwunden  sein ,  dass  er  nicht 
begreift,  wie  Hrodhgar  1871  Beowulf  einen  kuss  geben  und 
dabei  thränen  vergiefsen  kann!  die  athetese  von  1867  — 1871 
rührt  übrigens  schon  von  Müllenhoff  her. 

Ten  Brink  ist,  wie  wir  gesehen  haben,  von  der  Sicherheit 
der  formellen  kritik  so  überzeugt,  dass  er  so  grobe  argumente 
wie  sachliche  Widersprüche  nur  in  zweiter  linie  behandelt  oder 
ganz  übergeht,  so  ist  es  einer  der  sichersten  Widersprüche ^  im 
Beowulf,  deren  ich  Müllenhoff  folgend  im  Anz.  x  234  f  viel  zu 
viel  angenommen  habe,  dass  Grendel  nach  801  IT.  987  1V  durch 
eisen  nicht  verwundet  werden  kann,  während  ihm  Beowulf  1572 
bis  1590  mit  einem  Schwerte  den  köpf  abschlägt.  1570—1590 
wird  nach  s.  78  dem  dichter  D  zugewiesen,  der  nach  s.  99 
hier  aus  X  schöpfte,  der  angenommenen  urgestalt  des  ersten  und 
zweiten  abenteuers,  nach  welcher  der  erste  kämpf  schon  auf  dem 
meeresgrunde  stattgefunden  habe,  die  verse  801  fl'  sind  nach 
s.  40  ff.  55  eine  Interpolation  in  A,  987  ff  wird  s.  66  C  zu- 
geschrieben, aber  gar  nicht  hervorgehoben,  dass  C  und  D  (X)  in 
bezug  auf  die  verwundbarkeit  Grendels  durch  eisen  verschiedene 
anschauungeu  hatten,  auch  s.  18  werden  die  verse  161  — 169 
zwar  als  'vordiaskeuastische  Interpolation'  bezeichnet,  aber  es 
wird  nicht  gesagt,  dass  162  f  die  behauptung,  die  menschen 
wüsten  Grendels  wohnsitz  nicht  —  siehe  Ciist  und  satan  32 
god  äna  wät  hü  he  pcet  scyldige  wenid  forscrifen  hefde  — ,  gegen 
1357  If  streitet,  wo  Hrodhgar  es  weifs,  —  und  162  f  sinnihte  heöld 
misliye  möras  gegen  167,  wo  Grendel  in  der  nacht,  sweartum 
nihtnm,  sich  in  Heorot  aufhält,  trotzdem  gehören  natürlich  sach- 
liche Widersprüche  zu  ten  Brinks  apparat  wie  zu  Lachmanns  und 
Müllenhofls,  siehe  zb.oben  s.  162. 168.  und  sachliche  Widersprüche 
werden  in  der  kritischen  praxis  ziemlich  allgemein  als  verhältnis- 

1  für  ganz  zweifellos  halle  ich  ihn  auch  nicht,  denn  in  der  Thoisteins 
saga  Vikingssonar  begegnet  auch  ein  durch  eisen  unverwundbarer  troll, 
Faxi ,  der  doch  schliefslich  durch  eisen  verwundet  wird,  nur  wird  die  sache 
gewisser  mafsen  erklärt.  FAS  2,  446.  448  ist  von  seiner  unverwundbarkeit 
durch  eisen  die  rede,  an  letzterer  stelle  wird  hinzugefügt,  nicht  einmal  das 
Schwert  Angrvadhill  könne  ihm  etwas  anhaben,  wol  aber  ein  gewisses  messer 
efpü  kein?'  honum  hagliga  vilt.  das  geschieht  dann  s.  450.  es  ist  demnach 
möglich,  wenn  auch  nicht  wahrscheinlich,  dass  die  unverwundbarkeit  Grendels 
durch  eisen  auch  nicht  als  eine  absolute  gemeint  gewesen  sei. 


176  TEN  BRlMv    UEOVVULF 

iiiäfsig  sichere  krilerien  verwendet,  sowol  um  chronologisch  sich 
ablösende  einzellieder  zu  erhalten,  als  um  den  hericht  einer 
episode  in  zwei  parallellieder,  welche  zusammengearbeitet  wurden, 
zu  zerlegen,  wenn  auch  in  der  classischen  wie  in  der  deut- 
schen Philologie  schon  ott  aul  ähnliche  erscheinungen  hingewiesen 
wurde  in  werken,  an  deren  einheit  zu  zweifeln  kein  grund  ist, 
oder  die  sich  wenigstens  äulserlich  als  eine  einheit  darstellen, 
bei  diesen  letzteren  ist  aber  oft  grund  vorhanden,  au  ihrer  ein- 
heillichkeit  zu  zweifeln,  oft  wissen  wir  es  bestimmt,  dass  hier 
werke  vorliegen,  die  von  späteren  bänden  interpoliert  oder  fort- 
gesetzt wurden;  so  zb.  in  Wisses  und  Colins  Parzival,  das  ist 
dem  Wolframschen  gedieht,  zwischen  dessen  13  und  14  buch  fort- 
setzuugen  des  Chrestienschen  Werkes  eingeschoben  sind ,  nach 
denen  zb.  Parzival  und  Condwiramurs  noch  nicht  verheiratet  sind, 
oder  der  schluss  von  Konrads  Trojanerkrieg,  indem  nach  41344. 
41955  der  raub  der  schätze  durch  Paris  als  frevel  gegen  Menelaus 
fast  der  enlführung  Helenas  gleich  gestellt  wird,  während  bei  der  er- 
zählung  von  der  entführung  ein  raub  der  schätze  gar  nicht  erwähnt 
wird  2251911'.  26516.  es  beruht  dies  darauf,  dass  der  fortsetzer 
Konrads  sich  an  Dictys  und  vielleicht  auch  au  Benoit  hielt,  bei  dem 
dieselbe  Vorstellung  herscht,  Konrad  aber  bei  der  entführungsge- 
schichte  nicht  Benoit,  sondern  Ovids  Herolden,  Epistula  Paridis  et 
Helenae  gefolgt  ist,  wo  natürlich  von  schätzen  keine  rede  sein  kann. 
Aber  auch  in  der  seele  6ines  dichlers  können  sich  wider- 
streitende Vorstellungen  ablösen  oder  sogar  zu  gleicher  zeit  vor- 
kommen, nicht  nur  kann  der  dichter  vergessen ,  was  er  vor 
längerer  zeit  sich  vorgestellt  und  uns  erzählt  hat,  es  können  seine 
Vorstellungen  über  einen  bestimmten  puuct,  eine  episode  seiner 
erzählung,  von  haus  aus  nicht  klar  und  bestimmt  gewesen  sein, 
beides  nimmt  sogar  Martin,  der  doch  sonst  lieder  herzustellen 
sucht,  für  den  Alphart  wie  für  Dietrichs  flucht  und  die  Raben- 
schlacht an,  s.  xxn.  XL.  L  der  einleitung.  vollkommen  klar,  be- 
stimmt und  widerspruchslos  können  sie  ja  gar  nicht  sein,  das 
ist  von  einer  fiii^tjOig  natürlicher  ereignisse  mit  dem  material 
von  Vorstellungen  und  Worten  gar  nicht  zu  erwarten,  man  sieht 
das  vor  allem  au  den  chronologischen  und  topographischen  an- 
gaben oder  Voraussetzungen  der  dichter,  es  kann  unseren  grofsen 
Philologen  der  Vorwurf  nicht  erspart  werden,  dass  sie  dies  öfters 
übersehen  und  von  kunstwerken  einen  Zusammenhang  und  eine 
folgerichtigkeit  verlangt  haben,  wie  sie  nur  der  natur  zukonnnt, 
und  von  der  klarheit,  zu  welcher  die  dichter  ihre  Vorstellungen 
durchgebildet  hätten,  eine  übertriebene  meinung  hegen;  siehe  Anz. 
X  235  f.  obwol  gerade  Lachmann  schon  im  jähre  1816  auf  stellen 
in  den  Nibelungen  hingewiesen  hat,  wo  der  dichter  durch  ein- 
schiebung  der  anschauungsweise  seiner  person  einen  Widerspruch 
mit  der  Voraussetzung,  dass  Ilagen  spräche,  hervorgebracht  zu 
haben   scheint.     96,  1   nämlich   sagt  Hagen    in   seiner   erzählung 


TEN  BRirSK    BEOVVULF  177 

von  Siegtiitls  jugentltalen:  die  sluoc  sit  mit  zorne  diu  Sifrides 
haut,  und  reken  siben  hundert  txoanc  er  von  Nibehmge  lant  Mit 
dem  ynuten  sioerte,  daz  hiez  Palmunc.  Lachmaiiu  neuul  dies  hiez 
eiu  'iiniicliliges  prälerituin',  ürsprüugliche  geslall  s.  73,  dh.  liagea 
halle  heizet  sagen  solleo,  —  und  ebenso  unpassend  sei  in  Hagens 
rede  93,  1  so  wir  hwren  sagen,  Laclmiann  Anmerkungen  s.  20. 
es  wäre  ja  auch  wunderbar,  wenn  eine  künsllerische  Ireiheit,  die 
fasl  in  jedem  modernen  roman  oder  drama  vorkommt,  Verwechselung 
der  person  des  dichters  und  des  beiden,  in  der  mitlelallerHchen 
hlleralur  nicht  begegnete,  sonst  hat  besonders  Bartsch  aul  diesen 
punct  geaclilet,  zu  Berlholds  Crane  1726  s.  220,  zu  Herzog 
Ernst  4385,  zu  Reinlrid  13124.  aufserdem  wäre  etwa  zu  er- 
wähnen Dietrichs  tlucht  522  ff.  3963  ff;  siehe  Martin  li,  Wegener 
im  ergäuzungsband  zur  Zs.  f.  d.  phil.  458.  492,  Bühelers  Konigs- 
lüchler  von  Frankreich  3908  also  dar  vor  stat  geschriben  in 
der  rede  eines  beiden,  aus  dem  allnordischen  habe  ich  aul 
lalle  ähnlicher  art  hingewiesen  WSB  97,  293,  siehe  aufser- 
dem Njala  c.  97  die  erwähnung  der  forn  godord  im  munde 
Skaptis,  bevor  noch  die  neuen  errichtet  sind,  im  allt'ranzösi- 
scheu  epos  habe  ich  angemerkt  Mainet,  Romania  iv  6  se  li 
escris  ne  ment  in  der  rede  Galienens,  und  Aubery  le  Bour- 
going  ed.  Tarb6  s.  64  se  l'estoire  ne  ment  in  der  rede  Auberys, 
Aliscans  ed.  Guessard  s.  245  li  quem  Guillames  —  li  (Rainouard) 
veut  doner  Aelis  d  moillier ,  —  la  fille  au  roi  qui  nous  doit 
justicier.  —  bekannt  ist,  welche  folgerungeo  für  die  entslehung 
der  Odyssee  Kirchhoff  aus  jenen  stellen  des  apologs  gezo-gen  hat, 
an  welchen  der  dichter  mit  Odysseus  die  rollen  tauscht;  siehe 
dagegen  die  schlagenden  einwände  Harteis,  Zs.  f.  öst.  gymn.  1865 
s.  318  ff,  welche  Wilamovvitz-Möllendorff  in  seinen  Homerischen 
Untersuchungen  s.  123  nur  zum  teil  gewürdigt  hat.  natürlich  fehlt 
dergleichen  auch  nicht  im  ags. ,  Byrhtnodh  217  pCBt  ic  wws  on 
Myrcon  miceles  cynnes  sagt  Alfvine  stall pcet  ic  eom.  —  im  Beowulf 
gebort  hierher  vor  allem  die  ahnung  eines  kommenden  krieges  zwi- 
schen Dänen  und  Headhobearden  2029,  welche  durch  das  wissen 
des  dichters  zu  einer  prophezeiung  von  einzelumständen  wird, 
während  Beowulf  sonst  nicht  die  gäbe  in  die  Zukunft  zu  sehen 
wie  ein  prophet  oder  zauberer  zugeschrieben  wird. 

Oft  aber  lassen  sich  äufsere  umstände  erkennen,  welche  in 
der  natur  unvereinbare  Vorstellungen  in  dem  köpfe  eines  dichters 
vereinigt  haben,  wenn  dieser  zb.  seine  quelle  misversteht  und 
auf  deren  autorilät  hin  einen  Widerspruch  in  die  erzäblung  bringt, 
das  ist  der  fall  in  Lambrechts  Alexander.  2724  ist  Darius  in  der 
Schlacht  anwesend,  2852  erfährt  er  durch  einen  brief  davon, 
siehe  Kinzel  s.  xl.  s.  202  —  206.  —  oder  er  hat  mehrere  von 
einander  abweichende  quellen  benutzt;  entweder  so,  dass  an 
einem  punct  der  erzäblung  das  an  einer  früheren  stelle  erzählte 
in  anderer   geslall  vorausgesetzt  wird,  wie  wenn   der  verf.  der 


178  TEN  BRIMK    UEOWULF 

Völsunga  Saga  c.  30  Sigiirdhr  durch  Guttormr,  c.  41  durch  Gunnarr 
und  Högni  ermordet  werden  lässl  uach  mafsgabe  der  zu  gründe 
liegenden  Eddaheder,  —  oder  Rudolf  von  Ems  im  Alexander  diesen 
5963  seinen  letzten  brief  an  Darius  schreiben  lässt,  dem  8126 
doch  noch  einer  folgt,  die  erste  stelle  ist  nach  der  Historia  de 
proeliis,  die  zweite  nach  Curtius  gearbeitet;  siehe  Ausfeld  Über 
die  quellen  zu  Rudolfs  von  Ems  Alexander  s.  20.  —  oder  er 
hat  parallelberichte  für  eine  episode  der  erzählung  vor  sich  ge- 
habt, so  Konrad  im  Trojanerkrieg,  nach  8640.  10425  ist  die 
erwerbung  des  goldenen  vliefses  durch  Jason  ein  raub  an  könig 
Aeetes,  Medea  verrät  vater  und  Vaterland,  indem  sie  ihm  hilft, 
das  widerspricht  der  auffassung  des  dichters,  wie  sie  sich  7616. 
9421  zeigt,  stellen,  an  denen  Aeetes  teilnahmsvoll  bekümmert 
um  Jasons  Schicksal  ist.  so  stellt  die  sache  auch  Benoit  dar 
1767.  aber  Konrad  hat  hier  nicht  allein  Benoit,  sondern  auch 
Ovid  benutzt  und  wird  durch  den  monolog  der  Metamorphosen 
7,  38  prodamne  ego  regna  parentis,  auch  durch  die  Epistula  Medeae 
109  proditus  est  genitor ,  regnum  patriamqne  reliqui  zu  der  erst- 
genannten ihm  eigentümlichen  auffassung  gekommen  sein.  —  der 
verf.  der  Gönguhrolfs  saga  gesteht  FAS  3,  332  seine  verlegenheil, 
in  die  er  durch  die  verschiedenen  berichte  seiner  uns  verlorenen 
quellen  gesetzt  werde. 

Da  nun  für  die  dichter,  welche  Stoffe  der  heldensage  be- 
handelt haben,  auch  eine  pluralitäl  von  quellen,  wahrscheinlich 
in  der  form  von  parallelliedern ,  vorlag,  so  ist  es  möglich,  dass 
alle  oder  einige  Widersprüche  in  ihren  gedichten  sich  auf  diese 
weise  erklären. 

Im  Nibelungenlied  1849  kann  man  zweifeln,  ob  quellen- 
mischung  oder  Vermischung  der  person  des  dichters  mit  der  des 
beiden  vorliege. 

D6  der  strit  niht  anders  künde  sin  erhaben 

(Kriemhtlt  hü  daz  alte  in  ir  herzen  was  begraben), 

dö  hiez  si  tragen  ze  tische  den  Etzelen  snon. 
wie  kund  ein  wip  durch  räche  immer  vreisUcher  tuon? 
man  denkt  natürlich  zunächst  an  die  erzählung  der  Thidhreks  saga 
oder  des  anhangs  zum  Heldenbuch,  nach  welcher  Chriemhilt  ihren 
söhn  reizt,  Hagen  ins  gesiebt  zu  schlagen,  worauf  dieser  ihn  tötet 
und  der  allgemeine  kämpf  beginnt,  es  wäre  ja  möglich,  einmal  dass 
ein  teil  eines  liedes,  welches  diese  Voraussetzung  hatte,  mit  einem  teil 
eines  parallelen  verbunden  wurde,  welches  wie  im  weiteren  verlauf 
des  INibelungenliedes  den  kämpf  durch  Dankwarts  botschaft  aus- 
brechen lässt,  oder  dass  die  Vorstellungen  beider  berichte  sich  im 
köpfe  des  dichters  so  vereinten,  dass  die  zweite  den  vorrang  er- 
hielt, die  erste  aber  einmal  durchblickte,  recht  wahrscheinlich  ist 
keine  dieser  alternativen,  vor  allem  weil  die  vorhergehende  Strophe 
1848  auf  die  errnordung  der  knechte  hinweist,  die  stattfinden 
sollte,  während  Chriemhilt  mit  den  gasten  bei  tische  sals,   und 


TEN   BRIMK    BEOWULF  179 

der  dichter  der  nachfolgenden  1850  sich  OrUieb  offenbar  als  ein 
ganz  kleines  kind  denkt,  das  noch  nicht  gehen  kann  —  vier 
Etzelen  man:si  truogen  Ortliehen,  den  jungen  künic  dan  zno  der 
fürsten  tische  — ,  dem  also  nicht  jene  rolle  zugemutet  werden 
kann,  die  Attilas  söhn  in  der  Thidhreks  saga  spielt,  die  Strophe 
1849  stände  mit  ihrer  andeutung  von  Chriemhilts  absichten  ganz 
allein,  deshalb  ist  zu  erwägen ,  ob  nicht  vielleicht  der  dichter 
Chriemhilt  sein  wissen  von  den  kommenden  ereignisseu  leiht, 
er  also  in  der  Strophe  1849  sagen  will:  da  Chriemhilt  voraussah, 
dass,  wenn  die  botschat't  von  dem  Untergang  der  knechte  in  den 
saal  gelange,  Hagen  sofort  Ortheb  töten  werde,  wodurch  der 
endgiltige  kämpf  notwendig  beginnen  müsse,  indem  Etzel  dann 
unmöglich  mehr  seine  vermittelnde  Stellung  beibehalten  könne, 
sie  aber  diesen  kämpf  wollte,  in  welchem  die  Burgondeu  schliefs- 
lich  der  Übermacht  erliegen  müsten,  —  so  liefs  sie  Ortlieb  in  den 
saal  bringen. 

Wie  die  pluralität  der  quellen  würkliche  Widersprüche  erklären 
kann,  so  natürlich  auch  kleinere  inconcinnitäten,  neueinführungen 
bekannter,  überhaupt  behandlung  des  bekannten  als  etwas  unbe- 
kanntes, ebenso  des  unbekannten  als  etwas  bekanntes,  wider- 
holungen,  dittologieu,  ein  plus  oder  minus  in  der  erzähluug  des 
dichters  und  im  bericht  der  boten ,  im  auftrag  und  im  bericht, 
rasche  Übergänge,  mischungen  der  niotive,  fallen  gelassene  motive, 
frage  ohne  antworl  udgl.  aber  vieles  der  art  ist  auch  anderen 
Ursprungs. 

F'ür  ten  Brink  ist  es  natürlich  selbstverständlich,  dass  der 
bericht,  —  welchen  Beowulf  seinem  könig  Hygelac  abstattet,  von 
einem  anderen  dichter  herrührt,  als  die  erzählung  des  dichters 
von  Beowulfs  kämpf  mit  Grendel  und  seiner  mutter,  —  der  bericht 
ist  nicht  als  fortsetzung  der  erzählung  gemeint,  sondern  eine  paral- 
lele oder  Variante  zu  dieser,  denn  eine  solche  widerholung  des 
erzählten  könne  man  höchstens  einem  epiker  der  renaissance  zu- 
muten, das  plus  und  minus,  das  sich  bald  in  E,  dem  bericht, 
bald  in  B  und  ü,  jenen  Varianten  der  erzählung,  zeigt,  welchen 
E  näher  steht,  beruhe  auf  'epischer  entwickeluug'  s.  122.  dem 
gegenüber  muss  daraufhingewiesen  werden,  dass  derartige  wider- 
holungen  auch  vor  und  aufserhalb  der  renaissance  erscheinen, 
und  dass  Verschiedenheiten  zwischen  erzählung  und  bericht  und 
ebenso  zwischen  auftrag  und  botschaft  sich  auch  in  einheitlichen 
werken  zeigen,  recht  auffallende  widerholungen  des  erzählten 
durch  berichte  zeigt  die  fortsetzung  des  Chrestienschen  Parzival; 
siehe  Claus  Wisse  495,  28  ff.  Parzival  erzählt  seine  abenteuer, 
die  früher  der  dichter  berichtet  hatte,  der  dame  mit  dem  schach- 
breit, ebenso  erzählt  571,  40  ff  Cawan  seinem  söhne  das  gral- 
abenteuer,  worüber  der  leser  schon  durch  den  dichter  ausführ- 
lich unterrichtet  war.  der  fortsetzer  von  Konrads  Trojanerkrieg 
lässt  41657  ff  Priamus  die  ganze  geschichte  von  Paris  dem  Achill 


180  '  TEIN   BRrWK    BEOWÜLF 

erzählen ,  ganz  nach  der  erzähluug  Konrads  435  ff;  siehe  Greif 
Trojanersage  s.  166.  das  werk  Konrads  mit  der  fortsetzung  ist 
zwar  kein  einheitliches  werk,  soll  aber  nach  der  absieht  des 
forlsetzeis  den  eindruck  eines  solchen  machen.  —  in  des  Biihelers 
Königstochter  von  Frankreich  6398  ff  lässt  sich  der  könig  von 
Frankreich  die  ganze  leidensgeschiclile  seiner  tochter  vom  niarschall 
noch  einmal  erzählen,  obwol  er  sie  schon  vom  könig  von  England 
und  der  leser  von  dem  dichter  gehört  hat. 

Dass  bericht  und  erzähhing  sich  im  einzelnen  unterscheiden 
können,  sehen  wir  auch  aus  Wisse- Colins  Parzival.  749,45. 
750,  5  sagt  der  held,  dass  die  teufeliu  ins  wasser  entflohen  sei, 
das  hat  der  dichter  745,  29  nicht  erzählt,  siehe  auch  Ospinel, 
Karlmeinet  A  445,  69  11  und  das  vorhergehende,  Rabenschlacht 
Str.  326  —  329  verglichen  mit  196  f,  1120  verglichen  mit  dem 
vorhergehenden. 

Botschaft  anders  als  auftrag.  —  Wisse-Colins  Parzival;  293, 16 
sagt  Artus  in  seinem  bericht  über  den  wörtlich  mitgeteilten  brief, 
in  dem  er  einen  auftrag  erhallen  hat,  dass  daselbst  auch  stehe,  dass 
wer  dem  toten  ritler  das  speereisen  aus  der  brüst  ziehe,  ohne 
dessen  räche  zu  übernehmen,  schände  erfahren  werde  wie  Gaheries. 
davon  war  in  diesem  brief  289,31 — 290,  12  nicht  die  rede,  im 
Ospinel,  Karlmeinel  A  412,  27  sichert  Turpin  Ospinel  Sicherheit 
von  seilen  Karls  des  grofsen  zu,  er  hat  aber  mit  diesem  gar 
nicht  darüber  gesprochen,  siehe  auch  A  426,  28  ff,  428,  29  ff, 
431,  55  ff,  432,  24  ff  verglichen  mit  dem  vorhergehenden,  Morant 
und  Galie,  Karlmeinet  A  257,  20  verglichen  mit  dem  vorher- 
gehenden, Rabenschlacht  slr.  21,  siehe  VVegener  im  ergänzuugsband 
zur  Zs.  f.  d.  phil.  514;  und  Krügers  Spiel  von  den  bäurischen 
richtern  2060  verglichen  mit  1871.  —  in  der  Fridhlhjofs  saga 
FAS  2,  71  sagt  könig  Helgi  erst  wörtlich,  welche  botschaft  er 
Fridhthjof  schicken  will:  skal  nü  senda  menn  tu  haus,  ok  vüa, 
hverja  scett  at  kann  vill  bjöda  oss,  elligar  skal  boda  kann  af 
löndttm,  pvi  ek  se  eigi  pann  aßa  vorn  at  sinni,  at  berjast  vid 
pä.  uimiillelbar  (iarauf  wird  fortgefahren:  Hildingr  föstri  bar 
erendi  konünganna  til  Fridpjofs  ok  parmed  vinir  Fridpjöfs;  peir 
segja  sod:  pat  vilja  konnngarnir  i  scett  hafa  af  per,  Fridpjöfr! 
at  pü  heimlir  skatt  af  Orkmyjum,  er  eigi  hefir  goldinn  verit,  sidan 
Bell  dö,  en  peir  purfa  fjärins  vid,  par  sem  peir  gipta  Ingibjörgn, 
systur  sina,  med  miklu  husafe,  also  sie  sagen  etwas,  wovon  der 
könig  in  der  nnlgeteilleu  rede  nicht  gesprochen  hat.  siehe  auch 
Odds  leben  Olafs  Tryggvasons  FMS  10,  34  verglichen  mit  dem  vor- 
hergehenden. —  Berta  (Romania  ni.  iv)  1109.  Siuibaldo  sagt  Berla 
etwas  anderes,  als  der  könig  ihm  in  den  versen  1090  If  derselben 
laisse  aufgetragen  hatte.  Aiol  4052.  vom  heidenkönig  wird  ein 
böte  an  könig  Ludwig  gesandt,  er  erhält  gar  keine  antwort, 
sondern  könig  Ludwig  will  ihn  gleich  verslümmeln  lassen.  Aiol 
rettet  ihn   und  schickt  ihn  beschenkt  zurück,     dort  richtet  der 


TEN  BniNK    nEOWULF  181 

hole  eine  selir  drohende  anlwort  könig  Ludwigs  aus  mit  vielen 
einzelheilen,     alles  in  6iner  laisse. 

Da  ich  demnach  die  varianlenlheorie  nicht  für  hewiesen  an- 
sehe, so  kann  ich  auch  die  wochselvolle  geschichte  der  Beowulf- 
dichtung  im  nördlichen  und  mittleren  England,  wie  sie  ten  Brink 
im   13  capitel  conslruiert,  nicht  annehmen. 

Aber  das  ist  von  geringerer  wichtigkeil,  ob  die  Varianten- 
theorie beifall  findet  oder  nicht,  die  hauptsache  scheint  mir,  dass 
die  deutsche  philologie  sich  einmal  die  frage  vorlege,  ob  es  denn 
noch  länger  angehe,  dass  man  alte  litleraturwerke  nach  dem 
mafsstabe  der  gegenwärtigen  ästhetischen  und  logischen  ansprüche, 
oder  nicht  vorhandener  mir  bezeugter  dichtungen ,  von  deren 
ästhetischen  eigenschaften  man  sich  willkürliche  Vorstellungen  ge- 
bildet hat,  kritisch  behandle,  dh.  entscheide,  was  echt,  was  un- 
echt sei,  was  zusammengehöre,  was  nicht,  man  braucht  in  ten 
Drinks  buch  nur  zu  blättern:  überall  stöfst  man  auf  rein  sub- 
jective  geschmacksurteile,  die  für  kritische  beweise  gelten  sollen, 
'überflüssig'  kommt  beinahe  so  oft  vor  als  bei  Möller,  siehe  zb. 
s.  49.  70.  94.  134,  oder  'störend'  s.  51,  'schief  s.  73,  'sprung- 
haft' s.  132,  'weniger  tief  s.  133,  'nicht  gut'  s.  134,  'törichf 
s.  134,  'unzulässig'  s.  141.  selbst  zugegeben,  dass  den  zeilgenossen 
des  dichters  die  betreffenden  stellen  denselben  eindruck  gemacht 
haben  wie  ten  Brink ,  so  ist  die  meinung  von  der  vollkommenheil 
der  allen  epik  eine  romantische  Illusion,  auf  diese  weise  könnte 
man  zu  dem  kritischen  resullat  kommen,  dass  Brentanos  Gold- 
faden echter  sei  als  der  Wickramsche,  die  Tieck-Bülowsche  Insel 
Felsenburg  als  die  Schnabelsche.  dem  deutschen  publicum  scheinen 
die  Memorie  d'un  otlogenario  Nievos  oder  Tolstois  Krieg  und  frieden 
in  ihrer  ursprünglichen  gestalt  zu  lang  zu  sein,  es  liest  diese 
werke  in  sehr  gekürzten  Übersetzungen,  welche  von  den  vielfachen 
interessen  der  dichter  nur  einen  teil  gelten  lassen  und  dadurch 
in  der  tat  den  stoff  concentrieren.  in  Wielands  Oberon ,  in 
Byrons  Childe  Harold  lassen  sich  einzelne  Strophen  und  ganze 
reihen  leicht  ausscheiden  :  kein  mensch  würde  sie  vermissen,  wenn 
sie  nicht  da  ständen,  mit  der  kategorie  'überflüssig'  sollte  man 
demnach  besonders  sparsam  vorgehen,  vgl.  auch  das  Dresdner 
heldenbuch,  welches  den  geschmack  des   15jhs.  illustriert. 

Die  höhere  philologische  kritik  in  Deutschland  zeigt  ein  ähn- 
liches bild  wie  die  deutsche  philosophie  der  ersten  Jahrzehnte 
unseres  jhs.,  dass  nämlich  die  grösten  talente  falsche  wege  ein- 
geschlagen und  mit  bewunderungswürdiger  energie  verfolgt  haben, 
ohne  das  ziel,  bei  letzteren  die  herstellung  der  litlerarischen  ge- 
bilde,  welche  hinter  unseren  denkmälern  liegen,  zu  erreichen,  — 
während  die  gelehrten ,  welche  über  weniger  glänzende  gaben  ver- 
fügten, an  der  erreichbarkeit  dieses  zieles  oder  an  der  richtigkeit  des 
weges  zweifelnd  sich  bescheidenere  aufgaben  gestellt  haben,  dass 
Lachmann    und  Müllenhofl'  sich   ihre  hohen  ziele    nicht  gesteckt 


182  TEN  nRIiS'K    ßROWULF 

hätten,  darf  man  natürlich  nicht  wünschen,  sie  haben  dahei  eine 
schürfe  und  feinheit  der  beobachtung  ausgebildet,  welche,  da  sie 
sich  bis  zu  einem  gewissen  grad  lehren  lässt,  ein  eigenlum  der 
deutschen  Philologen  im  allgemeinen  geworden  ist,  und  die  fülle 
dessen,  was  sie  zuerst  in  den  alten  deukmälern  gesehen,  wird 
noch  generationen  von  philologen  zum  object  der  Untersuchung 
dienen  können,  das  heifst:  man  wird  untersuchen,  wie  diese 
beobachteten  tatsacben  aufgefasst  und  erklärt  werden  müssen,  in 
diesem  sinn  genommen  wird  man  auch  von  ten  Brink,  dessen 
gelehrter  character  eine  entschiedene  Verwandtschaft  mit  dem 
seiner  grofsen  Vorgänger  zeigt,  sagen  können,  dass  seine  Beowulf- 
studien  die  historische  erklärung  des  Beowulfphänomens  bedeutend 
gefördert  haben. 

Ich  habe  mich  bei  dieser  anzeige  auf  die  hauptsache  be- 
schränkt, auf  ten  Brinks  hypothese  von  der  entstehung  des  Beowulf 
aus  zusammengearbeiteten  parallelliedern  und  auf  die  methode, 
mit  welcher  diese  hypothese  zu  erweisen  gesucht  wird ;  die  capitel 
x.xi.xn,  welche  gegen  Möllers  strophenlheorie,  gegen  Sarrazins  alt- 
nordischen Ursprung,  gegen  Fabibeck-Bugges  gleichstellung  von 
(leatas  und  Juten ^  gerichtet  sind,  lasse  ich  unbesprochen,  obwol 
ich  hier  weit  öfter  dem  verf.  zustimmen  könnte,  als  es  mir  in  der 
hauptsache  möglich  war.  zur  beurteilung  des  vierzehnten  über  die 
Beowulfhs.   fühle  ich  mich  nicht  compelent. 

'  der  name  des  Geatenkönigs  Hredel  spricht  für  Fahlbeck- Bugge,  da 
die  Juten  im  norden  Hreidgotar  genannt  werden. 

Wien,   december  1888.  B.  Heinzel. 


Beowulfstudien.  ein  beitrag  zur  geschichte  altgermanischer  sage  und  dich- 
lung  von  dr  phil.  Gregor  Sarrazin.  Berlin,  Mayer  &  Müller,  1888. 
VII  und  220  ss.     8".  —  5  m. 

Das  buch  vertritt  und  verteidigt  ausführlich  drei  thesen,  welche 
die  fachgenossen  und  z.  t.  sogar  jene,  welche  Sarrazins  aufsätze 
in  Paul-Braunes  Beiträgen,  in  der  Anglia,  in  der  Zs.  f.  vgl.  litteratur- 
geschichte  gelesen  haben ,  auf  das  höchste  überraschen  werden : 
1)  die  sage  von  Beowulf  ist  gleich  der  Siegfrid-  und  Tristansage 
ein  Baldrmytbus,  —  2)  der  dichter  Starkadhr  hat  um  das  jähr  700 
ein  Beowulfgedicht  in  altdänischer  spräche  verfasst,  —  3)  dies 
scandinavische  gedieht  ist  dann  im  laufe  des  8  jhs.  von  dem  be- 
rühmten dichter  Cynewulf  frei  ins  englische  übertragen  worden, 
die  hypothesen  sind,  wie  es  ten  Brink  Beowulf  s.  242  empfiehlt, 
bis  ins  einzelne  ausgearbeitet,  sodass  zb.  der  Beowulfbearbeitung 
ein  bestimmter  platz  in  der  litterarischen  entwickelung  Cynewulls 
angewiesen  wird,  s.  151  ff. 

In  bezug  auf  Beowulfs  mythologischen  character  weist  Sar- 
razin zuerst  hin   auf  die  gautische  heimat  Beowulfs  —  denn    in 


SARRAZIN    BEOWULFSTUDIEN  183 

(1er  conlroverse  Gautcn  oder  Juten  verteidigt  er  die  ältere  ansieht 
s.  23  — ,  in  Gautland  aber  war  die  Baldrsage  bekannt,  da  die 
episode  von  den  gautischen  königssöhnen  Herebeald  und  FItedhcyn 
im  Beovvult  den  niythus  von  Baldr  und  Hödhr  vviderhole,  s.  44, 
«iine  beobaclitung,  die  wol  Bydberg  zuerst  ausgesprochen  hat, 
IJndersokningar  1,  665,  —  und  der  Baldrcultus  besonders  ge- 
pllegt.  ferner  BeowulC  besiegt  dämonen  der  finsternis,  was  lür 
einen  lichtgott,  der  Baldr  war,  sehr  angemessen  wäre.  Beowult 
als  kühner  Seefahrer  (?)  und  Schwimmer  weist  ebenfalls  auf  einen 
licht-  und  speciell  Sonnengott,  da  den  seeumwohnenden  Scan- 
dinavicrn  die  sonne  über  das  meer  hinzugleiten  schien ,  aus  dem 
meer  emporstieg,  in  dasselbe  eintauchte,  und  wenn  auch  Baldr 
weder  als  schifl'er  noch  als  Schwimmer  vorkommt,  so  wird  doch 
seine  leiche  auf  dem  schifl'  Hringhorni  verbrannt.  —  wie  Baldr  sei 
Beowulf  milde  und  sanftmütig,  —  von  den  hierbei  angezogenen 
stellen  ist  2l87fljedesfalls  zu  streichen,  wo  von  seiner  trägheit  und 
anscheinenden  untüchtigkeit  in  der  ersten  Jugend  erzählt  wird.  — 
schliefslich  findet  Beowulf  durch  einen  drachen  seinen  Untergang, 
wie  zwar  nicht  von  Baldr,  aber  von  einem  ßaltram  in  der  Burg- 
dorfer  sage  erzählt  wird,  Zs.  6,  158. 

Diese  Übereinstimmungen  wären  nun  für  Sarrazin  allerdings 
nicht  genügend,  um  Beowulf  Baldr  gleichzustellen,  die  mög- 
lichkeit,  es  docli  zu  tun,  leitet  er  aus  umständen  ab,  welche 
s.  50  ff  leider  nicht  klar  und  präcis  angegeben  sind ,  zum  teil 
wol  deshalb,  weil  der  verf.  nicht  widerholen  wollte,  was  er  Anglia 
9,  203  und  Zs,  f.  vgl.  litteraturgeschichte  1,26211'  (1887)  aus- 
geführt hatte. 

Seine  argumentation  scheint,  in  strengere  form  gebracht, 
diese  zu  sein,  die  geschichte  von  Beowulf  und  von  Bödhvarr 
Bjarki  in  der  Hrolfs  saga  Rraka  und  bei  Saxo  stimmen  in  so  vielen 
puncten  überein  s.  47  f,  dass  sie  für  Varianten  einer  sage  zu 
lialten  sind,  deshalb  kann  man,  was  von  Bödhvarr  mehr  erzählt 
als  von  Beowulf,  auch  der  sage  dieses  zuschreiben.  —  Bödhvarr 
hat  nun  von  dem  könige,  dem  er  gegen  ein  dämonisches  ungetüm 
geholfen,  die  hand  seiner  tochter  bekommen,  das  gleiche  wird 
von  Tristan  erzählt,  etwas  ähnliches  auch  von  Wolfdietrich,  eine 
hilfe  ist  es  aber  auch,  wenn  einem  könig  eine  schwer  zu  ge- 
winnende braut  zugebracht  wird,  das  motiv  findet  sich  neben 
dem  kämpf  mit  dem  ungetüm  auch  in  der  Tristansage  und  in 
der  von  Siegfrid,  bei  welcher  der  drachenkampf  zwar  vorkommt, 
aber  nicht  in  form  einer  dem  konig  gebrachten  hilfe.  in  dieser 
folgt  dann  wie  in  der  Bödhvarrsage  und  der  zuerst  erwähnten 
episode  des  Tristan  die  königliche  verwandte  als  lohn  für  «lie 
hilfe.  dieselbe  gefährliche  brautwerbung  für  einen  anderen  wird 
nun  aber,  zwar  nicht  von  Baldr,  aber  von  Skirnir  erzählt,  der  für 
Freyr  um  die  riesentochter  Gerdhr  wirbt,  dabei  zwar  nicht  einen 
drachen,  aber  einen  bruder  der  Gerdhr,  also  einen  rieseu  tötet 


184  SARRAZIN    RKOWTir.FSTIIDIEN 

und  (liesolbe  waberlohe  zu  durchreiten  hat  wie  Siegfrid  nach 
der  nordischen  tassung,  als  er  für  Gunnarr  um  Brynhildr  wirbt, 
da  Skirnir  aber  'der  erheller'  bedeutet  und  seine  beziehung  zu 
Freyr  sowie  die  geschenke,  welche  er  Gerdhr  bietet,  auf  einen 
Sonnengott  gedeutet  werden  können,  aber  auch  Baldr  vielleicht 
ein  Sonnengott  war,  so  ist  Baldr  unter  jenem  helfenden  Skirnir 
zu  verstehen  und  Nanna,  die  ursprünglich  wol  Freyja,  die  Schwester 
Freys,  gewesen  sein  wird  s.  52,  war  sein  lohn,  wir  erhalten  da- 
durch die  Proportion  Baldr: Freyr: Gerdhr:Nanna  (Freyja)  =  Sieg- 
frid  :  Günther  :  Brünhild  :  Chriemhild,  —  und  wenn  wir  hilfe 
gegen  dämonisches  ungetüm  der  hilfe  l)ei  der  brautwerbung  gleich- 
stellen,  auch  die  andere  Baldr  :  Freyr  :  Nanna  (Freyja)  =  Sieg- 
frid :  Günther  :  Chriemhild  =  Bödhvarr  Bjarki :  Hrolfr  Kraki :  Hrolfr 
Krakis  verwandte.  —  da  nun  Bödhvarr  Bjarki  =  Beowulf ,  so  ist 
auch  von  ihm  anzunehmen,  dass  er  einst  eine  verwandte  jenes 
königs  zur  trau  erhalten  habe,  welchem  er  gegen  das  ungetüm 
beigestanden  habe,  demnach  ist  der  oben  angesetzten  proportion 
noch  ein  weiteres  glied  anzufügen,  in  welchem  Beowulf  die 
stelle  Bödhvars,  Siegfrids  oder  Baldrs  einnimmt. 

Meiner  meinung  nach  ist  es  aber  nicht  erlaubt,  so  zu 
schliefsen.  denn  man  vernachlässigt  hierbei  die  möglichkeit  einer 
bezeugten  tatsache,  dass  nämlich  poetische  einzelmotive  sich  nach 
analogie  schon  vorhandener  Verbindungen  an  einander  anschliefsen 
können,  wenn  ein  drachenkampf  in  einer  sage  vorkommt,  so 
kann  sich  damit  nach  dem  muster  anderer  erzählungen  von 
drachenkämpfen  die  Vorstellung  verbinden,  dass  das  blut  oder 
fleisch  des  drachen  dem  beiden  Zauberkräfte  verleiht,  oder  dass 
dieser  drache  einen  schätz  besessen  habe,  der  dann  in  die  bände 
des  beiden  fällt,  oder  dass  der  drache  eine  Jungfrau  geraubt 
habe,  welche  dann  die  braut  des  beiden  wird,  oder  auch  dass 
eine  Jungfrau  dem  sieger  im  drachenkampf  als  ausgesetzter  preis 
zugesprochen  wird,  in  unserer  Nibelungenüberlieferung  zb.  ist 
doch  nicht  daran  zu  zweifeln,  dass  die  Vorstellung  des  Sieg- 
fridsliedes,  nach  welcher  Siegfrid  eine  Jungfrau  aus  der  gewalt 
des  drachen  befreit ,  eine  Umformung  der  älteren  formen  des 
drachenkampfes  ist,  wie  ihn  das  Nibelungenlied  und  die  nordi- 
schen berichte  zeigen,  welche  selbst  wider  das  ursprüngliche 
durch  ähnliche  Übertragungen  schon  verändert  haben  mögen,  es 
kann  demnach  sehr  wol  der  zug,  dass  Bödhvarr  die  königliche 
Jungfrau  zur  gemahlin  erhält,  nicht  der  ursprünglichen  Bödhvarr- 
Beowulfsage  angehört  haben,  um  so  mehr  als  diese  tatsache  in 
der  saga  gar  nicht  als  belohnung  für  die  lölung  des  untiers  «lar- 
gestellt  wird  P'AS  1,  76  und  Saxo  (ed.  Müller)  1,  88  und  von 
Beowulf  überhaupt  nicht  erwähnt  wird,  dass  er  geheiratet  habe, 
nur  3150  scheint  seine  trauernde  witwe  aufzutreten. 

Sarrazin  sieht  in  Freyr  und  Baldr  die  germanischen  Dioskuren, 
welche  Müllenhoff  einerseits  in  den  Haddingjar,  Ortnil  und  Wolf- 


SARRAZIN   BEOWULFSTL'DIEN  185 

dietrich  Zs.  12,  352,  andererseits  m  den  Harlungen  erkannt  hat 
Zs.  30,  244.  aber  er  spricht  sich  nicht  darüber  aus,  wie  dann 
die  parallele  Siegfrid  und  Godhmundr  von  Glasisvellir,  welche 
er  s.  55  als  vorbild  der  anderen  Siegfrid  und  Günther,  gleich  Baldr 
und  Freyr,  anzunehmen  scheint,  aufzufassen  sei.  Godhmundr  ist  ja 
deutlich  ein  unlerweltsdämon.  es  gienge  danach  nicht  an,  die  er- 
zählungvon  ihm  und  seinem  helfer  Thorsteinn  boejarmagn  geradezu 
als  eine  Variante  dem  mythus  von  Freyr  und  Skirnir  gegenüber 
zu  stellen,  Thorsteinn  (Siegfrid) :  Godhmundr  =  Skirnir:  Freyr,  — 
selbst  wenn  die  ähnlichkeiten  beider  berichte  gröfser  wären,  ich 
glaube,  diese  mythen  sind  ganz  aus  einander  zu  halten.  —  erst 
nachdem  durch  den  einflussderGodhmundssage  sich  die  Nibelungen- 
sage gebildet  hatte,  wird  in  der  nordischen  Überlieferung  die  waber- 
lohe, welche  ursprünglich  nur  der  walküre  Siegfrids,  nicht  der 
Günthers  zukam ,  von  jener  auf  diese  übertragen  worden  sein  und 
die  gefährlichen  spiele  fielen  weg.  die  waberlohe  ist  aber  der 
einzige  umstand,  welcher  das  ganz  allgemeine  motiv  der  braut- 
werbung  für  einen  anderen,  wie  es  sich  in  der  erzählung  von 
Freyr,  Skirnir  und  Gerdhr  und  Günther,  Siegfrid  und  Brünhild 
zeigt,  durch  einen  characteristischen  zug  bereichert. 

Wenn  ferner  Bödhvarr-Bjarki  eine  dänische  hyposlase  des 
gottes  Baldr  sein  soll,  so  ist  nicht  zu  begreifen,  warum  die 
dänische  Überlieferung  von  beiden  personen,  wie  sie  uns  Saxo 
bietet,  so  gar  wenig,  ja  fast  nichts  übereinstimmendes  hat. 
gerade  in  Dänemark,  sollte  man  meinen,  müste  sich  das  über- 
einstimmende doch  besser  erhalten  haben,  aber  auch  abgesehen 
von  Beowulf  und  Baldr  sind  die  oben  aufgestellten  proportionen 
z.  t.  durch  bedenkliche  mittel  erreicht,  auf  die  Identität  von 
Tristan  und  Wolfdietrich  wird  Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  1,  263f 
und  Beowulfstudien  s.  57  hauptsächlich  deshalb  geschlossen,  weil 
die  episode  vom  drachenkampf,  dessen  preis  die  königin  ist,  mit 
dem  motiv,  dass  ein  nebenbuhler  das  verdienst  und  den  lohn 
für  sich  in  anspruch  nimmt,  von  dem  beiden  aber  durch  Vor- 
weisung der  Zunge  des  unliers  überführt  wird,  sich  in  beiden 
berichten  findet,  da  nun  Tristan  auch  sonst  nordische  demente 
zeige,  Beowulfstudien  56,  —  unter  denen  aber  die  eisenprobe 
und  der  holzspahn  mit  buchslaben  nicht  ausschliefslich  nordisch, 
sondern  germanisch  sind  ,  siehe  die  ags.  Botschaft  des  gemahls,  — 
so  liege  eine  nordische  sage  dem  Tristan  wie  dem  Wolfdietrich 
zu  gründe  und  zwar  die  mythische  von  Baldr  und  Freyr,  welche 
andererseits  auch  in  der  Siegfridssage  ihr  gegenstück  habe,  bei 
gelegenheit  der  Übereinstimmung  zwischen  Wolfdietrich  und 
Tristan  wird  auch  Jänicke  DHB  iv  s.  xlui  citiert.  nun  ist  aber 
dort  ganz  dieselbe  geschichte  aus  einem  scholion  zu  Apollonius 
Hhodius  und  aus  Pausanias  abgedruckt,  nur  ist  das  untier  kein 
drache  sondern  ein  löwe.  sollen  diese  Griechen  auch  aus  alt- 
nordischer sage  geschöpft  haben,  oder  haben  die  Scandinavier 
A.  F.  D.  A.    XV.  13 


186  SARRAZIN  BEOWÜLFSTÜDIEN 

ihren  Baklr-Freyi  -  mylhus  nach  der  griechischen  mylhe  geiorml, 
oder  gehört  die  geschichle  in  die  gemein -arische  mythologie? 
gewis  das  eine  so  wenig  als  das  andere,  die  geschichte  von  den 
ausgeschnittenen  zungen  ist  ein  uraltes  novellenmotiv  und  kann 
ganz  selbständig  einmal  mit  der  Tristansage  sich  verbunden  haben, 
ein  ander  mal  mit  der  von  Wolfdielrich.  anlass  gab  jeder  kämpf 
mit  einem  untier,  ja  tötung  von  jagdtieren  allein  konnte  es 
attrahieren  ohne  den  umstand  einer  als  preis  ausgesetzten  jung- 
Irau ,  wie  wir  es  in  der  geschichte  von  Peleus  sehen ,  Preller 
Griechische  mythologie  2, 396^  MannhardtFeld-und  vvaldculte  53 11'. 
—  in  der  Tristanüberlieferung  kennen  wir  ja  noch  andere  derartige 
antike  motive,  die  pferdeohren  des  königs  Marke,  das  schwarze  und 
das  weifse  segel;   vgl.  Österreichische  Wochenschrift  1872,  432  f. 

S.  58  anm.  der  Beowulfstudien  soll  gar  der  beide  Belian, 
den  Wolfdietrich  tötet,  der  riese  Beli  sein,  dessen  tötung  bald 
Freyr,  bald,  wie  es  scheint,  Skirnir  (d.  i.  Baldr  nach  Sarrazin)  zu- 
geschrieben wird,  aber  das  ist  doch  deutlich  der  name  des  beiden 
Baligant  aus  dem  Rolandsliede,  der  mit  der  namensform  Belian 
ua.  im  Orendel  vorkommt,  ich  will  damit  durchaus  nicht  den 
gegenüberstellungen  von  ähnlichen  sagen,  wie  sie  Sarrazin  in  der 
Zs.  f.  vgl.  litteraturgesch.  gemacht  hat,  jede  bedeutung  absprechen, 
im  gegenteil:  sie  sind  oft  interessant  und  der  beachtung  wert 
und  stellen  manches  in  ein  neues  licht,  aber  die  folgerungen, 
welche  er  daraus  zieht,  und  die  erkiärungen,  welche  er  für  sie 
gibt,  werden  von  kurzem  bestand  sein. 

Ebenso  wenig,  glaube  ich,  wird  sich  die  zweite  hypolhese 
Sarrazins  anhänger  gewinnen,  die  gründe  für  die  annähme  eines 
scandinavischen  Originals  und  für  die  Verfasserschaft  Starkadhs 
können  für  niemand  ausreichen,  der  sie  nicht  selbst  gefunden 
bat.  die  Mehnvvörter'  sind,  obwol  Sarrazin  einen  guten  teil  der- 
selben seit  seinen  aufsätzen  in  den  Beiträgen  11,  173.  528  fallen 
gelassen  hat  s.  69,  nicht  als  solche  zu  beweisen,  denn  ihre  laut- 
gestalt  ist  echt  ags.,  sie  können  deshalb,  auch  wenn  sie  nur  im 
Beowulf  vorkommen,  ganz  gut  dem  ags.  sprachgut  von  haus  an- 
gehören, nach  der  beweisführung  Sarrazins  müsten  wir  ja  auch 
solche  Wörter,  welche  nur  im  hochdeutschen  und  scandinavischen 
belegt  sind,  für  scandinavische  lehnwörter  halten,  also  Wörter 
wie  'anger'  wegen  altn.  eng,  engl  —  denn  -ingr  in  ags.  Orts- 
namen kann  altn.  lehnwort  sein  wie  -by  — ,  oder  'ball'  wegen 
altn.  hollr,  'harte'  (heil)  wegen  altn.  barda,  'becher'  wegen  altn. 
bikarr,  'blei'  wegen  altn.  bly,  'bürge'  wegen  altn.  äbyrgjaz,  'daube' 
wegen  ahn.  püfa  (siehe  Cleasby- Vigfusson),  'dochi'  wegen  altn. 
pdttr,  'dreck'  wegen  altn.  drekkr,  abd.  fall  wegen  altn.  fair,  'flocke' 
wegen  altn.  flöki,  '(gang  und)  gäbe'  wegen  altn.  gcefi^  usw.  und 
auch  die  hoch-  und  niederdeutschen  Wörter,  welche  im  ags. 
fehlen,  aber  im  altn.  ihre  entsprechung  haben,  wie 'eng',  'erbse', 
'falke',   'fegen',  'felsen',    'froh'    usw.    fänden    diese   erklärung.  — 


SARRAZIN    BEOWlJLFSTUDIE>  187 

aber  selbst  wenn  sich  bei  einem  oder  dem  anderen  nur  im  Beowulf 
vorkommenden  worte  altn.  lauttorm  zeigte,  so  ist  damit  noch 
immer  nicht  bewiesen  ,  dass  dieses  wort  nicht  sonst  im  ags.  auf- 
genommen worden  sei  und  nur  zufällig  in  unseren  quellen  fehle, 
würklich  altn.  nicht  ags.  sprachtypus  versucht  Sarrazin  in  der 
syntax  nachzuweisen,  aber  er  hat  die  sehr  begründeten  ein- 
wendungen  von  Sievers  Beiträge  11,  354  ff.  12,168  nicht  ge- 
nügend gewürdigt,  und  wenn  der  ton,  in  welchem  Sievers  von 
Sarrazin  gesprochen  hat,  in  der  tat  verletzend  war,  so  hat  dieser 
seiner  sache  nicht  genutzt,  wenn  er  s.  196  Sievers  einen  fremd- 
ling auf  westgermanischem  Sprachgebiet  nennt,  das  wird  Sarrazin 
niemand  glauben,  s.  203  ff  hat  Sarrazin  in  der  tat  recht  gegen 
Sievers,  in  so  fern  dieser  sich  der  construction  des  einfachen 
taka,  nicht  taka  vtd  bei  einer  gelegenheit  nicht  erinnert  zu 
haben  scheint,  bei  der  man  die  erwähnung  derselben  erwarten 
muste,  Beiträge  12,  185.  aber  der  umstand  berührt  den  kern 
der  Sieversschen  einwenduug  gegen  eine  annähme  Sarrazins  gar 
nicht,  dieser  hatte  Beiträge  11,  177.  539  f  die  construction  oiifön 
mit  dem  dativ  als  einen  norroenismus  bezeichnet  ohne  angäbe  einer 
genauen  parallele.  Sievers  vermutet  nun,  Sarrazin  habe  an  taka 
vtd  gedacht,  also  an  ein  nordisches  verbum  gleicher  bedeutung 
wie  onfön,  und  sagt,  in  taka  viä  hänge  der  dativ  von  der  prä- 
positiou  ab,  die  parallele  sei  also  nicht  genau,  aber  nicht  des- 
halb ist  die  annähme ,  onfön  mit  dativ  sei  nordische  construction, 
falsch  oder  unbeweisbar,  sondern  weil  das  verbum  onfön,  ant- 
fdhan  seiner  etymologie  nach  in  jeder  germanischen  spräche 
einmal  den  dativ  regiert  haben  muss.  darauf  geht  Sarrazin  gar 
nicht  ein.  —  s.  213  wird  die  beziehung  von  sin  auf  ein  femininum 
in  einem  teil  der  ags.  Genesis  auch  auf  norroenen  einfluss  zu- 
rückführt; aber  siehe  Greins  Sprachschatz  2,  450  und  JGrimms 
Gramm.  4,  341. 

Es  wäre  aber  auch,  wenn  wir  Sarrazins  hypothcse  von  einem 
altdänischen  original  unseres  Beowulf  gelten  lassen,  gegen  alle 
analogie,  dass  der  ags.  umdichter,  und  gar  Cynewulf,  dabei  gegen 
die  syntax  seiner  muttersprache  verstofsen  halte,  einfluss  auf 
die  Phraseologie  könnte  nian  zugeben,  aber  auch  der  haudwerks- 
mäfsigsle  Übersetzer  zb.  aus  dem  französischen  ins  deutsche  wird 
nicht  fehler  machen  wie  'er  verliebte  sich  dieses  mädcheus',  weil 
in  seiner  vorläge  il  s'epht  de  cette  fille  steht,  oder  wo  erscheint 
dergleichen  in  den  mhd.  poetischen  Übertragungen  aus  dem 
französischen  ?  es  kommen  natürlich  diese  und  noch  stärkere  be- 
einflussungen  einer  spräche  durch  die  andere  vor,  wenn  zwei 
nationen  im  selben  lande  leben,  also  wie  Dänen  und  Angei- 
sachsen, Angelsachsen  und  Franzosen  in  England,  aber  nach 
Sarrazin  soll  ja  der  einzelne  angelsächsische  dichter  Cynewulf 
vor  der  dänischen  Invasion  sein  englisch  über  dem  übersetzer- 
werk vergessen  haben. 

13* 


188  SARRAZIN    REOVVULFSTUDIEN 

Sarrazio  sieht  sogar  in  einzelheiten  der  dichterischen  aus- 
lührung  des  Beowulf  anspielungen  auf  persönUche  Verhältnisse 
und  beziehnngeu  des  dänischen  dichters  Slarkadhr.  1722  ff  soll 
Hrodhgars  rede  an  Beowulf  als  mahnung  des  dichters  an  seinen 
könig  Ingeldus  gemeint  sein,  das  verrate  sich  durch  die  Vor- 
stellung, dass  der  teufel  mit  einem  pfeilbogen  schiefse,  1745  se 
Jie  of  flänhogan  fyrenum  sceoted  s.  103,  was  nur  hinweis  auf 
einen  irdischen  feiud  sein  könne,  aber  Müllenhoff  hat  schon 
Zs.  14,214  auf  Epheser  6,  16  hingewiesen  in  oninibus  sumentes 
smtnm  fidei,  in  quo  possitis  omnia  tela  nequissimi  ignea  extitiguere. 
dieselbe  Vorstellung  hat  Cyuewulf  im  Crist  762  ff.  779  ff;  sie 
begegnet  auch  im  Andreas  1191  uud  bei  dem  dichter  der  Wahr- 
heit, Diemer  Deutsche  gedichte  des  11  und  12  jhs.  88,  5  ff.  — 
oder  die  bezüge  auf  den  bösen  Dänenfürsten  Heremod,  die  böse 
fUrstin  Thrydho  sollen  ursprünglich  als  Warnungen  für  Ingeldus 
und  als  strafreden  gegen  dessen  Starkadhr  abgeneigte  gemahlin 
gedichtet  sein  s.  101.104.  aber  beide  hinweise  sind  gegenüber- 
stellungen.  diese  kommen  aber  auch  dort  vor,  wo  unmöglich 
eine  versteckte  absieht  Starkadhs  vermutet  werden  kann,  so  1472 
Beowulf  und  Hunferdh  oder  1137   der  gast  und  Hengest. 

Aber  auch  wenn  wir  die  hypothese  im  Zusammenhang  mit 
den  uns  bekannten  altdänischen  Verhältnissen  betrachten ,  er- 
scheint sie  unglaublich,  der  dänische  dichter  Slarkadhr  soll  um 
700  nach  däüischer  volkssage  ein  Beowulflied  verfasst  und  dabei 
so  wenig  von  Helgi  Hundingsbani  und  von  Hrolf  Kraki  gewust 
haben  wie  unser  Beowulfdichter,  —  uud  von  einem  solchen  däni- 
schen Beowulfgedicht  sollte  wider  Saxo  nichts  gewust  haben  ! 

Die  Zuweisung  der  ags.  Übertragung  des  dänischen  Werkes 
an  Cynewulf  wird  natürlich  ebenso  begründet  wie  die  so  vieler 
anonymen  dichtungen  an  diesen  dichter,  der  vielleicht  nie  etwas 
anderes  geschrieben  hat  als  die  Elene,  die  Juliane  und  den  Crist. 
die  annähme,  dass  der  formelschatz  der  alten  epik  vielen  dichtem 
zum  gebrauche  offen  stand,  die  ihn  dann  mehr  oder  weniger 
benutzten,  genügt  meiner  meinung  nach  vollkommen,  um  die 
Übereinstimmungen  zwischen  Beowulf  und  Cynewulfischen  oder 
solchen  dichtungen,  welche  von  neueren  gelehrten  Cynewulf  zu- 
geschrieben worden  sind,  zu  erklären. 

Übrigens  sind  die  reichen  materialsammlungen  s.  109  ff, 
welche  beinahe  zu  jedem  vers  Beowulfs  eine  parallele  bieten, 
sehr  verdienstlich  und  dankenswert,  jeder  commentator  Beowulfs 
wird  sie  zu  rate  ziehen  müssen,  wie  ich  denn  überhaupt  mit 
dieser  anzeige,  welche  gegen  die  wichtigen  drei  thesen  des  buches 
allerdings  opponiert,  nicht  die  meinung  erwecken  möchte,  dass 
dasselbe  nichts  gelungenes  und  wertvolles  enthalte,  es  fehlt  in 
ihm  durchaus  nicht  an  guten  beobachtungen  und  beachtenswerten 
combinationen.  ich  verweise  nur  kurz  auf  Herebeald  uud  Hsedh- 
cyn  s.  44,    auf  Bödhvarr  Bjarki    und  Beowulf  s.  47  ff,   auf  könig 


SARRAZIN    BEOVVÜLFSTÜDIEN  189 

ÜDgendus  s.  97,  auf  die  Headhobearden  s.  44,  auf  die  bemerkung 
über  den  dänischen  gesichtspunct  des  Beovvulfdichters  s.  71,  auf 
allgemein  poetische  bemerkungen  wie  die  über  das  verschiedene 
tempo  in  verschiedenen  parlien  eines  gedichls  s.  79. 

'Diesbezüglich'  habe  ich  immer  für  österreichisches  canzlei- 
deutsch  gehalten,  allein  es  steht  auch  bei  Sarrazin  s.  207. 
Wien,  december  188S.  Heinzel. 


Beowulf.  mit  ausführlichem  glossar  herausgegeben  von  Moritz  Heyne. 
fünfte  aufläge,  besorgt  von  Adolf  Socin.  Paderborn  und  Münster, 
Schöningh,  1888.     x  und  299  ss.     8**.  —  5  m. 

Dass  Heynes  Beowulfausgabe  seit  1865  fünf  auflagen  erlebt 
hat,  ist  ebenso  berechtigt  als  erfreulich,  da  Heyne  derzeit  durch 
andere  arbeiten  abgehalten  war,  hat  Socin  die  ausgäbe  über- 
nommen, von  der  vierten  aufläge  unterscheidet  sich  die  neue 
hauptsächlich  durch  den  gröfseren  umfang  des  commentars,  der 
durch  berücksichtigung  der  neueren  litteratur  um  zehn  seilen 
mehr  bekommen  hat,  während  das  Wörterbuch  um  nur  zwei 
Seiten  vermehrt  worden  ist. 

Der  text  hat  gegenüber  den  früheren  auflagen  ein  etwas 
verändertes  aussehen  durch  die  längezeichen  (circumflexe  bei  ein- 
fachen vocalen)  auf  den  Wörtern  me,  we,  pü,  pe,  ge,  he,  nü,  se, 
ne,  —  hrüse,  präg,  com,  eöde  usw.,  sowie  durch  regelmäfsiges  ond 
für  'und'.  —  im  einzelnen  möchte  ich  bemerken:  v.  73  Beowulf 
verteilt  an  alte  und  junge  alles,  was  ihm  gott  gegeben  hat,  bütoti 
folcscare  ond  feörum  gumena.  also  die  nation  und  das  leben  der 
menschen  verschenkte  er  nicht!  ich  möchte  vorschlagen  bü  tu 
folcscare  ond  feorum  gumena  'sowol  den  eigenen  leuten  als  den 
fremden.'  —   126  ff: 

pd  wces  on  uhtan  mid  oerdcege 

Grendles  güdcrceft  gumum  undyrne: 

pd  tüces  oefter  loiste  wöp  up  dhafen, 

micel  morgensioeg.  mm^e  peöden, 

130  cBcMing  cergöd,  unhlide  scet, 

polode  pryäswyd,  pegnsorge  dredh, 

syddan  hie  pws  Iddan        last  scedwedon, 

wergan  gdstes. 
v.  132  syddan  kann  ich  nur  auf  undyrne  127  beziehen,  es  ist 
also  128  — 131  in  parenlhese  zu  setzen.  —  240  statt  der  Ett- 
müllerschen  conjectur  wäre  in  die  verslücke ,  wenn  sie  ausgefüllt 
werden  sollte,  die  Bugges  zu  setzen  gewesen,  welche  das  sonst 
unverständliche  Präteritum  wces  im  folgenden  verse  erklärt.  — 
nach  lOSl*  ist  punct  zu  setzen,    im  vorhergehenden  war  gesagt 


190  BEOWULF  ED.  HEYNE -S0C1> 

worden,  dass  Hildeburh  den  Verlust  vieler  verwandten  zu  be- 
klagen hatte;  1081''  heifst  es:  wig  ealle  fornam  Finnes  pegnas 
nemne  fedm  dnum  d.  i,  'aber  auch  Finu  hatte  beinahe  alle  seine 
leute  verloren.'  —  1143  durch  die  conjectur  MöWers  worodrcedeime 
statt  woroldrcpdenne  wird  die  stelle  nicht  deutlicher.  —  1332  ic 
ne  wät  hwider  (nach  Grein ,  Sweet  für  das  hwceper  der  hs.) 
atol  cese  wlanc  eftsidas  tedh.  da  der  künig  in  derselben  rede 
aber  sehr  wol  weifs,  wo  Grendel  wohnt,  also  wohin  er  oder 
seine  mutter  gegangen  sind,  so  darf  man  doch  einen  solchen 
Widerspruch  nicht  hinein  conjicieren,  siehe  oben  s.  172  f.  —  1334 
fylle  gefrcegnod  von  Grendel;  die  conjectur  Kembles  fylle  gefcegnod 
hegt  sehr  nahe,  siehe  ten  Brink  s.  95  anin.  —  1343  durch  den 
beistrich  nach  ^redfe^  wird  die  conslruction  undeutlich.  —  1555 
wie  Beowulf,  nachdem  ihn  Grendels  mutter  unter  sich  gebracht, 
sich  wider  freimachte  und  das  riesenschwert  bekam,  ist  sehr  un- 
deutlich ausgedrückt,  dass  gott  ihm  dabei  geholfen  habe,  ist 
1554''  —  1557^  gesagt  —  rodera  rcedend  hü  on  ryht  gesced  i/delice. 
aber  worin  bestand  die  hilfe?  nach  ydelice  1557^  folgt:  syddan 
he  eft  dstöd,  —  dann  geseah  pd  on  searwum  sigeeddig  bil,  das 
riesenschwert.  ich  glaube,  syddan  he  eft  astod  ist  verdorben 
und  hat  einmal  geheifsen  swd  he  (gott)  oftast  ded;  s.  444  swd 
he  oft  (Grendel)  dyde,  Gen.  2586,  Beow.  1059  und  Heynes 
glossar  unter  dön.  —  1808  der  beistrich  nach  heran  stört  die 
construction.   —  dagegen  verlangt  der  satz  1815 

eöde  weord  Denum 

cedeling  tö  yppan,  pdr  se  öder  wces 

hcL'le  hildedeör  Hrödgar  grette 

einen  beistrich  nach  —  öder  loies.  vgl.  298(3  penden  redfode 
rinc  Ödeme,  das  ist  Eofor  den  Ongentheow.  —  1826  ist  der 
beistrich  nach  gndgeweorca  zu  tilgen,  wie  er  ja  auch  in  der 
4  aufläge  nicht  steht,  also  gudgeweorca  ic  beö  gearo  söna  wie  2118 
pd  wces  eft  hrade  gearo  gyrnwrwce  Grendeles  mödor.  —  1877 
heifst  es: 

Wa>s  him  (Hrodhgar)  se  man  (Beowulf)  tö  pon  leöf, 

pCBt  he  pone  breöstwylm      forberan  ne  mehte, 

ac  him  on  hredre  hygebendnm  fcest 

1880  cefter  deöruni  men  dyrne  langad 

beorn  wid  blöde. 
es  ist  wol  1881  zu  lesen  bearn  wie  67  him  on  möd  bearn.  statt 
als  auffälliges,  wenn  auch  nicht  unmögliches,  präsens  ist  dann 
langad  1880  als  substantivum  zu  fassen.  —  nach  1945''  ist  punct 
zu  setzen:  denn  es  folgt  nun  die  andere  sagengestall  von  Thrydho. 
—  nach  gehogodest  1989''  ist  der  beistrich  zu  tilgen,  pdpü  fdringa 
feorr  gehogodest  scecce  secan  ofer  sealt  wcvter.  —  2153  empfiehlt 
es  sicli  eaforhedfodsegn  als  6in  wort  zu  lesen,  einmal  weil  man 
nicht  versteht,  was  ein  hedfodsegn  sein  soll,  und  weil  durch 
trennung   des   eafor   von   hedfodsegn    fünf  geschenke   angedeutet 


BEOWULF  ED.  HEYNE -SOCIN  191 


ist  doppelpunct,  nicht  punct  zu  setzen,  denn  es  folgt  der  nacli- 
satz  mil  syddati.  der  setz  heifst:  'dann  geschah  es,  dass,  nach- 
dem Hygelac  gefallen  und  Heardred  auch  durch  die  Headhoscil- 
fingen  seinen  tod  gefunden,  Beowulf  das  reich  erhielt.'  —  nach 
2300*  wird  dagegen  besser  punct  gesetzt.  —  2394  man  wundert 
sich ,  dass  die  ausgäbe  noch  immer  die  conjectur  feönd  für  das 
hsliche  von  Müllen  hoff,  Grein,  Bugge  so  einleuchtend  erklärte 
freönd  beibehält.  —  2403  ein  druckfehler  sweäwiaii  für  sceä- 
wian.  — 
2551  Let  pä  of  breöstum,  pd  he  gebolgen  wws, 

Wedergedta  leöd  word  nt  faran, 

stearcheort  styrmde;  stef'n  in  becöm 

headotorht  hlynnan  under  käme  stdn. 

V.  2553  vvird  besser  als  parenthese  gefasst,  und  hUpinan  2554 
dem  faran  von  2552  coordiuiert.  —  2922  Merewioingas  müts 
ist  wegen  der  endung  -as  und  der  erwähuung  des  fursten  auf- 
fällig statt  der  Völker,  die  vorher  und  nachher  als  den  Geaten 
feindselig  und  bedrohlich  aufgeführt  werden,  Froncum,  Frysum, 
Hügas,  Hetware,  tö  Sweöpeöde.  die  ursprüngliche  Schreibung 
mere  wio  ingannills,  wobei  der  erste  strich  der  «w  zu  s  gebessert 
wurde,  zeigt,  dass  der  scbreiber  den  text  nicht  verstand,  viel- 
leicht ist  Merewioinga  als  genitiv  pluralis  zu  lesen  und  das  wort 
wie  Amelungen  zu  fassen,  als  epischer  name  der  Fraukenvölker,  — 
2575  ist  die  Schreibung  Greins  jedesfalls  vorzuziehen  swä  Mm 
Wyrd  ne  gescrdf  hred  CBt  hilde,  während  Heyne -Socin  nach  ge- 
scrdf  beistrich  setzen  und  hred  für  hrede  als  adjectivum  auf  Beo- 
wulf beziehen.  —  2948.  3136  druckfehler:  wide  für  wide,  cede- 
lingc  tür  cedelinge. 

Was  den  commentar  anbelangt,  so  wird  zu  v.  168  bemerkt, 
dass  MüllenhotTs  deutung  des /je  auf  Hrodhgar  bedenklich  sei,  da 
dieser  seit  152  nicht  vorgekommen,  aber  in  der  angelsächsischen 
poesie  muss  der  bezug  des  pronomens  oft  erraten  werden,  noch 
mehr  als  im  mhd.:  1901  ist  he  Beowulf,  der  1881  zuletzt  genannt 
war.  von  1883  ab  ist  vom  schifl'e  der  Geaten  die  rede,  von  den  ge- 
fährten  Beowulfs,  vom  Strand  wart  und  wider  vom  schiffe,  oder  2491 
sagt  Beowulf  ?c /tm />ä  ma^///ias,  [je  he  nie  sealde,  geald  cet  güde. 
him,  he  ist  Hygelac,  welcher  seit  2435  nicht  genannt  wurde, 
nur  2480  unter  mwgwine  mine  mit  zu  verstehen  ist.  —  ja  sogar 
ohne  pronomen,  durch  die  dritte  person  singularis  des  verbums, 
kann  eine  unmittelbar  vorher  nicht  genannte  person  bezeichnet 
werden,  so  1918  ff  Beowulf.  sehr  undeutlich  erscheint  uns  der 
gebrauch  des  pronomens,  wenn  es  sich  um  zwei  parteien  handelt, 
so  1084  tf,  wo  hie,  him,  —  hie,  him  beide  mal  zuerst  die  partei 
Finns,  dann  die  Hengists  bezeichnet,  und  noch  ein  hie  folgt 
auch  auf  die  leute  Hengists  gehend;  siehe  Anz.  x  227. 

Glossar,     dnfeald  scheint   auch  die  bedeutung  'fest',  'un- 


192  BEOWÜLF   ED.  HEYNE -SOCIN 

erschülterlich'  zu  haben;  256  minne  gehyrad  änfealdne  gepöht. 
vgl.  dtiriid  und  61 1  fcnstrcedne  gepöht.  'simplex'  passt  256 
nicht,  und  der  bedeutungsiibergang  würde  sich  durch  den  begriff 
'unvermischl'  erklären.  —  eolet.  tür  die  bedeutung  dieses  afta^ 
eiQVfiivov ,  — pä  wces  sund  liden  eoletes  cet  ende  —  ist  jedesfalls 
Walfisch  15  und  Crist  1030  heranzuziehen,  Walfisch:  setlad  (die 
Seefahrer)  swmearas  sundes  a>t  ende,  —  Crisl  1033  bei  der  be- 
schreihung  des  jüngsten  tages 

Ponne  eall  hrade  Adames  cynn 

onfehd  fldesce,  veorded  feoldrwste 

eardes  cet  ende. 
—  bana.  mit  recht  wird  1969  bonan  Ongenpeöwes  d.  i.  Hygelac 
nicht  durch  'mörder',  'töter'  gegeben,  die  wbb.  verzeichnen  aller- 
dings nur  diese  bedeutung  und  diaholus.  aber  gerade  letztere 
ergibt  die  bedeutung  'feind';  siehe  Crist  1394,  gott  spricht  zu 
Adam:  ac  min  bibod  brcece  be  pines  bonan  worde.  —  hild  scheint 
nicht  nur  'kämpf,  sondern  auch  'kampttücluigkeit',  virtus  zu  be- 
zeichnen, so  902  siddan  heremödes  hild  swedrode  wie  es  von 
wig  ja  bekannt  ist.  aber  auch  güd  zeigt  diesen  bedeutungsüber- 
gang;  siehe  Versus  gnomici  xiv,  n  84  güd  sceal  in  eorle,  wig  ge- 
weaxan,  and  wif  gepeön  leöf  mid  hyre  leödum.  —  hröf  kann 
984  (im  glossar  falsch  894)  nicht  'dach'  heifsen :  siddan  —  ofer 
hedhne  hröf  hand  scedwedon,  feöndes  fingras,  d.  i.  Grendels,  es  muss 
hier  das  innere  des  hauses  bedeuten ,  wie  es  ja  auch  einmal  durch 
camara  glossiert  ist.  —  hwil.  nicht  nur  lange  hwile,  auch  hicile 
scheint  diu  zu  heifsen,  siehe  105.  152;  siehe  prdg.  —  über  ge- 
hydan  siehe  oben  s.  169.  —  langsum  wird  wie  in  den  Wörter- 
büchern durch  'lange',  'immerwährend'  gegeben,  obwol  134 
diese  bedeutung  sehr  wenig  passt.  nach  der  ersten  untat  Grendels 
sind  die  Dänen  bekümmert :  wces  pcet  gewin  tö  sträng,  lad  ond 
langsum.  darauf  folgt,  dass  Grendel  in  der  nächsten  nacht  wider 
mordtaten  verübte,  noch  weniger  angemessen  ist  die  bedeutung 
diuturnus  im  Runenlied  21 : 

Lag\i  byd  leödum  langsum  gepöht, 

gif  hi  sculun  nedan  on  nacan  tealtum 

and  hi  scej/da  swide  bregad 

and  se  brimhengest  bridles  ne  gymed. 

da  in  langian,  langod  die  bedeutung  desiderium,  aerumna  vorliegt, 
so  ist  es  wol  gestattet,  diesen  begriff  auch  bei  langsum  anzu- 
nehmen. —  ledn  1810  kann  ganz  gut  'geschenk',  nicht  'lohn', 
heifsen  ,  wie  Heyne-Socin  vermuten  ;  siehe  Genesis  258.  2933.  — 
gemcenan  1102  ist  nicht  notwendig  als  eine  sonst  im  ags.  nir- 
gends belegte  ableitung  von  mdn  (inquinatio,  scelus)  zu  fassen, 
wie  es  Grein  und  Heyne-Socin  tun.  'sie,  die  Friesen,  sollten  es 
nie  erwähnen,  wenn  auch  (pedh)  sie  (die  Dänen)  nun  einem 
fremden  herren  folgten.'  pedh  ist  vielleicht  hier  gemeint  wie 
das  ahn.  pött,  als  einleitung  des  objectsatzes,  siehe  Anz.  xni  247  f, 


BEOWÜLF  ED.  HEYISE-SOCIN  193 

WO  noch  ein  l)6lt  in  der  bedeutung  'wenn'  hinzuzufügen  wäre, 
Thidhreks  saga  s.  310  c.  362  illt  eina  man  af  standa,  pott  er  faret, 
und  eines,  das  durch  'als  ob'  zu  übersetzen  ist  FMS  2,  150  en 
vel  djarfliga.  pcptti  mer  pit  snceda,  pö  at  pit  vwrit  med  öllu 
ührceddir  menn  ok  med  vinum  komnir;  siehe  auch  FMS  7,207 
und  FMS  2,  59.  letzleres  beispiel  ist  bei  Cleasby-Viglusson  fälsch- 
lich unter  der  bedeutung  although  angeführt.  —  genehost  795  wird 
zu  eorl  Beöwulfes  gezogen  und  von  Grein  und  Heyne -Socin  er- 
klärt als  'mancher  von  Beowulfs  mannen',  allein  dann  stände 
wol  eorla,  und  der  begriff  'mancher  von  Beowulfs  mannen'  kann 
schon  in  eorl  Beöwulfes  liegen,     vgl.   1241 

Beörsce(dca  sinn 
fus  ond  fdge  fletncste  gebedg. 

Setton  htm  tö  hedfdon        hilderandas, 
hordwudn  beorhtan ;  [idr  an  hence  icces 

1245  ofer  a>delinge  ydgesene 

headostenpa  heim,  hringed  byrne, 

precwudn  prgmlic.  wcüs  pedw  hyra, 

p(Bt  hie  oft  wdron  an  tcig  gearwe  — 

dh.  die  beiden  legten  sich  zu  bette,  —  vor  dem  besuch  von 
Grendels  mutter  — ,  zu  häupten  ihre  waffen ,  die  Schilde,  die 
helme,  die  hämische,  die  lanzen.  ofer  cedelinge  1245  heifst 
also  'über  den  kriegern',  nicht  'über  dem'  oder  'über  einem  der 
krieger'.  im  glossar  wird  cedeling  (unter  wdeling)  zwar  auf 
Beowulf  bezogen,  der  ist  aber  gar  nicht  im  saal,  s.  1300.  —  bei 
sin  wäre  zu  bemerken,  dass  es  sich  auf  ein  feminines  subject 
beziehen  kann  wie  1507.  —  prdg.  der  adverbielle  accusativ 
präge  87,  pd  se  ellengcest  earfodlice  prdge  gepolode,  heifst  viel- 
leicht 'lange  zeit'  wie  in  ^Ellreds  Metra  1,  28.  die  Römer  sind 
von  den  Goten  unterworfen,  neigen  sich  aber  den  Griechen  zu: 
stöd  präge  an  pdm ,  peöd  wws  gewnnnen  wintra  menigo ,  öd  pcet 
Wyrd  gescrdf,  pcet  pe  Peödrice  pegnas  and  eorJas  heran  sceoldan.  — 
bei  pCBt  wird  pces  pe  1342  durch  'darum',  'demnach'  übersetzt, 
aber  es  heifst  an  der  stelle,  dass  Grendels  mutter  die  feiudschaft 
fortgesetzt  habe,  poes  pe  pincean  mag  pegne  monegum,  se  pe 
cefter  sincgyfan  (d.  i.  iEschere)  on  sefan  greöted  hrederbealo  hearde. 
dieses /(PS /e  ist  durch  nichts  verschieden  von  dem  bei  Grein  im 
Sprachschatz  2,  576  angeführten ,  das  'wie',  'sowie'  bedeutet.  — 
wanhyd  AdA  wird  wol  besser  durch  'torheit'  widergegeben.  —  im 
artikel  bewenian  ist  der  dunkle  vers  2036  dryhtbearn  Dena  duguda 
biwenede  jedesfalls  nicht  richtig  als  ein  praeteritalsatz  übersetzt, 
das  ist  unmöglich,  da  ja  Beowulf  hier  künftiges  voraussagt.  — 
die  gewöhnlichen  bedeutungen  von  wig  passen  2324  nicht,  der 
drache       hwfde  landwara  lige  befangen, 

bdele  ond  bronde:  beorges  getrüwode, 

wiges  ond  wealles. 
vorher  war  gesagt  worden,   dass  er   noch  vor  tagesanbruch  sich 


194  BEO  WULF   ED.  HEYNE -SOCIN 

in  seine  höhle  zurückzog,  man  mochte  hier  ein  alln.  fremdwort 
vermuten:  wig  =  akü.  vigi  'a  vantage-ground,  stronghold'.  hei 
einem  militärischen  begriff  kann  das  nicht  überraschen. 

Das  Heynesche  Beowulfglossar  war,  als  es  erschien,  würklich 
ein  treffliches  hilfsmittel ,  wol  das  beste  Specialwörterbuch ,  das 
wir  besafsen.  von  den  intimeren  eigentiimlichkeiten  des  ae.  Sprach- 
gebrauchs erfuhr  man  aus  ihm  oft  mehr  als  aus  den  grofsen  wbb.; 
so  über  den  gebrauch  von  sum  mit  dem  genitiv  von  bekannten 
Personen  (eorla  sum  wie  mhd.  ein  ritter),  oder  widan  feorh  im 
negativen  salz  in  der  bedeutung  cefre  2015;  ebenso  wird  auch 
dceges  zu  fassen  sein  1936  pcet  hire  an  dceges  edgum  starede, 
nach  negativem  hauptsatz.  dass  es  gegenwärtig  vielfach  veraltet 
sei,  muss  mau  Sievers  Zs.  f.  d.  phil,  21,  356  ff  zugeben,  aber 
auch  abgesehen  davon  leidet  es,  da  es  doch  für  anfänger  be- 
stimmt ist,  an  einem  gebrechen,  es  ist  nirgends  ersichtlich 
gemacht,  was  gemeinags.  Wörter  und  phrasen  sind  und  welche 
anderen  nur  im  Beovvulf  und  nur  an  einer  einzigen  stelle  vor- 
kommen, so  könnte  ein  fleifsiger  Student,  der  in  einer  der 
ersten  vier  auflagen  des  Heyneschen  Beowulf  unter  hwcer  die 
erklärung  des  verses  3063  gesucht  und  sich  eingeprägt  hat,  — 
leicht  zu  der  meinung  kommen,  icundur  hwcer,  ponne  —  sei  ein 
ganz  üblicher  ags.  ausdruck  für  den  gedanken  'ist  es  denn  ein 
wunder,  wenn  — ?'  oder  dass  lufa,  lufen  sonst  belegte  Wörter  mit 
dem  begriff  'lebensunterhalt'  seien  udgl.  dem  liefse  sich  ab- 
helfen, wenn  in  einer  neuen  aufläge  alles  blofs  im  Beowulf  nach- 
weisbare an  Worten  und  phrasen  mit  einem  Sternchen  bezeichnet 
würde.  —  ein  anderer  mangel  des  buches  ist,  dass  der  leser  von 
der  Sagengeschichte  des  Beowulf  gar  nichts  erfährt,  es  sollte 
wenigstens  im  personenverzeichnis  unter  Offa ,  Halga ,  Eadgils, 
Hrodhwulf  usw.  auf  die  nordischen  und  englischen  quellen, 
welche    auch   von    diesen  personen  erzählen ,    verwiesen  werden. 

Warum  die  fiitenzählung  der  hs.  nicht  genau  beibehalten 
worden  ist,  hat  man  schon  bei  der  ersten  aufläge  nicht  ver- 
standen, die  litterarische  tatsache,  dass,  was  wir  einleitung 
des  Beowulf  nennen,  auch  von  dem  Schreiber  der  hs.  so  auf- 
gefasst  worden,  wird  durch  Heynes  Zählung,  die  i  für  vers  1 — 52 
braucht  usw.,  verdunkelt,  noch  auffälliger  ist  die  fittenzahl  xxvi 
zwischen  1745  und  1746  statt  nach  1741.  wie  kann  man  eine 
so  unpassende  einteilung  wie  die  in  fitten  an  einem  puncte 
corrigieren?  —  sehr  lästig  ist  die  von  Grein,  Wülcker,  Zupitza 
abweichende  verszählung. 

Wien,   december  1888.  Heinzel. 


AMARCIÜS  ED.  MAMTIUS  195 


Sexti  Amarcii  Galli  Piosistiati  sermonum  libri  iv.  e  codice  Dresdens!  A. 
167»  nunc  primum  edidit  Maximiliasus  Manitiüs.  Lipsiae,  in  aedibus 
BGTeubneri,  1SS8  (Bibliolheca  scriptorum  medii  aevi  Teubneriana).' 
xvin  und   105  ss.     8°.  —  2,25  ni. 

Aus  den  Satiren  des  Amarcius  hatten  Haupt,  Büdinger  ua. 
schon  längst  einzelne  stücke  bekannt  gemacht;  der  ersten  voll- 
ständigen Veröffentlichung  aus  der  einzigen  Dresdener  hs.  des 
13jhs.  hat  sich  jetzt  MManitius  unterzogen,  nicht  ohne  eifer, 
aber  ohne  glück,  gegenüber  einer  erstausgabe  liefse  ich  gern 
jeden  tadel  schweigen,  aber  ein  Ordnungsruf  kommt  schon  allein 
der  anspruchsvollen,  ich  möchte  sagen  scheinheiligen  arlzu,  die 
auch  sonst  sich  in  einzelnen  gebieten  der  mittelaherlichen  Phi- 
lologie breit  zu  machen  droht,  der  apparat  wird  mit  den  raüfsig- 
sten  dingen  beschwert  —  ich  finde  hier  zb.  auf  öiner  seite  stib 
(hiceret,  in  cedere,  sub  iectos  als  lesarten  der  hs.  für  suhduceret, 
incedere,  suhiectos  angeführt  — ,  unter  dem  apparat  lässt  man 
einen  schwall  sog.  Vorbilder  folgen,  die  in  den  meisten  fällen 
nur  die  belesenheit  des  herausgebers  nicht  des  dichters  beweisen 
—  hier  wird  zb.  des  Amarcius  die  laster  verlachen  die  lugenden 
mit  des  Tacitus  nemo  illic  nitia  ridet  belegt  — ;  die  erklärung 
dagegen  schweigt  und,  wo  man  sie  nun  vielleicht  suchen  sollte: 
in  den  indices,  sieht  man,  dass  sie  dem  herausgeber  nicht  behagt 
hat,  dass,  wo  er  sie  versucht,  er  ihrer  nicht  herr  geworden, 
und  mit  Unwillen  legt  man  wider  einmal  einen  text  zu  den 
übrigen,  den  der  herausgeber  grofsenleils  unverstanden  heraus- 
zugeben sich  nicht  gescheut  hat. 

Was  würde  man  nicht  alles  zu  hören  bekommen,  wenn  man 
zb.  Manitius  um  eine  Übersetzung  seines  Amarcius  bäte,  begnügen 
wir  uns  mit  der  antwort ,  welche  eine  kurze  auslese  aus  seinen 
indices  gewährt  (i  nominum  n  vocum  rariorum  et  rerum),  ohne 
ihm  anzurechnen,  dass  sie  unvollständig  sind  und  dass  gegenüber 
einer  reihe  überflüssigster  erklärungen  (in  der  art  von  Arar 
flnmen,  Driades  Dryades,  Phelms  Phoehus,  cauma  -/MV/iia ,  sin- 
tagma  syntagma)  würkliche  Schwierigkeiten  meist  übergangen 
werden.  'Albis(?)  iv252':  gemeint  ist  die  Elbe  als  gegend  häufiger 
kämpfe.  'Apollion  ni  399'  unter  Apollo:  gemeint  ist  ApoUyon 
Apoc.  9,  11.  'Cecropides  ii  589'  statt  Cecropidae.  'Francigenae 
mares  i.  q.  Franci  iv  253':  aber  mores  gehört  natürlich  zu  spa- 
dices,  'die  rotbraunen  hengste'.  'Ligures  (vestes?)  iv  171':  aber 
uiit  Ligurien  hat  das  wort  nichts  zu  schaflen ,  ligurae  sind  ligulae 
'schulibäuder'.  'Neoptolemi  ludi  iv  255':  aber  es  heifst  an  der 
stelle  '  leute  wie  Neoptolemus'  (worauf  sich  das  bezieht,  weifs 
ich  nicht)    'werden  die  spiele  usw.    nicht  mehr  besuchen.'     *5e- 

'  in  dieser  Sammlung  erschienen  früher:  Alberti  Sladensis  Troilus  ed. 
Merzdorf,  Thiofridi  Epternacensis  Vita  VVillibrordi  ed.  Rossberg,  Christus 
patiens  ed.  Brambs,  Vitae  sanctorum  novem  metricae  ed.  Barster. 


196  AMARCIUS  ED.  MAMTIUS 

verinus  i  1S6':  M.  ahul  uiclit,  dass  Boelliiiis  gemeint  ist,  Amar- 
cius  cilat  ist  aus  De  cons.  phil.  im  3  ed.  Peiper  s.  97  f.  —  aus 
index  ii  beschränke  ich  mich  auf  folgendes,  'camirns  magus  i  98': 
sollten  die  Cabiren  vorgeschwebt  haben?  A.  schreibt  naso  camiro 
dh.  ctiruo ,  so  steht  caw«V-  in  hss.  für  camiir-.  'cibi  iv  219  sqq. 
iirsus  iricins  pavo  olor  piciis  psitacus  monedula' :  dohlen  und 
papageienbraten?  aber  A.  sagt  zu  dem  schlemmer  'wenn  dir 
pavo  und  picus  als  speise  gefällt,  warum  nicht  auch  pica?  und 
wenn  du  besonderes  wolgefallen  an  speisen  findest  von  tieren, 
die  sprechen  können,  dann  lass  dich  von  papagei  und  dohle 
mästen.'  'elux(?)  i569':  A.  sagt  epulum  pane  est  elucins  omne 
dh.  elutms,  wie  Horat.  Serm.  ii  4,  16  sagt:  inrigno  nihil  est  ehitius 
horto.  'glotes  iv  5.  cf,  Ducange  s.  v.  glos  n.  3':  aber  A.  meinte 
gloc(h)es  ah  yXco^eg ,  wenn  ich  auch  nicht  weifs,  wie  das  seltene 
wort  bis  hierher  durchgesickert  ist.  'medum  (raeth?)  i  379': 
bei  A.  steht  der  richtige  und  gebräuchliche  nominativ  medo  ; 
mit  einigen  selbstverständlichen  äuderungen  und  richtiger  inter- 
punction  ist  die  ganze  stelle  zu  lesen:  i,  puer,  et  propolas  per- 
spaciare,  Venit  (von  neneo!)  ubi  uinum,  moratnm  (vgl.  Ducange), 
sicera,  medo.  Consumat  (consummat  codex  mit  gebräuchlicher 
Orthographie)  Cererem  sine  (siue  c)  Dacus  Saxoque  potu,  At  (ac  c) 
bonns  et  tenuis  mea  pernatet  exta  Lieus.  'nictagis  (waxätoi  ?J  m 
809':  vgl.  Isidor  Etym.  viii  5,  62,  A.  hat  zu  Nyctages  einen  Singular 
gemacht,  'nsias  (ovoia)  summus  iii  323':  aber  gerade  an  dieser 
Stelle  ist  der  ausdruck  nicht  im  theologischen  sinne  und  man  hat 
zu  verbinden:  summus  e minus  uidet  usias  alta  dominantium, 
prope  respicit  quod  paruum  est.  man  sieht:  es  ist  nicht  gerade 
ein  vergnügen,  aus  dieser  ausgäbe  den  A.  kennen  zu  lernen, 
auch  ist  die  einleituug,  die  Haupts  material  und  Büdingers 
forschung  ins  breite  zerrt,  unergibig,  das  hereinziehen  der  Gesta 
epic.  Leodiensium  n  unbegründet,  das  deuten  von  in  732  auf  die 
beschlüsse  der  synode  von  Pavia  des  Jahres  1018  (dh.  1022)  über- 
flüssig, dass  III  141  Henricus  steht,  besagt  in  einer  hs,  des 
13  jhs.  für  die  nationalität  des  dichters  gar  nichts,  noch  weniger 
darf  aus  dira  Sicambria  ii  526  gefolgert  werden,  denn,  wenn  es 
auch  für  Francia  stehen  könnte  (vgl.  Zs.  23,  43),  was  mir  hier, 
wo  es  neben  Thile  steht,  unzulässig  scheint,  so  war  das  beiwort 
vielmehr  aus  Juvenal  4,  147  zu  erklären,  der  dichter,  der  mit 
solchem  schwung  und  mitunter  so  hinreifsender  beredsamkeit 
seine  bunten  scenen  an  uns  vorbeiwirbeln  lässt,  hätte  ein  besseres 
Schicksal  verdient,  versuchen  wir  in  der  kürze  ihn  näher  und 
besser  kennen  zu  lernen. 

Alles  was  wir  von  Amarcius  wissen,  wissen  wir  durch  ihn 
selbst,  auch  die  angäbe  seines  geburtslandes  bei  Hug  von  Trim- 
berg  muss  ich  so  ableiten.  Hug  sagt  Reg.  ed.  Huemer  v.  503  von 
ihm:  Turiaca  prouinda  secus  Alpes  natus.  Theodorich  Engelhus 
im  15  Jh.,  der  den  Hug  nachweislich  kennt,  versteht  unter  diesem 


AMARCIUS  ED.  MAMTIUS  197 

seltsamen  ausdruck  Zürich,  xMBüdinger  verbessert  Curiaca  und 
rät  aus  dieser  gleichfalls  unmöglichen  form  auf  das  Churer  bistum, 
M.  verklitlert  Hug  und  Engelhus,  die  er  für  zwei  zeugen  hält, 
um  A.  nach  dem  Thurgau  zu  verweisen,  aber  Hug,  der  den 
A.  oder  auszüge  aus  ihm  vor  sich  hatte,  hat  sich  seine  angäbe 
aus  I  352  zurecht  gemacht,  wo  er,  wie  wir  in  unserer  hs.,  las: 
nee  tu  turiace,  labes  deterrima,  penne  . .  .  aberts.  er  hat  geglaubt, 
der  dichter  habe  damit  seine  heimat  bezeichnen  wollen,  etwa  wie 
wenn  CatuU  gedroht  hätte:  Caesar,  non  effugies  Veronenses  iambos. 
und  wie  nun  auch  A.  schrieb  —  ich  halte  es  für  möglich,  dass 
er  theriac^  gewagt  hat  — ,  aus  dieser  stelle  gewinnen  wir  nur 
die  erkläruug  für  Hugs  Irrtum,  wir  wissen  nicht,  woher  A. 
stammt,  wir  können  es  auch  gar  nicht  wissen,  da  er  wie  andere 
Zeitgenossen  mit  uns  versteck  spielt,  er  behauptet,  der  Sextus 
Amarcius  Gallus  Piosistratus  (doch  wol  aus  Pisistratus  umgebildet) 
zu  sein,  sein  freund,  vielleicht  sein  lehrer,  dem  er  das  gedieht 
widmet,  ist  ihm  der  Candidus  Theopystius  (dh.  Theopistus)  Alchi- 
mus.  hier  erklärt  er  wenigstens  den  ersten  namen  i  2  ff  und 
IV  304,  wo  zu  lesen  longos  miror  sapientes  albos,  andaces  non 
iure  —  calumnio  nigros.  ein  anderer  gelehrter  wird  von  ihm  als 
Euphronius  eingeführt  (iir  c.  V ff) :  paruus  ego  uidi,  certa  si  mente 
recordor,  Enfronium;  Büdinger  AD  s.  11  hält  ihn  für  den  Tourser 
bischof  und  findet  die  nun  folgenden  verse,  die  dem  Euphronius 
in  den  mund  gelegt  werden,  sehr  schön,  aber  ihr  stil  ist  der 
des  A.  und  so,  wie  ui  719  geschieht,  konnte  im  6  jh.  nicht 
über  wunder  gesprochen  werden :  es  ist  A.,  der  sich  hier  mit 
neuer  autorität  umhüllt,  doch  scheint  mir,  als  liefse  er  wenig- 
stens etwas  über  seine  äufsere  erscheinung  verlauten  in  den 
Versen  iv  295  —  302,  die  einem  einreder  longiis  Yperephanes 
(vgl.  vTtEQTicpavog)  zuzuweisen  sind.i  ob  man  aus  i  7  auf  ein 
früheres  gedieht  des  A.  mit  Büdinger  und  M.  schliefsen  darf, 
bleibt  sehr  zweifelhaft,  das  natürliche  ist  doch  wol,  zu  verstehen: 
nimm  dies  gedieht ,  was  ieh  dein  sehüler ,  zarter  Jugend  uneingedenk 
im  vertrauen  auf  den  herren  gewagt  hatte  und  dies  auf  das  vor- 
liegende zu  beziehen,  über  seine  zeit  verrät  uns  A.  wenig. 
Heinrich  m  wird  iii  141  als  Romane  seeptriger  areis  erwähnt  und 
seine  milde  während  einer  hungersnol  gepriesen,  diese  hält 
Büdinger  wol  mit  recht  für  die  des  jahres  1044.  aber  das  fol- 
gende (v.  145  tempore  quo  —  149  aluisse  dicitur  —  150  niger 
donec  discesserat  atums  —  154  tempore  eodem)  zeigt,  dass  dieses 
jähr  und  vielleicht  schon  lange  abgelaufen  ist;  daher  werden 
wir  Romano  seeptriger  arcis  auch  bestimmter  als  imperator  oder  pa- 

*  zu  lesen  ist :  'nugaris  agagiila'  longus  Inquit  Yperephanes.  'quid  t. 
p.r.?  Nil  quod  perdat  liabens  latronem  non  timet?  at  (et  c)  nil  prorsus 
ais  eqs.'  und  '"respue  opes  falsas,  fuge  ceca  negotia  mundi"  Quid  tantum 
garris,  homo  mensure  tripedatis?  Raro  breues  humiles  uidi  rufosque 
fideles.' 


198  AMARCIUS  ED.  MAMTIUS 

tricius  Romanorum  lassen  müsseu,  und  also  das  gedieht  frühestens 
1046  ansetzen  dürfen,  auch  sucht  Biidinger  nur  zu  gunsten  einer 
anderen  Vermutung  die  abfassungszeit  niöghchst  herabzudrilcken. 
Adehnan  von  Lültich  soll  in  seinem  Rhythmus  B  .3  auf  Amarcius 
III  157  anspielen  können,  wir  wissen  jetzt,  dass  Adelman  diese 
zweite  fassung  seines  Rliythmus  zwischen  1040 — 1057  aus  Speier 
an  Berengar  sandte  (vgl,  JHavet  in  Notices  et  documents  p.  pour 
la  soci6t6  de  l'hist.  de  France,  Paris  1884,  s.  78),  und  an  und 
für  sich  könnte  also  Büdingers  Vermutung  auch  für  unseren  an- 
satz  bestehen  bleiben,  doch  hat  sie  entschieden  an  kraft  ver- 
loren, nachdem  wir  die  erste  fassung  Adelmans  (1028—1033) 
kennen  gelernt  haben ,  wo  der  betreffende  ausdruck  schon  so  weit 
vorgebildet  ist,  dass  wir  ihn  in  der  zweiten  nicht  mehr  im  sinne 
Büdingers  fassen  können,  immerhin  bleibt  die  anführung  Speiers 
III  157,  die  zu  gunsten  des  Wortwitzes  —  Spire,  grauis  est  ubi 
spirittis  (iure  —  mit  würklichem  namen  geschieht,  höchst  be- 
merkenswert, ich  halte  es  nicht  nur  für  möglich,  dass  A.  aus 
der  Speierer  schule  hervorgegangen  ist,  sondern  auch  für  glaub- 
lich, dass  er  ihr  noch  angehörte,  als  er  seine  sermones  —  denn 
dies  ist  der  unumstöfsliche  titeP  —  verfasste.  freilich:  ein  un- 
vergleichlich viel  begabterer  schüler  als  vordem  Walther  wäre  er 
gewesen,  von  den  römischen  Satirikern,  deren  verstechnik  er 
auch  —  die  fesseln  der  leoninitas  abstreifend  —  nachahmt,  hat 
er  sich  eine  prickelnde  und  sprunghafte  spräche  abgehorcht,  die 
durch  immer  neue  einfalle,  zwischenfragen,  anecdoten  reizt, 
mitunter  erscheinen  die  laster,  die  er  bekämpft,  in  fast  zu 
glänzenden  färben ;  der  zorn  des  schelters  weicht  dann  unver- 
merkt dem  liebevollen  Verständnis,  wie  es  etwa  der  söhn  ritter- 
licher eitern  im  geheimen  dem  prunk  und  der  behaglichkeit  seiner 
standesgenossen  noch  entgegenbringen  mochte  (vgl.  Büdinger  im 
Anzeiger  für  schweizerische  geschichte  14,  91  f).  seria  ridkulo 
quid  obest  sermone  notare  fragt  er  iv  433 :  ich  will  zugeben ,  dass 
unter  diesem  schild  auch  manche  geschmacklosigkeiten  unter- 
gelaufen sind. 

Aufklärungen  und  Verbesserungen  wird  jeder  leicht  geben 
können,  auch  will  ich  nur  vorläufig  dem  Verständnis  etwas  zur 
hilfe  kommen,  eine  einheitliche  quelle  liegt  iv  c.  ii  De  xii  lapi- 
dibus  et  misterns  eorum,  zu  gründe;  aber  nicht  Plinius  HN,  wie 
M.  annimmt,  das  thema  ist  seit  dem  hl.  Epiphanios  im  mittel- 
alter  sehr  beliebt  (vgl.  die  tabelle  bei  Pitra  Spicileg.  Solesm. 
II  345),  A.  stimmt  genau  mit  des  sog.  Marbod  ausdeutung  der 
steine  bei  ßeaugeudre  s.  1681  ff,  geht  aber  stellenweise  auch  mit 
der  prosa  (dh.  dem  rhythmus)  des  sog.  Marbod  ebend.  s.  1679 
(vgl.    M6m.    de    l'ac.   des    inscr.    xxxi  1    s.  89),   sodass   wir    für 

*  dies  ergibt  die  Übereinstimmung  des  Marienfelder  cataloges  mit  Hug, 
dessen  v.  512  beiläufig  so  zu  verbessern  ist:  e  (et  c)  quibus  in  uarios  ser- 
viones  suhdiuisus.    [im  A.    in  141   las  Hug  jedesfalls  nicht  tercins.J 


AMARCIUS  ED.  MANITIUS  199 

alle  drei  eine  gemeinsame  vorläge  anzunehmen  haben,  ein  bei- 
spiel : 

Amarcius  Marbodi  mystica  applicatio      Marbodi  prosa 

Celesti  solio  similis  sapphirus  celi  colorem  habet ;  sapphirus  habet 
saphirusmemoratur;  significat  illos  qni  adhnc  in  speciem  celesti 
Iste  figurat  eos  qxii  terra  positi  celestibus  inten-  throno  similem 
Pauli  dogma  sequen-     dunt . . .  itixta  illud:  nostra  eqs. 

les  Dicunt:   in  celis     autemconuersatioin  celisest. 
est  conuersatio 
nostra. 
auch    sonst  benutzt  A.  physiologische  quellen ,    zb.    (u  496  pan- 
therQ  ad  nocem   macuJoso  confluit   omnis  Bestia,   tortus   item  sub 
tofis  se  draco  condit,  Cum  tarnen  ingentes  barros  necet  et  cocodril- 
lum  (crocodillum   mit  iM.  zu  ändern    liegt   kein  grund  vor);    vgl. 
zb.  Dicla  Crisostomi  im  Arch.  f.  künde  österr.  geschichtsquellen 
v  553. 

Eine  gewisse  belesenheit  zeigt  er  in  medicinischen  dingen, 
vgl,  die  Zusammenstellung  von  M.  s.  x  f.  sicher  ist,  dass  ihm 
Serenus  S;immonicus  vorlag,  wie  ii  573  nt  ouis  lexiua  admixtis 
auf  Ser.  Sam.  ed.  Baehrens  v.  795  zurückgeht:  tum  lexiua  (so 
die  hss.)  cinis  ceras  dissoluit  et  oua  admixtoque  oleo  und  auch 
angnina  iv  482  für  angina  sich  wol  so  erklärt,  daneben  war 
ihm  ein,  vielleicht  versificiertes,  glossar  zugänglich,  doch  finde 
ich  nichts  ganz  entsprechendes,  aufgefallen  ist  mir  iv  418  da 
cardiaco  piponellam:  tiauseat;  gewis  ist  die  pimpernell  gemeint, 
die  aber  A.  wol  pipenella  nannte,  die  gebräuchliche  form  ist 
pimpinella  (sog.  Macer,  Matlhaeus  Sylvaticus,  Bartholomei  sino- 
noma),  aber  auch  Hildegard  schrieb  bibinella  (Physica  in  c.  139, 
Strafsburg  1533,  s.  60)  vgl.  mhd.  bibenelle  und  DVVß  i  1806;  was 
für  die  etymologie  beachtenswert  ist. 

Zum  text  bemerke  ich  folgendes,  i  4  gehört  ein  komma 
nach  niteas.  68  petere  ut  (ac  c)  peterentur.  77  lupiim  ist 
richtig,  (\h.  nitam  lupinam.  1^0  protendant  (procedatit  c).  130  cwi 
cuins  casus  querenti  uerbera  'neutri'  Reddit  dh.  'nulli'  respondet. 
185  quod  dictu  (dictum  c)  scelus  est.  250  lama  uie  similis  (si- 
miles  c).  256  Farmacopolarum  ( Parmacopolarum  c).  267  quire 
richtig,  infinitiv  von  queo.  311  nach  nullus  fehlt  der  punct,  der 
dichter  ändert  absichtlich  den  Wortlaut  seiner  Vorbilder  (hier 
nalürlich  Persius).  360  transuerberat  hasta,  Blandius  effusam 
(effusum  c)  detentans  uulnere  ceco  Palpitat.  368  appetit  hastili 
ueribusque  (uiribusque  c)  premit.  369  duplicis  iuris:  Horat.  Ep. 
I  252.  387  scrobe  für  scobe  —  vgl.  Horat.  Serm.  ii  481  —  kann 
richtig  sein.  388  esuriam  (esuriem  c).  411  coro  (chorffc).  nach 
412  wird  etwas  fehlen,  aber  413  ist  an  dieser  stelle  ganz  pas- 
send vgl.  Büdingers  Übersetzung  in  AD  und  im  Anz.  420  tacta 
(casta  c).  423  torcela?  (torrela  c).  nach  436  fehlt  ein  vers  im 
sinne  etwa   von:   haud  secus  obstupeat,  testudine  cum  canat  nna. 


200  AMARCIUS  ED.  MAMTIÜS 

für  die  hier  folgende  spielmanuepisode  hat  schon  Scherer  QF  xit  16 
darauf  hingewiesen,  dass  aufser  dem  leich  vom  schneekind  (A.  440 
nt  simili  argiitus  nxorem  Siieuulus  arte  Luserit  =  MSD  xxi,  Cam- 
bridger lieder  xiv)  noch  zwei  der  spielmaunsheder  (A.  441  utque 
sagax  nudauerat  octo  tenores  Cantus  Piftagoras  et  quam  mera  nox 
Philomeni} ,  wofür  M.  ohne  grund  Pliilotnel^'  setzt)  sich  in  der 
Cambridger  Sammlung  (xxiv  und  xxvn)  finden,  und  er  hat  daraus 
einen  unabweisbaren  schluss  auf  das  alter  der  vaganten  gezogen. 
ich  wage  noch  weiter  zu  gehen:  wenn  dieser  iocator  (A.  424) 
des  11  jhs.  seinen  Vortrag  mit  einem  lied  über  Goliath  anhebt 
(A.  439  straiierit  nt  grandem  pastoris  funda  Goliath),  so  stehen 
wir  auch  hier  einem  würklich  von  seines  gleichen  gepflegten  Stoff 
gegenüber;  und  entweder  hat  dieser  später  auf  die  benennung 
'goliardus'  eingewürkt  oder  schon  damals  war  dieser  name  in  kraft 
und  veranlasste  die  spielleute,  sich  eine  beziehung  auf  Goliath  zu- 
recht zu  machen.  523  are  ist  natürlich  (h)ar^.  559  sohim  richtig. 
n  44  dextramque  (dextraque  c).  81  inbnit,  ut  und  punct 
nach  se.  nach  85  ist  der  punct  zu  streichen.  129  die  kenntnis 
aus  Vergil  Ecl.  vu  33.  162  fib'us  est  hominis;  super  omnes  arbiter. 
167  ist  zu  lesen:  'numquid'  ait  'dicet  Sion:  homo ,  natus  in  illa 
est  Hie  homo,  pre  cunctis  celsus  fundauerat  ipsam?'  nach  Psalm. 
86,  5.  174  quondam  [nam]  Inda  (in da  c).  267  sed  et  Ulis, 
Que  sine  fine  manent  nee  torpor  detinet  ullus,  Presit.  269  spe- 
culare  (stipulare  c).  302  das  citat  (Ezechiel  3,  18)  geht  erst 
302  zu  ende,  der  Christ  führt  es  an  und  fügt  hinzu:  hoc  quantum 
ualeo  sequor  eqs.  —  inntiliter,  darauf  erwidert  der  Jude:  nauci 
tna  uerba  uidentur :  Nam  solet  esse  tibi  sus,  qui  non  ruminat  (vgl. 

Leuitic),  esca  (M.  verbessert  escas!)  nee azima  snmis  (su- 

mas  c)  Nee  mactas  (mactes  c),  macht  ihm  also  zum  Vorwurf,  dass 
er  seine  worle  v,  304  nicht  ernst  nähme,  darauf  der  Christ: 
gens  inproba.  310  agmim  richtig;  quid  obicis:  was  wendest  du 
mir  ein?  353  nach  ydram  punct  und  dann:  et  qiiot  uirtutes 
gessit,  tot  energia  (was  allein  richtig  ist)  c^pit  Flaminibus  cur^ 
puluillos  atque  tapetas  sternere.  361  ist  nicht  aus  Persius,  sondern 
Ovid  Art.  am.  i  563,  ebendaher  auch  die  Memallonides ,  wie  A. 
schreibt.  425  Qui  (wie) .  .  .  bidentes?  472  nach  exteriores  ist  das 
komma  zu  tilgen  und  eines  nach  somnum  einzufügen.  487  lasciuia 
uite  (in  te  c).  489  sola  anima  fusa  gehört  zum  folgenden.  497  *we- 
potem  Indutnmque  stola'  rodens  conuicia  (conuiuia  c  vgl.  etwa  Pers. 
iiiSl).  510  ef  cum  uulga(uulgi  c)  leuis parui  pendentibus  ipse  Sitpo- 
pulis.  513  bubus  non  cedens  (?  capiens  c).  582  Samaria  (samarie  c). 
bSQ  queror,  was  M.  vorschlägt,  ist  metrisch  unstatthaft,  das  ganze 
doch  auch  oflenbar  so  zu  gestalten:  tmlhis  desperet,  cum  uerba 
salutifer  ore  Dixerit  isla  deus:  'non  qu^ro  desipientis  Interitum; 
prauo  diuertas  tramite,  malo  (hierfür  vgl.  Psalm.  33,  15).  589  se- 
dauitque  strophas  Tuscorum  (was  ich  aber  nicht  verstehe)  et  Ce- 
cropidarum,  stoica. 


AMAKCIUS  ED.  MAMTIL'S  201 

III  53  tarmtis  ist  durchaus  richtig  vgl.  Loewe  Prodr,  288. 
88  Spiritus  at  noster,  si  a  uero  poscit  amari  Melchisedech ,  fuget 
hos.  terrenis  namque  (ter  senis  atque  c  vgl.  iv  265)  trecentis  Inmo- 
derata  liyant  uiciosos  uinda:  tenetur.  9A  farsa  (fulsac).  109  in 
cenum,  quäle  exercere  cauillum  in  polletite  solet  darum  prope 
dogma  Boeti  (gemeint  wol  De  cons.  ii  2  s.  27,  27  ed.  Peiper), 
Fortlina  uertente  rotani,  quia.  119  trima  (trina  c).  124  ignaris 
uerbi  Graecorum  31HJEN  AlAN  (MHAAFA  nam  c).  quid 
Ergo?  128  nach  hiare  fehlt  das  komma.  204 ist  scedula  richtig?  ich 
erwarte  etwas  mehr  Hor.Serm.ii  5,83  entsprechendes.  214  qnan- 
tnm  a  boglosso  (ab  oglosso  c)  Lethea  papauera  distant.  226  nach 
flammigeras  ist  das  komma  zu  tilgen.  245  nee  (ne  c)  C^sar. 
256  Danaen  (danen  c,  was  auf  rechnung  des  abschreibers  kommt, 
der  ae  für  e  fasste).  266  aus  Pers.  v  37  misverstanden?  268  nunc, 
age,  Nasoni,  nunc  Gallo,  nunc  luuenuli  Et  Parce  yarcant  et  Gratia 
Sit  pia;  uerum.  er  sagt  gerade  das  gegenteil  von  dem,  was  ihm 
die  einleitung  s.  xv  zuschreibt.  294  scis  quid  ad  hoc  reddo'? : 
centum  sibi  musta  propinent,  Fercula;  reddere  sieht  wie  öfter  für 
respondere.  301  er^t  nach  ille  ist  die  frage  zu  ende.  307  inter- 
ficerentue  ist  durchaus  richtig,  subject  sind  die  Verfolger:  der 
herr  der  sclavin,  der  auch  312  subject  ist,  und  die  Saracenen. 
328  uno  Ignoscit  puncto.  336  quod  si  blanda  dei  nostris  seclu- 
dere  uerba  Auribus  audenms,  iam  non  mulcendo  minatur.  343  non 
te  titillet  reuerentia  uana  uocatus  (genetiv);  quisquis  es,  adtendas 
(ad  t<^das  c),  ne  scite  (?si  te  c).  362  ut  (aut  c):  beginn  des 
gleich nisses.  367  acclini  iiespere  steht  für  inclinato  die.  378  in 
codice  .  .  .'uita  patrum'  dicto.  von  383  —  395  ist  der  Vordersatz 
eines  gleichuisses:  vor  cum  gehört  ein  komma,  nach  386  komma 
statt  punct,  ebenso  nach  388,  390  und  393.  414  nach  uigilo 
gehört  eine  stärkere  interpunction.  416  h(^c  (nee  c).  titel  vor 
419  extollentia  statt  excellentia.  446  tollas  ist  richtig  vgl.  Goetz- 
Gunderm.  Gloss.  lalino-gr.  198,  58  To  jlae  TtaQia-d^uia.  467  für 
catienis  weifs  ich  etwas  wahrscheinliches  nicht,  aber  ymni  ist 
jedesfalls  v^ivsl.  nach  538  ist  das  komma  zu  tilgen.  546  hominis. 
Vituli  und  550  temnunt.  In.  551  aquile,  sie.  553  frequentet 
(frequentat  c).  564  exue  te  mundo,  cursantem  ad  gaudia  ne  te 
mundus  prepediat.  647  nach  constant  steht  fälschlich  ein  komma. 
682  amor  est  perfectio  uit^."  Ecquis  (Et  quis  c)  amor?  730  uigere 
(uidere  c).  827  in  libris  studeat,  monim  sapientia  lux  est.  845  cate- 
zizet  ist  durchaus  richtig.  872  sanct^  .  .  .  uit^  (sancta  .  .  uita  c). 
879  nach  ignorans  ist  das  komma  zu  streichen.  885  vor  sobrius 
gehört  ein  komma.  956  talia  principibus,  uos  ipsos  reddite  Christo. 
Nach  IV  175  ist  die  starke  interpunction  zu  beseitigen,  der 
nachsatz  beginnt  177.  197  ad  lucem,  quem,  \98byrro  (bysso  c) 
vgl.  Ducauge  unter  birrus.  199  crisii  ist  grisii  vgl.  Ducange  unter 
griseum.     200  gulis  vgl.  Ducange  unter  gula  1.     205  'mandite' 

dicat,  Reddas:   'non uaporet.'     dann  antwortet  der  keilner 

A.  F.  D.  A.    XV.  14 


202  AMARCIUS  ED.  MANITIüS 

'lOS'cum  —  anatesqm\  wonach  kein  fragezeichen  gehört.  210  bis 
217  spricht  der  herr,  218 — 220  doque  der  kellner,  220  tm?e?  — 
haberem  der  herr.  dann  setzen  die  glossen  des  Satirikers  ein. 
nach  221  gehört  korama  statt  fragezeichen.  227  —  233  wendet 
wider  der  schlemmer  ein,  230  ohducit  nummos,  've  vappf  dici- 
lur  'Uli'.  232  mit  bezug  auf  Horat.  Serni.  ii  5,  7  ?  265  viel- 
leicht bo[trion]es  siehe  Loewe  Prodr.  s.  78.  267  qui  uis  statt 
quiuis.  307  fugitabü  (fugit  aie  c  undeutlich).  308  nnquam  (ini- 
que  c).  314 — 315  spricht  der  einreder.  323  sernit  ist  richtig. 
347  aries  (?hiaros  c).  353  sagt  der  einreder.  370  salamandra 
(vgl.  zb.  Isidor  Etym.  xii  4,  36,  salamandria  c).  383  uirtns  qnqque 
(quoqne  c).  402 — 410  worte  des  eiureders,  ebenso  414 — 421  coti- 
trahit.  426  fingas  (fingis  c).  429  cecuba  (cecula  c).  432  reddit  ut 
(reddat  et  c).  455  tecum  sie  (sis  c)  ais.  468  scilicet  irrisus  non 
fastidire  nel  ictus:  S[pi]nis  i[n]tactus  hicratur  gaudia  nemo  Nee 
[nisi  a]go[nibus  hi]nc  certantem  laurea  cinget. 

Ich  schliefse  mit  einem  lob:  die  ausgäbe  ist  fast  druck- 
fehlerfrei, nur  ist  iii  608  deducens  statt  delucens,  ebend.  623  fru- 
nus  statt  pimis,  iv  496  sarcofagis  statt  sacrofagis  zu  lesen,  auch 
ist  wol  s.  79  nur  aus  versehen  auf  den  text,  statt  auf  die  an- 
merkungen  von  MSD  verwiesen. 

München,  im  december  1888.  Traube. 


Altdeutsche  predigten,  herausgegeben  von  Anton  ESchönbach.  zweiter 
band:  texte.  Graz,  Verlagsbuchhandlung  Styria,  1888.  xiund328ss. 
gr.  8°.  —  9  m. 

Der  plan ,  welchen  Schönbach  s.  xvi  f  des  ersten  bandes 
entwickelte,  hat  eine  erweiterung  erfahren,  die  wir  uns,  mag 
auch  die  geduld  auf  eine  kleine  probe  gestellt  werden ,  gern  ge- 
fallen lassen,  schon  für  bd.  2  waren  uns  Untersuchungen  über 
die  geschichte  des  älteren  predigtwesens  versprochen ,  für  welche 
sich  der  hg.  durch  die  Veröffentlichung  der  grofsen  Leipziger  hs. 
760  den  weg  freigemacht  und  einen  genügend  breiten  Unter- 
grund geschaffen  zu  haben  glaubte;  bd.  3  sollte  dann  den  rest 
des  ungedruckten  materials  vereinigen,  diese  einschaltung  der 
forschung  zwischen  das  textmaterial  war  gewis  nur  in  der  ab- 
sieht geplant,  das  Interesse  für  ein  so  grofs  angelegtes  unter- 
nehmen nicht  ermatten  zu  lassen,  und  wir  begreifen,  dass  sie 
nicht  gut  aufrecht  zu  erhalten  war.  nunmehr  sollen  wir  statt 
der  angekündigten  zwei  textbände  deren  drei  erhalten,  die  einander 
folgen,  während  die  Untersuchungen  an  den  schluss  treten,  der 
vorliegende  band  bringt  uns  abermals  nur  den  Inhalt  einer  einzigen 
hs.  (cgm.  74),  bd.  3  wird  das  predigtbuch  des  priesters  Konrad 
enthalten,  von  dem  wir  bisher  nur  die  von  Johann  Schmidt 
(Wien  1878)  veröffentHchten  proben  kennen,    von  den  sonstigen 


SCHÖNBACH  ALTDEUTSCHE  PREDIGTEN  IF  203 

'kleineren  predigtsammlungen'  (1,  p.  xvii)  ist  vorläufig  (2,  p.  v  f) 
nicht  mehr  die  rede. 

Die  Oberallacher  predigtsammlung  des  cgm.  74  (ca.  1300 
geschrieben)  ist  ebenso  wenig  wie  die  Leipziger  hs.  des  vorigen 
bandes  eine  unbekannte,  schon  einer  der  ersten  gelehrten, 
welche  sich  mit  altdeutschen  homilien  abgegeben  haben ,  KRoth, 
zog  die  Münchner  hs.  1839  zur  ergänzung  seiner  altertümlichen 
Regensburger  Fragmente  heran,  nachdem  sie  Schmeller  eben  erst 
hervorgesucht  hatte,  neuerdings  hat  dann  —  nachdem  Cruel 
s.  191  an  ihr  vorübergegangen  war  —  der  Münchner  stiftsvicar 
dr  Linsenmayer  in  seiner  Geschichte  der  predigt  in  Deutschland 
von  Karl  d.  gr.  bis  zum  ausgang  des  14jhs.  (München  1886) 
s.  291  —  297  wie  andere  Münchner  Sammlungen  auch  diese  ein- 
gehender besprochen,  es  sind  nach  Schönbachs  Zählung  64  (von 
ursprünglich  66)  homilien  von  der  allegorisiereuden  art  wie  sie 
im  12  jh.  durchaus  vorherseht;  predigten  auf  die  sountage  und  die 
grofsen  feste  des  kirchenjahres,  von  Stephanus  und  Johannes  ev. 
abgesehen ,  die  in  die  Weihnachtszeit  fallen  und  in  gröfseren 
Sammlungen  selten  fehlen,  ist  kein  heiliger  bedacht,  die  predigten 
für  sich  betrachtet  werden  der  mebrzahl  der  leser  ein  sehr  ge- 
ringes inhaltliches'  und  auch  kein  besonderes  stilistisches  Interesse 
darbieten. 

Es  würde  mithin  dieser  band  in  der  tat  geeignet  sein ,  selbst 
auf  die  besonderen  freunde  des  Unternehmens  ermüdend  zu 
würken,  wenn  nicht  der  herausgeber  unter  dem  bescheidenen 
litel  'anmerkungen'  die  lateinischen  quellen  in  so  umfassender 
weise  aufgedeckt  und  zum  abdruck  gebracht  hätte,  wie  es  bisher 
noch  für  keine  predigtsammlung  auch  nur  annähernd  geschehen 
ist.  verhielten  sich  im  vorigen  bände  die  'anmerkungen'  zum 
text  wie  1:6,  so  ist  das  Verhältnis  diesmal  4:5,  auf  173  selten 
text  erhalfen  wir  135  selten  quellennachweise.  für  57  von  den 
64  predigten  ist  die  sichere  quelle  gefunden,  der  rest  muss  sich 
einstweilen  mit  fragmentarischen  nachweisungen  oder  mit  der 
angäbe  nahestehender  lateinischer  Fassungen  begnügen,  unauf- 
gedeckt  bleibt  einstweilen  auch  die  quelle  von  nr  23,  wo  (s.  62,  2) 
von  den  heidnischen  Winden  und  Nortmannen  die  rede  ist.  unter 
den  ausgeschriebenen  homiletikern  steht  Haymo  von  Halberstadt 
obenan :  er  wird  für  36  nummern  herangezogen ;  in  weitem 
abstand  folgen  Beda,  Gregor,  Rabanus  Maurus,  Hildebert  von 
LeMans,  Hericus  von  Auxerre  (den  anscheinend  unausrottbaren 
druckfehler  A7ittssiodorensis  statt  Autissiodorensis  macht  auch 
Schönbach  s.  291.  303.  326  mit). 

Der  prediger  citiert  kirchliche  autoritäten  nur  in  ganz  wenigen 
fällen  und  bot  seinem  herausgeber  bei  der  quellensuche  keinerlei 

1  ich  habe  mich  vergeblich  bemüht,  in  der  rein  biblischen  Schilderung 
145,  2  ff  ein  bild  der  Übeln  zustände  aus  der  eigenen  zeit  des  predigers 
zu  entdecken ,  wie  die  anm.  s.  288  behauptet. 

14* 


204  SCHÖ^BACH  ALTDEUTSCHE  ^^EDIGTE^  H 

Erleichterungen,  w'w  erkennen  das  verdienstliche  dieser  ungemein 
mühseligen  nachlorschungeu  dankhar  an  und  ihr  ergebuis  genügt 
völlig,  um  jene  stilgeschichllichen  Untersuchungen  anzustellen, 
zu  denen  die  älteren  predigten  einladen:  denn  nachdem  wir  uns 
lange  genug  mit  dem  hlofsen  Schlagwort  vom  eintluss  der  predigt 
auf  die  poesie  und  wenigen  gelegentlichen  eiuzelnachweisen  für 
diesen  Zusammenhang  begnügt  haben,  brauchen  wir  jetzt  arbeiten, 
welche  uns  genauer  darüber  unterrichten,  in  welcher  weise  das 
kirchliche  latein  durch  die  ältere  übersetzungspredigt  auf  die  aus- 
bildung  des  poetischen  ausdrucks  und  Sprachschatzes  gewürkt 
hat.  dazu,  wie  gesagt,  sind  jene  Schönbachschen  quellenstudien 
die  wichtigste  Vorarbeit,  was  aber  den  kirchlich-lilterarhislorischen 
teil  der  aufgäbe  anlangt,  so  würde  er  nicht  ganz  gelöst  sein, 
auch  wenn  Seh.  uns  noch  die  letzten  sieben  predigten  quellen- 
mäfsig  aus  den  kirchenvätern  belegte,  die  litteraturgescbichte 
der  kirche  kann  eine  durchforschung  der  zahlreich  vorhandenen 
lateinischen  predigtmagazine ,  w  eiche  mit  ihren  kürzungen  und 
zusammenschweifsungen  vielfach  die  Vorstufe  deutscher  predigt- 
bücher  gewesen  sein  müssen ,  nicht  entbehren.  Seh.  selbst  ist 
offenbar  in  dieses  dickicht  noch  nicht  weit  vorgedrungen  und 
wir  germanisten  wollen  ihn  dazu  wahrlich  nicht  drängen,  im 
gegenteil  wünschen ,  dass  ihn  der  schöne  eifer  für  die  von 
philologischer  seite  lange  vernachlässigten  predigtstudien  nicht 
allzu  weit  abführe  und  allzu  lange  fernhalte  von  würdigeren  auf- 
gaben unserer  litteraturgescbichte. 

Die  predigten  dieses  bandes  sind  gleich  der  überwiegenden 
raasse  der  deutschen  predigten  des  12  jhs.  bairischen  Ursprungs, 
und  da  sie  uns  auch  durch  einen  bairischen  Schreiber  über- 
liefert sind,  so  ist  der  zustand  des  textes  weit  besser  als  bei 
den  im  vorigen  bände  abgedruckten,  die  mindestens  Einmal  in 
einen  anderen  dialect  umgeschrieben  waren,  die  altertümlichen 
bruchstücke  Roths,  so  weit  sie  mit  predigten  unserer  Sammlung 
zusammenfallen,  und  ein  ähnlich  altes  fragment  aus  den  Fund- 
gruben I  69  werden  unter  dem  text  vollständig  abgedruckt,  diesen 
Oberaltacher  text  hat  Schönbach  au  der  band  der  quellen  sorg- 
fältig revidiert,  doppelschreibungen  beseitigt,  kleinere  lücken 
ausgefüllt  und  in  einzelnen  fällen  auch  die  conjectur  eintreten 
lassen,  im  vorwort  weist  er  die  forderung  einer  mehr  kritischen 
behandlung,  wie  sie  Steinmeyer  und  ich  erhoben  hatten,  nach 
nochmaliger  erwägung  ab,  hält  aber  leider  mit  seinen  gründen 
zurück,  ich  muss  meine  einwände  im  wesentlichen  aufrecht  er- 
halten, wenn  sie  auch  für  den  vorliegenden  band  nicht  in  dem 
gleichen  mafse  zutreffen,  bd.  1  bot  durch  eine  reichere  Über- 
lieferung die  möglichkeit,  von  einzelnen  predigten  kritische  texte 
herzustellen ,  und  ich  bezeichnete  dies  als  wünschenswert,  ja  im 
Interesse  der  predigtgeschichte  notwendig:  wenn  wir  den  predigten 
einmal   so  viel   mühe  und  arbeit  zuwenden,    so  weifs  ich  wahr- 


SCHÖNBACH  ALTDEUTSCHE  PREDIGTEN  II  205 

lieh  nicht,  warum  wir  ihneu  schliefslich  die  eigentliche  philo- 
logische kiiust  versagen  sollen,  in  dem  vorliegenden  bände  Irei- 
lich  ist  zwar  genügend  controlmaterial  aus  älteren  hss.  gegeben, 
um  den  zustand  der  Überlieferung  in  der  jüngeren  haupths.  im 
allgemeinen  zu  beurteilen,  aber  nirgends  reicht  das  hsliche  ma- 
terial  zur  herstellung  eines  kritischen  textes  aus.  lehrt  uns  nun 
fast  jedes  alte  hruchstück  fehler  des  jüngeren  textes  erkennen, 
welche  ohne  diese  controle  vielleicht  unbemerkt  bleiben  würden, 
so  schupft  Schönbach  daraus  ofTenbar  die  mahnung,  das  bild  der 
Überlieferung  vorsichtig  zu  bewahren,  ich  im  gegenteil  nehme 
daraus  den  antrieb  zu  um  so  gröfserer  aufmerksamkeit,  um  nur 
ja  dem  unachtsamen  Schreiber  möglichst  wenige  fehler  hingehen 
zu  lassen,  vor  allen  dingen  muss  ich  jetzt  wie  früher  die  nach- 
sieht gegen  orthographische  Unarten  und  misgriffe  des  Schreibers 
bekämpfen,  will  mich  aber  diesmal  mit  einem  einzigen  bei- 
spiele  begnügen,  die  vorläge  der  hs.  schied  consequent  teer- 
ten, geiDorven  (got.  hvairban,  hvaurbmis)  von  icerfen,  geworfen 
(gol.  vairpan,  vaurpans)  und  auch  unser  Schreiber  macht  diese 
Scheidung  im  ganzen  gewissenhaft  mit:  wenn  es  ihm  nun  aber 
einmal  passiert,  dass  er  (168,  14.  15)  geworffen  statt  geworven, 
und  ein  andermal  (10(3,  3),  dass  er  ferwervent  statt  vericerfent 
schreibt  —  hier  ist  die  fehlschreibung  ganz  besonders  deutlich  — , 
so  glaube  ich  nicht,  dass  unter  den  gründen,  die  uns  Seh.  vor- 
enthält, einer  ist,  der  ihm  die  beibehaltung  solcher  offenbaren 
auswüchse  gestattet,  lag  irgend  ein  mir  unerfindlicher  grund 
vor,  das  bild  der  Überlieferung  auch  in  solchen  Zufälligkeiten 
zu  bewahren,  so  durften  auch  keine  lücken  ergänzt,  keine  Um- 
stellungen vorgenommen  werden. 

Ich  lasse  nun  wider  eine  kleine  lese  von  kritischen  be- 
merkungen  folgen;  nur  in  einem  falle  bin  ich  im  zweifei,  oh 
ich  das  mafs  von  freiheit,  das  der  herausgeber  sieh  gestattet, 
überschreite,  alle  anderen  vorsehläge  bleiben  innerhalb  der  von 
Seh.  selbst  festgehaltenen  gränzen. 

9,  31  f  setze  einen  punet  nach  tcerlt  und  tilge  den  hinter 
atigenge.  —  32,  13  hs.  daz  gebet  daz  rein;  obwol  diese  Wortstel- 
lung 73,  11  der  mensch  der  unser  alte  gegenüber  der  unser  alte 
mennisc  des  Rothschen  fragments  widerkehrt,  bin  ich  doch  der 
ansieht,  dass  beidemal  nur  der  versuch  vorliegt,  eine  auslassung, 
die  sofort  bemerkt  wurde,  gut  zu  machen,  und  würde  mich 
vor  der  änderung  daz  rein  gebet  nicht  scheuen.  —  46,  24  got 
nach  si  ist  zu  streichen.  —  57,  9  hs.  und  alles  unser  gewant, 
Schönbach  bessert  nicht  alles,  aber  nur  nalUs  würde  hier  dem 
sinn  entsprechen.  —  88,  12  f  1.  daz  [ander]  wip  im  gegensatz 
zu  11  daz  erst  wip.  —  92,  15  ist  nach  die  waren  gut  hirten 
sicher  ein  zusatz  ausgefallen  wie  von  gotes  gebot.  —  97,  25  er- 
gänzt Sehönbach  das  fehlende  verbum  'arguel'  durch  refset ;  es 
war  straffet  einzusetzen,  da  unser  text  nur  dieses  braucht:  44,  23; 


206  SCHÜ.NBACH  ALTDEUTSCHE  PREDIGTEN  H 

56,5;  (99, 10)  entgegen  dem  altertümlichen  refset  dei  tragmente. — 
103,27  hs.  nn  ist  nns  versperret,  daz  wir  sein  nicht  versten ,  es 
war  Uli  nötig  diu  tur  einzuschalten.  —  122,  8  1.  er  hiet  fumf  joch 
[rinder]  gechauffet.  —  122,  14  f  1.  er  hiet  [ein]  wip  genomen.  — 
126,  11  f  hs.  die  er  pitet  sich  fnvuen,  Seh.  schaltet  unnötig  nach 
pitet  [daz  si]  ein.  —  127,24  hs.  dar  nach  wes  dem  notigen  gut; 
der  adhortativ  bedarf  des  pronomens  er,  das  Seh.  hinzusetzt,  hier 
wol  ebenso  wenig  wie  134,  39  daz  buzze  im,  41  so  chom  denne.  — 
138, 19  hs.  do  diu  menig  goz,  geändert  muss  hier  unbedingt  werden, 
da  0  in  der  hs.  wol  für  d,  aber  nie  für  ä  steht  (und  ein  sg.  praet.  äz, 
wie  die  reime  zeigen,  mhd.  nicht  mehr  existierte),  also  entweder  gaz 
oder  noch  besser  het  goz,  vgl.  het  gaz  64,  36.  —  141,  15  1.  emmer 
[ols]  wie  142,  17.  27.  31;  143,  25  f.  —  145,  7  1.  dar  uz  tet  statt 
dar  zütet;  Seh.  scheint  zütet  als  zetet,  zertet  aufgefasst  zu  haben, 
das  verbietet  aber  \)  das  dar,  2)  die  Schreibung  zu,  die  dann  ganz 
vereinzelt  stehen  würde.  —  152,  10  1.  ören  statt  äugen. 

Zu  bedauern  ist  es,  dass  Seh.  diesmal  unterlassen  hat,  ein 
glossar  beizugeben,  wenn  er  meint,  durch  die  reichUche  bei- 
gäbe der  lat.  quellen  sei  das  Verständnis  auch  dem  niehtger- 
manisten  gesichert ,  so  trifft  das  keineswegs  in  allen  fällen  zu. 
dann  aber  sollte  es  sich  doch  jetzt,  wo  die  aussieht  auf  ein 
neues  mittelhochdeutsches  Wörterbuch  ganz  in  die  ferne  gerückt 
ist,  jeder  herausgeber  eines  ungedruckten  altdeutschen  textes  zur 
pflieht  machen ,  die  bisher  unbelegten  wie  die  seltenen  und 
dialectisch  interessanten  Wörter  wenigstens  in  einer  knappen, 
mit  belegstellen  versehenen  liste  zusammenzufassen,  der  Wort- 
schatz zumal  der  loeal  zu  fixierenden  denkmäler  erweist  sieh  für 
die  heimatsbestimmung  anderer,  denen  die  herkunft  nicht  so 
deutlieh  an  der  stirne  geschrieben  steht,  immer  mehr  als  das 
beste  unter  allen  kriterien.  und  unsere  predigten  sind  ziemlich 
reich  an  mundartlich  characteristisehen  (ammolf,  dult,  lenke  usw.) 
wie  an  bisher  selten  oder  gar  nicht  belegten  Wörtern ,  sodass 
ich  nicht  lauge  geschwankt  habe,  mir  für  den  privatgebrauch 
ein  Verzeichnis  anzulegen,  ich  hebe  daraus  hervor:  amügel  adj. 
'debihs'  122,  33.  35  (2).  —  berhtheit  {hs.  perheit)  'splendor'  6,28. 

—  dulttag  S\,  10.  \4. —  ertoren  als  'taub  werden'  150,27.  — 
gebrestung  'defeetus'  53,  36.  —  genüge  adj.  'contentus'  160,  25.  — 
halssleken=  'halsslagen'  53,  5.  —  hetigunge  'permissio'  162,  1.  — 
chom  als  gelreidemafs  (1  chom  weitzes  =  30  mut)  141,  17.  142, 
19.  —  lichenhaft  'inearnatus'  98,  37.  38.  —  luof  stm.  'abgrund' 
(bisher  nur  ans  dem  deutschordenslaud  belegt)  100,  4.  —  nach- 
loente  (und  nachwentig  124,  27)  'vicinus'  125,  9.  16.24;  126,  11. 

—  schrechsal  10,  9.  —  schrechsahmge  10,  3.  —  winthus  'kelter- 
haus'  69,32;  70,  U.  25.26. 

Die  fem.abstracta  mit  der  suffixhäufung  -salunge  (schrecsalunge, 
schuntsalunge ,  truobsalunge)  finden   sich  aufser  in   unseren  (und 


SCHÖNBACH  ALTDEUTSCHE  PREDIGTEN  II  207 

den  Rolhschen)  predigten  nur  noch  in  den  Benedictbeurer  (Keiles 
Specuhim  ecclesiae)  und  im  Tundalus.  sie  characterisieren  das 
bestreben  der  bairischen  prosa  des  12jhs.,  die  mittel  des  ab- 
stracteu  ausdrucks  zu  vermehren,  ebenso  wie  die  beiden  bildungen 
auf  -salin  (ähtesalin,  bruttesaUn) ,  deren  sieb  der  Übersetzer  von 
Nortperts  tractat  bediente;  auch  das  eigensinnige  festhalten  an 
den  gelehrt-archaischen  bildungen  auf -nwssjVia,  wie  es  den  Wind- 
berger  Übersetzer  der  Psalmen  auszeichnet,  gehört  in  den  gleichen 
Zusammenhang,  leider  hat  die  fleifsige  dissertation  von  PWallburg 
diesem  interessanten  werke  auch  nicht  die  durchsichtigsten  ge- 
Ständnisse  über  seine  Vorgeschichte  zu  entlocken  gewust. 

Berlin  im  november  1888.  Edward  Schröder. 


Studies  on  the  legend  of  the  holy  grail  wilh  especiai  reference  to  the  hy- 
pothesis  of  its  celtic  origin.  by  Alfred  Nutt.  London,  DNutt,  1888. 
XVI  und  281  ss.     8°.  —  10.50  m. 

Ref.  begrüfst  freudig  dies  buch,  welches  in  einer  vielbe- 
handellen  frage  die  auch  von  ihm  für  richtig  gehaltenen  auslebten 
vertritt,  sie  zugleich  tiefer  begründet  und  weiter  entwickelt,  noch 
einmal  erörtert  es  zunächst  das  Verhältnis  der  verschiedenen  fas- 
sungen  der  gralsage,  welches  auch  der  ref.  stets  einer  solchen 
erörterung  bedürftig  gehalten  hat,  trotz  dem  bekannten  werke 
von  Birch- Hirschfeld,  an  dieses  knüpft  der  verf,  allerdings  an 
und  gibt  hier  wie  sonst  die  ansichten  seiner  Vorgänger  ebenso 
verständlich  wie  ungetrübt  wider,  aber  die  reihenfolge  der  alt- 
französischen bearbeitungen  erscheint  in  einem  ganz  anderen 
lichte  als  bei  Birch-Hirschfeld :  es  ist  eine  wertvolle  bestätigung 
der  anordnung  Nutts,  dass  Gaston  Paris  inzwischen  zu  ähnlichen 
ergebnissen  gelangt  ist,  die  er  teils  im  xxx  band  der  Hist.  litt, 
de  la  France,  teils  in  seiner  altfranz.  Litteraturgeschichte  nieder- 
gelegt hat.  beide,  N.  und  Paris,  kommen  darin  überein,  dass 
'Chrestiens  und  (grofsenteils  auch)  seiner  fortsetzer  werk  unter  den 
uns  erhaltenen  altfranzösischen  bearbeitungen  die  älteste  bleibt' 
(siehe  diesen  Anz.  v  87).  Robert  de  Borron  wird  von  GParis 
§59  in  den  anfang  des  13  jhs.  versetzt:  sein  Perceval  ist  uns 
bekanntlich  nur  durch  eine  Übertragung  in  prosa  erhalten,  auf 
das  Verhältnis  der  hierin  ausgeführten  Vorstellung,  dass  der  gral 
das  abeudmahlgefäfs  sei,  welches  Joseph  von  Arimathia  bewahrt 
habe  und  welches  von  seinen  nachkommen  behütet  werde,  z-u 
der  von  solchen  legendarischen  zügen  freien  auffassung  bei  Chre- 
stien  und  Wolfram  geht  Paris  nicht  ein ,  wol  aber  N.  er 
erweist  die  unursprünglichkeit  der  legende,  welche  er  auf  die 
Christianisierung  keltischer  volkssagen  zurückführt,  s.  207  er- 
klärt  er   den   mit   der   speisegewährenden   eigenschaft   des  grals 


208  NUTT    STL'DIES  ON  THE  LEGEND  OF  THE  HOLY  GRAIL 

versehenen  fisch ,  aul  welchen  als  ein  christliches  symbol  so  viel 
wert  gelegt  worden  ist,  aus  der  sage  von  Finn,  welcher  einen 
lachs  fängt  und  durch  dessen  genuss  alle  Weisheit  empfängt,  in 
der  nicht  legendarischen  sage  von  der  heilung  des  gralkönigs 
fliefsen  zwei  verschiedene  volkstümliche  Vorstellungen  zusammen: 
die  eine,  welche  eine  geschlechtslehde  voraussetzt  und  in  dem 
zerbrochenen,  dann  widerhergestellten  schwert  das  symbol  der 
beleidigung  und  sühne  erkennen  lässt,  und  eine  andere,  die  zu 
den  so  zahlreichen  entzauberungssagen  gehört,  vielleicht  darf 
man  noch  weiter  gehn  und  auch  diese  beiden  demente  als  ur- 
sprünglich nicht  zum  gral  und  seinem  kranken  hüter  gehörig 
aussondern,  der  gral  wird  gesucht,  auch  gefunden,  aber  ur- 
sprünglich immer  nur  auf  kurze  zeit,  vorübergehend,  scheinbar: 
es  ist  eben  ein  symbol  von  zuständen  eines  goldenen  Zeitalters, 
etwa  des  sommers,  welcher  doch  wider  schwinden  muss.  nimmt 
man  an,  dass  es  im  wesen  des  grals  liegt,  immer  wider  verloren 
zu  werden,  so  würde  sich  erklären,  wie  so  viele  beiden  sich  an 
der  gralsuche  beteiligen :  neben  Perceval  auch  Gaweiu ,  Lancelot 
und  wider  dessen  jungfräulicher  söhn  Galaad.  dass  die  Perce- 
valsage  ursprünglich  für  sich  bestand,  als  eine  Version  der  ver- 
breiteten dümmlingssage,  ist  die  ansieht  vonWHertz,  der  GParis 
zustimmt:  die  englische  romanze,  auf  welche  sich  Hertz  stützt, 
benutzt  freilich  das  werk  Chrestiens,  wenn  es  auch  selbständige 
und  z.  t.  sagenhafte  züge  hat;  N.  vermutet  s.  149,  dass  der 
dichter  den  gralbesuch  Percevals  wegliefs,  weil  diese  episode  in- 
zwischen sich  bereits  zu  eng  an  den  namen  Galaads  angeschlossen 
hatte,  immerhin  erscheint  es  als  endergebnis  der  forschung,  dass 
die  gralsage,  deren  denkmäler  gröstenteils  einen  höchst  auffälligen 
mangel  an  Zusammenhang  der  einzelnenteile  zeigen,  zusammen- 
geflossen ist  aus  einer  fülle  von  einzelnen  märchen ,  welche  teil- 
weise in  der  älteren  keltischen  litteratur  nachweisbar  sind  oder 
doch  in  heutigen  volkserzählungen  jeuer  gegenden  umlaufen,  die 
eigenschaft  des  grals,  das  leben  zu  erhalten  oder  neu  zu  wecken, 
kehrt  in  mehreren  und  z.  t.  alten,  vor  Chrestien  fallenden  Zeug- 
nissen keltischen  Volksglaubens  wider  (s.  185  f):  es  ist  ein  kessel, 
in  welchem  bald  erschlagene  ihr  leben  wider  erhalten,  bald  auch 
jeder  teilnehmer  einer  gesellschaft  seine  nahrung  findet,  in  diesem 
beibringen  und  nutzbarmachen  von  sagenmaterial  liegt  neben  der 
erneuten  quellenkritik  ein  zweites  hauptverdienst  von  N.s  buch. 
es  ist  aber  auch  wegen  der  tieferen,  poetischen  und  humanen 
aulTassung  der  hierher  gehörigen  litteratur  zu  loben,  gegenüber 
der  in  England  fast  allein  bekannten  Galaadversion  der  gralsage 
hebt  N.  mit  tiefem  Verständnis  und  wahrer  wärme  die  Schönheit 
der  Percevalversion  hervor,  als  deren  gipfelpunct  er  Wolframs 
dichtung  rühmt,  allerdings,  dass  Wolfram  seine  zutaten  zu 
Chrestien  nicht  erfunden,  sondern  anderen  quellen  und  z.  t. 
solchen  der  keltischen  sage  entlehnt  habe,   ist  auch  seine  über- 


MJTT    STUDIES  ON  THE  LEGEiND  OF  THE  UOLY  GRAFL  209 

Zeugung,  und  er  bringt  neue  gründe  dafür  bei,  siehe  appendix 
A.  aber  der  geist,  der  das  werk  Woltrams  als  ein  ganzes  durch- 
dringt und  ebenso,  man  kann  sagen  in  jeder  zeile  sich  kündet, 
ündet  einen  verständnisvollen  bewunderer  in  dem  englischen 
autor.  ebenso  erstaunlich  wie  dies  Verständnis  unseres  schwersten 
dichters  bei  einem  fremden,  ist  der  umstand,  dass  dieser  fremde 
beurteiler  zugleich  inmitten  anderweitiger  berufsgeschäfte  die 
mufse  zu  so  eindringenden  Studien  gefunden  hat. 

Strafsburg  12.  1.  89.  E.  Martin. 


Friedrich  Franz,  Mythologische  Studien,  ii  buch,  abhandiung  zu  dem  Jahres- 
berichte des  k.  k,  staatsgyninasiums  im  4  bezirke  Wiens  für  das  Schul- 
jahr 1888.     65  ss.    gr.  8°. 

Der  verf.  dieser  Mythologischen  Studien,  deren  erstes  heft 
uns  leider  nicht  zugekommen  ist,  bespricht  in  dem  zweiten  1)  die 
bedeutung  der  mythisclien  handlungen  für  die  erforschung  der 
mythischen  wesen,  2)  den  weihefrühling  und  das  königsopfer 
bei  den  bewohnern  des  skandinavischen  nordens  und  8)  den 
weihefrühling  und  das  königsopfer  in  Griechenland,  wir  glauben 
uns  in  diesem  germanistischen  blatte  um  so  mehr  auf  die  beiden 
ersten  abschnitte  beschränken  zu  dürfen,  als  durch  ihre  charac- 
teristik  auch  der  dritte  genügend  gekennzeichnet  wird. 

Da  der  cultus  noch  immer  von  den  forschern  durchweg 
weit  weniger  berücksichtigt  wird  als  der  mythus,  so  ist  es  an 
sich  sehr  erfreulich,  wenn  auch  er  einer  eingehenden  Unter- 
suchung unterzogen  wird,  und  es  kann,  wie  namentlich  Kuhns 
und  Mannhardts  arbeiten  gezeigt  haben,  auch  hier  insbesondere 
die  vergleichende  methode  manche  Schwierigkeiten  vermindern, 
ebenso  ist  es  anerkennenswert,  dass  der  verf.  zunächst  die  culte 
der  beiden  in  frage  kommenden  vülker,  der  ^'ordgermanen  und 
der  Griechen,  für  sich  gesondert  betrachtet,  und  niemand  wird 
seine  hoffnung  für  unberechtigt  halten,  dass  man,  wenn  es  ge- 
lungen sei,  die  bedeutung  der  gottesdienslhchen  handlungen  zu 
ergründen,  um  so  leichter  zur  erkenntnis  der  mythischen  wesen 
vorzudringen  vermöge,  denn  gevvis  ist  der  mythus  mit  dem 
cultus  auf  das  innigste  verwachsen,  aber  —  und  hier  gehen 
unsere  wege  aus  einander  —  der  mythus  ist  nicht,  wie  der  verf. 
wähnt,  ein  mehr  oder  minder  verhüllter  ausdruck  des  cultus, 
sondern  umgekehrt,  so  wenigstens  lautet  die  regel,  die  aller- 
dings ausnahmen  erleidet. 

Der  nach  menschlichen  lebensbedingungen  geformte  natur- 
mythus  kann  selbstverständlich  auch  die  vom  menschen  beim 
gottesdienst  beobachteten  cultusformen  in  sich  aufnehmen ,  ja 
unter  seinem  eintluss  können  sich  ältere  cultusformen  in  neuere 
mit  neuem  sinne  erfüllte  formen   des   Gottesdienstes  verwandeln. 


210  FRA>Z    MYTHOLOGISCHE  STUDIEN 

wie  ich  diese  wechsehviiikuug  bei  der  wasser-  und  teuerweilie 
des  neugeborenen  golies,  heroen  und  menschen  in  den  Indo- 
germ.  mythen  2,  511  darzulegen  versucht  habe,  man  muss  noch 
mehr  zugeben,  nämlich  dass  bei  verschiedenen  indogermanischen, 
uamenllich  den  arischen  Völkern,  in  der  tat  aus  dem  cultus 
heraus  neue  mytheu  erwachsen  sind.  Craosha,  die  andacht,  ist 
bei  den  Iraniern  zu  einer  göttlichen  person  geworden  und  die 
Inder  haben  einen  grofsen  teil  ihres  opferritus  in  mythologie 
umgesetzt,  der  römische  cultus  heidnischer  wie  christlicher  Ob- 
servanz hat  gleichfalls  zu  neuen  mythenbildungen  anlass  gegeben, 
aber  diese  aus  späten  mythenstudien  geschöpften  Wahrnehmungen 
stofsen  den  obigen  satz  nicht  um,  dass  die  grofse  masse  aller, 
mafsgebender  mythen  sich  aus  dem  seelenglauben  und  zu  gleicher 
oder  fast  gleicher  zeit  und  in  noch  viel  reicherer  fülle  aus  der 
poetischen  anschauung  der  natur  entwickelt  habe,  um  darauf  im 
cultus  wenigstens  teilweise  dargestellt  zu  werden,  der  alte  cultus 
ist  ein  vielfach  gebrochenes  und  unvollständiges  Spiegelbild  des 
alten  niythus,  uns  aufserordentlich  wertvoll,  weil  es  in  der  regel 
länger  und  fester  dauert,  als  der  so  viel  stärkeren  Schwankungen, 
trübungen  und  Vermischungen  ausgesetzte  mythus. 

Der  verf.  sieht  sich  aber  cultus  und  niylhus  nicht  nur  unter 
einem  falschen  gesichtswinkel,  sondern  auch  in  einer  falschen 
beleuchtung  an,  derjenigen  nämlich  ,  die  vor  einiger  zeit  Lipperts 
einseitigkeit  über  die  indogermanische  mythologie  ausgebreitet 
hat.  wie  dieser  ist  auch  er  der  ansieht,  dass  nach  dem  alten 
glauben  es  vorzugsweise  die  seelen  der  verstorbenen  seien ,  die 
innerhalb  des  raunies,  der  im  leben  der  Schauplatz  ihrer  tätigkeit 
gewesen ,  den  verlauf  des  naturlebens  für  ihre  nachkommen  be- 
stimmten ,  und  dass  sie  als  gölter  und  heroen  den  lebenden  den 
genuss  des  lebens  neideten,  wenn  sie  ihre  nachkommen  mit  allerlei 
landplagen  heimsuchten,  dann  hätte  es  kein  anderes  mittel  ge- 
geben, um  die  gesammtheit  zu  retten,  als  diejenigen,  die  den 
neid  der  toten  am  meisten  herausgefordert  haben  möchten,  die 
liäupter  der  familieu,  stamme  und  Völker,  zu  opfern,  diese 
opfer  seien  nur  in  der  anwesenheit  von  eingeweihten  vollzogen 
worden,  deren  heiligste  pflicht  es  war,  das  opfergeheimuis  auf 
das  gewissenhafteste  zu  hüten:  an  den  grabstätten  der  geopferten 
hätten  sie  den  fortdauernden  totendienst  besorgt,  während  das 
Volk  nur  zu  bestimmten  Zeiten  hier  zu  opfer  und  gebet  zusammen- 
gekommen sei.  hätte  der  verf.  die  quellen  oder  auch  nur  Keysers 
Nordmaendenes  religionsforfatning  (Samlede  afhandl.  s,  249  ff) 
oder  HPetersens  Nordboernes  gudedyrkelse  og  gudetro  i  hedenold 
studiert,  so  würde  er  sich  nicht  zu  einem  solchen  phantasiestück 
haben  hinreifsen  lassen  und  erkannt  haben,  dass  religionsmysterien 
dem  nordischen  volkscharacter  nicht  gemäfs  waren  und  ein  priester- 
stand, der  solche  aufgebracht  hätte,  nicht  vorhanden  war. 

Um  seinen  standpunct  einiger  mafsen  rechtfertigen  zu  können, 


FRANZ    MYTHOLOGISCHE  STUDIEN  211 

zieht  er  in  seinen  an  sich  selir  dankenswerten  bericht  über  die 
nicht  unhäutigen  skandinavischen  königsopfer  auch  die  willkür- 
liche erzählung  Snorres  vom  zuge  Odins  aus  Asien  nach  dem 
norden  hinein,  der  viel  zu  viel  ehre  durch  den  namen  'sage' 
erwiesen  wird,  die  angäbe,  dass  Odin  in  seiner  hauptstadt  Asgard 
oder  Troja  zwölf  tempelpriesler  gehabt,  beruht  nach  F.  auf  der 
ganz  richtigen  Voraussetzung,  dass  Troja  eine  priesterstadt  ("ihog 
Iqt])  mit  einer  solchen  Verfassung  und  ähnlichen  Opfergebräuchen 
gewesen ,  wie  sie  sich  in  des  herrn  verf.s  altnordischen  priester- 
staaten  erhalten  habe,  und  er  kündet  hier  seine  hoffentlich  nicht 
zur  ausführung  gelangende  absieht  an,  in  der  geschichte  des 
trojanischen  krieges  die  geschichte  der  in  zehnjährigen  Zwischen- 
räumen gefeierten  trojanischen  opferfeste  mit  ihren  blutigen 
opferkämpfen  nachweisen  zu  wollen,  ausweichen  sich  später  die 
griechischen  kampfspiele  entwickelt  hätten,  überhaupt  ist  seine 
entwickelungstheorie  eine  sehr  kühne,  ein  anderes  beispiel: 
'todkranke  fürsten  liefsen  sich,  um  zu  Odin  zu  gelangen,  in 
der  todesstunde  mit  dem  speere  das  wundmal  ritzen  (Yngl.  10) 
und  anstatt  den  galgen  zu  reiten  (wozu  der  speerverwundele  gott 
selber  nach  Havam.  138  f  gezwungen  war),  begnügte  man  sich 
wol  damit,  einen  stecken  zu  reiten,  was,  wie  so  viele  andere 
gottesdienstliche  ersatzhandlungen,  zum  hexen-  und  kinderspiel 
herabsank.'  derartiger  unnützer  einfalle  liefsen  sich  noch  manche 
unter  mehreren  nicht  üblen  bemerkungen  beibringen,  aber  auch 
diese  können  ja  nicht  viel  fruchten,  wo  die  ganze  frage  am  un- 
rechten ende  angegriffen  ist.  dem  verf.  scheint  es  vor  allem 
trotz  einer  gewissen  belesenheit  an  gründlichem  quellenstudium 
und  an  einer  sicheren  methode  zu  fehlen. 

Freiburg,  den  12  december  1888.  Elard  Hugo  Meyer. 


Die  Hügelgräber  zwischen  Ammer-  und  Staffelsee  geöffnet,  untersucht  und 
beschrieben  von  dr  Julius  Naue.  mit  einer  karte  und  59  tafeln  ab- 
bildungen,  darunter  22  farbige  tafeln.  Stuttgart,  Ferd.  Enke,  1887. 
VI  und  227  ss.     4". 

Östlich  von  der  Ammer  (nicht  Amper,  wie  widerholt  ge- 
druckt ist)  hat  der  verf.  die  gräber  zweier  ausgedehnten  bezirke 
systematisch  ausgebeutet  und  untersucht,  deren  einer  von  Murnau 
bis  SAndrä  sich  erstreckt,  der  andere  Pähl  zum  mittelpuncte  hat 
und  von  der  südspitze  des  Ammersees  bis  Monetshausen  und  über 
Wilzhofen  hinaus  reicht,  die  ergebnisse  der  ausgrabungen  be- 
finden sich  jetzt  im  vorgeschichtlichen  Staatsmuseum  zu  München, 
zu  dessen  errichtung  sie  den  anlass  gaben  und  dessen  grundstock 
sie  bilden,  nach  einem  übersichtlichen  fundbericht  mit  kurzer 
chronologischer    bestimmung   jeder    einzelnen    statte   folgen    die 


212  ISAUE    HÜGELGRÄBER 

wiclitigeu  ausführlicheu  fundprotokolle,  welche  durch  eingestreute 
erörterungen  über  zweck  und  technik  der  stücke  belebt  sind. 
daran  schliefst  sich  ein  abschnitt  'die  gräher  nach  ihren  perioden', 
sowie  eine  eingehende  besprechung  der  gefundenen  waffen, 
Schmucksachen,  gefäfse,  wagenbestandteile  und  Pferdegeschirre, 
ferner  wird  behandelt  'anordnung  und  bau  der  grabhügel,  be- 
stattungsarten',  'material  und  technik',  'form,  Ornamentik,  stil 
und  Import',  'zeit',  'volk',  'hochäcker,  wege,  niederlassungen',  'die 
Schädel',  den  schluss  bildet  eine  'erklärung  der  tafeln'  mit  be- 
ständiger Verweisung  auf  den  lext.  ungemein  reichhaltig  sind 
die  angehängten  tafeln  mit  künstlerisch  ausgeführten  abbildungen. 
das  ganze  bietet  nicht  blofs  der  Wissenschaft  neues  material  in 
den  bildern  und  protokoUen,  und  zwar  solches  von  besonderem 
werte,  weil  eine  ganze  landschaft  gründlich  und  sorgfältig  ab- 
gesucht ist,  sondern  eignet  sich  auch  vortrefflich  zur  ersten  ein- 
führung  in  den  jungen  Wissenszweig,  weil  der  leser  im  geiste 
die  ausgrabungen  mitmacht  und  von  concreter  anschauung  aus 
zu  vergleichen  und  Schlüssen  geführt  wird,  volkskundlich  interes- 
sant sind  die  in  vielen  gräbern  gefundenen  eberskelette;  einmal 
sogar  enthält  das  grab  nichts  als  einen  eher  (s.  176).  des  verf.s 
hinweis  auf  Germ.  45  wird  man,  ganz  abgesehen  von  dem,  was 
uns  Mannhardt  in  dieser  zs.  über  die  mater  deum  der  Aestier  ge- 
sagt hat,  bedenklich  finden;  vielleicht  gehört  eine  stelle  aus 
Feslus  hierher,  auf  welche  Kuhn,  Westfälische  sagen  1,332  auf- 
merksam macht,  von  der  porca,  qiiae  Cereri  mactabatur  ab  eo, 
qui  mortuo  justa  non  fecisset ,  id  est  gJebam  objecisset ,  qnia  mos 
erat  eis  id  facere,  imusquam  novas  fruges  gustarent.  zu  dem 
milchzahn,  welcher  dicht  neben  einem  armwulst  lag  (s.  58),  also 
wol  ursprünglich  daran  befestigt  war,  darf  an  die  in  der  GDS 
s.  155  (-108)  anm.  ausgehobene  angäbe  des  Plinius  erinnert 
werden:  pueri  qui  primus  ceciderit  dens,  ut  terram  non  attingat, 
inclnsus  in  armillam  et  assidue  in  biachio  habitns.  die  in  den 
modernden  resten  eines  schmuck-  oder  kleidungsstückes  ge- 
fundenen im  kreis  geordneten  milchzähne  (s.  47)  scheinen  ein 
zahnwehamulett  zu  sein:  die  zahne,  die  gegen  das  siebente  jahc 
ausfallen,  soll  man  behalten,  weil  man  künftiges  zahnweh  damit 
stillen  kann  (Rochholz,  Alem.  kinderlied  s.  337  nr  928).  achtmal 
fand  der  verf.  hügelgräber,  welche  auf  hochackerbeeten  errichtet 
waren,  und  stellt  den  erfahrungssatz  auf,  wo  sich  hochäcker  be- 
finden, seien  auch  hügelgräber  in  der  nähe  (s.  192);  das  gemahnt 
an  die  nach  Cicero  in  Attika  seit  alter  zeit  beibehaltene  sitte,  die 
gräher  mit  körn  zu  bestellen ,  nt  sinus  et  greminm  quasi  matris 
mortno  tribueretnr,  solum  antem  friigibus  expiatum  ut  vivis  red 
derelur  (Preller,  Griech.  mythologie^  1,611  anm.  1).  erwünscht 
wären  nähere  angaben  über  umfang  und  tiefe  der  trichterförmigen 
gruben,  welche  mehrmals  neben  hochäckern  gefunden  wurden 
(s.  195  f);    es  scheint  sich   um  die   sog.  dünken,   in.  mardelles, 


NALE    HÜGELGRÄBER  213 

Span,  silos  zu  handeln,  die  Wackeruagel  Zs.  7,  128  ff  besprochen 
hat  und  welche  als  getreidekammern  benützt  wurden,  die  ent- 
stehung  der  aufgedeckten  gräber  verteilt  sich  nach  des  verf.s 
Schätzung  über  einen  Zeitraum  von  lüOO  jähren,  dessen  beginn 
er  ins  12  oder  13  jh.  vor  Chr.  verlegt,  doch  werden  diese  und 
andere  folgerungen  mit  behutsamkeit  vorgetragen,  durch  die 
schöne  und  gediegene  ausstattung  hat  sich  die  Verlagshandlung 
ein  verdienst  erworben.  L.  Laistner. 


LiTTERATURNOTIZEN. 

Meier  Helmbrecht  von  Wernher  dem  gäriner.  übersetzt  von  Ludwig 
Fulda.  Halle  a/S.,  OHendel  (Bibliothek  der  gesammtlitteratur  des 
in-  und  ausländes  nr  2S9).  84  ss.  8*^.  0,25  m.  —  vorliegende 
Übersetzung  ist,  wunderbar  genug,  die  erste  brauchbare  Ver- 
deutschung der  berühmten  novelle.  sie  vereinigt  gewandte  und 
anmutige  form  mit  treue  gegen  den  inhalt;  jeder  empfindung,  der 
heiterkeit  wie  der  trauer  und  dem  grauen ,  weifs  der  Übersetzer, 
welcher  sich  WHertzs  meisterhafte  Übertragungen  zum  muster  ge- 
nommen hat,  das  rechte  wort  zu  leihen,  eine  ausführliche  ein- 
leitung  geht  voran,  in  welcher  die  ergebnisse  der  bisherigen  Helm- 
breclitforschung  übersichtlich  zusammengefasst  und  mit  eigenen 
resultaten  vermehrt  sind;  leider  wurde  dabei  Keinzs  zweite  aufläge 
(Leipzig  1887)  unberücksichtigt  gelassen.  J.  Elias. 

Geschichte  des  erziehungsweseus  und  der  cultur  der  Juden  in  Deutsch- 
land während  des  xiv  und  xv  jhs.  (Geschichte  des  erziehungs- 
weseus und  der  cultur  der  abendländischen  Juden  während  des 
mittelalters  und  der  neueren  zeit  lu).  von  dr  MGüdemakn.  nebst 
bisher  uugedruckten  beilagen.  Wien,  Holder,  1888.  x  und  303  ss. 
8*^.  7,20  m.  —  dies  buch  enthält  eine  reihe  tatsächlicher  mit- 
teilungen,  welche  für  die  deutsche  philologie  von  interesse  sind, 
zunächst  über  ältere  ausspräche  und  rechtschreibung.  wenn 
würklich  die  deutschen  Juden  bei  der  hebräischen  Umschrift  deut- 
scher namen  sich  solcher  genauigkeit  beflissen ,  wie  G.  s.  72  f 
behauptet,  so  könnte  jemand,  der  kenntnis  des  hebräischen  schrift- 
und  lautsystems  mit  germanistischer  Schulung  vereinigte,  von  einer 
bis  jetzt  wenig  oder  gar  nicht  beachteten  seite  her,  durch  zeit- 
genössische Zeugnisse,  aufschlüsse  über  manche  dunklen  puncte 
gewinnen,  man  vgl.  s.  74  ff  die  bemerkungen  des  1460  zu  Wie- 
ner-Neustadt verstorbenen  rabbiners  Isserlein  über  die  hebräische 
widergabe  auslautender  k  (g,  ch),  s.  78  über  s,  seh.  über  die 
jüdischdeutsche  Schriftsprache  handelt  note  vii  s.  280  ft"  auf  grund 
der  Vorschriften  am  ende  des  1542  übersetzten  Sitten buches: 
man  vgl.  da  s.  287  über  den  klang  des  ou  im  15  jh.,  s.  293 
über  niederrh.  oi  im  jüdischdeutschen,  s.  294  ff  über  das  mauscheln 
(wesentlich  älteres  oberdeutsch),    freilich  die  vergleichungen,  die 


214  LITTERATURNOTIZEN 

der  verf.  hier  aus  der  deutschen  gramraatik  beibringt,  sind  in 
der  regel  als  ungehörig  abzuweisen.  —  ferner  über  deutsche 
litteratur.  gegen  die  behauptete  jüdische  abstammung  des  VVolflein 
von  Lochamen  werden  s.  160  anm.  1  bedenken  ausgesprochen. 
s.  160  If  handeln  über  Johannes  Pauli,  der  vielleicht  aus  Pfed- 
dersheim  bei  Mainz  stammte,  aber  nicht  schon  früh  getauft  wurde; 
jüdische  parallelen  zu  seinen  erzählungen  s.  201  ff.  gauneraus- 
drücke bei  SBrant  gehören  dem  hebräischen  an,  s.  173;  zu  c.  10 
des  Narrenschiffs  werden  quellennachweise  aus  dem  alten  testa- 
nient  geliefert,  s.  199;  zu  48,  23  f  s.  218  anm.  2;  zu  4,  20  der 
jüdisch  syt  s.  274  f;  zu  76, 11  der  Juden  spyesz  s.  276ff(=  wucher- 
spiefs,  das  bild  sei  italienischen  Ursprungs;  beeinQussung  in  um- 
gekehrter richtung  zeige  ital.  bisaccia  im  Verhältnis  zu  deutsch 
bescheifsen  'betriegen').  der  jüdische  Wucherer  unter  dem  bilde 
des  wolfs  bei  Süfskind  vTrimberg,  Kirchhof,  BVValdis  s.  186  ff. 
zu  Renner  v,  22570  s.  188.  jüdische  mystik  vorbild  für  christ- 
liche (?)  s.  203  ff.  jüdischer  gewährsmann  für  HFolzs  spiel  Die 
alt  und  die  neu  ee  s.  204  ff.  zu  Rosenplüts  Spil  von  dem 
herzogen  von  ßurgund  (Keller  1,  169  f)  s.  205  f:  schallatjud 
=  schaletsetzer,  schalet  ein  jüdisches  sabbatgericht;  auch  talast 
(Keller  1,  179,  29)  ist  hebräisch  und  bedeutet  arraut,  herabge- 
kommenheit.  zu  Theophilus  v.  454  f  s.  207  ff.  deutsche  paral- 
lelen zu  jüdischen  Sittenlehren  s.  212  ff',  —  endlich  mache  ich 
noch  auf  folgende  stellen  des  buches  aufmerksam:  jüdische  Vor- 
namen s.  106  ff  (Herz  =  mhd.  hirz,  Leib  aus  Lewe  löwe);  aber- 
gläubische brauche  s.  129  ff  (dass  der  dienstag  als  ein  glückstag 
angesehen  werde,  beruhe  auf  jüdischer  anschauuug,  s.  131  anm.  2); 
gegen  Lagardes  (Abhandl.  der  Göttinger  gesellsch.  der  Wissen- 
schaften 34,  17)  deutung  des  Wortes  fastnacht  s.  272  f;  die  deut- 
schen Juden  als  germanisatoren  in  Oberitalien  s.  246  ff. 

Wien.  F.  A.  Mayer. 

Neue  fragmente  des  gedichts  Van  den  vos  Reiuaerde  und  das  bruch- 
stück  Van  bere  VVisselauwe  herausgegeben  von  Ernst  Martin. 
QF  65.  Strafsburg,  Trübner,  1889.  73  ss.  8«.  —  wir  kannten 
bisher  den  Reinaert  i  nur  aus  der  dem  15  jh.  angehörenden  und 
stark  verderbten  Comburger  sammelhs.  unter  diesen  umständen 
erweckt  es  Interesse  und  freude,  dass  vor  kurzem  von  einer  in- 
cunabel  der  Darmstädter  hofbibliothek  ein  dem  14  jh.  entstam- 
mendes doppelbl.  des  gedichtes  mit  den  vv.  2590  —  2728  und 
3024  —  3165  abgelöst  wurde.  Martin  gibt  das  neue  fragment, 
das  er  e  nennt,  zunächst  in  diplomatisch  treuem  abdrucke,  so- 
dann reconstruiert  er  den  text  unter  benutzung  aller  verfügbaren 
hilfsmittel,  dabei  verfährt  er,  in  der  erwägung,  dass  e  neben 
vielen  zweifellos  ursprünglicheren  lesarten  auch  eigentümliche 
fehler  und  willkürlichkeiten  aufweist,  mit  grofser  und  berech- 
tigter vorsieht:  freilich  besteht  die  gefahr,  dass  hin  und  wider 
eine   echtere  lesart  von  e  der   Übereinstimmung   der  Comburger 


LITTERATüRNOTIZEN  215 

hs.  (a)  mit  dem  Reinaert  ii  (b)  oder  mit  der  lateinischen  Über- 
setzung (1)  zum  opfer  fiel,  wie  zb.  möglicherweise  v.  3047,  wo 
e  liest  hlift  gode  bevolen.  ic  moet  gaen,  während  ab  das  planere 
blijft  ghesont  ende  laet  mi  gaen  aufweisen,  für  die  textgestaltung 
möchte  ich  den  bestätigenden  wert  der  kürzenden  und  vielfach 
freien  version  1  niedriger  einschätzen  als  Martin,  v.  2655  sagt 
der  fuchs  zum  haseu  in  be  dis  manic  u  hi  der  trouwen,  in  a 
hingegen  dies  maent  hi  (der  könig  löwe).  letzteres  setzt  Martin 
ein,  weil  es  durch  hem  sehen  2657  empfohlen  werde  und  weil 
in  1  stehe  te  de  quaerendis  dicere  vera  monet.  aber  hem  sehen 
hat  auch  in  der  lassung  be  seine  gute  beziehung,  nämlich  auf 
minen  here  den  coninc  2654,  und  nur  für  die  lesart  be  passt  die 
autwort  des  hasen  2660*^  11'  ghi  hebt  mi  ghemanet  bi  der  troii- 
wen  die  ic  miner  soeter  vrouwen  ende  die  ic  den  coninc  sculdich 
bem.  den  schluss  dieses  abschnittes  bilden  wertvolle  nachtrage 
zur  iulerpretation  des  Reinaert,  die  zweite  hälfle  der  schrift 
bringt  das  arg  zerstörte  fragment  vom  bär  Wisselau,  welches 
aus  der  hs.  bisher  nur  einmal,  von  seinem  früheren  besitzer 
Serrure,  veröflentHcht  war,  nach  neuer  lesung.  manches  zwar, 
was  Serrure  noch  sah,  ist  heute  nicht  mehr  zu  erkennen,  aber 
der  text  wird  an  so  vielen  stellen  gebessert,  dass  alle  künftige 
beschäftigung  mit  dem  merkwürdigen  gedichte  von  Martins  ab- 
drucke ausgehen  muss,  der  von  sprachlichen  und  litterarhistori- 
schen  erörterungen  begleitet  ist.  —  s.  9  fiel  bei  v.  3130  die 
angäbe  2**  aus,  s.  14  v.  2596  und  s.  15  v.  2616  muss  es,  dem 
sonstigen  usus  gemäfs,  ghehidet  und  ghenoech  heifsen,  s.  42  A% 
26  wurde  ein  ic  zuviel  gedruckt,  s.  51  A^  38  fehlt  eine 
klammer.  St. 

JSteyreh,  Professor  an  der  Wiedner  communal-oberrealschule,  Die 
ursprüngliche  einheit  des  vocalismus  der  Germanen  auf  grund 
einer  vergleichung  der  bajuwarischen  mundart  mit  dem  englischen. 
Wien,  Alfred  Holder  in  comm.,  1887.  46  ss.  gr.  8^.  1,80  m.  — 
'es  gab  eine  zeit,  wo  die  Germanen  nicht  die  sog.  urkürzen  iau, 
sondern  einzig  und  allein  die  länge  oa  kannten;  wir  stehen  hier 
an  den  Uranfängen  des  sprachlichen  lebens,  an  der  wiege  der 
Germanen.'  in  dieser  behauptung  (s.  46)  gipfeln  die  'Unter- 
suchungen', welche  St.  in  seiner  schrill  zum  besten  gibt,  schon 
der  Wortlaut  des  mitgeteilten  satzes  sagt  dem  kundigen  eigent- 
lich zur  genüge,  wessen  er  sich  von  dem  verf.  zu  versehen  hat; 
schaut  man  sich  aber  erst  nach  den  gründen  um ,  die  zu  einem 
so  absonderlichen  Schlussergebnis  geführt  haben  ,  so  erstaunt  man, 
gelinde  gesagt,  über  die  in  unsern  tagen  kaum  erhörte  Unbe- 
fangenheit, mit  der  von  der  ersten  bis  zur  letzten  seite  der  arbeit 
den  einfachsten  und  darum  allgemein  anerkannten  grundsätzen 
lautgeschichtlicher  forschung  ins  gesiebt  geschlagen  wird,  man 
könnte  versucht  sein,  das  ganze  für  einen  scherz  zu  halten, 
wenn    nicht   die   eigenen  worte  des  verf.s   (vgl.  s.  4)   diese   an- 


216  L1TTERATÜI\N0TIZE> 

nähme  von  vorne  herein  ausschlössen,  unter  solchen  umständen 
inuss  selbstverständlich  an  dieser  stelle  von  einer  austührlichen 
besprecliung  abgesehen  werden;  es  wäre  dies  übrigens  bei  einer 
Schrift,  die  so  ganz  eines  einheitlichen  ganges  der  erorteruugen 
entbehrt,  in  der  zudem  last  jede  zeile  unseren  Widerspruch  heraus- 
fordert, ein  mühseliges  unternehmen,  nur  um  das  oben  ab- 
gegebene urteil  auch  in  den  äugen  desjenigen  zu  rechtfertigen, 
der  das  machwerk  nicht  selbst  zu  geuiel'seu  in  der  läge  ist,  sei 
gleich  aus  dem  eingang  desselben  einiges  herausgehoben,  das 
hohe  alter  des  oa  ergibt  sich  dem  verf.  ohne  weiteres  aus  dem 
übereinstimmenden  vorkommen  des  lautes  in  der  bajuvvarischeu 
mundart  und  im  englischen,  'wo  es  indessen  erst  um  die  zeit 
Shakespeares  unter  dem  einfluss  der  mundarten  in  der  Schreibung 
in  seine  alten  rechte  tritt'  (vgl.  s.  6  und  13).  das  ags.  ed  ist 
der  umlaut  eines  ursprünglichen  oa,  wie  ua.  das  bajuwarische 
(vgl.  fcroad 'breit',  con)p.  &rmdarj  beweist,  die  beobachtung,  dass 
der  bajuwarische  bauer  broad,  breadar,  der  Städter  aber  braad, 
braadar  spricht,  gibt  uns  einen  fingerzeig  für  die  entstehung  des 
d  (aus  oa,  ea)  zunächst  im  bajuwariscben  und  dann  im  germa- 
nischen überhaupt,  'wenn  also  baj.  bdm  (bäum)  ein  älteres  boam 
und  beam  zur  Voraussetzung  hat,  so  haben  wir  hier  drei  so  alte 
formen,  dass  die  mit  oa  als  die  älteste  nicht  einmal  in  den 
alten  denkmälern  mehr  vorkommt,  während  beam  im  ags.  bedm, 
bdm  im  altfries.  bdm  oder  in  älteren  baj.  quellen  sich  finden 
(s.  6).'     das  mag  genügen.  Albert  Bachmann. 


Kleine   Mitteilungen. 

Ein  BLUTSEGEN,  in  der  dem  13,//?.  angehörenden  pergamenths.  L.  in.  9 
der  kgl.  bibliothek  zu  Bamberg,  welche  6  medicinische  abhandhingen 
enthält,  steht  bl.  139,  nachdem  mehrere  mittel  zum  stillen  des  blutes 
in  lateinischer  spräche  angegeben  sind,  folgende  deutsche  formel: 
Crist  unte  iudas  spiliten  mit  spieza.  do  wart  der  heiligo  Xrist 
wnd  in  sine  siton.  do  nam  er  den  dvmen  vnte  uor  duhta  se 
uorna.  So  uerstant  du  bluod  so  se  iordanis  aha  uerstunt  do  der 
heihgo  iohannes  den  heilanden  crist  in  iro  tovfta.  daz  dir  zo 
bvza.  Crist  wart  hi  erden  wnt.  daz  wart  da  ze  himele  chunt. 
izue  blötete.  noch  ne  svar.  noch  nechein  eiter  ne  bar.  taz  was 
ein  file  göte  stunte.  heil  sis  tu  wunte.  In  nomine  Jesu  Christi. 
Daz  dir  ze  buze.  Pat.  nost.  ter  et  addens  ter.  Ich  besuere  dich 
bi  den  heiligen  fünf  (abgekürzt)  wuuten.  heil  sis  tu  wunde.  Per 
patrem  et  filium  et  spiritum  sanctum  fiat  Amen.       Du  Leitschuh. 

Im  SCHWERTE  sehen,  dass  das  spiegelblanke  ritterschwert  weissagende 
kraft  besitzt,  weifs  man  aus  zwei  stellen  in  Konrads  Trojaner- 
krieg V.  27412  f  (vgl.  Zs.  15,249)  und  Frauenlob  142  f,  die  in 
den    nachtragen   zur  Mythologie  3,  321  verzeichnet   sind,     einen 


KLEINE  MITTEILUNGEN  217 

neuen  beleg  eülhält  das  Leben  der  hl.  Schwestern  zu  Oetenbach, 
nach   einer  Nürnberger  hs.   im  Zürcher  taschenbuch  12   (1889) 
abgedruckt,  s,  230  1':  In  disen  Zeiten  icas  ein  fraw  in  Sioabenland, 
die  tcas  von  Kisleg  und  was  gar  weltlich ;  nnd  do  ir  ir  man  starb, 
do  nam  si  gar  ein  f rummer  ritler  von  Hohenf eis,  der  het  si  in 
dem  swert  gesehen  xxjar,   ee  dafs  si  im  loard.     Und  do  si 
im  gemeheh  ward,  do  icas  si  in  der  selben  gestalt  und  het  das  selb 
gewand  an,  als  er  si  in  dem  swert  gesehen  het.    J.  Baechtold. 
Zu  Heinrich  von  Melk,     bekanntlich  (s.  Scherer  Zs.  f.  d.  Ost.  gymu. 
1868  s.  577)  steht  das  Priesterleben  auf  den  letzten  fünf  blättern 
der  Wiener  hs.  2696,    welche  mit  dem  übrigen  codex   nicht  zu- 
sammenhängen   und    die  von   der  sonstigen  quaternionenzählung 
abweichende  Signierung  g  —  /  zeigen,    auf  der  rückseite  des  letzten 
sind  mit  roter  tinte  die  worle  eingetragen:  daz  buch  hcBizzet  daz 
gemcBine  leben.     Scherer  glaubte,  dass  diese  blätter  von  anderer 
band   geschrieben    seien    als   die    übrigen    teile   des    codex    und 
schloss  aus  dem  genannten  zusatze,  der  sich  nach  dem  gebrauche 
der  hs.    auf  ein   mit  der  folgenden  seile  beginnendes  neues  ge- 
dieht beziehen  müsse,  dass  in  der  hs.,  der  ursprünglich  das  Priester- 
leben angehört  habe,  unmittelbar  darauf  die  Erinnerung  gefolgt 
sei,    auf  deren  ersten  teil  der  titel  'vom  gemeinen  leben'  passe, 
der  schluss  wäre  an  sich  nicht  stringent,    denn  durchaus  nicht 
alle  hss.  des  xiv  jhs.  geben   den  titel   eines  neuen  gedichtes  auf 
dem    ende  der   vorangehenden   seile,   und   die  Vermutung   wäre 
ebenso  berechtigt,  das  Prieslerleben  sei  ein  fragment  einer  satire 
auf  alle  stände,  deren  titel  'vom  gemeinen  leben'  gelautet  hätte, 
aber  diese  fünf  blätter  sind,  wie  mir  hr  dr  vGöldlin  freundlichst 
bestätigt,  von  derselben  band  geschrieben  wie  alles  vorhergehende 
und  sie  stimmen  in  der  schrift  aufs  genaueste  mit  den  früheren 
Partien  der  hs.     sie  sind   ein  teil   der  vor  der  Erinnerung,   die 
mit  qualernio  xiv  beginnt,  fehlenden  zwanzig  blätter  und  der  titel 
daz  gemceine  leben   bezieht   sich   in   der  tat  auf  die  Erinnerung, 
wenn  sie  den  schluss  dieser  grofseu  lUcke  bilden,    dies  wird  be- 
wiesen durch    einen    Ölfleck,    der   am    unteren    rande   sowol  der 
drei  letzten  blätter  des  Priesterlebens  wie  der  ersten  blätter  von 
quateruio  xiv,  dort  immer  gröfser,  hier  immer  kleiner  werdend, 
8  cm.  vom  äufseren  rande  entfernt  sich  vorfindet  und  zeigt,  dass 
blatt  /   ursprünglich   auf  blatt  1    von    quaternio  xiv   gelegen   ist. 
von    den    zwanzig   ausgeschnittenen  blättern   sind  diese    fünf  er- 
halten und  rückwärts  angeheftet  worden.  Hugo  Hebzog. 
Mhd.  miscellen.  1.  zum  Titurel.    in  dem  schönen  testameute  des  grafen 
Gerhard  von  Sayn  vom  jähre  1491  ^  finden  wir  folgende  stelle,  die 
aufs   neue   die  hohe  Schätzung  des  Titurel   im  mittelalter  zeigt. 2 

'  Günther,  Codex  dipl.  Rheno-iMosellanus  iv  703. 

*  ich  benutze  die  gelegenheil,   um   ein   zeugnis   über  Wolfram    zu   er- 
wähnen, dessen  merkwürdigkeit  wahrscheinlich   nur  auf  einem  druckfehler 
beruht.     Alexander  Wiitheim  sagt  in  seiner  Vita  venerabilis  Yolandae  (Ant- 
verpiael674  s.  174):    Jlter  (sc.  auctor)  fabulam  exequitur  ciiiiisdam  IFH- 
A.  F.  D.  A.    XV.  15 


218  KLEIINE  MITTEILUNGEN 

es  heifsl  dort:  Auch  so  snllen  sy  (die  söhne)  sich  huedeti  vor 
sweren  Dinsten  mit  Rnterwerck  der  Fürsten,  want  Yngnade  davon 
entsteit ,  so  man  Schaden  enpfeit ,  so  man  den  gerne  gekeret  sege 
und  hndt  nch  sonderlich  vor  Burgschaft,  vnd  wir  wisen  sy  darumb 
in  den  Tyterel  vnd  Brackenseil,  das  sy  den  wail  durchlesen  vnd 
dem  volgen ,  want  die  (=  der)  hoirt  yne  vnd  dem  Adell  zu  zo 
wissen,  vnd  ist  die  gotlichste  Lere,  die  man  in  dutschen  Boichern 
fynden  magh,  want  da  alle  Doegent  vnd  Ere  innesteit ,  wie  die 
Fürsten  vnd  Hern  sich  haben  vnd  regeren  sullen,  vnd  wa  sy  deser 
Lere  volgent ,  sali  in  nicht  werren ,  noch  auch  keynes  Gudes  ge- 
brechen, noch  ensullen  unber  mehe  ramspodich^  werden,  want  ine 
Got  genoich  beschert  hait  vor  grafflich  Stat  zo  halten.  — 

2.  türhant.  in  dem  von  Bartsch  (Beiträge  zur  quellenkunde 
der  altd.  litteralur  s.  176  ff)  abgedruckten  Ritterpreis  findet 
sich  V.  426  ft"  folgende  stelle: 

ei  se'lich  wif,  bekennit  ir  iht 

den  der  zwo  riche  varwe  dreit: 

nf  zabel  von  hermin  geleit 

zwer  durbant  sten  in  krüce  wis.'- 
Slrauch  hat  (DLZ  1886  sp.  1266  ß)  die  Vermutung  aufge- 
stellt, es  sei  in  dem  letzten  verse  zwei  oder  zwen  durbant  zu 
lesen ,  und  ich  halte  die  letztere  conjectur  für  recht  wahrschein- 
lich. 3  es  erhebt  sich  nun  die  frage,  was  dieser  ohne  zweifei  dem 
gebiete  der  heraldik  angehörige  terminus  bezeichnen  soll,  der 
dichter  beschreibt  hier  das  wappen  eines  Henricus  de  Muntabnr, 
den  wir  aufser  in  der  von  Bartsch  (aao.  s.  195)  augeführten  Ur- 
kunde (Lac.  II  939)  noch  mehrfach  uachweisen  können,  er  war 
der  söhn  des  ritters  Hugo  von  Montabaur,  und  die  erste  Urkunde 
stellt  er  nach  dem  tode  seines  vaters  am  9  juni  1272  aus.4  seine 
letzte  Urkunde  ist  vvol  ein  im  Coblenzer  Staatsarchiv  befindlicher^, 

helmi  ducts  atque  m  7nedio  opere  (v.  4363  ffj  nomen  edit  auctoris,  quod 
est  Ulricus  ab  Etzenbach.  Digreditur  autem  eo  toco  in  laudem  Bohemiae 
et  TVenceslai  regis,  eiusque  patris  Ottocarl,  meminitque  Wolframi  de 
Etzenbat/i ,  eins,  qui  Herviannum  Tliuringiae  Landgr avium  cecidit. 
es  ist  hier  sicher  cecinit  zu  lesen,  denn  eine  solche  Verwechselung  und 
Unkenntnis  ist  dem  gelehrten  Jesuitenpater  nicht  zuzutrauen,  wenn  auch  in 
dem  sorgfältigen  erratenverzeichnis  dieser  druckfehler  nicht  erwähnt  wird. 
'  ramspodich  (=  ramph-spuolec)  werden,  Unglück,  mangel  leiden. 

2  ich  habe  die  bei  Bartsch  falsche  interpunction  berichtigt. 

3  besonders  auch  da  ba7id  im  Rheinland ,  der  heimat  unseres  gedichtes, 
masc.  oder  fem.  zu  sein  scheint,  vgl.  Strauchs  hinweis  auf  Lexer  i  1155 
und  aufserdem  Honig,  Wb.  der  Kölner  mundart41.  in  Luxemburg  \sibajid 
m.  und  f.,  in  Trier  (nach  Laven,  Gedd.  in  trierischer  mundart,  Trier  1853)  f. 

*  Mittelrhein,  reg.  iii  2727.  gedr.  Fahne,  Cod.  Salm.  338.  —  Heinrich 
von  Montabaur  tritt  weiterhin  noch  urkundlich  auf  Mittelrh.  reg.  iv  329, 
28  juli  1276.  IV  598,  9  april  1279.  iv  1208,  30  dezember  1284.  iv  1329, 
18märzl286.  iv  3064,  18  September  1300.  er  erscheint  mit  seiner  frau 
Grete  ivl336,  18  april  1286. 

^  diesen  nachweis,  wie  auch  die  unten  gegebene  beschreibung  des 
siegeis  verdanke  ich  einer  gütigen  mitteilung  des  Vorstandes  des  Coblenzer 
Staatsarchivs. 


KLEINE    MITTEILUNGEN  219 

auch  von  Siebmacher  (Abgest.  nassauischer  adel  s.  32)  augeführter 
lehnsaultrag  an  den  erzbischof  Diether  von  Trier,  welcher  am 
2  märz  1306  erfolgte.'  die  zeit,  in  der  dieser  Henricus  nach- 
weisbar ist,  stimmt  gut  zu  [der  lebenszeit  der  übrigen  in  dem 
gedichte  genannten  personen.  an  der  letzterwähnten  Urkunde 
hat  sich  das  Siegel  erhalten,  es  ist  ein  kreisrundes,  braunes 
wachssiegel  mit  dem  so  oft  vorkommenden  ankerkreuz  als  siegel- 

bild ,  dessen  legende  -f  H:  NR' .  DE.  MVTBR  .  MILS  lautet,  eine 
abbildung  gibt  Siebmacher  (aao.  tafel  52). 

Also  haben  wir  in  dem  satz  zwen  durbant  sten  in  krüce  wis 
einen  ausdruck  für  den  jetzt  gebräuchlichen  heraldischen  terminus 
'ankerkreuz'  zu  erblicken,  diese  bänder  haben,  wie  die  abbil- 
dung zeigt,  würklich  grofse  ähnlicbkeit  mit  den  eisenbeschlägen, 
wie  wir  sie  jetzt  noch  an  alten  türen  finden,  dass  wol  dieser 
ähnlicbkeit  wegen  türbant  der  heraldischen  lerminologie  einge- 
reiht ist  und  dass  diu  türbant  eigentlich  die  spangen  bezeichnet, 
durch  welche  die  tür  zusammengehalten  wird^,  zeigt  eine  stelle 
in  Konrads  von   Würzburg  Trojanerkrieg  (32902  ff): 

sin  schilt  der  was  mit  kelen  rot 

bedecket  und  bevangen. 

dri  zobelswarze  spangen, 

die  man  leite  nf  eine  tür, 

dar  HZ  eiiühten  und  da  für, 

als  es  dem  schilte  wol  gezam. 
Diese  schwarzen  lUrspangen  in  rotem  leide  sind,  ebenso  wie 
die  türbant  in  dem  wappen  Heinrichs  von  Montabaur,  als  wappen- 
bilder  aufzufassen,  und  nicht  als  teilungsstreifen,  etwa  als  strich 
oder  strife.^ 

Sehen  wir  nun ,  welche  von  diesen  beiden  bedeutungeu  des 
Wortes  türbant  wir  in  der  bekannten  Parzivalstelle  (151,  26)  an- 
nehmen müssen  —  denu  Bechs  conjeclur  tiure  bant  (Germ,  vii 
292)  können  wir  wol  als  sicher  unrichtig  von  vorn  herein  aus- 
schliefseu  — ,  so  haben  wir  ohne  zweifei  hier  türbant  als  tür- 
spange  aufzufassen  und  dem  Wortlaut  nach  so  zu  übersetzen:  da 
ergriff  der  seneschall  Keye  frau  Cunneware  von  Lalant  an  ihrem 
lockigen  haare:  ihre  langen  schönen  zöpfe  wand  er  um  seine 
band,  er  spangte  sie  (die  zöpfe),  ohne  gerade  ein  türbant  dazu 
zu  nehmen,  er  windet  die  zöpfe  um  seine  band,  und,  um  sie 
festhalten  zu  können ,  muss  er  das  haar  mit  den  fingern  gegen 
das   innere   der  band   pressen,   und   so,    wie  mit  einer  spange, 

^  Siebmacher  aao.  nimmt  unrichtig  das  jähr  1305  an.  die  betreffende 
Urkunde  wurde  ausgestellt  am  mittwoch  nach  reminiscere  1305,  und  dies 
ergibt,  da  stilus  Trevirensis  anzunehmen  ist,  den  2  märz  1306. 

^  türbant  ist  nicht  nur,  wie  das  Mhd.  wb.  (i  132)  nach  Frisch  (i  54c) 
annimmt,  das  'eiserne  band,  welches  die  tür  mit  den  pfosten  verbindet', 
sondern  überhaupt  der  eiserne  beschlag  der  tür,  welcher  die  bretter  zu- 
sammenhält und  ihnen  festigkeit  gibt.     vgl.  noch  Grimm  DWB  i  1097. 

3  Schultz,  Höf.  leben  ii  78. 

15* 


220  KLEINE    MITTEILUNGEN 

einer  fibula  lest  klemmen,  dtie  tnrbant  ist  ein  beiläufiger  zusatz, 
wie  er  Wolfram  gerade  in  den  sion  kam,  nachdem  er  das  er 
spancte  se  gesagt  hatte;  vgl.  über  die  bedeutung  von  dne  und 
ähnliche  lügungen  Bechs  programm  (Zeitz  1885)  Beispiele  eigen- 
tümlicher Verwendung  der  präpositionen  dne  und  sunder  im  mhd. 
so  tritt  diese  bemerkung  Wolframs  in  einen  gewissen  parallelis- 
mus  zu  dem  folgenden  verse,  ir  rüke  wart  kein  eit  gestabt ,  und 
auch  dies  scheint  unsere  auffassung  der  stelle  zu  bestätigen. 

3.  halbieren,  bisher  hatte  man  mit  Schultz  (Höf.  Leben 
II  78)  halbieren  als  heraldischen  terminus  gleich  franz.  partir,  in 
die  länge  teilen,  aufgefasst,  und  von  neueren  heraldikern  hatte 
zb.  der  verstorbene  Ralf  von  Rettberg  dieser  ansieht  zugestimmt, 
wie  ich  von  Bechstein  (üvLichtenstein ,  Frauendienst  zu  506,  5) 
lerne,  dieser  sucht  auf  grund  einer  stelle  im  Frauendienst  (506) 
die  Unrichtigkeit  jener  ansieht  nachzuweisen,  wie  wir  sehen 
werden,  mit  unrecht,     es  heifst  dort: 

ich  sagiti  wie  er  fnort  den  schilt, 
gehalbirt  nach  dem  swert  zetal. 
daz  ober  teil  daz  ivas  gemdl  usw. 
Weiterhin  entspricht  dem  ober  leil  ein  niderteil,    nun  meint 
Bechstein,  die  ansieht  Schultzs  und  Rettbergs  sei  unhaltbar,  weil 
der  dichter  von  einem  oberen  und  unteren  teil  spreche,  was  bei 
einer  längsteilung  unmöglich  sei.    er  übersieht  aber  hier,  wie  an 
einer  anderen  stelle  (996,  5),   dass   nach  dem  swerte  zetal  nicht 
blofs  'ein  verstärkender  zusatz'  ist,  wie  er  angibt,  sondern  dass 
dadurch   die  richtung   bezeichnet  wird:    der   teilstrich  geht  nach 
der  linken ,  der  schwerlseile  des  menschen ,  und  der  schild  war 
also  durch  einen  rechten  schrägbalken  geteilt,    und  hierbei  kann 
man  allerdings  von  einem  oberen  und  einem  unteren  teil  sprechen, 
man  wird  daher  Schultzs  und  Rettbergs  auffassung  von  halbieren 
gelten  lassen  müssen.  John  Meier. 

Zum  Ernst  D.  bekanntlich  beruft  sich  in  seiner  Alexandreis  v.  25102 
üvEschenbach  auf  ein  buch  vom  herzog  Ernst,  obwol  dies  cital 
bei  gelegenheit  der  Schilderung  der  Cynocephaleu  gegeben  wird, 
welche  in  keiner  uns  erhaltenen  fassung  der  Ernstsage  auftreten, 
so  sieht  man  darin  doch  nicht  mehr  mit  Pfeiffer  (Germ.  1,  461) 
eine  anspielung  auf  ein  verlorenes  gedieht,  sondern  einen  aus 
ungenauer  erinnerung  hervorgegangenen,  übrigens  leicht  erklär- 
lichen irrtum  Ulrichs  (Bartsch,  Herzog  Ernst  cxlii,  Toischer, 
Über  die  Alexandreis  ü.s  vEscheubach  1881  s.  89).  denn  dass 
Ulrich  in  der  tat  den  Ernst  D  gelesen  hat,  lässt  sich,  meine 
ich,  durch  vergleich  der  episoden  Wilhelm  von  Wenden  352211 
und  Ernst  D  4611  ff  erweisen,  im  ersteren  gedieht  wird  dem 
Patriarchen  von  Jerusalem  seitens  der  Sarrazenen  krieg  an- 
gekündigt, er  wendet  sich  um  hilfe  an  die  Johanniter,  templer, 
deutschherren  und  an  den  künec  von  Ubidne  (:  dne).  diese 
namenform    begegnet    nur    noch    im    Ernst  D:    die   stellen    zählt 


KLEINE    MITTEILUiNGE.N  22t 

Rinzel  Zs.  f.  d.  phil.  8,  350  auf.  aber  auch  die  l'einde  des  pa- 
triarcheD  im  Wilhelm  siud  identisch  mit  denen  des  königs  von 
Ubiaue  im  Ernst,  man  vergleiche  Ernst  D  4611  ff:  der  könig 
erzählt  Ernst,  loie  er  verladen  wcBre  von  dem  ki'mege  von  Bahilö 
und  von  dem  voit  von  Damascö  und  von  dem  fürsten  nz  Halap 
mit  Wilhelm  3594  der  solddn  von  Bahilö  und  der  he'rre  von  Da- 
mascö und  von  Hallap  der  voget.  im  Ernst  D  4687  ff  bringen 
die  beiden  ihre  götzenbilder  mit  in  den  kämpf;  die  stelle  ist, 
wie  Haupt  Zs.  7,  261  bemerkte,  aus  Wolframs  Willehalm  352,  1  ff 
entlehnt,  eine  analoge  Schilderung  bietet  auch  der  Wilhelm  von 
W^enden  3618  ff.  um  zu  zeigen,  dass  hier  Ulrich  sein  vorbild 
Wolfram  nicht  direct  nachahmte,  sondern  durch  vermittelung  des 
Ernst  D,  stelle  ich  die  drei  fassungen  neben  einander: 

Wolfram:    den  seihen   got  [Ter-      Ernst:  sinen  got  Mahmet 

vigant]  hiez  Terramer  der  voget  von  Babilöne  het 

und  ander  sine  gote  her    [masf.      nf  einen  karräschen  hoch 
setzen  nf  man  gen  höhen  gesetzet  den  da  niht  enßöch 

daz  was  iedoch  ein  swarer  last:      ric h i n  koste  ninder. 
karräschen  giengen  drunder:      den  zu  gen  merrinder. 
die  zu  gen  dd  hesunder  wol  ge  zier  et  was  der  mast 

gewdpendiu  merrinder der  da  truoc  Mahmet  es  last. 

%cie  von  golde  und  mit  gesteine 

luter  unde  reine 

sine  gote  warn  geßöret. 

Wilhelm:    nach  der  hwsten  geböte 

sach  man  bringen  ir  apgote 

üf  karrdtschen  rieh  gezieret. 

in  liehlem  golde  verwieret 

sach  man  mangen  tiuren  stein, 

der  in  lichter  varwe  schein 

von  der  karr  dt  sehe  ti  mästen , 

die  Jupiter  dd  lasten, 

Appollo,  Mahmet,   Tervigant. 

gegenüber  der  klaren  und  anschaulichen  darstellung  Wolframs 
sind  im  Ernst  und  W'ilhelm  die  karräschen  vorausgenommen  und 
die  mästen  hinken  nach;  auch  der  schmuck  der  mästen  ist  dem 
Ernst  und  Wilhelm  gemeinsam,  während  Wolfram  nur  die  zier 
der  götzenbilder  erwähnt,  endlich  stimmen  zu  einander  Ernst 
4717  ez  quämen  vor  den  turen  vil  pusünen  und  tamhnren,  manec 
hörn  sie  da  erclancten  und  Wilhelm  3611  von  pusinen  und  tarn- 
büren  loas  dd  ungevüeger  schal,  manec  heidensch  hörn  da  lute 
erhol,  aufserdem  mache  icli  darauf  aufmerksam,  dass  der  Alex. 
25069  den  reim  Picmei :  zwei  mit  Ernst  4078.  5508  teilt  und 
dass  das  im  Alexander  ungemein  häufige  Gräiur  nur  noch  im 
Ernst  1966  nach  WGrimms  einleuchtender  conjectur  begegnet.  — 
somit  ergibt  sich  für  die  entstehung  des  Ernst  D,  nachdem  Jänickes 


222  KLEINE    MITTEILUNGEN 

datieruDgsversuch  (1277  — 1285)  vou  Zarncke  Beitr.  2,  580  ff 
widerlegt  wurde,  als  lemiiuus  ante  quem  das  jähr  1287.  St. 
Die  Pilatuslegeniie  im  17  Jahrhundert,  im  anschluss  an  Creizenachs 
auf  salz,  im  1  bände  der  Beiträge  möchte  ich  das  seltsame  Schicksal  er- 
wähnen, welches  die  Pilatuslegetiden  im  11  jh.  gehabt  haben:  nämlich 
als  belasttingsntaterial  zu  dienen  in  einem  processe,  welchen  die  theo- 
logischen jurislen  dieses  Zeitalters  über  den  richter  Christi  anstrengten, 
dieser  eigentihiüiche  cassationshof  setzte  sich,  abgesehen  von  minder 
bekannten  auloritäten,  zusammen  aus  dem  (infolge  davon  als  atheisten 
verschrieenen)  Joh.  Steiler  als  Verteidiger  und  dem  berühmten  Jacob 
Thomasius  als  Staatsanwalt.  Steller  bewies  nämlich  in  einer  schrift : 
Pilatus  defensus  (ich  benutzte  die  ausgäbe  Joh.  Stelleri  J.  U.  Doctoris 
Jenensis  Pilatus  defensus  nna  cum  Danielis  Maphanafi  Muchenti- 
nensis  confutatione  scripti  illius  et  disputatione  academica  Christiani 
Thomasii  Ph.  M.  adversus  idem  Paradoxum.  Lipsiae  md.clxxvi) 
mit  grofsem  aufwand  von  juristischer  gelehrsamkeit  bündig  und 
nicht  ungeschickt,  dass  der  römische  landpßeger  nach  gemeinem  und 
kirchenrecht  vollständig  correct  gehandelt  habe  und  noch  gegen- 
wärtig in  diesem  falle  so  würde  handeln  müssen,  dabei  unterlässt 
er  nicht,  mit  einer  gewissen  bosheit  daran  zu  erinnern,  dass  ja 
bekannter  mafsen  dieser  Pilatus  seiner  herkunft  nach  ein  Deutscher 
gewesen  sei.  er  wolle  dies  aber  nicht  glauben  und  gebe  gern  zu, 
er  sei  wol  —  ein  Franzose  gewesen.  dieser  stich  ärgerte  den 
Thomasius  ganz  besonders  und  er  liefs  sich  zu  folgender  gründ- 
licher erörlerung  dieses  punctes  herab  (Confutationis  Pontii  Pilati 
defensi  caput  in):  Philippus  ßoskierus  in  Theatro  patientis  seu  Pas- 
sione  Christi  Conc.  29  refert  Pilatum  quosdam  Silesiis,  quosdam 
Lugdunensibus  Batavis  obslrudere  voluisse.  Sed  gravis  error  ille 
et  minus  grata  populis  istis  sententia  quae  omni  colore  desti- 
tuitur.  Non  vero  abs  re  miretur  aliquis  quod  Galli  tanlo  studio 
hunc  honorem  sibi  vindicent(!).  Retert  enim  Michael  Heberer 
Palalinus  et  doctissimus  vir  Lib.  i.  Itinerarii  sui  cui  Titulum 
fecil:  Die  egyptische  Dienstbarkeit  cap.  10.  Wenn  man  von  Wien 
ab  und  gegen  Valence  reiset,  wird  ein  klein  adelich  Haus  ge- 
zeiget auf  einer  grünen  Auen  an  der  lincken  Seite  des  Rhodani  am 
hinunterfahren ,  in  welchem  P.  Pilatus  soll  seyn  geboren  worden. 
Zeilerus  etiam  lib.  13  Topogr.  Galliae  p.  24.  von  SVallier  eine 
halbe  meile  ist  das  Schloss  und  DorlT  la  Maison  de  Pilate  genannt 
gelegen,  weil  Pontius  Pilatus  solches  Haus  bewohnet  haben  oder 
wie  theils  wollen  allda  soll  seyn  gebohren  worden.  Et  Franciscus 
de  Rues  in  descript.  Galliae  Ilin.  Sax.  p.  m.  553  dass  noch  in 
diesem  Lande  Herren  seyn  die  nach  seinem  Nahmen  Herrn  von 
Pila  genennet  werden.  Zeilerus  quoque  in  descript.  urbis  Vien- 
nae:  von  der  Kirchen  S.  Mauritii  sind  wir  kommen  in  die  Kirch 
Nostre  Dame  de  la  Vie  genandt  da  das  Richthaufs  der  Römer  und 
Pilati  gewest  seyn  soll;  darüber  geschrieben  steht:  C'est  la  pomme 
(Golnizius   legit:     C'est    le    pomeau    etc.)    du   sceptre   de    Pilate. 


KLEINE  MITTEILUNGEN  223 

Gegenüber  ist  das  Landgericht  oder  Regierung,  welches  Palatium 
aber  gar  schlecht  ist.  Et  cap.  5  p.  413  Von  S.  Piage  de  Rus- 
sillon  lässt  man  den  Berg  Pilati  zur  Lincken  liegen  usav.  .  .  . 
Zeilerus  1.  c.  cap.  4.  Es  stehet  auch  daselbst  ein  grofser  dicker 
Thurm  vom  Kayser  Tyberio  wie  man  sagt  erbauet  darauff  man 
bisweilen  Wache  hält;  in  welchem  Pilatus  als  er  hierher  ins  Exi- 
lium  geschickt  worden  gefangen  gelegen  seyn  soll.  Aufser  der 
Stad  ist  eine  Pyramis  allda  sein  Haus  soll  gestanden  seyn;  Wie 
denn  auch  zwischen  hier  und  der  Stadt  Tournon  ein  Schloss  und 
Dorff  so  la  Maisou  de  Pilate  genandt  wird.  Theils  wollen ,  er  sey 
in  gemeldtem  Thurm  gestorben;  Theils  dass  er  endlich  aus  Ver- 
zweiffelung  sich  umgebracht  habe;  Wie  denn  dieselbe  Hohle  darin 
er  umbkommen  stets  mit  Nebel  umbzogen  seyn  soll.  Et  in  To- 
pographia  Galliae  part.  13  p.  24'  .  .  .  (über  des  Pontii  Richthaus 
identisch  mit  Zeilerus).  Man  weiset  dar  in  der  Stadt  auch  sein 
Haus  so  Privatpersonen  inne  haben;  item  den  Thurm  da  er  ge- 
langen gesessen;  desgleichen  aufser  der  Stadt  eine  Flammen  Seul, 
da  auch  ein  Haufs  ihm  zugehörig  solle  gestanden  seyn  und  anders 
mehr  von  demselben  sonderlich  einen  Teich  darein  er  sich  soll 
gestürtzet  haben. 

Bemerkenswert  ist  an  diesen  angaben  der  reiseschriftsteller  des 
n  jhs.,  die  man  mit  Creizenach  aao.  Ab  f  vergleiche,  erstens  wie 
genau  specialisiert  die  localisierung  der  sage  rings  um  Vienne  damals 
noch  gewesen  ist,  ferner  die  constatierung  eines  bestimmten '  Pilatus- 
berges ebenfalls  in  der  nähe  Viejines  nach  dem  beschriebenen  wege 
bei  Grenoble  und  die  Übertragung  seines  sprichwörtlichen  nebeis 
auf  eine  höhle  bei  Vienne.  lehrreich  für  die  Übertragung  solcher 
sagen  ist  auch,  wie  hier  aus  Liigduiium  (Lyon  vgl.  Creizenach 
aao.  95)  Lugdunum  Batavorum  (Leyden)  gemacht  worden.'-  aufser 
dieser  zuschiebung  des  Pilatus  an  die  Franzosen  (die  er  gleichwol 
bereits  kritisch  genug  ist  non  ex  nativitate  sed  relegatione  potius 
aut  infelici  ejus  oliilu  2«  erklären)  berichtet  Thomasius  allerlei 
nachteiliges  über  seinen  character  aus  allerlei  bedenklichen  quellen, 
wunderlicher  weise  an  erster  stelle  die  französische  Untugend  der 
aufschneiderei  (\u  exiguo  ponens  meudacium).  auf  die  erörterungen 
der  sagen  über  den  deutschen  Ursprung  lässt  er-  sich  nicht  ein. 
desto  eifriger  nutzt  sie  Steiler  (Pilatus  defensus,  Praeliminaria  12), 
der  sonst  alles  für  Pilatus  ungünstige  der  legende  besonders  wider- 
legt, den  bei  Creizenach  106  mitgeteilten  leoninischen  vers  hat 
er  in  folgender  fassung: 

In  Forcheim  natus  est  de  natione  Pilatus 
Teutonicae  gentis,  cruciflxor  cunctipotentis. 
Berlin.  K.  Borinski. 

Romantisch.     Zs.  26,  192  ff  ist  der   nachvveis  geliefert  worden,  dass 

*  dei"  Sehweize?'  Pilatusberg  (m.  pileatus?)  soll  'früher'  (nur?)  Frac- 
mont  geheifsen  haben. 

-  wie  man  auf  Schlesien  kam,   ist  widerum   aus  der  fixierung  der 
geburtsstadt  Glogau  (Lugidunum)  von  selbst  klar. 


224  KLEINE  MITTEILUNGEN 

das  wort  romantisch,  welches  früher  nur  bis  auf  das  jähr  1740 
zurückverfolgt  war,  bereits  im  jähre  1734  in  der  deutschen  lit- 
teralur  zu  ünden  ist.  im  folgenden  soll  gezeigt  werden ,  dass  es 
bis  in  das  letzte  Jahrzehnt  des  sieben  zehnten  jhs.  zu- 
rückreicht, wider  ist  es  eine  deutsch- schweizerische  quelle,  aus 
welcher  uns  diese  kenntnis  flielst,  und  widerum  begegnet  uns 
das  wort  als  ein  noch  nicht  fest  im  gebrauche  stehendes,  son- 
dern  wechselnd  mit   den  formen  romanisch  und  romanzisch. 

Die  quelle,  aus  welcher  wir  schöpfen,  ist:  Mythoscopia 
Romantica  oder  Disco urs  von  den  so  benanten  Romans, 
Das  ist  Erdichteten  Liebes-  Helden-  und  Hirten-Geschichten:  Von 
dero  ührsprunge,  Einrisse,  Verschidenheit,  Nütz-  oder  Schäd- 
lichkeit: Samt  Beantwortung  aller  Ein wUrffen  und  vilen  besondern 
Historischen  und  andern  anmUthigen  Remarques.  Verfasset  von 
Gotthard  Heidegger,  V.  D.  M.  Zürich,  bey  David  Gessner. 
1698.  8*^.  23  bll.,  223  ss.,  6  ss.  reg.  u.  verz.  d.  druckfehler. 
In  diesem  auch  sonst,  inhaltlich  wie  sprachlich,  sehr  interes- 
santen buche  erscheint  zunächst  das  dem  adjectivum  romantisch 
zur  Seite  stehende  hauptwort  in  verschiedeneu  formen,  das- 
selbe heifst  in  der  einzahl  zwar  durchweg  vornan,  da  die  auf 
Seite  13  angeführte  form  romant  ausdrücklich  als  das  französische 
wort  bezeichnet  wird  ,  die  form  der  mehrzahl  lautet  jedoch ,  wenn 
nicht  einfach  auch  wider  roman,  abwechselnd  romans,  romanen, 
romante,  ja  selbst  romanzen  erscheint  als  vollkommen  gleich- 
bedeutend,    die  folgenden  belegstellen  mögen  dies  dartun : 

In  der  ' Zuschrift'  seines  buches  an  die  beiden  SGaller 
handelsherren  Paulus  Schlumpf  und  Edmund  Witz  sagt  Heidegger, 
der,  wie  aus  den  folgenden  belegstellen  zu  ersehen  ist,  als  ein 
eifriger  gegner  der  romane  auftritt:  'Weil  die  bisherige  Romans 
der  Teutschen  so  übel  gerathen  und  vor  Ehre  so  viel  Spott  er- 
hohlen, werden  dise  verhoffentlich  auch  bald  müd  werden,  sich 
damit  zu  schleppen.'  auf  die  Zuschrift  folgt  eine  poetische  'Inn- 
halts-Taffel',  in  dieser  sagt  Heidegger: 

'Was  hat  die  schlauwe  Welt  nicht  immmer  aussgedacht. 
Auf  dass  ihr  Schlamm  und  Stanck  vor  eine  Zucker -Tracht 
Von  übel -klugem  Volck  begirrigst  werd  genaschet: 
Den  einen  hat  sie  so,  den  andern  so  behaschet, 
Und  jedem  nach  Humeur  den  DoU-Tranck  eingeflösst. 
Hier  hat  sie  einen  kram  von  neuwer  Wahr  enlblösst. 
Mit  Pilluln  Gold  geziert,  mit  Blumwerck  überschmücket; 
Romanzen  ist  derNamm,  den  sie  darauff  gedrückel',  usw. 
Im  eigentlichen  texte    des  buches   dann  fährt   der  Verfasser 
fort,  s.  12  ff:    'Weil  nicht  zu  hoffen  steht,   dass  diejenige  so  in 
den    Romanen    bewandert    und    ihre   beste   Zeit   unter    diesen 
Blättern  verscharret   haben,    die   Schädlichkeit  derselben    merken 
oder  erklären  werden,  ...  als  wird   sich  endlich  ein  vernünff- 
liges  Urtheil  durch  diejenige  finden  können  und  sollen,  welche 


KLEINK    MITTEILUNGEN  225 

zuweil  einen  Blick  darein  gethan,  und  wenigst  nicht  unwissend 
seyn ,  nach  was  vor  einer  Ellen  sie  alle  aussgemacht  seyn.  Wer 
erfahren  will ,  was  das  Meer- Wasser  vor  einen  Geschmack  hege, 
muss  nicht  eben  das  ganze  aussdrinken,  sonder  kan  es  auss 
etlich  wenig  Tropfen  inne  werden.  So  ist  es  mit  den  Romanten. 
Dise  sind  vvürcklich  ein  ohnendlich  Meer  worden'  usw.  und 
s.  19  heifsl  es:  'Wann  jenner  scharfe  Kirchenvatter  sagen  wollen, 
der  leidige  Satan  hahe  die  Traurspiel,  in  denen  man  vor  Zeiten 
hohe  Kalbst iffel  gehraucht,  erdacht,  damit  er  die  Worte  Christi 
der  Unwahrheit  zohe,  der  gesagt,  es  könne  keiner  seiner  Länge 
ein  Ell  hinzuthun ,  so  kan  man  leicht  erachten ,  wem  er  die 
Roman  wurde  gedanckt  haben?  Zwar  kommen  die  Roman 
besser  mit  den  Comoedien  alss  Traurspilen  iiberein'  usw. 

Was  nun  das  adjectivum  betrifft,  auf  dessen  nachweis  es 
hier  abgesehen  ist,  so  erscheint  dasselbe  in  Heideggers  buche 
in  den  formen:  romanisch,  romanzisch  und  romantisch,  die 
letztere  form  ist  bei  weitem  die  häufigste,  habe  ich  recht  ge- 
zählt, so  konmit  auf  den  223  Seiten  des  buches  die  erstgenannte 
form  nur  einmal,  die  zweite  ebenfalls  nur  einmal,  die  form 
romantisch  aber  dreizehnmal  vor.  hier  die  belege  für  jede  der 
drei  formen:  s.  65:  'Gar  recht  hatte  jener  Pariische  Feldherr 
Surenas!  Diser,  da  er  die  Römer  geschlagen  und  under  ihrer 
bagage  auch  dess  obgedachten  Sisennae  Romanische  Fahlen 
gefunden,  war  auff  sie  sehr  ohngehalten,  dass  sie  auch  in  der 
Campanien  dergleichen  Thalpossen  nicht  entbehren  könnten.' 
s.  13:  'Die  Kunst- Quelle  aller  Witz,  Artigkeit  und  Galanterie 
soll  in  den  Romanzischen  Albertälen  stecken.'  s.  116:  'So- 
bald sie  die  Romans  recht  gekostet,  fangen  sie  an  sich  Roman- 
tischer Galautereyen  zu  befleissen :  Ein  Muster  ist,  dass  sie 
stracks  einen  Romanischen  Stiluni  in  den  Briefen  annehmen, 
mit  erdichteten  oder  Fürstlichen  Nahmen,  Traumerzählungen  u. 
d.  g.  gleich  jennen  spielen  lehrnen.'  s.  26:  'Demodocus  und  Phe- 
renicus  (da  aber  ungewiss,  ob  in  gebundner  oder  loser  Ard  ge- 
schriben)  brachten  Romantische  Händel  auf  die  Bahn  und 
lebete  dieser,  villeichl  auch  jenner,  vor  Homeri  Zeiten.'  s.  50 
wird  der  Juden  erwähnung  getan:  'als  die  ihren  Talmud  mit 
einer  guten  Anzahl  Romantischer  Fablen  verbrämt.'  s.  71: 
'Wer  Roman  list,  der  list  Lügen.  Anders  kan  er  daraus  nicht 
machen ,  da  wird  nun  ein  schlechtes  Contentement  herauss- 
kommen,  wann  ich  die  Gnad  habe,  bey  jeder  Romantischen 
Erzehlung  zu  gedenken:  Ey  dal  was  lese  ich  hier?  worüber 
verwundere,  lache,  traure,  seuffize  ich?  über  eines  andern  Traum 
und  Phantasien  I  über  Sachen,  die  niemahl  in  der  Welt  geschehen, 
und  mich  zum  Thoren  zu  machen  erdacht  seyn !  warum  lass  ich 
mir  einen  andern  träumen,  und  träume  mir  nicht  franco  selbst?' 
usw.  s.  75  wird  bemerkt,  dass  der  inhalt  der  legenden  'zuweil 
Romantisch  genung  aussehe',  'wie  also  in  Sl.  Jörgen  Legend 


226  KLEINE  MITTEILUNGEN 

die  Heydnische  Erzehlung  von  Perseo  und  Andromache  versleckt 
ist.'  s.  93:  TSeben  dem  dunkt  mich  bei  den  Romantischen 
Händlen  gar  nicht  Zeit  Discoursen  zu  führen,  wie  es  dann  auch 
die  alte  abgefäumte  mehrtheils  anstehen  lassen,  denn  da  hat  man 
einem  den  Kopf  mit  Fabelpossen  schon  verruckt,  dass  er  des 
ernsthaften  Philosophierens  so  wenig  verlangt,  als  ein  verschleckert 
Maul  des  Pfefferkohls:  Darum  überspringt  man  mehrtheils  alles 
solches,  und  verfolgt  die  Buhl-Histori  als  ein  losgebrochnes 
Windspiel.'  s.  112:  'Die  Poetische  Gedichte,  nehmlich  die  Ro- 
mantische .  .  .  seyens,  die  Oehl  zu  dem  Feuer  unsrer  Begierden 
schütten.'  s.  156:  'Wie  sich  aber  auf  eine  manierliche,  ehliche 
Liebes-Passion  die  Händel  und  Abgöttereyen  der  Romantischen 
Larven  schicken,  lass  ich  andere  urtheilen.'  s.  218:  'Was  der 
eitelen  Romantischen  Belustigung  am  richtigsten  entgegen- 
gesetzt werden  kan ,  nemlich  das  begirrliche  Lesen  des  Buchs 
der  Wahrheit  der  heiligen  Schrifft  ...  an  ihro  kan  man  haben 
die  süsseste  Lustbarkeit  .  .  .  wann  sonst  die  Romantische  und 
alle  andere  Zeitverlriebe  das  Gemüth  rechtschaffen  anstincken'  usw. 

Dass  das  wort  romantisch  viel  früher,  als  Heideggers  eben 
citiertes  buch  geschrieben  wurde,  nicht  im  gebrauche  gewesen 
sei,  scheint  folgender  umstand  wahrscheinlich  zu  machen. 

In  Genf  erschien  1695:  Neues  und  ausführliches  Dictionarium 
oder  Wörterbuch  In  dreyen  Sprachen :  als  Teutsch,  Frantzösisch 
und  Latein.  Anjetzo  in  dieser  letzteren  Edition  von  frischem  über- 
sehen, verbesseret  und  mit  den  im  Gebrauch  jüngst  aufgekom- 
menen auserlesensten  Wörteren,  wie  auch  zierlichsten  Redensarten, 
beydes  im  Frantzösischen  als  im  Teutschen,  merklich  vermehret. 
Zu  bequemstem  Gebrauch  deren,  so  obige  Sprachen  zu  erlehrnen 
verlangen,  eingerichtet.  Mit  römischer  kaiserl.  Majest.  Freyheit. 
Genf  In  Verlegung  Kramers  und  Peraschons.     Im  Jahr  1695.    8'^. 

In  diesem  wörterbuche,  auf  welches  mich  prof,  HBreitinger 
in  Zürich  aufmerksam  machte,  ist  s.  903  das  französische  ro- 
manesque  in  folgender  weise  widergegeben:  'Romanesque,  tenant 
du  roman,  fabelhafft,  romanisch,  fabulosus.'  das  französische 
romantique  aber  findet  sich  in  dem  genannten  wörterbuche  so 
wenig  wie  das  deutsche  romantisch,  bedenkt  mau,  dass  auch  in 
der  ersten  ausgäbe  des  Dictionuaire  de  l'acad^mie  francaise  von 
1694  das  wort  romantique  noch  nicht  erscheint,  dagegen  das 
englische  romantic  nach  Skeat  Etymol.  diction.  (grofse  ausgäbe) 
in  Philipps  New  world  of  words,  London  1706  als  neologismus 
vorkommt  —  auf  diese  tatsachen  macht  mich  ebenfalls  HBrei- 
tinger aufmerksam  — ,  so  scheint  in  der  tat  die  zeit  des  Über- 
gangs vom  17  zum  18  jh.  die  zeit  der  entstehung  des  hier  be- 
sprochenen Wortes  in  seinen  verschiedenen  formen  —  romantic, 
romantique,  romantisch  —  zu  sein. 

Bern   15.  x.  18SS.  Ludwig  Hirzel. 


AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RAUMER  227 


Aus    DEM    NACHLASSE    RUDOLFS    VON    RaUMER. 

Frau  Professorin  Marie  von  Raumer  zu  Regensburg  ver- 
stattete mir  gütigst  einsieht  in  eine  reihe  von  briefen,  lüelche  be- 
freundete gelehrte  an  ihren  verstorbenen  gemahl  gerichtet  hatten, 
mehrere  dieser  Zuschriften  schienen  mir  ein  dauerndes  und  objec- 
tives  interesse  zu  besitzen  und  namentlich  für  die  geschichte  der 
deutschen  philologie  wertvoll  zu  sein;  diese  bringe  ich  hier,  nach 
eingeholler  erlauhnis  der  frau  von  Raumer,  zum  abdruck.  den 
reigen  eröffnen  7  briefe  von  Jacob  Grimm  (nr  1  —  3  und  5  auf 
quartbogen) ;  ihnen  folgen  10  von  Wilhelm  Grimm  (darunter  nur 
einer,  nr  10,  in  quart);  den  schluss  bilden  ein  schreiben  Haupts, 
ivelches  auf  die  zeitweiligen  intentionen  des  ersten  herausgebers 
dieser  zs.  licht  wirft,  eines  von  Schneller,  endlich  aus  einem 
briefe  Müllenlioffs  der  passus,  welcher  über  den  1852  bestehenden 
plan  seiner  DA  aufschluss  gibt,  meine  erläuternden  noten  habe 
ich  begreiflicher  weise  auf  solche  beschränkt,  welche  für  das  Ver- 
ständnis unentbehrlich  waren.  St. 

1. 

Sie  werden  mir  böse  sein,  lieber  Raumer,  dafs  ich  Ihr  buch 
einen  ganzen  |  monat  laug  hier  behalten  habe;  die  folgen  der 
leidigen  grippe  |  halten  mich  in  allen  meinen  geschäften  und 
arbeiten  dergestalt  zurück-lgebracht,  vier  oder  fünf  examina  sich 
in  den  schlufs  des  Semesters  |  gedrängt,  soviel  andere  briefe 
waren  zu  beantworten  und  soviel  |  manuscript  meiner  syntax  in 
die  hungrige  druckerei  zu  liefern,  |  dafs  ich  beschlofs  erst  dann 
an  die  lesung  Ihres  buchs  zu  gehn,  |  wenn  ich  ruhig  zu  athem 
gekommen  wäre.  Hinterher  gereut  |  mich  dies  aufschieben,  denn 
ich  hätte  mich  dann  eher  j  gefreut  über  Ihre  gelungne,  trefliche 
arbeit,  ich  wünsche  |  Ihnen  glück  zu  solch  einem  anfang,  der 
noch  mehr  verspricht  |  und  verbürgt,  weil  er  schon  soviel  leistet. 
Sie  müssen  das  |  alles  gleich  drucken  lassen,  es  kommt  uns  recht 
gelegen;  ]  Sie  haben  meine  idee  von  der  lautverschiebung  glück- 
lich ergänzt  |  und  befestigt  durch  Ihre  nachweisung  über  die  bil- 
dung  der  |  aspiratae  und  besouders  über  diei  Stockung  der  laut- 
senkung,  sobald  ]  die  aspirata  ihren  wesenll.  character  aufgibt, 
d.  h.  die  vorschlagende  |  muta  verleugnet,  das  alles  ist  von  Ihnen 
zur  Überzeugung  ]  gebracht,  klar  und  besonnen  dargestellt,  die 
Untersuchung  |  wird  Ihnen  ehre  machen  und  unsern  Sprachstudien 
vortheil  |  bringen.  Auch  Ihre  beiläufige  ausführung  über  die 
sanskr.  |  palatalen  freut  mich,  obgleich  ich  nicht  weifs,  ob  Sie 
damit  |  (s.  2)  durchkommen  werden  (im  ind.  aiphabet  scheinen 
wenigstens  die  |  buchstaben  für  solche  Unterscheidungen  sehr  alt), 
*  über  die  über  ausgestrichenem  der. 


228  AUS  DEM  NACHLASSE  HUDOLFS  VON  RÄUMER 

aber  Sie  beseitigen  |  einwürfe,  die  daraus  wider  die  vergleichung 
der  deutschen  sprachen-jlaute  erwachsen  mit  vollem  recht,  das 
hochdeutsche  Z  |  habe  ich  mir  seit  lange  schon  als  Verderbnis 
des  TH  betrachtet  |  und  eingebildet,  es  müsse  zu  irgend  einer 
frühen  zeit  im  hochd.  |  die  asp.  phonetisch  so  rein  wie  im  goth. 
bestanden  haben.  |  Sie  nehmen  verschiedne  ausätze  zur  bildung 
der  asp.  an,  |  kurz,  nach  Ihrem  guten  gleichnis,  zwei  hinter- 
einander rollende  I  wagen,  während  ich  ihrer  dreie  laufen  lassen 
möchte.  |  Ich  gebe  Schwankungen  der  asp.  zu ,  behaupte  nur  der 
asp.  I  Staudesgleichheit  mit  den  beiden  andern  stufen.  Selt- 
sam |  ist,  dafs  einige  hochd.  dialecte  zwei  dentalasp.  TH  und 
Z  I  nebeneinander  erzeugen;  diese  verirrung  (wahrer  gegensatz 
zum  mangel  aller  dentalaspiration  |  im  heutigen  niederdeutsch.)  ^ 
sollte  §.  41  noch  mehr  |  hervorgehoben  werden,  treffend  ist  Ihre 
deduction,  dafs  |  das  goth  F  nicht  zu  hochd.  B  werden  konnte. 
Das  mhd.  |  K  =  KH  wird  noch  einwendungeu  leiden,  was  aber 
Ihrem  |  Ganzen  nichts  benimmt.  Auch  das  gleichnis  in  der  [  ein- 
leitung  von  dem  fortrauschenden  wasser  hat  mir  zugesagt.  |  noch 
einmal,  ich  danke  Ihnen  herzlich  für  die  Übersendung  |  des  MS. 
und  freue  mich  dessen  baldiger  erscheinung.  |  Am  schnellsten 
durchlaufen  muste  ich  Ihre  excurse  über  j  (s.  3)  lat.  und  griech. 
laute,  doch  sehe  ich  soviel,  dafs  Sie  die  sache  |  auch  hier  von 
der  rechten  seite  fassen. 

Ich  lasse  das  MS.  mit  der  fahrpost  zurückfolgen  und  |  packe 
Ihnen  Holzmanns  Isidor  bei,  dessen  ansieht  über  |  die  goth.  TH 
und  D  Sie  erwägen  mögen.  Die  arbeit  ist  |  scharfsinnig  und 
löblich.  Rapps  buch2  hingegen  lege  ich  nicht  )  bei,  um  Sie 
nicht  zu  irren;  es  enthält  mit  geist  und  geschick  |  angestellte 
Untersuchungen,  die  sich  nur  zu  sehr  in  der  physik  |  halten  und 
keine   rechte   grundlage  von  bewältigtem  sprach -[material  haben. 

An  Ihren  hern  vater  meine  angelegentliche  empfehlung] 
Wilhelm  läfst  ihn  und  Sie  von  ganzem  herzen  grüfsen,  |  weil  ich 
schreibe,  meint  er  dafs  es  diesmal  zugleich  für  |  ihn  gelten  solle. 
Dortchen  grüfst  ihrerseits,  die  drei  kinder  |  sind  wol  und  seit 
Ihrer  abreise  ein  ziemlich  stück  gewachsen. 

Mit  aufrichtiger  liebe  und  hocbachtung 

Göttingen  22  merz  Ihr  freund 

1837.  Jac.  Grimm 

von3  der  media,  als  dem  eigentl.  grundlaute  jedes  organs,  würde 
ich  die  lautverschiebung  |  ausgehn  lassen,  von  da  ist  ein  drang 
zur  ten.,  von  da  zur  asp.  der  lauf  hemmt  oder  verwirrt  sich,| 
seit  die  asp.  PH,  TH,  CH  in  F,  SZ,  HH  verdirbt,  d.  h.  sich  in 
manichfacher   modification   mit   aufgäbe   des  stummen   Clements  | 

1  die  eingeklammerten  worte  queer  am  rande  mit  veinoeisungs- 
zeichen.  ^  Versuch    einer  physiologie  der  spräche,   Stuttgart  und 

Tübingen  1836 /f.  ^  ^jq^  hier  ab  bis  übrig  ist  nachtrag  mit  kleinerer 

Schrift, 


AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VOi>   BAUMER  229 

den  Spiranten  V,  S,  H  nähert,  zwischen  diesen  Spiranten  und 
der  media,  nach  welcher  sich  die  asp.  von  neuem  |  drängt, 
scheinen  mir  alle  diese  modif.  zu  schweben  BH,  DH,  GH;  F, 
Z,  .  .;  mit  recht  bemerken  Sie,  wie  sich  die  engl.  |  spräche  ab- 
müht, ihr  TH  in  S  und  D  zu  zersetzen,  die  neugr.  ausspräche 
des  0  ist  sicher  nicht  die  genuine,  |  sondern  schon  mitteltinte. 
bei  dieser  fortschreitenden  mafslosen  Zersetzung  der  asp.  stehu 
dann  die  |  tenues  und  mediae  still,  und  die  mundart  hilfst  zu- 
letzt eine  stufe  ein,  ohne  compensation;  so  werden  |  die  Eng- 
länder am  ende  nur  D  und  T  haben,  wie  G  und  Di,  während 
ihnen  von  PH  noch  F  übrig  istp 

s.  1  queer   am   rande:    den   Holzmann    bitte    mir   gelegent- 
lich I  zurück  aus. 

s.  4  adresse:    Herrn  Rudolf  von  Raumer 

Candid.  philo!. 

Hochwolgeboren 

frei.  Erlangen. 


2. 


Cassel  17  aug.  1838. 


Mein  lieber  Rudolf, 
Sie  wissen  was  mich  gehindert  hat  Ihnen  zu  schreiben  und  für| 
Ihr  übersandtes  buch  noch  eimnal  zu  danken,  das  Sie  |  mir  frei- 
lich schon  vorher  im  manuscript  mitgetheilt  hatten  |  und  über 
das  Sie  mein  urtheil  wüsten.  Seit  december  |  ist  es  sogar  mit 
allen  meinen  übrigen  büchern  aus  meinen  |  bänden,  und  ich  be- 
spreche vielleicht  noch,  sobald  ich  es  |  wieder  lesen  kann,  eins 
und  das  andere  näher  mit  Ihnen. 

Unterdessen  hofte  ich  Sie  sogar  von  angesicht  wieder  |  zu 
sehn.  Ich  kam  ende  junis  nach  Erlangen ,  wo  ich  von  |  Ihren 
eitern  aufs  freundschaftlichste  empfangen  wurde,  |  und  den  kreis 
Ihrer  geschwister  einigermafsen  kennen  |  lernte.  Wie  leid  that 
uns  da  allen  gerade  Ihre  |  abwesenheit.  Desto  mehr  wurde  von 
Ihnen  gesprochen,  |  und  ich  habe  auch  aus  dem  munde  anderer 
leute  I  Ihr  lob  vernommen.  Möchten  Sie  nur  selbst  |  (s.  2)  voll 
mut  sein  und  vertrauen.  Ich  dächte  Sie  versuchtens  ein  jahr| 
oder  zwei  bei  einer  schule,  und  bereiteten  sich  so  vor  zum  aca- 
demischen  ]  lehramt.  Sie  haben  soviel  kenntnisse  und  anlagen 
dazu,  dafs  |  es  Ihnen  glücken  wird.  Man  erzählte  mir,  dafs  Sie 
mit  I  Ihrer  gesundheil  nicht  ganz  zufrieden  seien,  ohne  dafs  ]  Ihnen 
doch  etwas  bestimmtes  fehlte.  Lassen  Sie  Sich  nicht  |  von  blofsen 
einbildungen  heimsuchen,  und  erklären  Sie  ]  Sich  frisch  für  ge- 
sund und  rüstig,  so  wirds  desto  leichter  |  gelingen. 

•  verschrieben   für  C.  ^  darauf  zwei  Zeilen  durchgestrichen  : 

üb  Sie  dem  digamma  sein  recht  tliun,  steht  daliiii;  mir  ist  sein  wirklicher 
zus.hang  mit  |  F  unverwerflich,  da  sich  aus  (darauf  GG,  GU,  noch  mit 
senkrechten  strichen  durchgesti'ichen)  VV,  V,  F  ergibt,  doch  das  liegt 
Ihnen  bei  seite. 


230  AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RAUMER 

Bei  der  unsicherbeit  unseres  geschicks  haben  wir  beide,  | 
icb  und  Wilhelm,  eine  grofse  lang  aussehende  arbeit  |  unter- 
nommen, ein  ausführliches  deutsches  Wörterbuch  |  von  Luther 
bis  Göthe,  in  welches  der  ganze  volle  reichthum  |  unsrer  lebendigen 
spräche  eingetragen  werden  soll.  Die  |  arbeit  ist  schwer  und 
lang,  sie  kann  aber  lohnen,  und  |  ungeahntes  hervorbringen  und 
fesligeu.  Sie  denken  |  Sich  leicht,  dafs  wir  ein  solches  werk 
nicht  blol's  auf  |  unsre  schultern  allein  nehmen,  sondern  freudiger 
mit- 1  hülfe  bedürftig  sind.  Hätten  Sie  lust  dazu?  |  (s.  3)  Es  ist 
uns  schon  eine  reihe  tüchtiger  freunde  beigetreten,  die  es  über- | 
nehmen  einzelne  Schriftsteller  genau  zu  excerpieren,  das  |  ge- 
schäfl  sieht  dürrer  aus  als  es  ist.  man  kann  es  zu  )  jeder  stunde 
vornehmen ,  wo  man  zu  andern  dingen  unaufgelegt  |  ist.  z.  b. 
wenn  Sie  Klopstock ,  oder  Vofs  oder  Wieland  |  durchgehen 
möchten?  es  würde  auch  daraus  ein  angemessener  |  gewinn  her- 
vorgehn,  der  Verleger  erbietet  sich  alle  solche  |  auszüge  zu  hono- 
rieren. Schreiben  Sie  mir  gelegentlich  |  Ihre  meinung  dazu,  und 
ich  werde  dann  genaueres  über  die  |  einrichtung  der  excerpte 
mittheilen. 

Wilhelm  und  Dortchen  ziehen  michaelis  auch  hierher,  |  damit 
wir  wieder  vereint  seien,    alles  übrige  liegt  im  |  dunkel.    Sobald 
Sie  einen  brief  nach  Erlangen  schicken,  |  vergessen  Sie  nicht  Ihre 
eitern  von  mir   aufs  herzlichste  |  zu    grüfsen   und  meinen  dank 
für  Ihre  freundschaft  zu  |  wiederholen.    Ihr  freund  Jacob  Grimm. 
s.  4  adresse:    Herrn  Rudolf  von  Raumer 
Hochwohlgeboren 
zu 
Wernigerode 
frei.  bei  Hrn  Pastor  Radeke.  ^ 

3. 

Cassel  1  dec.  1838. 
Lieber  Raumer, 
die  antwort  auf  Ihren  herzlichen  brief,  der  uns  alle  gar  sehr! 
erfreut  hat,  wurde  hingehalten  durch  die  erwartung,  |  zögerung 
und  endliche  ausführung  des  Überzugs  der  meinigen  j  von  Göt- 
tingen hierher.  Jetzt  sind  wir  wieder  vereint,  im  |  hause  sogar 
des  casseler  bruders,  enger  zusammen  als  |  lange  vorher,  und 
desto  froher  darüber ,  in  getroster  |  erwartung  aller  weiteren  be- 
schlösse der  Zukunft  über  uns.  |  Wilhelm  und  Dortchen  grüfsen 
Sie  und  auch  die  knaben  ]  sind  Ihrer  noch  eingedenk,  ich  füge 
meinem  grufse  noch  |  die  treusten  hinzu  an  Ihre  eitern. 

Wir  zweifelten  nicht  daran,  dafs  Sie  uns  gern  bei  |  unserm 
neuen  unternehmen  beistehn  würden.    Göthe  |  und  Lessing  sind 
schon  in  bänden  andrer,  und  auch  j  Klopstock  wird  von  From- 
mann  in    Coburg   ausgezogen.  |  Wenn   Sie   daher   Justus  Moser, 
*  onkel  vRaumers,  vei-mählt  seit  1S26  ?nit  Sophie  Reichardt  f  1837. 


AUS  DEM  ^ACHLASSE  RUDOLFS  VOiN  KAUMER  231 

Hamann  und  vielleicht  |  noch  Herder  durchgehn  wollen  wäre  es 
uns  erwünscht.  |  Der  letzte  schrit'lsleller  scheint  mir  fürs  Wörter- 
buch, wie  I  manche  andere  seiner  zeit  unergiebiger,  lälst  sich 
also  I  (s.  2)  auch  schneller  ausziehen;  er  hat  weniger  den  deut- 
schen I  wortvorrath  in  seiner  gewalt,  als  die  gäbe,  sich  mit 
wolge-|iälligen  oder  ihm  neu  gelungnen  Zusammensetzungen  zu| 
behellen,  er  ist  durchgehends  geschmackvoll,  aber  weil  ärmer | 
als  z.  b.  Lessing,  der  die  spräche  völlig  beherscht. 

Sie  haben  für  die  auszüge  das  ganze  nächste  jähr  |  zeit; 
vor  1840  kann  die  redaction  nicht  ernstlich  beginnen.  |  für 
Herder  dient  Cotlas,  für  Moser  die^  Nicolaische  ausgäbe,  |  für 
Hamann  die  von  Roth.  Die^  einzelnen  Wörter  kommen  j  auf 
sedezblätlchen ,  nach  beigehendem  musler;  aus  dem  |  excerpt 
mufs  die  ganze  phrase,  ohne  dafs  weiter  nachge-|schlagen  werde, 
erhellen,  das  eilst  wird  aber  doch  bei-|gefügl.  Es  liegt  natür- 
lich mehr  an  allen  kräftigen  |  wurzeln  und  redensarten ,  als  an 
derivalis  und  com-jpositis,  nur  wo  diese  frisch  und  glücklich 
geschöpft  sind,  |  verdienen  sie  rücksicht.  im  zweifei  wird  ein 
Wort  1  eher  excerpiert  als  ausgelassen. 

Die  verlagshaudluug  wird  die  auszüge  anständig  |  (s.  3) 
honorieren;  der  mafsstab  dazu  ist  noch  nicht  recht  ausgefunden. 

Was  ich  übrigens  noch  zu  antworten  und  zu  |  schreiben 
hätte  mufs  diesmal  verschoben  bleiben. 

Mit  aufrichtiger  hochachlung  und  liebe 
Ihr 

Jac.  Grimm 
adresse  s.  4:    Herrn  Rudolf  von  Raumer 


Erlangen. 


4. 


Cassel  15  merz  1840 


Lieber  freund, 
für  zwei  briefe  und  Zusendungen  von  Ihnen  |  habe  ich  zu  danken, 
die  mir  beide  |  willkommen  und  erfreulich  waren.  Besonders  | 
hat  mich  Ihr  Servius  Tullius^  überrascht;  die  |  Untersuchung 
scheint  mir  so  scharfsinnig  und  |  bündig,  dafs  sie  ihnen  grofse 
ehre  macht  |  und  ich  hoffe  den  weg  zu  einer  erwünschten  |  au- 
stellung  bahnen  wird.  Gut  dafs  Sie  |  sich  das  herz  fafsten,  auch 
noch  dies  zweite  |  probestück  abzulegen ;  melden  Sie  uns  |  bald 
Ihre  aussiebten ,  die  vielleicht  schon  |  nahe  gerückt  sind ,  wir 
nehmen  an  allem  |  was  Ihnen  begegnen  wird  herzlichsten  theil. 
Ihre  mühsamen  beitrage  zum  |  Wörterbuch  sind  soweit  ich 
nacbsehn  konnte  |  (denn  von  allenthalben  strömen  jetzt  |  haufen- 

*  die  über  der  zeile  nachgetragen.  ^  von  hier  ab  vielfach  wört- 

liche Übereinstimmung  mit  dem  briefe    an  Vilmar  vom  gleichen  datum 
bei  Stengel  1,  301.  ^  vRaumers  doctordissertation:    De  Servil   Tullii 

ce?isu,   1840. 


232  AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RAUMER 

weise  zettel  ein)  volikommeD  |  angemessen  und  brauchbar.  Der 
Verleger  |  (s.  2)  wird  nicht  unterlassen  Ihnen  das  schuldige] 
honorar  dafür  zu  übermachen,  sobald  |  er  dazu  gelangt  ist,  den 
mafsstab  aur-|zufinden,  nach  welchem  er  seine  Zahlungen  |  ein- 
richten soll.     Es  müssen  zuvor  |  mehrere  puncte   ermittelt  sein. 

Höfers  buchi  liegt  von  mir  noch  un-|gelesen;  ich  hebe  mir 
es  bis  dahin  auf,  |  wo  ich  zur  lautverschiebung  vorgerückt  |  sein 
werde,  es  geht  mit  dem  ausarbeiten  |  der  neuen  ausgäbe  langsam, 
weil  noch  |  einige  andere  bücher  dazwischen  besorgt  |  werden 
müssen.  Ich  glaube  nicht,  dafs  |  ich  viel  von  meinem  boden  zu 
weichen  j  brauche;  auch  durch  Graffs  anbohrungen,  |  der  wenig 
beruf  zu  durchdringender  |  darstellung  hat,  lasse  ich  mich  wenig] 
fs.  3)  anfechten.  Meine  bahnen  ziehen  sich  |  eher  eng  als  weit; 
die  schranke  der  )  warmen  heimat  sagt  mir  mehr  zu  ]  als  die 
aushreitung  in  fremde  sprachge-Jbiete,  wo  die  schritte  leicht  ge- 
fährliche ]  Unsicherheit  annehmen. 

O.Müller  hat  diesen-  winter  Italien  j  durchzogen,  wolgemut 
und  glücklich  ]  dem  Göttinger  Jammer  eine  Zeitlang  ]  entronnen 
zu  sein  (kürzlich  hat  die  ]  Universität  ihre  letzte  ehre  zu  grabe] 
gelragen s);  nun  reist  er  noch  nach  )  Griechenland.  Wie  ist  wol 
Döderlein  ]  mit  seinem  Festus  zufrieden  ?  Grüfsen  ]  Sie  mir 
diesen  freund;  vor  allem  ]  aber  beide  Ihre  guten  eitern. 

Wir  gedenken  Ihrer. 

Jacob  Grimm. 
die  adresse  auf  dem  Umschlag  lautet:    Sr.  Hochwolgeboren 
Herrn  D"".  Rudolf  von  Raumer 
fr.  Erlangen. 

5. 

Lieber  Raumer, 
Sie  haben  uns  hintereinander  zwei  frohe  nachrichten  gemeldet, 
die,  wie  ich  ]  nun  höre,  innerlich  genau  zusammenhängen,  der 
himmel  wird  ]  Ihnen,  nach  so  langem  harren  lohnend,  ferner 
beistehen ;  ich  und  ]  wir  alle  wünschen  Ihnen  zu  der  stelle  und 
der  braut  herzlich  ]  glück.  Dafs  Sie  jetzt  geschichte  lehren  freut 
mich,  gelernt  ]  haben  Sie  sie  schon  lange,  aber  freilich  aus  lernt 
sie  keiner.  |  neulich  habe  ich  in  einer  acad.  Vorlesung*,  die  ich 
Ihnen  senden  will,  ]  wieder  einen  versuch  gemacht,  unsre  aller- 
älteste  geschichte  auszu-Jdehnen;  schreiben  Sie  mir  was  Sie  dazu 
meinen.  Was  Wailz  ]  und  Sybel  betrift,  neige  ich  mich  mehr 
zu  ersterem;  Sybel  ist  ein  j  mann  von  geist,  trägt  aber  seine 
ansieht  in  die  geschichte,  während  ]  mir  es  natürlich  ist,  aus 
der  geschichte  ansichten  zu  gewinnen,  mögen  ]  sie  sein  weiche 
sie  wollen. 

^  Beiträge  zia'  etymologie  und  vgl.  grainm.  der  liauptsprachen  des 
indogerm.  stummes  i,  1839.  ^  diesen  corr.  aus  diesem.  ^  vgl. 

den  Briefwechsel  zwischen  Dahlmami,  Grimm  und  Gervinus  1,381. 
*   Lber  lornandes  und  die  Gelen  (gelesen  am  5  viärz  1 846). 


AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RAUMER  233 

Grüfsen  Sie  mir  Ihre  eitern  und  auch  schon  unbekannter 
weise  |  die  braut.  Scbmidtieiü^  habe  ich  gar  nicht  zu  gesiebt 
bekommen,  |  wahrscheinlich  geschieht  es  bei  seiner  nächsten  an- 
wesenheit. 

Unabänderlich  Ihnen  zugethan 
Berlin  auf  den  ersten  Ihr  Jacob  Grimm 

ptingsttag2  1S46. 
adiesse  s.  4:    Herrn  Professor  Rudolf  v.  Raumer 
fr.  Erlangen.  3 

6. 

Berlin  15  juIi  1850. 
Mein  lieber  guter  Raumer, 
ich  habe  Ihnen  lange  nicht  geschrieben,  Ihre  briefe  und  |  Zu- 
sendungen beweisen  mir,  dafs  Sie  mit  alter  |  liebe  an  uns  hängen, 
ich  danke  Ihnen  herzlich  |  für  alles,  die  zeit  ist  trüber  als  je; 
möge  I  der  himmel  in  diesen  wochen  den  Schleswigern  (  sieg 
verleihen  und  seine  band  halten  über  |  Ihrem  bruder  Hans. 

Von  meinen  arbeiten  ist  weniger  als  sonst  |  zu  melden ,  doch 
habe  ich  in  einer*  |  vorrede  zu  Merkels  lex  salica ,  die  bald  |  er- 
scheinen wird ,  ausführlicher  dargelhan ,  was  |  schon  mein  auslauf 
über  die  malberg.  gl.  |  in  der  geschichte  der  deutschen  spräche] 
behauptet  hat,  so  wenig  aufmerksamkeit  |  es  auf  sich  zog.  Jetzt 
werden  philologen  |  wie  Juristen  schon  näher  dazu  müssen.  | 
(s.  2)  da  ich  als  blofser  Vorredner  nur  wenige  exemplare  |  be- 
komme ,  kann  ich  Ihnen  keins  zusenden  |  und  mufs  Sie  auf  eine 
andre  gegengabe  |  vertrösten. 

Meines  bruders  söhne,  Hermann  und  |  Ihr  genanne,  studieren 
wacker  fort  und  |  sind  brave  laute.  Grüfsen  Sie  mir  |  alle  die 
Ihrigen  von  herzen,  ich  verbleibe 

Ihr  treuer  freund 
Jacob  Grimm 
adresse  s.  4:    Herrn  Professor  Rudolf  von  Raumer 
fr.  Erlangen 

7. 
Lieber  Raumer, 
herzlichen  dank  für  Ihren  Unterricht  im  deutschen.  |  da  Sie  so 
grosze  mühe  auf  diese  schrift  gewendet  |  hatten ,  zweifle  ich  nicht, 
sie  würde  noch  bedeutender  |  gerathen  sein,  hätte  Sie  der  plan 
Ihres  vaters  |  nicht  in  schranken  geengt,  dann  wäre  Ihre  cha- 
racte-|ristik  der  älteren  grammatiker  ausführlicher  geworden  |.& 
Der   abschnitt    über   uns   lautet  allzu   günstig,  |  ihn    entschuldigt 

1  EJvSchmidtlein(\198—\Slb),  prof.jur.  in  Erlangen  von  1834— 1S70. 
^  31  ma/.  ^  hinter   diesen  brief  gehört   die  nachschrift  Jacobs 

zu  fFilhelms  brief  unten  nr  11.  ^  rfaraw/'ausführlichen  durchgestrichen 

5  vor  dem  punct  ist  sein  durchgestochen. 
A.  F.  D.  A.    XV.  16 


234  AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RAUMER 

aber,  dasz  Sie  die  alte  ueigung  |  zu  uds  nicht  mehr  los  vverdeo, 
sondern  treu  fort- 1  hegen,  vielleicht  hättet  p.  77  statt  meiner 
rechtsalt.  |  und  mythologie  die  geschichte  der  deutschen  ]  spräche 
erwähnung  verdient,  welche  doch  die  vvichtig-jsten  Seiten  unseres 
spraclialterthums  abhandelt.  |  Sie  sind  diesem  buch  nicht  zugethan, 
und  ich  |  halte  es  gerade  für  das  beste  von  allen  die  |  ich  ge- 
schrieben habe,  nur^  bedürfte  es  |  einer  neuen  abklärenden  auf- 
läge, weil  es  I  in  der  that  allzuschnell  aufs  papier  gebracht] 
wurde. 

(s.  2)  Zur  gegengabe  empfangen  Sie  hierbei  vier  |  acade- 
mische  abhandlungen ;  sollte  ihnen  |  eine  derselben  schon  früher 
zugekommen  |  sein,  so  bitte  ich  um  deren  gelegentliche  |  rück- 
gabe,  weil  ich  oft  von  andern  darum  1  angegangen  werde. 

Die  beilage  an  Steub  bitte  ich  nach  |  München  abgehn 
zu  lassen. 

Nun  noch  freundlichsten  grufz 
von  Ihrem 

Jacob  Grimm 

ß.   11  juni  1852. 


Cassel  31  August  1840. 

Mit  den  herzHchsten  grüfsen  sende  ich  Ihnen,  lieber  freund,  | 
die  goldene  schmiede:  es  ist  kein  gedieht,  das  besondern |  poeti- 
schen werth  hätte,  aber  es  verdient  aus  andern  |  gründen  auf- 
merksamkeit,  und  da  ich  wünsche  dafs  Sie,  |  wenn  es  Ihnen 
überhaupt  die  Verhältnisse  erlauben,  |  fernerhin  an  der  altdeut- 
schen literatur  antheil  nehmen,  |  in  der  Sie  mit  glücklichem  er- 
folge arbeiten  würden,  so  |  sehen  Sie  diese  Zusendung  als  eine 
einladung  dazu  an.  |  was  Sie  geschrieben  haben  hat  mir  sehr 
wolgefallen:  |  es  ist  scharfsinnig  und  dabei  anmutig  ausgedruckt,  | 
und  was  ich  zuerst  hätte  sagen  sollen ,  mit  liebe  gearbeitet,  | 
ohne  welche  man  auch  in  der  Wissenschaft  nichts  |  dauerndes  und 
lebendiges  hervorbringt. 

Bei  uns  ist  es  dieses  jähr  befser  ergangen  als  das  |  vorige: 
ohne  dafs  eine  schwere^  krankheit  uns  I  heimgesucht  hätte,  meine 
frau  ist  zwar  noch  leidend,  |  es  kommen  aber  dazwischen  auch 
befsere  und  gute  Zeiten.  |  Seit  einigen  wochen  ist  sie  auf  dem 
lande  mit  zwei  |  kindern ,  sich  in  der  frischen  luft  zu  stärken; 
ich  werde  |  sie  in  diesen  tagen  abholen. 

Müllers  tod*  hat  uns  heftig  erschreckt  und  bewegt.  |  das  ist 
ein  grol'ser  verlust  nach  allen  Seiten,  zwar  der  |  (s.  2)  Univer- 
sität, die  keine  sittliche  grundlage  mehr  hat,  |  hätte  auch  er  nicht 
aufhelfen  können ,  aber  er  war  |  den  wolgesinnten  dort  trost  und 

'  schaint  aus  hätten  corrigiert.  -  davor  nur  odej'  mir  durch- 

gestrichen. 3  davor  sw  durchgestrichen.  ^    f  1  aug.  1840. 


AUS  DEM  .NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RAUMER  235 

Stutze,      das    verderben  |  kommt    gewöhulich    mit    macht.     Gott 
wird  es  auch  |  zum  besten  zu  lenken  vvifsen. 

Grüfsen  Sie  Ihre  lieben  eitern,  und  denken  |  Sie  alle  mit 
theilnahme  und  freundschaft  an  uns 

von  herzen  der  Ihrige 

Wilh.  Grimm. 

9. 

Berlin  24  Januar  1844. 

Sie  haben,  liebster  Ireund,  lange  nichts  von  mir  gehört, 
aber  ich  brauche  1  nicht  zu  versichern  dafs  ich  Ihnen  und  Ihren 
eitern  die  herzlichste  gesinnung  |  bewahre,  und  an  allem,  was  Sie 
betrifft,  warmen  antheil  nehme,  wie  |  habe  ich  gewünscht  dafs 
Ihre  Stellung  fest  und  gesichert  sein  möge,  und  |  manchmal  die 
ert'üllung  dieses  Wunsches  nahe  geglaubt,  wenn  sie  aus-|geblieben 
ist,  so  kann  ich  nur  die  erfahrung  anführen,  die  ich  in  meinem | 
eigenen  leben  gemacht  habe,  was  ich,  ohne  unbescheiden  zu 
sein,  erwarten  |  durfte,  was  in  dem  einfachen  gang  der  dinge 
natürlich  schien,  ich  erinnere  |  mich  nicht  das  (sie)  es  geschehen 
wäre ,  aber  auch  das  glückliche  und  günstige  |  klopfte  unerwartet, 
wie  ein  freund  aus  der  ferne,  an  die  thüre. 

Mit*  den  folgen  meiner  krankheit  habe  ich  mich  noch  den 
ganzen  |  sommer  1842  herumschlagen  müfsen ,  erst  im  herbst 
kamen  die  kräfte  |  wieder  zurück:  mit  den  Vorlesungen,  die  ich 
in  dem  winlerhalbenjahr  wieder  |  begann,  gieng  es  über  erwarten 
gut,  ja  ich  fühlte  mich  dadurch  gestärkt.  |  aber  nun  kränkelte 
Jacob,  und  sein  zustand  verschlimmerte  sich,  so  dafs  |  er  den 
sommer  aussetzen  und  die  von  allen  seiten  angeratene  reise  |  nach 
Italien  übernehmen  mufste.  ende  october  kam  er  wieder  zurück,  | 
sichtbar  gestärkt  und,  wie  uns  schien,  ganz  hergestellt,  doch 
hat  die  ]  tückische  Witterung  dieses  winters  ihm  wieder  einige, 
hoffentlich-  |  vorübergehende  ruckfälle  zugezogen,  die  ihn  indessen 
nicht  von  seinen  |  Vorlesungen  abgehalten  haben,  bei  meiner 
frau  wechseln  gute  und  |  schlimme  tage;  sie  ist  zufrieden  wenn 
jene  die  überhand  behalten. 

(s.  2)  Hierbei  übersende  ich  Ihnen  die  Umarbeitung  des 
grafen  Rudolf,  den  Sie  |  schon  als  einen  namensvetter  gut  auf- 
nehmen müfsen;  ich  bin  durchs  |  die  entdeckung  weiterer  bruch- 
stücke  dazu  veranlafst  worden,  und  es  |  war  die  erste  ordent- 
liche arbeit,  die  ich  nach  der  krankheit  wieder  vor-|nehmen 
konnte.  Schon  längst  fertig,  ist  sie  durch  den  langsamen,  etwas | 
mühsamen  druck  verzögert  worden,  das  gedieht  ist  wol  der 
mühe  I  werth,    die  ich  daran  gewendet  habe,  und  sollte  ich  es^ 

*  wesentlich  dasselbe,  was  nun  folgt,  aber  minder  ausführlich,  schrieb 
WGrimm  unter  dem  gleichen  datum  an  Frommann,  siehe  Germ.  12,  371 /i 

2  davor  doch  durchgestrichen.  ^  davor  zu  durchgestrichen. 

^  es  über  durchgestrichenem  sie. 

16* 


236  AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RAUMER 

auch,  wie  das  so  j  geht,   etwas  überschätzen,  so  bleibt  es  doch 
merkwürdig  und  in  mancher  |  beziehung  einzig. 

Ich  lese  diesen  winter  über  Erek,  und^  habe  der  erklärung 
eine  aus-|fUhrliche  einleitung  über  den  Artuskreifs  vorangehen 
lafsen.  mir  macht  |  die  Vorlesung  grofses  vergnügen,  die  sage 
an  sich,  deren  grundgedanken  |  Hartmanu  nicht  verstand,  ist 
schön,  vielleicht  die  schönste  in  dem  ganzen  |  kreifs;  Gervinus 
hat  ihr  unrecht  gethau.  aber  auch  Hartmanns  1  darstellung  hat 
hier2  eine  jugendliche  frische  und  anmut,  die  seine  anderen  | 
werke,  wenn  auch  ausgebildeter,  nicht  besitzen,  wenigstens  nicht 
in  I  diesem  grad.  die  deutsche  alterthumswissenschafts  hat  hier 
fortgang,  wie,  scheint  es  mir ,  |  überhaupt  in  Deutschland,  [unter 
den  Zuhörern  finden  sich  immer  einige,  |  die  eifer  und  fleifs 
zeigen,  ich  habe  bemerkt  dafs  die  meisten  aus  |  Süddeutschland 
gekommen  sind,  erkennen  die  jungen  leute  was  gesund  |  und 
tüchtig  in  jener  zeit  war,  so  sind  sie  im  stand  die  gegenwart 
befser  |  zu  begreifen,  und  zu  unterscheiden  was  echt  und  was 
holes  geschrei  ist:  |  auch  auf  die  spräche,  die  so  arg  mishandeh 
wird,  hoffe  ich  einen  |  guten  eiuflufs;  ich  habe  auch  diesen 
punct  ihnen  neulich  ans  herz  |  gelegt.  Sie  haben  in  Ihrem  brief 
vom  Juli  1841  manches  bemerkt,  |  dem  ich  beistimme,  die  weit, 
die  man  obenhin  die  gebildete  nennt,  [  (s.  3)  ist  zerfahren ,  und 
in  gesinnungslosigkeit  und  Selbstsucht,  oder  in  |  parteiwesen  ge- 
theilt.  dagegen  kann  nur  die  Wissenschaft,  die  |  wahre  und 
lebendige,  helfen,  sie  kann  es  möglich  machen^  die  |  äufsere  (sie) 
geschicke,  die  gott  sendet,  würdig  zu  betrachten,  und  würdig 
darauf^  j  einzuwirken,  immer  aber  dürfen  wir  uns  freuen  dafs 
in  dem^  ganzen  |  deutschen  volk,  mehr  als  in  einem  andern, 
noch  der  trieb  zum  befsern"  |  ruht,  und  es  nicht,  wie  andere, 
abgenutzt  und  ausgehölt  ist:  das  |  gefühl  des  Zusammenhangs  und 
des  gemeinsamen  ist  lebendiger  |  als  je. 

Leben  Sie  wol,  liebster  freund,  und  sein  Sie  und  Ihre  liebe 
eitern  1  mit  alter  herzlicher  gesinnung  gegrüfst 

Ihr 

Wilhelm  Grimm. 

mif  dem  cotwert  die  adresse:    herrn  D^  Rudolf  v.  Raumer 

nebst  einem  exemplar  von 

graf  Rudolf       Erlangen. 

10. 
Lieber   freund,    mein   bruder   hat  Ihnen  vorläufig   meinen    dank 
für  das  schöne  geschenk ,  das  Sie  mir  mit  |  Ihrem  buch  gemacht 

*  und  über  durchgestrichenem  ich.  ^  hier  über  der  zeile  nach- 

getragen. 2  die  deutsche  alterthumswissenschaft  über  ausgestrichenem 

dieses  Studium.  '•  nach  machen    komma  getilgt.  ^  darauf  aw/ 

zeilenschluss  nachgetragen.  ^  in  dem  über  ausgestrichenem  das. 

''  davor  grofsen  durchgestrichen. 


AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RAUMEP.  237 

haben ,  ausgedrückt: ^  ich  selbst  habe  es  ooch  nicht  gethao  weil 
ich  es  zuvor  |  ruhig  durchlesen  wollte,  uud  dazu  bin  ich  erst 
jetzt  gelangt,  ich  habe  mich  an  der  liebe,  mit  der  |  es  ge- 
schrieben ist,  uud  an  dem  religiösen  sinn,  der  seine  grundlage 
ausmacht,  herzlich  gefreut:  dann  war  |  die  gründliche  behand- 
lung  und  der  klare  und  reine  ausdruck  zu  rühmen,  soll  ich  es 
sagen ,  so  waren  |  mir  die  geschichtlichen  belrachtungen  am 
liebsten,  die  ein  zeugnis  von  Ihrem  beruf  in  diesem  fache  ab- 
legen: I  wie  gut  haben  Sie  die  kirche  in  so  manchen  erscheinungen 
gerechtfertigt,  die  dem  oberflächlichen  sinn  |  tadelnswerth  er- 
scheinen, und  doch  aus  ihrer  eigenthümlichen  natur  und  Stel- 
lung hervorgegangen  sind.  1  diese  erkenntnis  des  echten 2  zwischen 
dem  falschen  und  schlechten,  das  sich  nach  und  nach  eindrängt,! 
scheint  mir  die  hauptaufgabe  der  geschichte.  dafs  der  geist  des 
christenthums  die  seele  und  also  |  auch  die  spräche  des  menschen 
durchdrang,  war  der  wichtigste  einflufs,  aber  diese  Wahrheit  ver- 
steht sich  I  von  selbst:  auf  den  Organismus  der  spräche  hat  das 
christenthum  nicht  eingewirkt  und  konnte  es  nicht.  |  freilich  be- 
steht darin  für  mich  ihre^  geschichtliche  entwicklung,  aber  ab- 
gesehen davon,  dafs  eine  zusammen-|stelluog  dessen,  was  der 
Sprachschatz  gewonnen  hat,  die  forschung  fördert  (man  würde 
ebenso  den  einflufs  (  z.  b.  des  ritterthums  behandeln  können),  so 
überzeugt  sie  auch  dafs  der  gewinn  bedeutender  ist  als  |  man 
sich  vielleicht  vorgestellt  hat.  die  beschränkung  auf  das  alt- 
hochdeutsche hat  vortheil  und  nachtheil  |  mit  sich  geführt:  das 
buch  würde  schwerlich  sonst  einen  so  reinlichen  abschlufs  er- 
halten haben,  für  das  |  mittelalter  habe  ich  mir  in  der  ein- 
leituug  zu  der  goldenen  schmiede  eine  verwandte  aufgäbe  ge- 
setzt, I  wo  ich  den  einflufs  des  christenthums  auf  die  bilder- 
sprache  der  poesie  darzustellen  gesucht  habe:  man  |  könnte  ihn 
insoweit  innerlicher  nennen  als  zugleich  die  seele  des  menschen 
durch  das  bild  angeregt  |  und  bewegt  wird,  während  ein  neu  ein- 
geführtes wort  unverstanden  bleiben  kann,  auch  wenn  es  aus- 
gesprochen I  wird,  ich  sende  Ihnen  als  kleines  gegengeschenk 
eine  abhandlung  über  den  Ursprung  der  Christusbilder ,  |  (s.  2) 
die  nur  in  wenigen  exemplaren  bekannt  geworden  ist;  da  sie 
den  einflufs  des  christenthums  auf  die  kunst  |  behandelt,  so  wird 
sie  auf  theilnahme  bei  Ihnen  rechnen  dürfen. 

Einen  einzelnen  punct  will  ich  doch  berühren,  wenn  Sie 
die  Schriftsprache  unmittelbar  und  allein  |  aus  den  volksmund- 
arten  hervor  gehen  lassen ,  so  begreift  man  nicht  woher  jene  zu 
dem  richtigen  gefühl  |  des  feingegliederten  lebens  der  spräche 
gelangt  wäre,  das  den  rohen  volksmundarten  fremd  ist.  die| 
ältesten  runensteine,  von  gemeinen  arbeitern  eingehauen,  sind 
meist  in   den    stumpfsten   sprachformen  |  abgefafst.     sollten    die 

*  dieser  brief  lag  mir  nicht  vor.  ^  darauf  komma   und   das 

sich  durchgestrichen.  ^  ihre  über  ausgestrichenem  die. 


238  AUS  DEM  iNACHLASSE  RUDOLI  !?  VON  BAUMER 

gemeioeu  Gotheu  gesprochen  haheu  wie  Ulfilas?  ich  glaube  nicht, 
dürfte  man  |  nicht  annehmen  dafs  zu  allen  Zeiten  ein  gegensatz 
bestanden  habe  zwischen  der  spräche  des  gemeinen  |  Volkes  und 
der  höher  stehenden,  des  adels,  der  priester?  nur  diese  allein i 
verstanden  sich  auf  die  schrift  und  |  gebrauchten  die  ihnen  eigene 
spräche,  aber  wie  hätten  sie  auf  den  gedanken  kommen  können 
eine  |  läuteruiig  der  Volkssprache  vorzunehmen  und  wer  hätte 
ihnen  die  grundsätze  dafür  angeben  können  ?  |  Übergänge'^  und 
verschiedene  färbungen  mufs  man  uatürHch  finden. 

Es  wäre  mir  recht  gewesen  wenn  Sie  bei  erörterung  dei 
taufe  etwas  näheres  über  die  Exhortatio  |  gesagt  hätten :  meine 
Vorlesung  bezog  sich  blofs  auf  die  spräche  und  einen  bessern  text. 

\Venu  Sie,  nachdem  das  buch  vor  Ihnen  lag,  wufsten  wo 
dies  oder  jenes  besser  wäre  zu  machen  gewesen,  |  und  eine  art 
Unzufriedenheit  darüber  empfanden ,  so  begegnete  Ihnen  doch 
nur  was  jedem  rechtlichen  forscher  |  begegnet,  das  gefühl  dessen, 
was  darin  gelungen  ist,  und  das  man  ehrlicher  weise  auch  haben 
soll,  wird  I  sich  hernach  zu  rechter  zeit  schon  einstellen  und 
damit  auch  die  freude  daran;  und  an  dieses  gefühl,  glaube  |  ich, 
darf  man  sich  halten,  darum  will  ich  auch  lieber  an  den  morgen 
als  den  abend  des  tags  glauben,  |  und  wenn  wir  auch  dinge 
hören  müssen,  die  uns  duz  (sie)  herz  zerschneiden,  doch  holfeu 
dafs  die  sonne  durchdringt.  |  mir  macht  das  deutsche  volk  nicht 
den  eindruck  als  müsse  es  in  alterschwäche  zusammensinken ; 
es  ist  I  noch  etwas  jugendliches  oder  männliches  in  ihm.  steckten 
nicht  die  meisten,  auch  bessere,  in  den  holzschuhen  |  der  partei, 
so  würde  der  schritt  schon  leichler  und  freier  sein. 

Ich  habe  in  den  letzten  jähren  über  die  gesundheit  der 
meinigen  sorge  genug  gehabt;  seit  einiger  zeit  |  verziehen  sich 
die  wölken  ein  wenig,  das  befinden  meines  bruders  und  meiner 
kinder,  die  mit  gutem  |  erfolg  ein  Seebad  gebraucht  haben,  ist 
besser  geworden,  meine  frau,  bei  welcher  sich  diesen  winter 
eine  |  (s.  3)  herzkrankheit  entwickelte,  die  mich  oft  ängstigte,  ist 
im  anfang  Juli  mit  meinem  töchterchen  aufs  land  nach  Hessen  | 
gegangen,  um  eine  milchcur  zu  gebrauchen,  anfangs  kamen 
auch  dort  anfalle,  doch  die  letzten  nachrichten  j  lauten  günstiger. 
in  diesem  augenblick  ist  sie  in  Göltingen,  bei  der  wittwe  Otlrieds 
Müller,  einer  treuen  freundin;  |  was  für  verschiedenartige  erin- 
nerungen  werden  da  auftauchen  I  ende  dieser  woche  hoffe  ich 
sie  wieder^  bei  [  uns  zu  sehen,  sie  will  über  Hannover  gehen 
um  auch  dort  alle  freunde  wieder  zu  sehen,  doch  nicht  um  in| 
das  antlitz  von  Ernst  August  zu  schauen. 

Grüfsen  Sie  Ihre  liebe  eitern  herzlich ,  von  denen  mir  Ihre 
tante  Alberti*  erzählt  hat:  wie  gerne  |  möchte  ich  nach  so  langen 

>  allein  über  der  zeile  nacligetrageii.  -  davor  cmsatz  von  und(?) 

durchgeslriclien.  ^  danach  auf  durchgestriclieii.  ^  geh.  ober- 

finanzrätin  Alberti ,  geb.  Hensler,  vgl.  Schletterer,  JFReickardt  1,337. 


AUS  DEM  ^ACHLASS£  RUDOLFS  V0^  BAUMER  239 

Jahren  ^vieder  unter  ihnen   sein,   doch  die  eisenbahnen  rücken 
uns  immer  |  näher   zusammen,   und  es  wird  ja  wohl  ein  herbst 
wieder  liommen,  wo  ich  in  ruhe,  ohne  sorgen  um  \  die  meiuigen 
reisen  kann;  seit  1841  habe  ich  Berhn  nicht  verlassen. 
Ihr  treuer  freund 
Berlin  25°  August  1845.  Wilhelm  Grimm. 

11. 
Lieber  freund, 
ich  wünsche  Ihnen  glück  zu  Ihrem  töchterchen^:  ich  weifs  welche  | 
freude  man  an  dem  ersten  kind  hat,  sie  ist  ganz  besonderer  art. i 
liebe  und  freude  an  den  kindero  dauert  fort,  wenn  sie  auchj 
hernach  eine  andere  gestalt  annimmt,  ich  fühle  das  jetzt  nach- 
dem 1  meine  tochter,  die  jüngste,  voriges  jähr  eingesegnet  ist 
und  die  ]  beiden  söhne  die  Universität  bezogen  haben;  ich  danke 
gott  I  dafs  er  allen    ein  gesundes  u.  redliches  herz  gegeben  hat. 

Ihr  buch  über  den  deutschen  geist  habe  ich  mit  theil-|nahme 
gelesen  und  die  treue  und  warme  gesinnung  darin  |  anerkannt, 
es  sieht  mir  vor  als  hätte  ich  über  eins  und  das  |  andere  nicht 
ebenso  gedacht,  aber  im  ganzen  und  grofsen  ]  werden  unsere 
ansieht  (sie)  Uberein  kommen:  besonders  gefiel  mir  |  die  echt 
historische  bemerkung  dafs  das^  heidenthum  in  sich  |  erloschen 
war,  als  das  christenthum  neu  belebend  eintrat.  |  wenn  ich  Ihnen 
nicht  gleich  schriftlich  gedankt  habe,  so  lag  |  die  schuld  zunächst 
an  der  zeit,  in  der  wir  leben,  jeder  tag  voll  |  bewegung  Span- 
nung und  sorge,  was  stand  nicht  alles  bevor?  |  was  hatte  man 
nicht  zu  fürchten?  das  schlimmste  konnte  |  augenblicklich  ein- 
treten.3  da  gelangt  man  nicht  zu  der  |  Stimmung,  in  der  man 
gerne  briefe  schreibt,  in  den  quälendsten  |  augenblicken  ver- 
schliefst sich  leicht  der  mund,  und  man*  blickt  nur  |  (s.  2)  nach 
den  Sturmwolken,  die  mit  einander  kämpfen  und  den  |  zug  bald 
hierhin  bald  dorthin  nehmen.  Sie  haben  |  es  nicht  so  in  der 
nähe  gehabt,  dazu  kam  dafs  die  |  folgen  einer  ernsthaften  krankheit, 
die  im  anfaug  |  des  vorigen  jahrs  mich  befiel,  den  ganzen  sommer 
und  I  herbst  auf  mir  lasteten,  ja  noch  jetzt  nicht  ganz  |  ver- 
schwunden sind:  dafs  frau  und  tochter  mehrmals  |  erkrankten, 
dazwischen  fast  vier  mouate  lang  die  |  cholera ,  die  doch  immer 
ein  eigenes  grauen  erregt. 

Erklären  Sie  daraus  mein  schweigen,  nicht  aus  |  mangel  an 
herzlicher  gesinnung;  wie  könnten  Sie  |  glauben  dafs  Verschieden- 
heit der  ansichten ,  von  der  |  ich  nicht  einmal  etwas  weifs, 
darauf  einflufs  gehabt  |  hätte,  grüfsen  Sie  Ihre  liebe  frau,  die 
ich  noch  ]  kennen  zu  lernen  hoffe,  und  ihr  ganzes  elterliches! 
haus  von  mir  und  den  meinigen  auf  das  schönste. 

Berlin  S"^  Febr.  1849.  Wilhelm  Grimm. 

^  Adelheid,  geb.  5  febr.  1849.  -  darauf  ch  durchgestrichen. 

^  fragezeichen  getilgt.  ^  man  über  der  zeile  nachgetragen. 


240  AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RAUMER 

nachschrift  von  Jacob  Grimm: 
Lieber  Raumer,  eine  äufserung  in  Ihrem  brief  an  |  Wilhelm  ist 
mir  ganz  räthselhatt.  woraus  in  |  aller  weit  entnehmen  Sie  dafs 
ich  Ihnen  zürne?  |  ich  habe  ja  noch  gar  keine  meinung  von 
Ihnen  |  über  mein  buch  vernommen,  das  als  wir  uns  [  in  Frank- 
furt sprachen  unerschienen  war.  dafs  |  (s.  3)  Sie  nun  einer 
darin  aufgestellten  ansieht  nicht  |  beitreten  soll  dem  alten  bestand 
unsrer  |  freundschaft  keinen  abbruch  thun.  an  |  Ihrer  vaterfreude 
nehme  ich  aufrichtigen  [  antheil.  Jacob  Grimm. 

das  couvert  trägt  von  Wilhelms  hand  die  adresse: 

Herrn  Professor  Rudolf  v.  Raumer 
frei.  Erlangen. 

12. 
Lieber  freund, 
Sie  erhalten  hier  die  beiden  gewünschten  bücher,  den  Clajus 
von  1578  I  und  den  Ickelsamer,  die  sich  glücklicher  weise  auf 
der  hiesigen  |  bibliothek  gefunden  haben:  wahrscheinlich  werden 
Sie  bald  damit  |  fertig  sein  und  dann  bitte  ich  Sie  um  zurück- 
senduug,  da  hier  des  |  jahrs  ein  paarmal  die  ausgeliehenen  bücher 
müssen  eingeliefert  |  werden  u.  ein  solcher  termin  bevorsteht. 
dann  lege  ich  von  |  mir  ein  anderes  seltenes  buch  bei,  den  Gla- 
reanus^,  den  Sie  vielleicht  |  gerne  durchsehen. 2  endlich  werden 
Sie  ein  paar  kleine  academische  |  abhandlungen  finden,  die  Ihnen 
mein  bruder  sendet. 

Ich  habe  oft  voll  trauer  an  Ihr  haus  gedacht,  ich  habe 
Ihren  |  bruder^  nicht  gesehen,  aber  alle  die  ihn*  kannten  rühmten  | 
mir  sein  frisches  lebendiges  wesen  und  seine  natürliche  begabung.  | 
aus  den  erzählungen  Ihrer  mutter  im  j.  1846,  wie  er  so  fröhligj 
als  Student  zu  ihr  gekommen  sei,  hatte  sich  ein  bild  von  ihmj 
bei  mir  gebildet,  und  ihre  Schwester^,  die  mir  so  wohl  gefiel, 
die  I  als  braut  so  glücklich  war,  mufs  so  früh  schon  auf  hartem | 
weg  gehen. 

Ich  habe  den  mut  nicht  verloren,  ich  habe  Zeiten  gekannt,  | 
die  schlimmer  waren,  als  Napoleon  uns  mit  seinen  stricken  um- 
wickelt I  hatte,  brauchte  er  nur  daran  zu  ziehen,  um  uns  den 
athem  zu  versetzen.  \  (s.  2)  je  gröfser  die  noth ,  desto  lebendiger 
erhebt  sich  das  vertrauen  auf  |  gott,  und  wie  leicht  wird  es  ihm 
hilfe  herab  zu  senden,  aber  wir  |  menschen  können  nur  mensch- 
lich   urtheilen ,    unsere   geschicke  |  rauschen    auf  der  eisenbahn 

>  siehe  vRaumer,  Der  Unterricht  im  deutscheyi^  s.  4f  anm.  2 ;  JMüller, 
Quellenschriften  und  geschickte  des  deutschsprachliche?!  Unterrichtes  s.[22^\. 

2  durchsehen,  über  durchgestrichenem  bei.  ^  Hans  (1820  —  51). 

*  davor    ansatz,    von    Ih.  ^  Aiina    vRau?ner    (geb.   1825),    ver- 

mählt 1848  an  den  schleswiger  domprediger  HIS Hansen,  niuste  mit  ihrem 
seines  amtes  durch  die  Dänen  entsetzten  galten  die  herzogtürner  ver- 
lassen, siehe  KvRaumers  leben  s.  339. 


AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VOIN  UAUMER  241 

dahin  und  es  scheint  unabwendbar  |  der  wagen  entweder  rechts 
oder  links  in  den  graben  stürzen  zu  |  wollen. 

Griifsen  Sie  alle  die  Ihrigen ,  Ihre  liebe  ellern  und  ge- 
schwister 

von  einem  treuen  freund 
Berlin  14°  Juni  1851.  Wilhelm  Grimm. 

13. 

Liebster  freund,  den  schönsten  dank  für  Ihre  schrift  über  |  die 
deutschen  grammatiker,  die  ich  mit  vergnügen  durchgelesen] 
habe.  Sie  haben  diesen  bUchern,  aus  denen  sonst  wenig  zu 
schöpfen  I  ist,  die  seile  abgewonnen,  wo  sie  aufmerksamkeit 
fordern,  |  und  das  haben  Sie  mit  gewifsenhaftem  fleifs  und 
lebendigem  |  gesundem  sinn  gethan.  was  Sie  über  uns  beide 
gesagt  haben,  ]  verrät  die  gesinnung  eines  freundes,  und  wird 
in  diesen)  sinne  |  von  andern  verstanden  werden,  ob  das  Studium 
der  deutschen  spräche  |  auf  den  gymnasien  zu  empfehlen  sei, 
selbst  in  so  mäfsigem  umfang  |  wie  Sie  meinen,  darüber  bin  ich 
zweifelhaft  und  bin  geneigt,  |  es  ganz  der  Universität  zu  bewahren, 
ohnehin  wünsche  ich  den  |  gegensatz  zwischen  beiden  schärfer 
und  entschiedener,  während  unsere  |  zeit  ihn  zu  verwischen,  die 
gymnasien  zu  halben  Universitäten,  |  die  Universitäten  zu  halben 
gymnasien  zu  machen  sucht,  ich  glaube  |  es  ist  genug  wenn 
man  vorerst i  den  lebendigen  gebrauch  der  muttersprache  |  einübt, 
wenn  ich  einmal  wieder  ruhig  mit  Ihnen  zusammen- jsitze,  so 
werden  wir  darüber  sprechen,  mich  jetzt  weiter  auszulassen,! 
werde  ich  durch  die  arbeil  an  dem  Wörterbuch  und  den  acade- 
mischen  |  abhandlungen  verhindert,  die  alle  zeit  und  kräfte  in 
anspruch  |  nehmen. 

(s.  2)  Ich  freue  mich  der  glückhchen  und  behaglichen  läge, 
die  Ihnen  |  zu  theil  geworden  ist.  möge  Ihnen  ein  ruhiges 
heiteres  leben  |  bestimmt  sein,  glückliche  tage,  die  dankbar  an- 
zunehmen I  und  zu  geniefsen  nicht  jeder  versteht,  golt  weifs 
was  noch  kommt,  |  die  gewitter  ziehen  am  rand  des  himmels  hin, 
qualm  dampft  |  aus  der  erde,  aber  ich  habe  schon  Zeiten  der 
art  gesehen  und  da  |  lernt  man  gott  vertrauen ,  der  die  geschicke 
der  weit  leitet,  ich  |  habe  schon  oft  die  Stärkung  und  beruhigung 
gefühlt,  die  aus  ]  der  beschäftigung  mit  der  Wissenschaft  kommt. 

Mit  meiner  gesundheit  ist  es^  den  winter  über  leidlich  |  ge- 
gangen, und  damit  bin  ich  zufrieden;  ich  habe  auch  wieder 
an-  gefangen  au  der  Universität  zu  lesen,  aber  meine  frau  hat 
einige  |  male  ernsthafte  anfalle  aushalten  müssen,  den  letzten  vor 
ein  I  paar  wochen,  jetzt  geht  es  nun  wieder  besser  und  neuHch,=^ 
an    unserm  |  hochzeitstag   (die  silberne   ist  schon    vor   ein  paar 

1  vorerst  über  der  zeile  nachgetragen.  ^  es  über  der  zeile  nach- 

getragen. 3  neulich ,  über  der  zeile  nachgetragen. 


242  AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RAUMER 

jähren  gefeiert)  safsen  |  wir  einmal  sämtlich  in  ziemlich  gutem 
zustand  beisammen. 

Ich  danke  Ihnen  nicht  blofs  für  das  buch,  sondern  auch 
für  I  die  warme  und  treue  freundschaft  die  aus  Ihrem  brief 
spricht:  |  ich  kann  sie  aufrichtig  von  unserer  seite  erwidern;  wir 
alle  sind  |  Ihnen  von  herzen  zugethan  und  hoffen ,  wenn  Sie 
wieder  |  einmal  bei  uns  eintreten,  dafs  die  äufsere  läge  günstiger 
ist  I  und  wir  Sie  öfter  bei  uns  sehen  als  es  diesmal  der  fall 
sein  I  konnte,  den  schmerz  über  den  tod  Ihres  bruders  begreife] 
ich:  die  zeit  wird  ihn  zu  einem  wolthätigen  andenken  an  ihn| 
mildern. 

(s.  3)  Wenn  ich  sie  sämtlich,  frau  eitern  und  geschwister 
mit  eingeschlossen,  |  auf  das  herzlichste  grüfse,  so  thun  es  zu- 
gleich mit  miri  alle  die  meinigen. 

Mit  unveränderter  freundschaft 
Berlin  26''  Mai  1852.  Wilhelm  Grimm. 

14. 

Ich  danke  Ihnen,  liebster  freund,  für  das  gute  andenken,  das 
Sie  mir  |  bewahren  und  für  die  herzliche  gesinnung,  die  aus 
Ihrem  briefe  spricht.  |  Ich  habe  Ihnen  nicht  einmal  für  Ihre 
rechtfertigunsschrift2  (sie)  meinen  dank  und  |  beifali  ausgedrückt, 
aber  Sie  wissen  dafs  ich  alles  was  Sie  mir  zusenden  |  mit  freude 
empfange,  zu  dem  briefschreiben  gelange  ich  bei  der  arbeit  |  an 
dem  Wörterbuch  nicht  ohne  einige  nöthigung.  ich  suche  es  da- 
durch3  gut  zu  |  machen  dafs  ich  Ihnen  diesmal  gleich  antworte, 
über  die  nachrichten  |  die  Sie  mir  mittheilen  habe  ich  mich  ge- 
freut, da  sie  alle  schön  und  |  gut  klingen,  möge  Ihr  kleiner 
Hermann*  (der  meinige  ist  mir  über  den  |  köpf  gewachsen)  ge- 
deihen und  Gott  Sie  freude  an  ihm  erleben  lassen.  |  mein  zweiter 
söhn,  der  Ihren  namen  trägt,  sodafs  ein  austausch  zwischen  | 
uns  statt  gefunden  hat,  arbeitet^  als  referendar  an  einem  gericht, | 
macht  aber  jetzt  sein  militär  jähr  und  ist  bei  der  grofsen  parade 
vor  dem  |  Ostreich,  kaiser  in  vollem  glänz  vorüber  gezogen,  er 
ist  gesund  rüstig  |  und  ein  stattlicher  soldat.  den  festtag  Ihrer 
schwester6  habe  ich  gewufst  I  und  ihr  von  herzen  glück  gewünscht: 
auch  ich  habe  das  gefühl  |  gehabt  dafs  beide  für  einander  be- 
stimmt sind,  sie  ist  eine  liebenswürdige  |  natur  und  mir  gleich 
das  erstemal  als  ich  sie  sah  so  erschienen. 

'  zugleich  mit  mir  übe7'  der  zeile  nachgetragen.  '^  gemeint  ist: 

Ein  W07't  der  Verständigung  über  die  schrift:  Die  einwirkimg  des  christen- 
thums  auf  die  ahd.  sj)rache,  1852.  dies  büchlein  hatte  v Räumer  iibersandt 
mit  einem  briefe  vom  17.  10. 52,  der  nunmehr  in  fVGrimnis  Kl.  sehr. 
4,  337  zu  lesen  steht.  ^  dadurcii  über  der  zeile  nachgetragen. 

^    t  9  märz  1856.  ^    davor    ein    buchstabe    ausgestrichen. 

Z'  Sophie  vRaumer  (1827  —  63)  verinählte  sich  1853  ?nit  prof.  theol. 
AvOltingen  in  Dorpat,  siehe  KvRaumers  leben  s.  339. 


AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RAUMER  243 

Icli  habe  mich  diesen  wiuter  über  ziemlich  gut  gehalteu  | 
uud  nur  viel  zurückgezogener  gelebt,  da  es  mir  nicht  zuträglich | 
war  abends  auszugehen,  dafür  haben  mich  meine  ireunde  be- 
sucht. I  ich  habe  an  der  Universität  keine  Vorlesung  gehalten  und 
jetzt  wird  durch  |  Haupt  dieses  fach  wieder  gut  versorgt,  bei 
den  Vorlesungen  über  die  |  altdeutsche  literatur  hat  man  den 
vortheil,  dafs  sie  nur  solche  hören ,  die  |  lust  daran  hahen,  und 
daher  ausharren  und  fleifsig  sind,  ich  habe  |  dieselben  er- 
lahrungen  gemacht. 

(s.  2)  Jacob  arbeitet  unabläfsig  und  zu  viel  als  dafs  er  es 
nicht  an  seiner  |  gesundheit  empfinden  sollte,  er  wird  auch  wol 
einen  ausflug  machen  |  müssen,  am  besten  glaube  ich  wäre  ihm 
ein  stärkendes  bad,  aber  er  |  gehört  nicht  zu  denen,  die  sich 
raten  lassen,  meine  frau  trägt  ihr  |  herzleiden  mit  geduld ;  böse 
tage  wechseln  mit  erträglichen  |  und  auch  wol  guten,  und  so- 
bald diese  kommen  ist  sie  auch  heiter,  |  theilnehmend  und  weifs 
sich  noch  über  manches  zu  freueu ,  während  |  so  viele  in  ihren 
Jahren  nur  ein  ernstes  oder  gleichgültiges  gesiebt  |  übrig  be- 
halten haben. 

Ich  denke,  um  einen  wünsch  von  ihr  und  meiner'  tochter 
zu  erfüllen,  |  an  den  Rhein  zu  gehen,  wir  haben,  weil  wir  dem 
stadtleben  ]  entgehen  wollen,  an  einem  einsam  aber  schön  ge- 
legenen ort  eine  |  wohnung  gemiethet.  etwas  arbeit  nehme  ich 
freilich  mit,  man  hält  |  es  sonst  nicht  aus,  so  ist  man  verwöhnt, 
doch  werde  ich  in  Bonn  bei  |  den  alten  freunden  einen  besuch 
abstatten. 2 

Auch  ich  schätze  Wackernagels  buch. 3  es  ist  aus  dem  grund 
geschöpft  I  mit  einer  Wahrheitsliebe  und  redlichkeit,  mit  einem 
feinem  sinn  |  und  scharfen  blick,  wie  es  selten  vorkommt,  mir 
hat  die  anerkennung  |  von  Freidank  ein  besonderes  vergnügen 
gemacht,  etwas  schadet  dem  [  buch  die  allzu  epigrammatische 
fassung:^  er  hätte  etwas^  |  freier  umblicken  sollen. 

Das  werden  schöne  tage  sein,  wenn  Sie  in  Winterhausen^ 
alle  I  zusammenkommen,  sagen  Sie  Ihrem  schwager  dafs  seit 
kurzem  ]  der  prediger  Rentorp  aus  Schleswig''  mit  mir  in  einem 
hause  wohnt;  vielleicht  kennt  |  er  ihn.  es  ist  ein  ehrenwerther 
tüchtiger  mann,  der  hier  eine  provisorische  |  anstellung  er- 
halten hat. 

^  meiner  über  ausgestrichenem  ihrer.  -  über  die  Störungen,  welche 

diese  reise  erfuhr ,  vgl.  den  folgenden  brief,  ferner  Freundesbriefe  nr  86 
und   Briefwechsel    mit  Dahlmann    nr  297. 98.  ^   seine    Litteratur- 

geschichte;  s])eciell  gemeint  im  folgenden  ist  s.  279/".  *  auffassung, 

auf  durchgestrichen.  ^  davor  sich  ausgestrichen.  ^  in   Unter- 

franken,  wo  vRaumers  schwager  Hansen  prediger  war.  ''  aus  Schles- 

wig über  der  zeile  nachgetragen,  gemeint  ist  Heinrich  Re7idtor ff  {181  i — 68), 
der  vom  sept.  1852  bis  zum  august  1855  secretär  des  centralausschusses 
für  die  innei'e  mission  in  Berlin  war,  siehe  Alber ti ,  Lexicon  der  Schles- 
wig -  holsteiji  -  lauenburgischeyi  Schriftsteller  nr  1746. 


244  AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RAUMER 

Grüfsen  Sie  alle  die  Ihrigeu  auf  das  herzlichste,  frau,  eltera 
und  I  geschwister.  wie  gerne  würde  ich  einmal  einen  abend 
unter  ihnen  |  sein,     mit  unveränderter  freundschaft 

Berlin  24°  Juni  1853.  Ihr  Wilhelm  Grimm. 

15. 
Lieber  freund, 
ich  habe  ihre  kleine  schrifli  mit  vergnügen  gelesen,  Sie  haben 
eine  zeitgemäfse  |  frage  einfach  und  treffend  beantwortet;  ich 
danke  schönstens  dafür.  Lachmann  |  hat  beim  Lessing  das  richtige 
gethan.  ich  freue  mich  dafs  es  Ihnen  und  |  den  Ihrigen  wol 
ergeht:  wir  alle  bewahren  Ihnen  ein  freundschaftliches  |  und  herz- 
liches andenken.  Ich  habe  in  dem  vorigen  jähre  wieder  eine| 
schwere  zeit  durchlebt:  wir  wollten  den  sommer  zur  Stärkung 
unserer  |  gesundheit  an  einem  stillen  ort  am  Rhein  zubringen, 
meine  frau  reiste  |  ein  paar  tage  früher  ab,  in  Marburg  überfiel 
sie  eine  schwere  krankheit,  |  eine  herzbeutelentzündung,  ich  eilte 
gleich  hin  und  fand  sie  in  grofser  |  gefahr,  ein  paar  tage  stand 
es  so  dafs  nur  eine  geringe  hoffnung  übrig  |  blieb;  doch  Gott 
hat2  sie  uns  erhalten  und  es  besserte  sich  langsam,  j  nach  vier 
Wochen  konnten  wir  endlich  die  reise  an  den  Rhein  antreten.  | 
dort  haben  wir  ein  paar  monate  in  einer  ebene  unter  dem  sieben- 
gebürge,  |  zu  Rheinbreitbach  bei  ünkel  zugebracht,  wie  prächtig 
war  es  dort,  wie  ]  reizend  der  blick  nach  allen  Seiten,  wie  mild 
und  gesund  die  luft.  dieser  |  aufenthalt  hat  uns  beiden  und 
meiner  tochter,  die  bei  uns  war,  3  |  erquickt  und  wolgethan.  in 
Bonn  haben  wir  ein  paar  tage  bei  den  |  alten  freunden  zu- 
gebracht, den  rückweg  nahmen  wir  über  Hannover  |  und  ver- 
weilten auch  dort. 

Indessen  hat  mein*  bruder  eine  gröfsere  reise  gemacht, 
erst  I  durch  das  südliche  Frankreich  bis  ans  meer  und  von  da 
nach  Genua,  |  und  durchs  Tirol  zurück,  die  bewegung  hat  ihm, 
ohngeachtet  der  |  Strapazen,  die  damit  verbunden  waren,  sehr 
wol  gethan,  und  er  arbeitet  |  mit  erneuter  anstrengung. 

Nur  diese  paar  Zeilen  sind  mir  heute  vergönnt,  leben  Sie 
wol,  Hebster  j  freund,  und  sein  Sie  und  Ihre  frau,  eitern  und 
geschwister  auf  das  |  herzlichste  gegrüfst. 

ganz  der  Ihrige  Wilhelm  Grimm. 
Berlin  29"^  Januar  1854. 

16. 
Lieber  freund, 
ich    habe  Ihre   abhandlung   über   die  rechtschreibung^   mit   ver- 

'  Die  doppelte  recension  des  textes  von  Kants  Ki'itik  der-  reinen  Ver- 
nunft, 1854,  wider  abgedruckt  in  den  Deutschen  versuchen,  1861,^.170^. 

2  davor  halt  durchgestrichen.  ^  danach  am  zeilenschhiss  erquickt 

ausgestrichen.  ^    mein    doppelt,    das    erste    durchgestrichen. 

^  davor   über    ausgestrichen.  ^  Zs.  f.  d.  österr.  gyinn.  1855  =  Ge- 

sammelte sprachwissensch.  Schriften  s.  lObff". 


AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RÄUMER  245 

gnügen  |  gelesen  uud  stimme  Ihneu  darin  bei  dafs  man  die  be- 
stehende nicht  I  gewaltsam  angreifen  darf;  ich  war  gleich  über- 
zeugt dafs  Weinholds  |  vorschlage  abprallen  würden,  ich  glaube 
es  kommt  auf  den  tact  an,  |  wie  weit  man  gehen  darf,  gewis 
mufs  man  die  phonetische  Schreibweise  |  achten,  darf  aber  auch 
für  die  geschichtliche  etwas  Ihun,  so  sehe  ich  z.  b.  |  nicht  warum 
mau  nicht  kreifs  schreiben  soll,  wie  heifs  und  fleifs.  selbst | 
um  das  unnatürliche  th  und  das  dehnende  h  los  zu  werden, 
kann  mau  |  nur  allmälig  vorrücken,  abenteuer  und  märchen  scheint 
durchgesetzt.  |  es  geht  wunderlich  her,  manchmal  kommt  ein 
blofser  einfall  zu  ehren.  |  selbst  für  von  selbst  in  Zusammen- 
setzungen war  vor  15  —  20  jähren  unerhört,  |  jetzt  glaubt  jeder 
seine  spräche  damit  zu  zieren,  und  auch  bei  Ihnen  habe  |  ich 
selbstverständlich  finden  müssen ;  ich  glaube  kaum  dafs  es  wieder 
aus-lzurotlen  ist.  schon  früher  habe  ich  gefragt  ob  es  gut  deutsch 
sei,  wenn  |  man  sage  der  stumme  schwieg  selbstredend  still.' 

Ich  war  vorigen  spiitsommer  mit  meiner  frau  uud  tochter 
einige  |  monate  in  Kosen,  das  angenehme  umgebungen2  hat,  und 
der  aufenl-jhalt  hat  meiner  frau  wolgethan,  ihr^  herzleiden  hat 
sich  diesen  |  winter  milder  gezeigt,  mein  söhn  Rudolf,  der  in 
Naumburg  bei  dem  |  appellationsgericht  angestellt  ist,  konnte  in 
einer  4tel  Stunde  auf  der  |  eisenbahn  bei  uns  sein,  er  hat  sich 
in  diesen  tagen  als  leutnant  in  der  |  landwehr  mir  vorgestellt; 
und  so  sind  auch  mir  die  fragen  der  zeit  ins  haus  |  (s.  2)  gerückt, 
mit  meiner  gesuitdheit  geht  es  so  ziemlich,  doch  habe  ich  |  mich 
mit  der  grippe  herumschlagen  müssen. 

Grüfsen  Sie  vater  und  mutier,  frau  und  geschwister  herz- 
lich. I  wie  gehts  Ihrer  Schwester  in  Liefland?  behalten  Sie  uns 
in  I  gutem  andenken,  wir  alle  bewahren  Ihnen  die  aufrichtigste | 
freuudschaft  Wilhelm  Grimm. 

Berlin  18°  Jan.  1855. 

17. 

Lieber  freund, 
wir  alle  haben  uns  herzlich  gefreut  über  die  gute  nachrichf*  die 
Ihr  I  brief  uns  brachte,  und  ich  bringe  Ihnen  unsern  treuen 
glückwunsch.  |  Ihnen  ist  ein  trost  gegeben ^  für  den  schmerz- 
lichsten Verlust,  möge  |  das  kiud  gedeihen  und  zu  Ihrer  freude 
heranwachsen,  ebenso  haben  |  haben  (sie)  wir  uns  gefreut  über 
die  guten  nachrichten  von  Ihren  |  lieben  eitern,  das  alter  führt 
schon  manche  bescbwerden  mit  j  sich,  das  zu  bemerken  habe 
ich,  der  ich  nächstens  in  mein  72tes  j  jähr  trete,  gelegenheit 
genug  gehabt. 

'  vgl.  Kleinere  Schriften  von  IFGrimm  1,515.  *  Umgebungen] 

das  erste  g  aus  b  corr.  ^  davor  ist  da  ausgestrichen.  *  geburt 

vonvRaumers  sahne  Eduard  am  ^Oj'an.  1857.  ^  gegeben]  das  zweite 

g  aus  b  corr. 


246  AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RÄUMER 

Auch  wir  empfiudeD  uns  in  diesem  winter  leidlich  wol, 
nachdem  |  wir  im  sommer  eine  schwere  zeit  durchgemacht  haben, 
meine  frau,  |  milder  ich  nach  Ilsenburg  am  Harz  gegangen  war, 
um  uns  in  |  der  Irischen  bergluit  zu  stärken,  ward^  dort  von 
einer  gefährlichen  (  brustkrankeit  (sie)  überfallen  und  erst  nach 
einem  langen  lager  konnten  |  wir  im  Spätherbst  hierher  zurück- 
kehren; mein  ältester  söhn  war  |  indessen  in  Helgoland  zu  seiner 
herstellung  von  andern  leiden ,  und  gottlob  |  nicht  vergeblich. 

Ihren  Untersuchungen  über  die  Orthographie  bin  ich  mit 
theilnahme  |  gefolgt,  meine  regel  ist  einfach,  die  ausspräche  ist 
zu  beachten  und  zu  ehren,  |  (s.l)  aber  Verderbnisse  und  Ver- 
wilderungen, die  mit  der  ausspräche  nichts  |  zu  thun  haben, 
müssen  der  geschichtlichen  entscheidung  gemäfs  |  allmälig  aus- 
gewiesen werden.  Sie  selbst  wünschen  dafs  wir  die  ]  grund- 
losen, unorganischen  h  los  sein  möchten,  doch  auch  wol  |  die 
y;  dazu  können  wir  nur  auf  diesem  weg  gelangen. 

Es  hat  uns  freude  gemacht  Ihren  schwager  und  Ihre  Schwester  | 
zu  sehen:  sie  gehören  zu  den  menschen  die  gleich  vertrauen 
er-|wecken.  es  ist  so  schön,  wenn  man  jemand  findet  der  be- 
kennt I  glücklich  zu  sein. 

Grüfsen  Sie  Ihre  liebe  frau,  Ihre  eitern  u.  fräul.  Clärchen^j 
auf  das  freundschaftlichste  von  uns,  und  behalten  Sie  lieb 

Ihren  treuen  freund 
Berlin  9"^  Febr.  1857.  Wilhelm  Grimm. 

18. 

Leipzig,  12  Januar  1847. 
Hochgeehrter  herr  professor, 
mit  meinem  besten  danke  für  Ihren  freundlichen  brief  verbinde  | 
ich  zugleich  eine  bitte  deren  erfüllung  mich  sehr  erfreuen  würde. 
Nach  der  Unterbrechung  eines  Jahres  machen  unerwartete 
umstände  |  es  mir  möglich  meine  Zeitschrift  für  deutsches  alter- 
thum  fortzusetzen.  |  dabei  ist  mir  daran  gelegen  ihre  kräfte  durch 
neue  mitarbeiter  zu  |  vermehren,  ich  erlaube  mir  also  auch  Sie 
zur  theilnahme  aufzu-Ifordern.  der  plan  meiner  Zeitschrift  bleibt 
derselbe  wie  Sie  ihn  aus  |  den  bis  jetzt  erschienenen  fünf  bänden 
kennen;  nur  wünsche  ich  die  |  deutsche  geschichte,  besonders 
die  Sittengeschichte,  etwas  mehr  in  ihren  |  kreis  zu  ziehen,  das 
honorar  beträgt  fünf  thaler  für  den  |  bogen,  dadurch  also  kann 
ich  freilich  niemand  zu  locken  hoffen;  |  aber  wie  ich  selbst  nicht 
um  geldgewinnes  wegen  dies  unternehmen  |  begonnen  habe,  so 
werden,  denke  ich,  auch  andere  aufser  meinen  nä-|heren  freunden 
und  den  bisherigen  mitarbeitern  mit  mäfsiger  entschä-|digung  ihrer 
mühe  vorlieb  nehmen. 

^   ward]   d   aus  correctur,    wie  es  scheint  von   i.  ^  Steffens 

(1806-65). 


AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  VON  RAUMER  247 

Erfreuen  Sie  mich  durch  gew.ihrung  meiner  bitte  und  sein 
Sie  I  überzeugt  dafs  ich  mit  aufrichtiger  hochachtung  bin 

Ihr  ergebenster 

M.  Haupt, 
adresse  s.  4:    Herrn  Professor  Rudolf  von  Raumer 
Hochwohlgeboren 
frei.  Erlangen. 


19. 

Aus  einem  briefe  Müllenhoffs  vom  29  nov.  1852,  der  sich 
hauptsächlich  mit  angelegenheiten  der  Kieler  allgemeinen  Monats- 
schrift beschäftigt  und  in  der  nachschrift  KlGroths  Quickborn 
warm  empfiehlt,  teile  ich  folgenden,  die  Altertumskunde  betreffenden 
passus  mit: 

Ich  bin  seit  diesem  Herbst  oder  Sommer  endlich  so  weit 
gekommen,  meine  grofse  Arbeit,  die  den  etwas  grofsartigen  Titel 
'Deutsche  Alterthumskunde'  führen  wird,  in  Angriff  nehmen  zu 
können,  und  habe  nun  vollauf  damit  zu  thun.  Die  Prolegomena, 
Einleitung  und  Quellenkritik,  werden  hoffentlich  im  nächsten 
Jahr  gedruckt  und  der  erste  Band  (Stammgeschichte  und  Ge- 
schichte des  Mythus)  wird  darnach  nicht  lange  auf  sich  warten 
lassen.  Ich  habe  nie  gehofft  es  je  zu  einem  Ganzen  darin  zu 
bringen  und  bin  immer  nur  darauf  bedacht  gewesen  durch 
einzelne  Untersuchungen  allmählich  dem  Ziele  nahe  zu  rücken; 
indes  kommt  Zeit,  kommt  Rath.  Schon  vor  mehr  als  einem  Jahr 
war  der  Plan  des  Ganzen  mir  klar  geworden,  und  so  Gott  will; 
bleibt  mir  nur  die  Kraft  ihn  auszuführen;  an  Muth,  Freudigkeit 
und  gutem  Willen  solls   nicht  fehlen. 


20. 

München  28.  Decemb.  1846. 
Verehrter  Freund! 
Dafs  Kemble  viel  gesamelt  hat  zu  |  einem  angelsächs.  Wörterbuch 
ist  sicher.  |  Was  davon ^  zum  Beowulf  gebort,  ist  diesem  beigegeben.] 
In  der  Vorrede  zum  Codex  Exoniensis  schliefst  |  Thorpe  (1842) 
mit  den  Worten:  I  trust  that  |  M'.  Kemble  will  be  induced 
to  complete  bis  |  already  ample  collection,  &  give  to  the  world| 
that  great  desideratum,  an  Anglo-Saxon  Dictionary  |  suited  to  the 
present  State  of  scolarship  both  here  |  &  abroad.  Im  J.  1842 
also  war  was  Grimm  1840  |  in  Aussicht  hatte  noch  nicht  zur 
Wahrheit  geworden,  j  Unterm  30.  Nov.  1846  schreibt  mir  Kemble, 
wie  er  j  seit  einiger  Zeit  sehr  in  political  &  public  life  |  vertieft 
gewesen  sey,  jetzt  aber  wieder  zu  seinem  |  Saxou  zurückkehre. 
*  davon  über  der  zeile  nachgetragen. 


248  AUS  DEM  NACHLASSE  RUDOLFS  V0>  RAUMER 

Vou  Dingen,  die  er,  seit  ich  ihn  |  gesehen,  gearbeitet,  nennt 
er  einen  3.*®°  &  4.*^"  Band  |  des  Cod.  diplomaticus  A.  S,,  ein 
paar  Aufsätze  über  |  den  Reim,  eine  Abhaudl.  über  ags.  Nick- 
und  Übernamen;  |  einen  Theii  des  oberwahnten  Cod.  Vercellensis 
11,  Salomon|und  Saturnus.  Gegenwärtig  arbeite  er  an  Origines| 
anglicae  sive  incuuabula  juris  anglicani.  Siesehen  [  dafs  hier- 
unter ein  Anglo-Saxou  Dictionary  nicht  er-|wähnt  ist,  u.  denken 
wohl  wie  ich,  dafs  K.  gerade  (  dieses  kaum  zu  nennen  vergessen 
hätte,  weil  es  vorläge.  |  (s.  2)  Was  das  Altfranzösische  betrifft | 
so  ist  als  Fortschritt  seit  Roquefort  |  wenigstens  mir  nur  Ray- 
nouard's  |  Lexique  ronian  im  2.*^"^  B.  seiner  Nouv.  |  choix. 
Paris  1836  bekaiit  geworden. 

Sie  wünschen  mir  Glück  zur  |  Professur.  Das  bedarf  ich 
sehr.  Sie  können  |  denken,  dafs  mich  zwanzig  Jahre  gröfsten-j 
Iheils  ganz  andrer  Beschäftigung  iu  dem  |  was  ich  wissen  u. 
weiter  fort  gelernt  |  haben  sollte,  ziemlich  zurückgebracht  haben | 
müssen.  Doch  hat  mir  geschienen,  noch  |  sey  ich  nicht  grand- 
aevus  genug,  um  die  |  mir  angetragene  Function  mit  Ehren] 
ablehnen  zu  können.  Sie  ist  übrigens  |  ohnehin  nur  als  Neben- 
sache hingestellt,  |  und  auch  ich  werde  mit  dem  besten  Willen  | 
mehr  nicht  aus  ihr  machen  können. 
Bleiben  Sie  gut 

Ihrem 

ergebensten 

J.  A.  Schraeller. 
adresse  s.  4 :    S^  Wohlgbrn 

Herrn  Professor  D'.  Rudolf 
von  Raumer 

in 

Erlangen. 


Der  unterzeichnete  arbeitet  im  verein  mit  dem  musikhistoriker 
drHRietsch,  auf  hsüches  und  archivalisches  material  gestützt,  an 
einer  ausgäbe  der  lieder  des  sogenannten  mönchs  von  Salzburg,  die 
er  im  laufe  des  nächsten  Jahres  fertigzustellen  hofft. 

Wien  22.  12.  88.  Dr  F.  Arnold  Mayer. 

Zu  dem  aufsatze  von  Luick  oben  s.  13511  verweist  EDümmler 
auf  seine  Gesch.  des  ostfränk.  reichs^  i  217  f.  ii  681  sowie  auf  den 
excurs  über  barbari  und  Teutonici  in  seinen  Jahrbüchern  Ottos 
des  grofsen.  s.  136  z.  4  muss  es  'abt'  statt  'bischof  heifsen, 
s.  138  a.  2  Mummolinus  und  Noyon;  es  wäre  aber  zu  unter- 
suchen gewesen ,  ob  diese  vita  eine  quelle  für  das  7  jh.  ist. 

PhStrauch  macht  aufmerksam  auf  den  büchertitel  im  anti- 
quarcatalog  138  von  HKerler  in  Ulm  nr  3466:  Scappin,  der  ver- 
reist gewes.  u.  nun  wieder  augekomm.  Kilian  Brust  fleck, 
mit  sich  bringend  allerhand  rare  historien.      Frankf.  1729. 


ANZEIGER 

FÜR 

DEUTSCHES  ALTERTHUM  UND  DEUTSCHE  LITTERATUR 

XV,   3.  4    JULI  1889 

Handbuch  der  poetik.  eine  kritisch -hislorische  darsteilung  der  theorie  der 
dichlkunst  von  dr  Hermann  Baumgart,  professor  an  der  Universität 
Königsberg i.Pr.    Stuttgart, Gotla,  1887.    xiiund735ss.   gr.8».— 10m. 

Poetik  von  Wilhelm  Scherkr.  Berlin,  VVeidmannsche  buchhandlung,  1888. 
XII  und  303  ss.     8°.  —  geb.  7  m. 

Mit  gröfserer  Vorliebe,  als  seit  langer  zeit,  wendet  sich  die 
forschung  wider  der  poetik  zu  und  sucht  ihr  historisch  oder 
principieil  nahe  zu  rücken.  entweder  werden  —  abgesehen 
natürlich  von  den  zahlreichen  practische  zwecke  verfolgenden 
schul-  und  lehrbüchern,  zu  denen  auch  Beyers  dreibändige  Poetik 
gehört  —  kritisch  die  bisherigen  ansichteu  durchgenommen ,  um 
so  zu  einer  reineren  auflassung  zu  gelangen:  daiilr  gibt  uns  Baum- 
garls  Handbuch  ein  beispiel,  oder  es  wird  ein  neuer  construieren- 
der  aufbau  gegeben,  um  auf  grundlage  der  bisherigen  erkennt- 
uisse  sowie  eigener  einfalle  das  wesen  der  poetik  umzugestalten, 
was  in  Scherers  Poetik  der  fall  ist.  dabei  konmit  freilich  die 
zweite  methode,  welche  ganz  eklektisch  ist,  in  so  ferne  nicht 
zu  ihrem  rechte,  als  wir  kein  sorgfältig  ausgearbeitetes  werk, 
sondern  die  erste  flüchtige  skizze  des  nie  rastenden ,  überall  kühn 
einsetzenden  Verfassers  erhalten.  Baumgart  hat  auf  mehr  als 
700  grofj^en  seilen  mit  ruhe,  sicherer  Überlegung,  in  breiter  dar- 
steilung einige  hauptfragen  der  poetik  behandelt.  Scherer  dagegen 
auf  weniger  als  300  kleinen  seilen  mit  energischen  strichen  ein 
ganz  neues  Schema  der  poetik  geben  wollen ,  andeutend  für  eigene 
weitere  Untersuchung,  in  Schlagwörtern,  wie  es  einem  collegien- 
hefte  beim  ersten  entwürfe  natürlich  ist.  der  eine  lässt  uns 
langsam,  schritt  für  schritt  in  seine  weiter  greifenden  Unter- 
suchungen hineinblicken,  der  andere  hält  kurz  fest,  wie  weit 
seine  erkenniuis  gelangte. 

Baumgart  ist  ein  strenger  Aristoteliker,  er  fufst  auf  der  nach- 
ahmungs-  und  katharsistheorie,  mit  voller  absieht  wendet  er  die 
aristotelische  lermiuologie  an  und  behält  auch  in  seinen  selbstän- 
digen definitionen  die  ausdrucksweise  des  vaters  der  poetik  bei. 
leider  wird  dadurch  sein  stil  häutig  recht  schwerfällig,  sogar  un- 
deutsch, seine  resultate  gewinnt  er  auf  historisch  -  kritischem 
wege,  indem  er  fortwährend  ausblicke  nach  allen  seilen  eröffnet, 
wir  bekommen  nicht  auf  systematische  weise,  wie  sonst  in 
solchen  werken ,  definitionen  der  epik,  lyrik  und  dramatik,  und 
dann  die  Scheidung  der  einzelnen  epischen,  lyrischen  und  dra- 
A.  F.  D.  A.    XV.  17 


250  BAUMGART  HANDBUCH  DER  POETIK 

malischen  gattiingen,  ja  wir  werden  nicht  einmal  auf  dem  ge- 
biete der  poesie  festgehalten,  sondern  auch  auf  die  anderen  gebiete 
der  kuust  geführt,  sodass  uns  eigentlich  kein  'handbuch  der  poetik', 
sondern  ästhetisch -kritische  Studien  mit  hauptsächlicher  berück- 
sichtigung  der  poetik  vorliegen,  das  ist  kein  Vorwurf,  hat  es 
doch  der  verf.  im  vorwort  (s.  in  f)  selbst  ausgesprochen,  auch 
die  art  der  darstellung  lässt  sich  rechtfertigen,  zumal  durch  eine 
detaillierte  inhaltsangabe  und  ein  sorgfältiges  register  dem  nach- 
schlagenden reiche  behelfe  geboten  werden,  dagegen  könnte  man 
eine  gleichmäfsigere  berücksichtigung  der  ästhetischen  litteratur 
vermissen,  es  ist  auch  von  einer  seile  dem  verf.  daraus  ein 
Vorwurf  gemacht  worden;  allein  B.  setzt  sich  hauptsächlich  mit 
jenen  theoretikern  aus  einander,  deren  ansichten  eine  art  canon 
bilden  und  die  grundlagen  jeder  weiteren  forschung  sind.^  diese 
selbständige  prüfung  hat  also  gewis  ihre  berechligung,  es  fragt 
sich  nur,  ob  sie  überall  stich  hält. 

ß.  geht  von  der  Untersuchung  aus,  wie  viel  von  den  grund- 
legenden ansichten  Lessings  und  Schillers  über  die  dichtkunst 
noch  geltung  habe,  er  beginnt  mit  einer  krilik  der  hauptsätze 
aus  Lessings  Laokoon.  was  er  gegen  sie  einwendet,  lässt  sich 
am  besten  durch  Lessings  motto  schematisieren;  Lessing  citiert 
aus  Plutarch:  vh]  -acu  TQuitoig  i.iif.irjG€iog  öiacpeQOvoi,  B.  legt  den 
nachdruck  auf  den  fortgelassenen  nachsatz :  Te?.og  ö'  a/ii(fOT€goig 
£v  VTiÖY-ELtai.  er  glaubt  also,  Lessings  salze  gälten  wol  für  die 
vXri,  aber  nicht  für  die  gegenstände  der  nachahmung.  Lessing 
sagt:  die  maierei  stellt  kürper  dar,  die  poesie  handlungen,  die 
maierei  kann  handlungen  nur  andeutungsweise  durch  körper,  die 
poesie  körper  nur  andeutungsweise  durch  handlungen  darstellen. 
B.  dagegen  meint,  beide  maierei  wie  poesie  hätten  das  gemein- 
same ziel,  den  'seelischen  inhalt  zur  empfindung  zu  bringen' 
(s.  20).  er  führt  aus  (s.  21  f),  es  gebe  drei  grofse  hauplgruppen, 
nach  welchen  die  gegenstände  künstlerischer  nachahmung  zu 
classificieren  seien,  aufser  diesen  aber  keine  weiteren,  'zuerst 
die  einfachen  empf  indungen ,  die  der  Grieche  unter  dem 
gattungsbegriff  jcäd-og  begreift;  sodann  alles,  was  wir  als  ge- 
mütszu stände  oder  -Stimmungen,  und  seelen-  oder 
characterbeschaf  fen  heil  bezeichnen,  sammt  allen  dazwi- 
schen liegenden  abslufungen  und  übergangen,  wofür  wir  einen 
zusammenfassenden  gattungsbegriff  nicht  ausgeprägt  haben ,  was 
aber   insgesammt    unter    dem    griechischen    ausdruck   ri^^og   ver- 

*  icti  wf  ifs  sehr  wol ,  dass  diese  ansieht  durchaus  nicht  unbestritten 
ist;  Hartmann  zb.  im  historisch-kritischen  teil  seiner  Ästhetik  (Ausgewählte 
werke,  Berlin  1886,  bd.  in  s.  vii)  blickt  mit  süffisanter  Verachtung  auf  die 
popularästhetiker  "Winkelmann,  Lessing,  Herder,  Goethe,  Schiller,  WvHum- 
boldt,  Jean  Paul  herab,  er  findet  nicht  der  mühe  wert,  sich  mit  ihnen 
auch  nur  flüchtig  zu  beschäftigen,  und  doch  haben  besonders  Lessing  und 
Schiller  den  sinn  für  ästhetik  und  die  ästhetik  mehr  gefördert  als  viele  der 
'wissenschaftlichen  ästhetiker',  wie  sie  Harlmann  nennt. 


BAUMGART  HANDBUCH  DER  POETIK  251 

Standen  wird;  endlich  die  handlungen  im  innern  sinne  —  tiqü- 
Bftg  — .'  alle  drei,  näd^oq,  r^d-oo,,  yrgaBig,  könnten  direct 
überhaupt  nicht  dargestellt  werden,  sondern  nur  andeutungsweise, 
in  der  bildenden  kunsl  —  in  der  malerei  nach  Lessing  —  'ver- 
mittelst der  linien  und  färben,  durch  kör  per,  in  der  poesie 
vermittelst  der  succession  von  Worten,  durch  das,  was  man  mit 
Lessing  im  allerweitesten  sinne  (äufsere)  handlung  nennen 
mag.'  er  kommt  zu  dem  Schlüsse,  absolut  betrachtet  ständen 
die  beiden  künste  den  sämmllichen  drei  gegenständen  der  nach- 
ahmung  ganz  gleich  gegenüber,  relativ  dagegen  ergebe  sich 
aus  der  Verschiedenheit  ihrer  mittel,  dass  die  poesie  ganz  direct 
handlung  (jiqä^ig)  nachahmen  könne,  empfindung  und 
seelenz u stand  (rcäd-og  wnA  rid-og)  indirect  durch  handlungen; 
dass  umgekehrt  die  malerei  ganz  direct  empfindung  und 
seelenz u stand  (näd-og  und  riO-og)  —  und  er  widerholt  in 
klammer:  nicht  körperl  — ,  indirect  durch  jene  auch  hand- 
lung (jtQaiig).  er  läugnet  demnach  die  von  Lessing  voraus- 
gesetzte entsprechung:  körper  und  handlung;  er  bezeichnet  das, 
was  Lessing  den  gegenständ  der  nachahmung  nannte,  nur  als 
das  material  der  nachahmung  (vhi) ;  er  scheidet  zwischen  äufserer 
handlung,  auf  welche  allein  Lessings  kennzeichen:  'eine  folge 
von  Veränderungen'  passe,  und  innerer  handlung,  d.  i.  der  präg- 
nantesten ausprägung  der  characterbeschallenheit,  des  seelen- 
zustandes,  welcher  sich  in  einem  einzigen  augenblicke  verwiirk- 
lichen  könne;  er  behauptet,  dass  diese  innere  handlung  ebenso 
wol  von  der  bildenden  kunst  als  von  der  poesie  zum  gegen- 
stände der  nachahmung  gewählt  werden  könne  und  formuliert 
seinen  Widerspruch  gegen  Lessing  in  dem  satze:  die  bildende  kunst 
erziele  diese  nachahmung  vermittelst  der  darstellung  von  figuren 
und  körpern,  die  poesie  vermittelst  der  darstellung  einer  succession 
von  Veränderungen, 

Man  kann  nicht  bestreiten ,  dass  diese  polemik  gegen  Lessing 
scharfsinnig  ist.  trotzdem  halte  ich  sie  nicht  für  glücklich ,  denn 
deutlich  verschiebt  B.  den  ausgangspunct  völlig  und  bekämpft 
eigentlich  gar  nicht  mehr  Lessing,  wenn  Lessing  sagt,  die 
malerei  —  ich  behalte  diesen  ausdruck  absichtlich  bei  —  ahme 
körper  nach,  so  bezieht  er  sich  direct  auf  das,  was  wir  bei  der 
malerei  wahrnehmen  ,  er  handelt,  wie  wir  aus  einem  blatte  des 
nachlasses  sehen  (Hempel  6,  268)  von  den  zeichen  der  malerei 
und  nennt  diese  natürliche,  während  ihm  die  zeichen  der 
poesie,  die  artikulierten  töne,  nur  willkürliche  sind  (vgl. 
Scherer  Poetik  s.  240  ff).  betrachten  wir  zb.  Thorwaldsens 
Ganymed,  so  sehen  wir  allerdings  einen  marmorblock,  der  aber 
nach  den  formen  eines  körpers  verändert  ist.  wir  sehen  also 
einen  körper,  einen  menschen-  und  einen  tierkörper.  diese  zwei 
hat  Thorwaldsen  direct  nachgeahmt,  und  gar  nichts  anderes, 
alles    andere    schöpfen   wir  aus  unserer  kenntnis,  müssen   wir 

n* 


^52  BAUMGART  BANDBUCH  DER  POETIK 

durch  unsere,  freilich  vom  kUnsller  in  ihrer  lätigkeit  angeregte 
Phantasie  ergänzen.  Thorwaldsens  nachahmung  wird  direct 
gelungen  sein,  wenn  beide  körper  anatomisch  richtig  sind,  wenn 
uns  sein  werk  würklich  einen  jüngliug  voll  blühenden  lebens 
und  einen  adler  vorlührt,  der  aus  der  schale  nahrung  schlürft, 
das  ists  allein,  was  wir  sehen,  was  jeder  ohne  weitere  Vor- 
bereitung sieht,  wenn  er  äugen  im  köpfe  hat  und  weifs,  wie 
ein  Jüngling  und  wie  ein  adler  gestaltet  ist.  was  diese  Zusammen- 
stellung von  Jüngling  und  adler  will,  was  sie  bedeutet,  das  sehen 
wir  nicht  direct,  Thorwaldsen  konnte  es  nur  andeuten,  wir 
müssen  aus  einer  anderswoher  erworbenen  kenntnis  schöpfen, 
wir  können  in  unserer  deutung  fehl  gehen,  wir  können  den 
maier  misverstehen.  vver  kennt  nicht  die  statue,  welche  wir 
bisher  Venus  kallipygos  nannten?  nun  zeigt  es  sich  aber  (Heyde- 
mann  Jahrbuch  des  k.  deutschen  archäologischen  institutes  1887 
II  125  f),  dass  wir  darin  gar  keine  Venus  zu  erblicken  haben, 
sondern  eine  heläre,  welche  die  Schönheit  ihrer  rückseite  mit 
freudigem  lächeln  betrachtet,  was  hat  also  der  maier  nachgeahmt? 
vor  allem  den  körper  eines  schönen  weibes  in  einer  eigentüm- 
lichen Wendung  und  Stellung;  freilich  werden  uns  empfindung 
und  seelenzustand  an  diesem  körper  klar,  ob  wir  sie  Venus  oder 
eralQa  -^alXinvyoc,  nennen,  aber  ich  bin  überzeugt,  den  künstler 
reizte  zur  nachahmung  nicht  diese  empfindung  und  dieser  seelen- 
zustand, und  er  habe  sich  dieses  körpers  nicht  blofs  zur  nach- 
ahmung von  Ttdd-og  und  r^d^og  bedient,  sondern  gewis  lockte  es 
ihn,  diesen  körper  nachzuahmen,  empfindung  und  seelenzustand 
aber  kamen  für  ihn  erst  in  zweiter  iinie.  vielleicht  hat  derselbe 
künstler  dasselbe  modell,  dh.  denselben  schönen  körper  noch  ein 
zweites  mal  in  einer^  ganz  anderen  Stellung  mit  einem  ganz 
anderen  näd-og  und  rjd^og  nachgeahmt,  also,  was  der  künstler 
direct  nachahmte,  war  der  körper.  ihn  allein  findet  er  direct 
in  der  natur  vor,  sieht  ihn  vielleicht  niemals  in  dem  von  ihm 
dann  behandelten  Ttdd-og  und  rid-og,  welche  er  erst  hineinlegte, 
damit  wir  sie  verstehen  —  man  denke  nur  an  Hebbels  spott  in 
dem  epigramme  Monolog  eines  modelljägers  (Kuh  8,  136}  — ,  ja 
es  kann  fraglich  sein,  ob  wir  sie  recht  verstehen. 

Wenn  nicht  die  körper  gegenständ  der  nachahmung  für  den 
maier  wären,  wozu  legte  man  auf  seine  naturstudien  so  grofses 
gewicht  (vgl.  Kellers  Grünen  Heinrich),  wozu  würde  sich  der 
maier  vor  die  körper  hinsetzen  und  sie  nachzeichnen ,  nachformen, 
in  verschiedener  beleuchtung,  in  verschiedener  Stellung?  sollte 
dies  nur  zur  bildung  seiner  technik  geschehen?  allerdings  kann 
ihn  zb.  die  absieht  leiten,  einen  Ganymed  darzustellen;  aber  er 
wird  einen  jüngliug  hernehmen  und  seinen  körper  nachahmen, 
wenn  er  würklich  an  die  arbeit  geht,  ja  er  wird  nicht  eher  an 
die  arbeit  gehen,  ehe  er  ein  entsprechendes  modell,  einen  solchen 
jüngliug,  also  einen  solchen  körper  gefunden  hat.    was  er  nach- 


BAUMGART  HANDBUCH  DER  POETIK  255 

ahmt,  was  ihm  die  natur  direct  bietet,  ist  also  immer  nur  der 
kOrper,  und  Lessing  hat  daher  ein  recht  zu  sagen,  die  maierei 
ahme  körper  nach  und  handlungen  nur  andeutungsweise  durch 
körper.  wird  jeder  beschauer  von  Thorwaldsens  Ganymed  das- 
selbe Ttäd-og  und  rjO^og  heraussehen ,  wie  Hebbel  in  seinem 
gedichte  Thorwaldsens  Ganymed  und  der  adler  (Kuh  7,  226f)? 
wenn  nicht,  dann  wäre  nach  B.  Thorwaldsens  Ganymed  kein 
kunstwerk,  denn  er  hätte  ein  nad-og  und  ein  i^^og  nachgeahmt, 
das  im  werke  nicht  deutlich  würde.  B.  verwechselt  also  gegen- 
ständ und  zweck  der  nachahmung,  darum  scheint  mir  seine 
polemik  Lessing  nicht  zu  widerlegen. 

Betrachten  wir  die  allegorie  als  Vorwurf  für  die  maierei,  der 
maier  bezweckt  etwa  die  zeit  darzustellen,  gegenständ  seiner  dar- 
stellung  sind  jedoch  durchaus  nur  körper.  bekanntlich  hat  Bamler 
im  ersten  bände  der  Monatsschrift  der  academie  der  künste  und 
mechanischen  Wissenschaften  zu  Berlin  1788  'allegorische  per- 
sonen'  für  zwecke  der  bildenden  kunst  dargestellt,  s.  10  sagt 
er:  'die  zeit  wird  von  den  neueren  als  ein  alter  bärtiger  mann, 
geflügelt,  und  mit  einer  sense,  von  einigen  auch  mit  einem 
stundenglase  abgebildet.'  gegenständ  der  nachahmung  sind  also 
körper:  mann,  flügel,  sense,  Stundenglas;  zweck  der  nachahmung 
ist  die  zeit  darzustellen ,  was  nun  andeutungsweise  durch  diese 
körper  in  dieser  Zusammenstellung  geschieht.  Ramler  fährt  fort: 
'unter  dem  bilde  des  Saturnus,  den  man  aber  blofs  als  einen 
alten  mann  mit  einer  sichel,  ohne  Stundenglas,  und  mehrenteils 
ohne  flügel,  vorstellt,  wird  die  zeit  gleichfalls  angedeutet, 
stellt  man  den  Saturnus  geflügelt  und  zugleich  gefesselt  vor ,  wie 
man  ihn  bey  den  allen  abgebildet  hat,  so  kann  dieses  sehr  wol 
bedeuten,  dass  die  zeit  uns  oft  zu  langsam  und  oft  zu  hurtig  zu 
gehen  scheint.'  das  wäre  nun  deutlich  ein  i^S^og,  welches  nur 
andeutungsweise  durch  körper  dargestellt  erschiene,  gegenständ 
der  nachahmung  wäre  der  körper,  zweck  der  nachahmung  das 
ij^og.  strenge  genommen  könnte  die  maierei  nach  B,  durchaus 
nur  allegorien  geben,  in  so  ferne  dieselbe  immer  etwas  anderes 
darstellte,  als  sie  ausdrücken  wollte,  in  so  ferne  man  immer 
hinter  der  erscheinuug  etwas  anderes  sehen  müste  und  die  er- 
scheinung  nicht  verstehen  könnte,  ohne  dieses  andere  zu  kennen, 
wenn  wir  bei  Thorwaldsens  Ganymed  nicht  einen  Jüngling  und 
einen  adler  sehen  dürften ,  sondern  das  Ttad-og  und  rid^og, 
welches  der  künstler  nach  Baumgarl  nachgeahmt  hätte,  dann 
wäre  die  erscheinung  nichts  ohne  die  bedeutung;  dann  hätten 
wir  etwa  das  kunstwerk:  Venus  kallipygos  überhaupt  noch 
nicht  gesehen,  sondern  nur  die  vliq  der  nachahmung,  das  materiah 
ich  weifs,  dass  dies  nicht  B.s  ansieht  ist,  allein  dahin  kommen 
wir,  wenn  wir  seine  gedanken  bis  zu  ende  verfolgen  und  sie  so 
durchführen,  wie  er  selbst  die  ansichten  Lessings.  man  sieht, 
seine  theorie  ist  einseitig,  wie  die  Lessingsche,  sie  ist  aber  noch 


254  BÄÜMGART  HANDBUCH  DER  POETIK 

eiuseiliger  und   verdient  daher   nicht  den  Vorzug  vor   der  Les- 
singschen. 

Von  der  poesie  sagt  B.,  sie  könne,  was  relativ  ihre  mittel 
anlangt,  ganz  direct  —  innere  —  haudlung  (Ttgä^ig)  nachahmen, 
indirect  durchs  handlungeu  aber  empfindung  und  seelenzustand 
(Tiä-d-og  und  tjd-og).  er  macht  s.  23  fl"  die  probe  der  Lessing- 
schen  theorie  an  der  lyrik,  welches  gebiet  bekanntlich  weder  bei 
Lessinjf  noch  bei  Aristoteles  behandelt  ist.  er  findet  zb.  in 
Goethes  nachtlied  Über  allen  gipfeln  als  gegenständ  der  nach- 
ahmung  durchaus  das  beharrende,  nicht  eine  'folge  von  Ver- 
änderungen', wie  Lessing  die  handlung  definiert,  und  er  meint, 
gerade  dieses  'stationäre',  diese  'psychologisch-ethischen  zustände' 
seien  eine  der  hauptaufgaben  der  poesie.  'durch  die  sinnliche 
Vorstellung  des  schweigenden  waldes,  —  so  sagt  er  s.  23  f  — , 
zugleich  freilich  durch  die  wunderbare  macht  des  rhythmischen 
tonfalles,  ist  hier  in  unübertrefl'licher  weise  der  seelenzustand 
(das  ethos)  still,  fast  heiter  gefasster  ergebung(?)  in  den  todes- 
gedanken  nachgeahmt  und  zwar  in  einer  freundlichkeit  der  Stim- 
mung und  in  einem  reichtum  der  nüancen  —  die  durch  die 
aualogie  des  wunderschönen  bildes,  das  an  alle  sinne  zugleich 
sich  wendet,  mit  eins  gegeben  ist  —  wie  sie  keine  abstracte 
Schilderung  zu  wecken  vermöchte,  aber  wo  ist  hier  ein  moment 
der  Veränderung  oder  folge?  nicht  einmal  in  dem  angewandten 
bilde!  man  niiiste  denn  die  'folge'  und  damit  die  'handlung' 
darin  finden ,  dass  auf  die  Schilderung  des  coexistenten  bildes  die 
mit  dem  anblick  desselben  sich  verknüpfende  Stimmung  der  zeit 
nach  folgend  zur  erwähnung  gelangt;  aber  dann  wäre  in  allen 
derartigen  lyrischen  gedichten  ein  und  dieselbe  handlung,  —  ein 
gedanke,  den  man  Lessing  nicht  zutrauen  darf.'  abgesehen  davon, 
dass  nicht  'die  ergebung  in  den  todesgedanken'  nachgeahmt, 
sondern  die  hoffnuug  auf  ruhe  in  dem  gedichte  ausgesprochen 
ist,  müste  man  doch  auch  diese  'ergebung  in  den  todesgedanken' 
als  eine  handlung  bezeichnen,  was  war  nun  gegenständ  der 
nachahmung  in  Goethes  lied,  das  naturbild  oder  diese  handlung? 
unzweifelhaft  die  letztere,  die  darstellung  seines  gefUhls,  also 
seiner  Veränderung  beim  anblicke  des  naturbildes  ist  gegenständ 
seiner  nachahmung,  demnach  eine  handlung.  B.  freilich  be- 
zeichnet eine  Stimmung  wie  die  in  unserem  gedichte  festgehaltene 
als  etwas  stationäres,  'etwa  wie  ein  einzelner,  lang  ausgehaltener 
Ion  oder  accord.'  ist  aber  ein  ton  nicht  schon  ein  vibrieren, 
einer  reihe  von  Veränderungen  entsprechend?  auch  die  Stimmung 
ist  eine  gemütsbe wegung,  also  eine  handlung.  und  ist  das 
körperliche,  hier  der  schweigende  wald,  bei  Goethe  denn  nicht 
würklich  andeutungsweise  durch  handlung  dargestellt?  sollte  uns 
ein  maier  dasselbe  nachtbild  malen,  so  könnte  er  vielleicht  in 
uns  ein  ähnliches  gefiihl  wecken,  aber  er  könnte  dieses,  diese 
handlung,  nimmermehr  darstellen,    nachahmen  müste  er  das  natur- 


BAUMGART  HANDBUCH  DER  POETIK  255 

object,   also    den   körper,    und    nur   andeutungsweise  durch  den 
körper  die  liandluug.    B.  behauptet:  'ein  gedieht  wie  dieses  muss, 
wenn  der  rechte  künstler  sich  dazu  flnd^,  ganz  gemalt  werden 
können  M    es   ist   die   recht   eigentliche   aufgäbe   der  landschafts- 
malerei,  wenn  sie  nicht  lediglich  die  formen  der  natur  copiert, 
sondern  ihre  würkungen  nachzuahmen  trachtet,  ein  derartiges 
ethos,   wie    es  hier   in  den   Schlussworten    mit   der  Vorstellung 
des  geschilderten  bildes  verknüpft  wird ,   nachahmend  zu  erwecken 
und  diese  uachahmung  zu  ihrem  eigentlichen  gegenstände  und 
obersten  zwecke    zu    machen.'     hier  sieht  man  deutlich,    wie  B. 
zwei    dinge   durch  einander  wirft,    welche  Lessing   aus  einander 
hält:    gegenständ    und    zweck    der  nachahmung   sind  doch  nicht 
dasselbe,    der  maier  kann  direct  nur  die  körper  nachahmen  und 
andeutungsweise    durch    die    körper    die    handlung.      die    probe 
müssen  wir   so   machen,    dass    wir    fragen:    worin   äufsert   sich 
unsere,  des  geniefsenden  publicums,  mittätigkeit?  dasjenige,  was 
der   künstler   direct   darstellt,    wird    sich    auch    direct   auffassen 
lassen,  dasjenige  dagegen,   was  er  nur  indirect  dh.  andeutungs- 
weise darzustellen  vermag,  wird  die  ergänzende  tätigkeit  unserer 
Phantasie  erfordern,     bei    dem  gedichte  Goethes  werden  wir  die 
Stimmung    rein    erfassen,    es  fragt    sich   aber   sehr,   ob  wir  uns 
von  dem  naturbilde  (Gickelhahnaussicht)    eine  rechte  Vorstellung 
macheu.    bei  dem  bilde,  das  wir  uns  gemalt  denken  von  einem 
maier  gleich  grofs  wie  Goethe  als  lyriker,   werden  wir  rein  das 
naturbild  erfassen,    es   ist  aber  fraglich,    ob  es  in  uns  würklich 
die  vom  künstler  bezweckte  Stimmung  wecken  wird,    der  dichter 
kann  uns  die  Stimmung,    die  handlung,    darstellen,    den  körper 
nur   andeuten,    der  maier  kann    uns  den  körper  darstellen,    die 
Stimmung  (handlung)  nur  andeuten,    wir  kommen  also  auch  bei 
der    lyrik    und   der   landschaftsmalerei    mit  Lessings   Sätzen    aus, 
und  brauchen  gar  nicht  mit  ESchmidt  Lessing  ii  1,  30  für  hand- 
lung:   bewegung    zu    setzen,     was    wir   an  Wanderers    nachtlied 
sahen ,  gilt  auch  von  den  übrigen  Goetheschen  gedichten ,  welche 
B.  namhaft  macht:  An  den  mond,  An  Luna,  Auf  dem  see  usw. 
B.    scheidet   s.  25    für    beide    künste    einerseits    die    technischen 
mittel,    also    die   t'Ajj,    andererseits    gegenständ    und  zweck   der 
nachahmung,  während  wir  aus  einander  halten  müssen:  1)  gegen- 
ständ, 2)  zweck  und  3)  technische  mittel;  was  stellt  der  künstler 
dar,    weshalb    stellt   er   dar    und  wie    stellt    er  dar.     Lessing 
spricht  von  dem  was  und  dem  wie,  B.  von  dem  weshalb  und 
dem  wie,    für  das    er  auch  das  was  einsetzt;    er  bekämpft  also 
gar  nicht  Lessing  sondern  ein  phantom  (vgl.  s.  29). 

B.   bezeichnet   das  gedieht    An  den  mond  als  'coexistenz  in 
des  Wortes  strictester  bedeutung',  handlung  könnte  man  nur  darin 

*  der  ausdruck  ist  schief:  es  moste  heifsen ,  das  bild  eines  rechten 
künstlers  müste  dieselbe  Stimmung  zum  ausdruck  bringen  können  wie 
Goethes  gedieht. 


256  BAUMGART  HANDBUCH  DER  POETIK 

entdecken,  dass  'die  zeitlich  durchaus  coexistenten  Stimmungs- 
elemente in  succession'  vorgeführt  würden,  das  sei  aber  in 
jeder  Hallerschen,  Brockesschen  oder  Hoffmannswaldauschen  be- 
schreibung  ebenso  nachzuweisen,  aber  gerade  das  lied  An  den 
mond  gibt  eine  unendlich  manigfallige  reihe  von  leichten  Ver- 
änderungen der  Stimmung,  jeder  neue  zug  des  naturbildes  weckt 
eine  neue  nüance  der  Stimmung,  stellt  also  eine  handlung  dar. 
auch  von  der  lyrik  Goethes  gilt,  was  Hebbel  sehr  fein  dem  Goethe- 
schen  drama  nachrühmt  (Tagebücher  i  17):  'Goethe  zeichnet  die 
unendlichen  Schöpfungen  des  augenblicks,  die  ewigen  modifi- 
catiouen  des  menschen  durch  jeden  schritt,  den  er  tut,  dies  ist 
das  zeichen  des  genies.' 

Mir  will  nicht  einleuchten,  was  B.  als  schlusswendung  hin- 
stellt (s.  30  fj:  'Lessings  principielle  forderung,  der  dichter  solle 
nicht  malen,  wird  durch  Goethe  auf  jeder  seile  widerlegt;  wir 
lernen  von  ihm,  er  kann  malen,  also  soll  er  malen!'  das 
ist  nicht  richtig.  Goethe  malt  nicht  das  landschaftsbild,  sondern 
er  stellt  seine  Stimmung  dar,  nicht  das  naturbild  ist  gegenständ 
seiner  nachahmung,  sondern  das,  was  er  dabei  empfindet,  die 
Veränderung,  welche  in  ihm  vorgeht,  also  handlung.  malt  Goethe 
würklich  im  Nachllied  die  aussieht  vom  Gickelhabn?  er  tut  es 
nicht  einmal  in  dem  rohmaterial  zu  unserem  gedichte,  wenn  er 
am  6  September  1780  an  frau  von  Stein  schreibt  (Fielitz  i  265): 
Es  ist  ein  ganz  reiner  Himmel  und  ich  gehe  des  Sonnen  Unter- 
gangs mich  zu  freuen.  Die  Aussicht  ist  gros  aber  einfach.  — 
Die  Sonne  ist  unter.  Es  ist  eben  die  Gegend  von  der  ich  Ihnen 
die  aufsteigenden  Nebels  zeichnete  ietzt  ist  sie  so  rein  und  ruhig, 
und  so  uninteressant  als  eine  grose  schöne  Seele  wenn  sie  sich  am 
wohlsten  befindet.  —  Wenn  nicht  noch  hie  und  da  einige  Vapeurs 
von  den  Meulern  aufstiegen  wäre  die  ganze  Scene  unbeweglich. 

Und  au  die  schöne  Branconi  (ebenda  i  474):  Ihr  Brief  hätte 
nicht  schöner  und  feyerlicher  bey  mir  eintreffen  können.  Er  suchte 
mich  auf  dem  höchsten  Berge  im  ganzen  Lande,  wo  ich  in  einem 
Jagdhäuschen,  einsam  über  alle  Wälder  erhaben  und  von  ihnen 
umgeben  eine  Nacht  zubringen  wollte.  .  .  .  auch  hier  ist  die 
Stimmung  gegenständ  seiner  nachahmung.  damit  vgl.  man  nun 
etwa  folgende  sätze  aus  der  einleitung  zu  MScbmidts  roman  Die 
schwanjungfrau  (Ges.  werke  i  4):  Berchtesgaden  mit  der  ehemaligen 
fürstlichen  Probstei  und  den  prächtigen  Spitztürmen  seiner  Stifts- 
kirche selbst  liegt  auf  schluchtigen,  hügeligen  Halden,  deren  immer 
wechselnde  Gestaltimg  das  Auge  stets  von  neuem  fesselt.  Seine 
Häuser  kauern  malerisch  auf  den  Höhen  oder  verbergen  sich  ge- 
schämig in  den  Tiefen.  Die  Berghänge  rings  um  deyi  Markt  sind 
mit  saftigen  Wiesen  belegt  und  von  laub frischen  Buchen-  und 
Ahorngruppen  beschattet,  welche  hoch  hinauf  die  Gehänge  tannen- 
dunkler Vorberge  umsäumen,  aus  denen  rauschende  Bergwasser 
niedertosen   und   über  welche   im   flimmernden  Hochduft  rings   in 


BAUMGART    HAISDBÜCH  DER  POETIK  257 

der  Rnnde  die  imposante  Bergwelt  in  eigenartiger  Schönheit  empor- 
ragt, das  ist  nun  gemalt,  treulich  zug  um  zug,  wer  Berchtes- 
gaden  kennt,  sieht  es  leibhaltig  vor  sich,  es  ist  auch  versucht, 
den  forderungen  Lessings  durch  scheinbare  handlung  zu  genügen, 
trotzdem  stört  es  uns,  denn  hier  ist  körper:  gegenständ  der 
nachahmung.  wo  findet  dies  B.  bei  Goethe  ?  vgl.  ESchmidt  Lessing 
iil,  31ff. 

B.  wendet  sich  nun  zunächst  dem  beweise  zu,  dass  die 
würkuogen,  welche  die  dinge,  personen,  begebenheilen  in  unserer 
Seele  hervorbringen,  gegenständ  der  kunsl  überhaupt  seien;  aber 
er  verschiebt  das  ganze  wider,  indem  er  diese  würkuugen  s.  35 
strenge  genommen  für  etwas  subjectives,  von  uns  in  die  dinge 
hineingelegtes  hält;  nicht  die  naturobjecte  brächten  würkung  in 
uns  hervor,  sondern  unsere  fiction,  welche  ihnen  seelische  energie 
andichtet,  ist  dies  richtig?  wenn  das  kind  sich  an  der  tisch- 
kante anslöfst,  so  ist  die  erste  würkung  der  schmerz,  es  ist 
dann  ein  analogieschluss,  wenn  das  kind  den  tisch  'schlimmer 
tisch'  nennt  und  ihm  so  seelische  energie  andichtet,  diese  natur- 
beseelung  entspricht  allerdings  sowol  der  mythologie  als  der 
poesie,  was  ist  sie  aber  anderes,  denn  die  vollkräftigste  he- 
stätigung  der  Lessiugschen  theorie?  ein  naturbild,  wie  das  früher 
aus  Schmidt  citierte,  gibt  den  körper,  die  naturbeseelung  gibt 
die  handlung  und  in  so  ferne  widerlegt  sich  ß.  selbst,  und  sagt 
nicht  Lessing  von  Kleists  Frühling  6,  109,  Kleist  würde  bei  einer 
geplanten  Überarbeitung  'aus  einer  mit  empfindungen  nur  sparsam 
durchwebten  reihe  von  bildern  eine  mit  bildern  nur  sparsam 
durchflochtene  folge  von  empfindungen  gemacht  haben"?  hier  steht 
'folge  von  empfindungen'  wie  früher  'folge  von  Veränderungen', 
ein  zeichen,  wie  Lessing  handlung  in  der  lyrik  auffasste.  auch 
können  wir  lernen,  wie  er  'umsetzen  in  handlung'  verstand, 
was  B.  s.  45  anders  'beseelung'  nennt;  die  Verwandlung  der 
coexistenz  in  succession  bezeichnet  Lessing  ausdrücklich  als 
'kunslgriff'. 

Aus  der  ganzen  bisherigen  darlegung  wird  klar  geworden 
sein,  dass  B.  sich  bemüht,  die  nachahmungstheorie  mit  den  for- 
derungen des  idealismus  in  Übereinstimmung  zu  bringen,  darum 
spricht  er  nicht  so  sehr  von  der  mimesis  als  von  den  aufgaben 
der  mimesis,  darum  sieht  er  dieselbe  nicht  in  der  nachahmung 
der  würklichkeit,  sondern  in  der  nachahmung  ihrer  würkungen 
auf  die  seele,  darum  sagt  er  s.  59  ff  von  der  musik,  sie  ahme  vor- 
zugsweise ethos  und  nur  unter  bedingungen  auch  empfindungen, 
die  architectur  dagegen  ausschliefslich  das  ethos  nach,  deshalb 
aber  ist  sein  ausdruck  immerfort  schwankend:  einmal  sagt  er, 
die  kunst  ahme  nach,  dann  wider,  sie  erwecke  nachahmend  ein 
ethos;  er  richtet  sein  augenmerk  einmal  auf  das  wesen,  dann 
auf  die  würkung  der  kunst  und   spricht  in  einem  atemzuge  vom 


258  BAÜMGART  HANDBUCH  DER  POETIK 

abstracte  idealismus  Schellings  den  hellenischen  steinbau  als  'nach- 
ahmung  der  formen  eines  ursprünglichen  holzbaues'  bezeichnet, 
so  richtet  er  seinen  blick  sachgemäfs  nur  auf  den  gegenständ 
der  nachahmung  und  sagt  nichts  über  die  würkung  des  helle- 
nischen Steinhaus  (Sätnmtl.  werke  5,  579).  B.  dagegen  nimmt 
in  die  deünition  der  architectur  sogleich  die  nachahmung  der 
würkung  oder  die  nachahmende  würkung  auf;  er  sagt  etwa,  den 
Germanen  überkommt  in  seinen  Wählern  ein  ethos:  was  die  kunst 
so  im  leben  findet,  ahmt  sie  nach,  also  nicht  den  wald  sondern 
das  vom  Germanen  empfundene  ethos.  nun  fühlt  er  sehr  gut, 
dass  dieses  ethos  ein  anderes  sei  im  eichenwald  als  unter  palmen 
oder  den  cedern  des  Libanon;  ahmt  die  architectur  dieses  ethos 
nach,  so  kann  germanische  architectur  für  den  Griechen,  den 
Juden  keine  nachahmung  eines  ethos  sein  und  umgekehrt,  denn 
er  kennt  dieses  ethos  überhaupt  nicht;  die  germanische  archi- 
tectur wäre  für  den  Griechen  ebenso  wenig  eine  kunst  als  die 
griechische  für  den  Germanen,  das  ist  gewis  ein  absurdum, 
alle  diese  leicht  zu  häufenden  einwendungen  sollen  nur  darlegen, 
dass  auch  auf  dem  wege  B.s  eine  lösung  nicht  zu  finden  und 
dass  sein  nachweis,  alle  künste  stimmten  im  zwecke  (reXoq 
f,a/^ii]0£iüg)  überein  und  unterschieden  sich  nur  vXrj  v.a\  tq6- 
Ttoig  (.ui^irjoeiog,  keine  Widerlegung  Lessings  sei,  weil  dieser 
nur  vom  gegenstände,  nicht  vom  zweck  der  nachahmung  spricht. 
B.  confundiert  also  dinge,  welche  streng  aus  einander  gehalten 
werden  müssen  und  von  Lessing  auch  aus  einander  gehalten  werden. 

B.  nimmt  nun  einzelne  dichtungsgattungen  durch,  um  überall 
sein  princip  nachzuweisen;  ich  brauche  darauf  im  detail  nicht 
mehr  einzugeben  und  hebe  nur  hervor,  dass  seine  darstellung  — 
abgesehen  von  dem  princip  —  reich  ist  an  feinen  gedanken  und 
überzeugenden  ausführungen;  ich  begnüge  mich  bei  jenen  puncten 
zu  verweilen,  welche  zum  Widerspruche  reizen,  möchte  dabei 
aber  den  schein  vermeiden,  als  wollte  ich  an  dem  werke  blofs 
kritteln;  jeder  leser  wird  demselben  vielfache  förderung  danken 
und  es  mit  grofsem  nutzen  studieren ,  auch  der  lernende  wird 
gröfseren  gewinn  daraus  ziehen,  weil  er  nicht  fertige  definitionen 
erhält,  sondern  die  umsichtigen,  philosophisch  strengen  ent- 
wickelungen  derselben,  er  wird  zuerst  in  die  gränzgebiete  der 
verschiedenen  dichtungsarten  eingeführt,  um  so  allmählich  die 
hauptgattungen  sich  scheiden  zu  sehen. 

ß.  betrachtet  vor  allem  die  lyrisch -epischen  gedichte,  bal- 
laden  und  romanzen,  und  erweist  den  grundverschiedenen  cha- 
racter  der  Schillerschen  und  Goetheschen  balladen.  wenn  er  es 
auch  nicht  mit  dürren  worten  sagt,  so  empfängt  man  doch  den 
eindruck,  dass  zwischen  beiden  die  gränze  von  epik  und  lyrik 
hindurchgeht;  wir  werden  scheiden  müssen  zwischen  der  epischen 
und  der  lyrischen  bailade,  für  welche  wir  keine  verschiedenen 
namen  haben,    in  Schillers  balladen  überwiegt  der  epische  cha- 


BALMGART  HANDBUCH  DER  POETIK  259 

racter,  ja  es  tritt  sogar  häufig  genug  ein  didactisches  element 
hinzu,  in  Goethes  balladeu  finden  wir  das  lyrische  moment  vor- 
hersehend, es  wäre  trotzdem  verkehrt,  wenn  wir  nun  Schillers 
baliaden  dem  epos  und  die  Goetheschen  der  lyrik  zurechneten, 
denn  jene  enthalten  mehr  lyrisches  als  etwa  die  versificierte  er- 
zählung,  diese  mehr  episches  als  etwa  ein  lied  mit  situalions- 
eingang.  1  man  könnte  von  lyrisch-epischer  und  episch-lyrischer 
dichtung  sprechen,  am  besten  freilich  wären  eigene  namen  für 
beide  gattungen;  die  Scheidung  von  baliaden  und  romanzen  liefse 
sich  so  treffen,  wenn  man  nur  nicht  vergäfse,  dass  man  dabei 
willkürlich  vorgeht,  ohne  die  entstehung  dieser  beiden  ausdrücke 
zu  berücksichtigen,  ich  habe  schon  Anz.  xiv  165  ff.  190  f  sowol 
gegen  Dederich  als  gegen  B.  die  ansieht  vertreten,  dass  bisher 
ein  unterschied  zwischen  romanzen  und  baliaden  nicht  bestehe; 
aber  sehr  wol  konnten  wir  übereinkommen  —  ich  handle  also 
nicht  de  lege  lata,  sondern  de  lege  ferenda,  wie  die  Juristen 
sagen  — ,  die  lyrisch -epischen  gedichte  romanzen,  die  episch- 
lyrischen dagegen  baliaden,  oder  jene  mit  benulzung  eines  glück- 
lichen einfalls  von  Dederich  mären,  diese  baliaden  zu  nennen; 
es  wäre  gut,  weil  dadurch  eine  Verwechselung  zweier  wesent- 
lich verschiedener  gattungen  vermieden  würde,  märe  wäre  die 
darstellung  eines  ereignisses,  um  eine  Stimmung  zu  erzeugen, 
ballade  die  darstellung  eines  in  Stimmung  aufgelösten  ereignisses, 
das  lyrische  gedieht  mit  situationseiugang  die  darstellung  einer 
Stimmung  in  erzählender  einkleidung.  in  der  märe  würde  das  er- 
lebnis  —  das  ist  hier  das  ereignis  —  festgehalten  und  daran  eine 
Stimmung  entwickelt,  oder  das  erlebnis  stimmungsvoll  dargestellt, 
in  der  ballade  das  erlebnis  als  träger  einer  Stimmung  dargestellt, 
und  im  lyrischen  gedichte  mit  Situationseingang  eine  Stimmung 
unter  andeutung  des  erlebnisses.  im  epos  wird  das  ereignis  und 
zwar  als  abgeschlossenes,  im  Hede  die  Stimmung  eines  erlebnisses 
dargestellt,  so  scheiden  sich  also  märe  und  ballade  von  epos 
und  lyrik.  die  märe  nutzte  darnach  für  die  darstellung  eines 
epischen  stotles  die  lyrischen  darstellungsformen ,  die  ballade  für 
einen  lyrischen  stoff  die  epischen  darstellungsformen;  das  lyrische 
gedieht  mit  situationseiugang  geht  von  der  darstellung  eines  epi- 
schen zu  der  eines  lyrischen  Stoffes,  die  poetische  erzählung  mit 
Stimmungseingang  von  der  darstellung  eines  lyrischen  zu  der 
eines  epischen  Stoffes  über  (vgl.  zb.  Bürgers  gedichte:  Die  weiber 
von  W'einsberg,  Das  lied  vom  braven  manne  udgl.).  freilich 
würden  damit  noch  nicht  alle  mischungen  erschöpft. 

Diese  scheidung  wäre  zu  machen,  da  auch  bei  B.  ganz  ver- 
schiedenes durch  einander  gewürfelt  wird;  er  nennt  s.  72  einige 
Strophen  Bertran  de  Borns  romanzen,  während  es  lyrische  ge- 
dichte sind,   s.  73   definiert    er   'die  romanze:    die  in  liedartiger 

*  diesen  ausdruck,  den  ich  in  meinem  buche  Physiologie  der  lyrik  be- 
gründen werde,  schlage  ich  vor  in  die  poetik  aufzunehmen. 


260  BAUMGART  HANDBUCH  DER  POETIK 

haltung  vermittelst  der  andeiitiiog  eines  Vorganges,  der  umrisse 
einer  handking  erfolgte  nachahmung  jenes  romantischen  ethos.' 
nach  dieser  definition  wären  etwa  Scheffels  gedichte  durchaus 
romanzen,  zb,  sein  Vogt  von  Teneberg,  sein  Chrestiens  de  Troies. 
alle  rein  lyrischen  gedichte,  welche  siluationseingang  haben, 
wären  romanzen,  wenn  ein  romanisches  ethos  behandelt  ist,  also 
viele  lieder  Uhlands.  sehen  wir  keinen  unterschied  zwischen 
Uhlands  gedichten  von  Roland  und  von  Eberhard?  und  sind  diese 
kein  cyclus?  s.  75  läugnet  B.  die  möglichkeit,  dass  aus  dem 
romanzencyclus  ein  epos  hervorgehe,  entspricht  dies  aber  den 
tatsachen  in  Frankreich  und  England?  hat  es  würklich,  wie  s.  75 
gleichfalls  behauptet  wird,  nie  einen  balladencyclus  gegeben? 
könnte  man  nicht  Ossian  so  nennen?  s.  76  endlich  kommt  B. 
dahin,  seinem  principe  zu  liebe,  der  blofsen  poetischen  erzählung, 
'und  wenn  es  die  gelungenste  ist',  nur  einen  geringeren  rang 
zuzuschreiben  neben  der  echten  bailade  und  romanze,  also  nach 
s.  74  Schillers  Kampf  mit  dem  drachen,  nach  s.  70  den  Grafen  von 
Habsburg,  nach  s,  66  die  reihe  Bürgschaft ,  Ring  des  Polykrates, 
Kraniche  des  Ibycus  hintanzustellen  etwa  der  'romanze'  Rudello 
gegenüber;  diese  einseiligkeit  erzeugt  die  Iheorie  von  der  nach- 
ahmung eines  ethos  1 

Im  anschluss  daran  behandelt  B.  nun  die  reflexionsdichtung, 
nicht  als  ob  er  sie  für  eine  gattung  gleich  ballade  und  romanze 
ansähe,  sondern  weil  auch  auf  diesem  gebiete  die  gränzen  sehr 
unsicher  und  schwankend  sind,  hier  tritt  er  mit  warmen  worten 
für  Schillers  gedankenpoesie  ein  und  scheidet  wider  sehr  fein 
die  weise  Schillers  von  jener  Goethes,  Vorzüge  wie  nachfeile  bei- 
der erwägend,  er  sieht,  wie  Goethe  von  der  anschauung  zur 
abstraction,  Schiller  dagegen  vom  gedanken  zur  dichterischen 
production  gelangt,  aber  der  unterschied  liegt  nicht  in  der 
methode  des  dichtens,  sondern  im  wesen  des  dichters,  welches 
ihn  notigt,  das  erlebnis,  hier  ein  gedankliches,  einmal  bis  zur 
symbolischen  anschauung,  das  andere  mal  bis  zur  hohe  der  ab- 
straction zu  führen.  Goethe  stellt  auch  hier  die  feinen  Ver- 
änderungen, Schiller  das  fertige  dar,  das  sich  nun  erproben  soll. 
B.  spricht  dann  von  Goethes  'allegorischen'  dichtungen,  scheint 
mir  aber  dabei  ganz  fehl  zu  gehen,  er  meint  (s.  95),  eine  alle- 
gorische dichtung,  wie  er  sie  definiert',  entspreche  völlig  der 
natur  der  poesie,  denn  sie  tue  zunächst  auch  ohne  den  gedanken 
an  das  allgemeine  durch  die  blofse  darstellung  des  besonderen 
ihre  würkung;  ausdrücklich  sagt  er:  'wer  jedoch  dieses  besondere 
lebendig  erfasst,  erhält  zugleich  das  allgemeine  mit,  sogar  viel- 
leicht ohne  es  zunächst  gewahr  zu  werden',  wir  sehen 
augenblicklich,  dassB.  zwar  vom  allegorischen  spricht,  aber  dabei 
das  im  sinne  hat,  was  wir  mit  Goethe  das  symbolische  nennen 
(Sprüche  in  prosa  19,  83);  er  kommt  s.  193  ff  auch  auf  die  Sym- 
bolik, erreicht  jedoch  nicht  die  zu  verlangende  klarheit.    auf  die 


BAÜMGART  HANDBUCH  DER  POETIK  261 

frage:  'was  ist  das  allgemeine?'  antwortet  Goethe  (19,  195):  'der 
einzelne  fall'.  das  symbolische  ist  ihm  jenes  besondere,  an 
welchem  zugleich  die  fülle  der  erscheinungen,  dh.  das  allgemeine, 
zu  tage  treten  kann;  Fausts  Verhältnis  zu  Gretchen  ist  ein  sym- 
bolisches, denn  es  ist  für  uns  zugleich  das  typische  liebesver- 
hällois,  es  eröffnen  sich  uns  ausblicke,  au  die  vielleicht  oder 
wahrscheinlich  der  dichter  selbst  nie  gedacht  hat.  das  allegorische 
dagegen  ist  immer  nur  die  maske  eines  anderen,  das  wir  kennen 
müssen,  um  die  bedeutung  der  maske  zu  erfassen,  wenn  wir 
B.  folgen ,  müsten  wir  den  ausdruck  allegorie  ganz  anders  fassen, 
als  wir  uns  gewöhnt  haben,  während  der  Goethesche  ausdruck, 
das  symbolische,  nun  allgemein  geläufig  ist.  setzen  wir  bei  B. 
überall  statt  der  echt  künstlerischen  allegorie  den  ausdruck  'das 
symbolische'  ein,  so  ist  alles  in  seiner  darstellung  anzunehmen, 
so  ist  Mahomets  gesaugt  ein  symbolisches,  kein  allegorisches 
gedieht;  wer  unter  dem  ströme  Mahomet  nicht  versieht,  auch 
nicht  Goethe  oder  allgemein  das  geuie,  bekommt  doch  einen 
vollen  eindruck,  noch  wichtiger  ist  dies  bei  Adler  und  taube, 
hier  geht  B.  mit  seiner  deutung  ganz  fehl;  er  sieht  im  adler 
Goethe,  im  taubenpar  Herder  und  Caroline,  'als  er  in  Darmstadt 
ein  häufiger  au^enzeuge  des  idyllischen  und  sentimental-zärtlichen 
liehesgeländels  zwischen  Herder  und  seiner  braut  war',  und  be- 
zieht alles  auf  die  Sessenheimer  liebe,  an  diesem  beispiel  er- 
kennt man,  wohin  ein  allegorisches  deuten  führt,  ich  nenne 
das  gedieht  symbolisch,  trotzdem  es  eine  fabel  ist  und  durch 
die  Schlusswendung  auf  ein  hinter  der  erscheinung  liegendes 
hinweist,  aber  diese  erscheinung  hat  leben  für  sich,  und  zwar  so 
viel,  dass  sich  mit  ihr  keine  deutung  vollständig  deckt:  es  ist 
eine  symbolische  fabel.  vergleichen  wir  mit  ihr  Schillers  satiri- 
sches gedieht  Pegasus  im  joche,  so  sehen  wir,  dass  hier  von 
allem  anfang  an  für  den  pflügenden  gaul  der  Pegasus  als  alle- 
gorie des  dichters  eingesetzt  werden  muss,  weil  sonst  das  gedieht 
nicht  verstanden  wird,  man  könnte  sagen:  bei  Goethe  ein  würk- 
licher  adler  und  würkliche  tauben,  bei  Schiller  ein  allegorisches 
pferd,  der  Pegasus.  dasselbe  gilt  von  den  Goetheschen  epi- 
grammen ,  welche  B.  allegorische  nennt  (s.  130  ff),  sie  sind  sym- 
bolische, während  etwa  Herders  epigramm  Die  trichternasen 
durchaus  der  deutung  bedarf,  also  allegorisch  ist.  dieser  unter- 
schied geht  durch;  mich  wundert,  dass  B.  nicht  davon  gebrauch 
macht.  ^ 

B.  betrachtet  die  satirisch  -  humoristische  poesie  als  eine  ab- 
zweigung  der  gnomischen,  in  so  ferne  sie  den  gedanken  als  das 
die   nachahmung   bewürkende  medium  nimmt;    unterschieden  ist 

*  irrtümlich  ist  der  ausdruck  s.  96,  Goethe,  der  dichter  des  Götz  und 
Werlher,  habe  das  ethos  dieses  gedichtes  empfunden;  1773  war  der  Werther 
noch  nicht  verfasst. 

2  Harlmann  sagt  statt  symbolisch:  mikrokosmisch.  vgl.  JVolkelt  Der 
symbolbegriff  1876  und  FVischer  Das  symboi  1887. 


262  BAUMGART  HANDBUCH  DER  POETIK 

sie,  dass  sie  das  naclizuahmende  ethos  diircii  die  ideelle  Vorstel- 
lung seines  widerspiejs  zu  erzeugen  strebt  (s.  103).  jedesfalls 
will  sie  uns  etwas  zeigen,  sie  will  auf  etwas  ungehöriges  hin- 
weisen und  dadurch  das  richtige  kennen  lehren ;  sie  fällt  also 
unter  die  didactische  oder  besser  gesagt  die  reflexionspoesie,  für 
welche  ich  Anz.  xiv  169  den  namen  sinnende  oder  nachsinnende 
lyrik  vorgeschlagen  habe;  das  gedankenelement  ist,  in  so  fern 
es  in  die  poesie  hineingebort,  nur  der  stoff,  nicht  der  zweck 
der  darstellung,  jener  muss  auch  an  sich  volles  eigenes  leben 
haben,  dieser  nur  nebenher  erreicht  werden,  alles  was  B.  an- 
führt, bestätigt  diese  meinung;  besonders  verweise  ich  auf  die 
s.  106  ff  sehr  richtig  getroffene  Unterscheidung  zwischen  den 
einzelnen  darstellungsmitteln.  in  der  einen  sind  die  fehler,  in 
der  anderen  die  schwächen  gegenständ  der  nachahmung. 

]Nun  wird  B.  folgerichtig  auf  das  epigramm  geführt,  wenn 
wir  uns  fragen,  was  ist  die  erregende  grundlage  des  epigramms, 
was  erlebt  der  dichter  für  ein  epigramm,  so  werden  wir  auf 
etwas  anderes  geführt,  als  etwa  bei  der  reinen  lyrik.  bei  dieser 
wird  sein  gefühl,  bei  jener  sein  verstand  erregt  worden  sein, 
in  dem  einen  falle  spreche  ich  von  erlebnis  im  engeren  sinne 
des  Wortes,  unabhängig  von  dem  dichter  bringt  etwas  würkung 
auf  ihn  hervor,  er  erlebt  etwas;  in  dem  anderen  falle  spreche 
ich  vom  gedankenerlebnis,  das  ein  erlerntes  ist,  in  so  fern  alles 
erweitern  unserer  erfahrung  ein  erlernen  ist.  beim  Stimmungs- 
gedicht bildet  den  samen,  der  in  die  phantasie  des  dichters  fällt, 
ein  gefühls-,  in  dem  epigramm  zb.  ein  gedankenerlebnis.  dann 
würken  beide  im  Innern  des  dichters  gleichmäfsig  fort,  bliebe  das 
gedankliche  ohne  weiteres  umbilden,  dann  entstünde  kein  ge- 
dieht, sondern  ein  gedankenprocess,  wie  dagegen  die  phantasie 
zu  spielen  beginnt  und  das  erlernte  umformt,  zieht  sich  der  ver- 
stand zurück,  aus  der  tätigkeit  des  Verstandes  wird  die  speciell 
dichterische,  ich  habe  schon  in  der  Deutschen  dichtung  iii  208 
das  werden  eines  epigramms  dargestellt,  kann  also  darauf  ver- 
weisen, man  sieht  auch,  wie  auf  diesem  wege  vom  epigramm 
die  'scientifischen  Wahrheiten'  ausgeschlossen  werden,  was  bei 
Lessings  definition  nicht  klar,  und  auch  in  B.s  polemik  gegen 
dieselbe  nur  nebenbei  geschieht  (s.  119).  und  dann  erklärt  sich 
bei  meiner  art  der  betrachtung  mancher  fehler,  welchen  B.  richtig 
bemerkt,  das  gedankliche  muss  im  gedichte  ganz  ebenso  auf- 
gearbeitet werden ,  als  das  erlebte,  dh.  es  muss  der  einzelne  fall 
alles  dessen  entkleidet  werden,  was  ihn  zu  einem  singulär  würk- 
lichen ,  aber  nicht  zu  einem  wahren  macht,  bevor  dies  nicht 
geschehen  ist,  kann  das  gedieht  —  ob  seine  grundlage  nun  ein 
gefühl  oder  ein  gedanke  war  —  noch  nicht  als  fertig  bezeichnet 
werden,  es  bleibt  eine  frühgeburt;  das  zeigt  sich  bei  jedem 
dichter  in  jedem  falle  vornehmlich  darin,  dass  der  titel  ein  inte- 
grierender  bestandteil   des   gedichtes  wird  (vgl.  Scherer  s.  254). 


BAUMGART  HANDBUCH  DER  POETIK  263 

dag  ist  also  durchaus  nichts  dem  epigramm  eigentümliches.  Heines 
gedieht  aus  den  Jungen  leiden  (Elster  1,  31  Ich  wandelte  unter 
den  bäumen)  gibt  ein  beispiel  für  das  rein  lyrische  gebiet;  es  hat 
zwar  jetzt  keinen  titel  mehr,  früher  aber  hiefs  es  Liebe  (so  in 
der  hs.),  Das  wörtlein  liebe  (so  in  der  ausgäbe  von  1822),  und 
dieser  titel  fehlt  in  gewissem  sinne,  wir  kommen  nicht  zum 
vollen  genuss,  wie  denn  überhaupt  das  gedieht  formell  nicht 
zu  den  gelungenen  zählt,  ganz  ebenso  müssen  wir  den  titel 
kennen,  um  Herders  epigramm  An  das  crucifix  im  consistorium 
ganz  zu  verstehen,  nur  ist  dieser  rest  des  würkung  hervor- 
rufenden erlebnisses  beim  epigramm  leichter  zu  entschuldigen, 
wenn  wir  es  als  aufschrift  fassen,  die  erwartung  wird  durch 
den  platz  hervorgerufen ,  auf  dem  es  würklich  oder  vorgeblich 
geschrieben  steht,  zahlreich  sind  die  beispiele  dieser  art  in  den 
Xenien.  die  erklärung  B.s  trifft  nicht  zu,  wenn  er  sagt  (s.  131), 
die  Überschrift  diene  nur  dazu ,  den  an  sich  in  dem  gedichte  voll- 
ständig gegebenen  inhalt  und  die  deutlich  erkennbare  allgemeine 
anwendung  durch  speciellen  hinweis  auf  einen  einzelnen  fall  zu 
individualisieren,  in  dem  xenion  Der  prophet  zb.  Schade,  dass 
die  Natur'  nur  Einen  Menschen  ans  dir  schuf,  Denn  zum  würdigen 
Mann  war  und  zum  Schelmen  der  Stoff  ist  das  erlebnis  Lavater; 
der  dichter  strebte  es  zu  verallgemeinern  und  nennt  es  Der  prophet, 
ohne  jedoch  etwa  ein  urteil  über  alle  propheten  aussprechen  zu 
wollen,  die  Überschrift  ist  ganz  wie  bei  Herder  ein  integrierender 
bestaudteil  und  so  in  der  überwiegenden  mehrzahl  der  Xenien. 
aber  hier  sehen  wir  zugleich,  dass  die  dichter  bestrebt  sind, 
ihren  epigrammen  symbolische  bedeutung  zu  geben,  indem  sie 
ihren  gegenständ  von  personen  hernehmen,  welche  als  typische 
repräsentanten  ganzer  richtungen  angesehen  werden  kiinnen. 

Nicht  weniger  bei  der  fabel  werden  wir  abermals  auf  das 
symbolische  gewiesen,  die  Lessingschen  fabeln  beweisen  dies 
schon  zur  genüge,  sie  sind  durchaus  symbolische  erzählungen, 
und  alle  fabeln  müssen  so  beschaffen  sein  oder  sie  gehören  nicht 
in  das  gebiet  der  dichtkunst.  und  falls  man  dies  im  sinne  hat, 
dann  wird  man  auch  Lessings  definition  der  fabel  nicht  mehr 
misverstehen ,  wenn  er  sie  die  darstellung  eines  einzelnen  falles 
nennt,  von  welchem  sie  gerade  so  viel  und  nicht  mehr  erzähle, 
als  hinreiche,  den  allgemeinen  moralischen  satz  anschauend  er- 
kennen zu  lassen.  B.  stufst  sich  an  dem  'erkennen'  (s.  162)  und 
kommt  zu  dem  Schlüsse  (s.  169),  dass  die  fabel  nachahmung 
einer  handlung  durch  erzählung  einer  handlung,  also  episch  sei, 
wobei  tiere  als  handelnde  personen  auftreten;  er  nimmt  also  den 
von  Lessing  bekämpften  satz  wider  auf.  denken  wir  uns  die 
entstehung  einer  fabel.  wovon  geht  der  dichter  wol  aus?  ist 
das  erlebnis  ein  Vorgang  des  tierlebens  oder  nicht?  darauf  wird 
es  jedesfalls  ankommen,  ich  glaube,  zwei  möglichkeiten  werden 
eintreten,     entweder  wird  ein  Vorgang  im  tierleben  dem  dichter 


264  BAUMGART  HANDBUCH  DEK  POETIK 

die  ähnlichkeit  mit  dem  menschenleben  nahe  legen  —  dies  wird 
aber  jedest'alls  der  seltenere  fall  sein  — ,  oder  für  einen  Vorgang  im 
menschenlehen,  der  ihn  mächtig  erregt,  wird  er  einen  vergleich 
finden  in  der  tierwelt  oder  in  der  loten  natur.  immer  wird 
das  wesentliche  das  [jarallelisieren  sein;  der  dichter  wird  aus- 
gehen von  einem  vergleich,  von  einer  kurzen  fassung  seines 
eindrucks,  wie  auch  in  derlyrik,  aber  diese  kurze  fassung  wird 
eine  reflexion  und  allgemein  ein  erfahrungssatz  sein,  für  diesen 
erfahrungssatz  wird  die  erzählung  die  einkleiduug.  der  gute 
dichter  »vird  sie  künstlerisch  gestalten  uud  symbolisch  darstellen, 
er  wird  aber  von  einer  deutung  seines  symbolischen  geleilet, 
ohne  sie  uns  aufdrängen  zu  wollen,  der  ausgaugspunct  ist  ein 
vergleich,  eine  parallelisierung,  welche  einen  erfahrungssatz  ent- 
hält und  in  einer  symbolischen  erzählung  dargestellt  wird.  B. 
knüpft  an  Grimms  idee  von  der  entartenden  auflösung  eines  ur- 
sprünglichen (indogermanischen?)  tierepos,  einer  liersage  (vgl. 
s.  215  f)  in  lierfabeln  wider  an,  verwirft  mit  ganz  ungenügender i 
begründung  (s.  158  f  anm.)  Scherers  Widerlegung  und  lässt  sich 
von  dieser  idee  bei  seiner  betrachlung  der  fabel  leiten;  aber  selbst 
abgesehen  hiervon,  zeigt  er  misverständnisse.  wer  wird  denn 
den  mittelalterlichen  Reineke  eine  fabeldichtung  nennen,  es  ist 
ein  epos  voll  naiver  und  naiv  satirischer  freu  de  an  den  vor- 
getragenen streichen,  es  ist  ein  komisches  epos,  das  sonst  im 
deutschen  ma.  so  wenig  vertreten  war,  und  vergleicht  sich  in 
seiner  entstehung  durchaus  dem  Pfaflen  Amis;  aus  schwanken 
über  liere  wie  über  pfaPFen  setzen  sich  die  komischen  epen  zu- 
sammen, wir  haben  es  also  hier  nicht  mit  fabeln  zu  tun. 2    und 

'  B.s  gründe  sind  nur  eine  folge  mangelhafter  kenntnis;  er  hält  es  für 
undenkbar,  dass  'die  ganze  ungeheure  bereicherung  der  tiersage  im  13  jh. 
der  bewusten  kunsttätigkeit  einzelner  dichter  zu  danken  sei';  er  meint,  wir 
würden  unser  Nibelungenepos  ähnlich  auffassen,  wenn  uns  nicht  zufällig 
spärliche  künde  früherer  entwickelungsstadien  erhalten  wären;  da  dergleichen 
für  die  tiersage  nicht  vorhanden  sei,  müsse  notwendig  die  Grimmsche  hypo- 
these  aufgestellt  werden,  als  parallele  der  neuen  zeit  führt  er  an:  'hätten 
die  brüder  Grimm  die  Sammlung  der  deutschen  Volksmärchen  nicht  unter- 
nommen ,  auf  ein  wie  dürftiges  mafs  würde  schon  heute  die  künde  von 
diesem  reichen  poetischen  besitz  unseres  volkes  reduciert  sein',  man  sieht, 
diese  parallele  klärt  gar  nichts  auf,  als  dass  eine  Sammlung  der  vorhandenen 
schätze  von  grofsem  segeii  ist.  wir  können  aber  ex  silentio  über  die  tier- 
sage genügend  urteilen,  gerade  weil  ältere  nachrichten  über  sie  nicht  vor- 
handen sind,  obwol  wir  nachrichten  über  die  heidnischen  sagen  besitzen: 
weil  der  norden  nichts  von  einer  tiersage  weifs ,  hat  es  keine  solche  ge- 
geben, der  satz,  welchen  B.  spöttisch  anführt,  qiiod  non  est  in  actis,  non 
fuil  in  mundo  trifft  dabei  gar  nicht  zu;  wir  sehen  ja  vor  unseren  äugen 
die  erweiterung  der  tierfabeln  zum  komischen  tierepos  sich  vollziehen;  wir 
haben  ein  par  ältere  Zeugnisse,  aber  nicht  für  die  tiersage,  sondern  für  die 
tierfabel,  es  ist  also  auch  in  actis,  was  in  mundo  fuit  und  für  Grimms 
hypotliese,  so  poetisch  sie  ist,  liegt  keine  notwendigkeit  vor.  übrigens 
hält  B.  an  ihr  nur  fest,  weil  sie  ihm  zu  seiner  theorie  passt,  es  ist  eine 
petitio  principii. 

-  B.  wird  auf  anderem  wege  dann  s.  223  dazu  gebracht,  die  tierfabel 
der  galtung  nach  zum  komischen  epos  zu  rechnen. 


BAUMGART  HANDBUCH  DER  POETIK  265 

B.  nennt  alles  allegorie,  was  uns  ualurbeseelung  heifst  (vgl. 
s.  175  fr),  aber  er  reicht  mit  der  annähme  von  allegorie  im 
einzelnen  keineswegs  aus,  denn  wenn  er  ans  deuten  geht,  dann 
beginnt  er  zu  fragen,  zu  zweifeln,  ein  zeichen,  dass  entweder 
die  allegorie  verfehlt,  oder  die  auffassung  als  allegorie  verwerf- 
lich ist  (s.  177  ff). 

Die  gröste  ähnlichkeit  mit  der  fabel  hat  die  parabel.  trotz- 
dem fallen  die  beiden  gattungen  nicht  zusammen;  auch  die  pa- 
rabel entsteht  ähnlich  wie  die  fabel  —  hierin  stimme  ich  mit  B. 
s.  182  überein  — ,  aber  während  der  symbolische  character  der 
fabel  an  sich  schon  die  frage  beantwortet,  weshalb  der  dichter 
die  erzählung  der  fabel  vorträgt,  würden  wir  nicht  wissen,  weshalb 
die  erzählung  einer  parabel  stattfindet,  wenn  es  der  dichter  nicht 
ausdrücklich  sagte,  die  parabel  ist  somit  die  erzählung  eines 
einzelnen  factums  aus  anlass  eines  ähnlichen  und  zur  erhellung 
desselben,  während  also  die  symbolische  erzählung  in  der  fabel 
einen  ausblick  auf  das  weite,  allgemeine  eröffnet,  gibt  uns  die 
parabel  die  beziehung  auf  ein  anderes  einzelne  und  erst  durch 
sie  wird  uns  verständlich,  warum  uns  der  dichter  gerade  jetzt 
diese  geschichte  berichtet,  durch  sie  wird  aber  auch  die  erzählung 
selbst  in  eine  höhere  sphäre  gerückt,  man  denke  nur  an  Les- 
sings  parabel  von  den  drei  ringen,  die  parabel  ist  aber  nicht 
allegorie,  denn  die  erzählung  der  parabel  muss  an  sich  verständ- 
lich sein,  was  von  der  allegorie  nicht  gilt,  wir  könnten  die 
parabel  geradezu  illustrierende  erzählung  (bispel)  nennen,  wäh- 
rend die  allegorie  eine  illuminierende  erzählung  wäre,  die  fabel 
ist  an  sich  verständlich,  ihr  Vortrag  begründet,  und  sie  weist 
uns  symbolisch  aufs  allgemeine ;  die  parabel  ist  an  sich  verständ- 
lich, ihr  Vortrag  unbegründet,  so  lange  man  nicht  den  hinweis 
auf  das  zweite  ähnliche  factum  kennt,  die  allegorie  endlich  ist 
an  sich  unverständlich,  so  lange  man  nicht  die  liefere  bedeutung 
kennt,  sie  ist  unsinn,  wenn  man  den  sinn  nicht  weifs. 

B.  fasst  den  begriff  weiter,  er  hält  sich  an  QmnlWians  l4kkr}- 
yogia  alind  verbis  aliud  sensu  ostendit  und  scheidet  zwischen 
allegorie,  welche  dem  wortsinn  nach  bestand  für  sich  hat,  aber 
auf  einen  von  diesem  Inhalte  verschiedenen  sinn  hinweist,  und 
zwischen  allegorie,  welche  dem  wortsinn  nach  keinen  bestand 
für  sich  hat,  sondern  nur  durch  den  von  diesen  worten  ver- 
schiedenen sinn  (s.  188  f).  darum  vindiciert  er  der  parabel  das 
allegorische  dement,  ohne  dasselbe  liefse  sich  keine  parabel 
denken  (s.  190);  aber  während  er  die  parabel  zum  epos  rechnet, 
gehört  nach  ihm  die  allegorie  zur  lyrik.  er  macht  zwar  Goethe 
(s.  192  f)  den  Vorwurf,  das  symbolische  umfasse  bei  ihm  das 
typische,  wie  die  poetische  allegorie,  mir  scheint  dagegen  dass 
bei  B.  der  ausdruck  'allegorie'  für  zwei  grundverschiedene  dinge 
verwendet  wird,  mich  will  bedünken,  dass  er  (s.  193  ff)  die 
bedeutung  des  symbolischen  nicht  scharf  genug  erfasst,  ja  mit- 
A.  F.  D.  A.   XV.  IS 


266  BAUMGART  HANDBUCH  DER  POETIK 

unter  ganz  misverstanden  habe,  so  sagt  er:  'ein  symbol  ist 
ein  concretes  ding,  welches  durch  ein  hervorragendes  merkmal 
seiner  beschaffeuheit  geeignet  ist,  auf  eine  idee  hinzuweisen  und 
so  als  kennzeichen  derselben  zu  dienen;  so  der  ring,  ein 
ohne  ende  in  sich  geschlungenes  band,  ein  hinweis  aui' die  treue, 
die  nicht  endet,  das  kreuz  ein  merkmal  des  christlichen  glaubens, 
die  kröne  und  der  kränz  Symbole  der  herschaft  und  des  ruhmes. 
die  gewalt,  mit  der  die  liebe  die  seele  ergreift,  wird  symboli- 
siert durch  den  das  herz  durchbohrenden  pfeil;  ihre  süfsigkeit: 
die  spitze  ist  in  honig  getaucht;  die  flüchtigkeit  der  liebe  und 
ihre  wechselnden  launen  stellen  geflügelte  amoretten  dar.'  B. 
nennt  die  komödien  des  Aristophanes  die  Vögel,  die  Wolken,  die 
Wespen  symbolisch;  im  Faust  ist  ihm  der  Erdgeist,  Mephisto- 
pheles,  der  Homunculus,  die  Helena,  die  hexeuscene  und  die 
beiden  Walpurgisnächte,  ferner  alle  Vorstellungen  des  Wunders, 
Zaubers  und  geisterspuks  ihr^^m  kern  nach  symbolisch;  die  ge- 
spenster  im  Hamlet  und  Macbeth,  die  erscbeinung  Klärchens  als 
freiheit  im  Egmont —  das  alles  ist  ihm  symbolisch:  ein  zeichen, 
wie  völlig  er  das  wesen  des  symbolischen  verkennt  (vgl.  auch 
s.  590).  was  er  im  sinne  hat,  sind  entweder  bilder  oder  Sinn- 
bilder, dh.  feststehende  zeichen,  die  aber  durchaus  nicht  so  fest- 
stehen, dass  nicht  auch  noch  andere  bedeutung  parabolischer 
art  ihnen  inne  wohnen  könnte,  so  ist  allerdings  das  kreuz  ein 
merkmal  des  christlichen  glaubens  in  Grillparzers  versen  auf  das 
Colosseum ,  es  ist  ein  ganz  anderes  zeichen  in  Chamissos  Kreuz- 
schau;  in  jenem  fall  ist  es  conventiouell  der  christliche  glaube, 
weil  es  mitten  in  heidnischer  Umgebung  steht,  in  diesem  falle 
dagegen  entsprechend  unserem  worte  'sein  kreuz  tragen'  der 
ausdruck  für  das  jedem  zugemessene  leid,  die  kröne  ist  das 
zeichen  der  herschaft,  in  Uhlands  gedieht  Die  versunkene  kröne 
dagegen  ganz  allgemein  das  zeichen  des  wertvollen,  symbolisch 
ist  nach  Goethe  wie  Uhland  (vgl,  Anz.  xiv  180  ff)  etwa  Faust  und 
Gretchen,  weil  sie  gleich  naturobjecten  unendlich  reich  au  be- 
ziehungen  sind,  unerschöpflich  an  momenten,  welche  sich  nur 
nach  und  nach  enthüllen ,  typisch  in  gewissem  sinne.  B.  hat  die 
Wichtigkeit  des  symbolischen  nicht  erfasst  und  es  daher  so  sehr 
vernachlässigt,  und  doch  drängt  es  sich  immer  wider  auf. 

B.  betrachtet  sodann  die  verschiedenen  zwecke,  mittel  und 
formen  der  poetischen  nachahmung  von  handlungen  (xni  ab- 
schnitt) und  richtet  sein  augeumerk  besonders  auf  die  beiden 
grundempfindungen  des  wolgefälligen  und  des  lächerlichen,  jenes 
wird  erreicht  durch  die  nachahmung  einer  einheitlichen  hand- 
lung,  in  welcher  das  entsprechende,  richtige  direct  hervortritt, 
dieses  durch  die  nachahmung  einer  verkehrten  handlung,  in 
welcher  das  richtige  indirect  hervortritt;  in  diesem  falle  handeln 
die  personen  ohne  sittliche  Verantwortlichkeit,  in  jenem  unter 
sittlicher  Verantwortlichkeit,    natürlich  kommt  es  nun  darauf  an, 


BAÜMGART  HANDBUCH  DER  POETIK  267 

den  unterschied  dieser  iheorie  von  jener  älteren  darzulegen,  nach 
welcher  die  poesie  im  dienste  der  moral  steht,  die  dichtkunsi 
soll  nur  ein  ästhetisches,  d.  i.  ein  empfindungsurteil,  nicht  ein 
verstandesurteil  erzielen,  dies  wird  indirect,  durch  darstellung 
des  lächerhchen  ,  leichter  herbeigeführt,  deshalb  machte  sich  nach 
B.s  ansieht  auch  zuerst  die  komik  von  der  morallorderung  frei. 
B.  geht  in  seiner  definition  des  komischen  auf  Aristoteles  zurück 
und  sieht  das  lächerliche  in  einer  fehlerhaftigkeit  und  hässhchkeit 
(deformität) ,  die  weder  schmerz  noch  schaden  verursacht,  weder 
objectiv  noch  subjectiv.  ausgeschlossen  ist  dabei  das  moralisch 
fehlerhafte  und  hässliche  eo  ipso,  dagegen  bleibt  das  verstandes- 
und  das  ästhetisch-lächerliche;  jenes  wird  durch  ein  Verstandes-, 
dieses  durch  ein  ästhetisches  urteil  erfasst,  jenes  wird  von  dem  ver- 
stände unmittelbar  und  mühelos  erkannt,  dieses  von  der  aisthesis 
empfunden,  es  bedeutet  eine  Verschiebung,  wenn  die  dichter 
das  moralisch  fehlerhafte  oder  hässliche  komisch  verwerten,  es 
kann  nur  ein  hilfsmittel  sein,  wenn  sie  das  Verstandes -lächer- 
liche (zb.  den  witz)  nutzen,  ihr  eigentliches  gebiet  ist  das  ästhe- 
tisch-lächerliche, man  sieht,  wie  diese  meinungen  parallel  gehen 
meiner  oben  vorgetragenen  construction  des  gefühls-  und  des 
gedankenerlebnisses.  auch  das  vom  verstand  erkannte  lächerliche 
kann  die  phantasietätigkeit  erregen,  dann  muss  aber  im  innern 
des  dichters  die  ausbildung  stattfinden ,  während  das  ästhetisch- 
lächerliche direct  würkt. 

Wir  sind  hiermit  bereits  auf  ein  neues  gebiet  gekommen, 
dessen  betrachtung  die  folgenden  abschnitte  des  werkes  gewidmet 
sind,  epos  und  drama;  ihnen  wird  breiterer  räum  als  der  lyrik 
zu  teil.  auch  bei  B.  vermisse  ich  die  erkenntnis,  dass  die 
Scheidung  in  lyrik,  epik,  dramatik  und  etwa  noch  (richtig  ver- 
standene) didactik,  nicht  ganz  sinngemäfs  ist.  er  sieht  sich  ge- 
nötigt, die  hauptforderungeu  für  epos  und  drama  gemeinsam  zu 
entwickeln,  denn  in  ihnen  ist  nur  die  art  der  nachahmung  durch 
erzählung  und  durch  handelnde  personen  verschieden  (s.  275). 
der  einteilungsgrund  ist  also  ein  ungleicher:  die  abtrennung  von 
epos  und  drama  geht  auf  die  form,  von  lyrik  auf  den  Inhalt; 
epos  und  drama  enthalten  oder  können  enthalten  rein  lyrisches, 
die  lyrik 'kann  epische,  dramatische  einkleidung  bekommen,  die 
wesentlichsten  unterschiede  finden  sich  zwischen  lyrik  einer-, 
epos  und  drama  andererseits,  diese  setzen  durchaus  ein  publicum 
voraus,  jene  nicht,  jene  ist  darstellend,  diese  sind  vorstellend, 
wir  müsten  also  die  dichtungen  einteilen  nach  dem  Inhalt  und 
nach  der  form. 

Innerhalb  des  epischen  gebietes  scheidet  B.  hauptsächlich 
das  heroische  und  komische  epos,  kunst-  und  volksepos  und  die 
kleineren  epischen  gattungen.  er  lässt  ganz  aufser  acht  den 
roman  und  die  novelle,  beide  sind  nur  genannt,  aber  weder 
definiert  noch  characterisiert ,  geschweige  denn  gegliedert,     dies 

18* 


268  BAUMGART  HA>DBUCH  DER  POETIK 

ist  \vol  der  hauptmangel  des  buches  und  hat  seineu  grund  im 
getreuen  anschluss  an  Aristoteles,  dass  wir  auch  novelleu  in 
Versen  haben,  welche  sich  gewis  nicht  blofs  durch  die  versifi- 
cation  von  den  anderen  abgränzeu ,  das  wird  nicht  einmal  er- 
wähnt, aber  auch  in  dem  ausgeführten  ist  nicht  alles  unan- 
fechtbar, s.  292  ff  beschäftigt  sich  B.  eingehend  mit  dem 
Mbelungenliede,  er  sucht  Lachmauns  theorie  vom  ästhetischen 
standpuncte  zu  widerlegen ,  spricht  aber  dabei  durchaus  von  den 
kunstabsichten  des  Nibelungendichters,  von  seinen  'sehr  absichts- 
vollen erfindungen'  (zb.  s.  298),  von  einem  bevpusten  schaffen  usw. 
worin  besteht  dann  der  unterschied  zwischen  volks-  und  kunst- 
epos?  nur  in  benutzung  der  lebendigen  volkssage?  mich  will  be- 
dünken ,  dass  gerade  B.s  ansieht  eine  gute  bestätiguug  der  lieder- 
Iheorie  wäre,  denn  ein  sammelnder  redactor  wird  sehr  viel  besser 
die  lücken  erkennen  und  mit  bewustsein  ausfüllen ,  als  ein 
dichter,  was  dann  den  einwurf  betrifft,  das  von  Lachmann  re- 
construierte  vierte  lied  habe  nur  'als  glied  eines  grofsen ,  wol 
disponierten  epischen  Zusammenhanges  geltuug',  so  scheint  er  mir 
weit  übers  ziel  zu  schiefsen ;  den  Zusammenhang  mit  dem  weiteren 
verlaufe  gab  die  Vertrautheit  mit  der  sage ,  wie  heute  ein  dichter 
den  verrat  des  Judas  an  Christus  in  einer  bailade  behandeln 
könnte,  weil  uns  der  Zusammenhang  ganz  verständlich  wäre,  das 
vierte  lied  enthält  zudem  alles,  was  die  handlung  erfordert,  die 
bedeutung  dieser  handlung  aber  war  dem  publicum  des  dichters 
genau  bekannt,  doch  ich  brauche  mich  gar  nicht  auf  Ver- 
mutungen zu  beschränken.  Uhland  hat  1812  eine  ballade  Sieg- 
frieds Schwert  gedichtet,  welche  sich  ganz  dem  vierten  Lach- 
mannschen  liede  vergleichen  lässt.  es  beginnt:  Jimg  Siegfried 
war  ein  stolzer  Knab  wie  es  hier  heifst:  Ez  icas  ein  kiiniginne 
gesezzen  über  se  .  .  .  dann  wird  'lediglich  der  äufserliche  her- 
gang'  erzählt,  'der  einen  abschluss  findet':  Nun  schlag  ich  wie 
ein  andrer  Held  die  Riesen  und  Drachen  in  Wald  iind  Feld,  alles, 
was  B.  s.  296  der  Lachmannschen  reconstruclioii_zum  vorwürfe 
macht,  gilt  nun  auch  von  Uhlands  gedieht;  aber  wir  verstehen 
Uhland  gerade  so,  wie  das  publicum  den  Nibeluugendichter,  weil 
wir  die  ganze  sage  kennen,  für  uns  ist  Siegfried  nicht  blofs 
ein  beliebiger  stolzer  Knab,  sondern  der  held,  dessen  taten  wir 
genau  kennen  und  dessen  schwert  daher  tiefere  bedeutung  hat. 
wenn  sich  dies  ein  moderner  dichter  erlauben  durfte ,  wenn  er 
gar  romanzen  wie  Klein  Roland,  Roland  Schildträger  ua.  gestalten 
konnte,  wie  viel  mehr  ein  mittelalterlicher  Sänger. 

B.  verkennt,  dass  die  einheit  des  Nibelungenliedes  in  der 
einheit  der  Nibelungensage  begründet  ist,  dass  die  sage  anfang, 
mitte  und  ende  schon  genau  ausgebildet  hatte  und  daher  ein 
Sammler  die  einzellieder  leicht  einreihen  konnte,  übrigens  be- 
zweifelt B.  nur  die  müglichkeit,  aus  unserem  Nibelungenliede 
die   eiuzelheder   ausscheiden    zu   können,    nicht  die  möglichkeit. 


BAÜMGART  HA>DBUCU  DER  POETIK  269 

dass  dem  epischeu  dichler  durch  den  Vorrat  an  liederu  höchst 
wesenthch  vorgearbeitet  seiu  muste  und  er  umfänghche  partien 
daraus  ohne  weiteres  in  seine  dichtung  aufnehmen  konnte  (s.  294). 
Den  breitesten  räum,  mehr  als  die  hälfte  des  buches  (s.  330 
bis  700),  nimmt  die  betrachtung  des  dramas  ein,  wobei  freilich 
rUckblicke  auf  das  epos  fallen,  wider  geht  B.  von  dem  gränz- 
gebiete,  der  'mittleren  galtung'  ausi;  Tasso,  Götz,  Stella,  Iphi- 
genia  werden  nach  dem  unterschied  ihrer  Zugehörigkeit  geprüft; 
er  trennt  tragödie  und  komödie,  aber  von  beiden  ebenfalls  scharf 
das  Schauspiel ,  als  dessen  besten  Vertreter  er  den  Sturm  an- 
sieht; er  meint  sogar  (s.  379),  gegenständ  dieses  wunderbaren 
Stückes  sei,  die  würkung  und  das  wesen  des  Schauspiels  dar- 
zustellen, nach  ihm  ahmt  das  Schauspiel  handlungen  nach,  die 
ernst,  aber  nicht  tragisch,  fehlerhaft,  aber  ohne  der  komik  an- 
heimzufallen, und  in  eminenter  weise  schicksalsvoll  sind 
(s.  .388f);  es  ist  also  eine  mischgattung,  die  sich  jedoch  mehr 
dem  lustspiel  zuneigt,  in  so  ferne  sie  die  streitenden  affecte  in 
ein  höheres  lustgefühl  auflöst  (s.  393).  sie  beginnt  'jenseits  der 
gränzen  der  ethischen  tragödie  und  hört  diesseits  der  gränzen 
der  characler- komödie  auf  (s.  397).  man  sieht,  B.  sucht  für 
die  manigfaltigen  Spielarten  des  dramas  festen  halt;  von  Richard  in, 
dem  Kaufmann  von  Venedig-  zu  Lessings  Nathan  und  Minna  von 
Barnhelm  reicht  das  Schauspiel  nach  seiner  idee.  wir  können 
das  gelten  lassen,  wenn  auch  nicht  vergessen  werden  darf,  dass 
damit  der  ausdruck  Schauspiel  in  weiterem  umfange  gebraucht 
wird  als  bisher,  die  Untersuchung  dieser,  von  ihm  so  genannten 
Schauspiele  gehört,  meinem  dafürhalten  nach,  zu  den  gelungen- 
sten teilen  des  ganzen  Werkes,  wenn  man  von  der  construction 
des  Shakespeareschen  Sturm  absieht,  einleuchtend  ist  zb.  die 
auseinandersetzung  des  Nathan,  überzeugend  die  polemik  gegen 
Voltaires  und  Diderots  theorie  einer  comedie  touchante.3    für  das 

^  jedesfalls  wäre  der  tragikomödie  zu  gedenken,  welche  gattung  be- 
kanntlich Hebbel  in  der  widmung  seines  Trauerspiels  in  Sicilien  Rötscher 
zur  erforschung  empfahl,  gerade  an  diesem  drania  lässt  sich  zeigen,  wie 
wesentlich  der  unterschied  zwischen  tragödie  und  Schauspiel  einer-,  Schau- 
spiel und  komödie  andererseits  ist.  Hebbel  hat  den  ton  der  komödie  auf 
einen  tragischen  Stoff  angewendet,  furcht  und  mitleid  erweckt,  die  leidvolle 
tat  für  die  beteiligten  von  den  entsetzlichsten  folgen  begleitet  und  dabei 
die  form  von  Kleists  Zerbrochenem  kruge  gebraucht,  es  ist  ein  merk- 
würdiges, bei  Hebbel  kaum  verständliches  vergreifen;  was  er  schafft,  ist 
nicht  eine  neue  gattung,  sondern  eine  abnormität,  aus  welcher  das  richtige 
durch  contrast  zu  entwickeln  war. 

*  ich  verweise  dabei  auf  den  schönen  aufsatz  von  Rötscher  (Drama- 
turgische und  ästhetische  abhandlungen.  ges.  und  hg.  von  Emilie  Schröder, 
Leipzig  1S64,  s.  106  ff):  Warum  gehört  Shakespeares  Kaufmann  von  Venedig 
notwendig  in  die  kategorie  des  lustspiels? 

3  dabei  hat  B.  natürlich  die  historische  Wichtigkeit  dieser  theorie  aufser 
acht  lassen  müssen,  diese  wird  in  dem  werke  von  Wetz  erörtert:  Die  an- 
fange der  ernsten  bürgerlichen  dichtung  des  ISjhs.  i  1,  Worms  1885,  vgl. 
meine  recension  im  Archiv  f.  lg.  xv  323  —  333. 


270  BAUMGART  HANDBUCH  DER  POETIK 

Schauspiel  in  diesem  siime  Jässt  sich  die  gedankenlyrik  als  parallele 
bezeichnen,  iu  so  ferne  der  phronesis  wie  der  idee  breitester 
räum  zugewiesen  ist,  in  so  ferne  von  einem  gedanklichen  aus- 
gegangen wird,  das  aber  freilich  wie  bei  der  'sinnenden  lyrik' 
nach  den  geselzen  der  poesie  umgewandelt  erscheint. 

In  seiner  betrachtung  der  tragödie  folgt  B.  ganz  getreu 
Aristoteles  und  sucht  Beruays  entladungstheorie  zu  widerlegen 
und  für  yiä^aQOig  die  bedeutung  'läuterung'  wider  zu  erweisen, 
wobei  natürlich  von  einer  moralischen  würkung  vollständig 
abgesehen  wird. 

Für  B.  ist  die  Schönheit  etwas  subjectives,  iu  so  ferne  das 
kunstwerk  in  der  seele  des  beschauers  das  phänomen  der  Schön- 
heit entstehen  lässt,  dh.  das  kunstwerk  muss  solche  objective 
beschalTenheiten  in  sich  vereinigen,  dass  durch  sie  das  empfinden 
des  beschauers  unmittelbar  und  mit  innerer  notwendigkeit  in  ab- 
soluter reinheit,  gesundheit,  richtigkeit  erregt  wird,  und  zugleich 
das  bewustsein  mit  dieser  empfindungsenergie  notwendig  und  un- 
mittelbar verbunden  ist,  der  empfindende  teil  der  seele  erfülle 
seine  natur  und  höchste  bestimmuug,  die  seele  zu  der  lebhaf- 
testen und  höchsten  freude  zu  entzünden  und  zu  erheben,  wir 
sehen  versteckten  Kantischen  subjectivismus  in  dieser  definition 
(s.  430  f).  katharsis  ist  ihm  nun  die  kraft,  welche  das  kunst- 
werk vermöge  seiner  ihm  'ewig  und  unzerstörbar  anhaftenden  be- 
schaffenheit  bewährt,  die  seele  von  allem  übermäfsigen  des  er- 
regten pathos  oder  ethos  befreiend  zu  entlasten,  das  mangelnde 
schöpferisch  darin  zu  ergänzen,  das  unreine  läuternd  daraus  hin- 
wegzuschmelzen ,  mit  einem  worte:  der  seele  den  anlass  zu  bieten 
und  sie  zugleich  mit  der  kraft  zu  erfüllen,  die  gesunde,  die 
richtige,  die  reine  empfindungsenergie  in  sich  zu  erfahren,  also 
das  schöne  ist  zwar  rein  subjectiv  und  zugleich  rein  objectiv. 
Leisewitz  schreibt  am  3  februar  1778  an  seine  braut  Sophie 
Seyler  (hslich  in  Braunschweig),  er  wolle  ihr  die  Schwermut 
nicht  ganz  rauben,  doch  solle  sie  sich  mäfsigen:  Ich  wollte  dass 
Deine  Thrähnen  so  icäreu  wie  man  sie  bey  einem  Traners'piele  und 
nicht  wie  man  sie  bey  einem  Unglücke  vergiefst.  die  Schönheit 
des  trauerspieles  wäre  subjectiv,  in  so  ferne  iu  uns  das  empfinden 
erregt  wird,  objectiv,  in  so  ferne  das  empfinden  geläutert  wird, 
die  Schönheit  ist  nach  B.  also  eine  potentielle  kraft,  wie  der 
magnetismus,  welche  der  ureigenen  tätigkeit  des  empfangenden 
subjectes  bedarf,  um  factiscli,  actuell  hervorzutreten. 

B.  sucht  nun  gegen  Beruays  zu  erweisen  ^  dass  Aristoteles 
den  ursprünglich  der  medicin  angehörenden  ausdruck  katharsis, 
welcher  die  ausscheidung  alles  überflüssigen,  daher  schädlichen, 
ferner  die  fortwaschung  des  von  aufsen  störend  anhaftenden,  in 
beiden  fällen    also    eine   reinigung   bedeutet,    auf  das  technisch- 

*  er  hat  schon  in  Fleckeisens  Jahrbüchern  1875  bd.  111,  81  — 118  klarer 
als  hier  den  'begriff  der  tragischen  katharsis'  untersucht. 


BAÜMGART  HANDBUCH  DER  POETIK  271 

industrielle  gebiet  überträgt  und  von  einer  Läuterung'  zb.  des 
eisens  von  fremden  bestandteilen  spricht,  dass  er  endlich  auch 
auf  dem  religiösen,  wie  auf  dem  ästhetischen  gebiete  eine  ka- 
tharsis  findet,  eine  purification ,  eine  reinigung  von  schädlich 
überflüssigem,  eine  läuterung  des  falschen,  ungesunden  (s.  444). 
B.  siebt  auch  in  jener  bekannten  stelle  der  Aristotelischen  Politik 
über  die  musikalische  katharsis  nicht  eine  entladuug  des  enthu- 
siasmus,  sondern  eine  läuterung  vom  übermafs,  eine  zurück- 
lührung  zum  normalen  (s.  440  fi")  und  meint  also,  das  philologische 
material  spreche  nicht  für  Bernays,  sondern  für  ihn.  dazu  kommt 
noch  eine  feinere  Scheidung  von  Ttäd-oq  und  Ttä^rßia,  welche 
B.  durchführt;  er  hat  schon  1873  in  einer  besonderen  schritt 
zu  erhärten  gesucht,  dass  Aristoteles  unter  jtä&og  die  empfindung, 
unter  7tä^i]f.ici  die  gemütsbewegung  versteht,  nnier  Ttäd-og  den 
allgemeinen  Veränderungsvorgang,  unter  Ttad-r^ta  die  erscheinungs- 
form  desselben  im  einzelnen  falle. i  mir  scheint  seine  polemik 
negativ  und  positiv  fruchtbar  und  beachtenswert,  halten  wir  an 
Bernays  entladung  fest,  so  wäre  die  Aristotelische  definition  der 
tragödie  nicht  allgemein  giltig;  denn  würde  die  tragodie  würk- 
lich  furcht  und  mitleid  zuerst  'entfesseln'  müssen,  um  dadurch 
erleichterung  und  r^dovi]  zu  verschaffen,  dann  wäre  Goethes 
Tasso  keine  richtige  tragödie,  die  definition  würde  zb.  auf  VVil- 
brandts  Tochter  des  herrn  Fabricius  weit  besser  passen.  Aristo- 
teles kann  nur  meinen,  dass  schon  in  der  erregung  von  furcht 
und  mitleid  die  katharsis  liegen  muss;  er  kann  keinen  Vorgang 
\*or  äugen  haben ,  der  sich  durch  das  anspannen  des  bogens  und 
das  abschiefsen  versinnlichen  liefse,  sondern  er  muss  eine  be- 
stimmte art  der  erregung  von  furcht  und  mitleid  im  sinne  haben, 
ja  Aristoteles  spricht  gar  nicht  von  der  erregung  von  furcht  und 
mitleid,  sondern  öt'  e)Jov  y.al  cpößov  negahovoa  rrjv  riöv  xoi- 
ovTiov  Tta-d-rjiÖTiüv  y.ad^agGiv ,  also  durch  furcht  und  mitleid 
soll  die  katharsis  dieser  pathemata  bewürkt  werden,  stecken  in 
uns  €?.€og  und  (fößog  als  Ttäd-i],  dass  wir  einer  -/.äd^aQOig  twv 
Toiovrcov  Ttad-iji.icatov  bedürfen?  sind  eleog  und  (pößog  heil- 
mittel,  durch  welche  in  uns  ein  krankheitszustaud  (ekstase)  ge- 
brochen werden  soll  ?  geht  die  tragödie  würklich  homöopathisch 
vor?  Aristoteles  kann  keine  accidentielle,  ihm  muss  eine  consti- 
tutiouelle  eigenschaft  der  tragödie  vorgeschwebt  haben ,  was  be- 
kanntlich am  schärfsten  Goethe  betont  hat.  dass  mit  Bernays 
entladungstheorie  diesem  einwände  Goethes  nicht  begegnet  wird, 
hat  B.,  wie  mich  dünkt,  s.  436  f  überzeugend  nachgewiesen,  in 
der  definition  der  tragödie  behandelt  Aristoteles  zuerst  das  all- 
gemeine f.iif.n]Gig  TtgäBeiog,  indem  er  die  handlung  als  ernst 
(öTtovöaia)  und  geschlossen  (Tsksict)  bezeichnet,  zugleich  als 
'bedeutend'  (iiiyeS-og  exovoa),  dann  wendet  er  sich  der  äufseren 

1  freilich  wurde  dieses  resultat  bestritten,  einige  einwendungen  wider- 
legt B.  s.  445  ff  anm. 


272  BAUMGART  HANDBUCH  DER  POETIK 

form  zu,  von  der  er  später  noch  näher  spricht  (rjdvGfievog 
koyog  Qvd^i^idv  xca  ceQ/xoviav  xai  /.lilog  ex^ov),  hierauf  bezeichnet 
er  sie  alsdrama,  indem  er  die  nachahmung  der  handlung  durch 
handelnde  und  nicht  dt^  ccTtayyellag  sich  vollziehen  lässt,  end- 
lich muss  er  in  den  worlen  (5t'  kkeov  xat  cpößov  Ttegalvoioa 
Tt-y  TCüv  roiovTtov  7cad^}]f.Läru)v  yia^aQOiv  das  eigentümliche  der 
tragödie  gegenüber  anderen  dramatischen  gedichten  feststellen; 
es  muss  also  Goethe  recht  haben ,  auch  wenn  seine  worte  keine 
philologisch  getreue  Übersetzung  sein  wollen:  die  katharsis  muss 
also  in  der  tragödie  selbst  erfolgen,  nicht  im  Zuschauer,  dieser 
beobachtung  entspricht  ab^r  der  ausdruck  reinigung,  läuterung 
besser  als  der:  entladung.  darum  weinen  wir  andere  thränen 
bei  der  tragödie  als  bei  einem  Unglücke,  nach  der  stelle  der 
Politik  müste  Aristoteles  von  der  tragödie  nicht  sagen ,  sie  be- 
vvürke  durch  furcht  und  milleid  die  katharsis,  sondern  die 
tragödie  sei  das  mittel  zur  katharsis,  wie  dort  die  heiligen  ge- 
sänge;  er  denkt  nicht  etwa  daran,  die  heiligen  gesänge  zu  de- 
finieren, sondern  spricht  ganz  ausdrücklich  von  ihrer  würkung 
auf  die  zuhörer,  also  von  einem  accidens;  in  der  Poetik  handelt 
es  sich  um  die  definition  der  tragödie,  die  beiden  stellen  lassen 
sich  demnach  nur  entfernt  mit  einander  vergleichen,  das  hat 
auch  B.  nicht  beachtet,  obwol  es  gegen  Bernays  spricht  (vgl. 
s.  523  ff). 

B.  kehrt  auch  in  so  ferne  zu  Lessing  zurück,  als  er  die  gegen- 
seitige reinigung  oder  läuterung  von  furcht  und  mitleid  in  der 
tragödie  sucht,  nur  betont  er  stärker  als  Lessing  die  Wichtigkeit 
der  tragischen  furcht,  er  verlangt  also  von  der  tragödie,  dass 
sie  eine  handlung  habe,  welche  nicht  nur  unser  mitleid  erregt, 
dh.  unsere  furcht  erweckt,  sobald  wir  uns  vorstellen,  sie  träfe 
uns,  sondern  welche  so  beschaffen  ist,  dass  wir  sie  uns  un- 
bedingt so  vorstellen  müssen  (s.  493).  mitunter  hat  B.  gewis 
in  der  sache  recht,  nur  ist  der  ausdruck  schief,  so  wenn  er 
von  der  tragödie  unverschuldetes  leiden  verlangt,  dann  aber  natür- 
lich von  der  hamartie  spricht;  unter  'unverschuldet'  aber  meint 
er,  dass  leiden  und  Verschuldung  nicht  in  directem  Verhältnisse 
zu  einander  stehen;  dass  die  Verschuldung  keine  criminelle  sein 
dürfe,  er  hätte  hinzufügen  sollen,  dass  sie  sehr  häufig  nur 
gegen  die  sitte  verstofse;  ich  verweise  zb.  auf  Hebbels  tragödie 
Gyges  und  sein  ring:  Kandaules  verstöfst  weder  gegen  eine 
Satzung  der  erde  noch  der  moral,  wol  aber  gegen  die  'sitte', 
indem  er  seinen  Hebung  Gyges  zum  vertrauten  seines  stolzes  auf 
die  Schönheit  seines  weibes  Bhodope  macht;  vgl.  die  geistvollen 
ausführungen  Jherings  im  zweiten  bände  seines  Zwecks  im  recht, 
so  wie  den  essay  Graweins  im  feuilleton  der  Neuen  fr.  presse 
(nr  8584.  18.  7.  88)  'Galeoto  vor  den  schranken  der  Wissenschaft'. 
—  zu  sehr  hat  B.  dann  die  Schwierigkeit  der  bürgerlichen  tragödie 
zugespitzt,  wobei  er  meinen  erwägungen  (Archiv  f.  lg.  xv  328  ff) 


BAÜMGART  HANDBUCH  DER  POETIK  273 

eine  stütze  leiht ;  hier  hätte  jedoch  auf  Hebbels  Maria  Magdalena 
verwiesen  werden  müssen ,  um  zu  zeigen ,  dass  eine  bürger- 
liche tragodie  auch  auf  modernem  boden  möglich  sei  (s.  496). 
überhaupt  nimmt  B.  gar  keine  rücksicht  auf  das  neuere  drama, 
auch  wo  sie  nicht  zu  umgehen  war.  so  muste  s.  502  bei  der 
betrachtung  des  Philoktet  unzweifelhaft  auf  Ibsens  Gespenster  ein- 
gegangen werden,  um  den  unterschied  des  unverschuldeten  lei- 
deus  im  Sophokleischen  drama  und  im  drama  des  nordischen  dich- 
ters  klarzulegen,  dieses  vollständige  ausschliefsen  des  modernen 
dramas  ist  jedesfalls  absieht,  mit  Schiller  endet  B.  die  reihe, 
indem  er  auch  nur  die  Braut  von  Messina  eingehend  betrachtet; 
er  nennt  sie  nicht  antikisierend,  sondern  antik,  hat  es  aber 
unterlassen,  sie  mit  anderen  antiken  dramen  würklich  zu  ver- 
gleichen, freilich  kam  es  ihm  vor  allem  darauf  an,  zu  zeigen, 
dass  sich  Schiller  als  schaffender  poet  von  den  irrtümern  seiner 
speculation  emancipierte.  doch  ist  das  vergleichen  nicht  B.s 
Sache,  dies  beweist  am  stärksten  der  xxix  abschnitt,  in  welchem 
das  vergleichen  wesentlich  in  einem  nach  einander  besprechen 
besteht;  die  Choephoren  und  Eumeniden  des  Äschylus,  die  Elektra 
des  Sophokles  und  des  Euripides,  endlich  Shakespeares  Hamlet 
werden  ganz  richtig  zusammengenommen ,  aber  nicht  verglichen. 
B,  fehlt  die  gäbe,  die  ähulichkeiten  und  unterschiede  mit  scharfen 
strichen  hervorzuheben,  dieser  zug  ist  dem  ganzen  buch  eigen : 
nirgends  in  der  breiten  darstellung  ruhepuncte  kräftigen  zu- 
sammenfassens,  abschliefseuder,  formelhafter  kürze,  gerade  da- 
durch würkt  sein  buch  so  aufserordentlich  ermüdend,  den  leser 
abspannend  und  verlangt  trotz  dem  wortreichen  auseinander- 
legen gröste  aufmerksamkeit,  eifrigste  mitarbeit,  soll  die  klarheit 
des  Verständnisses  nicht  ausbleiben. 

Am  folgenreichsten  wird  die  ausschliefsung  des  modernen 
im  letzten  abschnitte,  welcher  die  komödie  behandelt,  auch  hier 
gibt  B.  wesentlich  nur  einen  commentar  zu  dem  excerpt  in  der 
Coislinianischen  hs.,  indem  er  zugleich  die  ansieht  von  Bernays, 
dass  wir  es  mit  Aristoteles  zu  tun  haben,  überzeugend  bestätigt 
und  Bernays  bedenken  widerlegt,  er  sucht  auch  jene  Sätze, 
welche  Bernays  als  misverständnisse  des  excerptors  behandelte, 
in  richtiger  auffassung  als  echt  aristotelisch  zu  begreifen  und  die 
consequenzen  zu  ziehen,  aber  freilich  bleibt  er  ganz  bei  Aristo- 
teles stehen;  die  modernen  lustspiele  sind  ihm  nur  verirrungen, 
wie  die  bürgerliche  tragodie,  er  lässt  eigentlich  nur  die  phan- 
tastische komödie  gelten. 

B.  erkennt  mit  Aristoteles  nach  unserem  excerpte  nur  drei 
gattuugen  komischer  charactere  an,  nämlich  ,ifu^<o/o;fOg  possen- 
reifser,  spafsmacher,  a/.aUuv  prahler  und  e^gcov  Ironiker,  den 
er  gewis  richtig  mit  unserem  humoristen  für  identisch  erklärt, 
der  possenreifser  (dazu  gehurt  auch  der  parodist  und  der  tra- 
vestierende) und  der  grofssprecher  tun,  wie  Aristoteles  sagt,  das 


274  BALMGART  HANDBUCH  DER  POETIK 

yeXolov:  krsQOv  sveKa,  brauchen  also  publicum,  der  irouiker 
dagegen:  auTov  evexa.  wir  müsten  also  Aristoteles  erweiternd 
sagen:  der  spafsmacher  steigert  die  fehler  und  verwandelt  die 
Vorzüge  in  schwächen ,  der  prahler  verwandelt  die  fehler  in  Vor- 
züge und  steigert  die  Vorzüge,  der  Ironiker  steigert  die  fehler 
und  versteckt  die  Vorzüge.  Leon  in  Grillparzers  Weh  dem,  der 
lügt  ist  ein  ironiker,  der  auf  des  bischofs  frage: 

Nun?  hübsch  gelogen?  brav  dich  was  vermessen? 

Mit  Lug  und  Trug  verkehrt?  Ei,  ja  —  ich  weifst 
bescheiden  antwortet: 

Nun  gar  so  rein  gieng's  freilich  denn  nicht  ab; 

Wir  haben  uns  gehütet,  wie  icir  konnten. 

Wahr  stets  und  ganz  loar  nur  der  Helfer:  Gott. 
hier  kommt  zu  tage,  was  schon  Aristoteles  verlangte:  die  fehler 
werden  in  den  Vordergrund  gerückt,  wodurch  gerade  das  vor- 
treffliche des  Wesens  deutlich  wird,  ohne  dass  dies  von  der 
person  beabsichtigt  wäre,  so  sind  zb.  die  hauptcharactere  in 
Shakespeares  lustspielen  oder  in  Moretos  Donna  Diana,  wir 
müssen  das  treffliche  des  characters  herausfühlen ,  dann  würkt 
er  um  so  erfreulicher,  je  komischer,  fehlerhafter  er  sich  auf 
der  anderen  seite  darstellt. 

Und  doch  reicht  Aristoteles  Scheidung  nicht  aus;  er  setzt 
überall  voraus,  dass  der  komische  character  seine  fehler  oder 
schwächen  kenne,  man  denke  nun  an  Don  Quixote  oder  an 
Sancho  Pansa,  etwa  an  den  kämpf  mit  den  Windmühlen:  hier 
ist  Don  Quixote  weder  ein  possenreifser,  noch,  wie  es  auf  den 
ersten  moment  scheinen  könnte,  ein  prahler  —  Sancho  Pansa 
hat  ihm  versichert,  es  seien  Windmühlen  und  keine  riesen,  aber 
Don  Quixote  glaubt  ihm  nicht  — ,  noch  endlich  ein  humorist. 
und  doch  liegt  das  komische  nicht  blofs  im  komischen  handeln  — 
worauf  übrigens  B.  gar  keine  rücksicht  nimmt  — ,  sondern  auch 
im  character.  oder  Sancho  hält  sich  die  ganze  nacht  in  der  un- 
bequemsten Stellung,  weil  er  glaubt,  über  einem  furchtbaren  ab- 
grunde  zu  liegen,  während  es  tatsächlich  ein  seichter  Wasser- 
graben ist:  wir  können  ihn  weder  possenreifser,  noch  prahler 
oder  ironiker  nennen,  auch  hier  liegt  das  komische  nicht  blofs 
im  handeln,  oder  Vischers  Auch  einer  oder  VValdmüllers  köst- 
licher Don  Adone,  welcher  im  vollsten  ernste  Don  Nissunos  nach- 
kommen sucht,  oder  eine  andere  gruppe,  die  sieben  Schwaben, 
welche  keine  spafsmacher  sind,  obwol  sie  den  hasen  als  untier 
verfolgen,  also  mit  zu  grofsem  kraftaufwand  das  unbedeutende 
unternehmen,  oder  das  kind,  welches  das  meer  ausschöpfen  will, 
also  mit  ungenügenden  hilfsmitteln  grofses  unternehmen  will, 
oder  der  Stotterer',  welcher  eine  grofse  rede  hält,  also  das  phy- 
sische und  psychische  im  contraste  darstellt,  ohne  grofssprecher 

'  vgl.  die  anecdote,  welctie  Vischer  Über  das  erhabene  und  komische 
1837  s.  193  f  aus  Flögeis  Geschichte  des  grotesk-komischen  citiert. 


BAUMGART  HANDBUCH  DER  POETIK  275 

ZU  sein,  oder  zb.  Hebbels  Schuock,  der  riese,  welcher  ieig  und 
weichherzig  ist.  man  denke  noch  an  Valentin  oder  das  alte  weih 
in  Raimunds  Verschwender,  vergebens  suchen  wir  sie  unter 
eine  der  Aristotelischen  categorien  einzuordnen ,  und  doch  haben 
sie  alle  etwas  gemeinsames  der  komik ;  ich  weifs  keinen  besseren 
namen ,  um  alle  die  Verschiedenheiten  zusammenzufassen ,  als  sie 
verblendete  zu  nennen,  und  hat  nicht  schon  Aristoteles  die 
ccTtccTtj  beim  lächerlichen  in  betracht  gezogen?  wir  sehen  aber 
gerade  an  den  verblendeten,  wie  sich  tragisch  und  komisch 
berühren;  ich  behalte  mir  vor,  an  anderem  orte  auf  diesen  punct 
zurückzukommen.  B.  denkt  gar  nicht  an  solche  charactere,  wie 
denn  überhaupt  der  schluss  in  überraschender  weise  dahineilt, 
als  anhang  bringt  das  werk  noch  einen  selbständigen  Vortrag: 
Kants  Kritik  der  ästhetischen  Urteilskraft  in  ihrem  Verhältnis  zur 
Aristotelischen  philosophie  (701 — 723),  auf  den  ich  nicht  weiter 
eingehen  kann. 

B.  tritt  im  ganzen  werk  als  gesetzgeber  auf,  er  kritisiert 
die  tatsachen,  während  er  sich  um  die  grundsätze  bemüht,  nach 
denen  er  kritisieren  kann. 

Das  Völlige  gegenbikl  bietet  Scherers  Poetik  dar,  welcher 
es  vor  allem  auf  eine  möglichst  vollständige  Sammlung  und  eine 
möglichst  einfache  anordnung  der  tatsachen  ankommt,  deshalb 
hat  auch  seine  Poetik  ein  ganz  anderes  gesiebt,  als  alle  bisher 
verfassten,  ausgangspuuct  und  ziel  dieser  nachgelassenen  schrift 
sind  durchaus  eigenartig,  nur  darf  nicht  vergessen  werden,  dass 
wir  es  mit  einem  brouillon  zu  tun  haben,  welches  erst  unter 
der  band  des  berausgebers  eine,  freilich  recht  ungeschickte  form 
erlangt  bat.  der  herausgeber  RMMeyer  sagt  zwar  (s.  vi) ,  das 
vorliegende  buch  bringe  'fast  wörtlich'  das  colleg,  wie  Seh.  es 
w  ürklich  gehalten  habe,  das  ist  aber  undenkbar,  wer  jemals  eine 
Vorlesung  bei  Seh.  gehört  hat,  weifs,  dass  er  nicht  so  trocken 
sprach,  jedesfalls  waren  die  nachschriften ,  welche  Meyer  be- 
nutzte, keine  stenographischen;  das  lässt  sich  beweisen,  s.  10 
gedenkt  Seh.  eines  phallischen  tanzes  bei  den  Australnegern  und 
kommt  noch  widerholt  (vgl.  s.  83.  91.  87)  auf  ihn  zu  sprechen; 
es  ist  unglaublich,  dass  er  sich  mit  der  allgemeinen  Verweisung 
auf  'Friedrich  Müller  (Reise  der  fregatte  Novara  ethnographischer 
teiP  s.  7;  Allgemeine  ethnographie  s.  213)'  begnügt  hätte,  ohne 
das  citat  im  einzelnen  zu  geben,  dessen  kenutnis  er  bei  seinem 
publicum  voraussetzt  (vgl.  s.  83.  87).  hier  muss  entweder  das 
heft  eine  lücke  aufweisen ,  die  nachschriften  aber  unvollständig 
sein,  oder  Meyer  hat  sich  erlaubt,  in  usum  Delphini  die  stelle 
zu  tilgen ,  obwol  sie  zum  Verständnis  unumgänglich  notwendig 
ist.    sollte  sich  Seh.  würklich  mit  einer  so  allgemeinen  andeutung 

'  überdies  ist  das  citat  falsch,  es  muss  heifsen:  Anthropologischerteil 
3  abteilung.     ethnographie  s.  7. 


276  SCHERER    POETIK 

begnügt  haben  wie  s.  108  oben?  ich  glaube,  der  abdruck  des 
Schererschen  manuscriptes  wäre  das  beste  gewesen,  dann  wüsten 
wir  wenigstens,  dass  wir  es  durchaus  mit  seinen  Worten  zu  tun 
haben,  und  skizzenhaft  bleibt  auch  jetzt  das  ganze  buch. 

Trotzdem  muss  man  die  herausgäbe  dankbarst  begrüfsen,  denn 
sorgfältig  erwogen  und  vorsichtig  gedeutet,  wird  dasselbe  fördernd, 
befruchtend  und  anregend  würken;  freilich  wird  man  nie  ver- 
gessen dürfen,  dass  vielfach  statt  würkUcher  erkenntnis  nur 
winke  gegeben  werden,  auf  welchem  wege  vielleicht  erkenntnis 
zu  erzielen  wäre,  dass  wir  nicht  so  sehr  resultate  als  fermente 
bekommen,  einfalle,  Vermutungen,  fingerzeige,  durchaus  un- 
fertiges, neben  excerpteni  und  angeeignetem,  hierzu  kommt 
noch,  dass  sich  Seh.  viel  freier  bewegt,  wo  es  sich  um  grup- 
pierung  historischen  materials  handelt,  als  wenn  er  genötigt  ist, 
philosophisch  zu  deducieren:  da  erscheint  er  merkwürdig  un- 
gewandt^,  auf  definitionen  geht.«  er  gar  nicht  aus  (s.  xii),  ja  er 
scheut  sie  sogar,  darum  nehmen  die  historischen  partien  einen 
unverhältnismäfsig  breiten  räum  ein,  darum  sucht  Seh.  überall 
nach  einer  historischen  anknüpfung;  man  kann  sagen,  sein 
operieren  ist  ein  gegenständliches. 

Es  ist  unmöglich,  auf  einzelheiten  einzugehen,  ohne  das 
mafs  einer  anzeige  weit  zu  überschreiten,  es  wird  genügen,  ein 
bild  des  werkes  zu  geben  und  das  neue  zu  characterisieren.  das 
ganze  ist  in  fünf  capitel  gegliedert,  von  denen  das  erste  (s.  1 
bis  71)  besser  einleitung  zu  nennen  wäre,  da  es  vom  ziel  handelt; 
es  ist  bezeichnend,  dass  Seh.  nicht  fragt:  was  ist  poesie?  sondern 
was  gehört  in  ihr  gebiet?  er  antwortet:  zuerst  alles,  was  in  ge- 
bundener spräche  abgefasst  ist;  bei  der  ungebundenen  rede  ist 
die  Sache  zweifelhaft,  man  muss  zb.  die  Wissenschaft  ausschliefsen, 
kann  sich  dagegen  epos,  drama  und  lyrik  in  prosa  denken;  ihm 
ist  also  poetik  'vorzugsweise  die  lehre  von  der  gebundenen  rede, 
aufserdem  aber  von  einigen  anwendungen  der  ungebundenen, 
welche  mit  den  anwendungen  der  gebundenen  in  naher  Verwandt- 
schaft stehen'  (s.  32).  Seh.  nimmt  also  die  bestimmung  ganz 
ausschliefslich  von  der  form  her,  ohne  den  Inhalt  im  geringsten 
zu  berücksichtigen,  was  sehr  einseitig  ist.  dann  schränkt  er  für 
jetzt  (s.  68)  die  poetik  noch  weiter  ein,  indem  er  ihr  die  auf- 
gäbe zuweist,  die  dichterische  hervorbringung,  die  würkliche  und 
die  mögliche,  vollständig  zu  beschreiben  in  ihrem  hergang,  in 
ihren  ergebnissen,  in  ihren  würkungen.  Seh.  bescheidet  sich 
bei  einer  topik,  weil  er  in  ihr  die  grundlage  einer  würklichen 
poetik  sieht  (s.  69  f);  er  möchte  seine  poetik  der  früheren  gegen- 
überstellen, wie  Grimm  die  historische,  vergleichende  grammatik 

»  so  ist  der  abschnitt  über  die  antike  rhetorik  jetzt  ganz  überflüssig, 
weü  ohne  folgen. 

2  so  identificiert  er,  um  nur  eines  anzuführen,  s.  213  Idee  einer  dich- 
tung  und  moralsalz! 


SCHERER    POETIK  277 

der  gesetzgebeudeu  (vgl.  s.  288).  deshalb  geht  er  von  den  idg. 
Urformen  der  poesie  aus.  als  solche  erkennt  er  1)  chorlied, 
2)  Sprichwort  und  3)  märchen,  darunter  versteht  er  aber  zugleich 
novelle,  überhaupt  jede  prosaische  erzählung.  vom  chorlied,  bei 
welchem  das  wort  mit  gesang  und  tanz  verbunden  ist,  trennt 
sich  dann  einerseits  die  gesaugpoesie,  andererseits  die  unge- 
sungene  poesie.  aber  diese  idg.  urpoesie  muss  schon  eine  ent- 
wickelung  durchgemacht  haben;  wie  entsteht  jede  poesie?  diese 
frage  beantwortet  Seh.  (s,  73 — 117),  indem  er  Aristoteles  an- 
sieht von  dem  nachahmungstrieb  und  dem  angeborenen  sinne 
für  tacl  und  harmonie  berichtigt;  er  geht  von  der  Unterhaltung 
und  dem  vergnügen  aus,  also  von  der  röovi],  deren  ursprüng- 
lichste äufserungen  springen  und  jubeln  sind,  vielleicht  auch  das 
lachen;  dieselben  können  sich  in  der  einsamkeit  oder  in  gesell- 
schaft  äufsern.  vermutungsweise  werden  noch  die  werbenden 
töne  des  liebenden  als  keime  individueller  lyrik  herbeigezogen, 
nun  tritt  die  spräche  hinzu,  benennt  den  freude  erregenden 
gegenständ  und  spricht  die  freude  aus,  dann  vergleicht  sie,  es 
kommt  symbolische  handlung  hinzu,  so  weit  ist  die  'poesie'  ge- 
diehen bei  jenen  Australiern,  von  welchen  s.  10  (oben  s.  275)  die 
rede  war.  Müller  erzählt:  bei  einigen  stammen,  wie  zb.  den  Wat- 
schandies,  soll  die  begaltung  in  der  warmen  Jahreszeit  mit  einem 
eigenen  feste  gefeiert  werden ,  welches  sie  Kaa  ro  nennen,  dieses 
beginnt  mit  dem  ersten  neumonde,  nachdem  die  yams  reif  ge- 
worden sind  und  wird  mit  einem  fress-  und  saufgelage  von 
Seiten  der  männer  eröffnet,  zu  diesem  zwecke  reiben  sich  die 
männer  mit  asche  und  wallabyfett  ein  und  führen  im  mond- 
lichte einen  höchst  obscönen  tanz  um  eine  grübe  auf,  welche 
mit  gebüsch  umgeben  ist.  grübe  und  gebüsch  repräsentieren  den 
cunnus,  dem  sie  ähnlich  gemacht  werden ;  die  von  den  männern 
geschwungenen  speere  stellen  die  mentulae  vor.  die  männer 
springen  mit  höchst  wilden  und  leidenschaftlichen  geberden, 
welche  ihre  erregte  woUust  verraten ,  umher  und  stofsen  unter 
absingung  eines  liedes  ihre  Speere  in  die  grübe,  dieses  lied,  an- 
gemessen dem  obscönen  feste,  lautet: 

Pulli  nird,  puUi  nira, 

Pulli  nira,  watakal 

('non  fossa,  non  fossa, 

non  fossa,  sed  cunnus!') 
hier  findet  Seh.  auch  schon  das  symbolische,  entdeckt  aber  auch 
schon  die  täiigkeit  eines  erfindenden  dichlers.  also  die  poesie 
entspringt  aus  dem  ausdrucke  des  Vergnügens  durch  springen, 
jubeln,  lachen,  ihr  ursprünglichster  gegenständ  ist  wahrschein- 
lich erotisch,  dazu  rechnet  Seh.  ferner  das  rätsei,  das  Sprich- 
wort, das  mimisch  possenhafte,  das  liebeswerben ,  die  erzählung 
ursprünglich  wol  auch  erotisch,  sehr  breit  (s.  94— 113)  be- 
schäftigt  sich  Seh.  mit   der  frage,   wie   aus   der  erweckung  von 


278  SCHERER    POETIK 

unlustgeCiihlen  lust  eulstehe  könueu,  ohne  dabei  jedoch  zur  klar- 
heit  zu  kommoD.  meiner  ansieht  nach  muste  Seh.  auch  hier  von 
einem  ursprünglich  piiysischen  reiz  ausgehen  und  zwar  vom 
gruseln,  das  sich  im  lachen  äufsern  kann,  wie  im  weinen,  wir 
brauchen  dalür  auch  das  wort:  schauern  (sogar  alteration);  noch 
eine  andere  beobachtung  können  wir  machen :  haben  wir  eine 
schmerzende  stelle  au  unserem  körper,  so  können  wir  uns  nicht 
oder  nur  mühsam  enthalten,  dieselbe  zu  berühren,  obwol  wir 
wissen,  dass  unser  schmerz  dadurch  gröfser  wird;  wir  würden 
es  gewis  unterlassen ,  wenn  nicht  ein  vergnügen  damit  verbunden 
wäre;  ja  es  kann  geschehen,  dass  uns  das  endliche  aufhören 
des  Schmerzes  keine  lustempfindung ,  sondern  das  gefühl  des 
mangels  erregt,  wie  lassen  sich  diese  tatsachen  erklären?  hier 
haben  wir  es  doch  gewis  mit  directen  Unlustempfindungen  zu 
tun,  während  wir  bei  tragischen  gegenständen  vielleicht  gar  nicht 
persönlich  beteiligt  sind,  ich  glaube,  wir  reichen  mit  einer  ganz 
einfachen  erklärung  aus:  wir  wollen  uns  unterhalten,  wir  wollen 
uns  zerstreuen,  dh.  wir  verlangen  nach  abwechselung.  'nichts  ist 
schwerer  zu  ertragen  als  eine  reihe  von  schönen  tagen',  für  uns 
ist  auch  der  schmerz  gegebenen  falls  eine  abwechselung,  eine  Zer- 
streuung, also  eine  Unterhaltung,  der  alte  Germane  konnte  sich 
ein  jenseits  ohne  kämpf  nicht  denken;  nur  auf  die  anstrengung 
schmeckt  die  ruhe;  schmerz  und  lust  sind  contrastempflndungen, 
nur  der  kennt  die  lust,  der  auch  den  schmerz  kennt.  Hebbel 
schlägt  in  seinen  Tagebüchern  n  19  ein  drastisches  mittel,  um 
die  langeweile  zu  zerstreuen,  vor,  das  atemanhalten  bis  zum 
zerspringen,  das  ritzen  der  haut  mit  nadeln  ,  das  schneiden  mit 
einem  messer  und  sagt :  'jede  gegenwart  lässt  sich  ertragen ,  nur 
nicht  die  Vergangenheit-  und  die  zukunftlose',  wir  brauchen 
nicht  mit  Schiller  einen  besonderen  spieltrieb  anzunehmen,  aber 
eingeboren  ist  uns  das  bedürfnis  nach  abwechselung,  weil  schon 
unser  körper  einen  stillstand  nicht  kennt,  wir  müssen  unbedingt 
als  parallele  zu  der  frage,  wie  wir  freude  am  schmerz,  also  lust 
an  der  unlust  haben  können ,  die  andere  stellen ,  wie  wir  unlust 
an  der  lust  haben  können?  merkwürdiger  weise  wurde  zur  er- 
klärung der  ersten  tatsache  noch  niemals  die  zweite  herbei- 
gezogen; auch  die  freude  wird  uns  auf  die  dauer  unangenehm, 
dh.  sie  erweckt  unlustgefühle,  dann  sehnen  wir  uns  nach  dem 
schmerzlichen,  nur  der  abwechselung  wegen,  mir  scheint  diese 
erklärung  so  einfach,  dass  ich  mich  wundere,  sie  noch  nicht 
benutzt  zu  sehen,  i 

Wir  dürfen  nun  aber  nicht  mit  Seh.  (s.  113)  sagen:  die 
poesie  entspringt  aus  der  heiterkeit,  sondern  aus  dem  l3edürfnis 
nach  abwechselung,  Zerstreuung,  Unterhaltung,  sehr  beachtens- 
wert ist  dann  seine  entwickelung  von  lebrgedicht,  mythus,  gebet, 

*  dazu  kommt  noch  unsere  freude,  irgend  einen  verlauf  zu  beobachten: 
wir  können  sie  schon  bei  den  kindern  bemerken. 


SCHERER    POETIK  279 

hyuine  und  zaiibeiiied  aus  der  erkenntois  von  der  macht  der 
poesie.  dadurch  wird  er  auf  den  'wert  der  poesie'  geführt 
(s.  118 — 147),  er  vergisst  aber  eine  funclion  der  poesie  gänzHch, 
und  nicht  gerade  die  schlechteste,  er  meint,  die  poesie  diene 
zum  vergnügen  und  zur  belelirung,  diese  im  sinne  der  be- 
friedigung  der  wissbegier  und  im  sinne  der  einvvürkung  auf  den 
willen  der  menschen  und  der  gülter.  die  poesie  lehrt  aber  auch 
geuiefsen ,  und  auch  dieser  punct  blieb  bis  jetzt  unbeachtet,  der 
dichter  weckt  das  unbewust  in  uns  schlummernde  mitempfinduugs- 
vermögen,  wie  die  maierei  uns  sehen,  die  musik  uns  hören 
lehrt,  wider  liegt  es  am  nächsten ,  als  vergleich  die  naturwisseu- 
schaft  herbeizuziehen:  der  mediciner  lehrt  uns  im  präparat  eiuzel- 
erscheinungen  kennen,  welche  wir  vielleicht  nicht  zu  erkennen 
vermöchten,  wenn  sie  uns  in  der  gesammterscheiuung  entgegen- 
träten; den  Kochschen  baccillus  sehen  wir  im  gefärbten  prä- 
parate,  während  wir  ihn  sonst  übersähen,  so  lehrt  uns  nun 
ilie  poesie,  das  wichtige,  genussreiche  herausgreifen,  das  für 
uns  in  der  manigfaltigkeit  der  natur  vielleicht  nicht  ersichtlich 
wäre,  ganz  richtig,  obwol  mit  unrichtigen  consequeuzen,  stellt 
Fritz  Reuter  diese  würkung  der  poesie  in  seiner  skizze  Hauhne- 
fiken  dar  (Schurr  -  Murr.  Werke  6,  24  f).  er  erzählt  ein  ge- 
spräch:  baron  von  X.  berichtet  von  der  jungen  baronesse  Tz.: 
'sie  hatte  da  gelesen  —  Sie  wissen  —  in  den  Geheimnissen  von 
Paris  —  die  scene,  wo  Se.  durchlaucht  der  fürst  —  Sie  wissen  — 
den  engel  von  Schallerin  in  die  meiere!  bringt,  und  ich  ver- 
sichere Sie  auf  ehre,  drei  tropfen  lagen  noch  auf  der  auf- 
geschlagenen Seite'.  .  .  .  und  der  alte  rittergutsbesitzer  Sillup- 
drüttel  kann  gar  von  Sophie  Kukuk  mitteilen :  'kam  dor  nilicli 
hen  nah'u  ollen  Kukuk,  sitt  dat  arme  worm  dor,  röhrt  as  en 
roggenwulf,  hadd  dor  'ne  geschieht  lesen  ut  Paris  von  'ue  ganz 
lege  perfson,  uu't  hadd  ehr  verdeuwelt  anlreckt'.  nun  fährt 
Reuter  fort:  'es  ist  wahr!  ich  habe  gelegenheit  gehabt,  mich 
selbst  davon  zu  überzeugen;  die  junge  baronesse  Tz.  hat  bitter- 
lich bei  oben  angedeuteter  scene  geweint  und  Sophie  Kukuk  hat 
sie  in  rührung  vielleicht  noch  übertrolfeu;  aber  wenn  ich  so 
unglücklich  gewesen  wäre,  die  baronesse  Tz.  oder  Sophie  Kukuk 
bei  der  band  zu  nehmen  und  sie  in  einen  kathen  ihrer  respec- 
tiven  Väter  zu  führen,  ihnen  das  ebenbild  der  beweinten  Schal- 
lerin zu  zeigen,  wozu  leider  so  viel  gelegenheit  gegeben  ist,  und 
von  ihnen  zu  verlangen,  sie  sollten  das  beispiel  Seiner  durchlaucht, 
des  forsten  Rudolf,  befolgen,  sich  der  gefallenen  annehmen i, 
so  würde  ich  sonderbar  von  ihnen  abgespeist  worden  sein, 
wenigstens  hätte  ich  gewis  nie  wider  mit  ihnen  gespeist,  fräulein 
von  Tz.  hätte  mir  kurzweg  gesagt,  so  etwas  passe  sich  nicht  für 
sie,  und  Sophie  Kukuk  hätte  mir  etwas  von  'Verhältnissen'  vor- 

*  man  denke,  wie  Leisewitz  erfreut  war,  als  seine  braut  Sophie  Seyler 
dies  tat.     Kutsciiera  s.  31. 


280  SCHERER    POETIK 

gesagt  und  mir  als  belege  dieser  'Verhältnisse'  die  ganze  ge- 
schichte  der  Sünderin  mit  in  den  kauf  gegeben,  dh.  wenn  sie, 
Sophie  Kukuk,  schon  über  die  dreifsig  hinaus  gewesen  wäre, 
die  Sünderin  wäre  Sünderin  geblieben,  und  keine  thräne  wäre 
um  sie  vergossen,  die  würklichkeit  ist  für  solche  zartgestimmte 
Seelen  zu  rauh,  sie  greift  zu  herbe  in  die  schwachen  saiten  ihres 
herzens,  als  dass  sie  klingen  sollten  in  sanften,  versöhnenden 
tönen',  was  dann  Reuter  voll  bitterkeit  weiter  ausführt,  ist  ein- 
seitig und  ungerecht,  gehört  auch  nicht  hierher;  die  würkung 
der  poesie  aber  hat  er  richtig  dargestellt,  wir  sehen,  dass  sie 
keine  moralische  ist;  die  poesie  dient  auch  hier  zur  belehrung 
im  sinne  der  genussfähigkeit. 

Nachdem  Seh.  den  Ursprung  der  poesie  erforscht  hat,  springt 
er  ans  entgegengesetzte  ende,  indem  er  die  poesie  als  national- 
öconomischen  wert  betrachtet  und  das  Wechselverhältnis  zwischen 
production  und  consumtion,  product  und  consum,  producenten 
und  consumenten  prüft,  gewis  wird  auf  die  production  der  er- 
folg von  einfluss  sein,  freilich  nur  auf  die  raassenproduction; 
aber  man  sieht  sogleich,  wie  Seh,  nur  auf  dem  wege  der  ana- 
logie  die  ältesten  zustände  zu  erhellen  sucht;  was  jetzt  gilt,  wird 
mutatis  mutandis  immer  gegolten  haben.  Seh.  betrachtet  also 
das  publicum,  für  welches  der  dichter  sein  werk  berechnet,  und 
die  kritik,  die  art  der  litterarischen  Verbreitung  in  ihrem  ein- 
fluss auf  das  werk ,  endlich  den  unterschied  von  geschriebener 
und  nicht  geschriebener  litteratur.  alles  das  nennt  er  tausch- 
wert  der  poesie.  unter  den  idealen  werten  oder  gebrauchswerten 
der  poesie  (ergetzlichkeit,  belehrung,  erbauung)  schenkt  er  dem 
Verhältnis  zur  Sittlichkeit  eingehendere  aufmerksamkeit,  obwol 
er  das  problem  für  unlösbar  hält;  er  meint,  der  dichter  würke 
1)  entweder  direct  oder  2)  indirect  sittlich  veredelnd,  oder  er 
würke  3)  nicht  sittlich  veredelnd,  dies  reicht  wider  nicht  aus. 
denn  wenn  wir  schon  alle  möglichkeiten  aufzählen,  müssen  wir 
weiter  gehen  und  sagen:  der  dichter  würkt  4)  entweder  direct 
oder  5)  indirect  sittlich  verderbend,  denn  wie  wollten  wir  sonst 
der  schmutzlitteratur,  welche  direct  auf  die  niedersten  sinne  spe- 
culiert,  einen  platz  anweisen,  jenen  'galanten'  abenteuern,  die 
wir  unmöglich  unter  3)  subsumieren  könnten,  eine  Nana  will 
zwar  indirect  veredelnd  würken ,  sie  würkt  aber  indirect  ver- 
derbend; man  sieht,  Sch.s  schematisieren  ist  zu  wenig  durch- 
geführt, er  geht  nun  weiter,  indem  er  die  zwei  factoren  pro- 
ducent  und  consument,  dichter  und  publicum  untersucht;  auch 
dabei  verwendet  er  die  begriffe  der  nationalöconomie,  greift  aber 
nur  einzelnes  heraus,  vor  allem  die  art  des  producierens,  spe- 
ciell  die  arbeitsteilung.  auch  hier  führt  das  schematisieren  nicht 
zum  ziel.  Seh.  meint,  die  dichter,  welche  gemeinschaftlich 
arbeiten,  wissen  entweder,  oder  sie  wissen  nicht  von  einander; 
darnach  müsten  wir  zb.  scheiden  zwischen  der  theaterbearbeitung 


SCHEBER    POETIK  281 

eines  anonymen  und  eines  dramas,  dessen  verf.  bekannt  ist,  was 
docii  nicht  angeht.  Ramlers  tätigkeit  als  'verbesserer'  bleibt 
gleich,  ob  er  es  mit  einem  bekannten  oder  unbekannten  dichter 
zu  tun  hat;  ebenso  redigiert  Bürger  die  lieder  für  den  musen- 
almanach.  man  könnte  nur  sagen,  einem  bekannten  dichter 
gegenüber  wird  der  bearbeiter  befangener  sein,  als  einem  un- 
bekannten, das  würde  jedoch  einem  anfänger  gegenüber  nicht 
verfangen,  ferner  hat  Seh.  nicht  beachtet,  wie  der  bearbeiter 
seine  arbeit  auffasst,  ob  er  ein  selbständiges  werk  hervorzubringen 
glaubt  oder  nicht,  trotzdem  ist  das  wichtig:  Laube  schafft  einen 
angeblichen  original -Essex,  obwol  er  im  wesentlichsten  nur 
bearbeiter  des  alten  Banksischen  ist.  damit  vergleiche  man  nun 
die  tätigkeit  Schreyers,  welcher  nach  Goethes  plan  und  Scherers 
reconstruction  eine  Nausikaa  produciert,  oder  Halms  bei  seiner 
Iphigeuie  in  Delphi;  oder  noch  weiter  gehend  Hebbel,  welcher 
der  Genoveva  des  maier  Müller  und  Tiecks  die  seine  gegen- 
überstellt. Seh.  lässt  sich  zu  stark  durch  die  rücksicht  auf  die 
Nibelungentheorie  leiten. 

'Unterbrochenes'  und  'anhaltendes  arbeiten'  wird  nach  seinen 
vorteilen  und  schaden  characterisiert;  wenn  Seh.  s.  159  sagt: 
'mir  sind  keine  Schilderungen  dieses  zustandes  (anhaltendes  arbeiten) 
von  Seiten  der  dichter  als  Selbstbekenntnisse  bekannt,  obgleich 
es  dergleichen  geben  mag',  so  hat  er  Hebbels  Tagebücher  und 
Kuhs  Hebbelbiographie  vergessen,  wo  sich  derartiges  findet; 
ebenso  wissen  wir  von  Hebbel,  in  welcher  erregung  er  produ- 
ciertei  (s.  160)  und  wie  sich  bei  ihm  die  mehrzahl  seiner  dramen 
jedes  mal  mit  einer  gesichtserscheinung  ankündigte  (zu  s.  169). 
Kuh  hat  in  seiner  biographie  ii  655  f  aufser  der  tatsache,  deren 
auch  Seh.  gedenkt,  noch  anderes  zusammengestellt,  wodurch 
Sch.s  wünsch  (s.  169):  'hätten  wir  doch  mehr  solche  Selbst- 
bekenntnisse von  dichtem  1  das,  was  etwa  vorhanden,  wäre  sorg- 
fältig zu  sammeln'  zum  teil  erfüllt  wird.  Hebbel  kann  im 
Sommer  gar  nicht  producieren,  er  beginnt  im  herbst  zu  dichten 
und  endet  im  frühjahr.  für  andere  dichter  —  und  dies  scheint 
mir  wichtig  — ,  zb.  für  Geibel,  für  Uhland  ist  die  dämmerung 
die  zeit  des  dichtens,  worauf  ich  in  meinem  buche  Physiologie 
der  lyrik  näher  eingehe  (vgl.  s.  179). 

Ganz  neu  ist  das  hereinziehen  des  publicums  in  die  poetik. 
deshalb  ist  aber  dieser  abschnitt  (s.  185  —  203)  skizzenhafter  als 
alle  übrigen,  über  ganz  flüchtige  einfalle  kommt  Seh.  nicht  hinaus 
und  untersucht  nicht  scharf  genug,  wie  nun  das  publicum  ein 
factor  der  dichtkunst  wird,  wesentlich  drei  momente  führt  er 
an:  dauer  (dh.  ausdehnung),  abwechselung,  einheit  und  folge, 
also  rein  formales;   nur   gestreift  wird  das  stoffliche,   denn  ihm 

1  auch  von  Mickiewicz  berichtet  Odyniec  sehr  interessantes  in  dieser 
hinsieht. 

A.  F.  D.  A.    XV.  19 


282  SCHERER    POETIK 

ist  ein  eigenes  capitel  (das  dritte)  gewidmet,  hier  fällt  aber 
bei  Seh.  die  rilcksicht  auf  das  publicum  fast  ganz  weg,  leider 
begnügt  er  sich  abermals  mit  einer  höchst  dürftigen  andeutung, 
mit  dem  wünsche,  die  tatsachen  'wären'  zusammenzufassen,  die 
würkungen  'wären'  zu  durchmustern  usw.  hier  gibt  er  also 
keine  poetik  mehr,  sondern  eine  Vorschule  zu  jeder  künftigen 
poetik,  prolegomena,  welche  zum  teil  (vgl.  s.  206  ff)  nur  etwas 
veränderte  aneignungen  sind,  auch  nicht  immer  richtige:  so 
halte  ich  das  ganze  vierte  capitel  'innere  form'  für  verfehlt.  Seh. 
spricht  von  objectiver  und  subjectiver  auffassung,  jene  teilt  er 
in  naturalistische ,  typische  (symbolische)  und  idealistische ,  diese 
dagegen  in  humoristische,  satirische,  elegische  und  idyllische, 
muss  aber  dann  ein  subjectiv  idealistisches  und  ein  objecliv  idyl- 
lisches anerkennen,  wir  könnten  auch  noch  andere  kreuzungen 
angeben,  es  fiele  nach  Seh.  also  zusammen  auffassung  und  dar- 
stellung;  in  jener  zeigt  sich  die  Individualität  des  dichters,  in 
dieser  ein  factor  der  äufseren  form:  das  drama  muss  objecliv 
sein,  wahre  lyrik  ist  immer  subjectiv,  dh.  jenes  wird  objective 
darstellung,  diese  subjective  auffassung  haben,  für  die  innere  form 
bieten  Hebbels  Tagebücher  reichen  aufschluss.  innere  form  ist 
für  mich  das  herausarbeiten  des  notwendigen  aus  dem  zufälligen 
des  erlebnisses ,  sie  muss  erreicht  sein ,  sobald  der  künstler  den 
Stoff  zu  gestalten  beginnt,  mit  welchem  er  bis  dahin  nur  spielte, 
wo  sich  individuelles  und  allgemeines  schneiden,  liegt  die  innere 
form;  sie  beginnt  dort,  wo  das  traumhafte  endet  und  das  be- 
wuste  anhebt;  sie  ruht  im  dichter  und  lässt  sich  nicht  erlernen. 
Schiller  hat  für  das  herausarbeiten  der  inneren  form  den  aus- 
druck  idealisieren  gebraucht,  der  einzelne  mensch  ist  ein  Indi- 
viduum, das  aber  mit  anderen  Individuen  gewisse  eigentümhch- 
keiten  der  erscheinung  teilt,  in  so  ferne  er  einer  bestimmten 
race  angehört:  äufsere  form;  aber  er  teilt  mit  anderen  auch 
gewisse  charactereigentümlichkeiten ,  in  so  fern  er  einer  be- 
stimmten nation  augehört:  innere  form,  fassen  wir  diesen 
begriff  so,  dann  begreifen  wir,  wie  Uhland  von  der  inneren 
form  des  sonetts  sprechen  konnte  (Anz.  xiv  162  f);  auch  an 
ühlands  ausführungen  über  mittlere  dichter  ist  zu  erinnern 
(ebenda  160  ff). 

Noch  gedrängter  als  die  übrigen  ist  das  letzte  capitel 
'äufsere  form',  eigentlich  nur  mehr  ein  schema,  ohne  dass 
der  gegenständ  erschöpft  würde,  trotzdem  sind  darin  winke 
höchst  beachtenswerter  natur  enthalten,  einleuchtend  ist  die 
Scheidung  directer  und  indirecter  darstellung,  unbedeutend  das 
über  fictionen,  über  willkürliche  zeichen  gesagte,  bei  der  rede 
unterscheidet  Seh.  einmal:  monolog,  vertrag  und  dialog;  dabei 
ist  der  ausdruck  Vortrag  nicht  ganz  glücklich,  es  wäre  anspräche 
(bes.  der  lyrik  wegen)  besser;  meist  aber  lässt  sich  mit  den  be- 
griffen:   monolog    und   dialog   ausreichen,   wenn   man   nur  den 


SCHEREB   POETIK  283 

scheiadialog  mit  angedeuteter  oder  verschwiegener  antwort  (vgl. 
Deutsche  dichtung  iii  208)  dabei  nicht  vergisst.  dann  scheidet 
Seh.  die  rede  im  eigenen  nameu,  in  maske,  in  rolle,  woran  wir 
schon  gewöhnt  sind  durch  seine  LG  und  durch  Waldbergs  dar- 
stellung  der  galanten  lyrik,  strenge  genommen  ist  dies  keine 
'art  der  rede',  sondern  auftreten  des  dichters  in  der  dichtung: 
1)  persönliches,  2)  verhülltes,  3)  verstecktes,  ebenso  wenig  haben 
wir  es  im  dritten  falle  mit  einer  art  der  rede  zu  tun,  ob  der 
redner  allgemeine  betrachtungen ,  also  zeitlose,  anstellt  oder  von 
vergangenem,  gegenwärtigem,  zukünftigem  spricht,  wünscht,  auf- 
fordert, doch  braucht  Seh.  diese  bezeichnung  zur  möglichsten 
Vereinfachung  seines  Schemas,  am  meisten  wird  der  vierte  ein- 
teilungsgrund  auffallen ,  weil  sein  unterschied  vom  zweiten  nicht 
sogleich  einleuchtet:  ob  der  dichter  von  sich  oder  von  anderen 
redet,  oder  fingiert,  dass  ein  anderer  von  sich  redet,  trotzdem 
ist  der  eiufall  sehr  richtig,  mau  braucht  nur  die  probe  zu  machen 
und  ihn  auf  die  zweite  gruppe  anzuwenden. 

Aber  Seh.  hat  meiner  ansieht  nach  die  möglichkeiten  wider 
nicht  erschöpft,  die  rede  kann  1)  darstellend  sein  (dramatisch), 
2}  berichtend  (episch)  und  3)  rechtfertigend  (didactisch);  es  fragt 
sich  ferner,  wie  wird  das  vergangene  eingeführt,  was  zb.  bei 
der  lyrik  so  wichtig  ist,  1)  andeutend,  wie  unter  bekannten  ge- 
meinsame erlebnisse,  2)  parallelisierend,  dem  gegenwärtigen  wird 
das  ähnliche  vergangene  beigesellt  und  3)  erzählend,  zb.  im 
Situationseingang,  doch  ich  müste  die  betreffenden  partien  meiner 
Physiologie  der  lyrik  ausschreiben;  meine  andeutungen  genügen, 
um  mein  urteil  zu  rechtfertigen,  zugleich  zeigt  sich  (vgl.  auch 
oben  s.  267),  dass  ich  eine  andere  meinung  von  der  lyrik 
habe,  als  Seh.  s.  245  ff.  er  sagt  geradezu,  unzählige  liebeslieder 
seien  nichts  anderes  als  kleine  erzählungen,  von  der  lyrik  aus- 
zuscheiden und  zur  epik  zu  rechnen,  diese  gewis  unrichtige 
meinung  hat  ihren  grund  in  der  rein  formalen  anschauung  Sch.s, 
welcher  auf  den  Inhalt  keine  rücksicht  nimmt,  er  übersieht, 
dass  zwischen  epischer  einkleidung  und  epos  ein  ebenso  grofser 
unterschied  besteht  wie  zwischen  dramatischer  einkleidung  und 
drama;  auch  dies  wirft  Seh.  s.  250  f  bunt  durch  einander  und 
schränkt  die  lyrik  s.  252  auf  das  wunschlied  und  auf  die  ab- 
spiegelung  eines  zustandes  ein.  dies  ist  vielleicht  die  schwächste 
partie  der  Sch.schen  theorie;  wir  müsten  darnach  unsere  lyriker 
fast  sämmtlich  epiker  nennen,  und  wenn  man  genau  zusieht, 
verschwindet  die  lyrik  eigentlich  vollständig,  aber  Seh.  hat  in 
so  ferne  recht,  als  es  wol  eine  dramatische,  eine  epische,  aber 
keine  lyrische  form  gibt,  als  unsere  dreiteilung,  wie  oben  ge- 
zeigt, von  verschiedenen  einteilungsgründen  ausgeht,  hoffentlich 
aber  wird  niemand  dem  Sch.schen  wege  folgen  und  würklich  die 
lyrik  aus  der  poetik  eliminieren. 

Sehr  wichtig  und  treffend  sind  wider  die  bemerkungen  über 


284  SCHERER    POETIK 

die  coniposition,  sie  werden  eingehend  zu  berücksichtigen  sein,  zu 
dem  von  Goethe  entlehnten  schema  der  motive  (s.  255)  wird  man 
noch  die  zurückspringenden  und  die  sich  wandelnden  herbeiziehen 
müssen  (vgl,  Hebbel  Tagebücher  1 172. 181);  jene  scheinen  nur  altes 
zu  bestätigen,  also  rückwärtsschreitende  zu  sein  und  bringen  doch 
etwas  ganz  neues,  sind  also  vorwärtsschreitende;  diese  wandeln 
sich  und  scheinen  nach  der  tat  (im  drama  zb.)  andere  als  vor 
derselben.  ganz  übersehen  wurde  von  Seh.  die  lehre  vom 
decken,  wie  ich  mit  einem  ausdrucke  der  musik  sagen  möchte, 
sie  ist  im  drama  unentbehrlich  und  meines  wissens  noch  gar  nicht 
behandelt,  ich  pflege  sie  in  meinen  Vorlesungen  nachdrücklich 
zu  betonen,  bei  der  im  drama  durchaus  nötigen  Vereinfachung 
müssen  tatsächlich  lücken  eintreten,  welche  jedoch  der  künstler 
deckt,  das  einfachste  beispiel  ist  der  deus  ex  machina^  dann 
die  botenscenen  der  antike  (der  hauptmann  im  Wallen  stein),  hier 
unterbricht  eigentlich  der  epiker  das  werk  des  dramatikers.  zum 
teile  der  mouolog  zb,  im  Teil,  wobei  der  lyriker  für  den  dra- 
matiker  eintritt;  die  schlachtscenen  wie  in  der  Jungfrau  (vgl. 
QF  22,29);  das  a  parte,  das  sich  nicht  sehen  auf  der  bUhne; 
mitunter  das  auf  und  von  der  bühne  bringen,  anders  im  Teil 
die  apfelschussscene,  in  den  Räubern  das  lesen  des  briefes  durch 
Karl;  vgl.  auch  den  Prinzen  von  Homburg,  im  zweiten  teil  des 
Faust  das  scheinbare  erfüllen  der  wette,  alles  dies  sind  mittel, 
um  epische  darlegung  zu  vermeiden  und  unvermittelte  Sprünge 
zu  verschleiern  oder  technisch  unmögliches  möglich  zu  macheu. 
doch  ist  das  decken  selbstverständlich  nicht  auf  das  drama  be- 
schränkt, in  der  lyrik  ist  es  unumgängHch  nötig,  um  die  streng 
logische  Verbindung  nicht  durch  conjunctionen  ausdrücken  zu 
müssen,  um  prosaische  Übergänge  hintanzuhalten  usw. 

Seh.  schliefst  mit  spräche  und  metrik,  besser  gesagt,  er 
bricht  ab,  nicht  weil  sein  gegenständ  erschöpft,  sondern  weil 
das  Semester  zu  ende  ist.  wir  haben  eigentlich  nur  den  allge- 
meinen teil  der  poetik  vor  uns,  es  müste  nun  der  besondere 
die  detailbeobachtungen  an  den  einzelnen  dichtungsarten  bringen, 
leider  vermochte  Seh,  diesen  teil  nicht  mehr  auszuführen,  am 
besten  lässt  sich  der  character  seines  Werkes  als  programm  einer 
wissenschaftlichen  poetik  bezeichnen,  dass  Seh.  weiter  gehen 
wollte,  beweist  das  werk  selbst,  beweisen  überdies  die  paralipomena, 
welche  Meyer  im  anhange  zusammengestellt  hat;  vielleicht  wäre 
die  angäbe  von  Seh. s  aufsätzen  bes.  in  diesem  Anzeiger,  welche 
sich  mit  dem  thema  der  poetik  berühren ,  nicht  ohne  Wichtigkeit 
gewesen,  einiges  steht  s.  283,  fraglich  ist,  ob  nicht  auch  das 
blatt  von  Sch.s  band  (Deutsche  dichtung  i  125)  herbeizuziehen 
war.  gerade  diese  skizzen,  so  weit  sie  ausgeführter  sind,  etwa 
die  über  das  epos,  geben  eine  ahnung,  was  Sch.s  werk  geworden 

*  sehr  gut  ist  die  begründung  desselben  im  Philaktet  durch  Baum- 
gart  Handbuch  s.  510. 


SCHERER    POETIK  285 

Wäre,   wenn  er  es  hätte   zu  ende  führen  können,     leider  bleibt 
es  bei  diesem:  wäre. 

Lemberg,  am  26  juli  1888.  R.  M.  Werner. 


Psychologische  Studien  zur  Sprachgeschichte.  von  dr  Kurt  BRUcrouNN. 
Leipzig,  WFriedrich,  18S8  (Einzeibeiträge  zur  allgemeinen  und  ver- 
gleichenden Sprachwissenschaft.    3  heft).    x  und  35S  ss.    8°.  —  9  m. 

Es  ist  nicht  leicht,  über  dieses  buch  ein  bündiges  urteil  zu 
tällen.  es  ist  anregend  vom  anfang  bis  zum  ende,  aber  die  frage, 
ob  der  verf.  zu  bestimmten ,  wolbegründeten  ergebnissen  gelangt 
sei,  dürfte  sich  schwerlich  befriedigend  beantworten  lassen,  schuld 
daran  trägt  hauptsächlich  die  darstellung.  es  wird  zb.  eine  sprach- 
liche frage  berührt:  mitten  in  ihrer  erörterung  tritt  eine  ver- 
gleichbare erscheinung  aus  anderem  Wissensgebiet  in  den  ge- 
sichtskreis  und  wird  festgehalten,  ein  'also'  oder  'folglich'  soll 
uns  weiter  führen,  ohne  dass  wir  über  den  Zusammenhang  jener 
beiden  gedankenkreise  ins  klare  gekommen  wären,  so  bleibt 
auch  das  folgende  ohne  rechte  anknüpfung  ans  vorhergehende, 
dabei  kommen  themen  aus  der  psychologie,  der  metaphysik,  ge- 
schichtsphilosophie,  den  naturwissenschaften  in  reichem  aber  sehr 
buntem  Wechsel  zur  spräche:  der  verf.  arbeitet  mit  der  methode 
der  'gegenseitigen  erhellung',  aber  die  gesichtspuncte,  unter  denen 
er  die  dinge  betrachtet,  werden  keineswegs  klar,  er  liefert  geist- 
reiche Skizzen,  aber  ihr  Zusammenhang  ist  schwer  erfindlich, 
wer  also  darüber  bericht  erstatten  soll ,  dem  wird  es  leichter  von 
den  absiebten  des  buches  zu  reden,  als  von  seinen  ergebnissen. 
auch  in  die  composition  des  ganzen  ist  dieselbe  willkür  und 
sprunghaftigkeit  übertragen:  ein  erster  teil  will  den  stoff  sammeln, 
der  zweite  den  gesammelten  stoff  bearbeiten:  aber  dort  werden 
die  beispiele  von  schritt  zu  schritt  von  allgemeinen  betrachtungen 
durchkreuzt  und  hier  wider  werden  neue  Stoffsammlungen  ein- 
geschoben, auch  die  beispielgruppen  des  ersten  teils  —  wo  sie 
in  geschlosseneren  massen  auftreten  —  zeigen  keine  scharfe  son- 
derung, diese  Unübersichtlichkeit,  diese  hemmende  sprunghaftig- 
keit der  darstellung  schädigt  sehr  den  eindruck  des  in  vielen  hin- 
sichten  bemerkenswerten  buches. 

Characteristisch  ist,  dass  der  eigentümlichste  gedanke  der 
Untersuchung  —  die  anknüpfung  gewisser  erscheinungen  des 
Sprachlebens  an  die  Fechnersche  psychophysik  —  erst  in  den 
letzten  abschnitten  halbwegs  greifbare  gestalt  gewinnt,  obwol 
die  dort  dargelegte  auffassung  eine  grundsätzliche  ist,  wird  sie 
doch  nur,  in  der  vom  verf.  auch  sonst  beliebten  weise,  gewisser 
mafsen  als  ein  parergon  eingeschoben  und  aphoristisch  behandelt. 


286  BRUCHMANN    STUDIEN  ZUR  SPRACHGESCHICHTE 

dabei  gelingt  einzelnes  ganz  wol:  so  die  erklärung,  warum  die 
Verbindung  disparaler  Vorstellungen  (zb.  schwert  —  dürsten:  'blut 
dürstete  das  breite  schwert')  stärkeren  gefühlseindruck  (reiz)  her- 
vorbringt, andere  einzelheiten  bleiben  unklar,  aber  selbst  wenn 
alles  einzelne  überzeugend  wäre,  so  würde  der  mangel  einer 
grundlegenden  Untersuchung  noch  immer  schwer  vermisst  werden. 

Die  sprachlichen  tatsachen ,  die  das  buch  in  betracht  zieht, 
fallen  fast  durchaus  ins  gebiet  der  bed  eutungsentwickelung. 
die  form  wird  nur  gelegentlich  gestreift,  den  kern  der  beispiele 
bilden  solche,  in  denen  der  Übergang  aus  eigentlicher  bedeutung 
in  übertragene,  aus  sinnlicher  Vorstellung  in  rein  formelhafte 
Verwendung  ersichtlich  wird,  der  verf.  verfolgt  doppelten  zweck: 
er  untersucht  die  Überlieferung  solcher  ausdrücke,  ihre  geschichte ; 
er  zieht  daraus  sprach -psychologische  Schlüsse,  daraus  ergab 
sich  ihm  auch  die  haupteiuteilung  seiner  arbeit,  freilich  ist  sie 
—  wie  oben  angedeutet  —  nicht  streng  festgehalten. 

Das  beispielmaterial  ist  reichlich  bemessen:  von  den  asiati- 
schen sprachquelleu  sind  die  Bibel  und  die  Veden,  von  den  euro- 
päischen vorwiegend  deutsche,  lateinische  und  griechische  denk- 
mäler  herangezogen,  ich  könnte  nur  schwer  mich  entschliefsen, 
dem  gegenüber  rein  theoretisch  das  bedenken  willkürlicher  und 
unzureichender  auswahl  geltend  zu  machen:  denn  wir  müssen 
vor  der  band  zufrieden  sein,  einen  verhältnismäfsig  so  weiten 
kreis  sprachlicher  Überlieferung  durchmessen  zu  sehen,  ent- 
schieden bedauerlich  aber  ist,  dass  der  verf.  die  nordischen 
kenningar  ganz  bei  seite  liefs:  für  die  im  miltelpuncte  seiner 
Untersuchung  stehenden  fragen  der  bedeutungsentwickelung  sind 
sie  eine  der  wichtigsten  erscheinungen. 

Der  schwerpunct  der  geschichtlichen  bestandteile  seiner  arbeit 
liegt  darin,  dass  er  eine  reihe  bildlicher  oder  formelhafter  aus- 
drücke auf  ihre  älteren  Vorbilder  zurückführt,  die  Bibel  und  die 
mythologie  lieferte  hier  den  reichsten  stoff.  in  der  kritik  dieser 
Überlieferung  kam  es  vor  allem  darauf  an,  den  ursprünglichen 
sinn  einer  heute  in  übertragener  bedeutung  oder  formelhafter 
Verwendung  gebrauchten  redensart  zu  ermitteln,  das  entgieng 
dem  verf.  nicht  und  er  verwendet  gerade  auf  diesen  teil  seiner 
aufgäbe  viel  Scharfsinn  und  Sorgfalt,  mir  bleiben  freilich  viel- 
fache philologische  bedenken:  in  die  erörterung  der  bedeutung 
von  Wörtern  wie  zb.  lux  (s.  106}  in  der  christlichen  litteratur 
kann  wol  nur  eine  eigentlich  theologische  Untersuchung  Sicher- 
heit bringen  (das  rituelle  hix  perpetna  luceat  eis  habe  ich  unter 
den  beispielen  vermisst).  anderswo  war  das  hereinziehen  for- 
maler sprachlicher  gesichtspuncte  unvermeidlich:  um  die  Ver- 
wendung des  Wortes  teufel  in  redensarten  wie  ich  habe  das.  — 
den  teufel  hast  du!  (=  du  hast  es  nicht!)  zu  erklären,  genügt 
es  nicht  auf  dem  wege  blofser  bedeutuugsanalogien  eine  verblas- 
sung  der   ursprünglichen  Vorstellung   bis   zu   rein  negativer  be- 


BRL'CHMAXN    STUDIEN  ZUR  SPRACHGESCHICHTE  287 

deulung  zu  constalieren.  niederöslerreichisch  hört  man  in  gleicher 
Verwendung:  an  schmarn  hast ;  dieses  wort  wird  aber  auch,  ohne 
artikel,  als  derbes  'nein'  gebraucht,  insbesondere  in  Verbindung 
mit  dem  ironischen  ja  (Ja  schmarn!  =  nein l).  der  Berliner 
scheint  dafür /a  knchen!  zu  verwenden  (Wildenbruch,  Quitzows 
I  5  :  ...  wid  die  Schlösser,  sind  sie  eingelöst?  ja  knchen).  gesichts- 
puncte  der  syntax  würken  also  jedesfalls  ein:  wie  mh(\.  er  het  ez 
für  ein  strö  der  litotische  ausdruck  zwar  in  übertragener  bedeutung 
aber  syntactisch  völlig  normal  in  den  satz  gefügt  gebraucht  wird, 
so  auch  in  an  schmarn  hast,  daraus  muss  sich  die  elliptische 
Verwendung  als  antwort  (=  nein)  entwickelt  haben:  zuerst,  der 
normalen  syntactischen  construction  gemäfs,  mit  dem  artikel  (ja, 
an  schmarn),  dann  ohne  denselben,  so  ergibt  sich  von  selbst 
die  analogie  zur  rein  negativen  Verwendung  des  Wortes  teufel  in 
jenen  redensarten. 

Für  die  erkeuntnis  der  tropen,  insbesondere  der  metapher, 
ist  die  beispielsammlung  sehr  wichtig,  sie  lehrt  zb.  aufs  deut- 
lichste, dass  die  schulauffassung  der  Synekdoche  (teil  für  das 
ganze,  oder  umgekehrt)  nichts  als  eine  späte  rationalisierung  des 
rein  metaphorischen  gehaltes  der  betreffenden  trope  ist;  die 
Synekdoche  ist  eine  metapher  schlechthin :  man  vgl.  lass  die 
inseln  vor  mir  schiceigen,  insbesondere  höre,  land,  und  alles 
was  darinnen  ist.  — 

B.  sieht  das  wesentliche  merkmal,  das  der  spätere  Sprach- 
gebrauch einer  grofsen  anzahl  von  ausdrücken,  deren  sinnliche 
bedeutung  verblasste,  aufgedrückt  hat,  in  ihrem  blofsen  gefühls- 
wert  (einem  steigernden  oder  deteriorierenden).  das  ist  ein- 
leuchtend, wenn  zb.  der  ausdruck  mit  mann  und  maus  —  dem 
in  einem  satze  wie  das  schiff  ist  mit  m.  u.  m.  untergegangen 
ursprünglich  eine  gute  eigentliche  bedeutung  inne  gewohnt  haben 
muss  —  heute  etwa  in  einer  Verbindung  gebraucht  wird  wie  er 
ist  mit  mann  und  maus  verunglückt  (ohne  dass  das  subject  er  zu 
schifle  gewesen  sein  muss).  ich  finde  dasselbe  Verhältnis  aber 
nicht  in  der  redensart:  er  ist  ein  abgefeimter  schurke:  abgefeimt 
hat  liier  gewis  eine  bestimmte  begriffliche  bedeutung,  nicht  eine 
blofs  steigernde;  allerdings  ist  es  nicht  die  ursprüngliche,  sinn- 
liche, es  fragt  sich,  worin  ein  kennzeichen  gefunden  werden 
könne,  um  zu  entscheiden,  ob  die  ursprüngliche  begriffliche 
(sinnliche)  bedeutung  eines  wortes  noch  nachwürke:  für  eine 
reihe  von  Wörtern  möchte  ich  es  darin  sehen,  dass  die  spräche 
noch  fähig  ist,  neue  metaphern  an  seinen  begriff  anzuschliefsen. 
an  den  begriff  tod  zb.  knüpften  sich  von  je  her  viele  bildliche 
Vorstellungen:  in  mhd.  zeit  kann  hierin  noch  nicht  erstarrung 
eingetreten  sein,  weil  die  spräche  manigfache  neue  bilder  an  die 
Vorstellung  des  todes  noch  reiht  (des  tödes  hervart  GA  in  81,  14; 
dem  töde  maneger  winket,  der  dne  dursten  trinket  Freid.  177,  17, 
vgl,  dazu   zu  iNib.  486;   der  tot  in  nf  dem  rücke  Vit  Warn.  180; 


288  BRUCHMANN    STUDIEN  ZUR  SPRACHGESCHICHTE 

der  tot  vergie  im  daz  tor  und  wist  in  einen  andern  wec  Oltok. 
5259 ;  der  tödes  fürt  snochen  nnde  riten  Ottok.  58608 ;  des 
tödes  zeichen  ölters;  usw.). 

Wenn  der  verf.  eine  fortsetzung  seiner  Untersuchungen  in 
der  eingeschlagenen  richtung  von  dem  urteil  abhängig  macht, 
mit  dem  die  leser  das  bisher  ihnen  vorgelegte  aulnehmen  würden, 
so  sei  er  freundlichst  zur  ausführung  seiner  absieht  eingeladen, 
doch  mit  dem  wünsche,  die  darstellung  systematisch  zu  gestalten 
und  dadurch  vieles  von  dem,  was  er  diesmal  skizzenhaft  vor- 
trug, erst  recht  zu  begründen  und  würksam  zu  machen. 
Wien.  J.  Seemüller. 


Zur  lautlehre  der  griechischen ,  lateinischen  und  romanischen  lehnworte  im 
altenglischen  von  Alois  Pogatscher.  QF  lxiv.  Strafsburg,  Trübner, 
1888.     XIV  und  220  ss.     8".  —  5  m. 

Aus  einer  Untersuchung  über  lehnworte  wird  stets  auf  beide 
sprachen ,  die  gebende  sowol  wie  die  empfangende ,  neues  licht 
fallen,  indem  wir  den  romanisten  zur  entscheidung  überlassen, 
was  ihnen  P.s  buch  sicheres  oder  neues  für  die  erforschung  des 
gallischen  Vulgärlateins  gebracht  hat,  beschränken  wir  uns  hier 
auf  die  ergebnisse,  die  für  die  grammatik  des  allenglischen 
(=  angelsächsischen) ,  in  einzelneu  fällen  auch  für  die  der  con- 
tinentalgermanischen  dialecle,  gewonnen  worden  sind. 

Der  verf.  beabsichtigt,  wie  es  im  vorwort  heifst,  'nebst  der 
feststellung  des  anteiles  des  griechischen,  lateinischen  und  roma- 
nischen am  Wortschatz  des  altenglischen  einiges  zur  aufhellung 
des  ältesten  sprachzustandes  des  altenglischen  und  des  gallischen 
Volkslateins  zu  bieten.'  als  die  wichtigsten  zeugen  für  die  be- 
ziehungen  zwischen  Angelsachsen  und  Romanen  und  deren  sprach- 
liche zustände  gellen  natürlich  volkstümliche  lehnworte;  doch 
sind  auch  die  gelehrten  einerseits  zur  markierung  des  gegen- 
satzes,  andererseits  zur  illuslrierung  der  ausspräche  des  lateini- 
schen bei  den  Angelsachsen  in  den  kreis  der  Untersuchung  ge- 
zogen worden,  hier  kommen  besonders  die  lat.  namen  in  Alfreds 
Orosiusübersetzung  in  belracht.  —  aufserdem  war  der  verf.  be- 
müht, für  eine  anzahl  vorlitlerarischer  laulveränderungen  im  ae. 
und  rom.  eine  absolute  (neben  der  bisherigen  relativen)  Zeit- 
bestimmung zu  gewinnen. 

Der  Untersuchung  ist  eine  einleitung  vorausgeschickt,  welche 
die  allgemeinen  gesichlspuncte  erörtert,  wichtig  ist  darin  be- 
sonders die  Scheidung  der  lat.  lehnworte  in  solche,  die  noch  auf 
dem  festlande  vor  der  mitte  des  5jhs. ,  und  in  solche,  die  erst 
nach  der  Übersiedelung  auf  brittischen  boden  ins  englische  ein- 
drangen,   erstere  sind  den  westgermanischen  dialecten  gemeinsam 


POGATSCHER    ZUR  LAUTLEHRE  DER  LEH.WVORTE  IM  AE.  289 

und  zeigen  im  ahcl.  die  lautverschiebuug,  letztere  gehören  dem 
ae.  allein  an  und  sind  entweder  vor  der  bekehrung  der  Angel- 
sachsen zum  Christentum  (600)  aus  dem  von  der  romanisierten 
Stadtbevölkerung  gesprochenen  Vulgärlatein  (Iceden)  entlehnt,  oder 
nach  jenem  zeitpunct  dem  kirchen-  und  schril't-latein  (böc-lceden) 
entnommen,  die  lautliche  Umformung  dieser  Wörter  ist  natür- 
lich eine  den  Zeiten  entsprechend  verschiedene,  und  so  ge- 
währen jene  daten  anhaltspuncte  für  die  Chronologie  mehrerer 
lautgesetze. 

Die  eigentliche-  Untersuchung  ist  in  drei  teile  gegliedert: 
1)  accent  und  qualität,  2)  vocalismus  und  3)  consonantismus.  die 
ergebnisse  des  ersten  abschnittes  sind  auf  s.  52  folgender  mafsen 
zusammengefasst:  '1)  in  volkstümlichen  sowol  wie  gelehrten  lehn- 
vvorten  ist  die  das  wort  anlautende  silbe  trägerin  des  germ. 
accentes,  der  an  stärke  alle  anderen  etwa  vorhandenen  neben- 
accente  überragt.  2)  ein  aufserhalb  dieser  silbe  ursprünglich 
vorhandener  lat. -rom.  accent  geht  in  volkstümlichen  lehnworten 
verloren,  während  er  in  gelehrten,  mehr  als  zweisillfigen  ent- 
lehnungen  als  nebenton  erhalten  bleibt,  nur  nach  langer  haupt- 
tonsilbe  kann  unter  gewissen  bedingungen  der  lat. -rom,  accent 
als  nebenaccent  auch  in  volkstümlichen  lehnworten  fortdauern, 
3)  in  lehnworten  gelehrten  Ursprungs  kommt  sowol  den  vom 
germ,  wie  auch  den  vom  lat,  accent,  wenn  dieser  als  neben- 
accent erhalten  bleibt,  getroffenen  silben  unabhängig  von  der 
ursprünglichen  classisch-lat,  quantilät  länge  zu ,  während  in  volks- 
tümlichen entlehnungen  die  ae.  tonsilbe  die  vocalquantität  der 
unmittelbaren  rom.  Vorstufe  unverändert  bewahrt.'  diese  vocal- 
dehnung  in  offener  betonter  silbe  entspringt  natürlich  romani- 
schen lautgesetzen,  die  bei  der  entlehnung  der  ersten  schiebt 
von  lehnwörtern  noch  nicht  würksam  waren. 

Aus  dem  2  cap,,  wo  trotz  der  scharfsinnigen  Untersuchung 
begreiflicher  weise  noch  manches  dunkel  bleibt,  hebe  ich  die 
wichtige  Chronologie  des  «-umlauts  auf  s,  134  hervor:  'etwa 
gegen  600  wird  der  e'-umlaut  eben  erst  vorbereitet,  um  650 
dürfte  er  in  voller  würkung  sein  und  vielleicht  bereits  gewisse 
endstadien  erreicht  haben ,  um  700  ist  seine  kraft  erloschen,' 
die  bekannte  Lefflersche  ansieht  über  den  wandel  von  urgerm. 
0  >  ?i  vor  i,  j  glaubt  P.  durch  den  Übergang  von  rom.  o  in  u,  y 
in  Wörtern  wie  mydd  =  modnis  usw.  stützen  zu  können ;  worte 
wie  (xle,  eh  'öl'  aus  rom.  oli  sind  zu  einer  zeit  aufgenommen,  wo 
dies  gesetz  bereits  zu  würken  aufgehört  hatte,  die  zeit  des  «-Um- 
lauts dagegen  noch  nicht  vorüber  war.  parallel  damit  geht  der 
westgermanische  i-umlaut  von  urgerm.  idg.  e  im  2  —  3  jh.,  in 
dessen  auffassung  P,  den  ansichten  von  Brugmann  und  Borries 
beipflichtet  (s,  78). 

Diesem  teile  folgt  im  anschluss  an  die  behandlung  der  un- 
betonten vocale  die  einreihung  der  lehnworte  in  die  engl,  flexion 


290  POGATSCHER    ZLR  LAUTLEHRE  DER  LEHNWORTE  LM  AE. 

und  die  bewabrung  oder  veränderuug  des  urspr.  grammaliscben 
gescblecbts  der  substantiva. 

Aus  dem  3  abscbnilt,  der  dem  consonantismus  gewidmet  ist, 
möcbte  icb  besonders  die  aufstelluugen  über  die  palatalisierung  von 
c  und  g  hervorbeben,  seine  ansieht  über  erstere  fasst  P.  s.  193 
in  folgende  Sätze  zusammen:  '.  .  .  .  2)  die  ersten  Stadien  der  ae. 
palataHsierung  fallen  wahrscheinlich  noch  in  die  zeit  der  anglo- 
fries.  Spracheinheit;   gegen   die  mitte  des  7  jhs.   ist  die  fähigkeit 

der  palatalisierung  erstorben 3)  ein  vergleich  der  gallorom. 

und  ae.  assibilierung  zeigt,  dass  die  erstere  ihre  letzten  ent- 
wickelungsstadien  rasch  durchlaufen  und  so  die  ae.  assibilierung 
wahrscheinlich  überholt  hat:  bis  gegen  500  kann  gallorom.  c  durch 

ae.  c  vertreten  werden: ;  um  600  ist  gallorom.  ci=  ae. 

tsj,  dh.  das  ae.  c  hat  mit  gallorom.  c  nicht  schritt  gehalten.' 

Gegen  die  annähme  einer  gemeinschaftlichen  anglo-friesischen 
palatalisierung  erhebt  sich  jedoch  die  schwerwiegende,  vom  verf. 
unberücksichtigt  gelassene  tatsache,  dass  diese  erscheinung  im 
Dordenglischen  nicht  statt  hat!  sie  ist  demnach  als  einzelsprachlich 
anzusehen,  wie  sie  ja  zb.  auch  im  neuschwedischen  unabhängig 
entstanden  ist.  • 

Es  folgt  noch  ein  anbang:  stoffliche  mischung  (volksetymo- 
ogie)  und  ein  dankenswerter  ausführlicher  index,  der  nicht  blofs 
die  im  buche  besprochenen  germanischen  Wörter,  sondern  auch 
die  wichtigeren  lat,  Substrate  verzeichnet. 

Wir  dürfen  P.s  buch  als  eine  tüchtige,  mit  guter  methode, 
sicherer  beherschung  und  vollständiger  ausnutzung  der  ein- 
schlägigen litteratur  verfasste  arbeil  bezeichnen ,  die  als  feste 
basis  für  alle  weitere  forschung  auf  diesem  gebiete  dienen  kann, 
manches  wird  freilich  noch  die  vereinigte  bemühung  von  ger- 
manisten  und  romanisten  sicherer  und  klarer  zu  stellen  haben, 
aber  gewis  werden  jetzt  schon  alle  fachgenossen  das  werk  als 
eine  äufserst  wertvolle  bereicheruug  unserer  Wissenschaft  mit 
herzlichem  dank  für  das  gebotene  hinnehmen. 

Zum  schluss  lasse  ich  einige  kleine  bemerkuugen  und  er- 
gänzungen  folgen :  ein  wichtiges  neues  beispiel  für  die  in  §§  147  ff, 
175  ff,  251,  279  und  auf  s.  130  anm.  behandelten  Verhältnisse 
ist  coren  (in  coren-bege,  Anglia  xi  172  f)  =  hl.  Corona.  —  zu 
§148:  dem  ae.  copor  =  * coprnm  <C  cuprum  entspricht  mnd. 
hoper ,  nnd.  westfäl.  koapa  (vgl.  meine  Soester  mundart  §  63).  — 
in  §  217  s.  131  schreibt  F.:  'ne.  plüm  kann  nur  durch  loslösung 
aus  plumtreow,  nicht  aus  ae.  plnnie  oder  pl^me  erklärt  werden', 
aber  in  ne.  thumb,  crumh  und  scum  haben  wir  doch  ganz  dieselbe 
lautgesetzliche  Verkürzung  von  n  vor  einfachem  ml  —  zu  §  237: 
der  abfall  des  n  in  celmesse  'almosen'  erklärt  sich  wol  einfach 
als  volksetymologische  anlehnung  des  wortes  au  mcesse,  messe 
'messe'.  —  in  §  142  werden  die  Schwierigkeiten  mit  recht  her- 
vorgehoben ,  die  sieb  der  ableitung  von  ae.  preost  aus  lat.  presbyter 


POGATSCHER    ZUR  LAUTLEHRE  DER  LEHNWORTE  IM  AE.  291 

entgegenstellen,  statt  die  aufstelluugen  P.s,  die  mir  nicht  ein- 
leuchten, zu  kritisieren,  möchte  ich  selbst  einen  neuen  erklärungs- 
versuch  wagen :  presbyter  ergab  durch  syncope  *presb'ter,  woraus 
*presp'ter,  *prester  hervorgehen  musten;  letztere  form  wurde 
dann  nach  dem  vorbild  von  magister  und  minister  volksetymo- 
logisch durch  anlehnung  an  prins  zu  priuster  umgebildet,  dem 
ae.  *preoster  entsprach,  in  den  casus  obliqui  sg. :  *preostres, 
*preostre  sowie  im  ganzen  plur.  wurde  nun  durch  dissimilierung 
das  zweite  r  ausgestofsen :  preostes  usw.,  und  dazu  ein  neuer 
nom.  acc.  voc.  sg.  preost  geschaffen,  ein  sicheres  beispiel  für 
ausstofsung  eines  r  bei  vorhergehender  liquida  —  hier  allerdings 
l  —  ist  lempedu  =  lampreda,  §  298  s.  167  oben. 

Göttingen,  märz  1889.  F.  Holthausen. 


Jan  z  Michalovic.  nemeckä  bäsei'i  tiinacteho  veku.  vydal,  üvodem  a 
poznämkanii  opatiil  drARnosx Kraus.  vPraze  1S88  (Johann  von  Michels- 
berg, ein  deutsches  gedieht  des  xiujhs.  herausgegeben  und  mit 
einleitung  und  anmerkungen  versehen  von  dr  Ernst  Kraus.  Prag 
1888).     136  SS.     8°. 

Von  dem  kleinen  gedichte  Heinrichs  von  Freiberg  über  die 
ritterfahrt  Johanns  von  Michelsberg  nach  Paris  sind  nur  320  verse 
erhalten,  diese  sind  mit  umfangreichen  zugaben  in  dem  vor- 
liegenden buche  herausgegeben,  die  einleitung  bespricht  zunächst 
die  Überlieferung  des  gedichtes,  dann  spräche  und  stil  desselben 
und  handelt  hierauf  vom  dichter  selbst,  ein  zweiter  abschnitt 
erörtert  die  historische  grundlage  des  gedichtes,  die  ritteriahrt 
des  böhmischen  ritters  nach  Paris,  dann  das  leben  dieses  ritters 
und  die  geschichte  des  turniers  in  Böhmen,  der  dritte  abschnitt 
gibt  eine  übersieht  über  die  geschichte  der  deutschen  litteratur 
in  Böhmen  im  13  und  14  jh.;  ein  vierter  will  den  einfluss  des 
deutschen  auf  die  tschechische  sage  und  litteratur,  ein  fünfter 
umgekehrt  den  des  tschechischen  auf  deutsche  sage  und  litteratur 
nachweisen ;  ein  sechster  endlich  gibt  eine  gedrängte  Zusammen- 
stellung des  wichtigsten  aus  der  altdeutschen  metrik,  so  viel 
davon  zum  lesen  des  gedichtes  zu  wissen  nötig  ist.  auf  diese 
einleitung  folgt  der  text  des  gedichtes  mit  ausführlichen  sach- 
lichen anmerkungen  und  angäbe  der  abweichungen  von  der  hs. 
den  schluss  bildet  ein  anhang,  der  eine  reihe  von  lyrischen 
gedichten,  die  in  Böhmen  entstanden  sind,  eine  stelle  aus  der 
Kreuzfahrt  Ludwigs  des  frommen  und  ein  stück  aus  Suchen- 
wirt enthält. 

Aus  dieser  inhaltsübersicht  ergibt  sich  schon ,  wie  viele  und 
wichtige  dinge  K.  in  dem  vorliegenden  buche  erörtert,  und  da 
es  in   einer   spräche   geschrieben  ist,   die   nicht  allen,   die  sich 


292  KRAUS    JOHA>IS  VON  MICHELSBERG 

lür  diese  fragen  iuteressiereu,  verständlich  ist,  so  lohnt  es  sich 
wol  der  mühe,  wenigstens  einige  abschnitte  des  buches  etwas  ge- 
nauer zu  beleuchten,  es  sei  im  voraus  bemerkt,  dass  dieses  buches 
wegen  niemand  tschechisch  zu  lernen  braucht,  denn  alles  irgendwie 
bedeutende  desselben  ist  schon  in  deutscher  spräche  gedruckt. 
Was  zunächst  die  behandlung  des  textes  betrifft,  so  halte 
ich  diese  für  ganz  unrichtig.  K.  hat  Germ,  xxx  1  ff  von  einer 
Vermutung  WGrimms  ausgehend  nachzuweisen  versucht,  dass 
Heinrich  von  Freiberg,  der  dichter  der  Ritterfahrt,  ein  anderer 
sei  als  Heinrich  von  Freiberg,  der  dichter  des  Hl.  kreuzes  und 
der  fortsetzung  des  Tristan,  dieses  resultat  schien  mir  durch 
jenen  aufsatz  nicht  bewiesen  und  ich  glaube  auch  jetzt  nicht 
daran,  diese  Sgedichte  sollen  von  2  geschwisterkindern  herrühren, 
die  beide  Heinrich  hiefsen,  beide  sich  von  Freiberg  nannten,  beide 
gleichzeitig  in  Böhmen  lebten,  in  so  ähnlicher  weise  dichteten 
und  sich  in  den  gedichten  nannten,  ohne  auf  einander  bezug 
zu  nehmen,  das  ist  so  unwahrscheinhch,  dass  mir  stärkere  be- 
weise gebracht  werden  müsten  als  ein  oder  zwei  reime  und  einige 
Verschiedenheiten  im  stil,  die  doch  wider  nicht  durchgreifend 
sind,  ich  glaube  immer  noch,  dass  alle  drei  gedichte  sammt  dem 
Schrätel  von  einem  dichter  herrühren,  der  dichter  der  fort- 
setzung des  Tristan  steht  doch  unter  dem  banne  Gottfrieds,  dem 
er  in  jeder  weise  nacheifert,  und  da  hat  jetzt  endlich  auch  hr  K. 
selbst  eingestanden,  dass  er  früher  nicht  genug  berücksichtigt 
habe,  dass  der  verf.  der  Ritterfahrt  Gottfried  nicht  kannte,  da 
gerade  Tristan  unter  den  aufgezählten  rittern  fehlt,  als  ergänzung 
dieser  beobachtung  muss  hinzugefügt  werden  ,  dass  er  am  meisten 
Wolfram  bewundert  (s.  v,  5  und  besonders  168).  eine  analogie 
zu  diesem  Übergang  von  Wolfram  zu  Gottfried  zeigt  die  ent- 
wickelung  Wielands,  der  ja  als  nachahmer  Rlopstocks  begann, 
nur  dass  bei  Heinrich  die  bekehrung  nicht  so  gründlich  war  als 
bei  diesem,  denn  auch  in  seinem  Tristan  zeigen  sich  noch  an- 
klänge an  Wolfram,  wie  schon  Bechstein  gezeigt  hat  (s.  xiv  seiner 
ausgäbe),  man  wird  mir  also  nicht  vorhalten  können ,  dass  diese 
Verschiedenheit  der  erwählten  muster  um  so  mehr  zur  annähme 
zweier  dichter  nötige,  sondern  wird  zugeben  müssen,  dass  diese 
tatsache  sofort  eine  ganze  reihe  von  Verschiedenheiten  im  aus- 
druck  erklärt,  die  Untersuchung  mUste  zeigen ,  ob  die  ab- 
weichungen  des  Tristan  von  der  Ritterfahrt  sich  durch  die  nach- 
ahmung  Gottfrieds,  resp.  Wolframs  erklären  lassen;  die  verschie- 
denen arbeiten  über  die  eigentümlichkeiten  dieser  dichter  müsten 
herangezogen  werden.  —  K.  behandelt  aber  seine  320  verse 
souverain  und  nimmt  als  alleinigen  ausgangspunct  für  seine  dar- 
stellung  des  Stils  derselben  die  Poetik  Scherers,  er  meint  auch, 
eine  bestimmte  antwort  auf  die  frage,  ob  das  gedieht  von  dem- 
selben dichter  herrühre  wie  die  fortsetzung  des  Tristan,  sei 
nicht  nötig,  versichert,  seine  hypothese  von  zwei  Heinrichen  sei 


KRAUS    JOHA»   V0>  MICHELSBERG  293 

zwar  nicht  aufgegeben ,  aber  weniger  zuversichtlich  ausgesprochen 
(s.  16),  und  schreibt  dann  das  gedieht  in  das  gewöhuhche  md. 
um,  wobei  er  nur  die  «e,  die  ohnehin  wie  t  gesprochen  würden, 
behält,  denn  wenn  auch  derselbe  dichter  die  Ritterfahrt  wie 
den  Tristan  geschrieben  hätte,  so  dürfte  mau  nach  diesem  jene 
nicht  corrigieren ,  da  er  hier  doch  seinen  stil  geändert  hätte; 
ebenso  wenig  als  man  nach  der  Iphigenie  oder  dem  zweiten 
teil  vom  Faust  fehler  im  Götz  verbessern  dürfte,  der  vergleich 
hinkt  aber,  wäre  uns  der  Götz  zufällig  nur  in  einer  fremden, 
etwa  plattdeutschen  aufzeichnung  erhalten,  so  wären  wir  ganz 
berechtigt,  mit  aller  vorsieht  nach  den  übrigen  werken  Goethes 
auch  hier  das  hochdeutsch  herzustellen;  und  so  liegen  die  Ver- 
hältnisse bei  der  Ritterfahrt,  die  uns  nur  in  einer  bayrischen  Um- 
schrift erhalten  ist.  da  dürfen  bei  einer  textherstellung  die  übrigen 
werke  des  dichters  nicht  unberücksichtigt  bleiben  und  herr  K. 
hätte  Rechsteins  ausgäbe  des  Tristan  nicht  so  bei  seile  liegen 
lassen  sollen. 

Der  Versicherung  s.  9,  dass  der  herausgeber  möglichst  wenig 
von  der  hs.  abweichen  wolle,  entspricht  der  text  auch  nicht. 
V.  7  lautet  in  der  hs.  was  Parcival  Gawin  Ywan,  im  text  steht 
waz  Parzival  Iwein  Gdwdn(:1idn).  warum  sind  die  zwei  namen 
umgestellt?  sollen  die  tüchtigsten  beiden  aufgezählt  werden,  dann 
steht  doch  Gawan  näher  bei  Parzival  als  Iwein !  warum  ist  aus 
Yioan  ein  Iwein  geworden?  ein  aufschlagen  des  Mhd.  wb.s  (i  758) 
hätte  gezeigt,  dass  Wolfram  mehrfach  auch  die  form  Iwdn  ge- 
braucht, warum  ist  aus  dem  Ecke  v.  9  ein  Erec  geworden?  der 
Albrant  v.  13  beweist  doch  gleich,  dass  der  dichter  auch  die 
beiden  der  heimischen  sage  kennt,  die  form  Tschionatulander 
begegnet  ähnlich  auch  in  den  hss.  Gg  des  Parzival ,  kann  also 
recht  gut  auch  von  Heinrich  so  geschrieben  worden  sein;  noch 
häufiger  begegnet  Gamuret  usw. 

Wann  die  ritterfahrt  nach  Paris  ausgeführt  wurde ,  lässt  sich 
nur  ungefähr  bestimmen,  sicher  ist,  dass  Johann  von  Michels- 
berg 1306  bereits  tot  war  und  dass  das  gedieht  Heinrichs  noch 
zu  lebzeiten  Johanns  abgefasst  ist.  das  letztere  ergibt  sich  mit 
bestimmtheit  aus  dem  schluss  des  gedichtes.  die  ritterfahrt  wird 
in  der  tschechischen  chronik  Daiimils  erwähnt  und  darnach  ist 
meine  frühere  Vermutung,  dieselbe  könnte  in  das  jähr  1303  fallen, 
nichtig,  ich  habe  auf  die  stelle  im  Dalimil,  die  in  der  gereimten 
deutschen  Übersetzung  fehlt,  schon  Anz.  v  354  hingewiesen.  K. 
bemerkt  richtig,  wie  grofses  aufsehen  das  unternehmen  des 
Michelsbergers  gemacht  haben  muss,  wenn  selbst  ein  solcher 
feind  der  turniere,  wie  dieser  chronist,  es  erwähnt,  nach  der 
stelle  der  chronik  kann  die  ritterfahrt  schon  1293  stattgefunden 
haben;  sicher  fand  sie  nicht  1294  statt,  da  Johann  im  sommer 
dieses  Jahres  in  Röhmen  war;  aber  möglich  wäre  wider  1295 
oder  96,  und  auch  gegen  1297,  bei  welchem  jähr  die  prosaische 


294  KRAUS    JOHANN  VON  MICHELSBERG 

deutsche  Übersetzung  des  Dalimil  die  fahrt  erwähnt,  wird  sich 
nicht  viel  einwenden  lassen,  genauer  lässt  sich  die  zeit  nicht 
bestimmen,  die  ausmalung  der  ritterfahrt  nach  analogie  der 
fahrten  Uhichs  von  Lichtenstein  ist  ebenso  vage  dichtung,  wie 
die  Vermutung  über  die  dame,  in  deren  dienst  etwa  die  fahrt 
unternommen  sein  könnte. 

Da  der  dichter  von  einem  böhmischen  adeligen  begünstigt 
erscheint,  so  führt  K.  (im  3  abschnitt)  des  weiteren  aus,  welche 
anderen  deutschen  dichter  in  alter  zeit  im  lande  lebten  und  welche 
herren  als  förderer  ihrer  kunst  erscheinen,  es  ist  hier  recht 
sorgfältig  die  einschlägige  litteratur  verwertet  und  fleifsig  zu- 
sammengetragen, was  zum  teil  weit  zerstreut  ist.  neues  freilich 
erfährt  man  gar  nichts,  meinen  aufsatz  in  den  Mitteilungen  des 
ver.  für  gesch,  der  Deutschen  in  Böhmen  26,  26  ff  hat  K.  über- 
sehen und  hat  aus  der  Kreuzfahrt  selbst  nicht  herausgefunden, 
dass  auch  Ulrich  von  Neuhaus  unter  den  gönnern  der  deutschen 
dichtkunst  genannt  werden  muss.  auch  Schmalfufs,  [Die  Deut- 
schen in  Böhmen  s.  220  hat  er  nicht  nachgeschlagen.  Wenzel  n 
ist  als  dichter  der  3  heder  anerkannt,  aber  Raimund  von  Lichten- 
burg  soll  nicht  als  deutscher  ritter,  ebenso  wenig  wie  Johann 
von  Michelsberg ,  bezeichnet  werden :  man  dürfe  diese  herren  aus 
altböhmischen  geschlechtern ,  die  sich  deutsche  namen  gaben, 
Deutsche  auf  ihren  besitzungen  ansiedelten ,  deutsche  dichter  be- 
günstigten ,  deshalb  doch  nicht  zu  den  Deutschen  zählen ,  denn 
—  dieselben  herren,  welche  unter  Wenzel  i  von  dem  deutschen 
dichter  Reimar  nichts  hören  wollten ,  konnten  sich  nicht  im  laufe 
von  40  jähren  in  Deutsche  verwandeln;  so  schnell  mache  sich  der 
Übergang  in  eine  andere  nation  nicht,  nun ,  dieselben  herren 
waren  das  ja  nicht  mehr,  sondern  ihre  söhne  oder  vielmehr  ihre 
enkel.  man  kann  hier  in  Böhmen  in  der  gegenwart  beobachten, 
wie  häufig  der  söhn  eines  deutschen  vaters  als  eifriger  Tscheche 
sich  zeigt,  ja  von  zwei  leiblichen  brüdern  ist  zuweilen  der  eine 
ein  Deutscher,  der  andere  ein  Tscheche,  der  grund,  den  K. 
anführt,  gilt  also  gewis  auch  für  jene  zeit  nicht,  aber  abge- 
sehen von  solchen  einzelheiten  zeigt  besonders  dieser  und  der 
folgende  abschnitt  jene  objectivität  und  Wahrheitsliebe,  durch  die 
sich  die  jüngeren  tschechischen  gelehrten  von  den  älteren  unter- 
scheiden, die  deutschen  forschungen  hat  man  allerdings  schon 
längst  zu  benutzen  verstanden,  aber  wo  es  sich  um  den  ein- 
fliiss  des  deutschen  auf  das  tschechische,  besonders  auf  die 
tschechische  litteratur  handelte,  da  hat  man  mit  einer  staunens- 
werten dreistigkeit  so  viel  wie  möglich  geläugnet  und  tut  das 
vielfach  heute  noch.  Palacky  war  auch  da  der  führer.  dieser 
geschichtsforscher  und  geschichtschreiber  hat  sogar  einem  deut- 
schen gelehrten  offen  gestanden,  er  überschlage,  was  deutsch 
sei ,  und  hat  dann  doch  die  geistige  Überlegenheit  des  tschechi- 
schen Volkes   über   das  deutsche   im   mittelalter  damit  bewiesen. 


KRAUS    JOHANN  VON  MICHELSBERG  295 

dass  er  (Geschichte  von  Böhmen  ii  2,  43)  behauptete,  gegenüber 
der  unzählbaren  menge  der  werke  der  tschechischen  litteratur 
hätten  die  Deutschen  in  Böhmen  nur  drei  aufzuweisen:  eine 
lateinische  chronik  und  zwei  Übersetzungen  aus  dem  tschechischen, 
eine  derselben  war  der  Ackermann  aus  Böhmen,  als  nun 
Knieschek  unwiderleghch  nachwies,  dass  dieser  früher  abgefasst 
sei  als  das  tschechische  gegenstück,  der  TkadleCek,  und  dass 
dieser  nur  eine  parodierende  bearbeitung  des  Ackermanns  sei,  da 
gab  man  nur  zu ,  dass  dieser  Tkadleöek  nicht  selbst  original 
sei;  dann  durfte  aber  auch  der  Ackermann  nicht  original  sein,  das 
verlangte  nun  einmal  die  'gleichberechtigung'  in  Böhmen,  von  der 
lateinischen  oder  französischen  litteratur  konnte  die  tschechische 
beeinflusst  sein  wie  die  deutsche,  nur  nicht  von  dieser,  auf  den 
Ackermann  angewendet  wurde  dieses  princip,  wenn  ich  nicht 
irre,  von  hm  JJirecek,  der  irgendwo,  in  irgend  einer  bibhothek 
irgend  ein  buch  gesehen  (oder  davon  gehört)  haben  wollte,  das 
lateinisch  war  und  die  vorläge  des  Ackermann  und  des  TkadleCek 
enthielt,  litterarisch  vertreten  hat  diese  ansieht  seiner  zeit  Ge- 
bauer, s.  Knieschek  Mitt.  16,30211.  —  K.  nun  gesteht  gleich 
zu  beginn  des  vierten  abschnittes  zu,  dass  die  Tschechen,  auf 
drei  selten  von  Deutschen  umgeben ,  von  diesen  die  ganze  cultur 
des  abendlandes  überkommen  haben,  aber  deshalb  ist  er  freilich 
noch  nicht  von  allen  veralteten,  'traditionellen'  Irrtümern  frei, 
beim  Tkadleöek  erwähnt  er  etwas  spöttisch  jene  theorie  von  dem 
nie  gesehenen  augeblichen  original,  nennt  dann  aber  doch  nicht 
herzhaft  das  deutsche  werk  original,  sondern  nur  den  repräsen- 
tanten  der  vorläge  des  tschechischen  werkes ,  und  im  weiteren 
spricht  er  wider  vom  Ackermann  'oder  dessen  original',  bei  der 
verranntheit  der  tschechischen  litteraturhistoriker  in  diesem  puncte, 
die  in  dem  ausspruche  Sabinas  gipfelt,  der  Tkadlecek  könnte  in 
einer  entsprechenden  bearbeitung  noch  grofsen  beifall  finden,  nur 
müste  diese  etwas  geschmackvoller  gemacht  sein  als  der  deutsche 
auszug  unter  dem  titel  Ackermann,  war  es  freilich  schlimm,  dass 
näherer  betrachiung  dieses  werk  sogar  als  parodie  des  Acker- 
manns sich  erwies,  wenn  K.  dagegen  eifert  und  meint,  man 
könnte  mit  demselben  recht  manches  berühmte  deutsche  werk 
parodie  der  französischen  vorläge  nennen,  so  muss  er  doch  sich 
über  dieses  Verhältnis  (zb.  des  Iwein  zu  seiner  vorläge)  nie  klar 
geworden  sein.  Scherer  LG  147  hat  freilich  den  Goetheschen 
ausdruck  'parodistische  Übersetzer'  gebraucht,  aber  das  bezeichnet 
doch  etwas  anderes,  im  Ackermann  klagt  ein  witwer  den  tod  an, 
weil  er  ihm  die  geliebte  gattin  entrissen;  im  Tkadlecek  hadert 
ein  höfling  mit  dem  Unglück ,  weil  ihn  eine  geliebte  ofenheizerin 
verschmähte  —  ist  das  nicht  parodie? 

Noch  viel  weniger  kann  ich  mit  K.s  darstellung  des  Ver- 
hältnisses zwischen  dem  tschechischen  Tristram  und  den  deut- 
schen quellen  übereinstimmen.    K.  ist  auch  hier  abhängig  von  Ge- 


296  KKAUS    JOHANN  VON  MICHELSBERG 

bauer,  und  dieser  wird  über  gebilr  gelobt,  es  ist  einfach  nicht 
wahr  —  ich  kann  das  mit  vollster  bestimmtheit  behaupten  — , 
dass  Knieschek  gleichsam  nur  die  consequenzen  aus  den  be- 
obachtungeu  Gebauers  zog  (tivoz-iv  konsekvence  toho  pozoroväni). 
Knieschek  hat  seine  Untersuchungen  über  den  Tristan  begonnen 
ohne  kenntnis  davon,  dass  Gebauer  sich  mit  derselben  frage  be- 
schäftige, und  als  die  arbeit  desse^n  erschien  (1880),  standen  alle 
wesentlichen  resultate  der  Untersuchungen  Kniescheks  bereits  fest, 
wenn  sich  dann  auch  die  Veröffentlichung  verzögerte,  wir  waren 
damals  nur  erstaunt,  wie  oberflächlich  Gebauer  vielfach  zu  werke 
gegangen ,  wie  viele  nahe  liegende  dinge  er  nicht  gesehen  hatte, 
zb.  dass  das  tschechische  werk  offenbar  von  zwei  verschiedenen 
dichtem  herrühre  und  dass  der  erste  derselben  nicht  mit  dem  X 
Lichtensteins,  sondern  am  genauesten  noch  mit  den  alten  frag- 
menten  Eilharts  übereinstimme,  aus  welcher  beobachtung  sich 
dann  erst  die  weiteren  überraschenden  resultate  für  den  text 
Eilharts  selbst  ergaben,  in  der  bestimmung  der  abfassungszeit 
des  tschechischen  Tristram  und  der  Katharinalegende  sind  die 
angaben  von  K.  auch  nicht  überzeugend,  die  erwägungen  Knie- 
scheks Mitt.  22,  245  werden  durch  den  einen  reim  nicht  ent- 
kräftet, was  für  sonderbare  abweichungen  finden  sich  nicht  in 
den  tschechischen  litteraturgeschichten  über  die  entstehungszeit 
der  Alexandreis,  und  doch  war  das  richtige  hier  nicht  so  schwer 
zu  finden.  Feifalik  hatte  schon  ungefähr  die  zeit  richtig  bestimmt, 
Knieschek  (Mitt.  22,  245  f)  den  beweis  erbracht,  dass  sie  zur 
zeit  könig  Ottokars  ii  entstanden  ist.  K.  stimmt  dem  bei ,  ohne 
aber  Knieschek  zu  eitleren,  von  dieser  Alexandreis  ist  doch 
sonst  ausführlich  genug,  ich  meine  allzu  ausführlich  gehandelt 
und  alles  mögliche  herangezogen,  die  hauptwerke  dieser  sage, 
vom  Pseudokallisthenes  angefangen,  sind  angeführt  und  sämmt- 
liche  deutsche  bearbeitungen;  darauf  folgt  eine  überlange  polemik 
gegen  das  wenig  gründhche  und  niemand  überzeugende  schrift- 
chen von  KWTitz  (s.  Anz.  vii  335).  es  handelt  sich  da  um  das 
Verhältnis  des  tschechischen  gedichts  zum  Alexander  Ulrichs  von 
Eschenbach,  das  kann  erst  jetzt,  wo  auch  das  deutsche  werk 
gedruckt  ist,  gründüch  untersucht  werden;  K.  konnte,  da  ihm 
meine  ausgäbe  noch  nicht  vorlag,  zu  keinem  bestimmten  resultat 
kommen,  ich  will  genaueren  Untersuchungen  nicht  vorgreifen, 
ich  selbst  habe  solche  über  die  tschechische  Alexandreis  (oder 
Alexandreiden,  wie  die  herausgeber  wollen)  nicht  angestellt;  so 
weit  ich  das  gedieht  aber  kennen  gelernt  habe,  glaube  ich  nicht, 
dass  es  abhängig  ist  von  Ulrich,  wenigstens  nicht  direct,  sodass 
der  tschechische  dichter  Ulrich  neben  dem  Gualtherus  oder  gar 
allein  als  quelle  benutzt  hätte,  indirect  aber  dürfte  Ulrichs  dichtung 
die  tschechische,  veranlasst  haben;  im  Wettbewerb  mit  dem  Deut- 
schen hat  der  unbekannte  Tscheche  wahrscheinlich  sein  werk 
begonnen,     in  dem  puncte  stimme  ich  K.  zu,  nur  stellt  er  sich 


KRAUS  JOHANN  VON  MICHELSBERG  297 

die  Sache  gar  sonderbar  vor.  er  meint,  das  exemplar  des  Guai- 
therus,  das  Ulrich  vom  erzbischof  von  Salzburg  bekommen,  habe 
unter  den  gebildeten  Prags  circulierl  und  dabei  etwa  bei  einem  von 
diesen  den  gedanken  erregt,  mit  dem  deutschen  dichter  zu  wett- 
eifern und  die  lateinische  dichtung  auch  tschechisch  zu  bearbeiten, 
weder  so  harmlos  noch  so  einfach  denke  ich  mir  den  Vorgang. 
zur  zeit  Ottokars  waren  in  Böhmen  die  nationalen  gegensätze 
stark  entwickelt.  der  könig  begünstigte  in  jeder  weise  die 
Deutschen,  und  die  Tschechen  sahen  sich  zurückgedrängt;  vgl. 
zb.  das  wort,  das  man  sich  vom  könig  erzählte,  auf  der  Prager 
brücke  solle  man  bald  keinen  Tschechen  mehr  sehen,  und  die 
haltung  des  tschechischen  adels,  als  es  zum  conflict  mit  Rudolf 
von  Habsburg  kam.  Ottokar  hörte  sich  gern  mit  Alexander  dem 
grofseu  vergleichen  (ich  habe  darauf  schon  in  meiner  abhand- 
lung  Über  die  Alexandreis  Ulrichs  s.  407  hingewiesen),  und  eine 
zeit  lang  gleicht  sein  lebenslauf  auch  einiger  mafsen  demjenigea 
Alexanders,  die  dichtung  Ulrichs  ist  ganz  offenbar  zur  verher- 
lichung  des  königs  angelegt,  Alexander  führt  auch  das  wappen 
Ottokars,  wenn  der  könig  nicht  direct  die  abfassung  der  Alexan- 
dreis Ulrichs  veranlasste,  begünstigt  hat  er  sie  gewis,  hat  er 
doch  selbst  eine  episode  aus  dem  leben  Alexanders  dem  dichter 
erzählt  (aao.  s.  385  IT),  dem  gegenüber  regte  sich  der  Wett- 
eifer eines  tschechischen  dichters,  eines  geistlichen  (vgl.  Kuie- 
schek,  beilage  zu  den  Mitt.  23,  67),  sodass  neben  dem  nationalen 
auch  noch  der  alte  gegensatz  zwischen  geistlichem  und  spielmann 
—  Ulrich  war  dichter  von  beruf  —  zu  tage  tritt,  mit  einsetzung 
einer  ungewöhnlichen  poetischen  kraft  suchte  dieser  den  Deut- 
schen zu  übertreffen,  vvol  in  der  erwartung,  durch  sein  besseres 
gedieht  die  guust  des  köiiigs  für  sich  und  auch  für  seine  spräche 
und  nation  zu  gewinnen  und  die  Deutschen  am  hofe  zurück- 
zudrängen. —  beweisen  kann  ich  das  nicht,  aber  wahrscheinlich 
ist  es,  und  sicher  ist  diese  Vorstellung  von  dem  Wetteifer  des 
dichters  etwas  würdiger  als  die  des  hrn  K.  wie  konnte  auch 
Ulrich  sein  kostbares,  mühsam  erworbenes  exemplar  unter  den 
'gebildeten' circulieren  lassen  1  er  muste  den  schätz  doch  sorgsam 
hüten,  und  dass  für  einen  geistlichen  in  Prag  nicht  ein  zweites 
exemplar  des  verbreiteten  Schulbuches,  von  dem  so  viele  hss. 
auf  uns  gekommen  sind,  sollte  aufzutreiben  gewesen  sein,  glaube 
ich  nicht,  auch  glossierte  hss.  dieses  buches  waren  nicht  so 
selten.  —  doch  warten  wir  die  eingehenden  Untersuchungen 
über  die  quellen  der  tschechischen  Alexandreis  abl 

Der  fünfte  abschnitt  der  einleitung  beginnt  mit  dem  satz: 
'der  mächtige  einfluss,  den  die  Deutschen  auf  die  Tschechen  und 
Slaven  überhaupt  übten,  aufspräche  und  sitten,  sage  und  litteratur, 
verhinderte  nicht,  dass  sie  umgekehrt  auch  in  geringerem  mafse 
dem  slavischen  einfluss  unterlagen.'  der  zweite  satz  spannt  die 
erwartung,  die  dieser  erste  erregt,  sofort  herunter:  'spuren  dieses 
A.  F.  D.  A.    XV.  20 


298  KRAUS    JOHANN  VON  MICHELSBERG 

einllusses  begegnen  wir  in  zahlreichen  erwähnungen,  die  sich 
in  der  deutschen  lilteralur  finden.'  was  dann  aber  tatsächhch 
gegeben  wird,  das  ist,  um  es  milde  zu  bezeichnen,  ganz  wertlos 
für  diese  frage,  es  sind  nämlich  eine  reihe  von  stellen  zu- 
sammengetragen, in  denen  sich  der  name  Poldn  oder  Rmze  oder 
Beheim  ua.  findet,  Walther  80,  30  beginnt  die  reihe,  nach  der- 
selben methode  kann  einer  den  einfluss  der  Indianer  (um  nicht 
andere  Völker  zu  nennen)  auf  die  Deutschen  weit  schlagender 
nachweisen,  wenn  er  zusammensucht,  wo  überall  diese  genannt 
werden  und  was  alles  von  ihnen  in  deutschen  Schriften  erzählt 
wird,  in  der  ganzen  langen  aufzählung  s.  61  —  93  finde  ich 
nirgend  einen  einfluss  des  slavischen  auf  das  deutsche  nach- 
gewiesen als  in  der  Harlungensage,  wobei  aber  gerade  die  Wand- 
lungen dieser  sage  s.  82  ff  nicht  gerade  lichtvoll  (nach  Müllenhoff 
natürlich)  dargestellt  sind,  anmerken  will  ich  auch  noch,  was 
alles  als  slavisch  und  für  slavischen  einfluss  zeugend  vorgeführt 
ist.  s.  85  sind  unter  dem  titel  Slovinci  nichts  als  zwei  stellen 
aus  Wolfdietrich  D  beigebracht,  in  denen  der  name  Kernden 
vorkommt.  Krieche  und  Riuze  soll  nach  s.  79  und  81  auch  so- 
viel als  Slave  bedeuten,  für  ersteres  ist  Bilerolf  3648  citiert  ua. 
Wie  s.  96  versichert  wird,  ist  das  buch  zunächst  für  die 
hörer  des  deutschen  an  der  tschechischen  Universität  Prag  be- 
stimmt, für  diese  sind  auch  anmerkungen  zum  text  beigegeben, 
in  denen  ausgeführt  ist,  wer  Parzival,  Iwein  usw.  war.  man 
möchte  allerdings  bescheiden  fragen ,  ob  es  sich  nicht  auch  für 
die  tschechischen  herren  Studenten  empfehlen  sollte,  das  Studium 
des  mhd.  mit  dem  Iwein  oder  den  Nibelungen  zu  beginnen,  statt 
mit  der  Ritterfahrt,  man  könnte  auch  dann  erwarten,  dass  mit 
diesen  grofsen  werken  begonnen  würde,  wenn  schon  specielle 
ausgaben  mhd.  texte  für  tschechische  Studenten  hergestellt  werden, 
man  wird  dem  aber  wider  entgegenhalten,  dass  die  herren  so  viel 
deutsch  verstehen ,  um  die  deutscheu  ausgaben  benutzen  zu 
können,  für  wen  dann  aber  diese  ausgäbe  mit  tschechischer 
einleitung  und  tschechischen  anmerkungen?  schliefslich  indes  ist 
das  Sache  des  Verlegers  und  herausgebers.  sicher  waltet  über 
der  Ritterfahrt  ein  ganz  besonderer  unstern:  zuerst  abgedruckt 
in  vdHagens  Germania,  wo  sie  recht  unzugänglich  geblieben  ist, 
wurde  sie  (nicht  gerade  gut)  übersetzt  in  den  Mitteilungen  des 
nordböhmischeu  excursionsciubs,  wo  sie  einem  gröfseren  kreise 
weder  bekannt  noch  zugänglich  wurde;  jetzt  ist  sie  endlich  durch 
den  buchhandel  erreichbar,  aber  eingeschlossen  in  umfangreichen 
tschechischen  abhandlungen  und  anmerkungen. 

Prag  17.  2.  89.  W.  Toischer. 


JOSTES    DAISIEL  VON  SOEST  299 


Daniel  von  Soest,  ein  westfälischer  Satiriker  des  16jhs.  hg.  und  erläutert 
von  Franz  JosTEs  (Quellen  und  Untersuchungen  zur  geschichte,  cuitur 
und  litteratur  Westfalens,  hg.  vom  Verein  für  geschichte  und  alter- 
tumskunde  Westfalens,  i  bd.).  Paderborn,  Ferdinand  Schöningh, 
1888.    xn  und  404  ss.     gr.  8°.  —  8  m. 

Dem  Verdienste,  den  Westfalen  Johannes  Veghe  in  unsere 
litteraturgeschichte ,  insbesondere  in  die  geschichte  der  deutschen 
predigt  eingeführt  zu  haben ,  hat  Jostes  mit  dem  vorliegenden 
werke  ein  weiteres  angereiht,  freilich  in  dem  mafse  mit  dem 
reiz  der  neuheit  ausgestattet,  wie  dies  bei  dem  prediger  des 
15jhs.  der  fall  war,  tritt  uns  Daniel  von  Soest  nicht  entgegen, 
dessen  hauptwerke  bereits  im  jähre  1848  durch  LFvSchmitz  wider 
ans  licht  gezogen  worden  sind,  die  völlig  wertlose  und  unbrauch- 
bare ausgäbe  (vgl.  JGrimm,  Kl.  schritten  5,  467  ff)  scheint  aber 
kaum  über  die  engeren  gränzen  der  heimat  hinausgekommen  zu 
sein:  ihre  benützung  blieb  beschränkt  auf  die  specialforscher 
westfälischer,  Soester  historie  und  unsere  litleraturgeschichten 
nahmen  mit  einer  einzigen  ausnähme  (Goedeke,  Grundriss  2^  336) 
bisher  überhaupt  keine  notiz  von  Daniel  von  Soest,  das  wird 
fortan  nicht  mehr  der  fall  sein:  dank  Jostes  bemühung  ist  dem 
unter  diesem  namen  auftretenden  Westfälischen  Satiriker  des  16jhs. 
nun  sein  platz  in  der  deutschen  litteraturgeschichte  gesichert. 

Johannes  Veghe  von  Münster  und  Daniel  von  Soest  1  jener 
ein  anspruchsloser,  milder  und  liebenswürdiger  prediger,  ein 
warmer  freund  feiner  äufserer  bildung  und  gesitlung,  von  der 
humanistischen  beweguug  seiner  heimat  noch  an  seinem  lebens- 
abend  sympathisch  berührt,  noch  einmal  ein  repräsentant  der 
alten  kirche  in  edelster  form  unmittelbar  bevor  der  neue  glaube 
sein  banner  erhebt.  Daniel  von  Soest  dagegen,  bereits  grofs 
geworden  im  kämpf  um  den  glauben,  auch  ein  geistlicher,  be- 
gabt und  gelehrt,  aber  selbstbewust,  leidenschaftlich  und  streit- 
lustig, aus  überzeugungstreue  parteiisch,  im  ausdruck  ironisch, 
derb,  ja  nicht  selten  cyuisch,  eine  gestalt,  wie  wir  sie  gar  häufig 
im  reformationszeitalter ,  dessen  dichterische  Signatur  die  satire 
ist,  in  beiden  lagern  antreffen. 

Den  historischen  hintergrund  der  Satiren  des  Daniel  von 
Soest  bildet  die  einführuug  der  reformation  in  Soest(1531 — 1534). 
hatte  Cornelius  in  seiner  Geschichte  des  münsterischen  aufruhrs 
zum  ersten  male  den  gang  der  Soester  bewegung  lebensvoll  ge- 
schildert und  gleichzeitig  die  wijchtigsten  quellen  im  originale 
mitgeteilt  (1,  252.  272.  2,  304),  so  ist  es  Jostes  gelungen,  auf 
gruod  sorgfälligster  durchforschung  des  Soester  archives  das  bisher 
bekannte  material  durch  mancherlei  neues  zu  vervollständigen, 
gelegentlich  auch  zu  berichtigen,  es  ist  nur  zu  billigen ,  dass  J. 
seine  ergebüisse  nicht  etwa  in  fortlaufenden  anmerkungen  zum 
Daniel  von  Soest  zersplittert  hat,    sondern   es  vorzog,   trotz  der 

20* 


300  JOSTES    DAMEL  V0^  SOEST 

vorauf^egangeneii  behandlung  durch  Cornelius  seine  edition  mit 
einer  zusanimenliäugenden  darstellung  der  historischen  begeben- 
heiten  einzuleiten  (s.  3  —  53),  wobei  selbstverständlich  die  er- 
zählung  des  Daniel  unberücksichtigt  blieb  oder  doch  nur  aus- 
nahmsweise citierl  wurde,  aufserdem  hat  J.  seinem  texte  den 
bericht  des  Soester  ratsprotocoUbuches  über  die  einführung  der 
ret'ormation  vorangestellt  (s.  84 — 109,  vgl.  s.  vni),  der  zwar  auch 
schon  von  Cornelius  (aao.  1,  252),  jedoch  nach  einer  jungen, 
ungenügenden  abschrift  des  seiner  zeit  nicht  auffindbaren  ori- 
ginales bekannt  gemacht  worden  war.  alle  übrigen  urkundlichen 
belege ,  die  nicht  nur  um  des  historischen  interesses  sondern 
nicht  minder  um  des  sprachlichen  willen  mitteilenswert  erschienen, 
sind  in  den  anhang  (s.  315  —  389)  verwiesen. 

Unter  dem   namen    des  Daniel    von  Soest   kennen  wir   fünf 
Streitschriften,    von    denen    der   im  jähre  1533    für  das  volk  be- 
stimmte (304,  1  ff)  Retterspiegel,  seines  studerens  und  vlites  eerste 
frucht  (303,  39) ,  sich  nur  in  überarbeiteter  gestalt  hslich  erhalten 
bat,  das  gleichzeitig  entstandene  mehr  wissenschaftliche  Parene- 
ticon    oder   parenesis,    das   glossen   zu  Omekens   ordinanz  (über 
diese  antwort  over  de  ordinantzi  kr  (Dialogon  v.  123)  siehe  Jostes 
s.  24  ff.  50  fr)  bot,    aber  verloren    gieng.     J.  hat  von  einem  ab- 
druck  des  umfangreichen  Ketterspiegels  abgesehen,  da  das  werk 
litterarisch  wie  historisch  ohne  besonderen  wert  sei.    die  wenigen 
auszüge,  die  J.  s.  62  f  und  sonst  gelegentlich  gibt,  sind  übrigens 
gar  nicht  so  uninteressant,  mindestens  der  spräche  des  nachher 
zu  nennenden  Apologeticons  gleichwertig,    zudem  bleibt  genauere 
einsieht  in  den  Ketterspiegel  deshalb  wünschenswert,  um  in  das 
dunkel,    das   den    Pseudonymen    Daniel    auch    noch    nach   Jostes 
Untersuchung   (siehe    unten)    einhüllt,    erfolgreich    einzudringen, 
die    12  gereimten  capitelüberschriflen  teilte  Vorwerck   in  seinem 
Programm  über  Daniel  von  Soest  s.  12  f  mit.    dem  Ketterspiegel 
ist   in   der    hs.    ein    ziemlich    trockenes,    s.    306  ff  abgedrucktes 
Leedgin  van  der  ketter  namen,  nach  der  bekannten  melodie  'drei 
laub  auf  einer  linden'  zu  singen,   angefügt,    das  'den  inhalt  des 
Ketterspiegels  in  gedrängter  form'  widergibt  oder  richtiger,    wie 
schon    Vorwerck    (s.  15)    sah,   das    gröfsere   prosawerk   einleiten 
sollte,   denn    es   heifst    v.  193  ff   als   ick  ju  werde   schriven   in 
einem    boeksken    klein    —   van  ketter    art    und  loesen.      es    mag 
hierbei  gleich  erwähnt  werden ,  dass  Daniel  von  Soest  auch  sonst 
noch  kleinere  gedichte  und  gesänge  geschrieben  hat  (vgl.  Dialogon 
124.  635.   1656.     ApologeticoB  287,  16),   zu    denen    eines,    das 
bei  Vorwerck  s.  15  f  abgedruckt   ist,   ganz   gut  gehören  könnte. 
Mit  den  beiden  genannten  theologischen  prosaschriften  scheint 
Daniel  von  Soest  keinen  namhaften  erfolg  gehabt  zu  haben  und 
sie  sind  auch  wol  kaum  zum  druck  gelangt,    mit  seiner  Gemeinen 
beichte  der  prädikanten  zu  Soest  (1534,  s.  111 — 230)  dagegen, 
die  statt  in  nüchterne  prosa  in  das  gewand  der  poetischen  satire 


JOSTES    DAMEL  VON  SOEST  301 

gekleidet  ist,  hat  Daniel  die  gemüter  des  Soester  rates  nicht 
wenig  in  aufregung  versetzt,  uns  aber  ein  htterarisches  denkmal 
hinterlassen,  das  an  burlesker,  in  schärfste  lauge  getauchter 
komik,  Herbheit  und  naliirlichkeit  des  ausdrucks  seines  gleichen 
selbst  innerhalb  der  wahrlich  nicht  zimperlichen  reformations- 
litteratur  sucht,  die  boshafte  satire  wendet  sich  under  comedien 
wise  (v.  104)  an  die  adresse  der  Lutheromaniten.  dass  die  alt- 
gläubige pariei  empOrt  war  über  die  spräche,  der  Omeken  sich 
in  seiner  kirchenordnung  für  die  Stadt  Soest  (1532)  bedient 
halte,  in  der  'ein  fremdling  die  nächsten  blutsverwandten  der 
bürger  'mastschweine,  koresel,  tagediebe,  teufelshuren,  huren- 
jäger,  bestien'  usw.  nannte'  (s.  26),  kann  nicht  wunder  nehmen; 
selbst  diejenigen,  die  Omekens  evangelischen  standpunct  teilten, 
musten  sich  dadurch  verletzt  fühlen  und  widersetzten  sich  anfangs 
der  annähme  der  ordinanz.  auf  Omekens  angriffe  antwortete 
Daniel  von  Soest  mit  seiner  Gemeinen  beichte;  was  bei  ersterem 
den  erfolg  schädigte,  der  ungeziemende  ton  in  ernster  sache 
(vgl.  auch  Cornelius  1,  118  f),  das  war  in  der  gereimten  satire 
am  platze:  statt  der  erkünstelten  grobheit  im  ausdrucke  dort 
redete  Daniel  natürlich -volksmäfsig,  humoristisch -ironisch,  wenn 
auch  oft  sehr  derb  und  gesalzen,  wodurch  aber  die  würkung  der 
mahnenden,  obvvol  zu  breit  ausgesponnenen  Schlussworte  des  als 
biblischer  Daniel  auftretenden  Verfassers  nur  erhöht  werden  konnte. 

Dass  der  pamphletist  sich  nicht  mit  seinem  richtigen  naraen 
genannt  halte,  war  sofort  klar  und  die  geschmähte  partei  hätte 
gar  gern  den  schleier  der  anonymität  gelüftet  gesehen;  aber  auch 
die  gleichgesinnlen  scheinen  das  versteckspielen  nicht  gut  ge- 
heifsen,  es  dem  autor  als  furcht  ausgelegt  zu  haben,  derselbe 
hielt  es  deshalb  für  geboten,  sich  in  seinem  1537  geschriebenen, 
gleichfalls  gereimten  Dialogon  (s.  231 — 84),  in  dem  nachgetragen 
war,  was  sich  seit  dem  abschluss  der  Gemeinen  beichte  (vgl. 
Dialogon  v.  611  f  wat  dar  is  gehieven  hüten,  wil  ik  hir  mi  mede 
insluten)  in  Soest  ereignet  hatte,  des  breileren  (D.  v.  105—374) 
darüber  auszulassen ,  weshalb  er  sich  Daniel  von  Soest  nenne 
und  seinen  wahren  namen  verschwiegen  habe:  die  ketzerhunde, 
fuhrt  Daniel  aus,  seien  nicht  allein  dem  körper  sondern  auch 
der  Seele  gefährlich,  tyrannen ,  die  nur  den  körper  töten, 
nenne  man  utwendige  iculve,  jene  aber,  die  ihr  gift  einträufeln, 
ohne  dass  einer  es  merkt,  das  seien  inwendige  wulve,  und  zu 
diesen  gehörleu  die  ketzer.  vor  diesen  hätten  wir  uns  tag  und 
nacht  zu  hüten,  wie  Christus  selbst  und  Paulus  uns  lehrten. 
wati  uns  dan  nicht  dringt  de  noit,  möge  wir  wol  frochten  den 
lißiken  doit  und  vor  den  kettern  hillik  vlein,  als  dan  ok  vaken 
und  vil  is  geschein,  und  unsen  namen  stille  verswigen,  dat  uns 
de  ketters  nicht  en  driven  to  erem  falschen  gloven  und  hose  werken, 
bisunder  wan  wi  gein  betterung  an  en  merken. 

So  lange    die   beiden  Spottschriften    (über   das  Apologeticon 


302  JOSTES  DANIEL  VON  SOEST 

siehe  weiter  unten)  nnr  handschriltliche  Verbreitung  fanden,  glaubte 
der  Soester  rat  die  angelegenheit  als  eine  interne  betrachten  zu 
können,  nachdem  aber  beide  zusammen  1539  durch  den  druck 
jedem  zugänglich  gemacht  worden  waren,  da  begann  man  die 
suche  nach  dem  litterarischen  missetäter  energischer  zu  betreiben, 
man  vermutete  den  dj'ucker  der  als  spitigh  famois  libell  und 
schantbokk  bezeichneten  schrift  eines  ungenanden  Daniel  von  Soest 
in  Köln,  der  rat  von  Soest  wandte  sich  am  26  juni  1539  brief- 
lich in  dieser  sache  an  den  Kölner  magislrat  und  erhielt  schon 
am  4  juli  von  dort  die  bereitwillige  zusage,  man  wolle  darüber 
nach forsclTun gen  anstellen,  es  dauerte  dann  aber  volle  zehn 
monate,  bis  weiteres  von  Köln  verlautete:  erst  am  3  mai  1540 
gieng  wider  ein  schreiben  nach  Soest  ab,  folgenden  inhalts:  — 
welckermaten  wy  van  unserm  burger  Daniell  van  Soist  schroider 
angesoicht  unnd  gebeden,  werden  ure  eirsz.  uit  desselven  hie  in- 
gelachte stipplicatie  in  die  lengde  vernemen.  dwile  sich  nu  die 
Sachen  in  der  loairheit,  luyde  siner  supplicatien  angetoigen,  also 
begeven,  derhalven  der  wairheit  (as  gotlich  wind  billich)  bystandt 
to  doin  und  nyemandtz  dairenboven  to  latenn  beszioeren  sunder 
tho  verthedyngenn  mann  schuldich,  ist  demnae  unse  fruntlicke  be~ 
gerde  unnd  gesynnen ,  dat  ure  eirsz.  bemelten  unsernn  burger  so- 
lickes  beroirten  bedraichs  ader  verclagens  ter  unschoult  niet  taten 
beszwerenn  noch  oeverfallenn ,  sunder  derhalven  in  ansieunge  dieser 
unser  vurschrifft  entschuldiget  unnd  gefurdert  willen  haven  unnd 
sich  hieinne  also  gunstich  unnd  furderlich  zo  halden  und  zo  be- 
wysenn ,  als  wy  des  und  alles  guden  gentzlich  waill  to  betruwen 
denselven  uwen  eirsz.,  die  unse  herre  got  inn  alle  geluckselige  wail- 
foirt  lange  tidt  bewarenn  will. 

Es  war  nötig,  den  Wortlaut  des  Kölner  Schreibens  hier 
widerzugeben,  um  meine  einwände  gegen  J.s  hypothese  über 
den  wahren  autor  der  Satiren,  die  lediglich  auf  diesem  acteu- 
stücke  fufst,  besser  begründen  zu  können.  J.  glaubt  in  jenem 
zweiten  Kölner  briefe  den  beweis  für  folgendes  gefunden  zu 
haben:  1)  dass  drucker  und  Verfasser  des  Daniel  von  Soest  in  Köln 
lebten  und  dass,  falls  der  rat  nicht  geradezu  gelogen  habe,  der 
verf.  in  Köln  das  bürgerrecht  besafs;  2)  dass  man  in  Köln  den 
eigentlichen  autor  wol  gewust,  ihn  aber  nicht  habe  verraten 
wollen;  3)  dass  unter  all  den  obligaten  phrasen,  in  denen  sich 
das  scliriltstück  bewege,  doch  ein  derartiger  höhn  verborgen 
liege,  als  wenn  es  von  Daniel  selbst  abgefasst  wäre;  der  Soester 
brief  soll  dem  Daniel  zur  beantwortung  übergeben  worden  sein; 
4)  die  in  dem  schreiben  erwähnte  supplicatie  ist  identisch  mit  der 
fünften  Streitschrift  Daniels,  seinem  Apologeticon;  5)  ehe  das 
von  Daniel  selbst  verfertigte  antwortschreiben  nach  Soest  abgieng, 
hat  Daniel  aufser  der  abfassung  des  Apologeticon  auch  noch  erst 
den  Ketterspiegel  überarbeitet  und  es  erklärt  sich  so,  weshalb 
der  Kölner  rat  Soest  gegenüber  zehn  monate  lang  seine  antwort 


JOSTES   DAMEL  VON  SOEST  303 

hinausschob;  6)  endlich:  unter  Daniel  von  Soest  verbirgt  sich  der 
Kölner  scholasticus  und  spätere *cardinal  Johannes  Gropper. 

Gewis  ein  reiches  ergebnis!  gefolgert  aus  einem  sonst  un 
allgemeinen  niiciitern- trockenen  materiale,  aus  einem  geschäfts- 
briel'e,  'so  harmlos,  wie  tausend  andere,  die  der  Kölner  rat  ia 
demselben  jähre  ausgesandt  hat',  schreibt  mir  herr  prot.  KHöhl- 
baum,  der  hier  wenn  einer  competent  ist.  J.  hat  viel  zu  viel 
in  dieses  schreiben  hinein  interpretiert,  die  vorgefasste  meinung, 
Gropper  sei  der  wahre  autor  der  Satiren,  hat,  so  sehr  er  sie 
auch  —  es  sei  das  ausdrücklich  betont  —  nur  als  hypothese 
angesehen  wissen  will,  von  vorne  herein  bei  der  auslegung  des 
briefes  sein  urleil  getrübt,  gerade  das,  worauf  zur  beurteilung 
des  Schreibens  alles  ankommt,  die  deutung  nämlich  des  aus- 
druckes  unser  burger  Daniell  van  Soist  schizoider,  meint  J.  'un- 
beachtet' lassen  zu  können ,  da  auch  schroider  (Schneider)  gewis 
nicht  der  richtige  name ,  vielleicht  gerade  mit  beziehuug  auf 
seine  eigenschaft  als  alles  secierender,  beifseuder  Satiriker "^  ge- 
wählt sei.  prof.  Höhlbaum  wird  demnächst  den  nachweis  bringen, 
dass  wir  nicht  berechtigt  sind,  das  wort  schroider  an  unserer 
stelle  anders  als  in  der  ganz  gewöhnlichen  bedeutuug  'Schneider' 
zu  verstehen  und  dass  folgende  inlerpretation  des  Schreibens 
die  einzig  ungezwungene  sei:  auf  das  Soester  schreiben  hin,  das 
einen  Daniel  von  Soest  genannt  hatte,  ermittelte  der  Kölner  rat 
einen  Schneider  dieses  namens  in  Köln  und  es  stellte  sich  heraus, 
dass  dieser  mann  an  dem  pamphiete  völlig  unbeteiligt  war.  seine 
supplicatte  wird  aufser  der  rechtfertigung  seinerseits  das  dringende 
gesuch  enthalten  haben,  man  möchte  ihn  den  Soestern  gegen- 
über von  jeglichem  verdachte  reinigen,  und  das  tut  dann  der 
Kölner  rat  und  legt  des  Schneiders  snppltcatie  bei.  weiter  möchte 
ich  hier  der  in  aussieht  stehenden  Untersuchung  Höhlbaums 
nicht  vorgreifen. 

Bietet  nun  die  Soest -Kölner  correspondenz  absolut  keinen 
anhaltspunct  dafür,  dass  der  autor  des  pamphletes  in  Köln  ge- 
lebt haben  muss  —  den  drucker,  dem  übrigens  in  erster  linie 
das  Soester  schreiben  galt,  wollen  wir  einstweilen  bei  seite 
lassen  — ,  so  ist  schon  damit  der  J.schen  hypothese  der  Unter- 
grund entzogen  und  seine  übrigen  Schlussfolgerungen  bedürfen 
eigentlich  gar  keiner  weiteren  Widerlegung,  aber  nehmen  wir 
selbst  an,  dem  Kölner  rat  sei  der  wahre  autor  bekannt  gewesen, 
wäre  es  wol  glaublich,  dass  eine  hochstehende  behörde,  wie  sie 
der  rat  einer  so  bedeutsamen  Stadt  wie  Köln  doch  repräsentiert, 
in  corpore  und  officiell  das  versteckspiel  mit  dem  namen  fort- 
gesetzt, sich  in  geistreichen  Wortspielen  ergangen  haben  sollte? 
oder   dürften  wir   dem  Kölner  magistrate   gar  eine   derartig  un- 

^  zu  vgl.  wäre  etwa  die  ebenfalls  bildliche  Verwendung  des  wortes 
in  Rudolfs  Alexander,  wo  Gottfrieds  Tristan  ein  schrwter  süezer  Worte  ge- 
nannt wird,  Lexer  2,  804. 


304  JOSTES    DANIEL  VON  SOEST 

Würdige  hallung  zutrauen,  wie  J.  sie  ilim  aufbürdet,  wenn  er 
den  paniphletisten  selber  zum*schreiber  eines  den  Soester  rat 
verhöhnenden  briel'es  macht?  wo  freilich  der  höhn  in  diesem  ganz 
geschäflsmäfsigen ,  in  durchaus  formelhaften  Wendungen  abge- 
fassten  schreiben  stecken  soll,  vermag  ich  nicht  zu  sagen,  und 
auch  J.  wird  zu  seiner  auffassung  wol  nur  durch  die  oben 
zurückgewiesene  inlerprelation  von  schroider  verführt  worden 
sein,  der  Kölner  magistrat,  der  wichtigeres  zu  tun  hatte,  wird 
sich  nicht  über  gebür  wegen  dieser  litterarischen  fehde  erhitzt 
haben,  um  so  weniger  als  er  persönlich  mit  seineu  Sympathien 
gewis  auf  seilen  des  spottenden  Satirikers  stand,  wenn  die 
Kölner,  nachdem  sie  das  Soester  gesuch  sofort  zusagend  beant- 
wortet hatten,  erst  nach  zehn  monaten  wider  auf  den  gegenständ 
zurückkamen,  so  ist  das  durchaus  nicht  auffallend:  entweder  hat 
man  würklich  auf  das  gründlichste  die  nachforschungen  betrieben, 
oder,  und  das  ist  mir  weit  wahrscheinlicher,  man  betrachtete  die 
angelegenheit  als  eine  von  vielen  und  erachtete  ihre  erledigung 
nicht  als  besonders  dringlich. 

Aber  auch  zur  identificierung  der  dem  Kölner  briefe  bei- 
gelegten snpplicatie  mit  dem  Apologeticon  des  Daniel  von  Soest, 
das  speciell  eine  antwort  auf  das  Soester  schreiben  sein  soll, 
würde  uns  schon  an  sich  nichts  berechtigen,  das  in  prosaform 
gekleidete  Apologeticon  (s.  285 — 305)  ist  gleichfalls  eine  schraäh- 
schrifl ,  die  der  autor  zusammen  mit  der  überarbeiteten  fassung 
des  Ketterspiegels  im  jähre  1538  den  drei  von  Soest  abgeord- 
neten schmalkaldischen  legalen,  dem  prediger  Brictius  tom  Norde 
und  den  beiden  ratsmitgliedern  Oesterkamp  und  Reimensnider 
zugeeignet  hat.  ob  die  schrifl  gedruckt  worden  ist,  wissen  wir 
nicht;  wir  besitzen  sie  nur  in  ungefähr  gleichzeitiger  abschrift. 
sie  nennt  sich  eine  'entschuldigung',  weil  Daniel  von  Soest  in 
ihr  sein  litterarisches  auftreten  gegenüber  den  Soester  Lutheroma- 
niteu  rechtfertigen  will,  nicht  aus  bass  oder  neid ,  sondern  in 
bester  absieht  habe  er  Omekens  und  dessen  eidgenossen  schand- 
bücher,  ihre  teuflischen  ärgernisse  und  unchristlichen  taten  den 
frommen  Christen  zur  warnung  vor  äugen  gestellt;  Josephus  und 
Aeneas  Silvius  habe  niemand ,  obwol  sie  doch  vom  ebebruch  des 
Mundus  und  der  Pauiiua  und  von  der  buhlerei  des  Eurialus  und 
der  Lucrelia  geschrieben  hätten ,  für  lasterschribenten  gehalten : 
so  wolle  auch  er  nur  durch  abschrecken  belehren  und  bessern 
(299,  10  ff.  297,  22  ff),  und  Daniel  tut  dies  denn  auch  in  dra- 
stischster weise,  die  der  von  Omeken  in  seiner  ordinanz  geführten 
spräche  nichts  nachgibt,  aber  freilich,  auch  hier  erscheint  die 
urwüchsige  redeart  um  vieles  angemessener  als  in  einer  kirchen- 
ordnung.  —  wäre  es  auch  erwiesen,  dass  der  Kölner  brief  sich 
auf  den  pamphletisten  Daniel  von  Soest  bezöge,  so  hätte  J.  doch 
in  keinem  falle  die  supplkatie,  die  'bitlschrift',  auf  das  Apologe- 
ticon,  die   'rechtfertigungsschrift',    deuten    dürfen,     dass  Daniel 


JOSTES    DANIEL   VON  SOEST  305 

eiomal  in  letzterem  von  demotigen  supplkeren  und  biddent  p02,  34  f) 
spricht,  verschlägt  nichts  und  ebenso  wenig,  wenn  der  im  Soester 
sclireil)en  mit  hezug  auf  die  Gemeine  beichte  verwendete,  zur 
bezeichnung  eines  pasquills  allgemein  gebräuchliche  ausdruck 
famos  libell  und  schantboick  gleichfalls  im  Apologeticon  (297,  18  f. 
298,  14.  29.  37)  begegnet  oder  wenn  in  diesen  beiden  Schrift- 
stücken gesagt  ist,  derartige  pamphlete  seien  im  rechten  verboden 
(vgl.  A.  297,  21).  der  Soester  rat  hat  sich  in  seinem  schreiben 
an  Köln  nicht  anders  ausgedrückt,  als  er  es  früher  in  Soest 
selbst  mündlich  getan  hatte,  und  solche  urteile  waren  dem  verf. 
zu  obren  gekommen,  auf  die  er  sich  dann  später  beruft,  vor 
allem  aber  hat  sich  J.  mit  der  seiner  ansieht  entgegenstehenden 
bemerkung  am  schluss  des  Apologeticon  Gegeven  to  Soest  am 
niggen  jars  dach  im  jaer  mcccccxxxviii  viel  zu  leicht  abgefunden, 
um  das  Apologeticon  von  1538  als  antwort  auf  das  Soester 
schreiben  vom  26  juni  1539  verwerten  zu  können,  muss  J.  zu 
folgender  argumeutation  seine  Zuflucht  nehmen:  'das  jähr  wird 
hier  nicht  richtiger  angegeben  sein  als  der  ort;  mit  derlei  an- 
gaben nimmt  es  Daniel  nie  genau :  sonst  hätte  er  zb.  alle  seine 
Schriften  gerade  auf  neujahr  ausgehen  lassen  müssen.'  dagegen 
ist  zu  bemerken ,  dass  aufser  dem  Apologeticon  und  der  mit 
diesem  zugleich  überreichten  neubearbeitung  des  Ketterspiegels 
nur  noch  das  Dialogon  eine  neujahrsgabe  sein  will,  bei  dem 
älteren  Ketterspiegel,  dem  Pareneticon  und  der  Gemeinen  beichte 
findet  sich ,  so  viel  ich  sehe ,  eine  solche  Zeitangabe  nicht,  wir 
haben  also  einstweilen  gar  keinen  grund,  Daniels  datierung  zu 
niistrauen;  eher  konnte  noch  die  Ortsangabe  fingiert  sein,  wer 
sagt  uns  ferner,  dass  die  nachlbrschungen  erst  1539  dh.  nach 
dem  drucke  der  beiden  gereimten  pasquille  begannen?  in  Köln 
freilich  fragte  mau  damals  erst  an ,  die  Soester  aber  haben  sofort 
nach  dem  erscheinen  der  Gemeinen  beichte  (1534),  und  wie  wäre 
es  auch  anders  möglich  gewesen ,  sich  sicher  die  erdenklichste 
mühe  gegeben,  den  verf.  zu  ermitteln:  das  wird  nicht  erst  aus 
dem  Apologeticon  (288,23  0]  deutlich,  sondern  schon  aus  dem 
Dialogon  v.  103  ff.  weit  eher  hatte  J.  für  sich  geltend  machen 
können,  dass  ein  ausspruch  wie  dat  nicht  allene  binnen  Soest  dan 
ok  alle  anderen  so  mine  schrift  lesen  (Apologeticon  289,  8  fj  bereits 
den  druck  Danielscher  Schriften  voraussetzt,  die  datierung  des 
Apologeticon  also  irrig  sein  müsse,  allein  auch  im  Dialogon 
(1537)  heifst  es  v,  116  men  wacht  na  di  (Daniel)  in  alle  laut 
(vgl.  J.  s.  55),  und  so  lange  kein  älterer  druck  als  der  von  1539 
auftaucht  —  es  ist  mir  auch  nicht  wahrscheinlich ,  dass  ein 
solcher  existierte  — ,  müssen  wir  schon  an  eine  verhällnismäfsig 
grofse  hsliche  Verbreitung  der  Satiren  glauben,  sagt  doch  Hamel- 
mann  von  der  umfangreichen  Gemeinen  beichte,  man  habe  sie 
bei  ihrem  erscheinen  an  verschiedenen  stellen  der  Stadt  Soest 
an  die  tUren  geschlagen,  ein  wort,    das  man  freilich  mit  J.  s.  54  f 


306  JOSTES    DAMEL  VON  SOEST 

uur  auf  die  der  Gemeinen  beichte  eingefügten  lieder  (vgl.  ins- 
bes.  V.  2841  —  8)  beziehen  müclite. —  endücli:  Daniel  hat,  wie 
ich  schon  erwähnte,  sein  Apologeticon  den  Schmalkaldener  ab- 
geordneten, die  1537  ihre  mission  erfüllt  hatten,  gewidmet  oder 
richtiger  seine  Verhöhnung  der  Soester  Lutheromaniten,  zu  denen 
sie  selbst  gehörten,  an  ihre  adresse  gerichtet,  und  dieses  Schrift- 
stück, mit  solcher  widmung  versehen,  sollte  als  beigäbe  das 
amtliche  Kölner  schreiben  begleitet  haben?! 

Ich  wende  n)ich  nun  erst  zu  der  eigentlichen  verfasser- 
frage, wer  war  denn  Daniel  von  Soest?  zweifellos  muss  er  ein 
Soester  kind  und  ein  geistlicher  gewesen  sein,  der  von  der  re- 
formatorischen beweguug  in  Soest  mit  betrolTen  und  durch  sie 
in  seiner  Stellung  geschädigt  wurde,  die  alte  ansieht,  unter  dem 
namen  Daniel  von  Soest  berge  sich  der  guardian  des  Soester 
grauen  klosters  Gerwin  Haverland  —  so  auch  noch  bei  Goedeke, 
Grundriss  2^  336  und  ADB  11,  117  —  ist  schon  von  Vorwerck 
durch  den  nachweis  widerlegt  worden ,  dass  derselbe  bereits  im 
jähre  1535  tot  war,  während  das  Dialogon  erst  1537  geschrieben 
wurde.  J.  hat  nun  in  falscher  auslegung  des  oft  citierten  Schreibens 
den  verf.  in  Köln  aufsuchen,  in  ihm  einen  hochangesehenen  und 
einflussreichen  mann  erkennen  wollen  und  deshalb  auf  Johannes 
Gropper  (1502 — 1559)  geschlossen.  Gropper  war  der  söhn  des 
Soester  bürgermeisters,  pfarrer  zu  SPelri  in  Soest  und  bereits 
1530  scholaster  zu  SGereon  in  Köln,  seit  c.  1533  des  Kölner  erz- 
bischofs  Hermann  von  Wied  vertrautester  ratgeber;  im  jähre  1556 
wurde  er  zum  cardinal  erwählt,  ich  glaube  nun,  dass  selbst  der- 
jenige, der  J.s  Vermutung,  Daniel  von  Soest  sei  eine  bedeutsame 
Kölner  persönlichkeit  gewesen,  zustimmen  wollte,  doch  zu  der 
Überzeugung  gelangen  müste,  dieselbe  könne  nicht  Gropper  ge- 
wesen sein,  und  ich  teile  da  durchaus  die  von  Edward  Schröder 
in  der  DLZ  1888  sp.  980  f  erhobenen  einwände,  die  ich  hier 
nicht  widerholen  will,  nur  auf  ein  par  einzelheiten  sei  noch  hin- 
gewiesen. Worte  wie  ick  armer  Daniel,  arm,  unwetten,  unge- 
schicket  und  bi  na  nichts  bi  juen  Soestischen  utgestropeden  moneken 
und  nunnen,  papen  und  boginen  geachtet,  hebbe  gesprocken ,  hebbe 
geschreven,  und  se  spreken:  wei  is  dusse?  (Apologeticon  287,  QS) 
scheinen  mir  nicht  erst  recht  verständlich  zu  werden  'im  munde 
eines  mannes  wie  Gropper,  dessen  wort  bei  fürst  und  kaiser  in 
die  wagschale  fiel.'  Satiriker  und  pamphletisten  werden  immer, 
wenn  sie  gute  schriftsteiler  sind,  ihrer  rede  starke  accente  ver- 
leihen, sich  gern  in  paradoxien  ergehen,  und  auch  Daniel  zeigt 
sich  in  seinem  Apologeticon  entschieden  rhetorisch  beanlagt,  aus 
einer  anderen  stelle  des  Apologeticon  (304,  8  IT)  braucht  nicht  her- 
vorzugehen, dass  Daniel  auch  noch  andere  als  niederdeutsche 
Schriften  verfasst  hat:  er  sagt  nur,  wenn  er  auch  die  höhere 
redeweise  gelernt  hätte  (nicht  wo  dei  oratoren  —  mit  gesmuck- 
der  wertliker  eloquencien  und  hocheit  der  rede ,  des  ick  mi  ok  nicht 


JOSTES    DANIEL  VON  SOEST  307 

underwinde;  und  off  ick  schon  solks  geleret,  wolde  ick  usw.),  so 
wolle  er  sich  doch  vor  seinen  landsleuten  mit  simpel  slechter 
moderliken  spraken  ausdrücken,  dass  er  für  jeden  lesbar  und 
verständlich  wäre,  es  sei  gestattet,  bei  dieser  gelegenheil  an- 
zumerken, dass  die  bisweilen  Gropper  zugeschriebene  gereimte 
Abconterfeytung  vnd  wäre  gründtliche  beschreibung  Martin  Butzers, 
als  deren  verf.  sich  Warner  von  Waresheim  nennt  (vgl.  Weller, 
Annalen  2,  548.  Dieringers  Kath.  zs.  f.  wissensch.  und  kunst 
1844,  u  390),  nicht  von  ihm  herrührt — vielmehr  wird  Gropper 
in  ihr  citiert  — ,  wie  mich  der  einblick  in  das  mir  durch  herrn 
kircheurat  Victor  gütigst  zugestellte  exemplar  der  kirchenbibliothek 
zu  Emden  belehrt.  —  weiteres,  was  J.  zu  Groppers  gunsten  an- 
führt, würde  nicht  minder  auf  andere  passen,  weshalb  ich  hier 
nicht  besonders  darauf  eingehe. 

Ist  nun  auch  Gropper  meines  erachtens  gewis  nicht  der  verf. 
unserer  Satiren  gewesen,  so  bliebe  immerhin  noch  die  möglich- 
keit,  ihm  indirect  eine  nähere  beziehung  zum  verf.  zuzuschreiben; 
ich  sehe  wenigstens  einstweilen  keinen  grund,  Hamelmanns  aus- 
spruch  zu  beanstanden,  wenn  er  sagt  et  puhlicahantur  haec  scripta 
per  typos,  qnod  tnnc  putabatur  Groppeorum  opera  factum  esse. 
ob  die  drucklegung  des  Daniel  von  Soest  in  Köln  geschah,  darüber 
kann  ich  im  augenblick  keine  Untersuchung  anstellen.  J.  will 
(s.  59  anm.)  aus  der  vergleichung  der  typen  in  Eucharius  Hirsch- 
horn (Cervicornus)  den  drucker  erkennen;  es  ist  mir  das  eigent- 
lich nicht  recht  wahrscheinlich,  da  Hirschhorn  der  liberalen 
kirchlichen  richtung  angehörte  und  verschiedenlich  den  'lutheri- 
schen handel'  begünstigt  zu  haben  scheint,  vgl.  über  ihn  ADB 
4,  92.  12,  506.  Norrenberg,  Köln,  litteraturleben  im  ersten 
viertel  des  16jhs.  s.  xr.  Ennen,  Gesch.  der  Stadt  Köln  4,  179. 
358.372.721,725.  Kapp,  Gesch.  des  deutschen  buchhandels 
1,  105  f.  aus  welchem  gründe  vSchmitz  den  druck  des  Daniel  von 
Soest  nach  Rostock  verlegte,  weifs  ich  nicht.  Crecelius,  der 
an  Soest  selbst  als  druckort  dachte  (Nordhoff,  Denkwürdigkeiten 
aus  dem  münsterischeo  humanismus  s.  192  note),  irrt  gewis. 

Durch  die  in  den  anhang  verwiesene,  dankenswerte  milteilung 
von  briefen ,  die  zwischen  dem  rat  von  Soest  und  den  altgläubigen 
geistlichen  während  und  unmittelbar  nach  der  bewegung  ge- 
wechselt worden  sind,  hat  J.  den  leser  seines  buches  in  die  läge 
gesetzt,  sich  einige  der  bei  Daniel  von  Soest  begegnenden  per- 
sönlichkeiten noch  anschaulicher  zu  vergegenwärtigen,  da  Gropper 
als  verf.  des  Daniel  nicht  in  betracht  kommt,  muss  es  zur 
prüfuug  reizen,  ob  nicht  gewisse  stilistische  eigentümlichkeiten 
in  einem  oder  dem  anderen  schreiben  eine  handhabe  bieten 
dürften,  um  den  wahren  verf.  ans  tageslicht  zu  ziehen,  obwol 
mir  in  J.s  pubHcation  nur  ein  wenig  umfangreiches  material 
zur  Verfügung  steht  und  ich  mir  vorbehalten  muss,  auf  grund 
weiterer   quellen ,    um  deren   einsieht   ich   mich   bereits   bemüht 


308  JOSTES  DANIEL  VON  SOEST 

liabei,  darauf  zurückzukommen,  möchte  ich  hier  doch  mit  aller 
reserve  die  vermuluDg  laut  werden  lassen,  dass  vielleicht  bei  der 
autorsuche  an  den  canonicus  Jasper  van  .der  Borch  zu  denken 
wäre,  er  war  der  söhn  des  gleichnamigen  ratssecretärs  von  Soest, 
der  im  jähre  1531  trotz  seiner  lutherischen  gesinnung  vor  der 
wut  des  pöbeis  fliehen  muste  und  auch  später  nicht  wider  zurück- 
kehren durfte,  da  man  ihn  ungerechter  weise  bezichtigte,  die 
Soester  schrae,  das  gesetzbuch  der  Stadt  versteckt  zu  haben 
(Jostes  s.  14.  83.  Gem.  beichte  v.  807  ff}.-  der  jüngere  Jasper 
war  canonicus  in  Bielefeld,  bekleidete  aber  gleichzeitig  als  neben- 
pfründe  die  Stellung  eines  rectors  von  SAgathen-altar  in  Soest 
und  wurde  als  solcher  von  der  ende  1532  an  die  altgläubige 
geistlichkeit  erlassenen  aufforderung  des  Soester  rates  mit  betroffen, 
wonach  jene  den  gottesdienst  der  ordinanz  gemäfs  einrichten, 
anderenfalls  aber  ihre  einkünfle  verlieren  sollte  (Jostes  s.  33). 
während  alle  pfarrer  und  vicare  diesen  erlass  ruhig  ablehnend 
erwiderten,  antwortete  Jasper  gar  nicht,  um  dann  später  um  so 
energischer  in  Kleve  gegen  die  Soester  vorzugehen,  aus  der  in 
dieser  angelegenheit  mit  dem  Klever  drosten  Wilhelm  vom  Raid 
geführten  correspondenz  Jaspers  hat  Jostes  s.  369  ff  einige  Schrift- 
stücke mitgeteilt,  aus  ihnen,  so  gering  sie  an  zahl  sind,  lernen 
wir  Jasper  als  einen  selbstbewusten,  muligen  mann  von  starkem 
rechtsgefühl  kennen,  der  erlittene  unbill  nicht  ohne  weiteres  un- 
gesühnt  lassen  will,  das  ausbleiben  einer  antwort  auf  ihre  auf- 
forderung von  seilen  Jaspers  hatten  die  Soester  als  Widersetzlich- 
keit gegen  gottes  wort,  gegen  die  neue  kirchenverfassung  ge- 
deutet: gegen  gottes  wort ,  das  man,  wie  Jasper  sagt,  gott  zu 
ehren  und  zur  Seelenseligkeit  angenommen ,  in  Wahrheit  aber 
'erdacht',  durch  eynen  boesewicht,  Joharmem  Campensem,  den  sy  na 
sehest  dar  vor  uügedreven,  vort  dorch  Thomam,  eynen  verloepen 
monnick ,  de  eyn  verlopen  nonne  hevet ,  und  anderen,  ennen  wol 
hekant  —  to  syner  uneren,  verstoeringen  und  seien  verdamems, 
vort  to  uploipe,  unhoirsamheit  angenommen  hätte,  gegen  eyn 
ungotliche ,  ungerechtliche  und  unbillike  ordinantie ,  legen  got ,  syn 

*  Jostes  selbst  halte  die  freundliclikeit,  mich  auf  weiteres  material, 
das  zur  begründung  meiner  hypothese  näher  zu  untersuchen  wäre,  hin- 
zuweisen [siehe  jetzt  unten]. 

2  laut  gülif?er  mitteilung  des  hrn  geh.  archivrats  dr  Harless  besitzt 
das  kgl.  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf  einen  brief  des  atden  secretaris  Jasper 
van  der  Borch  an  den  herzog  Wilhelm  von  Kleve  vom  3  februar  1532,  in 
dem  derselbe  diesem  mitteilt,  dass  während  seiner  (Jaspers)  abwesenheit 
in  Bielefeld  am  freilag  nach  Thomas  (22  dec.  1531)  in  Soest  ein  aufruhr 
geschehen,  und  dass  man  am  19  jan.  in  seinem  hause  eingebrochen  sei 
und  nach  geheimen  briefen  gesucht  habe;  zum  schluss  bittet  erden  herzog 
um  beistand,  am  14  märz  antwortete  der  herzog,  er  möge  sich  noch  eine 
zeit  gedulden.  —  nach  einer  mir  von  hrn  prof.  Höhlbaum  zur  Verfügung 
gestellten  Urkunde  des  rates  von  Soest  an  den  von  Köln  vom  21  mai  1538 
war  der  frühere  secretarius  mester  Jasper  van  der  Borch  später  in  Köln 
wohnhaft. 


JOSTES    DANIEL   VON  SOEST  309 

hillige  ivort  und  evangelium,  eren  laut  für  sten  und  er  overicheit 
gemaket.  die  Soester  hatten  die  fruclitharen  bäume  auf  Jaspeis 
lelinliüt'e,  ihm  uud  seinem  schulzen  zum  schaden,  mit  gevvall 
umgehauen ,  geschhchlet  und  geschält,  'aber  damit  nicht  genug', 
schreibt  Jasper,  'sie  betrachten  auch  mein  beneficium  als  ihnen 
wider  zugefallen',  gelkh  wat  sy  deckten,  schreven  und  sechten,  sutde 
evangelium  wesen,  dair  et  alsamen  duvels,  ungotlich,  unhillich  und 
unredelich — .  es  sei  ihrn  unglaublich,  dass  die  Soester  ihr  vor- 
gehen gegen  ihn  aus  gotles  wort  und  seinem  evangelium  recht- 
fertigen wollten,  da  er  doch  dasselbe  evangelium  gerade  so  oft 
wie  die  meisten  in  Soest  gelesen  habe;  sehr  kindisch  und  un- 
billig erscheine  es,  wenn  sie  geschrieben  hätten,  seine  rente 
solle  in  den  casten  vallen;  nach  göttlichem  und  kaiserlichem  wie 
nach  ihrem  eigenen  rechte  seien  sie  verpflichtet,  ihn  bei  dem 
seinen  zu  lassen,  es  ihm  nicht  gewaltsam  zu  nehmen,  gegen- 
über diesem  mit  velen  homoidigen,  unnutten,  verachtliken ,  spi- 
tigen  wairden  gespickten  briefe,  den  Wilhelm  vom  Raid  dem  Soester 
rat  einsandte,  hielt  letzlerer  es  für  geboten,  die  eingehende 
rechtfertigung  des  gegen  Jasper  geüblen  Verfahrens  nicht  selbst 
zu  besorgen,  man  halte  in  Jasper  keinen  so  gelehrten  manu, 
der  schrifft  so  gantz  verfaren,  keinen  so  ausgesprochenen  gegner 
des  neuen  glaubens  vermulel  und  beauftragte  deshalb  den  super- 
atlendenten  Joli.Brune  selbst  mit  der  beantwortung  des  Schreibens, 
durch  das  sich  der  rat  versmaelicher  wyse  verachtet,  spytig  ver- 
hoent  fühlte.  Brune  suchte  in  seiner  rechtfertigung  namentlich 
den  Vorwurf  erdachter  lere  zu  entkräften  und  belegte  im  einzelnen 
alles,  was  Jasper  als  uugeliörig  getadelt  halte,  mit  biblischen 
citaten.  das  gegen  Jasper  befolgte  verfahren  motivierte  er  durch 
berufung  auf  Pauli  wort:  de  nicht  arbeydet,  sali  nicht  etten;  — 
und  alle  leenen  syn  ingeset  tho  godes  dienste.  aber  damit  be- 
ruhigte sich  Jasper  nicht,  auf  dem  tage  zu  Horde  überreichte 
er  eine  bitlschrift,  welche  die  bekannten  klagepuncle  vorbrachte, 
aufserdem  beantwortete  er  Brunes  carthebille  über  ihn  in  einem 
eingehenden  an  Wilhelm  vom  Raid  gerichteten  briefe.  Brune 
hatte  sich  in  seinem  bericht  an  den  Soesler  rat  devoter  weise 
als  superattendetit  unwerdich  unterzeichnet.  geschickt  knüpft 
Jasper  hieran  an  und  beginnt  seine  erwiderung,  die  auf  eine 
Verhöhnung  Brunes  hinausläuft,  mit  den  worten  Als  Jan  de 
Bruyn,  unwerdich  Superintendent  to  Soest  usw.  im  weiteren  ver- 
lauf spricht  er  dann  von  ihm  nie  anders  als  wegwerfend  von  dem 
Vleming,  weil  man  sich  in  Soest  mit  Brunes  flämischem  dialecte 
—  er  war  ehedem  observant  in  Gent  gewesen  —  nicht  recht  ab- 
zufinden wüste  (Josles  s.  35).  bald  sind  ihm  Brunes  auseinander- 
setzungen  eyn  schoen  geluyt,  bald  heifst  es  de  Vleming  platten,  puncl 
für  puncl  geht  Jasper  auf  das  gegnerische  Schriftstück  ein  und 
legt  dabei  gleichzeitig  sein  eigenes  glaubensbekennlnis  nieder; 
die  hefligkeit    der  polemik  wurzelt  in  seiner  überzeugungstreue. 


310  JOSTES    DAMEL  VON  SOEST 

gottes  wort,  heifst  es  da,  sei  lauter  und  klar  in  Soest  ange- 
nommen, unvermengt  mit  menschenlehre:  so  werde  behauptet; 
das  könne  er  unmöglich  glauben,  wo  van  eynen  mmschen,  Gert 
Omecken,  eyn  ordinantie  tosamen  geslagen  (loere),  voll  veel  un- 
gotlicher  dinge  und  schendingen,  und  alle  boiszheyt  in  Soest  na 
synt  erwassen.  'hätte  der  Fläming  mein  trüberes  schreiben  lesen 
und  verstehen  können  und  wüste  er  andererseits  der  Soester  tun 
und  treiben  zu  beurteilen,  er  müste  die  Wahrheit  meiner  aus- 
sagen zugeben.'  want  wair  dat  wort  und  crafft  godes  im  herten 
is,  dar  is  got  sehest  und  dair  synt  godes  werke  und  dair  moiten 
van  noiden  syn  de  gelove,  de  vrede,  de  lieffde  und  de  hoirsamheit; 
aver  der  en  is  geyn  in  Soest,  dan  dar  is  alle  moeterie,  uproir, 
unfrede,  unhorsamheit ,  rehell  und  alle  selffweldicheit.  so  en  is 
dair  got  noch  syii  hillige  wort  nicht  dan  de  duvell,  de  des  speels 
eyn  here  is,  als  dat  de  gotliche  schrift  nabrenget.  'da  schwätzt 
der  Fläming,  das  göttliche  wort  sei  in  Soest  nicht  durch  'Johen- 
nekeu'  Campen  (vgl.  G.  b.  1625)  angenommen,  sondern  durch  die 
ewige  Weisheit  vordem  auf  diese  zeit  bestimmt  worden,  auch 
ich  glaube,  dass  das  wort  gottes,  das  sich  in  Christi  gehurt  und 
nach  seiner  auferstehung  verkündigte,  —  zweifellos  von  der 
ewigen  Weisheit  vorgesehen  worden  ist,  aber  ich  glaube  nicht', 
dat  de  ewyge  wysheit  to  desen  tyden  den  gemelten  Campen  dat 
hillige  evangelium  und  gotliche  wort,  also  van  sy  gedain,  to  pre- 
digen uitgesanl ,  dan  de  duvell  dorch  syne  kunsten,  er  (der  Soester) 
vleyslyke  begerte  undvryheyt  to  sedigen,  uitgesant  heb  (vgl.  G.b.556), 
na  vervolginge  der  werke,  nachdem  man  in  'Johenneken'  Campen 
den  büsevvicbt  erkannt,  habe  man  ihn  freilich  fortgejagt,  aber 
besser  sei  es  deshalb  in  Soest  nicht  geworden;  im  gegenteil:  und 
synt  synder  des  verdrivonge  veel  meer  uproir,  gewelde,  unhoirsam, 
smehen  und  sehenden  gedain  und  gebruycket  dan  to  voren,  und 
mynes  Versehens  by  desem  Vlemyng  nicht  gebetert  dan  geärgert  und 
vellicht  nicht  so  hillich  als  he  schynet  (vgl.  G.  I>.  2207).  wenn  ein 
mann  wie  Thomas  ßorchwede,  ein  mönch,  zusammen  mit  seinem 
weihe  in  Soest  eine  so  grofse  rolle  spielen  könne,  so  sei  das 
dort  nicht  wunderbar,  wo  ein  Sägeschneider  und  seines  gleichen, 
so  sehr  das  auch  zu  beklagen  wäre,  mehr  einfluss  hätten  als  der 
rat  (vgl.  dazu  Jostes  s.  19).  über  die  berechtigung  oder  nicht- 
berechtigung  der  ehe  habe  er  sich  gar  nicht  ausgelassen,  er 
habe  nur  behauptet,  dass  durch  Thomas  und  Campen  in  Soest 
alle  boisheit  up  sy  gestanden,  dass  man  dort  gottes  wort  im  munde 
führe,  aber  des  teufeis  rat  ausführe  (dat  wort  godes  riepen  mittem 
munde  iind  des  duvels  werken  im  gründe),  was  der  Fläming  über 
Pauli  wort  vom  arbeiten  und  essen  (siehe  oben)  narret,  das  lehre 
Paulus  gar  nicht,  sondern  er,  der  Fläming,  dencket  und  luyget 
uyt  synem  vader  dem  duvel.  —  und  als  he  (Brune)  int  sluyt  syner 
cartebellen  roiret,  wete  ich  dat  wort  godes  eder  den  denst,  de  dair 
angericht    sy,   to    wedderleggen ,   sulle  ich  dair  komen,   willen  my 


JOSTES    DAISIEL  VON  SOEST  311 

gerne  stain  tor  antworden:  lieve  her  drustl  dair  will  he  den  hären 
grypen!  is  dat  nicht  eyn  stolt,  nyt  ey sehen  van  eynem  pfuych  Vla- 
rnyng  to  komen,  dair  de  borgermester  geyn  macht  hebhen,  dan 
umme  de  gewelde  und  unhorsamheit  willen  mit  andern  alden  bor- 
germestern,  zysemestern  und  andern  fromen  luyden  uyt  Soist  heben 
moiten  uyken  ?  to  komen,  dair  sy  alle  geistlichen  spoliert,  schanipfiert 
und  verjaget  hebn '?  to  komen ,  dair  sy  erer  segeler  und  erer  aller 
gegeven  geleide  over fallen,  spoliert,  beschediget,  beschampßert  hebben? 
to  kamen,  dair  de  moitmecker  (siehe  Schiller- Liibben  3,  112) 
eyner  armen  frauwen  huys,  hoff  und  all  er  guet  geweltlich  ge- 
nomen  hebn?  to  komen,  dair  sy  my  dat  myne  tegen  segel  und 
breve,  ere,  got  und  recht  gespolieret  und  destrueret  hebn  und  des 
nicht  untseen  noch  Schemen?  Des  Flemynges  loese,  duvelsche  in- 
gevynge  meynt,  sy  sullen  de  pelser  passie  dair  myt  my  speelenl 
(siehe  Jostes  s.  33  und  unten  die  anm.  zur  G.  b.  1759).  is  he  from 
und  synt  sy  from,  so  komen  sy  uyt  vor  hoichgedachten  chur  und 
fursten,  er  geistliche  und  werltlich  raide  eder  vor  frome  unpar- 
tyeleke  luyde  und  laiten  de  dair  up  seggen,  anders  hevet  got  van 
en  gesprocken:  de  boisheit  doit,  de  hatet  dat  licht  (vgl.  Dialogen  1333). 
und  boven  all  en  sali  sich  nummer  in  warheit  bevynden,  dat  ich 
in  myn  levedage  [tegen]  dat  wairhafftige  wort  und  evangelium 
Cristi  unses  heren  gedacht  edder  geschreven  heb,  moit  syne  und  der 
moitmecker  plattern  und  sehenden  als  veel  andere  frome  luyde,  tor 
tyt  dat  got  almechtig  betert ,  woll  lyden. 

Vergleichen  wir  den  in  diesen  beiden  privatschreiben  an- 
geschlagenen ton  mit  dem  des  für  die  Öffentlichkeit  bestimmten 
Apologelicon,  so  wird  man  sagen  dürfen,  der  autor  des  letzteren 
müsse  jedesfalls  eine  persönlichkeit  gewesen  sein,  die  sehr  ähnlich 
veranlagt  war  wie  Jasper  van  der  Borch.  beiden  ist  eine  ironisch- 
satirische ader  gemeinsam,  sie  gebieten  über  rhetorische  Schulung 
und  wissen  sich  volkstümlich  auszudrücken  ,  nur  dass  sich  aus 
dem  umfangreicheren  Apologeticon  eine  weit  ergibigere  blüteniese 
zusammenstellen    lässt.i    <aber   noch   etwas   anderes   ist   es,    was 

»  ich  führe  als  beispiel  die  epitheta  auf,  mit  denen  Daniel  von  Soest 
die  Lutheromaiiiten  bedenkt:  dei  Soestische  bischope  und  bischopinnen 
287,20.  dei  hartTieckigen,  verstockeden  Lutheromaniten ,  dei  velt fluch- 
tigen muilchristen  2S8,  8  f.  vgl.  289,  22.  291,  19.  292,  19.  295,  10.  297, 15. 

298,  7  f.  301,25.  kfftternche  7riuilchi'isten  299,  16.  Jiachtraveii  und  pleer- 
muse  288,  35.  duvelsche  secte  289,  1 2.  olde  duvels  289,  18.  nasewise 
tadelgense  293,  28.  grote  hansen  und  kifhatfige  puchers  295,  23.  licht- 
verdige  overtreders  297,  14 f.  duvelsche  lastennulen  299,16.  vervoi'ische 
schant flecken  299, 1 7.  rechte  wäre  vorboden  des  endechrists  299,  34 ;  er 
vergleicht  sie  hochverdigen  gigatiten ,  ungetemden  waldeseln  295,  35  f, 
rasenden  hunde?i296,  12.   Omeken  ist  ihm  dei  Soestische  pauwest  293,  Mf. 

299,  20  (Luther  dei  Sassesche  pauwest  299,  24) ,  ein  vermetten  egenkopisch 
narre  29i,  11,  schantflecke  29S,  3b,  logemester  299,  1,  schantvogel  imd 
grove  logener  299,  8  f,  lantloper  iind  schalkhaftige  bove  303,  12,  unse 
nigge  Helle  299,  M,  er  spricht  von  Omekens  kalfreden  292,10,  von  seiner 
ordinanz  als  einem  toarheftigen  libellus  famosus,  logen-,  schant-  oder 
lasterboek  298,  36  {.  301,9.  303,13. 


312  JUSTES    DANIEL  VON  SOEST 

uns  iu  Jaspers  briefen  an  Daniel  von  Soest  gemahnt.  Jasper  ist 
^'anz  besonders  schlecht  auf  Johann  von  Campen  und  Thomas 
ßorchwede  zu  sprechen  und  sieht  in  ihnen  die  eigentlichen 
Urheber  des  neuen  handeis  (siehe  auch  Jostes  s.  60),  über 
Brune  giefst  er  die  volle  schale  seines  spottes  aus,  weil  er  ihn 
als  den  hauptsächlichsten  gegner  in  eigener  angelegenheit  erkannt 
hatte,  sehen  wir  nun  zu,  welche  rolle  den  genannten  in  der 
Gemeinen  beichte  Daniels  zugefallen  ist,  so  wird  es  gewis  nie- 
mandem auffallend  sein,  dass  Johann  von  Campen,  entschieden 
das  unsauberste  dement  unter  den  Soester  lutherischen,  vor- 
nehmlich von  Daniel  zur  Zielscheibe  seines  hohnes  genommen 
ist:  er  erscheint  als  directer  abgesandter  des  teufeis  (G.  b.  479  ff. 
556  ff),  aber  freilich  auch  weit  würdigere  gegner,  mäuner  wie 
Pollius  und  Brictius  hat  Daniel  in  gleicher  weise  in  den  schmutz 
gezogen  und  der  pamphletist  kann  daher  nicht  anspruch  auf  das 
lob  eines  künsllers  erheben,  der  weise  licht  und  schatten  ver- 
teilt habe,  er  malt  überall  mit  gleich  greller  färbe,  dennoch 
glaube  ich  mich  nicht  zu  teuschen,  wenn  ich  meine,  dass  Brune, 
der  Soester  Superintendent,  mit  besonderem  behagen  von  Daniel 
aufs  körn  genommen  ist.  er  steht  im  mittelpunct  der  handlung 
und  gibt  den  beiden  in  der  prädicantenhochzeit  ab,  der  besten 
aber  auch  derbsten  scene  des  ganzen  Stückes,  immer  und  immer 
wider  sucht  der  pamphletist  an  ihm  sein  mütchen  zu  kühlen, 
indem  er  bald  diesem  bald  jenem  eine  characteristik  des  nach 
Daniel  in  allen  satteln  gerechten  'schriftdiebes'  (G.  b.  1280)  in  den 
niund  legt,  zuerst  den  hauptleuten  der  schützengilden  (1053  ff), 
dann  Johann  von  Campen  (1574  ff),  hierauf  dem  kaplan  Kelberg 
1767  ff),  endlich  Thomas  ßorchwede  (2207  ff),  mit  Bruoes  aus- 
einandersetzuugen  mi  gutachten  über  Jasper  (Jostes  s.  373)  vgl. 
auch  die  ähnlichen  ausführungen  in  der  Gemeinen  beichte  1164  ff^ 
1980  ff.  um  es  kurz  zu  sagen:  an  der  band  des  uns  vorliegenden 
materiales  dürfte  Jasper  van  der  Borch  bei  der  verfasserfrage 
des  Daniel  von  Soest  mit  in  erster  linie  in  frage  kommen,  der 
aussprucb  Daniels  im  Apologeticon,  er  habe  die  geschilderten  Vor- 
gänge ein  deel  sehest  gehört,  ein  deel  ok  geseen  (298,  17;  vgl. 
Jostes  s.  63)  widerspricht  nicht  dem,  was  wir  über  Jaspers  leben 
wissen,  sein  vater  wie  er  wurden  von  der  bewegung  betroffen 
und  sind  ihr  zweifellos  mit  der  grösten  Spannung  gefolgt,  wo 
immer  sie  sich  aufgehalten  haben  mögen:  wann  der  jüngere 
Jasper  canonicus  in  Bielefeld  wurde,  habe  ich  nicht  ermitteln 
können;  der  ältere  war  1538  in  Köln  wohnhaft  (siehe  s.  308 
anm.  2).  was  Jostes  s.  60  zu  gunsten  Groppers  anführt,  dass 
nämlich  Daniel  von  Soest  über  die  Vorgänge  aus  bester  quelle 
unterrichtet  gewesen  sein  muss,  gilt  nicht  minder  für  Jasper, 
dessen  vater  ratssecretär  war;  freilich  verliefs  dieser  Soest  schon 
im  anfang  der  bewegung,  während  der  alte  bürgermeister  Gropper 
erst  später  Soest  den  rücken  wandte  und  zu  seinen  söhnen  nach 


JOSTES    DANIEL  VON  SOEST  313 

Köln  zog.  ich  darf  nun  aber  nicht  verschweigen,  dass  ein  um- 
stand meiner  annähme  entgegenzustehen  scheint,  und  ich  verhehle 
mir  nicht  die  Schwierigkeit,,  dieses  hindernis  zu  beseitigen,  ich 
habe  schon  erwähnt,  dass  der  ältere  Jasper  trotz  seiner  lutheri- 
schen gesinnuug  in  folge  eines  falschen  verdachtes  aus  Soest 
fliehen  muste.  Daniel  von  Soest  lässt  nun  mit  bezug  hierauf 
den  Job.  van  Campen  in  der  Gemeinen  beichte  v.  821  ff  folgendes 
sagen:  leiven  broders ,  wat  is  geschem?  mester  Jasper  mot  ut  der 
stat  vlein,  dat  gi  en  hebt  verclagt  und  besacht;  he  dor  nicht  langer 
bliven  ein  nacht,  he  is  ein  christlik  broder  fin:  wan  he  sat  bi 
den  heren  to  win,  in  einer  hant  hilt  he  dat  glas,  ut  der  andern 
Luthersche  boker  las  van  pawsten,  moniken  und  papen,  nunnen, 
beginen  und  ander  apen;  des  lachede  mannich  und  was  verblit, 
se  horden  to  mit  grotem  vlit.  den  der  icorpel  heft  nn  anders  ge- 
lopen,  dan  er  meinung  loas  und  hopen:  wi  verleisen  einen  guden 
man,  wan  dat  nicht  anders  wesen  kan.  auf  den  ersten  blick 
scheint  es  psychologisch  undenkbar,  dass  der  söhn,  falls  der 
jüngere  Jasper  sich  würklich  unter  Daniel  von  Soest  verbirgt,  so 
vom  vater  gesprochen  haben  sollte,  man  müste  denn  aus  den 
verschiedenen  standpuncten  in  religiösen  dingen  geradezu  ein 
Zerwürfnis  zwischen  vater  und  söhn  ableiten  wollen,  allein  man 
muss  sich  hüten,  die  Soester  bewegung  lediglich  als  religiöse 
reform  aufzufassen;  es  ist  ein  verdienst  von  J.,  in  seiner  einleitung 
widerholt  darauf  hingewiesen  zu  haben ,  wie  eng  mit  der  reli- 
giösen reform  die  sociale  verknüpft  war,  wie  sehr  sociale  momente 
im  Vordergrund  der  bewegung  standen,  ich  glaube  daher  nicht, 
dass  wir  aus  dem  umstand,  der  alte  ratssecretär  habe  aus  Lutheri- 
schen schritten  den  herren  beim  glase  wein  vorgelesen ,  von 
vorne  herein  auf  einen  schroffen  glaubensgegensatz  zwischen 
ihm  und  dem  söhne  scbliefsen  dürfen,  und  selbst  wenn  ein 
solcher  bestanden  hätte,  werden  wir  docb  darüber  nicht  im 
zweifei  sein,  auf  wessen  seite  sich  der  alte  Jasper  nach  seiner 
unverdienten  absetzuug  gestellt  hat:  gewis  nicht  auf  die  de*- 
Lutheromaniten ,  die  ihn  so  schmählich  behandelten,  als  Daniel 
von  Soest  jene  stelle  schrieb ,  sympathisierte  der  alte  Jasper  nicht 
mehr  mit  der  Soester  reformpartei  und  so  konnte  selbst  der  söhn 
wol,  wenn  anders  er  mit  Daniel  identisch  ist,  in  obiger,  vielleicht 
noch  dichterisch  ausschmückender  weise  sich  über  die  Vergangen- 
heit des  Vaters  auslassen,  er  wollte  die  würksame  episode  nicht 
missen,  würksam,  weil  sie  illustrierte,  wie  die  von  ihm  gehasste 
partei  gelegentlich  auch  mit  denen  verfuhr,  die  mit  ihr  in  manchen 
ansichten  übereinstimmten ,  sich  eher  freundlich  als  feindlich  zu 
ihr  gestellt  hatten,  gerade  dadurch,  dass  Jasper- Daniel  so  un- 
befangen über  den  vater  sprach,  durfte  er  voraussetzen,  bei  der 
suche  nach  dem  wahren  autor  unverdächligt  zu  bleiben,  wie  er 
selbst  andererseits  unter  seinem  pseudonym  sich  in  seiner  satire 
freier  bewegen  konnte,  als  das  sonst  augäuglich  gewesen  wäre. 
A.  F.  D.  A.     XV.  21 


314  JOSTES    DANIEL  VON  SOEST 

[Nachträglich  geht  mir  durch  die  gute  des  herrn  gymnasial- 
lehrers  dr  Vogeler  aus  dem  Soester  archiv  jeuer  band   vou  Vor- 
wercks  urkuudenabschriflen  (Reformation  1531 — 47,  i  6)  zu,  der 
ua.   die  vollständige  correspondenz  Jaspars  van  der  Borch  in  der 
oben    auslülirlich    behandelten    Streitfrage   enthält,     da  auch  jene 
Schriftstücke,    die  J.  nicht   aufnahm,    eher  für   als  gegen   meine 
hypothese,   unter  Daniel    von    Soest   berge   sich  Jaspar  van   der 
Borch,    sprechen    dürften,    sei    es    gestaltet    hier    noch    einiges 
auszuheben.    Jaspar  canonicus  zu  Bielefeld  und  Herford  war  1530 
mit  dem  Agathenaltar  auf  dem  Jacobitore,  der  dorch  vryewylltge 
overgevinge   Siffrüh   van    der   Borch    erledigt   war,    vom   Soester 
rate  belehnt  worden,    in  seinem  schreiben  an  den  Klever  drosten 
Wilh.  vom  Raid  vom   10  juni  1533  (vgl.  Jostes  s.  369)  sagt  Jaspar 
betrefls  der  Zerstörung  seiner  15  fruchttragenden  eichbäume,   er 
habe    nie   und    nimmer   geglaubt,    dass    eine   Stadt,    de  dat  wort 
godes  und  evangelii  angenommen  wyJlen  hebe,   so  tegen  ere  segeil 
und   hreve,    dat  wort   godes,   ere,   alle   rechte  rede   und  billicheit 
gewaltsam  verfahren  würde,  dat  noch  joden,  turcken,  heyden  noch 
tartaren  gestaden  edder  doin  sulden  (s.  109  IT),    in  seiner  auf  dem 
tage   ZU    Hürde    dem    herzog   von  Kleve   persönlich    überreichten 
bittschrift  (Jostes  s.  373),  die  abermals  alle  klagepuncte  aufzählt, 
heifst  es,    der  bürgermeister  und  rat  der  Stadt  Soest  hätten  ihm 
geschreven  aldair  to  komen,  und  eren  angefangen  sanck  luyde  in- 
gelachter  copien  geschreven.    so  et  dan  openbar  tegen  got  und  recht, 
J.  F.  G.  ordinatio  und  er  segel  und  breve  und  aldair  nicht  anders 
dan  uploip ,  moeterie,  boverye,  gewelde,  sehenden  und  scheiden  als 
lantkundich  is,  heb  ich  niy  uniholden,   geyn  antwordt  geschreven, 
betruwende,   sohlen  sich  bedacht   und  sodane  ere  unbillike  schriven 
by   sich    sehest    afgestalt,    gode    almechtig    und  J.  F.  G.   gehoir- 
sam  bewisen.     so  en  heben  sy  der  geyn  bedacht,   dan   wu   lenger 
wu   boisslicher,   schelmiger   vort   gefaren   usw.      Wilh.    vom    Raid 
habe  sich  zweimal   für  ihn  bei  den  Soestern  verwendet,  worauf 
»dieser   so  kyntliche   und    ungegrimde   antwort  van  den  van  Soist 
unt fangen,    dattet    doch    lydelich   is   to   hoeren,    up    dat   erbieden 
mit  allem  nicht  en  antworden,  dan  eynen  verloipen  Vleymyng,  de 
sich   Jan   de  Bruyn   superattendent  noemet  hervor,    beneff'en   eren 
Tomas   mester,    den   sy   in   verget    erer  segel  und  breve  vor  eren 
secretar  angenomen   heben,   anspannen,    de  kunnen  uyt  dem  word 
godes,   den  evangelien  und  saut  Puuwels  episteln  und  den  rechten 
mit  hegen  und  all  (lies  an '?}  stotteren  schriven  und  lesen ,  dat  die 
van  Soist  er  segell  und  breve  nicht  halden  dürffen  und  dat  myne, 
dat  sy  schriven  to  godes  diensle  sy  gegeven,   geweidig  moegen  de- 
strueren  und  nemen,   dat   ich  geschreven   heb  (siehe  oben  s.  310) 
und  noch   segge   oppentlich,   dat  sy  duvels   ungotlich,    unrechtlich 
und  unbillich  und  ich  heb  van  der  gnade  godes  de  hillige  evangelie, 
vort  episteln  und  dat  wort  gotz,    sonder  verbarch  to  seggen,  wol 
so  vaken  und  veil  gelesen   und  untholden   als  de  semtliche  ytzige 


JOSTES    DANIEL    VON  SOEST  315 

rait  mit  erem  Stolle  /  Pock  (??)  nyen  secretar  und  byn  des  gewiss, 
dat  sy  sodanit  darr  inne  nicht  sullen  vynden.  schryven,  ich  sulle 
dair  kommen,  is  warlich  dapper!  ich  sali  komen,  dair  men  my 
und  idermennich,  wen  en  believet,  dat  syne  (nicht)  untsuyt  to 
nemen,  äff  to  houwen,  entwe  to  slain,  to  vretten,  suypen  und 
schampfieren  usw.  (s.  118.  120).  aus  dem  ersten  teile  des  von  J. 
s.  373  erwähnten  doppelbrieles  Jaspars  an  Wilhelm  vom  Raid  vom 
20  oclober  1533  verdient  folgendes  mitgeteilt  zu  werden:  so  J.  L. 
my  unlangs  der  von  Soist  antwort  (J.  s.  371  nr  36)  mit  einer  in- 
yelachten  lybell  eynes  Vlemynges ,  de  sich  Jan  van  Bruyn  unwardich 
snperattendent  nomet  (J.  s.  372  nr  37) ,  heben  doin  bringen,  de 
weleke  dan  vermeldet,  sy,  de  van  Soist,  nicht  vermodet  weren  ge- 
wesen, dat  ich  so  spytige  over  sy  sulde  hebn  geschreven,  na  dem 
ich  sy  noch  vor  patronen  bekente,  und  nicht  getveten  hetten,  ich 
so  groten  geleerden  man  gewesen  were,  dat  ich  so  hefftegen  tegen 
dat  evangelium  sy  angenomen  hebn,  allet  dnvels  to  syn  schryve 
und  so  en  dat  to  diep,  Jan  de  Bruyn  musz  gedain,  dairup  to  ant- 

worden —  heb   ich   allet  gelese7i.  —  —  —  ich  en  gelove 

nicht,  dat  ich  tegen  dat  evangelium,  dan  alleyn  als  sy  roipen  wort 
godes  und  evangelium  mittem  munde  und  volgen  dair  nicht  mit 
denwercken,  mer  alle  moeterie,  uploip,  gewelde,  scheiden,  sehen- 
den, eren  geistlichen  sonder  recht  dat  ere  nemen,  versagen  und 
schedegen,  ere[r]  wertliche  overnheit  vangen,  grypen  und  alle  sunder 
manen('?)  van  rechte  schampferen  etc  heb  geschreven  —  —  Gert 
Omelien  habe  umme  geldes  willen  er  ordinancie  nicht  sonder  godes 
lestenmge  und  fromer  luyde  schendinge  to  samen  geslagen.  ich 
gelove  dannoch  dat  unse  gnedige  lantfürst  und  her  van  Cleve, 
Guyige  und  Berge  eyn  lovelich  cristen  fürst  und  geyn  der  geringsten 
des  romischen  rykes  en  sy,  cristlichen  adell  und  veel  cristlicher 
stedt ,  landes  und  luyde  hevet ,  de  alsamen  syne  F.  G.  cristliche  ordi- 
nantie  angenomen  hebn  und  de  van  Soist  ouch  bylleker  dan  Gert 
Oemeckens  ordinantie  annemen  und  den  fiirsten ,  heren  und  steden, 
dair  sy  van  schriven  (J.  s.  372),  suhlet  ungetwyvelt  wonder  geven 
(vgl.  damit  Apologeticon  290,  4  ff),  dat  men  vmment  dat  syn, 
wu  de  van  Soist  doin,  geioeltlich  sulde  nemen,  und  dat  sy  dair  boven 
druwen  etc,  were  en  mynenthalven  nicht  van  noiden,  so  ich  als 
eyn  arm  canonick  (vgl.  ick  armer  Daniel  Apologeticon  287,  6. 
10.  17.  2S8,  5  usw.)  to  Hervorden  residentie  holde,  sint  dannoch 
vyll  fursten,  greven,  heren,  stede  und  lande,  de,  unverfairt  der 
van  Soist ,  wol  recht  edder  anders  gestadeden ,  und  wu  et  ouch  mit 
Rome,  Meylam  (Jaspar  hat  wol  die  Mailänder  Verhältnisse  des 
Jahres  1521  im  sinne)  und  andern  groten  ryken  und  seer  mech- 
tigen  steden  in  welschen  und  duytschen  landen  gefaren,  is  lant- 
kundich.  aus  diesem  gründe  erbittet  sich  Jaspar  zum  dritten 
male  die  fürsprache  Wilhelms  vom  Raid  bei  den  Soestern,  um 
von  ihnen  entschädigt  zu  werden ,  up  dat  ich  my  des  nicht  wyder, 
wu  sy  segelois(?)  werden,  my  und  anderen  ere  gegeven  segel  und 

21* 


316  JOSTES    DAMEL  VON  SOEST 

breve  nicht  en  halden ,  an  fürsten ,  kern  und  steden  nicht  beclagen 
*dürffe,  dat  en  woll  seir  uneerlich  ivulde  vollen,  ich  doch,  kennt 
got  abnechtig  (vgl.  meiue  aiwii.  zum  Dialogon  221),  seir  ungerne 
dede.  J.  L.  willen  sich  gntwillich  hyr  in  bewysen,  will  ich  gerne 
vorbidden  und  vordeynen  und  bidde  deses  eyn  gutliche  antwordt, 
und  wuwoU  mynes  bedenkens  my  nicht  nodich  were,  üp  des  Vle- 
mynges  Charte  (J.  s.  372)  to  antworden,  beleve  doch  J.  L.  dyt  hir 
inn  verslotten  dairup  to  verneinen,  geschr.  d.  xx  dach  octbr.  ao 
1533.  J.  V.  d.  Borch  der  junge  (s.  120.  119.  121).  nun  folgt  J. 
s.  374  nr  38.  Wilhelm  vom  Raid  willfahrte  Jaspars  wünsche 
und  suchte  noch  zweimal  brieflich  in  der  Streitfrage  zu  ver- 
mitteln, das  eine  mal  unmittelbar  nach  empfang  des  Schreibens, 
am  21  october  und  zwar  in  einer  spräche,  die  an  deutlichkeit 
nichts  zu  wünschen  übrig  liefs.  über  ßrune  lässt  er  sich  gering- 
schätzig aus  und  von  den  den  Soester  rat  beherschenden  Luthero- 
maniten  sagt  er:  de  semycheler  (? Schmeichler?)  und  huychler,  wie 
ich  sy  sali  noemen,  uch  vor  smeren,  dat  ir  mit  gode  und  eren 
eynem  andern  dat  syne  geweltlich  moget  nemen  und  uyre  segel  und 
breve  nyet  durfft  halden  usw.  das  zweite  schreiben  vom  montage 
nach  der  unschuldigen  kinder  tage  1534  stellt  den  Soestern,  die 
sein  letztes  schreiben  unbeantwortet  gelassen  hatten,  ein  Ultimatum 
des  inhaltes,  wenn  sie  nicht  nachgeben  würden,  möchte  sich  die 
angelegenheit  für  sie  nur  noch  mehr  zuspitzen  und  man  sie  dazu 
zwingen ,  was  sie  nun  freiwillig  nicht  ersetzen  wollten,  über  den 
weiteren  verlauf  siehe  J.  s,  373]. 

Ich  kehre  von  diesem  längeren  excurs  zu  J.s  buch  zurück, 
nachdem  er  s.  64  ff  die  notiz  bei  Hamelmann  von  einer  deutschen 
gegenschrift  des  Joh.  Pollius  auf  ihren  wahren  Sachverhalt  ge- 
prüft und  wahrscheinlich  gemacht  hat,  dass  Pollius  nur  ein 
kurzes  lateinisches  epigramm  auf  Daniels  von  Soest  satire  ver- 
fasste,  untersucht  er  s.  67  ff  den  historischen  wert  des  Daniel, 
gibt  eine  characteristik  seines  Schaffens  sowie  eine  inhaltsangabe 
der  Gemeinen  beichte,  es  ist  schon  von  anderer  seite  als  auf- 
fallend hervorgehoben  worden,  dass  J.,  der  so  gerecht  und  un- 
parteiisch in  der  eiuleitung  die  Soester  bewegung  geschildert 
hat,  den  historischen  wie  den  ästhetischen  wert  der  Gemeinen 
beichte  entschieden  überschätzt,  als  historiker  zeigt  sich  Daniel 
in  seinem  urteil  befangen,  weil  »er  ausgesprochener  parteimann 
ist:  in  so  heterogenen  persönlichkeiten,  wie  Campen  und  Pol- 
lius es  sind,  erkennt  er  nur  die  gegner  des  alten  glaubens  und 
misst  sie  deshalb  mit  gleichem  mafse,  den  vornehmen  liebens- 
würdigen Pollius  und  den  hochstapler  Campen!  man  kann  J. 
beistimmen,  wenn  er  für  Daniels  behauptung,  die  volle  Wahrheit 
geschrieben  zu  haben,  eintritt,  falls  man  nur  diese  behauptung 
folgender  mafsen  commentiert:  bewust  gelogen  oder  gefälscht, 
absichtlich  verläumdet  hat  Daniel  gewis  nicht,  aber  er  hat  oft  zu 
schwarz    gesehen,    übertrieben,    den    handlungen    irrige   motive 


JOSTES    DAMEL  VON  SOEST  317 

untergelegt,  eben  weil  er  der  ganzen  bewegung  nicht  als  ob- 
jectiver  beschauer  sondern  als  lebhaft  beteiligter  gegenüberstand, 
das  gibt  J.  eigentlich  auch  alles  zu;  ich  kann  dann  aber  nicht 
finden ,  dass  die  seinen  erörterungen  vorangestellten  ansichten 
eines  Barthold,  Cornelius  und  Vorvverck,  die  den  historischen 
wert  Daniels  nicht  bestreiten,  aber,  eben  weil  er  übertreibt,  ihn 
für  die  kulturgeschichte  nur  mit  vorsieht  benutzt  wissen  wollen, 
zu  modiücieren  wären,  die  gleichen  ausstellungen  sind  es,  die 
den  ästhetischen  genuss  der  Gemeinen  beichte  —  nur  sie  kommt 
in  betracht;  das  Dialogon  ist  ein  durchaus  kunstloser  dialog 
zwischen  Daniel  und  Philocristus  —  beeinträchtigen,  auch  den 
dichterischen  wert  der  satire  hat  bereits  Cornelius  aao.  2,  llOf 
kurz  aber  treffend  characterisiert.  durch  die  grelle  beleuchtung, 
in  die  das  ganze  gerückt  ist,  verliert  das  einzelne  an  würkung. 
in  einer  gesellschaft ,  in  der  ununterbrochen  einer  den  andern 
an  rafönement  zu  überbieten  sucht,  stumpft  sich  notwendig  das 
gefühl  des  lesers  für  die  stets  gleichmäfsig  ironisierende  dar- 
stellungsweise ab.  ich  läugne  nicht,  dass  manches  im  plan  der 
Satire  bedachtsam  entworfen  ist,  aber  die  ausführung  macht  zu 
sehr  den  eindruck  des  überhasteten,  unfertigen,  kunstlosen,  das 
aber,  was  uns  für  den  dichter  einnimmt,  ist  der  volkstümliche 
ton  seiner  rede,  der  namentlich  in  der  schon  berührten  prädi- 
cantenhochzeit  —  sie  hat  in  Bertschi  Triefnas  hochzeit  in  Witten- 
weilers  Ring  einen  geistesverwandten  Vorläufer  —  erklingt,  hier 
freilich  sehr  derb,  doch  durchaus  am  platze,  der  gelehrte', 
theologisch  und  juristisch  gebildete  autor  denkt  mit  dem  volke 
und  knüpft  an  seine  gebrauche  an.  die  lieder,  die  Daniel  ein- 
fügt (G.  b.  2707  ff.  25  ff.  70  ff.  2809  ff.  69  ff),  haben  damals  be- 
kannte Volkslieder  zur  vorläge  (vgl.  auch  die  s.  283  f  unter 
vLiliencrons  hilfe  mitgeteilten  melodien);  die  figur  des  teufeis, 
der  geschickt  in  die  einleitung  verwoben  ist  —  er  kommt  direct 
aus  Wittenberg  vom  Luther  — ,  entstammt  dem  älteren  volkstüm- 
lich-geistlichen drama,  und  auch  an  das  fastnachtspiel,  dem  das 
kirchlich -polemische  drama  des  16  jhs,  so  manchen  zug  entlehnte, 
fühlen  wir  uns  nicht  selten  erinnert,  an  sprichwörtlichen  redens- 
arten  ist  kein  mangel:  G.  b.  139  f  dar  licht  de  hase,  als  man  seght, 
in  dem  graset  vgl.  Simrock  7799.  219  f  vor  gedaen  und  na  be- 
dacht, heft  manchen  in  not  und  sorge  bracht  l   vgl.  Simrock  11051. 

*  abgesehen  von  den  zahlreichen  bibelcitaten  und  den  gehäuften  be- 
rufungenG.  b.  329  ff.  3487  ff.  3535  ff.  3613  ff,  vgl.  noch  die  citate  aus  Alexander 
Gallus  G.  b.  750.  Tertuliian  G.  b.  2104.  D.  276.  SJohannes  Guldemunt  D.  273. 
Augustinus  G.  b.  3502.  D.  627.  A,  289,  6.  294,15.  Ireneus  D.  318.  Ambrosius 
und  Hiiarius  D.  502.  Terenz  D.  1327.  A.  288,  37.  Seneca  A.  288,  29.  SIgnatius 
A.  293,  29.  299, 38.  Josephus  297,  33.  300,  34.  berufung  auf  die  rechte 
D.  ]  370.  1526.  A.  297,  22.  298,  6.  299,  8,  häufig  auch  auf  Luther,  der  Ketter- 
spiegel niuss  ein  recht  gelehrtes  werk  gewesen  sein,  einige  berufungen 
auf  die  volkslitleratur  siehe  weiter  unten,  vgl.  endlich  noch  so  vil  ogen 
als  Aj'gus  had  G.  b.  3644  und  Eneas  Silvius  vam  overspelEuriali  und  Lu- 
crecie  A.  297, 34  f. 


318  JOSTES    DAMEL  VON  SOEST 

749  ff  wird  eine  stelle  aus  dem  Doctrinale  des  Alexander  Gallus 
so  verdeutscht:  den  alden  rock  salstu  nicht  werpen  van  der  haut, 
de  nie  hange  dan  an  der  want,  1651  IT  ein  Sprichwort  aus  den 
duetschen  Adagia  des  Joh.  Agricola  (Simrock738)  in  folgende  reime 
gewandelt:  dei  sinen  hart  let  wassen  lank,  is  siner  sahen  nicht  wol 
bekant;  he  heft  eine  böse  daet  gedaen  eder  he  wil  eine  hoveri  be- 
gaen.  5691'  als  men  secht  im  gemeinen  sprok  und  worden:  ein 
jder  apost  is  ein  Verfolger  sins  orden,  vgl.  auch  1806  ein  ider 
apost  vervolgt  sinen  orden.  1904  de  duvel  is  better  gehuert  dan 
gekofll  2456  dat  eine  swert  hell  dat  ander  in  der  scheiden!  vgl, 
Simrock  9400.  3348  heren  hulde  is  gein  erve.  vgl.  Simrock 
4627.  Diut.  1,324.  A.  289,  1  dei  jungen  enget  werden  dei  olden 
duvel.  vgl.  Simrock  2067.  Tunicius  80.  301, 12  f  men  kennet  einen 
{deren  vogel  bi  sinem  egene  sangh;  böse  vogel,  böse  gesangh.  vgl. 
Simrock  10980.  98.  aber  auch  sonst  ist  die  spräche  durchaus 
volkstümlich,  wofür  noch  die  herufung  auf  doctor  Marcolphus 
G.  I».  160  oder  Wendungen  wie  de  worpel  heft  nu  anders  gelopen 
833,  de  huven  over  dat  hovet  tein  1043,  mit  apen  ogen  nicht  sein 
1044,  dat  wil  den  vos  nicht  bitenl  1303,  gi  moten  noch  al  anders 
pipenl  1304,  gein  vive  teilen  2224,  do  kreg  ein  ivessen  nase  dat 
recht  D.  1063  vgl.  Simrock  8217,  achter  de  bank,  als  man  secht 
A.  290,  9,  eine  bicht,  als  man  secht,  up  sinen  doit  nemmen  A.  295, 
7  t',  so  ein  der  Luther omaniten  —  hoverdicheit  wel  noch  in  minen 
credo  nicht  A.  299,  30  zeugen  mögen,  einige  weitere  siehe  unten 
in  den  bemerkungen  zum  text.  —  würkungsvoll  ist  d^e  travestierung 
bekannter  Lutherischer  lieder;  der  recensent  imLitt.centralbl.  1888 
nr  22  und  Krause  im  Korrespondenzbl.  d.  ver.  f.  nd.  sprachf.  xni  15 
haben  den  von  J.  gebrachten  nachweisen  weitere  hinzugefügt:  G. 
b.  957  dit  is  de  gude  nie  mer.  2101  (nicht  2727)  ff  nu  holt 
al  an  und  weset  fro  und  springet  ho  —  grot  und  dar  to  kleine. 
2927.  9  ein  vaste  borch  is  unse  her  Johan,  ein  gude  xoeer  und 
wapen  und  auch  2739  (2751)  he  helpl  uns  ok  ut  aller  not  wird 
als  bewuste  enllehnung  aufzufassen  sein;  2935  ut  deper  noit  — 
sla  papen  doit!  Brunes  braut  legt  Daniel  G.  b,  3033  ff  eine  travestie 
des  pateruosters  in  den  nuiud  und  Joh.  van  Campen  lässl  er 
sagen  Maria  is  ein  wif  als  ein  ander!  (G.  b.  891).  neben  solchen 
und  anderen  blasphemien  begegnet  auch  eine  grofse  manigfaltig- 
keit  in  volkstümlichen  bezeichnungen  für  geschlechtliche  Verhält- 
nisse, die  eben  wegen  ihrer  Volkstümlichkeit  lehrreich  sind,  aber 
gewis  ist  J.  im  rechte ,  wenn  er  auf  Daniels  cynismus  eine  de- 
finition  ühlands  betreffs  des  Fischartischen  angewandt  wissen 
möchte,  der  wol  unschön  und  ungeschlacht,  aber  nicht  verfüh- 
rerisch genannt  werden  dürfe,  angemerkt  zu  werden  verdient 
vielleicht  noch,  dass  auch  Daniel  das  gerade  in  der  litteratur  des 
16jh.  so  oft  behandelte  thema  von  der  deutschen  trinksucht  be- 
rührt, er  sagt  A.  300,  11  ff  unse  niggen  propheten ,  apostolen  und 
evangelislen  sint  mer  wen  Epicurei,  den  er  egenwilgesche  geest  dan 


JOSTES    DAMEr.   VOIN  SOEST  319 

kommet  alhrmeest,  wanner  se  sik  des  beers  und  wins  vul  gesopen 
hebben.  nu  hir  van  genoch,  wenle  solks  nicht  allem  to  Soest 
dan  ok  leder  der  gantzen  diuschen  nacion  vil  lo  vil  kundicli  is. 
Auf  die  lilterarische  Umgebung  der  Dauielschen  satire  ist  J. 
nicht  eingegangen,  was  ich  bedauere,  weil  eine  vergleichung 
dieser  gleichzeitigen  und  gleichartigen  lilterarischen  erzeugnisse 
mit  unserem  autor  lehrreich  gewesen  wäre,  ein  teil  derselben 
war  zudem  J.  bekannt  und  man  muss  nun  schon  annehmen, 
dass  er  ihren  wert  nicht  hoch  anschlagt,  in  einem  falle  müste 
ich  solcher  annähme  entschieden  beipflichten,  ich  verdanke  der 
gute  des  hrn  dr  Iber  in  Osnabrück  die  einsieht  in  Eyner  dispu- 
tation  vorspill  Peters  vnd  Dyrick  Biiytmans  geiiantes  Predicanten 
zo  vnser  heuen  Frauwen  binnen  Ossenbrugge  vp  achte  van  synen 
XLiui  articulen  Antwordt.  Gedruckt  im  jair  1533,  die  nach  J. 
s.  78  aus  derselben  druckerei,  aus  der  Daniels  saliren  hervor- 
giengen ,  stammen,  und  nach  Vorwerck  s.  7  in  vers  und  stil  mit 
Daniel  von  Soest  ähnlichkeiten  aufweisen  soll,  meine  dadurch 
erregte  neugier  ist  aber  wenig  befriedigt  worden ,  denn ,  wenn 
man  überhaupt  eine  ähnlichkeit  finden  will,  so  wäre  es  nur  die 
rein  äufserliclie,  dass  die  in  frage  stehende  schrift  und  Daniels 
Dialogon  —  die  Gemeine  beichte  steht  aufserhalb  jedes  Vergleiches 
—  kunstlose  dialoge  in  poetischer  form  sind,  in  dem  Vorspiel 
sucht  der  lutherische  winkelprediger  Dirik  Buitman ,  der  in  Osna- 
brück die  gunst  des  volkes  gewonnen  hatte  und  dieses  nun 
gegen  den  clerus  heizte  (siehe  Cornelius  aao.  2,  101),  auf  die 
herausforderung  des  altgläubigen  Peter  hin  8  von  44  sein  glaubens- 
bekenutuis  enthaltenden  artikeln^  zu  rechtfertigen,  von  einigen 
volkstümlich-derben  Wendungen-  abgesehen,  ist  die  spräche  trocken 

'  eine  gelehrte  in  lat.  spräche  geführte  Widerlegung  dieser  44artikel 
bietet  die  mit  dem  Vorspiel-exempiar  der  hibliothek  desCarolinum  zu  Osna- 
brück zusammengebundene  schrift  Fnstrafflyck  vnd  mercklyck  antwort  vp 
XLiiij  articulen  Dirick  Buthmans  injfedn/nf^en  vnd  vproerschen  predicanten 
tho  Osenbriigge  dorcli  Christiatium  Adeiphum  Stenei'eiisem  s.  I.  e.  a.  Cor- 
nelius aao.  2,  99. 110.  die  44arlikel  sind  in  deutscher  spräche  vorangestellt, 
die  prosa- Widerlegung  war  dem  ^erf.  des  poetischen  dialoges  bekannt. 

2  ich  stelle  einige  davon  zur  probe  hier  zusammen:  Buytman  du 
addergesiecht  A  5''.  laifs  hyr  äff  dyne  vnd  anderer  ketzer  gl'ifs,  die 
stech  in  dinen  pyssekrufs  A  6*.  war  woltu  nü  mede  puchen?  Paulus 
scryfft  lycht  nycht  i7i  dyner  Jüchen,  mochte  Paulus  weder  vp  staen  vnd 
dy  myt  vusten  vmme  den  kop  slan ,  so  mochte  men  dy  leren  dat  du 
nymans  scry/ft  soldest  verkeren  B  1^.  auf  Butmanns  rede,  die  messe  sei 
teufeiswerk,  mit  dem  Christi  abendmal  'verkehrt'  werde  (Ehr.  c.  9  und  10), 
antwortet  Peter  jSMjYma?«,  de  hujisprake  sta  vp  dinem  kragen,  vier  de  hil- 
ligen ynisse  sastu  nuvimer  vertagen,  godt  van  heinel  wirt  dit  an  dy 
wrecken ,  ich  hör  den  duuel  v/'s  dy  vnd  nicht  Pauluin  sprecken.  dat  is 
jiü  leider  to  Ossenbrugge  ein  giert  man,  de  hunspraken  vnd  gruwelike  legen 
kan.  alle  gelerten  in  XC  (1000)  jarenn  sint  gewesen,  hebben  ock  wal 
SPawels  epistolen  gelesen ;  nochtajis  yiemant  van  den  is  dat  worden  kund, 
dat  sodannes  hebbe  spraken  S.  pau(li)  munt ,  vier  du  vnd  dine  gesellen 
hebbet  aussen   art,    wen  gy  jwe  venyti  hebbe?!    v/'s  gestört,    vp  dat  men 


320  JOSTES    DANIEL  VON  SOEST 

und  nüchtern  und  Daniels  Dialogen  steht  immerhin  noch  höher, 
wenn  wir  vergleichen  wollen,  mehr  gewinn  wird  man  sich  nach 
den  von  Cornelius  aao.  2,  170n.  179n.  I80u.  200  n.  201  n. 
mitgeteilten  proben  von  Der  Mönsterschen  ketzer-  bichtboek ,  laut 
J.  s.  64  einer  nachahmuug  Daniels,  versprechen  dürfen.  Cor- 
nelius hatte  seiner  zeit  nur  wegen  des  umfanges,  der  dem  der 
Gemeinen  beichte  ziemlich  gleich  kommt,  von  der  Veröffentlichung 
abstand  genommen;  das  gedieht  ist  uns  freilich  nur  in  einer 
jungen  hs.  (18  jh.)  erhalten,  vgl.  Geschichtsquellen  von  Münster 
2,  xcvn.  in  die  gleiche  kategorie  fällt  dann  noch  ein  schmäh- 
gedicht  auf  Bernhard  Rotmann,  Stutenbernt  bin  ick  genannt  s.  ]., 
datiert  vom  10  aug.  1533  (Cornehus  1,  297.  2,  334.  Jostes 
s.  213  n.).  weiteres  siehe  bei  Cornelius  2,99.  102  f.  108  n.  HO. 
vSoltau  Ein  hundert  deutsche  bist.  Volkslieder  s.  294. 

Im  abdruck  der  Gemeinen  beichte  hätte  J.  getrost  scenen- 
abteilung  einführen  sollen,  der  verlauf  der  handlung  würde  sich 
dann  dem  leser  noch  leichter  einprägen,  als  das  nun  bei  dem 
ununterbrochen  fortlaufenden  dialoge  möghch  ist.  —  was  die 
sprachliche  seite  der  prosaischen  und  poetischen  Schriften  Daniels 
sowie  der  mitgeteilten  acteustücke  betrifft,  so  hat  sich  J.  darüber 
in  einem  besonderen  abschnitte  (s.  390  —  3),  wenn  auch  nicht 
erschöpfend,  ausgelassen,  er  findet,  dass,  während  in  Daniels 
prosaschriften   die  soestische   mundart  im   ganzen   rein  auftrete, 

gein  bedroch  injw  jnogen  7riercken,  plegen  gy  jw  mit  der  hilligen  scrifft 
to  stercken  B  f*.  betreffs  der  heiligkeit  der  messe  sagt  Peter  zu  ßutmann 
nemet  doch  dusse  dinge  to  sinne!  dit  gilt  gein  metz  edder  knie  ff  sunder 
eine  arme  zele  vnd  Uff  ß  7^.  dat  solde  dy  an  diner  Jiasen  kleuen  B  8''. 
vnd  gelikesi  dat  einen  drette  der  ko  B  8*'.  so  brenge  vns  better  scrifft 
vor  de  nesen,  als  dan  wylle  wy  geime  dine  hugelers  (?)  wesen  Gl'*. 
werest  du  so  glat  als  ein  aell  G  2^.  hyr  kämet  de  blawe  drake  (But- 
mann  nämlich,  weil  er  lehrte  dat  sacrament  is  nicht  dar,  io anneer  men 
dat  nicht  en  ettet,  alzo  Christus  hefft  in^esettet)  vnd  schuddet  syn  schubbe 
van  dem  bake,  hyr  störtet  he  vfs  syn  veiiyn  vnd  wil  ock  ein  sacremen- 
tarius  syn  G  4''.  o  Buytman  du  evangelifssche  man,  war  vyndestu  dit 
bescreuen  stan:  wyse  my  dat  bock,  capitel  offte  blat,  meer  my  fruchte, 
din  breeff  sy  nat.  meisterliken  kaJistu  schermen  vor  den  blinden,  de  nicht 
willen  de  wärheit  vynden  C  5^.  doch  de  hillige  scrifft  is  vns  ein  vaste 
want  legen  jwen  J\'urenbergschen  tant,  sagt  Peter  mit  bezug  darauf,  dass 
Butmann  das  fegefeuer  läugnet  C  6*.  der  'beschluss'  lautet  Buytman,  dit 
hebbe  ick  dy  to  willen  ged'an.  wat  sal  ick  nu  vor  Ion  entfan,  wo  sal 
ick  van  dy  werden  geer dt?  lauest  du  my  so  byn  ick  lackers  loert,  nicht 
huger  maclistu  my  lauen,  du  entschendest  auer  my  van  neden  wente 
bauen,  segge  fry  dat  sy  ein  groff  esell ,  he  sy  van  Burick  offte  van 
JFesel,  he  sy  ein  vnnewetten  beist ,  nu  he  wedder  stii  dinem  egenwil- 
lichen  geist.  die  gemaket  hefft  dit  gedieht,  fraget  na  dinen  lästeren 
nicht,  begert  ock  nit  din  loff'  of  du  dat  mendest,  de  du  gades  licham 
schendest.  he  is  nicht  libger  dayi  syn  heer,  din  loff  sy  van  eme  veer.  du 
machst  vuste  lästeren  dit  gedieht:  meer  rede  vnd  scrifft  en  hefflu  nicht, 
dar  du  dat  mede  mögest  straffen,  wat  licht  an  dinen  vnnutten  klaffen! 
D  3b.  4^ 


JOSTES    DAMEL  VON  SOEST  321 

die  poetischen  saliren  starke  spuren  des  mittelfränkischen  wie 
auch  des  gemeinniederdeutscheu  zeigen,  dennoch  aber  letztere 
die  eigene  Schreibweise  Daniels  verhältnismäfsig  am  getreuesten 
widergeben:  der  Soester  Daniel  schrieb  nicht  im  reinen  soesti- 
schen dialect.  unter  so  bewandten  umständen  war  ein  conser- 
vativer  standpunct  für  den  herausgeber  geradezu  geboten,  die 
Überlieferung  des  Apologeticon  blieb  bis  auf  einige  wenige  nor- 
malisierungen  unangetastet,  in  den  gedruckten  Satiren  wurde 
nur  bei  willkürlicher  Orthographie  mafsvoll  die  bessernde  band 
angelegt,  jedes  andere  verfahren  hätte  notwendig  die  brauchbar- 
keit  der  texte  für  grammatische  Untersuchungen  beeinträchtigt, 
aus  den  beigegebenen  urkundlichen  mitteilungen  ergibt  sich,  um 
kurz  zu  sein,  die  interessante  tatsache,  dass  die  altgläubige  geist- 
lichkeit  in  Westfalen  eher  den  dialect  aufgegeben ,  die  hoch- 
deutsche Schriftsprache  angenommen  hat  als  die  protestantischen 
Städte,  es  ist  dringend  zu  wünschen,  dass  J.  die  hier  nur  kurz 
skizzierten  fragen  und  probleme  weiter  verfolge,  bereits  in  seiner 
ausgäbe  des  Job.  Veghe  (siehe  Anz.  x212)  sowie  durch  seinen 
gehaltreichen  aufsatz  über  Schriftsprache  und  volksdialecte  im  Nd. 
Jahrb.  11,  85  ff  hat  er  seine  befähigung  für  derartige  Unter- 
suchungen documentiert. 

Das  glossar  (s.  394 — 400)  ist  entschieden  zu  knapp  aus- 
gefallen, wenn  J.  meint,  weiteren  bedürfnissen  käme  jetzt  das 
billige  Mnd.  handwörterbuch  von  Lübben  und  VValther  entgegen, 
so  muss  ich  für  mein  teil  bekennen,  dass  ich  trotz  fleifsiger  be- 
nutzung  des  grofsen  Schiller -Lübben  nicht  überall  zu  zweifels- 
freiem Verständnis  durchgedrungen  bin.  ich  bedauere  auch,  dass 
J.  mit  nur  ganz  wenigen  ausnahmen  auf  angäbe  der  citate  ver- 
zichtet hat;  der  kleinen  mühe  hätte  der  so  vieles  bietende  heraus- 
geber des  Daniel  sich  nicht  entziehen  sollen.  J.  scheint  mir,  er 
wird  diese  bemerkung  verzeihen ,  überhaupt  kein  besonderer 
freund  von  zahlen  zu  sein:  schon  in  seiner  ausgäbe  des  Veghe 
störten  zahlreiche .  Irrtümer  in  den  citaten  (Anz.  x  213)  und  auch 
in  dieser  neuesten  gäbe  nimmt  er  es  mit  den  Verweisungen  nicht 
sehr  genau.  —  ein  personenverzeichnis  (s.  401 — 404)  beschliefst 
das  werk,  das  niemand  aus  der  band  legen  wird,  ohne  seine 
kenntnisse  wesentlich  bereichert  zu  haben. 

Zum  schluss  gebe  ich  noch  einige  bemerkungen  zu  einzelnen 
stellen,  auf  die  im  anhang  abgedruckten  briefe  und  actenstücke, 
bei  denen  ebenfalls  Zeilenzählung  erwünscht  gewesen  wäre,  gehe 
ich  systematisch  nicht  ein.  gesagt  sei  nur,  dass  das  Verständnis 
nicht  selten  auf  Schwierigkeiten  stöfst,  wenn  auch  J.  durch  gute 
interpunction  dem  leser  zu  hilfe  gekommen  ist;  sollte  nicht  ge- 
legentlich eine  falsche  lesung  oder,  wo  die  vorlagen  selbst  ab- 
schriften  sind,  Üüchtigkeit  oder  misverständnis  des  Schreibers 
sich  eingeschhchen  haben? 

Einleitung,     s.  52   anm.   über  vettkamer  vgl.  VVoeste  in 


322  JOSTES  DANIEL  VON  SOEST 

der  Zs.  f.d.  pliil.  10,  114  f  und  desselben  Wörterbuch  der  westf. 
mundart  s.  298^  —  s.  58  z.  18  lies  Thomas  Woeslhoff.  —  s.  62 
ist  in  der  letzten  texlzeile  statt  staen :  slaen  zu  lesen.  —  s.  78. 
282  über  den  wahren  Daniel  von  Soest  würde  vielleicht  der 
Lüneburger  poeta  laureatus  Franciscus  Nilotus  (so  J.  gegenüber 
Milotus  bei  Hartzheim  und  Vorwerck)  auskunft  geben  können, 
falls  wir  näheres  über  ihn  wüsten,  auch  meine  nachforschungen 
über  ihn ,  bei  denen  mich  hr  dr  VVGörges  in  Lüneburg  bereit- 
willig unterstützt  hat,  sind  erfolglos  geblieben.  —  s.  78  z.  24 
ist  nach  'Dyrick'  das  komma  zu  streichen ,  ebenda  z.  28  'Boeck- 
manus'  zu  lesen.  —  s.  92,  358  lies  tokumpst. 

Gemeine  beichte.  99  das  Wortspiel  eigenwiUtsch  =  evan- 
gelisch, eigenwillion  =  evangelium  begegnet  noch  G.  b.  3043.  Dia- 
logon  638.  1180.  1281.  1661.  Apologelicon  293,3.  300,  12,  vgl. 
Butzer  der  gut  Eygenwillisch  Mann  Abconterfeytung  —  MButzers 
B  4**.  —  124  lästern  und  sehenden  erscheinen  häuüg  verbunden: 
199.  1230.  1S69.  2201.  —  392.  666  an  der  pannen  kleven  hieven 
vgl.  Schiller-Lübben  3,  297^  —  401  unsigunst,  und  so  ist  doch 
wol  auch  1247  zu  lesen  nns[t] :gunst,  D.  1150  bracht  :lag[t]  (lach)? 
—  508  danzen  na  unser  pipen  auch  932.  D.  266.  na  unser  pipen 
springen  G.  b.  604  vgl.  Schiller-Lübben  3,  330^  DWB  7,  1643.  — 
599  f  gripen  edder  spannen,  binden  edder  fangen,  vgl,  849  binden 
edder  spannen.  —  627  nicht  ein  kaf  auch  2048,  vgl.  1270.  Bir- 
linger  zu  den  Kölner  chroniken  3,  975\  —  757.  8  geet  et  ju  ovel, 
so  —  geet  et  ju  wol,  so  —  ähnlich  765  f.  1093  f.  —  827  statt  rfe 
ist  he  zu  lesen;  829  moniken.  —  931  grote  hansen  auch  D.  1318. 
A.  295,  23.  303,  7.  —  s.  145  n.  vgl.  G.  b.  1920.  1589.  —  1097  nu 
kallestu  als  ein  trippe  Schiller-Lühben  2,  420'':  betrüger?  ebenda 
4,  613''  erklärt  Woeste  trifpe  'vertriebener  landstreicher'  und 
darauf  beruht  wol  J.s  erklärungsversuch  im  glossar  s.  398'';  in 
Woestes  Wb.  der  westf.  mundart  s.  274''  ist  unsere  stelle  dagegen 
richtiger  zu  trippe  'pantolTel  mit  hölzerner  sohle'  gestellt  [siehe 
nun  Peters  im  Korrespondenzbl.  d.  ver.  f.  nd.  sprachf.  xm  46].  — 
1357  indem  DvS.  Campen  sagen  lässt:  wat  de  hebt  gestiffelert  und 
wat  böses  dar  noch  ut  wert,  doer  ik  nicht  alle  laten  schriven, 
übernimmt  er  selbst  die  rolle  seines  beiden,  und  auch  2847 
nennt  sich  am  schluss  eines  liedes,  das  der  organist  meister 
Hans  van  Emerik  vorträgt,  plötzlich  der  dichter,  vgl.  anm.  zu 
2841  ff  [s.  nun  auch  oben  s.  177].  —  s.  165  n.  der  name  Polhenne 
(Polhen,  Pollen)  kann  nicht  mxipolenne  in  Zusammenhang  gebracht 
werden ;  darf  man  an  bildungen  wie  pöllhacke,  pöllhdmel  denken  ? 
vgl.  Woeste,  Wb.  s.  203''.  Daniel  spielt  mit  dem  namen  des  Job.  Pol- 
lius,  indem  er  ihn  bald  Vellegek  (1899)  bald  Henne  (1925.2457. 
2611.  9.  47.  2856)  nennt.  —  1723  vgl.  2343.  2826.  —  1759  se 
wolden  de  passi  mit  em  hebben  gespelt  vgl.  s.  375  letzte  zeile  sy 
sullen  de  pelser  passie  dair  myt  my  speien.  Schiller-Lübben 
3,  308  f.  36r.   —   1760  lies  umb.  —  1784  ist  das  komma  nach 


JOSTES    DANIEL  VON  SOEST  323 

Langehals  zu  streichen,  —  2006  lies  mach.  —  2067  weil  tarne 
und  nicht  darne,  wie  vSchmitz  bot,  überliefert  ist,  erledigt  sich 
Woestes  conjectur  Zs.  f.  d.  phil.  2,  327  von  selbst.  —  2228  anm. 
lies  vgl.  V.  2377  statt  23.  —  die  la.  zu  2235  ist  vvol  auf  2236 
zu  beziehen.  —  nach  v.  2243  komma.  —  2247  wird  Vriggen 
zu  lesen  sein,  vgl.  261  und  s.  390.  —  2258  vgl.  2784.  —  nach 
2306  kolon.  —  2315  ff  ist  vielleicht  ein  novellistisches  motiv  ver- 
wertet. —  2424  die  anm.  zu  hagen  (lies  Hagen)  wrecken  ist  durch 
hinweis  auf  Schiller-Lübben  6,  146  (vgl.  2,  174)  zu  berichtigen.  — 
2477  ah  de  ripe  gerste  vgl.  noch  Schiller-Lübben  2,  73.  — 
2698  lies  lutenspel.  —  s.  200  anm.  vgl.  noch  Müllenhoff,  Schleswig- 
holst, sagen  s.  xxn.  —  2841  f  de  uns  dit  nie  leidken  sank,  he  heft 
it  wol  gesiingen!  des  heft  he  van  en  groten  dank,  erem  love  is  he 
entsprungen !  he  singt  uns  dit  und  der  lool  mer,  he  vragt  nicht  vil 
na  erer  er:  et  is  de  gude  Daniel,  he  singt  en  dit  tom  dantzel  ge- 
mahnt wie  noch  manches  bei  DvS.  an  das  Volkslied.  —  zu  den 
2851  ff.  63.  93  tr.  2909  ff.  24  anm.  52.  69.  90  f.  94  erwähnten 
hochzeitsgebräuchen  vgl.  noch  Jb.  f.  nd.  sprachf.  3,  128  ff.  Wein- 
hold,  D.  frauen  1,401.  Grimm  RA  441.  —  3012  sollte  nicht 
nach  worden  das  rt'imwort  beiden  ausgefallen  sein?  vgl.  3294  la. 
rührende  reime  zeigt  DvS.  auch  sonst,  zb.  2256.  2262.  —  s.  211 
anm.  vgl.  noch  JVoigt  im  Hist.  taschenbuch  1838  9  jg.  s.  379. 
J.s  notiz  über  eine  travestie  des  vaterunsers  auf  der  Kölner 
Stadtbibliothek  muss  auf  Irrtum  beruhen,  wie  mich  hr  sladt- 
bibliothekar  dr  Reyfser  freundlichst  belehrt;  vielleicht  ist  das 
Kölner  Stadtarchiv  gemeint.  —  3111  anm.  über  Bernhard  Rot- 
mann siehe  jetzt  die  einleitung  zu  den  Hallenser  neudrucken 
nr  77/8.  —  3240  statt  so  ist  wol  to  zu  lesen.  —  3440  lies  Co- 
rinthern  vgl.  3415.  —  3513  ist  das  komma,  3526  der  punct  zu 
streichen,  —  3624  was  heilst  utversuiren?   ausbessern? 

Dialogon.  zull. 12  hätte  ich  nähere  erklärung  gewünscht; 
der  sinn  der  verse  ist  mir  trotz  allen  biblischen  citaten  nicht  recht 
klar.  —  102  war  kein  grund  vorhanden,  von  der  Überlieferung  so 
weit  abzuweichen,  lies  und  vor  Sodoma  (statt  Sodome)  recht  werden 
geschulden  vgl.  Esai.  1,  9.  10.  D.  590.  648.  A.  298,  12.  —  122.  703. 
982.  1289  muss  die  la.  unter  dem  text  irrig  sein;  desgleichen  ist  in 
folgenden  fällen  die  verszahl  in  den  Varianten  falsch  angegeben, 
doch  leicht  zu  berichtigen:  235.  628.  1133  anm.  1330  (statt  1338). 
—  214  lies  de  statt  se.  —  221  der  ausruf  kent  gotl  begegnet 
noch  593.  807.  A.  298,  22.  vgl.  G.  b.  2475  dat  got  wol  kent!  siehe 
JGrimm,  Kl.  Schriften  5,  470.  Daniel  von  Soest  s.  367.  —  610  lies 
und  andren  Lutherischen  scharianten.  —  910  würde  im  reim  durch 
kersten  statt  Christen  wenigstens  assonanz  (iherten)  hergestellt; 
aber  freiUch  sind  die  reime  im  Dialogon  oft  so  roh,  dassAerfen: 
Christen  für  DvS.  durchaus  unanstöfsig  sein  könnte.  —  nach 
924  Semikolon,  nach  932  komma.  —  1143  ist  das  komma  nach 
wapen  zu  setzen.    —  zu   1150   siehe  oben  meine  bemerkung  zu 


324  JOSTES    DAMEL  VON  SOEST 

G.  b.  401.  —  1429  was  aen  got  und  reden  hier  heifsen  soll,  ist 
mir  nicht  ganz  klar.  —  1528  sparen  heifst  hier  'schonen,  be- 
stehen lassen',  nicht  'vermeiden',  wie  Schiller -Lübben  4,  305* 
übersetzt  wird.  —  1576  lies  rfmer.  —  \&\Q  trunken  als  ein  mues 
vgl.  Wander  Sprichwörterlexicon  3,  544  nr  268.  9  die  maus  muss 
bass  getauft  icerden  =  man  muss  noch  mehr  saufen. 

Apologeticon.  287,  17  nach  gesacht  komma.  —  288,3 
ergapinge  ana^  Uy6[.iEvov  vgl.  Num.  16,31;  Schiller -Lübben 
führen  nur  gapinge  'Öffnung,  Schlund'  an.  — •  288,  35  pleermus 
fledermaus  siehe  Woeste,  Wb.  s.  202\  —  292,3  dei  misse  nicht 
ein  hillich  ampt  dan  ein  duvelsche  koechlerie  vgl.  das  oben  ge- 
nannte Einer  disputation  vorspil  Peters  und  Dyrick  Buytmans  B  1* 
die  misse  die  süß  lange  her  yfs  geholden,  wort  van  vns  vor  eyn 
duuelsch  dinck  gescholden.  B  l*"  Buytman,  du  secht  ein  duuels  dinck 
si  die  misse  vnd  dat  segge  Paulus  dat  sy  wisse.  —  294,  34  ge- 
hört das  komma  nach  heft,  295,38  ist  dasselbe  nach  menschen 
zu  tilgen.     296,  24  lies  smalen? 

S.  369  z.  8  von  unten  lies  patronen.  370  z.  5  von  unten 
ist  dem  zu  streichen.  371  z.  14  von  unten  lies  de  her?  376  z.  2 
lies  unpartyeleke. 

Glossar,  beloven:  lies  1903.  mistval  vgl.  schon  JGrimm, 
Kl.  Schriften  5,  470.  nipen  vgl.  Schiller -Lübben  3,  1449.  — 
tanger  vgl.  JGrimm  aao.  470.  —  voet:  zur  wendung  D.  1035  vgl. 
Schiller-Lübben  5,  514\ 

Tübingen  dec.  88  und  jan.  89.  Philipp  Strauch. 


Von  Luther  bis  Lessing,    sprachgeschichtliche  aufsätze  von  Friedrich  Kluge. 
Strafsburg,  Karl  JTrübner,  188S.     vi  ss.,  1  bl.,  144  ss.     8».  —  2  m.* 

Es  ist  ein  verdienstliches  unternehmen ,  mit  welchem  der 
verf.  in  einer  reihe  'sprachgeschichtlicher  aufsätze'  einem  'gröfseren 
publicum'  (s.  v)  den  entwicklungsgang  der  deutschen  spräche 
während  einer  ihrer  bedeutendsten  epochen  darzulegen  sucht, 
zwar  mit  dem  auftreten  Luthers  kann  eine  betrachtung,  welche 
die  geschicke  der  nhd.  Schriftsprache  von  ihren  anfangen  bis  zu 
ihrer  endgiltigen  alleinherschaft  schildern  will,  nicht  wol  beginnen, 
da  Luther  selbst  nicht  an  der  spitze  einer  neuen  sprachperiode, 
sondern  mitten  in  einer  seit  langem  vorbereiteten  entwicklung 
steht,  ohne  welche  seine  sprachgewaltige  tätigkeit  schwerlich  von 
dem  erfolg  hätte  begleitet  sein  können ,  mit  dem  sie  in  der  würk- 
lichkeit  auftritt,     diesen  tatsachen    sieht  auch  K.  trotz  dem  titel 

*  in  dem  gleichen  jähre  ist  noch  eine  zweite  aufläge  erschienen,  welche 
abgesehen  von  einzelnen  Zusätzen  und  änderungen  mit  Zeittafeln  und  einer 
sprachkarte  bereichert  ist. 


KLUGE    VON  LUTHER  BIS  LESSLNG  325 

sich  genötigt  rechnung  zu  tragen,  indem  er  den  anfangspunct 
seiner  betrachtungen  in  die  zeit  der  entstehuiig  der  kanzlei- 
sprachen  hinausrückt,  lediglich  dieprägnanz,  die  in  dem  gegen- 
überstellen zweier  sprachheroen  wie  Luther  und  Lessing  liegt, 
hat  den  titel  des  buches  hervorgebracht,  denn  wenn  auch  der 
beschluss  der  betrachtungen  K.s  das  18  jh.  umfasst,  so  ist  doch 
von  einer  irgend  besonderen  Stellung  Lessiugs  zu  diesen  fragen 
nirgends  die  rede,  ja  der  uame  Lessings  kommt  in  der  ganzen 
Schrift  aufser  auf  dem  titelblatt  nur  einmal  vor,  als  ganz  gelegent- 
lich von  ihm  erwähnt  wird,  dass  er  nebst  Rlopstock  und  Wie- 
land mitglied  der  Mannheimer  teutschen  gesellschaft  geworden 
sei  (s.  141). 

K.  beginnt  den  ersten  aufsatz,  den  er  'kirchensprache  und 
Volkssprache'  betitelt,  mit  einem  rückblick  auf  das  mittelalter 
und  den  kämpf  zwischen  den  machtvoll  emporkeimenden  landes- 
sprachen  und  dem  mehr  und  mehr  verknöchernden  kirchenlateiu. 
besonders  in  England  sei  die  angestammte  spräche  schon  früh 
siegreich  gegen  die  kirche  aufgekommen,  ob  freilich  die  hieraus 
gezogene  folgerung,  dass  England  dadurch  den  Staaten  des  con- 
tinents  in  der  ktiltur  'um  mehr  als  ein  Jahrhundert  vorausgeeilt' 
(s.  1)  sei,  als  besonders  verlockende  aussieht  gelten  darf,  und 
ob  dieser  eventuelle  vorantrilt  in  der  kultur  einzig  auf  diese  tat- 
sache  zurückzuführen  ist,  ist  eine  frage,  die  allgemeiner  und 
unbedingter  bejahung  kaum  sicher  sein  dürfte,  wenn  aber  auch 
in  dieser  beziehung  das  bild ,  welches  der  coutinent  in  jener  zeit 
gewährt,  weniger  erfreulich  ist,  so  darf  dies  noch  nicht  zu  der 
behauptung  anlass  geben ,  dass  hier  kirche  und  Staat  'einmütig' 
(s.  1)  die  Volkssprache  'unterdrückt'  hätten,  zwar  die  kirche 
hatte  allerdings,  und  nicht  nur  ihrer  'kosmopolitischen  tendenzen' 
(s.  2)  halber,  ein  vitales  Interesse  an  der  erhaltung  und  der 
herschaft  des  lateinischen ;  die  verböte  der  deutschen  bibel  zeigen 
zur  genüge,  wie  richtig  sie  die  hierin  liegende  drohende  gefahr 
für  ihre  existenz  erblickte,  aber  dem  Staat  darf  ein  actives  vor- 
gehen gegen  die  Volkssprache  nicht  nachgesagt  werden,  denn 
jenes  vereinzelte  verbot  Karls  iv  aus  dem  jähre  1369  gegen  die 
in  deutscher  spräche  abgefassten  bücher  religiösen  Inhalts  (s.  3) 
hat  seinen  gruud  nicht  in  einer  principiellen  gegnerschaft  gegen 
die  deutsche  spräche;  das  gehl  aus  seiner  einseitigen  kirchen- 
politischen tendenz  deutlich  hervor,  aber  selbst  dann  dürfte  es 
nicht  als  alleiniger  beweis  einer  allgemeinen  behauptung  an- 
gesehen werden  können,  vor  allem,  da  schon  hundert  jähre  vor 
iliesem  verbot  Karls  iv  von  Rudolf  von  Habsburg  im  jähre  1274 
ein  edict  ausgegangen  war,  dass  von  jetzt  ab  alle  amtlichen 
Schriftstücke  in  deutscher  und  nicht  mehr  wie  früher  in  lateini- 
scher spräche  abgefasst  werden  sollten:  omnia  mandata,  edicta, 
privilegia,  pacta  dotalia ,  contractns,  Sf  id  genus  alia  scripta  ^  in- 
strumenta, in  Theutonica  lingna,  ^^  non,  ut  anted,  in  Latina  con- 


326  KLUGE    V0.>  LUTHER  BIS  LESSLNG 

dpiantur.  es  ist  in  dem  eben  gegebenen  Wortlaut  abgedruckt 
in  Meicl)ioris  Goldasti  Haiminsfeldii  Collectio  constitutionuni  im- 
perialium,  tom.  i,  Francolordiae  1615,  p.  311.  schon  vor  Goldast 
ist  diese  Verfügung  erwähnt  in  Paulii  Mallhiae  Wehneri  Practi- 
carum  iuris  observatiouum  augustissiniae  camerae  imperialis  über 
singularis  .  .  .,  Francoliirli  1608,  fol.  3' f  der  epistoia  dedicatoria. 
Wehuer  fügt  noch  hinzu,  vvie  diese  Urkunde  im  jalue  1512  von 
kaiser  Maximilian  bestätigt  sei,  und  welchen  einfluss  sie  auf  die 
spräche  bei  den  juristischen  Verhandlungen  gehabt  habe,  die 
stelle  bei  Wehner,  die  auch  sonst  für  die  geschichte  der  deut- 
schen spräche  von  interesse  ist,  lautet:  Et  cum  antea  in  Imperio 
Romano -G er mani CO  omnia  Judicia  latino  sermotie  ac  scrrptura 
repleta:  omnesque  res,  contractus,  acta,  gesta,  pacta,  testamenta  atque 
instrumenta ,  ipsique  Imperii  recessus  et  decreta ,  Romano  idiomate, 
concipi,  conscribique  necesse  fuerat:  Euenit,  vt  breui  post  dicta 
initia  Rodolphus  \.  Imperator  (qui  vixit  Anno  1273.  etc.)  fuhlico 
edicto  sanciret,  vt  itistrumenta  omnia  germanice  conscriberentur. 
Idque  Maximilianus  i.  Imp.  in  Comitiis  Coloniae  Anno  1512.  con- 
firmanit ,  sequitnrqne  vsus  cottidianus.  Quo  etiam  perlinet  con- 
stitutio  Imperii,  ne  in  Camera  Utes  alia  lingua  intendantur ;  quam 
Germanica,  adeo ,  vt  subditi  Lothar ingiae ,  Brabantiae,  etc.  qnando 
in  Camera  agunt ,  acta  Gallica  in  Germanicum  vel  Latinum  ver- 
tere  cogantiir.  .  .  .  vgl.  auch  noch  ibid.  fol.  4%  und  dazu  im 
übrigen  Tbeodorus  Kirchmajer  Exercitatio  philologica  de  linguae 
leutonicae  aetatibus,  Wittenbergae  1667,  fol.  B2'',  dessen  citat  aus 
Goldast  aber  in  zwiefacher  hinsieht  falsch  ist.  und  fast  gleich- 
zeitig mit  jenem  edict  Rudolfs  beginnen  auch  die  kaiserlichen  kanz- 
leien  deutsche  Urkunden  zu  zeitigen,  während  die  verböte  deutscher 
bibeln  noch  zu  ende  des  15  jhs.  erneuert  wurden,  und  der  flam- 
mende hass  katholischer  münche  gegen  die  kräftig  gedeihende 
deutsche  spräche,  mindestens  so  weit  sie  die  bibel  und  auch  die 
kirche  überhaupt  in  ihr  bereich  zieht,  noch  weit  länger  andauert, 
ja  selbst  noch  im  18  jh.  eigenartige  bluten  treibt  (vgl,  hierzu 
auch  K.  selbst  im  9  aufsatz  der  vorliegenden  Sammlung), 

So  gewis  nun  die  häufige  anwendung  der  deutschen  spräche 
und  ihr  einfluss  auf  die  fernere  gestaltung  des  gesammten  natio- 
nalen lebens  im  deutschen  volke  als  ein  ereignis  gröster  bedeutung 
hingestellt  werden  muss,  so  wenig  darf  man  über  die  deutschen 
gränzen  hinaus  den  beginn  der  neuzeit  in  der  Weltgeschichte  von 
dieser  tatsache  abhängig  machen  wollen,  die  'grofsen  welt- 
bewegenden entdeckungen',  'die  der  menschheit  ungeahnte  auf- 
schlüsse  und  materielle  Umwälzungen  von  weittragender  bedeutung 
gegeben  haben'  (s,  9  f),  dürften  wol  kaum  zu  gunsten  der  'ent- 
deckung'  der  bedeutung  unserer  muttersprache  für  die  bildung 
der  nalion  von  ihrem  posten  als  vorboten  und  Vorbedingungen 
einer  neuen  geschichlsepoche  abgesetzt  werden,  für  das  deutsche 
Volk  tritlt  sie  zwar  zeitlich,  zufällig  oder  nicht  zufällig,  mit  jenen 


KLUGE    VON  LUTHER  BIS  LESSING  327 

ereigoissen  elementarer  tragweite  zusammen ,  aber  die  Deutschen 
repfcisentierlen  wenigstens  damals  gevvis  nicht  die  geschichte. 
ebenso  gut  könnte  man  die  neuzeit  mit  dem  emporkommen  der 
Volkssprache  in  anderen  ländern  beginnen  wollen;  warum  zb. 
nicht  in  dem  von  K.  so  sehr  gepriesenen  England?  an  und  für 
sich  wird  niemand  die  bedeutung  dieser  'entdeckung'  und  speciell 
für  Deutschland  bezweifeln;  und  Luther  gebürt  das  verdienst, 
der  multersprache  diejenige  kraft  verliehen  zu  haben,  durch 
welche  sie  den  endgilligen  sieg  über  das  latein  davontrug  und 
eine  ungeahnte  Stärkung  des  nationalbewustseins  hervorbrachte, 
das  geht  aus  gleichzeitigen  Zeugnissen  und  aus  den  folgen  zur 
genüge  hervor. 

Den  zweiten  abschnitt  'Maximilian  und  seine  kanzlei'  eröffnet 
der  hinweis  auf  jene  lautbevvegungen,  die  wie  lautverschiebung, 
umlaut  und  die  erst  im  12jh.  eintretende  diphthongierung  der 
alten  längen  I  ü  u  grofse  teile  der  germanischen  dialecte  ergriffen 
haben,  für  die  betrachtung  des  letzteren  Vorgangs  zieht  K.  das 
englische  zur  vergleichung  herbei,  welches  in  der  ausspräche 
ebenfalls  alles  i  zu  ei,  alles  u  (auch  ou  geschrieben)  zu  au  resp. 
ou  hat  werden  lassen;  nicht  aher  u  zu  ew.  denn  das  u,  welches 
als  mhd.  iu  im  deutschen  gröstenteils  aus  älterem  eu  entstanden 
ist  (vgl.  Weinhold  Mhd.  gr.^  §  129),  war  für  das  ags.  durch  den 
Übergang  dieses  lautes  in  eö  verloren  gegangen;  aber  auch  das 
durch  umlaut  aus  ü  entstandene  ags.  ?/  gebt  später  entweder  zu  u 
zurück  oder  in  i  über  (vgl.  Koch  Hist.  gramm.  der  engl.  spr.  i** 
s.  60  §  61)  und  teilt  als  letzteres  das  Schicksal  des  durch  umlaut 
aus  eö  hervorgegangenen  ags.  ie  l  ij ,  welches  etymologisch  dem 
regulären  mhd.  m  am  nächsten  steht ,  und  des  auf  demselben 
wege  aus  eä  entstandenen  gleichen  lautes,  ob  diese  parallelen 
erscheinungen  des  englischen  und  deutschen  in  etwaigen  nach- 
würkungen  alter  eigentümlichkeiten  des  germanischen  überhaupt, 
eventuell  nur  des  westgermanischen ,  einen  causalzusammeuhang 
haben,  oder  aber  ob  ihre  entstehung  individuell  auf  besondere 
ästhetische  oder  klimatische  gründe  zurückzuführen  sei  —  auch 
fremder  einfluss,  der  des  französischen,  ist  wenigstens  für  das 
englische  bereits  herbeigerufen  — ,  ist  vorläufig  noch  eine  offene 
frage,  wenigstens  eine  endgiltige  erklärung  ist  dafür  noch  nicht 
gegeben,  die  auffassung  dieses  Überganges  im  deutschen  als 
eines  'sprachlichen  nalurereignisses',  die  R.  von  Braune  (Beiträge 
I  37)  'gelernt'  (s.  22)  hat,  erklärt  nichts.  Scherer  nimmt  zGDS' 
s.  44  f  ästhetische  gründe  für  den  Übergang  eines  'gedehnten 
eintönigen'  vocals  in  'zweitönige  ausspräche'  an;  es  liege  hierin 
ein  'ästhetischer  fortschritt';  die  weitere  entwicklung  zum  di- 
phthongen  zeuge  aber  wider  von  'sinkendem'  geschmack.  und 
für  die  deutsche  diphthongierung  glaubt  er  auch  (aao.  s.  45 
fufsnote)  den  baierischen  geschmack  der  mhd,  zeit  dahin  charac- 
terisieren  zu  können. 


328  KLUGE    VON  LUTHER  BIS  LESSING 

für  das  euglische  aus  localen  eigentiimlichkeitea  der  siideuglischeu 
ausspräche  zu  erklären  (Ellis  On  early  english  pronuuciation  i 
s.  234).  wie  dort  dem  langen  geschlossenen  e  und  o  (Ellis:  ee  und 
oo)  leicht  ein  i  resp.  u  nachklinge,  so  brauche  man  nur  'to  suppose 
a  habit  growing  up  of  beginuing  the  (ii,  uu)  sound  with  a  tongue 
somewhat  too  depressed,  and  in  the  latter  case  with  the  ups  also 
loo  open,  but  passing  instantly  and  rapidly  from  Ihese  initial 
sounds  to  the  true  (ii,  uu),  and  feii,  ouu)  would  result'.  diese 
e\\  ouu  entwickeln  sich  dann  weiter  zu  den  diphthongen  ei  ou, 
ei  ou,  ai  au,  9i  au.  einer  erklärung  der  letzten  gründe  dieser 
erscheinung,  die  übrigens  Scherer  sowol  wie  Ellis  mit  der  alt- 
indischen gunierung  in  parallele  setzen,  kommen  Scherers  aus- 
führungen  immer  noch  am  nächsten,  jedesfalls  muss  man  zur 
endgilligen  lösung  alle  die  sprachen,  wenigstens  germanischer 
zunge,  zur  betrachtung  heranziehen,  in  denen  solche  diphthon- 
gierung  stattfindet;  aufser  dem  deutschen  und  englischen  gehört 
auch  noch  das  holländische  dazu,  indem  hier  das  in  der  schrift 
erhaltene  ij  heute  als  ä-ih,  das  ui  wie  eu  oder  äu  ausgesprochen 
wird,  gleichzeitig  sind  die  erscheinungen  in  diesen  sprachen 
keinesfalls,  denn  während  die  deutschen  diphthongierungen  im 
baierisch- österreichischen  dialect  bereits  im  12  jh.  ihren  anfang 
genommen  haben  —  spuren  der  beginnenden  Veränderung  im 
lautstande  führt  Scherer  (zGDS^  s.  42)  schon  aus  dem  11  jh.  an  — , 
hat  das  englische  noch  im  14  jh.  reines  i  (Ellis  aao.  i  s.  271  ff 
und  s.  297),  und  erst  im  laufe  des  15  jhs.  trat  die  diphthongische 
ausspräche  ein  (Ellis  ii  s.  573);  im  16  jh.  erst  ist  die  diphthon- 
gierung  dieses  lautes  als  durchgeführt  zu  betrachten  (Ellis  i 
s.  115).  für  ü  trat  im  englischen  die  Schreibung  ou  aller- 
diags  schon  auf  der  scheide  des  13  und  14  jhs.  ein,  aber  erst 
in  der  mitte  des  16  jhs.  war  die  ausspräche  als  ou  durchge- 
drungen (Ellis  II  s.  576).  diese  dem  deutschen ,  niederländischen 
und  englischen  gemeinsame  lautbewegung  hat  sogar  so  weit  ge- 
führt, dass  RFWeymouth  in  seiner  gegen  Ellis  gerichteten  schrift 
(On  early  english  pronunciation,  with  especial  reference  toChaucer, 
in  Opposition  to  the  views  maintained  by  Mr.  AJEllis  ...  in  bis 
work  On  early  english  pronunciation  . .  .,  London  1874)  allein 
auf  grund  dieser  tatsache  dem  deutschen,  englischen  und  hol- 
ländischen eine  gemeinsame  Sonderstellung  unter  den  germani- 
schen dialecten  anweisen  wollte  ('the  conclusion  seems  inevitable 
that  the  Angles  and  Saxons  and  Hollanders  and  High  Germaus  cou- 
stitute  a  separate  division  (of  course  capable  of  subdivision)  of 
the  Teutouic  race' Weymouth  s.  12),  wenn  er  auch  in  bezug  auf 
das  alter  und  die  berkuuft  dieser  diphthonge  einer  der  sonstigen 
anscbauung  direct  entgegengesetzten  meinung  ist.  die  Verteilung 
dieser  eigenheit  über  das  gebiet  der  germanischen  sprachen  be- 
spricht Ellis  aao.  i  s.  234  f.  die  geographischen  fortschritte, 
welche  die  neuen  diphthonge  im  deutschen  machen,  und  die  K. 


KLUGE    VON  LUTOER  BIS  LESSING  329 

s.  24  f  behandelt,  hat  am  ausführliclisten  Schilling  (Die  diphthon- 
gisierung  der  vocale  n,  iu  und  i.  . .  .  programm  von  Werdau  1878) 
vom  anlang  ihres  auflretens  bis  in  das  16  jh.  in  je  hundertjährigen 
etappen  dargestellt.  K.  citiert  ihn  nicht,  trotzdem  er  sonst  mit 
citaten  nicht  geizt. 

Das  Vorhandensein  der  neuen  diphthonge  in"  der  kanzlei- 
sprache  der  baierisch- österreichischen  Städte  lässt  K.  (s.  25  ff)  auf 
die  kanzleisprache  überhaupt  und  auf  die  kaiser  Maximilians  im 
besonderen  übergehen.  unter  längerer  motivierung  sucht  er 
Maximilian  in  den  mittelpunct  nicht  nur  der  deulschlilterari- 
schen,  sondern  auch  der  deutschsprachlichen  bestrebungen  seiner 
zeit  zu  stellen,  obvvol  er  für  letzteres  wenig  mehr  als  jenes  gerücht 
beizubringen  vveifs,  welches  Bibliander  (s.  s.  26)  im  jähre  1548 
überliefert  hat:  'Ferunt  et  Maximilianum  imperatorem  in  animo 
uersauisse  emendationem  sermonis  Teutonici.'  K.  führt  das 
citat  nicht  im  Wortlaut  an.  die  positive  Sicherheit,  die  er  für 
seine  behauptung  aus  dieser  stelle  herausliest,  ist  aber  schwer 
darin  zu  finden,  auch  was  K.  sonst  zur  Unterstützung  seiner 
ansieht  in  dieser  beziehung  beibringt,  kommt  über  den  grad  einer 
bescheidenen  Wahrscheinlichkeit  nicbt  hinaus,  eine  schriftsprach- 
liche einigung,  wie  sie  Luther  schliefslich  herbeiführte,  hätte 
der  kaiser,  auch  wenn  ihn  der  tod  nicht  an  der  ausführung 
seiner  'plane'  gehindert  hätte,  nicht  schaffen  können,  dazu  ge- 
hörte ein  mann,  der  mit  ausgedehntester  schriftstellerischer  lätig- 
keit  neue  gedanken  dem  erlösungsbedürftigen  volke  predigte,  ein 
mann  wie  Luther,  dessen  Schriften  an  allen  enden  des  reiches 
gelesen  und  mit  eifer  gelesen  wurden,  ein  'geistesheld  von  un- 
widerstehlicher gewalt'  (s.  78).  dieses  mittel  allein  konnte  eine, 
und  zwar  baldige  einigung  erzielen,  dadurch  allein  trug  Luther 
mit  seiner  spräche  den  sieg  über  die  dialectischen  abweichungen 
und  auch  über  die  kaiserliche  kanzlei  davon,  dass  der  sprach- 
liche boden  für  ein  solches  eingreifen  schon  vorbereitet  war  und 
so  die  würkung  beschleunigt  wurde,  tut  der  tatsache  an  sich 
und  dem  Verdienste  des  reformators  keinen  eintrag. 

Mit  einer  polemik  gegen  Scherer  und  dessen  einteilung  der 
deutschen  Sprachgeschichte  leitet  K.  den  dritten  aufsatz  'Luther 
und  die  deutsche  spräche'  ein.  es  dürfte  hier  kaum  der  ort  sein, 
auf  die  schon  so  oft  besprochene  controverse  näher  einzugehen, 
ob  Luther  als  der  ausgangspunct  einer  neuen  oder  aber  als  der 
mittel-  und  höhepunct  einer  in  der  entwickelung  befindlichen 
periode  in  der  geschichte  unserer  spräche  zu  betrachten  sei. 
Scherer  behauptet  das  letztere,  K.  neigt  der  ersteren  ansieht  zu 
und  hat  dieser  schon  früher  in  seiner  antrittsvorlesung  zu  Jena 
vom  5  mai  1886  auf  grund  seiner  Studien  über  den  Wortschatz 
der  deutschen  spräche  ausdruck  verliehen,  nicht  ohne  in  heftiger 
weise  auch  damals  gegen  Scherer  zu  polemisieren,  es  scheint 
fast,  als  könne  er  diese  frage  über  die  periodisierung  unserer 
A.  F.  D.  A.    XV.  22 


330  KLUGE    VON  LUTflER  niS  LESSLNG 

Sprachgeschichte  überhaupt  nicht  ohne  polemik  gegen  jeneti  be- 
rühren; in  eine  schrift,  die  wie  die  vorUegeude  tür  weitere 
kreise  beslimmt  sein  soll,  gehört  sie  vollends  nicht  hinein,  und 
doch  steht  das  Schwergewicht  der  gründe  auf  seiten  Scherers, 
selbst  wenn  wir  zb.,  was  hier  angeführt  werden  möge,  dem 
slülzpunct,  Jen  er  zGDS"  s.  13  aus  Kehrein  (Grammatik  der 
deutschen  spräche  des  xv  —  xvii  jhs.)  für  das  Vorhandensein  des 
präteritalen  ablauts  noch  bei  Luther  anführt,  nicht  dasselbe 
mafs  von  Sicherheit  zuerkennen  wie  Scherer.  dieser  Wechsel 
des  vocals  im  singular  und  plural  praeteriti  war  in  mehreren 
fällen  für  das  äuge  längst,  und  ebenso  wahrscheinlich  auch  für 
das  ohr  bereits  verloren  gegangen.  Luther  sagt  zwar  noch  band 
bunden,  beis  biffen  (Scherer  aao.  s.  13),  aber  auch  zoch  zogen, 
nam  (d.  i.  ndm)  nahmen  udgl. :  nam  mit  langem  a,  da  die  deh- 
nung  kurzer  vocale  vor  einfachem  tönenden  consonanten,  zum 
teil  wie  in  dem  vorliegenden  falle  und  noch  mehr  bei  war  waren 
unter  entschiedenem  einflusse  der  analogiebildung,  bei  Luther  be- 
reits durchgeführt  ist.  ebenso  finden  sich  schon  frühzeitig,  wenn 
auch  zunächst  sehr  vereinzelt,  bei  Luther  formen  wie  erfchyn  (ap- 
paruit)  Matlh.  1,20  neben  gewöhnlichem  erfchein,  /ehrte  (clamavit) 
Luc.  23,  18  neben  sonstigem  fchrey,  sowie  behalffen  (3  pl.  ind. 
praet.)  Vorr.  z.  Gal.  mit  dem  stammvocal  des  singular.  die  belege 
sind  der  septemberbibel  (Das  Newe  Testament  Deutzsch,  Vuittem- 
berg  [1522])  entnommen,  für  K.  ist  der  'sprachgeschichtliche  er- 
folg', den  der  reformator  durch  die  'entdeckung  der  muttersprache' 
(s.  34)  errungen,  ein  hauptmotiv,  Luther  als  den  ausgangspunct 
der  sprachgeschichtlichen  neuzeit  zu  betrachten,  aber  die  'ent- 
deckung der  muttersprache'  war  schon  vorbereitet,  ohne  die 
kanzleisprache  hätte  Luther  die  muttersprache  nicht  so  bald  ent- 
deckt oder  auch  nur  entdecken  können,  fast  komisch  nimmt 
sich  in  diesem  zusammenhange  gelegentlich  der  erwähnung  des 
Streites  auf  dem  Augsburger  reichstag  im  jähre  1530,  als  die  Augs- 
burger confession  trotz  dem  sich  erhebenden  Widerspruche  zuerst 
in  deutscher  spräche  verlesen  wurde,  der  satz  K.s  aus:  'so  hatte 
die  muttersprache,  welche  mit  dem  14jh.  für  weltliche 
zwecke  eine  mehr  und  mehr  steigende  geltung  ge- 
wann, die  kirchliche  wie  die  staatliche  weihe'  (s.  36).  eine  'mutter- 
sprache', die  seit  anderthalb  Jahrhunderten  sich  eine  'mehr  und 
mehr  steigende  geltung'  zu  verschaffen  weifs,  kann  doch  kaum  erst 
noch  'entdeckt'  werden,  dem  Verdienste  Luthers  und  seiner  be- 
deutung  wird  damit  nicht  zu  nahe  getreten;  die  bleiben  ihm  unge- 
schmälert und  werden  ihm  bleiben,  und  so  wie  Scherer  Schottel  in 
den  anfang  der  nhd.  sprachperiode  setzte,  muss  dieser  'VVolfenbüt- 
teler  hofrat  und  professionierte  sprachreiniger'(s.  33)K.s  frage  über 
sich  ergehen  lassen,  was  ihm  denn  'einen  so  hervorragenden 
platz  im  beginn  unserer  neuen  kulturentwicklung'  zuweise,  kultur 
und  spräche  aber,  so  eng  sie  in  mancher  beziehung  mit  einander 


khj(;k  von  LUTHER  ms  lkssing  331 

verknilplt  sein  mögen,  sind  nicht  identisch,  darin  sind  auch  wir 
mit  den  'l'ieunden  und  feinden'  Luthers  und  seiner  zeit  'einig, 
dass  ihm  der  Umschwung  in  der  stelUing  und  in  der  schrili- 
hchen  handhabung  der  mutlersprache  zu  danken  war'  (s.  37).  das 
müste  ein  ganz  verstockter  Sünder  sein,  der  nicht  mit  K.  den 
vielen  gleichzeitigen  und  späteren  Zeugnissen  sich  beugen  wollte, 
in  denen  von  mafsgebendster  seite  Luthers  spräche  als  norm  an- 
erkannt wurde,  eine  anerkennung  ,  die  sogar  so  weit  führte,  dass 
die  grammatik  von  Johannes  Clajus,  die  1578  als  'Grammatica 
Germanicae  linguae'  mit  dem  ausdrücklichen  zusatz  'ex  bibliis 
Lulheri  Germanicis  et  aliis  eins  libris  collecta'  erschien,  im 
jähre  1595  trotz  ihren  protestantischen  citaten  im  Münchner 
jesuitencollegium  gebraucht  wurde,  auch  die  katholiken  konnten 
sich  trotz  allem  hasse  dieses  einflusses  nicht  erwehren,  höchst 
bezeichnend  dafür  ist  die  köstliche  geschichte,  die  K.  (s.  39  f) 
nach  MBLindaus  buch  über  Lucas  Kranach  von  einer  Unter- 
redung zwischen  diesem  und  dem  herzog  Georg  von  Sachsen 
berichtet. 

Im  vierten  abschnitt  kommt  K.  auf  einen  gegenständ  zu 
sprechen  ,  der  schon  längst  einer  eingehenden  behandlung  würdig 
gewesen  wäre,  es  ist  das  Verhältnis  zwischen  'Schriftsteller  und 
buchdrucker'.  es  fällt  auf,  dass  gerade  dieser  seite  unserer 
Sprachgeschichte  bis  jetzt  so  wenig  aufmerksamkeit  geschenkt  ist, 
obwol  eine  geschichte  unserer  Schriftsprache  oder  vielmehr  eine 
besonnene  und  gerechte  Würdigung  des  einflusses  unserer  lit- 
teraturheroen  auf  die  ausbildung  derselben  —  es  handelt  sich 
Iiierbei  zunächst  um  das  16  jh.  —  ohne  eingehende  berück- 
sichtigung  dieses  Verhältnisses  nicht  abgeschlossen  werden  kann, 
nicht  die  spräche  des  Schriftstellers  als  solche,  sondern  wie  sie 
in  den  drucken  erscheint,  wird  weiter  verbreitet  und  dringt  je  nach 
der  bedeutung  der  Schriften  oder  ihrer  Verfasser  in  nähere  und 
weitere  kreise,  aber  beide  gebilde  sind  zum  mindesten  in  ihrer 
lautgestaltung,  bei  nachdrucken  sogar  auch  im  Wortschatz,  nicht 
immer  identisch,  die  Zeugnisse  der  Schriftsteller  über  willkür- 
liche änderungen  der  correctoren  und  drucker  sind  bekannt,  auch 
K.  führt  eine  menge  derselben  an.  selbst  in  den  drucken ,  die 
aus  einer  officin  am  Wohnort  des  verf.s  hervorgegangen  sind, 
darf  man  die  spräche  des  autors  nicht  immer  vermuten,  nehmen 
wir  etwa  die  erscheinung  des  umlauts  bei  Luther,  wie  weit 
derselbe  in  Luthers  spräche,  wenigstens  zu  anfang  seiner  schrift- 
stellerischen tätigkeit,  vorhanden  war,  ist  noch  keineswegs  aus- 
gemacht, die  annähme  Rückerts  (Geschichte  der  nhd.  Schrift- 
sprache, Leipzig  1875,  bd.  u  s.  58  ff)  und  nach  ihm  Pietschs 
(Martin  Luther  und  die  hd.  Schriftsprache,  Breslau  1883,  s.  40  f), 
dass  der  umlaut  auch  von  o  und  u  in  Luthers  spräche  von 
anfang  an  vorhanden  gewesen  sei,  dass  Luther  aber,  nur  der 
tradilion    folgend,   die    umlautbezeichnung   in  diesen  fällen  fort- 

22* 


332  KLUGE    VON  LUTHER  BIS  LESSING 

gelassen  habe,  bedarf  weit  kräftigerer  stützen,  als  ihr  dort 
angefügt  sind,  um  nur  einiger  niafsen  überzeugend  würken  zu 
kDunen.  andererseits  fassl  indessen  Opitz  (Über  die  spräche 
Luthers,  Halle  1869,  s.  32)  das  wesen  einer  sprachentvvickelung 
viel  zu  äufserlich  auf,  wenn  er  meint,  dass  Luther  erst  durch 
seine  aufmerksamkeit  auf  die  bald  nach  dem  Nürnberger  reichs- 
tage  1524  im  Südwesten  Deutschlands  ausgebrochenen  bauern- 
aufstände  bewogen  worden  sei,  den  bis  in  die  mitte  der  zwanziger 
jähre  von  ihm  nicht  angewandten,  ihm  nach  Opitzs  meinung 
demgemäfs  auch  unbekannten  unilaut  der  dunklen  vocale,  'jenes 
characteristische  merkmal  des  alemannischen  dialects'  (Opitz  aao.), 
nun  plötzlich  in  seinen  schriften  zur  anwendung  zu  bringen,  uns 
sind  nun  auch  aus  der  frühereu  periode  des  reformalors  noch 
manuscripte  erhalten  (vgl.  PhDietz  Wörterbuch  zu  dr  Martin  Luthers 
deutschen  schriften,  bd.  i,  Leipzig  1870,  s.ix  und  xvi),  aus  welchen 
hervorgeht,  dass  Luther  selbst,  wenigstens  anfangs,  deu  umlaut 
von  0  und  u  nur  selten  geschrieben  hat,  dass  er  aber  die  von  uns 
jetzt  als  umlaulzeichen  gebrauchten  und  in  folge  dessen  auch 
für  seine  schrift  vielfach  so  gedeuteten  pünctchen  über  dem  vocal 
bei  dem  u  auch  in  fällen  zur  anwendung  brachte,  für  die  ein 
etwaiges  Vorhandensein  des  umlauts  absolut  ausgeschlossen  ist, 
vgl.  formen  wie  nü  zu  rhilm  thü  früm  ua.  bei  Dietz  s.  xvi.  diesen 
deutschen  formen  stehen  aufserdem  lateinische  gestaltungen  wie 
noüüm  nüntiüm  (Dietz  aao.,  Rückert  n  s.  61  ff),  ferner  vniüersitet 
freüel  ua.  zur  seite.  eine  erklärung  hierfür  aus  dem  princip  der 
graphischen  Unterscheidung  des  vocalischen  und  consonantischen 
V  gibt  Rückert  n  s.  62;  richtiger  aber  deutet  man  sie  wol  als 
Unterscheidungszeichen  zwischen  u  und  n,  wie  ja  in  dem  w-bogen 
der  modernen  deutschen  schrift  auch  nur  das  andenken  an  solch 
ehemaliges  bestreben  sich  bewahrt  hat.  so  haben  wir  für  die 
Schreibweise  des  reformators  in  seinen  hss.  genügendes 
material.  ob  er  aber  den  umlaut  ebenso  selten,  wie  er  ein  zeichen 
dafür  anwandte,  oder  stets,  oder  überhaupt  nicht  gesprochen, 
ist  eine  frage,  die  erst  aufgrund  umfassenderer,  über  das  ganze 
md.  Sprachgebiet  sich  erstreckender  Untersuchungen  mit  an- 
nähernder Sicherheit  erledigt  werden  kann,  eine  vergleichung 
der  autographen  Luthers  mit  den  drucken  ergibt  sofort  die 
manigfachen ,  eigenmächtigen  eingriffe  der  drucker  in  die  Ortho- 
graphie und  lautgestaltung  der  Wörter,  der  umlaut  von  o  und 
M  —  derjenige  von  a  ist  ja  unbestritten  auch  in  den  autographis 
vorhanden  ;  für  ihn  bot  sich  das  e  —  wird  von  Luthers  Witten- 
berger druckern  —  auf  diese,  weil  sie  am  wohnort  Luthers 
druckten,  und  auf  zeitlich  bestimmte  drucke  ihrer  officinen  sollen 
sich  die  folgenden  flüchtigen  bemerkungen  beschränken  —  bald 
angesetzt  bald  nicht,  der  erste  in  dieser  reihe  ist  Johannes 
Grunenberg  oder  Grünenberg,  von  dem  die  ersten  Wittenberger 
Lutherdrucke  stammen ,   aus  dessen  presse  auch  schon  im  jähre 


KLUGE    VO.N  LUTHER  BIS  LESSING  333 

1516  jener  auszug  aus  der  Deutsch  theologia  'Eyn  geystlich 
edles  Buchleyno.  von  rechter  vnderscheyd  vnd  vorstand,  was  der 
ait  vii  new  mensche  sey.  .  ,  .'  (Panzer  Zusätze  zu  den  Annalen 
der  älteren  deutschen  litteratur  s.  135  nr  833'')  hervorgieng,  der, 
mit  Luthers  vorrede  versehen,  der  erste  druck  war,  mit  dem  dieser 
an  die  Öffentlichkeit  trat.  Grunenberg  zeigt  völliges  schwanken 
in  der  umlauthezeichnung  im  jähre  1519  in  'Eyn  Sermon  von 
der  Bereytung  zum  Sterben  M.  L.  A.'  (fehlt  hei  Panzer  und  Weller; 
Luthers  werke  hg.  von  Knaake  bd.  ii  s.  681  ß);  bei  dem  neu- 
druck  dieses  werkes  im  jähre  1520  (Panzer  Zus.  s.  172  ur  973'''') 
zeigt  sich  vielleicht  schon  mehr  neigung  zur  anwendung  des  um- 
lautzeichens.  in  dem  gleichfalls  aus  dem  jähre  1519  stammenden 
druck  Grunenbergs  'Eyn  Sermon  von  dem  Hochwirdigen  Sacra- 
ment  .  .  .  D.  M.  L.  A.'  (Panzer  Zus.  s.  160  nr  932")  ist  die  um- 
lauthezeichnung seltener,  wir  finden  hier:  {X\']') drey  ftuck,  mnfzen, 
ftucklich,  fuglicher;  {k\f)  vnfuglich ,  zukunfftige,  burger,  funfftenn 
neben:  (Aiij^)  ruret;  (Aiij'')  kunig,  mnde  und  dazu :  (Aij'')  corper  (fünf 
mal)  neben:  (Aüj*")  hofsheit,  hofz,  fr'olich;  {X\\\\')  ortern.  völliges 
schwanken  zeigt  wider  'Eyn  kurcz  Form  der  czehen  gepott  D.Mar- 
tini L '    sowol  aus  dem  jähre  1520  (Panzer  Zus.  s.  178  nr974°) 

wie  in  einem  neuen  druck  derselben  officin  aus  dem  jähre  1521 
(Panzer  Annalen  n  s.  1  nr  1038),  wobei  bemerkt  werden  mag,  dass 
bei  dem  o  resp.  6  das  umlautzeichen  anscheinend  seltener  fehlt  wie 
bei  dem  u  resp.  it.  seltene  anwendung  des  umlautzeichens  beim 
M  M,  aber  ebenfalls  um  so  häufiger  beim  o  o  zeigt  die  'Aufs- 
agung des  hundert  vnd  neundten  psalmen.  .  .  .  Doctoris  Martini 
Luther  .  .  .'  1520  (Panzer  Zus.  s.  168  nr  9730-  hier  findet  sich: 
(Aj*")  bruderliche,  zu/'amenfugung ,  hulff,  iungling ,  wuften  (adj.); 
(Aij^)  gutter  (bona);  (Aiij'j  vndergetruckt  (subpressi) ,  kunig,  de- 
mütigen, gutter  (bona),  vbermutigen ,  gedrucket  (pressus),  kunig- 
reych,  kunig,  kunig ftull  neben:  (Aij*)  rmte;  (Aiij')  hutt  euch, 
hmigftul,  ferner:  (Aj'')  das  aller  groß,  volcker ,  frolicheit,  alle 
grofz  (subst.);  (Aiij*)  troftlich,  hohe,  kbnig ftull,  erhocht,  neben 
(Bj")  wortlein,  icortlin.  wider  fast  gar  kein  umlaut,  auch  nicht 
vom  0  zeigt  sich  in  'Eyn  Sermon  von  der  Betrachtung  des 
Heyligen  Leydens  Christi  Doctoris  Martini  Luther  .  .  .'  1520 
(Weller  Repertorium  s.  185  nr  1590).  weiter  schwanken  wider 
völlig  in  der  umlauthezeichnung  'Eyn  Sermon  von  dem  Wucher. 
Doctoris  Martini  Luther  .  .  .'  1520  (Panzer  Zus.  s.  171  nr  973'') 
und  derselbe  in  einem  anderen,  gleichfalls  aus  der  Grunen- 
bergischen  officin  im  jähre  1520  hervorgegangenen  drucke  (Panzer 
Annalen  ii  s.  66  nr  1300).  ebenfalls  schwanken,  aber  mit 
gröfserer  neigung  zur  durchführung,  die  drucke  'Eyn  Sermon 
von  dem  newen  Testament  ..  .  Doct.  Mar.  L.'  1520  (Panzer  Zus. 
s.  188  nr  974yyy)  und  'Vonn  der  Freyheyt  eynifs  Christenn  men- 


334  KLUGE    VON  LUTHER  ÜIS  LESSrWG 

sehen.    D.  Martinus  Luther'  1521 '   (Weller  Reperlorium  s.  213 

nr  1841).  dagegen  sehen  wir  nur  sehr  seltene  umlaulbezeich- 
nung  wider  in  dem  druck  'Auff  das  vbirchristlich  . . .  buch  Bocks 
Emfsers  zu  Leypczick  Anlwortt  D.  M.  L.  .  .  .'  1521  (Panzer 
Annaleu  n  s.  31  nr  1183);  ebenso  überwiegt  die  nichtbe- 
zeichnuug  des  umlauts  sehr  bedeutend  in  der  'Aufsiegung  der 
Episteil  vnnd  Euangeli  des  Aduents.  Martinus  Luther.  .  .  .' 
1522  (Panzer  Aunaleu  ii  s.  62  nr  1281);  und  schliefslich  ist  der 
uralaut  so  selten,  dass  er  last  als  ausnähme  zu  betrachten  ist, 
in  dem  Grunenbergischen  druck  aus  dem  jähre  1522  'Aufslegung 
der  Episteiln  vn  Euangelien  die  nach  brauch  der  kirchen  gelefsen 
werden  |  vom  Christag  bifs  auff  den  Sontag  nach  Epiphanie.  Mar- 
tinus Luther. . . .'  (Panzer  Annalen  ii  s.  62  nr  1283).  so  geht  es  in 
buntem  gemisch  durch  einander;  von  einer  regel  ist  keine  rede, 
noch  bemerkenswerter  ist  das  verhalten  der  drucke  Melchior 
Lollhers  oder  Lotters  des  jüngeren,  schon  der  vater  dieses 
druckers,  der  bereits  seit  1518  in  Leipzig  Lutherische  Schriften 
druckte,  verwendete  nur  n  und  o,  hatte  kein  umlautzeicheu 
für  diese  laute,  und  auch  die  gelegentlichen  ue  sind  nur  zeichen 
für  die  länge  des  vorliegenden  vocals.  diesem  principe  blieb 
auch  der  jüngere  Melchior  Lotther,  der  nach  Wittenberg  über- 
gesiedelt  war,    zunächst    treu,      er    druckte    im   jähre  1520    die 

Schrift  'Von  den  guten  Wercken:  D.  M.  L '  (Panzer  Zus.  s.  181 

nr  974'''*)  ohne  jede  umlautbezeichnung  und  widerhoUe  diesen 
druck  in  gleicher  weise  in  demselben  jähre  (Panzer  Zus.  s.  181 
nr  974'^'').  das  gleiche  princip  wahrt  er  in  'Eyn  Sermon  von  dem 
newen  Testament.  .  .  .  Doct.  Mar.  L.  .  .  .'  1520  (Panzer  Zus. 
s.  188  nr974''^''),  sowie  in  der  septemberbibel 'Das  Newe  Testa- 
ment Deutzsch  Vuittemberg'  [1522].  dagegen  beginnt  er  mit  der 
anweudung  von  diakritischen  zeichen,  in  gestalt  eines  nach  rechts 
offenen  bogens,  wenn  auch  noch  schwankend,  in  dem  druck 
'Deutsch  Auslegung  des  sieben  vnd  sechzigsten  Psalmen  .  .  . 
Martinus  Luther.  .  .  .'  aus  dem  jähre  1524  (Panzer  Annalen  ii 
s.  248  nr  2143)  und  steigerte  diese  anwenduug  sogar  zur  fast 
consequenten  durchführuug,  nunmehr  mit  dem  üblichen  über- 
gezeichneten e  im  jähre  1525  in  dem  druck  'Von  den  gutten 
wercken.  D.  Martinus  Luther.  .  .  .'  (Weller  Repertorium  s.  390 
nr  3537;  vgl.  [i]  suppl.  s.  43),  das  er  früher  selbst  ohne  um- 
lautzeichen gedruckt  hatte  (s.  o.).  von  anderen  Wittenberger 
druckeru  erwähne  ich  noch  Hans  Lullt,  der  noch  im  jähre  1524 
in  seinem  druck  'Von  Kauffshaudlung  vnd  wucher.  Martinus 
Luther.  .  .  .'  (Panzer  Annalen  ii  s.  262  nr  2218)  sich  sehr 
selten ,  wider  besonders  selten  beim  u,  der  umlautzeichen  be- 
dient, dieselben  aber  schon  im  folgenden  jähr  1525  in  der 
schritt  'Der  Funlfte  Psalm  Dauid  .  .  .  Mar.  Luther.  .  .  .'  (Pan- 
zer Annalen  n  s.  350  nr  2619)  zu  überwiegender  anwendung 
brachte,    sowie  Joseph  Klug,    der  umgekehrt   im  jähre  1524   in 


KLUGE    VON   LUTHER   BIS  LESSING  335 

dem  druck  'Widder  den  newen  Abgott  vnd  allten  Teuffel  der  zu 
MeylTen  sol  erhaben  werden.  Martinus  Luther.  .  . .'  (Panzer  An- 
nalen  ii  s.  259  nr  2198)  den  umlaut  last  cousequent  durchgeführt 
hat,  dagegen  in  dem  druck  'Die  sieben  Bufspsalmen  mit  deutscher 
aul'slegung  verbessert  durch  Marlin  Luther.  .  .  .'  aus  dem  jähre 
1525  (Panzer  Annalen  ii  s.  349  nr  2613)  in  der  anwendung  der 
umlaulzeichen  bedenkhchen  Schwankungen  unterlag,  für  letzteren 
druck  könnte  man  vielleicht  eine  typographische  einwürkung  der 
älteren  aufläge  aus  dem  jähre  1517  annehmen,  von  Nickel  Schir- 
lentz  standen  mir  drucke  aus  der  anfangsperiode  von  Luthers 
schriftstellerischer  tätigkeit  nicht  zu  geböte,  ein  druck  wie  der 
des  Hans  Weyfs  'Eyn  trostlichs  buchleyn  Martini  Lutheri  .  .  . 
newlich  gedeutscht  durch  Magistrum  Georgium  Spalatinum  .  .  ,' 
aus  dem  jähre  1525  (Panzer  Annalen  ii  s.  355  nr  2640)  kann 
hier  nicht  in  betracht  kommen,  ebenso  wenig  wie  ich  das  für 
die  beurteilung  der  vorliegenden  frage  mit  dem  gleichfalls  aus 
dem  jähre  1525  stammenden  drucke  des  Jörg  Rhaw  'Das  Bene- 
dictus  odder  weyssagung  des  heyligen  Zacharie  Luce.  j.  durch 
D.  Mart.  Luther  gepredigt  vnd  ausgelegt.  .  .  .'  (Panzer  Annalen  ii 
s.  359  nr  2666)  wagen  würde,  der  in  dem  gleichen  jähre  und 
aus  der  gleichen  druckerei  in  hd.  und  nd.  spräche  herauskam, 
aus  dem  angeführten  geht  aber  zur  genüge  hervor,  wie  stark 
das  schwanken  in  der  umlautbezeichnung  sovvol  in  den  drucken 
verschiedener  officinen  gegen  einander  als  in  den  drucken  einer 
und  derselben  ofücin  unter  sich  war;  und  zunächst,  so  weit  sie 
umlautzeichen  bei  o  und  u  anwandten,  in  entschiedenem  Wider- 
spruch zur  gewöhnlichen  schrift  des  reformators.  die  frage  ist, 
wie  schon  oben  erwähnt,  noch  nicht  endgiltig  erledigt,  aber  ich 
will  nicht  unterlassen,  ein  Wortspiel  aus  Luthers  schrift  'Vom 
Mifsbrauch  der  Messen.  Martinus  Luther.  Wittemberg.  1523', 
gedruckt  von  den  gebrüdern  Melchior  und  Michael  Lotther  zu 
Wittenberg  (Panzer  Annalen  n  s.  142  nr  1654),  anzuführen,  das 
wol  geeignet  wäre ,  als  kriterium  bei  der  erörterung  der  umlaut- 
frage verwendet  zu  werden,  es  heifst  dort  bl.  Qiiij^:  Denn  was 
können  wyr  für  ein  ander  heylig  grab  ver flehen  j  den  die  heylige 
fchrifft  I  darynne  die  loarheyt  Chrifti  /  durch  die  Papiften  getödt 
ift  I  begraben  gelegen  /  wilchs  die  bottel  j  das  ift  /  die  bettel  orden 
vli  ketzermeyfter  /  behut  vnd  bewart  haben  j  das  keyn  Junger  Chrifti 
kerne  vnd  ftele  fie?  ...  in  der  angedeuteten  weise  begonnen, 
glaube  ich,  dass  eine  feststellung  der  spräche  von  Luthers  druckern, 
weiterhin  eine  spräche  der  drucker  überhaupt,  mit  erfolg  durch- 
geführt werden  könnte,  vielleicht,  dass  dabei  auch  manches 
andere  über  herkunft  und  leben  der  drucker  an  den  tag  käme, 
wie  ja  zb.  die  gestalt  jenes  eifrigen  Johannes  Grunenberg  immer 
noch  etwas  schattenhaftes  an  sich  hat.  das  beste  und  so  weit 
möglich  vollständigste  über  ihn  hat  neuerdings  AvDommer  Luther- 


336  KLUGE    VON  LUTllKK  UlS  LESSIISG 

drucke  auf  der  Hamburj^er  sladlbibliolhek  1516 — 1523,  Leipzig 
1888,  s.  1  11"  gebracht,  vielleicht,  dass  auf  diesem  wege  auch 
jeoe  auHalleudeu  lormeu  wie  uamenllich  das  wort  ottergetzichte, 
das  sich  bereits  in  Luthers  erster  periode,  zb.  in  der  september- 
bibel  1522  iindet  —  des  teuffels  gezichle  citierl  Dietz  bd.  2  (1  he- 
l'eruug,  Leipzig  1872)  s.  123  schon  aus  dem  jähre  1521  —  und 
seitdem  auch  fernerhin  in  der  Lutherischen  bibelübersetzung  bei- 
behaUeu  wird,  und  das  in  seiner  Schreibung  zweilellos  umge- 
lauteten  vocal  aufweist,  ihrer  endgiltigen  erledigung  entgegen- 
gehen würden,  aucli  der  eintluss  des  druckers  auf  den  autor 
muss  dabei  in  erwägung  gezogen  werden.  freiUch ,  wo  es  der 
mauuscripte  ermangelt,  ist  eine  solche  Untersuchung  weit  schwie- 
riger und  ein  erfolg  des  bestrebens,  den  anteil  des  verl'.s  und  den 
des  druckers  in  der  spräche  eines  litteraturdenkmals  zu  Irenneu, 
uur  durch  genaueste  und  sorgfältigste  vergleichung  möglich. 

Diese  und  andere  tiefer  gehende  fragen  werden  von  K.  nicht 
des  näheren  erörtert,  uur  einmal,  s.  56,  kommt  er  auf  die  süd- 
deutschen und  schweizerischen  nachdrucke  der  Lutherischen  bibel- 
übersetzung zu  sprechen  und  constaliert  die  bekannten  ver- 
schiedenheilen in  der  Schreibung  von  ei  und  ai,  resp.  von  ei  au 
eu  und  i  u  ü.  sehr  bemerkenswert  aber  ist  die  bei  dieser  ge- 
legenheit  von  ihm  angeführte  äufserung  des  Strafsburger  druckers 
Wendel  Hihel ,  der  im  jähre  1535  einen  uachdruck  von  Luthers 
bibel  veranstaltete  und  sich  dabei  möglichst  an  die  rechtschreibuug 
Luthers  anschloss,  denn  'die  Übung  wird  solchs  auch  wol  ver- 
ständig und  gepreuchlicher  machen  .  .  .'  (s.  56);  vgl.  dazu  auch 
s.  83.  sonst  begnügt  sich  K.  im  allgemeinen  damit,  gleichzeitige 
Zeugnisse  der  Schriftsteller  über  das  vermeintliche  uuweseu  der 
drucker,  wenn  auch  in  reicher  anzahl,  beizubringen,  wie  weit 
deren  änderungen  allerdings  zuweilen  gieugeu,  dafür  ist  das 
von  K.  (s.  57)  angeführte  erste,  anonym  ausgegangene  Send- 
schreiben Zwingiis  an  die  Esslinger  vom  jähre  1526  ein  beson- 
ders characteristisches  beispiel.  denn  der  erste  druck,  der  ohne 
Zwiuglis  vorwissen  entstanden  war,  brachte  ein  solches  sprach- 
gemisch,  dass  Zwingli  sich  genötigt  sah,  in  seinem  zweiten  Send- 
schreiben an  dieselben  Esslinger  vom  jähre  1527  ausdrücklich 
allen  zweifeln  an  seiner  Urheberschaft  jener  ersten  schritt  ent- 
gegenzutreten, gewis  war  die  aufgäbe,  welche  den  buchdruckern 
zutiel ,  den  werken  ihrer  officin  einen  möglichst  grofsen  leserkreis 
zu  gewinnen ,  bei  dem  mangel  einer  einheitlichen  Schriftsprache 
schwer ;  und  von  diesem  standpuncte  sehen  wir  ihre  änderungen 
au  dem  Originaltexte  in  einem  anderen  lichte,  bei  welchem  der 
schein  blofser  willkürlichkeit  erblasst;  vgl.  auch  K.  s.  65  absatz  1, 
s.  83  abs.  4,  dazu  auch  s.  66  abs.  1.  aber  ein  grofser  spontaner 
factor  war  und  blieb  immerhin  die  bequemlichkeit,  in  ihrem 
eigenen  dialecl,  nicht  in  dem  des  verf.s  zu  drucken. 

Noch  eins  bedarf  aus  diesem  abschnitte  der  erwähnung.   wenn 


KLUGE    \0y   LUTHEU  BIS  LESSIWG  337 

auch  die  dialectuiiterscbiede,  mit  denen  die  schriftsteiler  zu  kämpfen 
hatten,  grofs  waren,  so  trat  doch  auch  bald  ein  naturgemäfses 
streben  nach  einigung  hervor,  das  speciell  durch  den  machtvollen 
einlluss  der  spräche  Luthers  energisch  unterstützt  wurde,  jedes- 
falls  ist  es  unrichtig,  wenn  K.  behauptet,  dass  auch  die  Sprach- 
lehrer jener  zeit  'bei  der  manigfaltigkeit  unserer  mundart  [siel] 
völlig  ratlos'  gewesen  seien,  'worauf  ein  lehrgebäude  des  deut- 
schen aufzubauen'  sei  (s.  50),  und  als  beweis  hierfür  noch  aus 
dem  jähre  1531  die  klageworle  des  Hans  Fabritius  aus  dessen 
Schrift  über  gleichlautende  worte  citiert,  um  an  diesem  beispiel, 
das  er  nur  durch  die  äufserung  ^on  Luthers  corrector  Christoph 
Walther  aus  dem  jähre  1563[!1  über  die  'orthographische 
Verwirrung  von  damals'  (s.  50)  unterstützt,  die  ratlosigkeit  der 
Sprachlehrer  über  das  fundament  eines  lehrgebäudes  der  deutschen 
spräche  festzustellen,  aber  abgesehen  davon,  ob  diese  worte  des 
verzweifelten  lehrers  —  sie  lauten  nach  K.,  da  das  original  mir 
nicht  zur  Verfügung  steht:  'ich  weifs  schier  nicht,  wie  ich  nieine 
schulers  leren  soll  der  Ursachen  halber,  dass  jetzunder,  wo 
unser  nur  drei  oder  vier  deutsche  zusammen  koment,  hat  jeder 
einen  sonderlichen  gebrauch,  wolte  gott,  das  es  darhin  komen 
möchte,  dass  die  kunst  des  Schreibens  einmal  wider  in 
ein  rechten  prauch  komen  möchte  .  .  .'  (s.  50)  —  sich  würklich 
auf  die  spräche  oder  nicht  vielmehr  lediglich  auf  die  Orthographie 
beziehen ,  sie  waren  für  die  Schriftsprache  nicht  mehr  berechtigt, 
denn  in  demselben  jähre  erschien  Fabian  Frangks  Orthograpliia, 
in  welcher  an  jener  bekannten  stelle,  in  dem  abschnitt  'Woraus 
man  Recht  vnd  rein  Deutsch  lerne'  mit  einer  deut- 
lichkeit,  die  nichts  zu  wünschen  übrig  lässt,  au4  Luther  und 
die  kanzlei  verwiesen  wird,  die  stelle  mag  hier  nochmals  mit- 
geteilt werden :  Aber  das  ftirnemlichft  /  fo  zu  diefer  fach  forder- 
lich vnd  dienftlich  /  ift  /  das  man  gutter  Exemplar  warnehme  /  das 
ift  I  gutter  dentfcher  bucher  vnd  verbriefungen  /  fchriefftlich  oder 
im  druck  verfaft  vnd  ausgangen  /  die  mit  vleiffe  lefe  j  vnd  jnen  in 
dem  das  anzunehmen  vnd  recht  ift  j  nachuolge.  Vnnder  welchen 
mir  ettwan  I  des  teioern  (hochloblicher  gedechtnus)  Keif  er  Maxi- 
milians Cantzlej  I  vnd  diefer  zeit  I  D.  Luthers  fchrei- 
ben  I  neben  des  Johann  Schonnsbergers  von  Augsburg  druck  j  die 
emendirtften  vnd  reinften  zuhannden  komen  fein  j. . .  und 
wenn  auch  Fabritius  das  noch  nicht  einsah  und  von  Frangks 
schriftchen  nichts  wüste,  K.  muste  es  wissen,  und  er  weifs  es 
auch ,  denn  bereits  s.  37  führt  er  das  soeben  widergegebene 
citat  Frangks  und  andere  wenig  spätere  äufserungen  gleichen 
auf  Luther  bezüglichen  inhalts  an;  um  so  seltsamer  ist  dieser 
Widerspruch,  auch  konnte  tatsächlich  14  jähre  nach  dem  be- 
ginn der  reformation,  als  die  reihe  der  rasch  auf  einander  fol- 
genden  Schriften   Luthers   bereits    eine   achtung   erregende   zahl 


338  KI.ÜGE    VON  LUTHER  BIS  LESSING 

erreicht  hatte,  und  bei  dem  einflusse,  den  die  Lutherische  Sprach- 
norm uameutlich  seit  dem  ersten  erscheinen  der  bibel  neuen 
lestameuls  im  jähre  1522  gewonnen  hatte,  von  einer  völligen 
rallosigkeit  bei  den  gebildeten  jener  zeit  —  und  dazu  gehören 
doch  auch  die  Sprachlehrer  —  kaum  mehr  die  rede  sein. 

Mit  dem  nun  folgenden  aufsatz  über  'Schriftsprache  und 
mundart  in  der  Schweiz'  tritt  K.  in  die  erörterung  derjenigen 
dialecte  ein,  die  der  ausbreitung  der  emporkeimendeu  Schrift- 
sprache sich  energischer  widersetzten,  zwar  auch  in  der  Schweiz 
muss  die  Schriftsprache  sich  der  von  Mitteldeutschland  vordringen- 
den norm  scbliefslich  anbequemen ,  aber  sie  tut  es  erst  nach 
harten  kämpfen,  die  erst  mit  der  zweiten  hälfte  des  17  jhs. 
(s.  70.  73)  ihr  ende  erreichen,  graphisch  war  der  anschluss  an 
eine  gemeinsame  litteratursprache  schon  'mit  dem  beginn  der 
buchdruckerkunst'  (s.  63)  für  die  Schweiz  in  vereinzelten  fällen 
vollzogen  (vgl.  anlautendes  k  für  ch,  sp  usw.  für  scHp).  auch 
der  versuch,  die  neuen  diphthonge  in  schweizerische  drucke  ein- 
zuführen, ist  schon  früh  gemacht  worden,  aber  so  bald  fasste 
diese  neuerung  nicht  wurzel.  vor  allem  'Wortschatz  und  wort- 
gebrauch, Stammbildung  und  syntax'  erhielten  sich  noch  lange 
in  der  alten  eigenart  (s.  67). 

Aber  ein  Irrtum  ist  es,  wenn  K.  (s.  72)  meint,  dass  'der 
tütsch  leermeister  Job.  Kolross'  sein  Encheridion  (so!,  nicht 
Enchiridion  lautet  es  auf  dem  titel  der  ältesten  aufläge)  erst 
1564  veröffentlicht  habe,  denn  Kolross  starb  nach  der  gewöhn- 
lichen annähme  bereits  1558.  man  könnte  die  Jahresangabe  1564 
zunächst  für  einen  druckfehler  halten  statt  des  jabres  1534,  da 
in  dem  letztwen  die  grammatische  schritt  des  Kolross  ebenfalls 
erschienen  war,  wenn  auch  bereits  in  dritter  resp.  vierter  auf- 
läge; aber  K.  spricht  selbst  kurz  vorher  (s.  71)  von  dem  ver- 
loren gegangeneu  sprachbüchlein  des  Schwytzer  landschreibers 
Balthasar  Stapfer  aus  dem  jähre  1540  als  der  ältesten  deut- 
schen grammatik,  'die  auf  schweizerischem  boden  entstanden 
ist',  und  dann  bringt  uns  von  der  annähme  eines  druckfehlers 
vollends  K.s  äulserung  am  fufs  von  s.  72  zurück,  wo  er  sagt: 
'in  Zürich  .  . .  treffen  wir  noch  1656,  also  ...  fast  100  jähre 
nach  Kolross  einen  grammatiker,  der  sein  Schweizerdeutsch  als 
norm  darstellt.'  nein,  die  erste  ausgäbe  des  Encheridions  er- 
schien bereits  im  jähre  1529  oder  1530,  worüber,  wenn  diese 
aufläge  nicht  zur  band  war,  ein  flüchtiger  blick  in  die  ADB 
(Scherer)  oder  in  Job.  Müllers  Quellenschriften  und  geschichte 
des  deutschsprachlichen  Unterrichts  s.  415  oder  auch  in  Goedekes 
Grundriss  ii'^  s.  344    K.   eines   besseren    hätte   belehren   können. 

Ein  merkwürdiger  Zwiespalt  in  K.s  auffassung  muss  hier 
ferner,  so  sehr  sonst  gerade  dieser  abschnitt  von  neuem  und 
interessantem  zu  berichten  weifs,  noch  erwähnt  werden.  Zwingiis 
Verhältnis  zur  einheimischen  dialectsprache  und  zu  der  um  sich 


KLL'GE    VON  LUTUER   BIS  LESSING  '  339 

greifcDclen  litteratursprache  scheint  dem  verf.  nicht  ganz  klar 
geworden  zu  sein,  denn  während  K.  s.  62  ausdrücklich  äufsert, 
'dass  die  ältere  gedruckte  litteratur  der  Schweiz  — 
unsere  beispiele  stammen  aus  schritten  Zwingiis  —  sich 
mit  der  heimischen  Volkssprache  deckt',  sagt  er  s.  68 
mit  derselben  Überzeugung:  'wie  Luther,  so  schrieb  Zvvingli 
eine  vom  dialect  sich  entfernende  Schriftsprache', 
die  erstere  auffassung  scheint  ihm  allerdings  geläufiger,  denn 
s.  69  sagt  er,  dass  Luthers  anklage  gegen  Zwiuglis  deutsch  'sich 
nicht  sowol  gegen  die  Schweiz,  vocalgewandung  von 
Zwiuglis  Schriften,  als  vielmehr  gegen  seinen  Wortschatz' 
richte,  und  dem  fügt  er  s.  70  in  demselben  sinne  hinzu:  'wer 
die  eigenart  der  schweizerischen  mundart  kennt  und  den  gewaltig 
grofsen  abstand  ermisst,  der  sie  von  der  spräche  der  übrigen 
mafsgebenden  landschaften  trennt,  den  wird  es  nicht  wundern, 
dass  Zwingli  treu  an  der  heimischen  mundart  fest- 
hielt oder,  wie  Luther  sich  einmal  äufsert,  dass  sie  ihm  vü 
bass  gefiel  als  dem  storcke  sein  klappern.' 

Was  K.  in  diesem  aufsatze  nur  kurz  berührt,  die  dillerenzen, 
die  sich  im  Wortschatz  der  litteratursprache  und  der  dialecte, 
hier  des  schweizerischen ,  zeigen ,  das  führt  er  im  nächsten  capitel 
'ober-  und  mitteldeutscher  Wortschatz'  unter  besonderer  berück- 
sichligung  der  zwischen  diesen  beiden  dialectgruppen  vorhandenen 
unterschiede  in  gröfserem  umfange  aus.  in  ausführlichen  wort- 
concordanzen  zwischen  Luthers  bibel ,  der  Übersetzung  Ecks, 
der  VVormser  prophetenübersetzung  von  Hätzer  und  Denkh  1527 
und  der  Züricher  bibel  vom  jähre  1530,  dann  zwischen  Luthers 
bibel,  Adam  Petris  glossar  und  dessen  uachdruckern  in  Strafs- 
burg, Nürnberg  und  Augsburg  weist  K.  die  grofsen  Schwierig- 
keiten nach,  mit  denen  Luther  gerade  in  dieser  beziehung  zu 
kämpfen  hatte,  und  deren  Überwindung  durch  den  mitteldeut- 
schen Wortschatz  wir  'zweifellos  Luthers  bibelübersetzung'  (s.  83) 
verdanken,  schon  früher,  in  seiner  bereits  oben  s.  329  er- 
wähnten Jenaer  antrittsvorlesung  vom  jähre  1886,  hat  K.  sich 
über  den  Wortschatz  Luthers,  dessen  md.  gepräge  und  seinen  end- 
lichen sieg  in  der  nhd.  Schriftsprache  des  näheren  ausgelassen,  vgL 
meine  bemerkung  in  der  Zs.  f.  d.  phil.  20  (1887),  48  f.  der  vor- 
liegende abschnitt  gehört  zu  den  besten  des  buches. 

Anschliefsend  an  das  eindringen  der  Schriftsprache  in  die 
Schweiz  und  in  Oberdeutschland  behandelt  K.  im  siebenten  auf- 
satz  den  kämpf  zwischen  Schriftsprache  und  dialect  in  Nord- 
deutschland.  die  dilferenzen  im  inneren  Sprachbau  traten  hier 
nicht  so  stark  hervor,  und  daher  fand  der  einzug  und  eudgiltige 
sieg  der  litteratursprache  hier  früher  statt,  'seit  1570  herscht  in 
den  niederdeutschen  landschaften  die  litterarische  productiou  in  der 
Schriftsprache  fast  ausschliefslich'  (s.  105).  den  kämpf  selbst  illu- 
striert K.  durch  eine  menge  von  daten  aus  der  Sprachgeschichte. 


340  KLUGE    VON  LUTHER  BIS  LESSING 

Wider  ein  schöner  aufsatz  ist  der  nun  folgende  achte  Matein 
und  humanisnuis',  in  welchem  nach  kurzer  betrachtung  des  durch 
das  aufleben  der  classischen  Studien  wider  besonders  begünstigten 
eindriugens  der  Iremdwörter  in  die  deutsche  spräche  der  ge- 
schicke  unserer  nanien  in  ausführlicher  darstellung  gedacht  wird, 
in  der  anwendung  von  fremdwörtern  nimmt  Luthers  'mafsvoller 
purismus'  (s.  112)  eine  besonders  wichtige  Stellung  ein.  auch 
hierin  weifs  sich  der  reformator  mit  grofsem  geschick  den  be- 
dUrfnissen  des  volkes  anzubequemen,  wie  seine  ganze  anwendung 
der  deutschen  spräche  überhaupt  und  seine  immerwährende  Sorg- 
falt für  dieselbe  zunächst  nur  den  ausgangspunct  hat,  mit  seinen 
Schriften  auf  das  volk  zu  würken ,  und  wie  er  erst  in  der  folge 
die  spräche  um  ihrer  selbst  willen  pflegt,  so  hat  auch  sein 
verhallen  gegenüber  den  fremdwörtern  denselben  grund.  hier- 
für beweisend  ist  auch  die  von  K.  s.  112  hervorgehobene  tat- 
sache,  dass  Luthers  bibelüberselzung  noch  weniger  fremdwörter 
aufweist  als  seine  sonstigen  Schriften,  und  Luthers  autorität 
zeigte  auch  hier  wider  ihren  einfluss.  indessen  wird  gegen- 
über dem  iremdwörterunwesen,  welches  die  classischen  Studien 
mit  sich  brachten ,  von  K.  andererseits  mit  recht  die  bereicherung 
unserer  spräche  mit  manchen  nach  classischem  vorbilde  ent- 
standenen Sprichwörtern,  die  nicht  zu  den  schlechtesten  und 
nicht  zu  den  am  wenigsten  gebräuchlichen  gehören ,  hervor- 
gehoben; und  deren  einführung  verdanken  wir  ebenfalls  der  zeit 
der  renaissance.  nach  kurzem  hinweis  hierauf  geht  K.  dann  aus- 
führlich auf  die  namen ,  zunächst  besonders  die  familiennamen, 
dann  die  Vornamen  ein,  deren  bei  den  humanisten  so  beliebte 
latinisierungen,  wenn  auch  äufserlichsler  art,  ja  bekannt  sind; 
und  auch  hier  weifs  K.  den  kämpf  widerstreitender  richtuugen, 
wie  bereits  für  andere  abschnitte  seines  buches  anerkannt  wurde, 
lebendig  darzustellen,  namentlich  der  Stellung  Fischarls  zu  dieser 
frage  und  seiner  nationalen  teudenzeu  wird  ausführlich  gedacht, 
classische  bildung  und  biblischer  eifer  waren  die  feinde  der 
deutschen  namen. 

Der  neunte  und  letzte  abschnitt  'Oberdeutschland  und  die 
katholiken'  beschäftigt  sich  mit  den  letzten  geschicken  der  auf 
md.  sprachgruud  basierten  und  durch  Luthers  autorität  mächtig 
geförderten  Schriftsprache,  hauptsächlich  mit  ihrem  schliefslichen 
sieg  über  die  aus  religiösen  gründen  in  katholischen  kreisen 
Deutschlands  zähe  und  energisch  festgehaltene  unebenbürtige 
nebenstufe  derselben,  freilich  als  die  lilteratursprache  in  ihrer 
ausbreitung  auch  dies  hindernis  überwunden  hatte,  war  sie  nicht 
mehr  Luthers  spräche,  sie  hatte  sich  bereits  weiter  entwickeil, 
wenn  dies  auch  in  dem  sprachlichen  kämpfe  zwischen  katholiken 
und  Protestanten  und  den  katholiken  unter  sich  übersehen  wurde, 
und  das  ist  es,  was  auch  K.  übersieht,  wenn  er  zum  schluss 
seines  buches  (s.  142  f)  nochmals  die  alte  Streitfrage  in  erwäguog 


KLUGE    VON  LIJTHEK   BIS  LESSING  341 

zieht  und  sich  dahin  äufsert,  dass  mit  Luther  'die  neuzeit  unserer 
spräche'  beginne. 

Neben  vielem  bekannten  bietet  das  buch  manches  neue  und 
regt  alte  fragen  wider  an ,  macht  aber  auch  arge  verstüfse  (vgl. 
im  vierten  aufsatz  s.  50,  im  fünften  s.  72,  in  demselben  s.  68 
und  s.  62.  69.  70),  die  das  gesammturteil  über  dasselbe  erheblich 
herabdrücken,  dazu  treten  noch  kleinere  ungenauigkeiten.  so 
muss  es  s.  27  statt:  'syncopierte  formen  wie  glaub,  nam  für 
glaube,  name  heifsen:  'apocopierte';  s.  97  heifst  es:  '1597  über- 
setzt Forstenow  die  hochdeutsche  schrift  Oldendorps  "van  radt- 
slagende"  (1530)  ins  hochdeutsche  .  .  .'.  andere  flüchtigkeilen 
finden  sich  s.  53  und  s.  105  in  der  citierung,  s.  101  im  satzbau: 
'dieser  relativ  schnelle  anschluss  der  niederdeutschen 
landschaften  an  die  moderne  litteratursprache  und  der  darin 
ausgesprochenen  anerkennung.'  aus  alle  dem  geht  mangel 
an  Sorgfalt  beim  abschluss  des  buches  zur  genüge  hervor,  die  dar- 
stellung  ist  fliefsend,  und  die  häufige  einfügung  kleiner  anec- 
dotenartiger  episoden  (vgl.  zb.  s.  39.  57.  77)  ist  entschieden  ge- 
eignet, bei  einem  'gröfseren  publicum'  das  interesse  für  die 
sache  zu  wecken  und  wach  zu  erhallen,  ein  versehen  ist  es  wol 
nur,  wenn  die  schrift  von  KBurdach  Die  einigung  der  nhd. 
Schriftsprache  i,  Halle  1884,  unter  den  'wertvollen  quellenwerken 
und  hilfsmitteln  für  nhd.  Sprachgeschichte'  (s.  viii)  nicht  genannt 
wird,  ich  betrachte  dies  deshalb  nur  als  ein  versehen,  wenn 
auch  ein  recht  unliebsames,  da  die  autoritative  Stellung,  die 
Burdach  gerade  in  den  hier  behandelten  fragen  einnimmt,  auch 
von  K.  unmöglich  übersehen  sein  kann ,  und  Burdach  von  K.  im 
text  (vgl.  s.  45.  71.94)  genau  wie  die  übrigen  'wertvollen  .  .. 
hilfsmitlel'  nur  mit  seinem  namen  citiert  wird ,  obwol  in  den 
anmerkungen  s.  53  und  s.  103  —  ein  zeichen  von  inconsequenz 
—  dieses  buch  trotzdem  dreimal  mit  vollem  titel  aufgeführt  wird. 

Berlin,  im  Januar  1889.  Johannes  Luther. 


Jugendgediclite  von  Christian  Wernigke.  herausgegeben  von  dr  LNeubaur 
(aus  der  Altpreufsischen  nionatsschrift  bd.  xxv.  1888.  heft  1/2). 
Königsberg  i.  Pr.,  verleg  von  Ferd.  Beyers  buchhandlung  (COpper- 
mann.    CThomas).     44  ss.    8°.  —  1,20  m. 

Drei  Jugendarbeiten  des  epigrammalisten  Christian  Wernicke', 
die  bis  jetzt  nur  in  einzigen  exemplaren  (auf  der  Elbinger  stadt- 

*  ref.  schreibt  den  namen  so,  wie  ihn  die  weitaus  gröste  zahl  der 
politischen  berichte  zeigt,  die  Christian  als  dänischer  resident  in  Paris  seiner 
regierung  geschickt  hat.  das  Kopenhagener  actenmaterial  ist  vom  ref.  für 
seine  Wernicke-biographie,  die  gleichzeitig  mit  der  arbeit  Neubaurs  als 
Münchner  dissertation  gedruckt  wurde,  erschöpfend  durchgearbeitet  worden, 
man  findet  noch  die  folgenden  Schreibarten:  Warneck,  Warnack,  Warnecke, 


342  NEUHAUR    .lUGENDGEDlCHTE  VON   WERMCKE 

Itibliotliek)  bekannt  sind  und  schon  durch  Goedeke  in  der  zweiten 
aul'lage  des  Grundrisses  (ni  339  f)  verzeichnet  wurden,  gelangen 
hier  in  sorgfältigem  abdrucke  zur  ersten  veröffenthchung.  iür 
den  forscher  handelt  es  sich  zunächst  nicht  um  den  künstleri- 
schen wert  oder  unwert  dieser  frühen  dichtungen,  sondern  viel- 
mehr um  ihre  eigenschaft  als  documentarische  beitrage  zu  der 
lebensbeschreibung  des  poelen  und  diplomaten.  über  Wernickes 
geburtsjahr,  lieimat,  familie  und  erster  geistesentwickeluug  lag 
eine  schwer  zu  durchdringende  hülle,  die  nun  fortgezogen  ist: 
und  darin  vornehmlich  beruht  die  wissenschaftliche  bedeulung 
der  Neubaursclien  publicalion.  aus  den  reichen  schätzen  des 
geheimarchivs  und  der  kgl.  bibliothek  zu  Kopenhagen,  aus  den 
andeutungen,  die  sich  in  den  vorreden  und  anmerkungen  zu  den 
Uherschrifl'ten  sowie  Schäffer-  gedichten  finden  und  durch  ein, 
materiell  gesichertes,  combinatorisches  verfahren  sowol  vermehrt 
als  im  einzelnen  erweitert  wurden,  sodann  aus  werken  wie 
BWedels  Geheimen  nachrichlen  über  Menantes  liefs  sich  das 
leben  des  mannes  rückentwickelt  darstellen,  bis  zu  dem  zeit- 
puncte,  da  der  Jüngling  sich  in  den  schütz  und  die  lehre  des 
Kieler  professors  DGMorhof  begibt.  was  vor  dieser  periode 
ernster  Studien  liegt,  war  gegenständ  einer  hypothese,  die  durch 
eintrage  in  dem  ältesten  lutherischen  kirchenbuche  der  kurländi- 
schen  stadt  Bauske  hervorgerufen  worden  und  der  würklichkeit 
sehr  nahe  zu  kommen  schien.  Neubaur  hat  durch  einen  glück- 
lichen fund  und  dessen  geschickte  philologische  Verwertung  den 
sicheren  schlussstein  auf  das  gebäude  einer  Wernicke-biographie 
gesetzt,  bisher  also  bestand  die  nicht  unbegründete  Vermutung, 
der  dichter  sei  Sonnabend  den  23  mai  1665  in  Bauske  als  der 
söhn  eines  Peter  W.  geboren,  hiefs  es  doch  ua.  in  der  ein- 
leitung  zur  1  ausgäbe  der  epigramme  (1697):  der  autor  habe  die 
UberschrilTlen  aufgesetzt,  'als  er  noch  nicht  zwantzig  jähre  alt 
war.'  dem  gegenüber  standen  briefliche  äufserungen  aus  den 
Jahren  1712,  1715  und  1724.  in  einem  berichte  an  könig  Fried- 
rich iv  (Paris,  19  febr.  1712),  worin  er  klage  auf  klage  häuft 
über  den  schlimmen  zustand  seines  korpers  und  gemütes,  heifst 
es:  'er  (der  unglückliche  mann)  stände  schon  im  52  jähre  seines 
lebens.'i  danach  wäre  er  ehestens  1660  und  spätestens  1661 
geboren,  aus  den  quellen,  die  früher  dem  forscher  flössen, 
gieng  aufserdem  hervor,  dass  die  heimat  Christians  im  deutschen 
Osten  oder  nordosten  zu  suchen  sei.  JBircherod,  W.s  secretär 
in  Paris  (1716  —  19),  überliefert,  sein  'principal'  habe  ihm  oft- 
mals gesagt,  er  stamme  aus  dem  polnischen  Preufsen,  und 
Warrneck,  Warnicke,  Wernich,  Weriieck,  Wernigk  und  Wernike.  der 
name  seihst  wird  von  dem  aitsächsischen  volke  der  Warini  oder  Werini 
abgeleitet:  aus  Warinher  oder  Werinher  wurde  Warner  oder  Werner,  denen 
die  diminuliva  Warnecke  und  Wernicke  (vgl.  Heinrich  und  Heinicke)  ent- 
sprungen sind.     Wernicke  ist  die  nd.  spracliform. 

'  geheimarch.  zn  Kopenhagen:    Relaliones  aus  Franckreich. 


>EUBAUR  ju(;ei\I)Gei>[chte  von  werimokf.  343 

ihm  persönlich  manches  über  dieses  merkwürdige  land  erzählt', 
wie  denn  VV.  selbst  sich  in  der  anmerkiing  zum  epigramm  Ileuraht 
des  alten  Chlorus-  einen  Preufsen  von  geburt  nennt,  in  der- 
selben l'ufsnote  finden  sich  auch  bemerkungen  über  seine  lamilie: 
er  sei  'von  abkunfft  väterlicher  seite  ein  Sachse,  von  müt- 
terlicher Seite  ein  Engelländer.' 

Die  fragen,  welche  die  unbestimmte  art  dieser  angaben  offen 
liefs,  werden  durch  die  Jugendgedichte  und  die  in  ihnen  er- 
schlossenen quellen  nunmehr  für  immer  klar  und  unzweideutig 
beantwortet. 

Elbing  gibt  Wernicke  in  den  Jugendgedichten  mehrfach  als 
seine  geburtsstadt  an;  Elbing  ist  der  druckort  des  bedeutendsten 
Stückes  —  Die  vom  Himmel  -  Agamppen  herstammende  Krippe- 
Klippen  Beehret  Mit  nngeschihten  Lippen  Christian  Wernigke  oder 
Lob-Gedicht  Über  die  Gnaden-volle  Geburt  Christi  (nr  i)  —  und  der 
lateinischen  totenelegie  auf  Catharina  vDambitz,  die  gattin  des 
preufsischen  historikers  und  Elbinger  burggrafen  Israel  Hoppe 
(nr  m),  was  die  familienverhältnisse  Christians  angeht,  so  schöpfte 
der  herausgeber  neben  der  handschriftlichen  widmung,  welche 
das  Elbinger  exemplar  trägt  (Seiner  HochgeEhrten  Fraw  Muhmen 
Der  Edlen  Viel  Ehr  und  Tugend  -  Reichen  Fr.  Regina  Offkien  ge- 
bohrnen  Schmydtin  von  Cordleu  usw.),  aus  verschiedenen  gratu- 
lationsgedichten  zur  hochzeit  der  eitern,  den  seit  1623  erhaltenen 
taufregistern  der  Marienkirche,  Carl  Dietrich  Zamehls  Elbinger 
nekrologien ,  den  Genealogiae  Elbingenses  von  Gottfried  Zamehl 
(beide  im  ms.),  und  einer  grabschrift  an  der  mauer  des  genannten 
gotteshauses:  aus  diesem  material  liefs  sich  recht  wol  eine  kurze 
geschichte  des  geschlechtes  entwickeln,  zu  deren  erläuterung 
zwei  vortreffliche  Stammtafeln  hergestellt  wurden.  Sir  Bernard 
Burkes  History  of  the  landed  gentry  of  Great  ßritain  and  Ireland 
(London  1882)  erwies  sich  als  ergibige  hilfsquelle. 

Johannes  Wernicke,  der  vater,  nannte  das  sächsische  Als- 
leben  seine  heimat;  er,  der 'so  oft  viel  ungemach  und  unglücks- 
sturm  gesehen',  landete  von  ungefähr  im  polnischen  Thorn,  wo 
er  sich  schnell  heimisch  machte,  zu  Elbing  suchte  er  sich  eine 
lebensgefährtin  von  Preusch- Engelländscher  art:  am  7  jan.  1647 
fand  seine  Vermählung  mit  Cordula  Smyth  von  Cuerdley  statt,  die 
ihrer  Freunde  Zier,  Und  aller  Jungfern  Bluhm.  der  vater  des 
mädchens ,  Anton  Smyth ,  stammte  aus  einem  altenglischen  ge- 
schlechte, das  vor  einem  Jahrhundert  in  dem  polnisch -preufsi- 
schen Elbing  bürgerliche  rechte  erworben  und  mit  anderen,  zu- 
meist adligen  landsleuten  eine  handelskolonie  begründet,  es  hatte 
einst  die  tochter  des  begüterten  und  angesehenen  Kaspar  vDam- 
bitz, Catharina,  den  Bichard  Whitelocke  de  la  Beche  geheiratet; 
die  tochter  dieses  pares,  gleichfalls  Catharina  genannt,  war  Cor- 

'  B.s  tagebuch  in  der  Kopenhagener  kgl.  bibliothek. 
-  Schweizer -ausgäbe  1749  s.  31. 


344  iNEUnAÜR    JUGENDGEDICHTE  VON  WERNIGKE 

dulas  mutier.  Richards  familie  blickte  aul  eine  ehrwürdige  Ver- 
gangenheit zurück,  ein  ahn,  John  Whitelocke  von  Berkshire, 
der,  reich  an  besitz,  zu  Zeiten  Heinrichs  vi  lebte,  hatte  sich  mit 
einem  uralten,  schon  in  den  tagen  Wilhelms  des  eroberers 
blühenden  geschlechte  durch  heirat  verbunden :  dem  hause  de 
la  Beche.  Johns  urenkel  Riciiard  Whitelocke  (geb.  um  1533,  gest. 
in  Bordeaux  1570)  gab  die  ritterlichen  traditionen  der  altvordern 
auf  und  wurde  kaulmaun.  dieses  ist  der  urgrofsvater  unseres 
Christian  gewesen,  sein  zwillingssohn,  Sir  James  W,  (1570  bis 
1632),  ein  hoher  englischer  gerichtsbeamter,  erzeugte  mit  Eli- 
sabeth Bulstrode  den  Sir  Bulstrode  W.,  eine  persönlichkeit,  die 
in  der  geschichte  ihres  Vaterlandes  eine  bedeutende  Stellung  ein- 
nahm (1605  —  1673;  1659  first  commissioner  of  the  great  seal). 
er  war  des  jungen  Wernicke  grofsvetter,  nicht  (wie  Neubaur  sagt) 
'grofsoheim'.  dreimal  verheiratet,  hat  er  17  kinder  in  die  weit 
gesetzt,  von  denen  noch  verschiedene  am  leben  waren,  als  sich 
Wernicke  zu  beginn  der  90er  jähre  in  Britannien  aufhielt,  eine 
Schwester  der  niutter  Cordula  war  mit  Francis  Olfley  vermählt: 
nach  DZamehl  ist  dieser  oheim  Christians  regis  Angliae  camerariiis 
intimus  gewesen  und  hat,  von  England  heimkehrend,  auf  dem 
meere  seinen  Untergang  gefunden,  das  waren  die  familien,  in 
welche  Johannes  Wernicke  hineinkam,  in  des  sohnes  epigramm 
auf  den  tod  der  Cordula'  steckt  also  etwas  wesentliches:  seine 
'blulsfreunde'  waren  tatsächlich  'grofse  herrn'.  im  jähre  1656 
finden  wir  den  vater  Johannes  als  stadlsecretär  zu  Elbing,  wo 
Christian  als  zweites  kind  im  Januar  1661  geboren  wurde,  ein 
älterer  bruder  Daniel  war  sehr  früh  gestorben  (1654  —  58).  unter 
dem  27  jan.  ist  der  zweitgeborene  als  gelauft  vermerkt;  nach 
verschiedenen  ähnlichen  eintragungen  zu  schliefsen,  fiele  der  ge- 
burlstag  auf  den  25  des  monats.  patricier  und  ein  berühmter 
arzt,  Jakob  Homodaeus  mit  namen,  hoben  den  knaben  aus  der 
taufe,  in  zartem  alter  verlor  Christian  den  vater:  Johannes 
segnete  am  22  april  1669  diese  zeillichkeit.  die  anschauung, 
dass  die  geistige  und  sittliche  erziehung  des  jugendlichen  Wer- 
nicke die  beste  und  edelste  gewesen,  findet  man  aufs  neue  be- 
stätigt, er  bezieht  zunächst  (mai  1667)  das  Elbinger  gymnasium; 
seine  lehrer  sind  Friedr.  HolTmann,  Peter  Behm,  Daniel  Holst,  die 
als  treffliche  philologen  und  gewandte  lateindichter  gepriesen 
wurden.  Holst  trat  später  in  die  Stadtverwaltung  ein  und  starb 
als  ratsherr;  das  Lobgedicht  auf  die  geburt  Christi  ist  mit  über- 
schwänglicben  ruhmeserhebungen  dem  guten  Behm  zugeeignet 
worden,  auch  innige  freundschaften  schliefst  Wernicke  auf  der 
schule,  wie  mit  Christian  Treschenberg,  einer  gleichgestimmten 
Seele,  die  schlussverse  der  Krippen-Klippen ,  die  der  freund  ver- 
fassl  hat,  und  eine  gemeinsame  dichtung  (nr  n)  legen  Zeugnis 
davon  ab.  ein  kurzer  besuch  des  Thorne^"  gymnasiums  soll  den 
'  Schw.-ausg.  s.  202. 


NEUBAUR    JUGENDGEDICHTE  VON  WERNIGKE  345 

siebenzehnjährigen  für  die  Universität  gehörig  vorbereiten;  die 
oberclasse,  wo  lacultätswissenschaften  gelehrt  wurden,  galt  als 
gediegene  academische  Vorschule,  zwei  lehrer  des  gymnasiums 
machten  sich  in  jener  zeit  um  die  anstalt  und  die  Wissenschaft 
besonders  verdient:  rector  König,  ein  ausgezeichneter  gelehrter 
und  tüchtiger  schulmann,  und  professor  Christian  Hartknoch, 
der  bekannte  kirchenhistoriker.  so  weit  reicht  stofflich  Neubaurs 
skizze. 

Um  die  wende  des  8  oder  im  beginn  des  9  Jahrzehnts  wurde 
Christian  nach  Kiel  geschickt  und  dem  meister  Morhof  zur  'auf- 
sieht und  Unterweisung'  anvertraut,  es  galt  bisher  als  ausgemacht, 
Wernicke  sei  1685  in  Kiel  gewesen  oder  gar  erst  in  diesem 
jähre  nach  Kiel  gekommen :  man  berief  sich  dabei  auf  ein  epi- 
gramm  des  vierten  buches,  welches  die  Überschrift  Mopstis,  ge- 
schrieben zu  Kiel  1685'  trägt  und  für  eines  der  ältesten  stücke 
in  der  Sammlung  gehalten  wurde,  nun  verlegt  aber  VV.  selbst 
den  abschluss  seiner  Jugendpoesie  in  das  jähr  1685  (ausgäbe 
1697)  —  zwischen  diesem  zeilpuncte  und  dem  Kieler  aufent- 
halte  liegen  jedoch  drei  jähre,  welche  er  am  hole  der  Amaryllis, 
der  gräfin  Katharina  Hedwig  von  Uanizau  zu  Rantzau,  Breitenburg 
und  Drage,  zul)rachte;  er  muste  also  spätestens  im  anfang  des 
Jahres  1683  Kiel  verlassen  haben,  mithin  geht  man  nicht  fehl, 
wenn  man  seinen  eintritt  in  das  haus  Morliofs  zeitlich  so  be- 
stimmt, wie  es  oben  geschehen,  demgemäfs  vvürde  das  epigramm 
auf  Mopsus  nicht  am  anfang,  sondern  gerade  am  ende  der 
Jugenddichtung  stehen,  wohin  es  auch  würklich  gehört,  denn 
dieses  kleine  gedieht  weist  schon  den  grundzug  eioer  freieren 
technik  auf,  als  sie  Wernicke  auf  der  ersten  stufe  seines  Schaf- 
fens besitzen  und  ausüben  konnte. 2  dem  schüler  Morhofs  waren 
kürze  und  prägnanz  das  oberste  gesetz.  in  30  versen  wird  eine 
iigur  hingestellt,  die  durchaus  der  würklichkeit  nachgebildet  ist: 
einer  jener  armseligen ,  elegant  herausgeputzten  ritter  des  hof- 
parketts  mit  leerem  köpf  und  leerem  magen.  so  beobachtet 
kein  unerfahrener  Jüngling,  der  eben  in  das  leben  hineinguckt, 
sondern  nur  der  fortgeschrittene  mensch,  welcher  sich  in  der 
weit  schon  ein  wenig  umgesehen. 

Unsere  anschauungen  über  Wernickes  allgemeine  wissen- 
schaflhche  Vorbildung  erleiden  nun  in  so  fern  eine  bestimmte 
modification ,  als  wir  das  wissen  des  angehenden  hochschülers  zu 
niedrig  angeschlagen  hatten,  er  ist  fertiger  zu  dem  grofsen 
Philologen  gekommen ,  als  man  annehmen  konnte,  die  jugend- 
poeme  geben  über  seine  weitgreifende  belesenheit  in  den  alten, 
mittleren  und  neuesten  laleinern,  über  seine  gründliche  kenntnis 
der  bibel  und  kirchenschriftsteller,    über  seine  gewandtheit,  das 

»  Schw.-ausg.  s.  93  —  95. 

2  vgl.  dazu  einleitung  zur  ausg.  1704  bezw.  Schw.-ausg.  einleitung 
2  bogen,  1  lilatt. 

A.  F.  D.  A.    XV.  23 


346  NEÜBAUR    JUGENDGEDICHTE  VON  WERNIGKE 

lateinische  wie  die  miittersprache  zu  gebrauchen  und  dichterisch 
zu  verwerten,  reichHchen  und  willkommenen  aufschluss.  manches 
findet  sich  im  keime  vor,  was  durch  Morhofs  Unterricht  zur 
blute  gebracht  und  veredelt  worden  ist.  auf  die  sittliche  er- 
ziehung  des  kuaben  hat  unseres  erachtens  die  mutter  am  stärksten 
gewilrkt,  welche  Christian,  frühe  vaterlos,  mit  der  ganzen  liebe 
seines  jungen  herzens  umfieng.  in  lyrisch  gestimmten  epigrammen 
klingen  diese  Jugendgefühle  nach.'  die  feine,  vornehme  frau  er- 
weckte in  ihm  den  aristokratischen  sinn ,  welcher  später  ein 
dement  seiner  eigenart  wurde,  lehrte  ihn  'dasjenige  zu  erkennen, 
was  man  hassen  soll',  bildete  durch  ein  gutes  beispiel  seine 
manieren  und  unterwies  ihn,  früh  auf  eigenen  füfsen  zu  stehen. 
Wernickes  stolzes  eingeständnis,  'er  sei  von  Jugend  auf  gewöhnt, 
nullius  in  verba  jurare  magistri',  hat  nicht  blofs  eine  lilterarische 
bedeutung.  aber  auch  sein  religiöses  empfindungsieben  erhielt 
im  eiternhause  den  entscheidenden  character.  seine  Jugend  stand 
unter  den  eindrücken  einer  protestantisch -orthodoxen  religions- 
anschauung,  in  welcher  er  sein  ganzes  dasein  hindurch  verharrte, 
gerade  die  einseitige  klarheit,  mit  der  er  in  den  jähren  der  ver- 
slandesreife  das  vernunftgesetz  mit  dem  überlieferten  gesetz  des 
Christentums  in  einklang  zu  bringen  suchte,  beweist,  dass  die 
wurzeln  seiner  religiösen  ansichten  sehr  tief  und  fest  lagen,  wenn 
ihm  das  Christentum,  wie  es  tatsächlich  der  fall  war,  nur  ein 
regulativ  des  lebens  sein  sollte,  von  dem  er  sich  weder  äufser- 
lich  noch  innerlich  lossagen  konnte,  so  muste  es  in  seiner  jugend 
ein  bedeutendes  bildungselement  gewesen  sein. 

Im  allgemeinen  zeigte  wol  der  junge  Wernicke  als  haupt- 
merkmale  frühreife  und  Selbständigkeit;  ein  bewegtes  leben,  welches 
eine  sonderbare  Vereinigung  von  Irrtum  und  wahrheit,  von  mangeln 
und  Vorzügen,  von  niederlagen  und  erfolgen  aufweist,  wartete 
seiner  und  stellte  ihn  auf  eine  harte  probe,  nicht  aus  allen 
fährlichkeiten  gieng  er  mit  heiler  seele  hervor,  nach  einer  un- 
ruhigen zeit  der  abenteuer  und  der  not  wird  er  von  der  dänischen 
regierung  nach  Paris  geschickt,  eine  beschränkte  diplomatische 
Stellung,  in  welcher  es  ihm  trotz  allem  eifer  nicht  beschieden 
war,  den  kreis  seiner  begabung  ganz  zu  durchlaufen,  rieb  die 
schönsten  kräfte  auf  und  Tiefs  die  litterarischen  fähigkeiten  nicht 
zur  entfaltung  gelangen,  er  war  nicht  glücklich  in  dem  glänzen- 
den elend  und  traurig  im  alter. 

Die  frühreife  offenbart  sich  auch  in  den  drei  Jugendgedichten, 
die  Wernicke  —  nach  Neubaur  —  während  des  letzten  aufent- 
haltes  zu  Elbing  und  wahrscheinlich  auch  zu  Thorn  geschrieben 
hat.  der  dichter  beherscht  die  formen  der  zeitgenössischen  poesie 
mit  erstaunlicher  fertigkeit  und  glätte,  und  behandelt  die  spräche 
mit  überlegener  gewandtheit.  der  dichterische  ausdruck  ist  scha- 
blonenhaft   Hoffmannswaldau    nachgeahmt,    welchen  Christian    in 

'  vgl.  Schw.-ausg.  s.  132  f. 


NEUDAUR    .lüfiENDGEDICHTE  VON  WERNIGKE  347 

der  Jugend  als  held  und  abgott  verehrte,  in  den  jaliren  der 
reife  aber  als  scliadenbringer  verfolgte.  Wendungen  wie  Tage- 
Printz  für  sonne,  der  Künstler  Opitzin  für  lerche,  könnten  wört- 
lich in  den  gedichten  des  Schlesiers  stehen,  stofflich  und  dem 
gedankeninhalt  nach  ist  der  hymuus  auf  Christi  geburt  das  con- 
fuse  erzeugnis  eines  unklaren  kopfes,  der  Jüngling  prunkt  mit 
einer  rohen  Vermischung  von  christlicher  religionsanschauung 
und  antikem  sagenkram,  die  idee,  statt  des  evangelischen  engeis 
den  Sternen- Hirten- Printz ,  dh.  den  mond,  nach  Nazareth  Maria 
zu  senden  und  ihn  in  einem  sonnet  die  geburt  des  goltessohnes 
künden  zu  lassen,  ist  abgeschmackt  und  töricht,  entspricht  aber 
durchaus  der  zeit,  die  beiden  gelegenheitsgedichte  geizen  nicht 
mit  den  übertriebenen  lobreden ,  die  in  jenen  tagen  selbst  dem 
unbedeutendsten  Verdienste  gespendet  wurden. 

München.  Julius  Elias. 


Johann  Elias  Schlegel  von  dr  Eugen  Wolff,  privatdocent  an  der  Universität 
Kiel.     Berlin,  Oppenheim,  1889.     iv  und  219  ss.     8".  —  4  ni. 

Johann  Elias  Schlegel,  von  professor  dr  Sef.i.iger.  separat-abdruck  aus 
den  Mitteilungen  des  Vereins  für  geschichte  der  stadt  Meifsen.  1888. 
bd.2,  heft2  s.  145— 188. 

Der  verf.  der  ersten  schrift  hat  in  seiner  dissertation  über 
Karl  Gotthelf  Lessing  und  in  der  einleitung  zum*  neudrucke  von 
dessen  Mätresse  (DLD  28)  sich  als  guten  kenner  der  stürm-  und 
drangzeit  gezeigt;  er  ist  aufserdem  neuerdings  mit  einigen  recen- 
sionen  und  mit  zwei  flugschriften ,  einer  gegen  Sardou  gerichteten 
und  einer  zur  empfehlung  der  'moderne',  der  jüngsten  deutschen 
dichterschule,  geschriebenen,  hervorgetreten,  auf  grund  der  vor- 
liegenden arbeit  hat  er  sich  in  Kiel  habilitiert  und  eine  ausführ- 
liche arbeit  über  Gottsched  und    seine  zeit  stellt  er   in  aussieht. 

Nachdem  Danzel  mit  einer  gerechteren  Würdigung  Schlegels 
begonnen  hatte,  gab  Söderhjelm  1884  in  seiner  schwedisch  ge- 
schriebenen monographie  einen  lebensabriss,  eine  gründliche 
quellenanalyse  der  lustspiele  und  eine  gehaltreiche  characteristik 
der  übrigen  werke  des  dichters;  als  treffliche  ergänzung  dazu 
folgte  1887  vAntoniewiczs  einleitung  zum  neudruck  der  ästheti- 
schen und  dramaturgischen  Schriften  Schlegels,  über  die  ref. 
Anz.  XIV  273  berichtet  hat.  eingehender  behandlung  wert  blieben 
nun  noch  besonders  die  dramen,  die  lyrik,  die  dichterische 
spräche  und  etwa  das  persönliche  und  schriftstellerische  Ver- 
hältnis Schlegels  zu  Gottsched,  eine  alles  umfassende  monographie 
lief  also  bei  der  tüchtigkeit  der  vorarbeiten  gefahr,  zum  guten 
teile  sich  auf  widerholungen  beschränken  zu  müssen,  wenn  sie 
nicht  mit  wichtigen  neuen  quellen  arbeitete,  und  das  ist  bei 
VV.   tatsächlich    nicht    der    fall;    denn  die  schon  oft  sehnlich   ge- 

23* 


348  WOLFF  SCBLEGEL 

suchten  briefe  Bodmers  an  Schlegel  hat  auch  er  nicht  gefunden, 
aus  den  ungedruckten  briefen  aber,  die  sich  im  besitze  des  justi- 
tiarius  Schlegel  in  Kopenhagen ,  des  prolessor  Litzmaun  in  Jena 
und  in  GKestuers  Sammlung  finden,  ist  nur  in  kleinigkeilen 
manche  interessante  ergänzung  oder  berichtigung  gewonnen  wor- 
den, die  vom  verf.  als  ungedruckt  bezeichneten  briefe  Schlegels 
an  Gottsched  waren  bereits  in  der  an  zweiter  stelle  zu  besprechen- 
den abhandlung  gedruckt,  am  meisten  interessiert  noch  eine  auf 
der  Berliner  königlichen  bibliothek  gefundene  handschriftliche  ge- 
dichtsammlung  von  Schlegels  vater,  die  auf  des  dichters  jugend- 
lyrik  eingewürkt  zu  haben  scheint. 

Schade,  dass  die  abhandlung  ohne  irgend  welche  gliederung 
rein  chronologisch  des  dichters  geschicke  und  leistungen  bespricht 
und  so,  indem  sie  werke  der  verschiedensten  gattungen  durch 
einander  mischt,  kein  rechtes  biki  von  dem  ästhetiker,  dem  dra- 
matiker,  dem  lyriker  gibt,  eine  getrennte  behandlung  der  einzel- 
gebiete, wie  sie  Söderhjelm  oder  Minor  in  seinem  Weifse  gewählt 
hatten,  war  gerade  bei  einem  schriftsteiler  besonders  am  platze, 
dessen  Iheorie  und  praxis  keineswegs  eng  mit  einander  ver- 
wachsen sind. 

Von  dem  leben  Schlegels  wird  sich  der  leser  aus  den  zer- 
streuten angaben  kaum  ein  bild  zusammensetzen  können ;  in 
allem  wesentlichen  fufst  W.  auf  Söderhjelm.  dass  sein  vater  das 
opfer  der  Verfolgung  von  gewissen  landadligen  geworden  sei 
(s.  89),  ist  vvol'  Phantasie,  in  diese  unglitcklichen  häuslichen 
Verhältnisse  bringt  erst  Seeliger  licht.  —  für  das  verwickelte  Ver- 
hältnis Schlegels  zu  seinem  lehrer  G  ottsched  hatte  schon 
Danzel  (Gottsched  u.  s.  zeit  s.  144)  eine  genauere  darstellung  ge- 
fordert. W.  beurteilt  Schlegels  neutrale  Stellung  zwischen  Gott- 
sched und  den  Schweizern  wol  richtiger  als  Söderhjelm,  der  ihn 
geradezu  Falslaffischer  zweizüugigkeit  beschuldigt,  die  slreit- 
puncle  in  jenem  zwiste  waren  meist  für  ihn  ohne  Interesse,  und 
dankbarkeit  gegen  seinen  alten  gönner  Gottsched  liefsen  ihn  den 
bruch  mit  diesem  vermeiden  ,  während  die  hochachtung  vor  Bod- 
mers einsieht  ihn  zur  anknüpfung  eines  briefwechsels  mit  diesem 
trieb,  diese  vorsichtige  Zurückhaltung  würde  freilich  an  feigheit 
streifen,  wenn  'der  friedliche  Sachse',  wie  W,  s.  80  meint,  für 
seine  abhandlung  von  der  nachahmung  die  farblose  mathematisch- 
demonstrative form  wählte ,  weil  sie  beiden  parteien  genehm  ge- 
wesen sei ;  für  ahstracte  Stoffe  war  das  aber  die  allgemein  übliche, 
dass  Schlegel  sich  in  Leipzig  zuerst  aus  sachlichen  und  persön- 
lichen erwägungen  von  Gottsched  fern  gehalten,  aufmerksam  die 
Schriften  der  gegner  studiert  und  erst  im  zweiten  Studienjahre 
sich  ihm  genähert  habe,  wird  (s.  26)  behauptet,  nicht  begründet.  — 
bei  den  lyrischen  gedichten  ist  (s.  58)  der  einfluss  Hallers 
hübsch  nachgewiesen ;  von  ungedruckten  liedern  des  dichters  an 
seine  braut  gibt  der  verf.  eine  probe  in  alexandrinern ,  die  eine 


VVOLFF  SCHLEGEL  349 

gelegentliche    Veröffentlichung    der    übrigen    wünschenswert    er- 
scheinen lässt. 

Der  besprechung  der  dramen  hatW.leider  nicht,  wie  in 
seiner  dissertation  über  Karl  Lessing,  kurze  inhaltsangaben  vor- 
ausgeschickt; die  ästhetische  Würdigung  derselben  schwebt  daher 
in  der  luft;  auch  würde  dann  Schlegels  Stellung  zu  den  quellen 
am  ersten  klar  geworden  sein ,  zb.  bei  den  Trojanerinnen ,  die  aus 
drei  antiken  stücken  zusammengearbeitet  sind,  etwas  doctrinär 
klingt  der  satz,  dass  Schlegel  zwar  von  den  Griechen  ausgehe, 
aber  'in  unwillkürlicher  erkenntnis  von  den  gränzen  seines  talentes 
und  seiner  zeit  sich  schrittweise  den  Franzosen  nähere.'  der  verf. 
bemüht  sich,  diesen  gang  der  entwickelung  nachzuweisen  und 
sieht  daher  das  verdienst  des  ersten  Stückes,  der  Trojanerin- 
nen, desseu  endgiltige,  vom  ersten  entwurf  erheblich  ab- 
weichende i'assung  freilich  erst  in  spätere  jähre  fällt,  darin,  dass 
Schlegel  unmittelbar  auf  die  alten  zurückgriff,  ohne  sich  des 
mafsstabes  der  Franzosen  zu  bedienen,  und  dass  er  dadurch 
seiner  tragödie  eine  von  keinem  Zeitgenossen  erreichte  würde, 
besonders  in  der  spräche,  verlieh,  beides  bedarf  einer  ein- 
schränkung.  W.  gibt  selbst  zu,  dass  der  character  des  Aga- 
memnon 'durch  einmischung  moderner  züge  aus  der  antiken 
grundstimmuug  der  tragödie  herausfalle.'  dieser  weinerliche  und 
doch  aufgeklärte  Agamemnon  lehnt  sich  aber  offenbar  an  den  in 
Racines  Iphigenie,  und  ebenso  hat  Ulixes  gegen  die  rauhheit 
seiner  antiken  Vorbilder  die  höfliche  Verschlagenheit  des  Racine- 
schen  eingetauscbt.  aber  auch  sonst  ist  der  einfluss  der  Gott- 
schedischen, dh.  der  französischen  regeln  zu  spüren:  die  scenen- 
bindung  wird  eingehalten,  längere  monologe,  an  denen  die 
originale  nicht  arm  sind,  werden  vermieden,  die  einfache  hand- 
lung  wird  durch  zusammenziehen  von  drei  stücken  in  eins  ver- 
wickelt und  zur  intrigue  verdichtet,  wenn  andererseits  die  von 
den  Zeitgenossen ,  besonders  von  Nicolai  gerühmte  hoheit  der 
tragischen  spräche  Schlegels  gewis  auch  auf  den  einfluss  der 
Griechen  zurückzuführen  ist,  so  steht  sie  doch  und  zwar  in 
diesem  ersten  stück  nicht  minder  wie  im  letzten,  im  Canut,  dem 
classischen  drama  der  Franzosen ,  dem  es  doch  wahrlich  auch 
nicht  an  würde  fehlt,  schon  durch  den  starken  einfluss  des 
alexandriners  auf  satzbau  und  rede  viel  näher,  an  den  Griechen 
veredelte  Schlegel  im  ganzen  seinen  geschmack;  im  einzelnen,  zb. 
in  den  stehenden  metaphern  machte  er  sich  von  dem  banne  Gott- 
scheds und  der  Franzosen  nicht  los.  leider  geht  W.  auf  die  spräche 
der  dramen  nicht  näher  ein. —  das  bestreben,  einen  fortschritt 
zu  erweisen ,  lässt  den  verf.  den  wert  der  etwa  gleichzeitig  ent- 
standenen Jugendarbeit  Or  est  und  Pylades  überschätzen,  'aus 
der  weise,  in  welcher  Schlegel  hier  seine  quelle  bearbeitete, 
spricht  bereits  die  klare  erkenntnis  mancher  unverwischbaren 
unterschiede  zwischen    antikem   und  modernen  empfinden'  s.  11. 


350  WOLFF  SCHLEGEL 

nüchtern  gesagt,  der  junge  schüler  Gottscheds  arbeitet  nach 
dessen  Dichtkunst  und  im  rationaUslischen  sinne  der  zeit  die 
taurische  Iphigeuie  des  Euripides  um:  so  gibt  er  der  hebiin  eine 
vertraute,  Eulrophe,  um  den  chor  zu  ersetzen,  monoioge  zu 
umgehen  und  die  sceneubindung  moghch  zu  machen;  so  muss 
sich  Orest  lür  einen  Trojaner  ausgeben,  damit  die  handlung  ver- 
wickelter vvinl  usf.  wenn  W.  'die  erbebung  der  ganzen  label 
auf  die  höbe  moderner  Sittlichkeit'  rühmt,  so  haftet  doch  den 
geschwistern  in  so  fern  ein  makel  an,  als  sie  beide  ihre  griechische 
abkunft  verläugnen.  W.  bezieht  sein  überscbwänglicbes  lob  aller- 
dings besonders  auf  den  veränderlen  schluss  des  Stückes:  hier 
stirbt  Thoas,  dessen  characterzeichnung  übrigens  mislungen  ist, 
als  Vertreter  der  barbarei,  und  der  oberpriester  Hierarchus,  am 
ende  doch  nur  der  ins  rationalistische  übersetzte  deus  ex  machina 
des  Euripides,  begrüfst,  milde  gestimmt  durch  einen  unmotiviert 
hervorgeholten  orakelspruch,  die  drei  gefangenen  als  schöpfer 
eines  reineren  gotlesdieustes.  ist  das  würklich  'der  weg,  auf 
welchem  später  Goethe  antike  grofse  durch  das  ideal  moderner 
humanität  verklärte'?  —  'was  der  Dido  in  den  äugen  der  Zeit- 
genossen hauptsächlich  wert  verlieb,  war  widerum  die  tragische 
spräche.'  wer  sind  diese  Zeitgenossen?  Gottsched  nahm  aller- 
dings parteiisch  und  zu  Schlegels  verdruss  dem  Hermann  gegen- 
über 'die  zärtlichen  leidenscbaften  und  den  natürlichen  ausdruck' 
der  Dido  in  schütz.  Bodmer  fand  das  stück  'nicht  übel',  da- 
gegen führt  W.  Schlegels  eigene  bemerkung  an  Bodmer  an,  dass 
Dido  nicht  frei  von  kriechenden  ausdrücken  sei,  und  der  bruder 
sagt  im  Vorbericht  geradezu:  auch  diejenigen,  die  von  den  schön- 
heilen der  Dido  am  meisten  gerührt  sind,  werden  in  derselben 
bin  und  wider  die  edle  spräche  vermissen  ,  die  von  der  iragödie 
gefordert  wird,  und  die  den  nachherigen  arbeiten  des  verf.s  so 
eigen  ist.  Schmids  Chronologie  (s.  116)  nennt  1775  das  stück  eine 
matte  und  geschwätzige  schülerarbeit,  wenig  wahrscheinlich  ist  des 
verf.s  Vermutung,  dass  die  abweichungen  im  text  der  Dido  im  5  band 
der  Schaubühne  (1744)  von  dem  in  den  Werken  (1761)  'dem  an- 
scheine nach  von  unglücklichen  änderungen  Gottscheds  herrühren' 
dürften,  wofür  er  ein  beispiel ,  das  erste  aus  dem  ersten  auftritt 
des  ersten  aufzuges ,  anführt,  wozu  so  unnötig  steine  auf  Gott- 
sched werfen?  da  Schlegel  selbst  seine  Dido  tadelt,  da  sein  eifer 
im  ausfeilen  seiner  werke  bekannt  ist,  da  schliefslich  der  bruder 
in  der  hs.  immer  noch  manches  als  verbesserungsbedürftig  an- 
gestrichen fand,  so  druckte  doch  wol  Gottsched  die  ursprüng- 
liche fassung  ab,  und  der  herausgeber  der  Werke  benutzte  später 
die  handschrifllicben  änderungen  seines  bruders.  in  der  tat  sind 
diese  änderungen  fast  immer  stilistische  Verbesserungen:  füll- 
silben  sind  beseitigt,  frostige  metaphern  und  derbe  ausdrücke 
durch  geschmackvollere  ersetzt,  hier  einige  beispiele:  ni  4  für: 
allhier  mit  leichter  müh   heifst  es:    hier  mit  geringer  müh,     iv  2 


WOLFF  SCHLEGEL  351 

für :  wetin  mein  verzweifelnd  herz  den  Ursprung  seiner  pein ,  den 
henker  der  es  kränket,  —  ohne  den  pöbelhaften  henker:  deti,  der 
durch  untreii  mich  bis  zur  Verzweiflung  kränket,  ähulich  iv  6 
brüst  lür  eingeweyd  iia.  —  mit  dem  Hermaiio  macht  nach  W.s 
meinuDg  Schlegel  gleich  drei  schritte  auf  einmal  vorwärts  (s.  43): 
'der  moderne  geist(?)  wird  speciell  national,  der  stoff  gleichfalls 
national,  die  technik  durchaus  modern  und  vorwiegend  französisch' 
(mit  dem  vieldeutigen  wort  'modern'  treibt  der  herold  der  'moderne' 
einen  wahren  misbrauch).  der  verf.  badet  sich  förmlich  in  be- 
geisterten phrasen:  'mit  dem  Hermann  sehen  wir  ihn  vollbewusl 
den  ersten  schritt  zur  begründung  eines  deutschen  nationaltheaters 
wagen',  'er  strebt  nach  einer  modernen  kunstform',  'Schlegels 
Hermann  muss  als  grundpfeiler  der  nationalen  richtung  im  deut- 
schen drama  überhaupt  gelten'  usf.  eine  angäbe  über  inhalt  und 
aufbau  des  Stückes  war  lehrreicher,  manches  ist  schief,  so 
soll  Schlegel  'die  äufserliche  abfiuduug  mit  der  regel  von  zeit 
und  ort  bei  Seite  lassen.'  das  heifst  doch  wol,  er  setzt  sich  über 
diese  schranken  hinweg?  aber  so  sehr  er  theoretisch  diese  äufser- 
lichen  regeln  bekämpft  hat,  in  der  praxis  hat  er  sie  peinlich 
befolgt  und  so  spielen  zum  grol'sen  schaden  für  die  würkung 
des  Stücks  alle  5  acte  in  einem  heiligen  hain  vom  mittag  die 
nacht  hindurch  bis  zum  nächsten  morgen.  —  den  Lohenstein- 
schen  Arminiusroman ,  den  noch  Mendelssohn  im  311  litteratur- 
briefe  sehr  lobt,  benutzte  Schlegel  vielleicht  doch  stärker,  als  W. 
glaubt,  der  heilige  hain,  der  die  scene  bildet,  das  bei  Florus 
nur  angedeutete  an  Rousseau  anklingende  gespräch  des  Flavius 
mit  seinem  vater  über  römische  cultur  und  germanische  sitten- 
einfalt,  Thusneldas  teilnähme  am  kämpf,  das  alles  erinnert  an 
Lohenstein.  —  der  Vorwurf  Söderhjelms,  dass  die  charactere  des 
Stücks  dem  namen  nach  deutsch,  in  Wahrheit  aber  die  alten 
französischen  typen  seien,  dass  Hermann  also  keinen  fortschritt 
bedeute,  ist  nicht  widerlegt.  VV.  erinnert  selbst  an  die  ähnliche 
gruppierung  in  Corneilles  Horace ,  was  freilich  schon  Cholevius 
getan  hatte.  Flavius,  der  römerfreundliche  bruder  Hermanns 
und  heimliche  Verehrer  von  dessen  braut,  ist  mit  seiner  Verliebt- 
heit und  gesprächigen  unentschlossenheit  ein  ganz  französischer 
held.  aber  auch  die  hauptpersoneu,  Hermann  und  Thusnelda, 
deren  'gänzlich  unpsychologische ,  angeblich  heldenhafte  leiden- 
schaftslosigkeil'  hier  wie  in  den  späteren  Hermannsdramen  'ihre 
ermüdenden  patriotischen  tiraden  erklingen'  lässt,  haben  im 
gründe  W.s  beifall  nicht,  kurz ,  das  übertriebene  lob  des  Stückes 
scheint  nicht  gerechtfertigt.  —  besser  ungeschrieben  wäre  die 
abschweifung  auf  die  barden  (s.  47)  geblieben,  unklar  ist  be- 
sonders folgender  salz:  'fast  scheint  es,  als  ob  sich  in  Schlegels 
auffassung  des  vielgedeuteteu  Wortes  barritus  Irrtum  und  wahrheil 
gemischt  haben ,  denn  die  letzte  nennung  der  barden  geschieht 
in  folgender  form: 


352  WOLFF  SCHLEGEL 

0  Deutschland,  freue  dich!  nun  wirst  du  neugeboren. 

Mir  schallt  der  bar  den  lied  noch  immer  vor  den  ohren; 

Ihr  mutiger  gesang ,  der  ein  geschrei  gebar, 

Durch  das  er  selbst  gedämpft  und  überstimmet  war!' 
zu  geschrei  ist  die  aumerkuug  gemacht:  'altfriesisch  6ar;'a  =  schreien.' 
wenu  das  bedeuten  soll,  Schlegel  habe  mit  dem  geschrei  etwas  von 
seiner  etymologischen  gelehrsamkeit  in  den  text  vervvel)en  wollen, 
so  wäre  es  eine  geschmacklosigkeit.  —  der  von  W.  gebilligten 
anschauung  Gottscheds,  dass  die  spitze  des  Hermann  gegen  die 
Franzosen  gerichtet  sei ,  wird  man  um  so  weniger  beipflichten ,  als 
ein  solches  misbrauchen  der  kunst  zu  tendenziösen  zwecken  dem 
bescheidenen,  neutralen  dichter,  dem  Verehrer  der  Franzosen,  der 
sein  schreiben  gegen  Mauvillon  später  selbst  als  'waschhaft'  verur- 
teilte, gewis  fern  lag.  die  Franzosen  übersetzten  also  den  Hermann, 
nicht  weil  ihnen  'die  beziehung  des  anti-Römerdramas  auf  sie  selbst' 
entgieng,  sondern  weil  eine  solche  überhaupt  nicht  darin  lag. 

Den  Inhalt  und  die  mutmafslichen  Vorbilder  der  lustspiele 
Schlegels  halte  Söderhjelm  auf  60  Seiten  schon  so  gründlich  be- 
sprochen, dass  sich  W.  auf  eine  nachlese  von  teilweise  recht 
ansprechenden  ergänzungen  beschränkt  sah.  gegen  die  be- 
hauptung,  dass  mit  dem  langweiligen  und  breiten  Geschäftigen 
müfsiggänger,  dessen  gestallen  W.  einen  erfreulichen  realistischen 
'erdgeruch'  nachrühmt,  das  deutsche  lustspiel  'aus  dem  buche 
ins  leben  getreten'  sei,  hat  schon  MKoch  unter  hinweis  auf 
Krüger  in  einer  besprechung  der  arbeit  in  der  Zs.  f.  vgl.  lit- 
teralurgesch.  ii  3  (in  der  übrigens  aus  dem  Canut  ein  comet  ge- 
worden ist)  mit  recht  bedenken  erhoben,  den  auf  sprachliche 
gründe  geslülzten  beweis  für  die  behauptung,  dass  von  einer 
1745  erschienenen  Übersetzung  des  Glorieux  von  Deslouches 
Schlegel  den  ersten  teil,  Gärtner  den  schluss  geliefert  habe 
(s.  117  fl),  konnte  ref.  leider  nicht  controlieren.  dagegen  spricht 
freilich  die  gerade  umgekehrte  angäbe  im  'uekrolog',  die  doch 
nicht  aus  der  luft  gegriflen  sein  kann,  und  der  umstand,  dass 
der  bruder  sie  nicht  erwähnt.  VV.  sagt,  Übersetzungen  wären, 
mit  besonders  betonler  ausnähme  eines  feenmärchens,  in  die 
Werke  nicht  aufgenommen  worden;  er  vergisst  die  Übersetzung 
der  Elektra  des  Sophokles  im  ersten ,  die  lyrischen  Übersetzungs- 
proben  im  vierten  bände. 

Noch  weniger  konnte  der  verf.  über  die  ästhetischen 
und  litterarhistorischen  Schriften  Schlegels  etwas  neues 
nach  vAntoniewicz  vorbringen,  wenn  er  auch  an  dessen  einleitung 
vieles  zu  tadeln  hat,  manchmal  vielleicht  mit  recht  (so  anm.  162. 
180.  350.  376).  den  Demokril,  ein  tolengespräch ,  in  welchem 
dieser  philosoph ,  von  Aristophanes  unterstützt,  dem  dramatiker 
Regnard  nachweist,  was  für  grobe  anachronismen  und  regel- 
widrigkeiten  er  in  seinem  Demokril  begangen  habe,  erklärt  W. 
(s.  67)  mit  für    das  geistreichste,    was  Schlegel   geschrieben  hat. 


WOLFF  SCHLEGEL  353 

es  ist  ihm  eine  'blutige  satire'  gegen  'die  classicistische  manier 
der  Franzosen',  der  autor  benutzt  'eine  stillose  historische  komödie' 
Regnards  'zum  ausgangspunct  einer  allgemeinen  begriiudung  des 
historischen  stils'  usf.  aber  in  der  unerbittlichen  betonung  der 
nüchternen  Wahrscheinlichkeit  und  der  äufserlichen  regeln  für 
das  drama  hält  sich  das  gespräch  streng  auf  Gottscheds  stand- 
punct,  während  die  von  W.  so  gerühmte  formelle  ausführung 
keine  rechte  würkung  tut,  weil  die  Ironie,  mit  der  Demokrit 
und  Aristophanes  den  armen  Regnard  behandeln,  doch  zu  plump, 
die  figur  des  letzteren  aber  zu  tölpelhaft  und  hilflos  erscheint. 
vAntoniewicz  hatte  also  gewis  recht,  wenn  er  diese  leistung  nicht 
recht  'auf  der  höhe  der  Situation'  fand,  übrigens  scheint  dem 
verf.  in  der  hellen  begeisterung  ein  misverständnis  untergelaufen 
zu  sein,  'natürlich',  sagt  er  s.  68,  'kehrt  der  kämpf  gegen  die 
französische  handhabung  der  ortseinheit,  welcher  Schlegel  durch 
sein  ganzes  litlerarisches  würken  begleitet,  auch  hier  wider'  — 
beiläufig:  durch  sein  ganzes  litterarisches  würken?  aber  in  den 
trauer-  und  lustspieleu  hat  er  doch  die  regeln  von  den  einheilen 
so  streng  eingehalten  wie  nur  irgend  ein  Franzose  — ;  in  dem  ge- 
spräch sagt  nun  Aristophanes  zu  Regnard  (neudruck  s.  65):  'du 
hast  das  theater  nicht  nur  einmal,  wie  du  vorgibst,  sondern 
sehr  oft  verwandelt,  und  man  weifs  oft  nicht,  ob  der  ort  zu 
denen  personen,  die  auf  dem  theater  erscheinen,  oder  die  per- 
sonen  zu  dem  orte  gehen ,  oder  ob  der  ort  und  die  personen 
einander  entgegenkommen.'  da  tritt  doch  wol  Aristophanes-Scblegel 
gerade  für  die  einheit  des  orts  ein?  — 

Der  Vorwurf,  den  W.  in  der  Vierteljahrsschr.  f.  vgl.  lit- 
teraturgesch.  ii  3,  236  seinem  Vorgänger  vAntoniewicz  gemacht 
hat:  'ein  an  sich  erfreulicher  jugendlicher  forschenseifer(!)  artet ... 
nur  zu  oft  in  die  übertriebene  neigung  aus,  überall  beeinflussung 
zu  wittern',  kann  ihm  selbst  nicht  erspart  werden,  der  Dido 
erscheint  der  geist  ihres  gatten.  VV.  hält  eine  ein  würkung  der 
scene  im  Hamlet  ni  4  für  denkbar  und  druckt  einen  teil  derselben 
ab,  muss  aber,  da  Dido  1739  geschrieben  ist,  Schlegels  bekannt- 
schafl  mit  Shakespeare  aber  erst  1741  beginnt,  für  diese  6  zeilen 
der  geistererscheinuug  spätere  einschiebung  annehmen,  für  Schle- 
gels bekanntschaft  mit  Hamlet  führt  er  eine  anmerkung  in  dessen 
Wochenschrift  Der  fremde  (Werke  v  297)  an,  wo  Hamlet  'der 
verschlagene  Ulysses  des  nordens'  genannt  wird ,  'dessen  list  und 
tapferkeit  durch  den  Shakespear  noch  bekannter  geworden',  eine 
characteristik ,  die  eher  dafür  spricht,  dass  Schlegel  das  stück 
nicht  gelesen  hatte.  —  viel  Vorstudien  hat  dem  dichter  sein  Triumph 
der  guten  frauen  gekostet,  er  verarbeitete  nach  W.  s.  161  f 
hinein:  The  tender  husband  von  Steele,  das  170  stück  des  Spec- 
tator,  Regnards  Demokrit,  Saint -Foixs  Double  deguisement,  Ma- 
rivauxs  Petit-maitre  und  Triomphe  de  l'amour,  ferner  zwei  züge 
aus    Molieres   Tartuffe,    und   dabei    wird    noch    eine   weitere    be- 


354  WOLFF  SCHLEGEL 

nutzuug  Molieres  und  Holbergs,  die  Söderhjelm,  W.s  hauptquelle 
für  diese  angaben,  angezogen  halte,  zurückgewiesen.  —  die  i'rauen- 
gestalten  des  genannten  lustspiels  würken  auf  die  in  Minna  von 
Barnhelm,  wie  Lessing  überhaupt,  'von  Schlegels  litterarischen 
taten  hingerissen',  'sich  an  ihn  in  praxis  und  theorie  anschliefst.' 
von  den  lustspielen  wird  Der  junge  gelehrte  auf  den  Geschäftigen 
müfsiggänger,  der  Misogyn  auf  den  Triumph  zurückgeführt,  für 
die  theorie  hätte  man  ein  genaueres  eingehen  auf  das  Verhältnis 
der  beiden  erwarten  können,  weit  hergeholt  scheint  die  annähme, 
Rlopstock  sei  in  Pforta  zu  seinem  Heinrich  der  Vogler  durch 
die  blofse  künde,  dass  Schlegel  an  einem  epos  Heinrich  der  Löwe 
arbeile  —  denn  dieses  erschien  erst  1766  — ,  angeregt  worden.  — 
zumal  scheint  aber  W.  den  einfluss  Schlegels  auf  Goethe  zu  über- 
schätzen, dass  dieser  Oresl  und  Pylades  gekannt,  ist  glaublich, 
dagegen  sind  für  den  einfluss  des  Hermann  und  des  Canut  auf 
Götz  nicht  genügende  beweise  erbracht,  denn  in  wie  fern  eine 
prosabearbeitung  des  Canul,  die  7  jähre  nach  dem  Götz  erschien, 
die  annähme  einer  abhängigkeit  stützen  soll  (s.  133),  ist  nicht 
ersichtlich. 

Im  ganzen  ist  für  die  litteraturgeschichte  mit  diesem  werke 
nicht  viel  gewonnen,  zum  grofsen  teile  widerholt  es  bekanntes, 
die  gebiete  aber,  die  noch  zur  einzelbetrachtung  herausforderten, 
behandelt  es  ungleichmäfsig  und  nicht  immer  gründlich,  doch  ist 
damit  in  der  tat  zum  ersten  male  in  deutscher  spräche  ein  ausge- 
führteres  gesammtbild  von  Schlegels  leben  und  würken  gezeichnet 
worden,  einzelne  ansprechende  bemerkungen  verdienen  noch  an- 
erkeunung:  dass  die  liebe  zu  seiner  frau  die  weiblichen  gestalten 
im  Canut  und  im  Geheimnisvollen  besonders  hat  gelingen  lassen 
(s.  141),  dass  der  Demokril  mit  den  Drei  philosophen  in  innerem 
zusammenhange  steht  (s.  70),  dass  das  strenge  festhalten  an  den 
französischen  Vorbildern  zb.  im  Triumph  der  guten  frauen ,  was 
bei  seiner  immer  freisinniger  werdenden  ästhetischen  theorie  be- 
fremdet, sich  aus  der  tätigkeit  für  das  franzosenfreundliche, 
dänische  theater  erklärt  (s.  163)  ua.  zutreffend  scheint  auch  die 
art,  wie  W.  zwei  bisher  ofl'ene  fragen,  die  über  die  Verfasser 
des  wunderlichen  Buches  ohne  titel  und  der  Saint- Foix -Über- 
setzung (anm.  321  und  481),  löst. 

Zu  einigen  bemerkungen  fordert  schliefslich  noch  die  for- 
melle Seite  des  buches  heraus,  die  im  ganzen  ungeordnete  schrift 
leidet  auch  im  einzelnen  an  einer  gewissen  planlosigkei  t. 
galt  sie  als  habilitalionsschrift  dem  engeren  kreis  von  fachgenossen, 
so  waren  erläuterungen  von  worten  wie  witz  (anm.  28),  genie 
(anm.  94),  gelehrter  (anm.  277),  aufserdem  ('das  heutige  sonst' 
anm.  333)  eulbehrHch.  sollte  die  schrift  populär  sein,  dann 
durfte  der  Inhalt  der  stücke  nicht  als  bekannt  vorausgesetzt, 
durfte  zb.  s.  12  nicht  ohne  erklärung  vom  'Hierarchus'  geredet 
werden,  dann  gehörte  litlerarhistorischer  trödelkram  wie  die  Glo- 


WOLFF  SCHLEGEL  355 

rieuxübersetzung  (s.  117  fl),  die  stürm-  und  drang-bearbcilungen 
Schlegelscher  dramen  (s.  134  und  166),  das  törichte  urteil  eines 
unniafsgeblichen  Italieners  über  Canut  (s.  136)  ua.  mindestens 
in  die  anmerkungen.  in  der  behandlung  der  anmerkungen  ver- 
missl  man  aber  auch  die  gleichmäfsigkeit:  wenn  Ibsens  Ge- 
spenster s.  83  vorn  im  text  spuken,  warum  wird  bei  einem 
ähnlichen  vergleich  Gottschalls  Pitt  und  Fox  in  die  note  (174) 
verwiesen?  warum  steht  erst  in  anm.  123  der  volle  titel  von 
Soderhjelms  schritt,  nachdem  sie  bereits  ein  halbes  dutzend  mal 
citiert  ist?  warum  gibt  der  verf.  bei  Stäudlins  Briefen  an  Bodmer, 
die  er  etwa  20 mal  anführt,  nie  Seitenzahlen  an,  warum  nicht  für 
die  Hamletstelle  im  Fremden  (s.  18)?  bei  den  Schauspielen  verfolgt 
er,  auf  Süderhjelm  gestützt,  die  geschichte  der  aufführungen, 
aber  unvollständig,  so  fehlt  bei  den  Trojanerinnen  (anm.  19) 
die  interessante  stelle:  Meyer,  Leben  Schröders  i  14,  nach  der 
der  knabe  Schröder  bereits  1753  als  Astyanax  auftrat  und  ein 
par  von  seiner  multer  hinzugedichtete  verse  sprach;  bei  Orest 
und  Pvlades  (anm.  30)  fehlen  die  stellen  Meyer  i  84.  87.  105. 
228,  bei  Canut  (anm.  366)  i  16.  27.  71.  83.  132,  beim  Geheimnis- 
vollen (anm.  343)  muss  es  für  382  218  heifsen. 

Was  die  spräche  betrifft,  so  tritt  das  bestreben  hervor,  durch 
geistreiche  Wendungen,  anspielungen  auf  die  gegenvvart,  ästhe- 
tische allgemeinheilen  und  novellistisches  aufputzen  trockener 
quellennotizen  den  an  sich  ja  wenig  anziehenden  stoff  schmack- 
hafter zu  machen,  ref.  hat  sich  von  anfang  an  des  gefühls  nicht 
erwehren  können,  dass  W.  sich  die  in  ähnlicher  manier,  aller- 
dings sehr  geistreich  geschriebene  Studie  Schienthers  über  frau 
Gottsched  zum  muster  genommen  haben  dürfte,  die  behandlung 
der  entstehung  von  Schlegels  unvollendetem  trauerspiel  Lucretia 
diene  als  beispiel.  im  vorberichl  dazu  sagt  der  herausgeber  (Werke 
II  s.  3):  'die  veranlassung,  sich  an  ein  so  schweres  sujet  zu 
wagen,  war  eine  ganz  fertige  tragödie  dieses  namens,  welche 
der  selige  Koppe ,  der  Übersetzer  des  Tasso ,  nach  Leipzig  über- 
sandte, es  war  in  derselben  .  .  .  nicht  die  geringste  vorsieht 
gebraucht ,  keusche  obren  zu  schonen.  .  . .  bey  den  urtheilen, 
die  über  diesen  missluugenen  versuch  gefället  wurden,  waren 
einige  so  gutherzig,  dass  sie  die  schuld  nicht  sowohl  der  arbeit, 
als  der  bearbeiteten  materie  beymesseu  wollten ,  die  sie  ganz  für 
unfähig  erklärten,  auf  ein  theater  gebracht  zu  werden,  mein 
bruder  war  dieser  meynung  nicht.'  aus  diesen  angaben,  die 
uns  Gottsched  im  kreise  seiner  schüler,  vielleicht  in  seiner  redner- 
gesellschaft  zeigen,  wird  bei  W.  s.  40  folgendes  histörchen:  'eines 
tages  fühlten  sich  die  keuschen  obren  der  frau  professorin  durch 
Verlesung  einer  Lucretia -tragödie,  welche  der  Tasso -Übersetzer 
Koppe  für  die  Deutsche  Schaubühne  eingesandt  hatte,  beleidigt, 
anwesende  (?)  mafsen  die  schuld  ausschliefslich  der  behandelten 
materie  bei,  und    der  herr  professor  erklärte  dieselbe,    im  voll- 


356  WOLFF  SCHLEGEL 

bewustsein  seiner  Unfehlbarkeit,  einer  theatralischen  behancllung 
für  schlechtweg  unfähig,  Roma  locuta  est.  nur  Schlegel,  eigen- 
sinnig wie  gewöhnlich  (!),  wagte  zu  widersprechen'  usw.  wie 
kommt  die  frau  professoriu  herein?  und  mit  welchem  rechte  be- 
zieht W.  die  'keuschen  obren'  auf  sie,  deren  Hausfranzösinn 
Lessing  'schmuzig,  ekel  und  im  höchsten  grade  beleidigend'  fand? 
In  ausdruck  und  satzbau  bleibt  viel  zu  wünschen  übrig, 
mit  nichtssagenden  feuilletonwörtern  wie 'köstlich',  'flott', 'glänzend', 
'modern'  wird  eine  wahre  janitscharenmusik  verführt,  besonders 
wenn  der  verf.  ins  loben  gerät,  spielt  er  das  Instrument  der 
spräche  fortissimo  und  fällt  in  den  reclameton  seiner  flugschrif- 
ten,  wenn  er  sich  auch  nicht  wider  bis  zu  einem  'donnernden 
wiegenliede*  verirrt,  wenig  glücklich  sind  bildungen  wie  'her- 
zensöde', 'schanivoir,  'merkenswert',  'die  hofierung  eines  mäd- 
chens',  'das  hofierende'  (dh.  werbende)  mädchen,  'sturmkeim'  ua. 
vielfach  sind  die  constructionen  ungeschickt  oder  geradezu  un- 
richtig: s.  154  die  'Übereinstimmung  Lessings'  für  'Zustimmung 
L.s'  oder  'Übereinstimmung  mit  Lessing.'  s.  68  'in  formeller 
künstlerschaft  folgt  die  auflösung'  für  'kunstvoll  in  der  form.' 
s.  66  'noch  in  humoristischer  einkleidung,  aber  schon  blutig 
ernst  in  der  sache  liest  sich  Schlegels  .  .  .  folgende  recension.' 
s.  92  der  alte  Schlegel  'erscheint  doch  sonst,  gegen  alle  väter 
von  gleichzeitigen  dichtem  gehalten ,  als  ein  wahres  unicum  von 
Vorurteilslosigkeit.'  solider  klänge  doch  'gegen  die  väter  aller 
gleichzeitigen  dichter.'  sollte  übrigens  W.  etwas  genajieres  von 
vater  Giseke  und  Gärtner  wissen?  —  die  vergleichungen  tragen 
nicht  immer  zur  klärung  des  gedankens  bei,  so  s.  16:  in  der 
Dido  gibt  gleich  im  anfang  Äneas  die  absieht  kund,  zu  fliehen, 
'ab^r  damit  ist  auch  sofort  der  dramatische  grundfehler  des  Stückes 
gegeben:  wie  in  der  Schlussabteilung  einer  cyclischen  darstellung 
der  antiken  (genitiv  singularis?)  sehen  wir  das  Verhängnis  über 
Dido  von  anfang  an  hereinbrechen.'  er  meint  wol  das  letzte 
stück  einer  trilogie.  wenn  er  s.  76  das  Verhältnis  von  Gryphius 
zu  Shakespeare  durch  das  bild  von  der  hauskatze  und  dem  löwen 
klar  machen  will,  so  hat  er  doch  wol  nicht  den  richtigen  'histori- 
schen gesichtswinkel'  getroffen;  denn  Schlegel  stellt  ja  beide  etwa 
einander  gleich. 

Wertvolle  beitrage  zur  kenntuis  Schlegels  liefert  der  erste 
teil  der  abhandlung  (s.  145  —  55)  Seeligers.  wir  finden  hier 
eine  sorgfältige  geschichte  der  vorfahren  Schlegels,  die  meist  kur- 
sächsische geistliche  gewesen  sind,  wir  erfahren  manches  über 
des  dichters  geschwister,  besonders  fesselnd  aber  ist  die  cha- 
racleristik  des  vaters:  wie  er  durch  litterarische  neigungen  und 
sonstige  liebhabereien  seinem  berufe  als  stiftssyndicus  von  Meifsen 
sich  immer  raehr  entfremdet,  deshalb  1741  abgesetzt  wird  und 
schwere   tage  über  seine  familie  bringt,    das  wichtigste  aber  ist 


SEELIGER  SCHLEGEL  357 

die  endgiltige  feststellung  von  Schlegels  geburtstag:  nicht,  wie 
(He  biographie  des  bruders  (Werke  v  s.  vn)  angibt,  am  28  Jan. 
1718,  sondern  nach  ausweis  des  Meifsner  kirchenbuchs  und  der 
Portenser  schiilerliste  am  17  jan.  1719  ist  er  geboren,  um  so 
mehr  bewundern  wir,  wie  reich  an  arbeit,  reich  an  fruchten 
dieser  arbeit  des  dichters  kurzes  leben  —  er  starb  1749  —  ge- 
wesen ist.  als  willkommene  beigäbe  hat  der  verf.  die  acht  von 
Schlegel  aus  Dresden  und  Kopenhagen  an  Gottsched  gerichteten 
briete  abgedruckt,  die  auf  der  Leipziger  Universitätsbibliothek 
erhalten  sind  und  die  Danzel  (Gottsched  und  seine  zeit  s.  150  f) 
nur  unvollständig  veröffentlicht  hatte.  —  der  zweite  teil  der  ab- 
handlung  (s.  155 — 73)  gibt  in  knapper,  klarer  spräche  und  licht- 
voller anordnung  einen  reichhaltigen  überblick  über  Schlegels 
leben,  werke  und  bedeutung,  die  beste  Würdigung  des  dichters, 
die  ref.  kennt,  schade,  dass  sie,  in  den  Mitteilungen  versteckt, 
nur  verhältnismäfsig  engen  kreisen  bekannt  werden  wirdi 

Plauen.  J.  Rentsch. 


Einleitung  in  das  Studium  des  altnordischen  von  JGPoestion.  n.  Lesebuch 
mit  glossar.  Hagen  und  Leipzig,  Risel  &  co.,  1887.  ix  und  393  ss. 
8«.  —  4  m. 

Die  hoffnung,  dass  Poestion  darauf  verzichtet  habe,  dem 
1882  erschienenen  ersten  teile  seiner  Einleitung  in  das  Studium 
des  altnordischen  einen  zweiten  teil  folgen  zu  lassen,  hat  sich 
nicht  bestätigt;  weder  'andere  arbeiten,  ...  die  inzwischen  be- 
gonnen und  vollendet  werden  musten',  noch  körperliche  leiden 
noch  der  'mangel  jeglicher  mithilfe'  haben  es  zu  verhüten  ver- 
mocht, dass  dieser  dilettant  auch  ein  altnordisches  Lesebuch  mit 
glossar  zusammengestoppelt. 

Die  aufgenommenen  texte  sind:  Islendingabök,  Hrafnkels- 
saga,  Gunnlaugssaga,  cap.  49  und  50  der  Gylfaginning  —  über- 
schrieben: 'Baldrs  tod'  und:  'Lokis  bestrafung' — ,  cap.  39 — 42 
des  Skäldskaparmäls  —  überschrieben :  'Völsungen  und  Niflun- 
gen' — ,  formäli  der  Heimskringla,  Voluspö  ,  Hamarsheimt,  Baldrs 
draumar,  Grottasongr,  Vplundarkvi^a  und  ein  par  stücke  aus 
den  so  genannten  Hävamöl ,  nämlich  die  von  Müllenhoff  eruierten 
eigenthchen  'Häva  mal',  einige  priameln  und  die  Gastregeln. 

Alles  dies  füllt  123  ss.;  die  nächsten  3  bringen  die  pro- 
saische Wortfolge  der  in  der  Gunnlaugssaga  enthaltenen  Strophen, 
die  nächsten  1 1/2  ss.  so  genannte  'anmerkungen'  zu  den  eddischen 
gedichten;  auf  sie  folgt  das  'glossar'  und  von  s.  353  an  ein 
'namensverzeichnis'. 

Dass  bei  der  'auswahl  der  lesestücke',  wie  das  Vorwort  ver- 
sichert, 'vor  allem  practische  rücksichten'  gewaltet  haben,  ist  un- 


358  POESTION    EIISLEITÜING  IIS  DAS  ALTN.  II 

verkennbar;  nur  haben  diese  rücksichten  weniger  direct  den  er- 
hofften benutzern  des  buches  —  so  stellt  nämlich  das  Vorwort 
die  Sache  dar  —  als  dem  practisch  rücksichtsvollen  auswähler 
selber  gegolten,  der  Inhalt  seines  Lesebuches  deckt, sich  ja  etwa 
zur  hälfte  mit  dem  des  Wimmerschen,  für  die  Islendingabök 
stand  die  ausgäbe  von  Mobius,  für  das  stück  aus  dem  Skald- 
skaparniäl  Wilkeos  prosaische  Edda  zur  Verfügung  usw.,  und  diese 
'auswabl'  nach  berühmten  mustern  hatte  natürlich  ihren  doppelten 
vorteil;  denn  so  konnte  ja  auch  'als  grundlage  für  das  glossar . .  . 
die  anerkannt  gute  Wörtersammlung'  des  Wimmerschen  buches 
dienen ;  'wo  ich  andere  texte  habe'  —  gesteht  der  compilator  — , 
'hielt  ich  mich  an  JFritzners  Ordbog  over  det  gamle  norske 
sprog,  2,  resp.  1  auQ.  (Kristiania  1883  ff  resp.  1867),  und  an 
ThMöbius  Altnordisches  glossar  (Leipzig  1866)  und  Wörterver- 
zeichnis zu  Ares  Isländerbuch  (Leipzig  1869).' 

Wie  weit  neben  dieser  art  von  practischen  rücksichten  auch 
pädagogische  würklich  mit  im  spiele  gewesen,  kann  ich  nicht 
deutlich  erkennen,  da  ich  von  den  lesern,  welche  sich  Poestion 
wünscht,  keine  klare  Vorstellung  habe.  s.  v  sucht  er  sein 
publicum  unter  den  'laien',  s.  vi  tröstet  er  sich  über  seine  'zu- 
meist' Wimmers  Lesebuch  folgende  Orthographie  unter  anderem 
damit,  dass  'solche  sprachliche  subtilitäten'  wie  '/»  für  d,  z  statt 
s  in  genit.  nach  auslautendem  t  oder  d  sowie  nach  II  und  nn, 
0  und  0  .  .  .  ja  doch  nur  für  denjenigen  .  .  .  von  wesentlichem 
werte  sind,  .  .  .  der  das  Studium  des  altn.  zu  gelehrten  zwecken 
betreibt;  ein  solcher  aber'  —  heifst  es  weiter  —  'stellt  sich 
ohnehin  rasch  auf  die  eigenen  füfse  und  schlägt  dann  seine  be- 
sonderen wege  ein,  um  sich  mit  den  wissenschaftlichen  forschungen 
an  den  quellen  selbst  bekannt  zu  machen';  s.  127  dagegen  sollen 
wir  glauben,  Grottaspngr  und  Volundarkvijia  seien  nur  dazu  'fast 
ganz  in  handschriftlicher  Überlieferung  (nach  Bugges  Norroen 
fornkv.Tdi,  Christiania  1867,  s.  163—170  und  324  —  329)  mit- 
geteilt, um  gelegenheit  zu  textkritischen  wie  nicht  minder  metri- 
schen und  z.  t.  auch  grammatischen  und  sonstigen  sprachlichen 
Übungen  zu  bieten.'  ich  wüste  keine  'laien',  die  dergleichen 
sport  betrieben,  gibt  es  aber  auch  solche  käuze,  so  werden 
sie  bei  Zugrundelegung  von  Poestions  text,  glossar  und  gram- 
matik  schwerlich  der  ursprünglichen  form  und  dem  Verständnis 
des  Grottaspngr  und  der  Vplundarkvijja  viel  näher  kommen  als 
andere  mit  Übungen  auf  der  kegelbahn  oder  dem  zweirad.  Poestion 
muss  vvol  doch  Übungen  gemeint  haben,  welche  ein  lehrer  mit 
seinen  schülern  vornehmen  solle;  aber  welchem  lehrer  ist  zuzu- 
muten, dass  er  seine  schüler  statt  von  der  vorhandenen  alten 
handschriftlichen  Überlieferung  vielmehr  von  einer  ganz  frischen 
Verfälschung  derselben  werde  ausgehen  lassen?  'nur  die  aller- 
gröbsten  Schreibfehler  oder  versehen'  —  wendet  Poestion  ein  — 
'sind  berichtigt   und  die  Orthographie  mit  derjenigen  des  übrigen 


POESTION    EINLEITUNG  IN  DAS  ALTN.  II  359 

textes  in  einklang  gebracht  wordeo.'  ja,  aber  schon  das  ist 
eben  gerade  genug! 

Der  wahre  grund,  weshalb  sich  der  herausgeber  nicht  ernst- 
Hcher  an  diesen  beiden  gedichten  vergriffen  hat,  ist  übrigens 
leicht  zu  erkennen:  'bei  den  Ijödahättr- Strophen'  der  Hävamol 
hat  er  'die  langzeilen  ESievers  metrischen  regeln  in  dessen  Bei- 
träge zur  skaldenmetrik  (in:  Beiträge  zur  geschichte  der  deut- 
schen spräche  und  litteratur  b.  v.  vi.  viii)  unterworfen';  Volun- 
(larkvij)a  und  Grottasongr  hatte  Sievers  Beitr.  vi  302  ausdrücklich 
einstweilen  von  seiner  Untersuchung  ausgeschlossen. 

Dass  die  Vpluspo',  deren  text  sich  ' —  bis  auf  gewisse  sprach- 
formen und  die  Orthographie,  die  aus  gründen  der  gleicharlig- 
keit  nicht  angenommen  werden  konnten  —  vollkommen  dem 
texte  Müllenhoffs'  anschliefst,  ohne  conimentar  für  'laien'  und 
'anfänger'  absolut  ungeniefsbar  sei ,  scheint  der  Übersetzer  von 
Bangs  epocheverschuldender  abhandlung  selbst  eingesehen  zu 
haben;  er  rät  wenigstens,  sehr  begeistert,  den  fünften  band  der 
Altertumskunde  zu  vergleichen,  sind  nun  aber  die  leser  in  der 
läge,  diesem  rate,  gleichviel  ob  mit  oder  ohne  nutzen,  zu  folgen, 
wozu  um  alles  in  der  weit  druckt  er  ihnen  denn  dann  das  ge- 
dieht noch  in  ihr  lesebuch  hinein?  blofs  etwa,  um  ihnen  Mogks 
entdeckuug  des  'Ginnungi'  mitzuteilen  oder  den  hund  'fyr  Gnipa- 
helW  Gramr  statt  Garmr  zu  taufen  und  trotzdem  zu  behaupten, 
der  beiname  festargramr  (Gunnlaugssaga  cap.  5)  stehe  'ohne 
zweifei  für  festargarmr  =  festarhimdr  dh.  kettenhund"? 

Solcher  besserungen  wie  Gramr,  wozu  ihm,  beiläufig  be- 
merkt, wol  Wimmer  oder  Fritzner  unschuldig  den  anstofs  ge- 
geben, findet  sich  vielleicht  noch  eine  und  die  andere  in  seiner 
'Völuspä';  für  die  klarsten  und  offenkundigsten  versehen  Müllen- 
hoffs aber  hat  er  kein  äuge:  er  druckt  ruhig  Strophe  13  und  48 
ser  statt  sek  oder  se'k  nach  und  lässt  also  —  vermutlich  mit 
Müllenhoff  noch  öfter  —  die  vpiva  unerträglich  aus  der  rolle 
fallen,  auch  Hofforys  in  den  Gott.  gel.  anz.  1885  nr  1  vorge- 
schlagene correcturen  und  interpretationen  sind  ihm  uoch  nicht 
bekannt. 

Ungefähr  eben  so  grofs  wie  um  den  text  der  poetischen 
sind^  seine  Verdienste  um  den  text  der  prosaischen  lesestücke, 
die  Islendingabök  zb.  gibt  er  zwar  —  auch  abgesehen  von  seiner 
anachronistischen  Orthographie  und  einigen  druckfehlern  —  keines- 
wegs 'fast  ganz  in  handschriftlicher  Überlieferung',  er  lässt  viel- 
mehr, ohne  sich  irgendwo  auf  die  bekannte  Streitfrage  einzu- 
lassen ,  im  anfang  den  absatz  Halfdan  hvitbeüY  usw.  sammt  dem 
inhaltsverzeichnis  aus,  bort  mit  dem  ende  des  cap.  10  überhaupt 
auf  und  hält  die  schrift  so  für  vollständig  —  merkwürdiger  weise 
sogar  für  eine  'vollständige  saga'  — ,  aber  die  handgreiflichsten 
Verderbnisse  der  Überlieferung  bleiben  natürlich  unangetastet.  Ari 
kann  unmöglich,  aufser  etwa  durch  versehen,  cap.  3  pat  var  h 


360  POESTION    F.mLEITUNG   IN  DAS  ALTN.  II 

vetrum  eftir  drdp  Eadnmndar  konnngs  geschrieben ,  unmöglich  — 
worauf  allein  es  hier  ankommt  —  nach  irgenil  einem  casus  von 
sex  tigir  das  gezählte  selbst  in  einen  anderen  casus  als  den 
geniliv  gesetzt  haben ,  wie  denn  auch  gleich  drei  Zeilen  vorher 
richtig  Ix  vetra  überliefert  ist.  dass  hier  nicht  etwa  krankhafter 
respect  vor  der  schriftlichen ,  sondern  nur  fahrlässiger  glaube  an 
die  gedruckte  tradition  die  bessernde  band  zurückgehalten,  geht 
sonnenklar  zb.  daraus  hervor,  dass  wir  auch  cap.  1  ein  En  pat 
vor  dcccixx  vetrum  eftir  burd  Krists  zu  lesen  bekommen,  wo 
zwischen  der  ziffer  und  eftir  —  oder  vielmehr  epter  —  gar 
nichts  überliefert,  sondern  erst  von  Arni  Magnüsson  ein  vetrom 
ergänzt  ist,  oder  daraus,  dass  in  der  Zeitbestimmung  ädr  alpingi 
vceri  dtt  (cap.  2)  das  handschriftliche  att  noch  immer  im  schmucke 
eines  längezeichens  auftritt. 

Aber  'solche  sprachliche  subtilitäten'  —  so  würde  auch  der- 
gleichen vermutlich  der  fabrikaut  unseres  buches  betiteln  — 
sind  durchaus  nicht  die  einzigen  prüfsteine  für  die  Wahrheit  des 
geständnisses,  dass  er  sich  'nicht  die  concentrierte  geistige  Samm- 
lung bewahren'  konnte,  'welche  doch  gerade  ein  werk  dieser 
art  in  besonderem  mafse  erheischte.'  sein  ganzes  glossar,  obwol 
es  ja  in  allem  richtigen  und  vielem  falschen  nur  eine  diffuse 
buchstäbliche  Sammlung  aus  anderen  glossaren  vorstellt  — 
bald  mit  nennung  des  echten  geistigen  eigentümers,  bald  blofs 
mit  anführungsstrichen,  meist  aber  ohne  beides  — ,  sein  ganzes 
glossar  kann  als  eine  ausreichende  beglaubigung  jenes  gestand-, 
nisses  gelten,  nur  hätte  er,  wollte  er  der  Wahrheit  so  recht 
die  ehre  geben,  noch  hinzufügen  müssen,  dass  er  auch  nicht 
entfernt  die  kenntnisse  besitze,  welche  selbst  bei  noch  so  eifrigem 
bücherwälzen  gerade  ein  werk  dieser  art'  verlangte,  indes  so 
weit  geht,  wenn  schon  seine  Selbsterkenntnis,  seine  Offenheit 
doch  auch  hier  nicht,  die  ausführlichkeit  seines  glossars,  die, 
wenn  sie  vvolüberlegt  und  harmonisch  wäre,  an  und  für  sich 
nur  dank  verdiente  und ,  wenn  der  zusammensteller  nicht  ehedem 
gemeint  hätte,  dass  die  copia  verborum  seiner  formenlehre  in 
Verbindung  mit  dem  Wortregister  seiner  grammalik  für  die  erste 
lectüre  ein  Wörterbuch  beinahe  überflüssig  mache,  gar  keiner 
rechtfertigung  bedürfte,  erklärt  er  zwar  aus  seiner  menschen- 
freundlichen tendenz,  'dem  laien  die  bekanntschaft  mit  der  alt- 
nordischen litteratur  vom  anfang  an  so  sehr  als  möglich  zu  er- 
leichtern' usw.,  aber  schliefslich  fällt  ihm  doch  noch  ein,  er 
habe  'mit  absieht  gar  nicht  so  selten  dem  eigenen  denken  und 
wissen  des  sich  schulenden  lesers  gelegenheit  gelassen,  sich  zu 
erproben',  und  diese  Wendung  verträgt  sich  nicht  nur  offen- 
bar mit  seinen  vorausgegangenen  mitleidigen  Versicherungen  viel 
schlechter,  sondern  bringt  vermutlich  auch  seinen  eigentlichen 
und  innersten  gedanken  weniger  reinhch  und  klar  zum  aus- 
druck    als  der  weise  salz   in  den  Gastregeln,    welchen   er  s.  122 


POESTION    EIWLEITUNG  LN  DAS  ALTN.  II  361 

selber  abdruckt:  engi  pat  veit,  at  kann  ekki  kann  mma  mceli 
tu  margt. 

Ja,  wenn  es  nur  nicht  so  schwer  wäre,  das  zu  viel  zu 
vermeiden;  denn  das  radicalmittel /)a?'s  batst,  at  kann  pegi  kann 
doch  ein  lexicograph  schlechterdings  nicht  gebrauchen  I  der  unsrige 
hat  es  jedesfalls  noch  nicht  heraus,  sich  zwischen  Scylla  und 
Charybdis  heil  hindurchzuschlängeln,  so  erfährt  denn  einerseits 
der  arme  'laie'  oder  'neuling'  an  zahlreichen  stellen,  wie  mir 
scheint,  viel  zu  wenig,  als  dass  er  den  text  ohne  sonstige  nach- 
hilfe  exact  verstehen  konnte,  muss  sich  aber  andererseits  gewis 
auch  der  ergrauteste  specialist  bald  hier,  bald  da  die  beschämend- 
sten erweilerungen  seiner  einsieht  und  kenntnis  gefallen  lassen. 

Eine  solche  harrt  seiner  bereits  bei  dem  ersten  satze  der 
Islendingabök,  also  auch  dem  ersten  des  Lesebuches,  hier  kommt 
der  dativ  örmn  (unseren)  vor  und  als  dessen  noui.  sing.  masc. 
wird  im  glossar  würklich  örr  =  vdrr  angegeben,  bemüht  man 
sich  noch  zu  letzterer  —  der  allein  richtigen  —  form  hin,  so 
findet  man  detaillierter:  'vdrr  (älter  örr),  vdr  (älter  [v]ör),  vdrt;' 
und  dazu,  wenij^stens  doch  teilweis  als  erklärung  auch  der  form 
örr,  die  bemerkung:  'wo  a  in  d  d.i.  ö  umlautet,  fällt  y  ab  und 
zu  weg;'  ....  das  übrige  ist  aus  VVimmers  glossar  entlehnt; 
der  interessante  anfang  des  artikels  aber  lässt  argwöhnen,  dass 
Poestion  sich  irre,  wenn  er  glaubt,  'neuere  forschungeu  .  .  . 
grammatikalischer  natur  ...  gewissenhaft  berücksichtigt  zu  haben.' 

Gleich  für  den  zweiten  satz  des  textes:  En  med  [ivi  at  peim 
likadi  svd  at  hafa  eda  par  vid  auka,  ...  ist  uns  abermals  eine 
Überraschung  bereitet,  in  der  eigentümlichen  sub  auka  vor- 
getragenen Übersetzung:  'es  (das  buch)  geüel  ihnen  in  seiner 
gestalt  oder  in  erweiterter'  wird  zwar  einer  und  der  andere  oder 
mindestens  doch  Möbius  leicht  eine  alte  bekannte  wider  ent- 
decken, allen  aber  dürfte  es  neu  sein,  dass  'gefallen'  nicht  nur 
lika,  sondern  auch  glika  heifse.  ein  verbum  glika  ist  freilich  zu 
belegen  (vgl.  LLarsson,  Studier  över  den  Stockholmska  homilie- 
boken  s.  66j,  aber  es  bedeutet  bisher  nur:  'gleichen',  oder  in 
Verbindung  mit  eptir:  'es  nachtun'. 

Die  nächste  erwähnenswerte  curiosität  ist  blindlings  aus 
Möbius  entnommen:  wenn  Ari  berichtet,  köuig  Harald  habe  die 
auswanderung  nach  Island  verboten  af  pvi  at  honum  pötti  land- 
audn  nema,  so  soll  hier  nema  so  viel  sein  wie  n.  stadar  und 
dies  bedeuten:    'stattfinden,  überhand  nehmen'! 

Die  zugäbe  cefri  sub  efri  und  efri,  nebst  wfstr  sub  efstr, 
stammt  wol  zur  abwechselung  aus  Fritzner  her. 

Der  keim  zu  der  lehre  über  die  relativpartikel  er:  'oft  ist 
er  nach  dem  pronomen  ausgelassen'  lag  wider  schon  in  Möbius 
Worten;  doch  gebürt  Poestion  der  rühm,  diesen  keim  zur  ent- 
faltung  getrieben  zu  haben,  an  und  für  sich  könnte  jene  lehre 
zweideutig  scheinen,  aber  glücklicher  weise  lässt  die  textstelle 
A.  F.  D.  A.    XV.  24 


362 


POESTION    EINLEriüNG  IN  DAS  ALTN.  II 


des  Lesebuches,  auf  die  sie  berechnet  ist,  keinen  zweifei  darüber, 
dass  von  einer  syutactischen  freiheit  der  gesprochenen  spräche 
die  rede  ist  und  nicht  etwa  von  einer  flüchligkeit  isländischer 
Schreiber. 

Und  so  geht  es  kritiklos  und  misverständnisvoll  weiter  und 
weiter. 

Darf  demnach  schon  in  der  geschichte  der  nordischen  phi- 
lologie  der  name  Poestion  fürderhin  den  anbruch  eines  neuen 
tages  bedeuten,  so  wird  eine  andere  Wissenschaft,  die  astro- 
nomie,  nun  Poestions  'glossar'  erschienen,  überhaupt  noch  einmal 
ganz  von  vorne  anfangen  müssen  zu  bauen,  einer  erkenntnis, 
die  —  unübertrieben  —  die  halbe  weit  zu  interessieren  geeignet 
ist,  kann  ich  mir  nicht  versagen,  so  viel  in  meinen  schwachen 
kräften  steht,  zur  popularität  zu  verhelfen:  Poestion  hat  —  man 
denke  1  —  in  der  alten,  ehrwürdigen  tslendingabök  einen  wunderbar 
einfachen  und  sicher  den  einzig  wahren  grund  gefunden  fiir  die 
zwar  seit  einiger  zeit  bekannte,  speciell  auf  Island  —  nach  Poestion 

—  etwa  um  die  mitte  des  10  jhs.  zuerst  beobachtete,  aber  ge- 
wöhnlich nur  mit  complicierten  theorien  erklärte  erscheinung, 
dass  nach  der  so  genannten  Sommersonnenwende  die  tage  all- 
mählich wider  kürzer  werden. 

Aus  Aris  schlichter  erzähluug  ergibt  sich  nämlich  :  die  Isländer 
haben  anfänglich  ein  jähr  wie  alle  jähre  zu  364  tagen  oder 
52  Wochen  gerechnet,  also  keinerlei  Schaltjahr  gekannt;  aber /« 
merkdu  peir  at  solar gangi  at  siimarit  munadi  aftr  til  värsins;  en 
pat  kunni  engi  peim  at  segja,  at  degi  einum  var  meir  en  viktim 
gegndi,  ok  pat  olli.  und  das  ist,  mit  engstmöglichem  anschluss 
an  Poestions  glossar,  in  deutscher  spräche:  da  merkten  sie 'von' 

—  oder  auch  'bei'  —  dem  laufe  der  sonne,  dass  'es  gelüstete 
den  sommer  zurück  zum  frühling,  dh.  der  tag  wurde  wider  kürzer'; 
aber  niemand  konnte  ihnen  sagen,  dass  'um  einen  tag  mehr  als' 
Wochen  entsprach,  vorhanden  vi'ar  und  'dies  der  grund  war  (näml.: 
at  sumarü  munadi  aftr  til  värsins)'!! 

Die  quelle  der  poesievollen  und  unübertrefflich  stilgerechten 
reproduclion :  'es  gelüstete  den  sommer  zurück  zum  frühling' 
ist  wider  einmal  leicht  gefunden;  die  etwas  abfallende  Interpo- 
lation: 'dh.  der  tag  wurde  wider  kürzer'  hat  aber  Poestion  selber 
gedichtet,  und  das,  obwol  Mobius,  wenigstens  doch  in  seiner 
zusammenhängenden  widergabe,  die  Umschreibung  bietet:  'wie 
der  sommer  immer  mehr  und  mehr  in  den  frühling  zurücktrat.' 

Was  hier,  wo  es  sich  nur  darum  handelt,  dass  der  kalen- 
darische sommer  und  der  solare  sommer,  weil  das  isländische 
kalenderjahr  um  'einen  tag'  zu  kurz,  jähr  für  jähr  mehr  dif- 
ferierten, sich  jähr  für  jähr  weniger  deckten  —  indem  der 
kalendarische  sommer  schon  nach  dem  ersten  umlaufe  'einen  tag' 
früher  als  der  solare,  und  nach  jedem  weiteren  umlaufe  je  'einen 
tag'  mehr  zu  früh  begann ,    der  kalendarische  sommer  also  nach 


POESTION    EINLEITUNG  IN  DAS  ALTN.  II  363 

dem  ersten  umlaufe  bereits  mit  dem  letzten  tage  des  solaren 
frühlings  einsetzte,  nach  dem  zweiten  umlaufe  gar  bereits  mit 
dem  vorletzten  tage  des  solaren  frühlings  usw.  — ,  was  hier  das 
widerkürzerwerden  des  tages  zu  suchen  habe,  ist  zwar  schwer 
zu  begreifen ,  doch  wollen  wir  uns  darüber  den  köpf  nicht  zer- 
brechen noch  auch  mit  so  kleinlichen  bedenken  das  glänzende 
verdienst  Poestions  zu  verdunkeln  versuchen,  nein,  wir  wollen 
es  rückhaltlos  anerkennen,  dass  unseres  wissens  kein  leser  der 
islendingabök  vor  ihm  auch  nur  die  möglichkeit  leise  geahnt, 
dass  das  widerkürzerwerden  des  tages  davon  herrühren  könnte, 
dass  das  jähr  nicht  einfach  52  wochen ,  sondern  52  wochen  und 
'einen  tag'  lang!!  und  wenn  Poestion  so  tut,  als  ob  der  Ver- 
fasser der  Islendingabök  schon  auf  diesen  genialen  gedanken 
gekommen,  so  treibt  er  die  höflichkeit  und  bescheidenheit  ja  so 
augenfällig  über  alles  mafs  und  ziel  hinaus,  dass  ich  meine  leser 
wol  nicht  weiter  vor  dieser  selbstlosen  hingäbe  seines  ureigensten 
Verdienstes  zu  warnen  brauche. 

Doch  ich  denke  nachgerade  überhaupt  genug  gewarnt  zu 
haben,  wenn  anders  sich  genug  vor  den  altnordischen  attrappen 
warnen  lässt,  aufweichen  der  name  JCPoestion  als  ein  verfasser- 
name  gedruckt  prangt,  es  wäre  ja  auch  gewissenlos,  durch 
öffentliche  aufzählung  von  allzu  vielen  seiner  einzelfehler  die  un- 
brauchbarkeit  eines  solchen  machwerkes  zu  gefährden. 

Berlin.  Fr.  Bürg. 


LiTTERATURNOTIZEN. 

Zur  deutschen  spräche  und  litteratur.  vortrage  und  aufsätze  von 
Karl  Biltz.  Potsdam,  AStein,  1888.  297  ss.  8».  3  m.  — 
dieser  titel  vereinigt  eine  reihe  von  arbeiten,  welche  teils  in 
Herrigs  Archiv  und  in  tagesblättern  seit  dem  ende  der  sechsziger 
jähre  erschienen,  teils  bisher  nicht  durch  den  druck  an  die 
öffentlichkeit  gelangten,  der  Inhalt  ist  ein  bunter,  neben  ety- 
mologischen und  lexicaliscben  essays,  zb.  über  sorge  und  über 
posse,  kommt  insbesondere  die  kritik  an  dem  modernen  deutschen 
drama  und  die  Lutherforschung  zu  worl:  war  es  doch  vorzüglich 
das  Interesse  für  den  grofsen  reformator,  welches  den  verf.  zu 
seinen  Studien  über  die  geschichte  der  nhd.  spräche  und  ihres 
Wortschatzes  veranlasste,  nicht  allen  aufsälzen  wird  man  gleichen 
wert  und  gleich  überzeugende  kraft  beimessen  können,  die  wich- 
tigsten sind  zweifelsohne  die  beiden  über  die  entstehungszeit  des 
liedes  Eine  feste  bürg  ist  unser  gott  (Januar  1529);  aber  allen 
lässt  sich  beherschung  der  einschlägigen  lilteratur,  vorsichtige 
beweisführung  und  anmutige,  hin  und  wider  durch  leisen  humor 
gewürzte  darstellung  nachrühmen.  St. 

24* 


364  LITTERATURNOTIZEN 

Das  erste  Stadium  des  i-  umlauts  im  germanischeD.  von  Emfl  von 
Borries.  Strafsburger  diss.  Strafsbiirg,  JHEHeitz  (Heitz&  Mündel), 
1887.  82  SS.  8".  1,50  m.  —  unter  dem  ersten  Stadium  des 
/■-umlauts  versteht  der  verf.  den  durch  ein  i,  j  der  folgenden  silbe 
bewürkten  Übergang  von  europ.  e  zu  germ.  i.  nachdem  er  eine 
nicht  sonderlich  lichtvolle  übersieht  über  die  entwickelung  der 
vocaltheorien  seit  Grimm,  wesentlich  mit  beschränkung  auf  die 
frage  der  prioritätsverhältnisse  zwischen  a  und  e,  sowie  zwischen 
e  und  i,  vorausgeschickt,  prüft  er  den  Lefflerschen  satz,  eben 
den  Übergang  von  e  zu  i  durch  i-umlaut,  ausführlich  am  ahd. 
material,  welches  er  nach  einzelnen  «-endungen  gruppiert,  über- 
sehen ist  dabei  -it  als  2  p.  pl.  ind.  praes.,  die  2  p.  sg.  imp.  und 
vieles  einzelne,  die  würklichen  Schwierigkeiten,  die  noch  in 
nächster  nähe  dieses  gebietes  liegen ,  die  frage  nach  der  gestaltung 
von  europ.  e  bei  u  in  der  folgenden  silbe,  die  so  genannte 
brecbung  von  europ.  t,  dann  etwa  das  Schicksal  von  e  und  i  in 
alten  lehnwörtern,  sind  gar  nicht  berührt,  während  der  verf. 
sich  umständlich  und  mühsam  mit  dingen  herumschlägt,  die  kaum 
noch  jemandem  bemerkenswerte  Schwierigkeiten  darbieten,  so 
weit  solche  noch  etwa  vorhanden  sind ,  ist  ihre  lösuug  durch 
die  vorliegende  Untersuchung  kaum  gefördert,  dafür  besitzt  vB. 
vorläufig  auch  weder  die  kenntnisse  noch  das  geschick.  die  lit- 
teratur  ist  ihm  nur  in  geringem  umfange  bekannt  und  wird  dann 
nicht  einmal  gehörig  ausgenutzt,  auch  fühlt  man  sich  in  dieser 
linguistischen  Untersuchung  häufig  von  veralteten  ansichlen  son- 
derbar angemutet:  dass  der  verf.  wini  und  andere  /- stamme  un- 
befangen für  yo- Stämme  hält,  ist  noch  eins  der  gelinderen  bei- 
spiele.  man  hat  sogar  allen  grund  zu  zweifeln ,  ob  sich  vB.  eine 
irgendwie  genügende  Vorstellung  von  den  grundzügen  des  idg. 
oder  germ.  vocalismus  verschafft  habe;  nicht  einmal  europ,  e 
und  i  scheint  er  genügend  zu  unterscheiden ,  wie  ua.  daraus  her- 
vorgeht, dass  er  zu  laizjan  usw.  ein  st.  vb.  ahd.  *leran  ansetzt 
(s.  62).  es  ist  wol  auch  grofsenteils  das  gefühl  der  Unsicherheit 
und  des  noch  sehr  mangelhaften  wissens,  welches  vB.  hindert, 
Probleme  richtig  zu  erfassen  und  ihre  lösung  zweckentsprechend 
anzugreifen,  der  einzig  richtigen  erkläruug,  die  für  die  meisten 
Schwankungen  zwischen  e  und  i,  welche  er  behandelt,  in  belracht 
kommt,  dem  ausgleich,  zeigt  er  sich  zunächst  ganz  verschlossen, 
später,  für  andere  fälle,  nähert  er  sich  ihr,  aber  unbeholfen  und 
zaghaft,  auch  offenbart  sich  ein  mehr  als  gewöhnliches  Ungeschick 
sowol  in  der  anordnung  des  Stoffes,  wie  im  ausdruck.  doch  wir 
wollen  nicht  vergessen ,  dass  wir  es  eben  mit  einer  doctordisser- 
tation  zu  tun  haben,  für  das  weitere  publicum  lohnt  sich  die 
lectüre  der  auch  recht  schlecht  gedruckten  abhandlung  kaum, 
bemerkenswert  ist  höchstens  die  talsache,  dass  die  abstracta  auf 
i  mit  einer  gewissen  regelmäfsigkeit,  die  auf  -ipa  häufig  den 
wurzelvocal  wider  an  e  angleichen,     auch  der  excurs  über  -ipa 


UTTERATURNOTIZEN  365 

s.  42  ff,  der  auf  den  nachweis  abzielt,  dass  dies  suffix  ursprüng- 
lich nur  von  verben  auf  -jan  ableite  und  in  nächster  beziehung 
zum  part.  praet.  stehe,  verdient  beachtung.  J.  Franck. 

Gustav  Burghauser,  Indogermanische  praesensbildung  im  germani- 
schen, ein  capitel  vergleichender  grammatik.  —  derselbe,  Ger- 
manische nominalflexion  auf  vergleichender  grundlage.  —  der- 
selbe, Die  germanischen  endsilbenvocale  und  ihre  Vertretung  im 
gotischen,  altwestnordischen ,  angelsächsischen  und  althochdeut- 
schen. Wien,  Prag,  Leipzig,  Tempsky  &  Freytag,  1887  —  88. 
55,28,  17  SS.  8«.  1,0,60,0,50  m.  —  die  aufgezählten  Schriften 
verfolgen  den  gleichen  zweck  wie  die  frühere  desselben  autors 
Die  bildung  des  germ.  perfectstammes  vornehmlich  vom  stand- 
puncte  der  indog.  vocaiforschung:  sie  wollen  die  resultate  fremder 
arbeit  übersichtlich  mitteilen,  wobei  aber  der  verf.  sich  vorbehält, 
selbständig  Stellung  zu  nehmen  und  wo  möglich  die  noch  un- 
gelösten fragen  zu  fördern,  von  diesem  vorbehält  bat  er  freilich 
nicht  gerade  viel  gebrauch  gemacht,  denn  im  ganzen  begnügt 
er  sich  mit  der  rolle  eines  willigen ,  manchmal  allzu  gläubigen 
Schülers  der  sog.  'Junggrammatiker',  weil  er,  wie  er  sagt,  'sich 
von  deren  methodischen  principien  überzeugt  fühlt  und  sich  den 
grofsen  positiven  erfolgen  Osthoffs,  Brugmanns,  Pauls  ua.  nicht 
verschliefsen  kann  noch  auch  —  will,  wenn  er  ihnen  gleich  im 
einzelnen  nicht  bedingungslos  folgt.'  man  muss  zugeben,  dass 
er  sich  seinen  autoritäten  nicht  blindlings,  sondern  mit  prüfung 
und  würklichem  Verständnis  auschliefst;  aber  er  teilt  mit  anderen 
der  gleichen  richtung  den  glauben,  dass  in  bestimmten  namen 
von  autoren  und  Zeitschriften  die  gesammte  sprachwissenschaft- 
liche littiratur  erschöpft  sei,  aufserhalb  deren  es  nichts  zu  be- 
achten oder  zu  lernen  gebe,  die  schule  bekundet  sich  bei  ihm 
auch  darin,  dass  auf  grund  von  lautgleichungen  ohne  rücksicht 
auf  die  bedeutung  etymologien  erzwungen  werden  (vgl.  besonders 
Praesensbildung  s.  18  und  s.  49  lipan  und  finpan)  und  den 
theoretischen  construclionen  gegenüber  die  lebendige  sprachauf- 
fassung  manchmal  nicht  zur  geltung  kommt,  das  altwestnordische 
steht  auf  dem  titel  der  letzten  schritt  doch  wol  nur  deshalb,  weil 
in  der  vortrefflichen  Brauneschen  Sammlung  bis  jetzt  dieser  zweig 
des  nordischen  allein  behandelt  ist.  und  durfte  man  nicht  er- 
warten ,  dass  jemand,  der  über  germ.  grammatik  schreibt,  sich 
vom  alts.  auch  andere  keuntnisse  angeeignet  habe,  als  aus  Heynes 
Alts,  und  altuiederfr.  gramm.  zu  holen  sind?  aber  B.  fufst  über- 
haupt nicht  auf  eigenem  Studium  des  germ.  oder  irgend  einer 
germ.  spräche,  sein  horizont  ist  mit  einer  anzahl  von  gramma- 
tiken  und  Specialuntersuchungen  abgegränzt.  wer  einmal  das 
germ.  durchforscht  hat,  wird  nicht  mit  B.  sagen,  dass  die  stamm- 
abstufung  der  grundsprache  nur  noch  in  schwachen  reflexen  be- 
wahrt sei.  die  reflexe  sind  zahlreich  genug,  und  es  verlohnte 
sich  wol,   sie   einmal   zusammenzustellen,      es  gibt  jedoch  auch 


366  LITTERATÜRISOTIZEIS 

manche  enger  zu  seinem  thema  gehörige  dinge,  die  dem  verf. 
entgehen ,  sohald  sie  nur  in  jüngeren  schichten  der  germ. 
dialecte  deutlich  wahrzunehmen  oder  nur  dort  erhalten  sind, 
von  diesen  mangeln  abgesehen  sind  die  arbeiten  als  lleifsige, 
gründliche,  verständige  und  auch  übersichtliche  referate  durchaus 
zu  loben,  die  ihren  zweck  erfüllend  eine  übersieht  über  den 
stand  der  fragen  und  die  verschiedenen  beliaudlungen  geben,  da 
meistens  fremde  forschung  geboten  wird,  hätte  mehr,  als  es  ge- 
schieht, citiert  werden  sollen,  und  ein  viel  gröfseres  publicum 
würde  nutzen  aus  den  Schriften  schöpfen  können  ,  wenn  B.  seine 
themala  ausführlicher  erläuterte  und  sich  etwas  weniger  des 
liuguistenjargons  bediente ;  dahin  rechne  ich  auch ,  wenn  'un- 
organisch' genannt  wird,  was  auf  gewöhnliches  deutsch  'un- 
erklärt' heifst. 

Der  inhalt  der  an  erster  stelle  genannten  schrift  erhellt 
zur  genüge  aus  ihrem  litel.  in  der  zweiten  werden  die  enduugen 
der  germ.  nominalflexion  unter  Verfolgung  ihrer  gestaltung  bei 
den  verschiedenartigen  wortstämmen  auf  bestimmte  idg.  endungen 
zurückgeführt,  in  der  letzten  die  endsilbvocale  der  conjugations-, 
declinations-  und  adverbialendungen  nach  einzelnen  lauten  und 
ihrer  gestalt  in  den  verschiedenen  altgerm.  sprachen  zusammen- 
hängend erörtert,  der  verf.  ist  ersichtlich  bestrebt,  zu  möglichst 
einfachen  formulierungen  zu  gelangen,  aber  obvvöl  einfachheit 
an  sich  einnimmt,  kann  man  doch  seinen  Sätzen  nicht  überall 
glauben  schenken,  am  meisten  fordert  die  darstellung  der  aus- 
lautgesetze  zum  Widerspruch  heraus,  zumal  die  annähme,  dass 
in  fällen  wie  mih ,  joh,  faz  der  auslautende  vocal  geschwunden 
sei,  nachdem  durch  die  hd.  Verschiebung  die  Wurzelsilbe  posi- 
tionslang geworden,  im  sächs.  wäre  also  dann  der  grund  der 
kürzung  ein  anderer!  freilich  stellen  sich  auch,  davon  abgesehen, 
bei  der  angenommenen  fassung  der  auslautgesetze,  wonach  o,  i,  u 
gleichmäfsig  nur  nach  langer  silbe,  nach  kurzer  nur  analogisch, 
schwinden,  die  Verhältnisse  bunt  genug  dar,  sobald  man  unter 
dieser  Voraussetzung  einmal  die  verschiedeneu  typen  im  got.,  ahd. 
und  alts.  verfolgt,  es  ist  eben  nicht  glaublich,  dass  a  nur  nach 
langer  silbe  lautgesetzlich  geschwunden  sei.  J.  Fränck. 

Mouumenta  Germaniae  paedagogica  herausgegeben  von  KRehrbach. 
Berlin,  Hofmann  &cie,  1887.  bd.  iv:  Die  deutschen  katechismen 
der  böhmischen  brüder.  kritische  textausgabe  mit  kirchen-  und 
dogmengeschichtlichen  Untersuchungen  und  einer  abhandlung 
über  das  Schulwesen  der  böhmischen  brüder.  nebst  5  beilagen 
und  einem  namen-  und  Sachregister  von  Joseph  Müller,  xiv  und 
466  SS.  4*^.  15  m.  —  die  secte  der  böhmischen  brüder  ist 
hussitischen  Ursprungs,  ihre  Schriften  sind  tschechisch  verfasst; 
mehrere  unter  ihren  aposteln  gehören  zu  den  hauptförderern  der 
böhmischen  Schriftsprache,  vor  allen  Blahoslav;  Comenius,  der 
aus  ihrem  kreise  hervorgegangen  ist,    nennt  unter  den  äufseren 


LITTERATÜRNOTIZEN  367 

Ursachen,  die  das  Wachstum  der  böhmischen  unität  unterstützten, 
'die  fortgesetzte  verüfTentlichung  nützlicher  bücher,  welche  auch 
bei  fremden  gefallen  fanden,  die  bekennen  musten,  dass  die  rein- 
hfit  der  böhmischen  spräche  am  vorzüglichsten  in  der  unität 
gewahrt  werde'  (s.  344).  so  ist  auch  der  wichtigste  teil  der 
deutschen  denkmäler,  die  in  diesem  bände  vorgelegt  werden, 
zuerst  tschechisch  verfasst  gewesen,  und  sie  sind,  wie  die  brüder- 
unität  selbst,  für  die  geschichte  des  geistigen  lebens  der  böhmi- 
schen Slaveo  ungleich  wichtiger  als  für  die  deutsche  kultur- 
geschichte.  dennoch  danken  wir  dem  herausgeber  für  ihre 
einbeziehung  in  seine  grofse,  rüstig  fortschreitende  Sammlung, 
denn  die  würksamkeit  der  brüdergemeinden  greift  vielfach  —  und 
nicht  blofs  in  Böhmen  —  auf  deutsches  gebiet  über  und  wird 
ihrerseits  von  der  reformatorischen  bewegung  in  Deutschland 
stark  beeinflusst. 

Die  arbeit  JMüllers  ist  besonders  darum  eine  fruchtbare, 
weil  ihm  —  er  ist  diaconus  und  historiograph  der  brüder- unität 
in  Herrnhut  —  die  vorhandenen  quellen  zur  inneren  geschichte 
seiner  kirche  bequem  und  vollständig  zur  Verfügung  standen,  er 
hat  sie  sorgfällig  und  im  grofsen  und  ganzen  auch  unbefangen 
ausgenützt. 

Er  begründet  überzeugend,  warum  er  zur  mitteilung  des 
erreichbar  ältesten  textes  des  deutschen  brüder -katechismus  — 
der  Kinderlragen  —  das  Wolfenbüttler  exemplar  verwendet,  das 
unter  den  älteren  drucken  derselben  der  zeit  nach  der  jüngste 
sein  dürfte,  und  gelangt  zum  ergebnis,  dass  die  (verlorene)  vor- 
läge um  1521/22  verfasst  sein  wird,  sie  ist  eine  Übersetzung 
aus  dem  böhmischen,  die  beantwortung  der  frage  nach  der  zeit 
dieses  ältesten  böhmischen  katechismus  macht  das  eingehen 
auf  den  theologischen  streit  zwischen  brüder  Lukas,  dem  damaligen 
geistigen  haupte  der  brüderschaft,  und  dem  barfüfser  Jan  Vod- 
nansky  (Johannes  Aquensis)  notwendig,  das  resultat,  dass  der 
böhmische  katechismus  von  brüder  Lukas  verfasst  und  zwar 
spätestens   1 502  schon  fertig  war,  ist  als  sicher  anzusehen. 

in  der  quellenuntersuchung  wird  der  Zusammenhang  zwischen 
den  Rinderfragen  und  jenem  in  der  Wiener  hs.  4557  enthaltenen, 
bereits  von  Palacky  mitgeteilten  katechismus  nachgewiesen ,  der 
auf  Johannes  Hus  zurückgeht,  ihr  Verhältnis  zu  einem  Raud- 
uitzer  katechismus  wird  nicht  ganz  klar,  die  lehre  vom  glauben 
stammt  von  Hus  her,  die  frage  aber,  wo  der  Ursprung  jener 
den  böhmischen  brüdern  eigentümlichen  Unterscheidung  zwischen 
'wesentlichen'  und  'dienlichen'  dingen  liege,  muss  der  verf. 
offen  lassen,  nun  findet  sie  sich  auch  im  Waldenserkatechismus 
wider,  und  hier  berühren  wir  den  schwachen  punct  der  quellen- 
untersuchung. damit  nämlich,  dass  berühruugen  zwischen  den 
Kinderfragen  und  hussitischer  lehre  unzweifelhaft  vorhanden  sind, 
ist  die   frage    noch   nicht   beseitigt,   ob    nicht   auch   in   anderen 


368  LITTERATURNOTIZEN 

gleich-  oder  vorzeitigen  reformversuchen  ähnliches  vorhanden 
sei.  ferner:  aus  jener  berührung  mit  dem  Hussitismus  und 
aus  dem  uachweis,  dass  die  Kinderfragen  im  ganzen  aus  dem 
lehigehäude  der  hrüderschaft,  insbesondere  aus  den  anschauungen 
des  bruders  Lukas  zu  verstehen  seien ,  glaubt  M.  auch  indirect 
nachgewiesen  zu  haben,  dass  sie  nicht  mit  dem  Waldenser- 
kalechismus  zusammenhängen  und  dass  dieser  die  Kinderfragen 
voraussetze,  das  ist  entschieden  zu  viel  geschlossen,  jene  Über- 
einstimmung in  der  lehre  vom  'wesentlichen'  und  'dienlichen' 
macht  einen  Zusammenhang  höchstwahrscheinlich;  aberweichen 
weg  die  Übertragung  gegangen  sei,  von  den  brUdern  zu  den 
Waldensern  oder  umgekehrt,  bleibt  nach  wie  vor  unentschieden. 

An  den  ältesten  katechismus  schliefsen  sich  sehr  über- 
sichtlich seine  bearbeitungen:  der  Waldenserkatechismus ,  dessen 
einordnung  an  dieser  stelle  nach  den  eben  —  von  rein  philo- 
logischem standpunct  aus  —  geäufserten  methodischen  bedenken 
zweifelhaft  sein  muss,  zwei  niederdeutsche  und  eine  SGallische 
bearbeilung  —  für  die  letztere  wünschte  man  eine  erörterung, 
welchen  theologischen  anschauungen  und  bedürfnissen  sie  ihre 
starken  Zusätze  verdankt;  auf  diese  folgen  die  späteren  brüder- 
katechismen. 

Aus  der  abhandlung  über  das  'Schulwesen  der  brüder'  sei 
hervorgehoben,  dass  der  boden  der  unität  anfangs  nur  dem 
elementaren  Unterricht,  diesem  aber  in  hohem  grade  günstig 
war;  ihre  eigentümliche  geistlich -sittliche  anschauung  war  dem 
humanismus  abhold:  sie  verkünden  das  mit  selbstbewustsein  in 
einer  an  Luther  gerichteten  schrift  (s.  323  f).  in  einer  epoche 
aber,  wie  das  Zeitalter  der  reformation  war,  zeigte  sich  bei  dem 
Wettbewerb  der  confessionen  und  den  mittein,  die  dabei  in  an- 
wendung  kamen,  den  brüdern  bald,  dass  es  für  sie  lebensfrage 
war,  den  humanistischen  Studien  wenigstens  ein  eingangspförtlein 
zu  verschaffen,  wie  ängstlich  man  dabei  vorgieng,  zeigt  die 
s.  349  abgedruckte  Schulordnung  für  das  gymnasium  in  Sobieslau 
vom  jähre  1613,  und  ein  zeugnis  der  Schwierigkeiten,  die  zu 
anfang  der  fortschrittlichen  bewegung  dem  studienfreundlichen 
Blahoslav  sich  entgegenstellten,  ist  seine  im  jähre  1567  ge- 
schriebene schütz-  und  Streitschrift  (s.  353  IT). 

Von  den  'beilagen'  sei  noch  besonders  das  Gesprächsbuch 
des  Andreas  Klatovsky  (1540)  genannt,  gespräche  in  deutscher 
und  tschechischer  spräche  zum  zwecke  der  erlernung  beider, 
das  büchlein  ist  kulturhistorisch  aufserordentlich  anziehend,  weil 
die  Stoffe  der  gespräche  dem  täglichen  leben  entnommen  sind;  mehr 
als  ein  Jahrhundert  lang  wurde  es  gerne  gebraucht  und  immer 
wider  neu  aufgelegt,  die  grammatik  des  älteren  nhd.  wird  zur 
phonetischen  bestimmung  der  laute  der  schrift  einiges  entnehmen 
können,  denn  zuerst  beschreibt  ein  Tscheche  dem  Deutschen 
die  tschechischen,  dann  der  Deutsche  jenem  die  deutschen  laute. 


LITTERATURNOTIZEN  369 

der  slavische  verf.  beobachtet  richtig,  dass  deutsches  6  im  ao- 
laut  wie  p  gesprochen  werde,  und  auch  im  folgenden  vergleicht 
er  die  deutsche  media  mit  der  slavischen.  er  ist  dabei  gewis 
unabhängig  von  den  gleichzeitigen  deutschen  schreib-  und  Sprach- 
lehren, denn  diese  wissen  zwar  (Kolrofs,  Frangk  ua.),  dass  b 
und  p  im  schreiben  öfters  verwechselt  werden,  aber  der  lebendige 
laut  wird  nicht  in  den  kreis  der  beobachtung  gezogen,  nur  der 
Schryfftspiegel  (1527)  scheint  den  unterschied  auch  mit  dem  ohr 
aufgefasst  zu  haben:  Dat  klein  b  I mach  in  vyl  worden  j  mi  stat 
eines  p  gesalzt  werden  und  sunderlich  so  du  schrijfft  bat  besser 
baeser  —  es  folgen  noch  mehrere  wörler  mit  anlautendem  6  (Müller, 
Quellenschriften  386),  und  erst  der  treffliche  Helber  weifs  ge- 
naueres: So  man  das  B  stark  ausspricht,  lautet  es  vast  wie  das 
P.  Also  wirdt  es  ausgesprochen ,  wan  es  der  erste  Buchstab  ist  in 
einein  wort  ...  (s.  5  ed.  Roethe).  st,  sp  hörte  Klatovsky  als 
seht,  schp;  w,  wo  es  spirans  war,  sehr  wahrscheinlich  mit  bila- 
bialer ausspräche.  Joseph  Seemüller. 
Gaston  Paris,  La  litt^rature  fran^aise  au  moyen  age  (xi*  au 
xiv«  siecle).  Paris,  Hachette,  1888.  vn  und  292  ss.  8". 
2,50  fr.  —  diese  übersieht  der  altfranzösischen  litteratur  bildet 
den  I  band  eines  Manuel  d'ancien  franfais,  dessen  folge  gram- 
matik,  texte,  Wörterbuch  enthalten  soll,  es  ist  dazu  bestimmt, 
in  diese  Studien  einzuführen,  das  wichtigste  aus  dem  bisher  für 
die  geschichte  der  altfranzösischeu  litteratur  geleisteten  zusammen- 
zufassen und  zu  eindringendem  forschen  in  so  fern  den  weg  zu 
zeigen,  als  überall  die  stellen  angegeben  sind,  an  denen  zuletzt 
über  den  einzelnen  gegenständ  gehandelt  worden  ist.  über  die 
in  folge  dessen  den  litterarischen  verweisen  s.  245 — 273  gegebene 
form  wird  man  verschiedener  ansieht  sein  können,  es  kann  der 
fall  eintreten,  dass  der  philologe,  der  sich  zuletzt  über  einen 
gegenständ  geäufserl,  weniger  zuverlässiges  bietet  als  sein  Vor- 
gänger, auch  dass  seine  schrift  weniger  leicht  zugänglich  ist.  so 
hat  ref.  wegen  des  mit  dem  Eraclius  verglicheneu  Ptocholeon 
sich  erst  spät  einblick  in  das  von  GParis  citierte  buch  von 
d'Ancona  verschaffen  können,  während  ihm  die  eigentlichen 
quellenschriften  von  Duulop-Liebrecht  (hier  ist  s.  487  zuerst  auf 
die  mit  Eraclius  verwandte  sage  hingewiesen  worden)  und  von 
Wagner,  Carmina  graeca  medii  aevi  sofort  zugänglich  gewesen 
wären,  abgesehen  von  solchen  nebenwünschen,  wird  man  es 
auch  seitens  der  deutschen  philologie  dankbar  begrüfsen,  dass 
die  altfranzösische  litteratur,  welche  unter  den  mittelalterlichen 
litteraturen  in  den  Volkssprachen  eine  centrale  Stellung  einnimmt, 
nunmehr  in  ebenso  zuverlässiger  als  bei  aller  knappheit  reich- 
haltiger Zusammenfassung  vorliegt,  für  spätere  ausgaben  ist  die 
aussieht  eröffnet,  dass  zu  den  jetzt  streng  nach  gattuugen  und 
Stoffen  getrennten  Übersichten  auch  solche  hinzukommen  sollen, 
welche  die  einzelnen  perioden  (vielleicht  auch  laudschaften  ?)   in 


370  LITTERATURNOTIZEN 

ihren  gesammtleistungen  vorführen,  irrtümlich  ist  s.  20.  36  die 
form  scöps  für  die  germanischen  dichter:  das  o  ist  kurz,  s.  Zimmer 
QF  13  und  Wackernagels  Litteralurgeschichte^  §22,  16.  für  den 
Roman  de  Renart  (§  82.  83)  sähe  ich  gern  das  datum  'nach  1165' 
angeführt,  welches  für  die  brauche  iv  fest  steht.       E.  Martin. 

Louis  DPetit,  Bibliographie  der  middelnederlandsche  taal-  en  letter- 
kunde.  Leiden,  Brill,  1888.  xvi  und  299  ss.  gr.  8^.  7,50  m.— 
diese  bibliographie  hat  den  von  der  kgl.  vlaamschen  academie 
ausgesetzten  preis  erhalten;  die  aufgäbe,  von  belgischen  gelehrten 
gestellt,  ist  von  einem  holländischen  gelöst  worden,  in  der  tat 
verdient  die  reichhaltigkeit,  genauigkeit  und  Übersichtlichkeit  des 
buches  alles  lob.  insbesondere  hebt  der  verf.  mit  recht  die  der 
wissenschaftlichen  prosa  geschenkte  aufmerksamkeit  als  etwas 
neues  und  gewis  dankenswertes  hervor,  hier  tritt  namentlich 
auch  der  starke  austausch  des  niederländischen  geisteslebens  mit 
Oberdeutschiand,  zumal  mit  Slrafsburg  hervor:  unter  den  deut- 
schen mystikern,  die  in  den  Niederlanden  bearbeitet  wurden, 
erscheint  auch  Rulman  Merswin  neben  Suso.  eingeschobene 
bemerkungen  des  verf.s  weisen  auf  die  stofflichen  quellen  und 
die  handschriftlichen  Überlieferungen  hin:  hier  wäre  wol  noch 
eine  erweiterung  des  geleisteten  möglich,  so  existiert  das  Byenboek 
(nr  994)  auch  in  einer  jetzt  zu  Strafsburg  befindlichen  hs.  aller- 
dings geht  die  berücksichtigung  dieser  quellen  über  das  hinaus, 
was  man  von  einer  bibliographie  zu  verlangen  pflegt,  einige 
druckfehler,  die  den  kundigen  freilich  nicht  stören  werden,  haben 
sich  eingeschlichen,  zb.  s.  3  nr  23  praeteritem  anstatt  -tum; 
s,  61  nr  454  Frigus  statt  Fergus;  s.  82  nr  470,  e:  Raynert  statt 
Reynaert  ua.  der  letztgenannte  fehler  begegnet  auch  im  register, 
welches  übrigens,  sorgfältig  und  ausführlich  behandelt,  den  ge- 
brauch des  buches  wesentlich  erleichtert.  E.  Martin. 

Über  die  niederdeutschen  Übertragungen  der  Lutherschen  Übersetzung 
des  N.  t.,  welche  im  16  jh.  im  druck  erschienen,  von  dr  Karl 
Eduard  Schaue.  Greifswalder  diss.  Greifswald,  druck  von  Julius 
Abel  (Halle  a,S.,  Niemeyer  in  comm.),  1889.  75  ss.  8«.  2  m.— 
vorliegende  schrift  dürfte  philologen  und  theologen  sowie  jedem, 
der  für  Lutherforschung,  nd.  liiteraturgeschichte  oder  Sprach- 
wissenschaft sich  interessiert,  willkommen  sein,  auf  grund  sorg- 
fältiger und  streng  kritischer  Untersuchung  gibt  der  verf.  eine 
klare  und  übersichtliche  geschichte  der  nd.  bibelversion ;  zugleich 
behandelt  er  eingehend  die  bisher  ungelöst  gebliebene  Bugen- 
hagenfrage,  indem  er  die  Verdienste  Bugenhagens  um  die  nd. 
bibelübersetzuug  im  zweiten  capitel  des  anhangs  feststellt,  den 
schluss  bilden  textproben  aus  dem  Matthaeus  der  vorlutherischen 
Halberstädter  bibel  (1522)  und  der  nachlutherischen  neuen  testa- 
menle  Hamburg  1523  sowie  Wittenberg  1523  und  1524. 
Horst  in  Pommern.  Dr  Th.  ünrub. 

Otto  Schroeder,    Vom    papiernen  stil.     habet  nescio   quid  latentis 


LITTERATUR.NOTIZEN  371 

energiae  viva  vox.  Berlin,  Walther  &  Apolant,  1889.  93  ss. 
S^.  2  rn.  —  das  Schriftdeutsch,  in  so  weit  es  von  der  lebendigen 
rede  sich  entfernt  und  constructionen,  phrasen,  ausdrücke  ver- 
wendet, welche  man  in  gesprochener  rede  niemals  hört,  versteht 
der  verf.  unter  dem  papiernen  stil,  den  er  befehdet,  kurz  cliarac- 
terisiert  er  ihn  im  ersten  aufsatz  an  reichlichen  beispielen;  einen 
besonderen  fall  behandelt  ausführlich ,  obwol  im  einzelnen  nicht 
frei  von  Vorurteil  oder  diflelei ,  das  zweite  capitel,  welches  die 
geschichte  des  Wortes  derselbe  skizziert  und  den  nachweis  erbringt, 
dass  es  erst  im  laufe  der  zeit  neben  seiner  ursprünglichen  func- 
tion  die  jetzt  fast  allgemein  übliche  Vertretung  des  personal-  und 
Possessivpronomens  der  3  person  überkam,  sicherlich  ist  ein- 
zuräumen ,  dass  die  sinnlichen  demente  der  spräche  sorgsamste 
pflege  heischen,  damit  nicht  abstractbildungen  ohne  saft  und 
kraft,  bei  denen  niemand  sich  etwas  vorzustellen  vermag,  über- 
wuchern, und  dass  die  geschriebene  spräche,  soll  sie  nicht  ver- 
knöchern, stets  aus  der  gesprochenen  sich  verjüngen  muss.  wenn 
aber  beide  der  verf.  kurzer  band  identificieren  will,  so  schiefst 
er  über  das  ziel  hinaus,  im  umgange  bedienen  wir  uns  eines 
verhältnismäfsig  geringen  wortvorrats  und  verzichten  auf  alle 
längeren  perioden.  anders  verfährt  der  prediger,  der  redner,  der 
dozent.  hinwiderum  ist  es  eine  bekannte  tatsache,  dass  orato- 
riscbe  leistungen  ersten  ranges  auf  dem  papier  oft  ihre  würkung 
gänzlich  einbüfsen.  während  zb.  der  vortragende,  wofern  er  nur 
wechselnden  tonfalls  sich  befleifsigt,  in  rascher  folge  die  gleichen 
Worte  gebrauchen  darf,  stört  den  lesenden  die  widerkehr  des- 
selben ausdrucks  empfindlichst.  mündUche  diction  und  schrift- 
liche sind  ihrem  vvesen  nach  nicht  minder  verschieden  als  die 
menschlichen  sinne,  welche  von  ihnen  in  anspruch  genommen 
werden,  doch  Seh.  geht  in  der  gleichsetzung  von  schrift  und 
rede  noch  einen  schritt  weiter,  bis  zu  gewissem  grade  wünscht 
er  nämlich  in  der  schrift  auch  der  ausspräche  rechnung  zu 
tragen,  indem  er,  fufsend  auf  Scherers  bekanntem  essai  —  dessen 
statistische  daten  übrigens  mehrfach  berichtigt  werden  — ,  dem 
hiatus  in  der  neueren  deutschen  dichtung  seinen  dritten  abschnitt 
widmet,  trachtet  er  die  scheu  vor  dem  zusammenstofs  zweier 
vocale,  welche  seit  Opitz  nach  antikem  vorbild  bei  manchen 
poeten  herscht,  auch  unserer  prosa  mitzuteilen,  er  versteigt  sich 
zu  der  behauptuug,  kein  unverbildeter  mensch  sage  habe  ich, 
Imigne  ich,  sondern  hab  ich,  läugn  ich,  und  schreibt  dem  geraäfs 
durchweg  bracht  er,  würd  er  usw.  was  für  einen  zweck  solch 
Stückwerk  hat,  bleibt  mir  verschlossen,  denn  hiaten  sind  in 
längeren  auseinandersetzungen  kaum  vermeidbar,  will  man  nicht 
der  künstelei  verfallen*;  auch  Seh.  entgeht  ihnen  auf  keiner  seite. 

*  ich  habe  mir  den  scherz  erlaubt,  aus  diesem  kleinen  artikel  jeg- 
lichen hiatus  zu  verbannen:  gerade  dabei  sah  ich  aber  ein,  dass  ihn  unsere 
spräche  nicht  perhorresciert. 


372  LITTERATIJBNOTIZEN 

mit  seiner  forderung  setzt  er  sich  ferner  in  Opposition  zu  den  clas- 
sikern :  Goethes  prosa  kennt  solche  hiatusfurcht  nicht,  und  eudhch 
übt  er  mit  ehsiouen  wie  lernt  ich,  dacht  er  einen  widerwärtigen 
zwang  auf  seine  leser  aus.  der  dichter  darf  und  muss  anzeigen, 
wie  seine  verse  zu  lesen  sind;  analog  zu  verfahren  besitzt  der  pro- 
saist  weder  pflicht  noch  recht,  das  hochdeutsch  entbehrt  einer  ein- 
heitlichen ausspräche,  tempo,  tonhöhe,  klangfarbe,  der  grad  des 
einllusses  der  mundart  differieren  so  stark,  dass  es  ebenso  selten 
Individuen  gibt,  welche  ganz  conform  reden,  wie  menschen  mit 
gleichem  gesichtsschnitt.  mag  einer  oder  der  andere  nicht  blofs 
im  täglichen  gespräch,  sondern  auch  bei  feierlichem  anlass  hab 
ich,  läuyn  ich  sagen*,  die  mehrzahl  wird  darin  eine  befremdliche 
licenz  erblicken,  wir  schreiben,  damit  uns  jedermann  verstehe; 
wie  die  schrift  er  in  den  laut  umsetzt,  das  stellen  wir  seiner 
gewohnheit  und  seinem  freien  willen ,  dem  vorzugreifen  uns  die 
befuguis  abgeht,  anheim. 

Aber  ich  bekenne  zu  guter  letze  gern,  dass  das  zierliche 
biichlein ,  trotzdem  es  aller  orten  zum  Widerspruch  herausfordert, 
durch  den  reiz  geschmackvoller  darstellung  und  feiner  ironie  zu 
fesseln  weifs.  St. 

Die  bestrebungen  der  Sprachgesellschaften  des  xvnjhs.  für  reinigung 
der  deutschen  spräche,  von  dr  HSchultz.  Göttingen,  Vanden- 
hoeck  &  Ruprecht,  1888.  158  ss.  8«.  3  m.  —  der  verf.  ist, 
wie  schon  sein  motto  aus  Ciceros  Officien  andeutet,  durch  die 
gegenwärtige  sprachbeweguug  bei  seinem  fleifsigen  'quellen- 
mäfsigen  berichl'  mit  bestimmt,  der  übrigens  nicht  blofs  die 
'hauptsächlichsten  bestrebungen',  sondern  auch  ihre  letzten  aus- 
läufer  gegen  ende  des  jhs.  berücksichtigt,  diese  stehen  jedoch, 
so  weit  sie  sich  nicht  als  im  entwurf  stecken  gebliebene  nach- 
äffungen der  grofseu  gesellschaften  ausweisen ,  bereits  unter  dem 
mehr  wissenschaftlichen  einfluss  der  französischen  und  englischen 
gesellschaften  und  sind  somit  schon  vorboten  einer  neuen  zeit, 
die  mit  der  sprachbeweguug  des  17  jhs.  fast  keine  fühlung  mehr 
hatte,  wenn  Seh.  das  bisherige  urteil  über  sie  falsch  nennt,  so 
weifs  sich  der  ref.  zb.  von  dem  Vorwurf  frei ,  sie  als  'verfehlt, 
ja  lächerlich'  bezeichnet  zu  haben,  allein,  so  notwendig  gerade 
dieser  sprachstreit  im  leben  der  spräche  begründet  war,  man 
darf  seine  bedeutung  widerum  nicht  überschätzen,  die  tatsache 
jässt  sich  doch  nicht  umstofsen,  dass  unmittelbar  nach  der 
würksamkeit  der  gesellschaften  wie  zum  höhne  die  französische 
fremdwörterei  als  'ton  de  cour'  hereinbrach,  die  schlacht  bei 
Rossbach  und  der  einzige  Lessing  haben  mehr  dagegen  und  für 
die  widergeburt  der  spräche  geleistet,  als  die  tausend  mitglieder 

*  es  bedarf  indes  erst  der  Untersuchung,  wie  weit  der  brauch  sich 
erstreckt,  ob  hier  in  der  tat  der  hiatus  umgangen  wird  und  nicht  vielmehr 
altdeutsche  tonverhältnisse  noch  nachwürken,  ob  die  kürzung  nicht  auch 
vor  consonanten  eintritt  (zb.  ich  hab  das  getan)  usw. 


LITTERATURNOTIZEN  373 

jener  vereine,  s.  142  wird  nach  Haupt  (Berliner  acad.  1861 
s.  629)  Leibnizens  wort  über  den  philosophischen  wert  der  deut- 
schen spräche  angeführt,  da  dies  gegenwärtig  sehr  häufig  ge- 
schieht, so  wäre  darauf  hinzuweisen  gewesen,  dass  Leibniz  dabei 
am  wenigsten  die  internationale  wissenschaftliche  terminologie  im 
äuge  gehabt  hat.  hier  zeigt  gerade  Hegel,  wie  unklar  man  trotz 
einer  ganz  deutschen  terminologie  sein  kann,  des  ältesten  deutsch 
schreibenden  philosophen  ,  nämlich  Notkers,  beispiel  sollte  auf  der 
anderen  seite  zu  denken  geben,  die  beiden  blüteperioden  der 
deutschen  spräche  kannten  keine  sprachliche  quarantaine.  s.  45 
würden  wir  es  gern  gesehen  haben,  wenn  der  verf.  bei  Schottel, 
dem  einzigen  denker  unter  den  damaligen  deutschen  gramma- 
likern,  nicht  völlig  auf  eine  Würdigung  seiner  nichtpurislischen 
arbeiten  verzichtet  hätte,  s.  29  f  und  96  anm,  müssen  doch 
wol  als  berichtigungen  des  ref.  aufgefasst  werden;  aber  nach 
ihrem  rechte  hat  er  vergeblich  gesucht,  zumal  s.  30  schliefslich 
seiner  motivierung  der  späten  aufnähme  Opitzens  in  die  frucht- 
bringende gesellschaft  zustimmt,  s.  105  war  Harsdörffers  ortho- 
graphische Verunstaltung  von  Schupps  landgut  Avellin  zu  Abelin 
anzumerken,  dem  namen  liegt  wol  eine  reminiscenz  an  Plinius 
(15,88  AbelUna  nux  =  Abellana,  haselnuss)  zu  gründe;  die  bezüg- 
lichen orte  heifsen  italienisch  Avella,  Avellino.  Karl  Borinski. 
Schriftproben  aus  hss.  des  xiv — xvijhs.  zusammengestellt  von  drBu- 
DOLF  Thommen.  Basel,  Detloff,  1888.  vi,  18  ss,  und  20  tafeln 
hoch  4".  8  m.  —  es  ist  gewis  ein  dankenswertes  unternehmen, 
im  anschluss  an  die  schrifttafeln  von  WArudt  ein  hilfsmittel  zu 
bieten,  welches  speciell  die  dort  zu  kurz  gekommenen  Schrift- 
arten des  ausgehenden  mittelalters  berücksichtigt,  aus  den  letzten 
150  Jahren  sind  einige  buchschriften  und  eine  grofse  fülle  ver- 
schiedener kanzleihände  aus  Baseler  archiveo  (mit  ausschluss  von 
Urkunden)  zusammengestellt,  immer  eine  ganze  seite  in  trefflicher 
photolithographischer  widergabe.  gewis  war  gerade  in  dieser  rich- 
lung  ein  Übungsmittel  ein  bedürfnis,  und  diesem  zweck  entspricht 
es  auch,  dass  von  allen  tafeln  eine  vollständige  Umschrift  beigegeben 
ist.  alle  ergänzenden  buchstaben  sind  in  cursivdruck  gegeben, 
eine  m.  e.  unnütze  quälerei;  zweifelhaft  kann  es  erscheinen,  ob 
nicht  in  den  jüngsten  schritten  schon  oft  der  abkürzungsstrich, 
namentlich  am  schluss  der  worte,  zum  bedeutungslosen  Schnörkel 
geworden  ist:  ich  würde  deshalb  nicht  immer  den  endconsonant 
verdoppeln,  sondern  mich  auf  eine  allgemeine  bemerkung  be- 
schränken. 

Manche  dieser  rein  geschäftlichen  schriften  sind  schwierig 
zu  lesen,  und  leider  ist  auch  die  beigegebene  Umschrift  nicht 
immer  fehlerfrei,  wir  glauben  das  nicht  übergehen  zu  dürfen, 
weil  ja  die  anleitung  von  anfängern  beabsichtigt  ist.  auf  s.  2 
findet  sich  in  der  Überschrift  des  zweiten  absatzes  von  tafel  2 
ein  ganz  unverständliches  sumrmim,  während  die  ganz  regelmäfsige 


374  LITTERATÜRNOTIZEN 

auflösiing  der  abkiirzung  mit  secnndum  den  richtigen  sinn  gibt, 
auf  s.  3,  t.  5,  ist  dominicums  nur  ein  druckfehler;  es  ist  aber 
nicht  zu  billigen,  dass  die  gerade  hier  ganz  sorgfältige  und  richtige 
interpunclion  nicht  beibehalten  ist;  s.  4  z.  8  fehlt  das  n  in  lo- 
querentnr.  auf  t.  6,  s.  6,  ist  zweimal  nu,  nicht  mm,  zu  lesen: 
der  abkürzungsstrich  sieht  anders  aus.  für  das  abgekürzte  her 
aber  würde  ich  trotz  dem  genau  genommen  beweisenden  zeichen 
nicht  herr  lesen,  weil  ausgeschrieben  nur  her  vorkommt;  in  dieser 
späten  zeit  hört  eiien  die  genaue  anwendung  der  zeichen  auf, 
und  man  muss  die  sonstige  gewohnheit  des  Schreibers  beachten, 
so  ist  es  auch  nicht  richtig,  das  d  mit  folgendem  zeichen,  welches 
wie  z  aussieht,  als  daz  aufzulösen,  wenn  ausgeschrieben  das  vor- 
kommt, auf  t.  7  war  nicht  ct.,  sondern  etc.  zu  lesen,  da  das 
erste  element  das  zeichen  für  et  ist.  auch  ist  im  ersten  absatz 
verschrib  <ii\hu]ösen,  weil  es  singular  ist:  der  Schreiber  hat  ganz 
richtig  unterschieden,    auf  s.  8,  t.  8,  I.  kursinner,  nicht  kursinern. 

Recht  bedauerlich  ist  s.  8,  t.  9,  der  nehstgessen  pene  statt 
nehstgeschribenen:  in  solchen  fällen  sollte  man  sich  doch  billig 
den  sinn  und  Zusammenhang  klar  machen,  verhenget  (anm.  4)  ist 
nicht  =  veranlasst,  sondern  =  gestattet,  auf  t.  10  ist  statt  ert 
zu  lesen  ort.  auf  s.  11,  t.  14,  war  allerdurchtigister  nicht  als 
abgekürzt,  sondern  als  Schreibfehler  zu  bezeichnen,  da  es  richtig 
wol  kaum  sein  kann.  s.  13,  t.  15,  steht  uicht  antwercker,  sondern 
antwercks,  und  es  ist  das  handwerk,  das  amt,  welchem  genug- 
getan werden  soll.  s.  14,  t.  16,  wird  ein  laie  leicht  irregeführt 
werden  durch  das  widerholle  obiit:  nicht  der  todesfall  wird  hier 
gemeldet,  sondern  nachträglich  die  bemerkung  zugesetzt,  dass 
diese  personen  inzwischen  gestorben  sind,  auf  t.  17  ist  Georgii 
martiris  zu  lesen ,  und  mit  kenntnis  der  ganzen  hs.  werden  sich 
auch  die  wunderlichen  roten  striche  am  rande  erklären  lassen, 
s.  15  im  4  absatz  \si  anniversarium  aufzulösen,  und  statt  reemp^or 
frater  Rinfeldensis  zu  lesen  reemptibües  super  Rinf eklen;  in  der 
letzten  zeile  nicht  artificits,  sondern  aliis.  auf  s.  16  darf  man 
das  t  mit  folgendem  zeichen  ,  welches  eigentlich  is  bedeutet ,  doch 
nicht  mechanisch  so  auflösen,  weil  es  keinen  sinn  gibt,  aber 
eine  bemerkung  über  die  ausartung  der  zeichen  wäre  erforder- 
lich, der  Schreiber  dieser  eintragung  heifst  nicht  confrater, 
sondern  Frater:  der  ansatz  an  dem  majuskelbuchstaben  ist  mis- 
verstanden. 

Auf  t.  19,  s,  18,  ist  nicht  Signatur,  sondern  sigtiificatur  auf- 
zulösen, z.  3  semper  statt  super,  und  z.  4  zu  lesen  aliqui  propter 
rutnam  domus  propinati  pro  parte,  auch  hier  würde  beachtung 
des  Sinnes  der  worte  auf  den  richtigen  weg  geführt  haben. 

Ungern  haben  wir  diese  nicht  wenigen  ausstellungen  ge- 
macht, aber  vielleicht  lässt  sich  durch  beachtung  derselben  die 
an  sich  so  verdienstliche  Sammlung  nutzbringender  machen;  sie 
bringt  auch  dem  inhalt  nach  willkommene  stücke,    so  über  den 


LITTERATURNOTIZEN  375 

krieg  mit  den  Armagnaken,  über  das  erdbeben  von  1356,  wobei 
auch  die  bekannte  Spielerei  in  der  bezeichnung  dieser  zahl  auf 
t.  19  nachgebildet  erscheint.  W.  Wattenbach. 

Middelnederlandsch  woordenboekvanwylen  drEVERWus  en  dr  JVerdam. 
s'Gravenhage,  Nijhoff.  —  von  diesem  Anz.  x300  kurz  besprochenen 
vortreffhchen  werke  liegen  jetzt  bereits  zwei  bände,  die  bis  zum 
schluss  des  G  reichen,  abgeschlossen  vor.  die  hoffnung  auf  sein 
rasches  fortschreiten,  welcher  ich  im  vertrauen  auf  die  aufser- 
ordentliche  arbeitskraft  Verdams  ausdruck  gab ,  hat  sich  also 
durchaus  erfüllt,  hingegen  scheint  die  forschung  es  sich  noch 
keineswegs  in  gebürender  weise  zu  nutze  zu  machen.  WBäumker 
hat  bei  seiner  publication  der  Niederländischen  geistlichen  lieder 
(in  der  Vierteljahrsschrift  für  musikvvissenschaft  1888)  in  er- 
mangelung  eines  mnl.  Wörterbuchs  sich  mit  dem  Mnd.  handwb. 
beholfeu,  und  selbst  EMartin  kann  QF  65  mnl.  elwaer  'anderswo' 
nicht  nachweisen ,  obwol  bei  Verdam  eine  menge  beispiele  stehen ; 
für  ghenadelike  'gnadeheischend ,  erbärmlich'  verweist  er  nur  auf 
Mullers  Proefschrift,  wo  das  wort  zwar  verteidigt  aber  nicht  belegt 
ist,  während  bei  Verdam  mehrere  citate  zu  finden  sind,  unter 
solchen  umständen  halte  ich  es  für  dringend  geboten,  die  deut- 
schen germanisten  und  Sprachforscher  hier  noch  einmal  nach- 
drücklichst auf  das  unentbehrliche  hilfsmittel  aufmerksam  zu 
machen.  J.  Fraisck. 

Vierteljahrschrift  für  litteraturgeschichte  unter  mitwürkung  von  Erich 
Schmidt  und  Bernhard  Süphan  herausgegeben  von  Bernhard  Seüf- 
FERT.  erster  band.  Weimar,  Böhlau,  1888.  vn  und  544  ss.  8^. 
10,40  m.  —  als  mit  dem  15  bände  das  Archiv  für  litteratur- 
geschichte sein  erscheinen  einstellte,  verlor  die  moderne  deutsche 
Philologie  ihr  vornehmstes  organ.  sie  sah  sich  auf  die  germa- 
nistischen zss.  und  auf  die  tagesblätter  angewiesen,  aber  auch 
wo  das  Programm  jener  die  neuere  litteratur  nicht  principiell 
ausschliefst,  können  sie,  von  näher  liegenden  dingen  vollauf  in 
anspruch  genommen ,  ihr  nur  in  geringem  umfange  gerecht 
werden;  was  hingegen  in  diesen  erscheint,  verfällt  zumeist  früh- 
zeitiger Vergessenheit  und  bleibt  immer  schwer  zugänglich,  darum 
begreift  es  sich,  dass  auf  vielen  Seiten  der  lebhafte  wünsch  nach 
einer  neuen  sammelstätte  für  material  und  Untersuchung  rege 
wurde,  dieser  wünsch  ist  schneller,  als  man  erwarten,  und 
schöner,  als  man  hoffen  durfte,  in  erfüllung  gegangen,  vom 
april  bis  zum  december  kamen  in  rascher  folge  die  vier  hefte 
des  ersten  bandes  der  Vierteljahrschrift  heraus,  schlicht,  wie  das 
für  ein  streng  wissenschaftliches  Journal  sich  ziemt,  aber  solide 
von  einem  leistungsfähigen  Verleger  ausgestattet,  und  vortrefflich 
geleitet  von  einem  manne,  der  seine  hervorragende  begabung  für 
redactionelle  tätigkeit  zur  genüge  durcli  die  DLD  bekundet  hatte, 
man  mag  es  in  Seufferts  eigenstem  interesse  bedauern  ,  dass  er 
das  ebenso  dornenvolle  wie  undankbare  geschäft  eines  redacteurs 


376  LITTERATURNOTIZEN 

übernommen  hat,  man  mag  beklagen,  dass  die  Veröffentlichung 
seiner  lang  vorbereiteten  Wielandbiographie,  von  welcher  der 
aufsatz  Wielands  berufung  nach  Weimar  im  dritten  heft  eine 
wolgelungene  probe  gibt,  nunmehr  in  weite  ferne  gerückt  er- 
scheint: doch  die  Zeitschrift  konnte  in  keine  geeigneteren  bände 
gelegt  werden  als  in  die  seinen,  er  hat  die  mitarbeiter  sorg- 
samst ausgewählt,  er  hat  darüber  gewacht,  dass  kein  völlig  un- 
brauchbarer beitrag  aufnähme  fand,  er  hat  um  seltene  correctheit 
des  druckes  sich  bemüht,  dass  die  so  genannte  Goethephilologie, 
obwol  ihr  ein  eigenes  Jahrbuch  zu  geböte  steht,  sich  über- 
mäfsig  breit  macht,  daran  trägt  nicht  er  die  schuld,  sondern  der 
herschende  geschmack  unserer  zeit,  auch  dass  im  ersten  hefte 
mehrere  herzlich  unbedeutende  kleinigkeiten  begegnen,  erklärt 
sich  leicht,  nicht  jeder  zur  mitwürkung  aufgeforderte  hatte 
würdigen  Stoff  bereit  liegen;  aber  er  trachtete  darnach,  seinen 
namen  sofort  vertreten  zu  sehen:  also  ward  eine  minutie  oder 
ein  lesefrüchllein  hübsch  mit  allerhand  zierrat  aufgeputzt,  eher 
erwecken  andere  beitrage  bedenken,  s.  471  ff  sind  drei  arbeiten 
über  die  Schildbürger  und  zwar  in  der  reihenfolge,  wie  sie  dem 
herausgeber  zukamen ,  abgedruckt,  indessen  vertragen  sie  sich 
unter  einander  schlecht,  treffen  die  beiden  ersten,  wie  ich 
keinen  augenblick  bezweifle,  SeuCfert  ebenso  wenig  bezweifelt 
haben  wird,  das  wahre,  so  kann  die  dritte  nur  irre  führen,  also 
hätte  sie  abgewiesen  werden  sollen,  zwar  irgendwo  gedruckt 
worden  wäre  sie  trotzdem:  denn  so  töricht  ist  kaum  etwas,  dass 
es  nicht  in  einer  unserer  zss.  Unterschlupf  fände,  aber  ein 
wissenschaftliches  organ  ersten  ranges  hat  darauf  zu  halten,  dass 
mangelhaft  oder  ungenügend  begründete  hypothesen  ihm  fern 
bleiben,  und  nicht  minder  soll  es  artikeln  feuilletonistischer 
natur,  deren  wert  nur  auf  der  form,  nicht  auf  dem  Inhalte  be- 
ruht, seine  spalten  versagen,  der  aufsatz  über  Thomasius,  welcher 
das  erste  heft  eröffnet,  gehört  in  diese  kategorie:  für  die  Neue 
fr.  presse  hätte  solch  ein  gewandt  geschriebener,  sachlich  jedoch 
nicht  fördernder  essai  besser  gepasst.  doch  die  erhobenen  ein- 
wände gelten  blofs  wenigen  vereinzelten  misgriffen,  welche  sich 
schwer  vermeiden  liefsen,  wo  bei  der  recrutierung  der  mitarbeiter- 
schar manche  rücksicht  genommen,  mancher  empfindlichkeit  rech- 
nung  getragen  werden  muste.  in  der  hauplsache  bietet  der  band 
so  gediegene  forschungen  und  so  reichen  urkundenstoff,  dass  er 
und  seine  nachfolger  der  teilnähme  weitester  kreise  warm  empfohlen 
zu  werden  verdienen,  nur  lasse  man  sich  durch  den  mangel  kri- 
tischer anzeigen  nicht  abschrecken,  mit  gutem  bedacht  hat  SeufTert 
auf  dies  wolfeile  Zugmittel  verzichtet:  es  wird  in  Deutschland  von 
berufener  und  unberufener  seite  so  viel  recensiert,  dass  weder 
das  bedürfnis  nach  einer  Vermehrung  der  referieranstalten  noch 
die  möglichkeit  vorliegt,  die  wenigen  wahrhaft  competenten  be- 
urteiler  in  jedem  falle  zu  gewinnen.  St. 


LITTERATCRNOTIZEN  377 

Hermann  Welcker,  Dialektgedichte.  Sammlung  von  dichtungen  in 
allen  deutschen  mundarten ,  nebst  poetischen  proben  aus  dem 
alt-,  mittel-  und  neudeutschen,  sowie  den  germanischen  schwesler- 
sprachen.  Leipzig,  FABrockhaus,  1889.  xxvni  und  427  ss.  8". 
5  m.  —  diese  mit  lust  und  liebe  zusammengestellte  auswahl  ist 
zugleich  eine  verbesserte  und  vermehrte  aufläge  der  1875  er- 
schienenen Sammlung  Die  deutschen  mundarten  im  liede.  noch 
mehr  als  früher  sucht  der  herausgeber  seine  arbeit  nach  der 
sprachlichen  seite  hin  nutzbar  zu  machen,  allein  abgesehen  von 
anderen  Schwierigkeiten,  die  sich  dem  entgegenstellen,  bietet 
eine  Sammlung,  welche  grofseuteils  dichtungen  gelehrter  und  ge- 
bildeter in  der  mundart  darbietet,  ein  durchaus  nicht  zuver- 
lässiges material  für  sprachliche  beobachtungen.  dichter  wie  Hebel, 
Kobell,  Carmen  Sylva  usw.  schaffen  immer  nur  eine  ideale  repro- 
duction  der  gesprochenen  mundart.  das  Volkslied  selbst  aber  ist 
jetzt  wol  in  allen  deutschen  gauen  darauf  aus,  hochdeutsche 
formen  zu  gebrauchen,  in  welche  sich  nur  unbewust  und  zu- 
fällig auch  dialectische  einflösse  einmischen,  immerhin  gewährt 
auch  so  die  Sammlung  das,  was  der  herausgeber  zu  zeigen 
wünscht,  ein  bild  der  deutschen  spräche  in  ihren  stufenmäfsigen 
Übergängen  aus  einer  mundart  in  die  andere,  trefflich  dagegen 
ist  die  auswahl  in  so  fern  angelegt  worden,  als  sie  seite  für 
Seite  ansprechende  züge  der  gedanken,  gefuhle,  ausdrucksweisen 
des  deutschen  volks  in  seiner  manigfaltigen  Stammesgliederung 
darbietet,  welche  doch  tiefinnerlich  und  von  dem  herausgeber 
warm  empfunden,  eine  innere  Übereinstimmung  verbindet,  die 
aarmeneien  s.  250  sind  nach  der  trierschen  mundart  nelken. 

E.  Martin. 


Kleine   Mitteilungen. 

TDEüTSCHE  MONATSNAMEN.  Weiubold  (Die  deutscheu  monatnamen 
s.  15.  32)  bezweifelt  das  nur  einmal  aus  dem  anfange  des  14  jhs. 
belegte  barmanoth  für  Januar,  zufällig  fand  ich  den  namen  in 
einem  calendarium  der  Zürcher  cantonalbibliothek  (cod.  Rhenov. 
Lxxv),  welches  wegen  des  ansatzes  für  ostern  B.  G.  vi.  Kai.  April. 
=  27  märz)  auf  das  j.  1065  weist,  die  8  bll.  dieses  calendarium 
enthalten  oben  in  roter  schrift  die  verse  Principium  lani  usw. 
(Riese,  Anthol.  lat.  640)  sowie  die  monatsnamen,  diese  in  ma- 
juskeln.  sie  lauten  —  die  bezeichuung  für  den  juli  fehlt  fol.  4'  — 
folgender  mafsen:  \.  Pa''r  mmiot.  1.  Hör  nunc.  d.  Lencinmanot. 
4.  Ostermanot.  5.  Wunemanot.-  6.  Prahmanot.  8.  Aranmanot. 
9.  VVitimanat.  10.  VVindemanot.  11.  Helicmanot.  12.  VVinter- 
manot. 

Ich    reihe    zwei    monatsverzeichnisse    des    15  jhs.    aus    der 
papierhs.  der  Zürcher  Stadtbibliothek  C  101/467  an.    dieser  oben 
A.  F.  D.  A.    XV.  25 


378  KLEINE    MITTEILUNGEN 

s.  140  besclirielione  codex  enthält  fol.  34^ — 40'"  einen  deutschen 
chio'pim»  (Gallus  presbyter  haut  geschrieben  dis  werck),  welcher  in 
seinen  üherschriften  folgende  namen  bietet:  \.  Hartmont.  2.  Hor- 
nung.  3.  Mertz.  4.  Apprül.  5.  May.  6.  Brachmond.  7.  Hew- 
monde.  8.  A^igst.  9.  Herbstmond.  10.  Winmont.  11.  Winter- 
mont.  12.  der  lestz  mont.  im  texte  sellist  findet  sich  noch  ful- 
mand  =  septemher  (Sy  komen  in  des  fülmandes  gnos  und  Den 
fulman  sol  man  schriben  by  Das  er  drissig  tag  lang  sy)  und 
schlachtmon  =  dezember  (Nu  ist  der  schlachtmon  hie  behaft). 

Ebenda  fol.  59^  steht  ein  lat,  tractat  de  mensibus,  welchem 
am  rande  folgende  deutsche  namen  beigeschrieben  sind:  1.  Genner. 
2.  Hornnng.  3.  Mertz.  4.  Apprille.  5.  Mey.  6.  Brachot. 
7.  Hewöt.  8.  Äugst.  9.  Herbst.  10.  Löwpris.  11.  Volrät. 
12.  Fülmonat. 

Lenzburg.  J.  Werner. 

Zu  Ulrich  von  Lichtenstein,  in  meiner  besprechung  der  neuen  aus- 
gäbe des  Frauendienstes  Ulrichs  von  Lichtenstein  (DLZ  1888 
sp.  1112  ff)  habe  ich  eine  genaue,  dem  heutigen  stände  der 
kenntnis  entsprechende  nachweisung  der  historischen  persönlich- 
keiten in  aussieht  gestellt,  welche  in  diesem  werke  vorkommen, 
ich  war  mit  der  durcharbeitung  des  gedruckten  materiales  im 
Sommer  vorigen  Jahres  weit  genug  vorgeschritten,  um  sämmtliche 
vom  Lichtensteiner  genannten  ritter  urkundlich  belegen  zu  können, 
als  ich  die  damals  abgebrochene  arbeit  jetzt  wider  aufnehmen 
wollte,  verschaffte  mir  ein  glücklicher  zufall  einsieht  in  die  Samm- 
lungen und  forscbungen  des  k.  k.  riltmeisters ,  hrn  Alfred  von 
Siegenfeld,  welcher  seit  geraumer  zeit  damit  beschäftigt  ist, 
die  steiermärkische  abteilung  der  neuen  edition  von  Siebmachers 
Wappenbuch  herzustellen,  ich  sah  alsbald ,  dass  die  Studien  des 
genannten  forschers  den  meinen  an  umfang  und  tiefe  weit  über- 
legen sind,  denn  hr  von  Siegenfeld  weist  nicht  blofs  die  geuea- 
logie  aller  bei  dem  Lichtensteiner  erwähnten  herren  nach,  sondern 
er  zeigt  auch  aus  den  vorhandenen  siegeln,  mit  welch  geradezu 
verblüffender  exactheit  Ulrich  die  wappen  und  helmzierden  seiner 
zeit-  und  standesgenossen  beschrieben  hat.  ich  gebe  daher  mein 
vorhaben  auf  und  räume  der  so  viel  besseren  arbeit  mit  ver- 
gnügen das  feld. 

Bei  dieser  gelegenheit  bemerke  ich  noch,  dass  meine  an- 
gäbe über  das  steiermärkische  geschlecht  der  Lichtensteiner  (ADB 
18,  620  ff)  unrichtig  aufgefasst  wird,  wenn  man  daraus  schliefst, 
ich  habe  mich  gegen  JvFalkes  erweis  ausgesprochen,  dass  die 
steirischen  Lichtensteiner  mit  dem  heute  regierenden  fürstlichen 
hause  nicht  verwandt  seien,  in  dem  vor  diesem  artikel  ge- 
arbeiteten aufsatze  Zs.  26,  307  ff  habe  ich  verschiedene  kleine 
einzelheiten  in  den  angaben  des  Falkeschen  werkes  (Geschichte 
des  fürstlichen  hauses  Lichtenstein)  über  die  familie  Ulrichs  von 
Lichtenstein    berichtigt;    ich  würde    natürlich  es    auch   mitgeteilt 


KLEINE    MITTEILUNGEN  379 

haben,  wenn  ich  in  bezug  auf  jenen  wichtigeren  punct  von 
Falkes  aufstellungen  abgewichen  wäre,  ich  bedauere  um  so  mehr, 
mich  in  dem  biographischen  artikel  so  knapp  ausgedrückt  zu 
haben,  als  ich  aus  Germania  33,  507  ersehe,  dass  hr  Jakob  von 
Falke  mich  für  einen  gegner  der  von  ihm  vorgetragenen  ansieht 
über  die  genealogie  der  Lichtensteiner  hält. 

Graz  6.  5.  89.  Anton  E.  Schönbach. 


Zu  Anz.  XV  176. 


In  seinen  methodologischen  auseinandersetzungen  über  epi- 
sche kritik  beruft  sich  Heinzel  auch  auf  meine  einleitung  zur  aus- 
gäbe von  Alphart,  Dietrichs  flucht  und  Rabeoschlacht.  aber  mit 
unrecht  sagt  er,  dass  ich  auch  für  den  Alphart  zugegeben  hätte, 
der  dichter  könne  seine  früheren  angaben  vergessen  oder  von 
haus  aus  über  irgend  einen  punct  der  erzählung  unklare  oder 
unbestimmte  Vorstellungen  gehabt  haben,  die  angeführte  stelle 
s.  XXII  bezieht  sich  nicht  auf  das  Alphartslied,  sondern  auf  dessen 
l'ortsetzung.  und  hier  ist  der  punct,  an  welchem  ich  (und  wol 
auch  andere)  einen  unterschied  machen  muss,  dessen  Vernach- 
lässigung von  seilen  Heinzeis  seineu  ausführungen  in  meinen 
äugen  alle  Überzeugungskraft  raubt,  umarbeiter,  Überarbeiter 
älterer  gedichte  können  freilich,  den  blick  beschränkt  auf  den 
kleinen  teil  der  erzählung,  der  sie  gerade  beschäftigt,  ihre  Zu- 
sätze oder  abänderungen  in  Widerspruch  setzen  mit  der  übrigen 
erzählung,  zumal  wenn  sie,  weit  später  als  der  ursprüngliche 
dichter  lebend ,  dessen  sagenkeuntnis  nicht  besitzen,  aber  dem 
ursprünglichen  dichter  eines  liedes  oder  einer  erzählung  darf 
man  eine  solche  Verwirrtheit  nicht  zutrauen,  ohne  ihm  den  nämen 
eines  dichters  abzusprechen.  Heinzel  selbst  gibt  das  mafs,  bis 
zu  welchem  seine  methode  irre  führen  kann,  indem  er  auch 
Claus  Wisse  und  Philipp  Colin  unbefangen  als  würkliche  dichter 
anführt  und  aus  ihren  confusionen  Schlüsse  auf  die  freiheit 
dichterischer  darstellung  zieht,  ich  glaube  nicht,  dass  sonst  noch 
jemand  diesen  sclavischen  Übersetzern  eines  contaminierten  und 
interpolierten  textes  dichterischen  wert  beimessen  wird,  und  meine, 
dass  wir,  wenn  wir  von  deutscher  volksepik  nichts  hätten  als  etwa 
das  alte  Heldenbuch ,  auch  von  dieser  wenig  aufhebens  machen 
dürften,  nein,  diese  gedichte  und  ebenso  Dietrichs  flucht,  die 
fortsetzung  des  Alphart  usw.,  sie  dürfen  uns  als  folie  für  die 
echten,  für  die  würklich  von  ursprünglicher  poesie  erfüllten  werke 
dienen:  sie  zeigen  uns  allerdings  die  bände,  durch  welche  die 
reste  des  volksepos  uns  teilweise  überliefert  sind,  dass  diese 
plumpen  bände  sich  auch  mehr  oder  weniger  an  dem  alten  gute 
vergriffen  haben,  und  wie  sie  zum  gold  ihr  kupfer  zusetzten,  das 


380  zu  ANz.  XV  176 

lässl  sich  da,  wo  verschiedene  haadschriften  vorliegen,  noch 
zeigen,  wenn  in  den  Nibelungen  die  gemeine  lesart  hinter  432 
eine  Strophe  darbietet ,  wonach  Siegfried  beim  kampfspiel  mit 
Briinliiid  den  ger  umgekehrt  zurückschleudert,  sodass  nur  die 
Stange,  niciit  aber  die  eisenspitze  auf  ihren  panzer  schlägt,  so 
erweist  sich  dies  als  zusatz  dadurch,  dass  in  der  str.  433  vom 
funkensprühen  beim  zusammenstofs  die  rede  ist,  wie  es  holz  auf 
metall  unmöglich  hervorbringen  konnte,  und  wenn  Heinzel  die 
von  ten  Brink  angenommene  müglichkeit  läugnet,  dass  Varianten 
zweier,  von  einander  unabhängiger  bearbeitungen  desselben  gegen- 
ständes von  einem  dritten  redactor  mit  einander  verbunden  werden 
konnten,  so  darf  ich  ihn  wol  auf  den  Roman  de  Reuart  hin- 
weisen, wo  in  br.  vM147  die  hss.  ABC  das  gewünschte  Verhältnis 
klar  vor  äugen  stellen,  was  hier  und  sonst  von  dem  verfahren 
der  interpolatoren  durch  die  handschriftliche  Überlieferung  be- 
zeugt ist,  das  anderwärts  vorauszusetzen,  wo  innere  gründe  dazu 
auffordern,  wird  philologischer  kritik  nicht  verboten  sein. 

E.  Martin. 

Nach  einer  mitteilung  ThMommsens  enthält  die  früher  Chelten- 
hamer,  jetzt  im  besitz  der  Berliner  kgl.  bibliothek  befindliche 
hs.  1741  saecl.  10  gesammelte  ahd.  gll.  zu  den  Canones,  welche, 
so  weit  die  gegebenen  proben  ein  urteil  verstatten ,  durchaus  mit 
nr  DLXXxiii  des  zweiten  bandes  der  Ahd.  gll.  übereinstimmen. 


Zu  im  swerte  sehen  Anz.  xv  216  verweist  dr  JMeier  noch 
auf  eine  stelle  meister  Sigehers,  welche  (MSH  2,362')  lautet: 
Ich  twanc  einen  geist ,  unz  er  mich  werte  künftic  dinc  von  kunst 
ze  sehene  in  einem  swerte. 


Der  ao.  prof.  an  der  Universität  Berlin  dr  Edward  Schröder 
wurde  zum  ordentl.  prof.  an  der  Universität  Marburg  ernannt, 
der  ordentl.  prof.  geh.  regierungsrat  dr  RWeinhold  von  Breslau 
nach  Berlin  versetzt,  an  der  Universität  Heidelberg  habilitierte 
sich  dr  HWunderlich  für  deutsche  philologie. 


Dmclc  von  J.  B.  Hirschfeld  in  Leipzig. 


PF  Zeitschrift  für  deutsches 
3003  Altertum  und  deutsche 

Z5  Literatur 

Bd.33 


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