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Full text of "Zeitschrift für deutsche Philologie"

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ZEITSCHRIFT 


FÜR 


DEUTSCHE  PHILOLOGIE 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


Dr.  ernst  HÖPFNER  und  Dr.  JULIUS  ZACHER 

PBOTIIIZIALSCHULIUT  IN  KOBLENZ  PBOF.  A.  D.   DHIVBBSITÄT  ZD  HALLK 


FÜNFZEHNTER   BAND 


EILDEiJßAsD 
LIBEAßy 


HALLE, 

VERIJia     DEB    BCCHHAKDLDNO    DES    WAISBNKAÜSES. 

1883. 


-TAMCOD- 


rvA^.5^-^^^n 


i=\  ,  •  3  q  1  0  '^ . 


INHALT. 


Seite 

Der  gennanische  ablaut  in  seinem  Verhältnis  zum  indogermanischen  vocalis- 

mns.    Von  H.  Collitz  1 

Altdeutsches  epistol-  und  evangelienbnch.  in.    Von  Karl  Stejskal  10 

Beitrag  zur  kentnis  filterer  deutscher  Volkslieder.    Von  A  Lübhen 48 

Zu  Walthers  vokalspiel.    Von  Heinrich  Giske 66 

uMspilli.    Von  F.  Piper 69 

Das  Münchoner  liederbuch.    Von  K.  Frommann 104 

Die  bailade  und  romanze  von  ihrem  ersten  auftreten  in  der  deutschen  kunst- 
dichtung  bis  zu  ihrer  ausbildung  durch  Bürger.    Von  P.  Holzhaus e^n  129.  297 

Zur  Kudrnn.    Von  E.  Martin    194 

Zur  kritik  des  Nibelungenliedes.    Der  empfang  der  gaste.  Von  Emil  Eettner  229 
Bruchstücke  aus  der  samlung  des  Freiherrn  von  Hardenberg.    Vierte  reihe. 
(Fortsetzung  zu  bd.  XIV  s.  G3  fgg.)    1.  2.  Predigten  auf  die  fest-  und  hei- 
ligentage.    3.   Passionsgeschichto.     4.   Aus   bruder  Philipps  Marienleben. 

5.  Aus  dem  Willehalm  Ulrichs  von  Türheim.    6.  Cato  .....t 257 

Zum  Arnsteiner  Marienieich.    Von  H.  Jellinghaus    345 

Zu  Walther  18,  15  und  84,  30.    Von  Franz  Presch   358 

Beitrage  aus  dem  Niederdeutschen.    Von  Fr.  Woeste   359 

Sein  oder  nichtsein  des  Guiot  von  Provence.    Von  San-Marte  385 

Zu  Froumunds  briefcodex  und  zu  Buodlieb.     Von  Georg  Schopss  419 

Der  text  des  zweiten  teiles  von  Goethes  Faust.     Von  Heinr.  Düntzer  und 

nachtrag 434.  504 

Die  jagd  im  Nibelungenliede.    Von  E.  Matthias 471 

Miscellen. 

Bericht  Aber  die  Verhandlungen  der  deutsch -romanischen  section  der  XXXVI. 
versamlung  deutscher  philologen  und  schulmänner  in  Karlsruhe ,  vom  27.  bis 
30.  September  1882.    Von  prof.  Amersbach  249 

Preisausschreiben  des  „Vereins  für  deutsche  literatur" 256 

Litteratur. 

Arkiv  for  nordisk  filologi.  Udgivet  under  medvirkning  af  S.  Bugge  (Chri- 
stiania),  Nicolaus  Linder  (Stockholm),  Adolf  Noreen  (XJpsala),  Ludv. 
F.  A.  Wimmer  (Kjebenhavn) ,  Theodor  Wisen  (Lund)  ved  Gustav 
Storm;  angez.  von  E.  Mogk  126 


IV  INH.\LT 

C.  Juli  Caesaris  bolli  Gallici  libri  VII ,  accessit  A.  Hirti  über  octavas.  Becen- 
suit  Alfred  Holder;  angcz.  von  W.  Dittenberger 241 

Islendzk  Aeventyri.  Isländische  legenden,  novellen  und  märchen  herausg.  von 
H.  Gering;  angez.  von  B.  Symons 242 

Althochdeutsches  lesebuch.  Zusammongestelt  und  mit  glossar  versehen  von 
Wilhelm  Braune.  2.  aufi.  Die  spräche  und  litteratur  Deutschlands  bis 
zum  zwölften  Jahrhundert  Für  Vorlesungen  und  zum  Selbstunterricht  bear- 
beitet von  dr.  Paul  Piper;  angez.  von  E.  Sievers  244 

Erlauer  spiele.  Sechs  altdeutsche  mysterien  nach  einer  handschrift  des  XV.  Jahr- 
hunderts zum  ersten  male  herausgegeben  und  erläutert  von  dr.  Karl  Ferd. 
Kummer;  angez.  von  J.  E.  Wackernell  364 

Walther  von  der  Vogelweide,  herausg.  und  erklärt  von  W.  Wilmanns.  Zweite 
volstftndig  umgearbeitete  ausgäbe.  (A.  u.  d.  t.:  Germanistische  handbiblio- 
thek,  hsg.  von  Julius  Zacher);   angez.  von  Emil  Henrici  376 

Die  deutsche  philologie  im  grundriss,  von  Karl  vonBahder;  angez.  von  Karl 
Kinzol  379 

Mittelhochdeutsche  metrik.  Leitfaden  zur  einftihrung  in  die  lectüre  der  classi- 
ker.    Von  Rieh.  v.  Muth;  angez.  von  K.  Kinzel    381 

Reinhold  Becker,  Der  altheimische  minnesang;  angez.  von  Emil  Henrici  383 

Germanistische  abhandlungen ,  herausg.  von  Karl  Weinhold.  I.  Conrad  Mül- 
ler, beitrage  zum  leben  und  dichten  Daniel  Caspers  von  Lohenstein;  angez. 
von  Joh.  Bolto  502 


Register  von  E.  Matthias 505 


DEE  GERMANISCHE  ABLAUT  IN  SEINEM  VERHÄLTNIS 
ZUM  INDOGERMANISCHEN   VOCALISMUS. 

Die  Untersuchungen  auf  dem  gebiete  des  indogermanischen  voca- 
lismus  haben  im  laufe  des  lezten  Jahrzehntes  zu  einer  völligen  Umge- 
staltung der  ansichten  über  das  System  und  die  entwickelung  der 
indogermanischen  vocale  geführt.  Ein  moment  nach  dem  anderen 
ergab  sich,  welches  mit  der  hergebrachten  theorie  nicht  recht  in  ein- 
klang  stand,  und  während  man  anfangs  noch  hofien  durfte,  mit  einer 
entsprechenden  modification  des  alten  Systems  auszureichen,  hat  sich 
schliesslich  herausgestelt,  dass  auch  der  eigentliche  kern  jener  theorie  — 
die  lehre  von  den  drei  vocalreihen,  welche  auf  den  drei  grundvocalen 
und  ihrer  Steigerung  beruhen  solten  —  nicht  mehr  zu  halten  sei. 
Über  diesen  negativen  teil  der  vocalischen  frage  ist  man  sich  heute 
wol  ziemlich  auf  allen  selten  klar;  hinsichtlich  der  positiven  aufstel- 
lungen  aber,  durch  welche  die  alte  theorie  zu  ersetzen  sei,  herscht  nicht 
dieselbe  klarheit.  Allerdings  hat  sich  jezt  für  manche,  man  kann  wol 
sagen  für  die  mehrheit  der  vocalischen  erscheinungen  ein  Zusammen- 
hang ergeben,  welcher  an  einfachheit  und  geschlossenheit  der  lehre 
von  den  drei  vocalreihen  nichts  nachgibt.  Allein  dies  System  ist  nicht 
überall  so  bekant  geworden  und  hat  nicht  überall  diejenige  aufnähme 
gefunden,  welche  es  verdient.  Der  grund  hierfür  ist  wol  hauptsächlich 
darin  zu  suchen,  dass  das  neue  System  nicht  auf  einmal  und  nicht 
von  6inem  gelehrten  gefunden  ist,  sondern  sich  almählich  und  unter 
beteiligung  verschiedener  richtungen  ergeben  hat.  Dies  hat  einerseits 
dazu  geführt,  dass  die  einzelnen  abhandlungen,  welche  die  erforschung 
des  vocalismus  weiter  zu  fuhren  suchten,  an  verschiedenen  und  nicht 
jedem  leicht  zugänglichen  orten  zerstreut  sind;  andererseits  hinderte 
es  an  der  aufstellung  einer  einheitlichen  und  gleichmässigen  bezeichnung 
der  fiir  die  prähistorische  zeit  vorausgesezten  vocale:  es  trat  eine  zeit 
lang  so  ziemlich  in  jeder  neuen  abhandlung  ein  neues  vocalschema 
dem  leser  entgegen.  Endlich  komt  hinzu,  dass  einzelne  versuche,  die 
entstehung  des  ablautes  zu  ermitteln,  weit  über  das  ziel,  an  dessen 
erreichung  die  vergleichende  sprachvnssenschaft  denken  kann,  hinaus- 
schiessen,  und  dadurch  das  gefühl  der  Unsicherheit,  welches  den  neue- 
ren forschungen  gegenüber  noch  vielfach  herscht,  vermehrt  haben.  — 

SEIT8CHB.   r.   DBUTSOBS  PHILOLOOIB.     BD.  XV.  1 


COLLITZ 


In  erwägung  dieser  Sachlage  ist  von  uns  im  folgenden  der  versuch 
gemacht  worden ,  speciell  für  germanistische  leser  einen  überblick  des- 
sen zu  geben ,  was  als  sicheres  ergebnis  der  neueren  vocaltheorien  gel- 
ten kann.  Die  darstellung  sucht  zunächst  über  den  gang  der  forschung 
seit  dem  erscheinen  von  Schleichers  compendium  zu  orientieren;  es 
sollen  die  leitenden  ideen,  welche  sich  im  laufe  der  forschung  verfol- 
gen lassen,  hervorgehoben  und  zugleich  für  die  systematische  darstel- 
lung der  germanischen  vocale,  welche  den  zweiten  teil  des  aufsatzes 
bildet,  der  grund  gelegt  werden. 


I.    Historischer  flberblick  der  neueren  forschungen. 

1.    Von  Schleicher  bis  auf  Amelung. 

Das  erscheinen  von  August  Schleichers  Compendium  der  vor- 
gleichenden grammatik  der  indogermanischen  sprachen  (1861)  bezeich- 
net, wie  auf  den  übrigen  gebieten  der  vergleichenden  grammatik,  so 
vor  allem  auf  dem  des  vocalismus  den  beginn  einer  neuen  epoche  der 
forschung.  Zwar  kann  man  nicht  sagen,  dass  Schleicher  den  früheren 
ansichten^  gegenüber  in  allen  punkten  das  richtige  getroffen  habe; 
wol  aber  bildet  seine  darstellung  ein  eigenartiges,  in  sich  fest  gefugtes 
und  nach  allen  Seiten  hin  abgeschlossenes  System,  das  von  der  Ursprache 
bis  ZU  den  einzelsprachen  herab  in  der  entwickelung  des  vocalismus 
feste  gesetzmässigkeit  aufzuweisen  suchte,  jeder  einzelnen  vocalischen 
erscheinung  in  dem  grossen  zusammenhange  ihren  platz  anwies,  und 
vor  allem  durch  die  art  und  weise,  in  welcher  es  die  erforschung  der 
sprachlichen  tatsachen  vornahm,  für  die  folgezeit  ein  muster  abgab.  — 
Auf  eine  ausführliche  widergabe  des  Schleicherschen  systemes  können 
wir  hier  verzichten;  wir  dürfen  dasselbe  als  aus  dem  compendium  und 
aus  der  anschaulichen  entwickelung,  welche  Schleicher  in  seinem  buche 
„Die  deutsche  spräche"  (Stuttgart  1860,  4.  aufl.  1879)  s.  133  fg.  gege- 
ben hat,  bekant  voraussetzen.  Nur  die  grundzüge  des  Systems  mögen 
hier,  als  anhaltspunkt  far  die  darstellung  der  nachher  zu  besprechen- 
den ansichten,  in  aller  kürze  aufgeführt  werden. 

Der  älteste  lautstand  der  indogermanischen  sprachen  kante  nur 
die  drei  grundvocale:  a,  t,  u.  Zum  zwecke  des  beziehungsausdruckes 
konten  diese  drei  vocale  gesteigert  werden,  dadurch  dass  ihnen  ein  a 

1)  Einen  fiberblick  der  ansichteu  von  Grimm,  Bopp,  Holtzmann  und 
Jacobi  geben  Bumpelt,  Dcntsche  grammatik  (Berlin  1860)  s.  105—129  und 
Grein,  Abhint,  rednplication  und  socnnd&re  wurzeln  der  starken  yerba  im  deut- 
schen (Marburg  1868)  1. 1—37. 


ABLAUT  8 

(„der  die  natur  des  vocals  am  ausgeprägtesten  tragende,  reinste  und 
ungetrübteste  aller  vocalischen  laute^)  vorgeschoben  ward;  es  traten 
also  zu  den  grundvocalen  die  gesteigerten  vocale  aa,  ai,  au.  Zu  die- 
sem vocalbestande  stelten  sich  durch  nochmalige  hinzufugung  eines  a 
vor  die  erste  Steigerung  —  oder  durch  hinzufügung  eines  ä  vor  die 
grundvocale  —  die  vocale  der  zweiten  Steigerung:  äa,  äi,  äu.  Dar- 
nach ergibt  sich  für  die  grundsprache  eine  dreifache  dreiheit  von  voca- 
len,  d.h.  drei  vocalreihen ,  deren  jede  aus  grundvocal,  erster  und  zwei- 
ter Steigerung  besteht: 

Grundvocal.      1.  steigernng.  2.  Steigerung. 

A -reihe:        a  aa  (ä)  a  +  aa  =  äa  (a) 

I-reihe:  i  ai  a  +  ai  =äi 

U  -  reihe :        u  au  a  +  au  =^  äu. 

Dieses  ursprachliche  System  erfährt  in  der  deutschen  grundsprache 
eine  wichtige  modification  zunächst  dadurch,  dass  der  grundvocal  der 
A  -  reihe  zu  i  und  u  geschwächt  werden  kann ;  ^  die  grundvocale  %  und 
u  bleiben  erhalten ,  so  dass  wir  im  Deutschen  zweierlei  i  und  u  haben. 
Die  erste  und  zweite  Steigerung  der  A- reihe,  welche  sich  ursprünglich 
beide  in  ä  zusammenziehen,'  sind  als  ä  (got.  e)  und  6  von  einander 
geschieden;  die  beiden  Steigerungen  der  I-reihe  als  ei  und  ai,  die  der 
U- reihe  als  iu  und  au.  Die  „entsteUung"  der  U- reihe  durch  „zusam- 
menschmelzen von  iu  zu  ü*^  ist  der  deutschen  grundsprache  in  ihrer 
älteren  form  noch  nicht  zuzuschreiben.  Der  vocalismus  der  deutschen 
grundsprache  gewint  demnach  folgende  gestalt: 

2.  Schwächung.    1.  schwäch.    Grundvocal.      1.  Steigerung.    2.  Steigerung. 

A  -  reihe :  i  u  a  ä  (got.  e)  6 

I-reihe:  i  ei  ai 

ü- reihe  u  iu  (ß)  au 

1)  „Der  edelste  volste  vocal  a  "  sagt  Schleicher  (Die  deutsche  spräche  s.  136 
und  137),  „wird  als  schwor  empfunden  und  die  spräche  sucht  und  findet  mittel, 
sich  dieses  ursprünglich  überaus  häufigen  lautes  zum  grösseren  teile  zu  entledigen 
....  Das  endliche  ergebnis  der  lautlichen  Veränderungen ,  die  die  spräche  erfuhr, 
war  das,  dass  in  der  deutschen  grundsprache,  durch  fortsetzung  der  reihe  über 
den  grundvocal  hinaus,  also  durch  negative  abstufung,  die  A- reihe  um  zwei  glie- 
der,  nämlich  um  die  erste  Schwächung  u  und  die  zweite  Schwächung  t  vermehrt 
ward.* 

2)  „Die  deutsche  spräche  wiU  diese  beiden  stufen ,  einem  feinen  Sprachgefühle 
rechnung  tragend,  auseinander  halten.  Was  hat  sie  für  mittel,  diesen  zweck  zu 
erreichen  ?  . . .  Um  die  zweite  Steigerung  von  der  ersten  zu  sondern ,  ward  das  ä 
der  zweiten  steigernng  zu  6  getrübt,  das  der  ersten  Steigerung  aber  rein  belassen. 
Das  Gotische  gieng  im  streben  nach  dissimilation  dieser  beiden  d  sogar  so  weit, 
aaoh  das  d  der  ersten  Steigerung  zu  färben,  nämlich  nach  t  hin,  zu  e  («»  d).  Dies 
ist  jedoeh  der  deutschen  grundsprache  fremd.*'    (A.  a.  o.  137.) 

1* 


^"5  o  .s 


A- reihe  koute  man  diese  Unterscheidung  um  so  ehor  fallen  lassen,  ala 
88  schwur  zu  begreifen  war,  wie  die  Germanen  dazu  gekommen  aein 
8oIten,  die  nach  Schleichers  eigener  meinung  schon  in  der  Ursprache 
in  ä  KuaammengefloBsenen  beiden  Steigerungen  von  neuem  zu  scheiden. 
Auf  diese  weise  gewann  man  für  die  grundeprache  ein  höchst  einfaches 
vocalsystem,  das  sich  in  folgendem  Schema  widergebea  lässt: 

GruiidTOCal,  Steig  er»  og. 

A-reihe:    a  =  germ.  a,  e,  o  &  =:  germ.  ä  (c),  o 

I-reihe:      t  =  germ.  i  ai  ^  germ.  ai,  ei 

U-reihe:     m  =  germ.  «  a«  ^=  germ.  au,  eu. 

Dieses  system  hat  wesentlich  durch  Scherers  bahnbrechendes 
werk  in  der  germanischen  grammatik  aufnähme  gefunden,  und  etwa 
ein  Jahrzehnt  lang  den  meisten  Untersuchungen  über  den  germanischen 
vooalismua  zu  gründe  gelegen.  Scherer  trat  zugleich  für  die  von  Kuhn 
(KZ.  12.  143)  geäusserte  meinung  ein,  weiche  die  steigerungsfoiiuen 
nicht  durch  vortreten  eines  o,  sondern  durch  die  mittelstufe  gedehnter 
TOcale  aus  den  grundTocalen  hervorgehen  liesa.  Aus  den  gedehnten  i 
und  ü  solten  ai  und  au  nicht  anders  entstanden  sein,  nie  z.  b.  die 
mhd.  i  und  ä  sich  im  nhd.  zu  ai  (geschrieben  ei)  und  au  entwickelt 
haben-  Wir  werden  auf  diese  erkläruug  der  vocalsteigerung  ~-  für 
welche  Joh.  Schmidt,  Z.  Gesch.  d.  mdog.  Voc.  I,  143  den  umstand 
geltend  machte,  dass  noch  resto  des  alten  ti  in  wöi-tern  wie  liikan, 
aügan  im  Germanischen  erbalten  seien  —  später  zurückkommen  müs- 
sen; hier  sei  nur  bemerkt,  dass  sie  zu  allen  zeiten  gegner  gehabt  und 
sich  schliesslich  nicht  bewährt  hat. 

Wir  kommen  nun  zu  einer  schrift,  die  in  den  lezten  jähren  zwar 
mehrfach  erwähnt  worden  ist,  aber  immer  noch,  wie  mir  scheint, 
weniger  ihrem  inhalte  nach  bekant  ist  und  ihrer  bedeutung  nach  gewür- 
digt wird  als  sie  verdiente  —  ich  meine  Arthur  Amelungs  scbrift: 
„Die  bildung  der  tempuastämme  durch  vocalsteigerung  im  Deutschen," 
Berlin  1871.'     Zwei  fragen  sind  es  nach  Amelung  (s.  8),    die  bei  der 

115  in  ilicseiQ  sinne  mit  recht  bctnerlite  ,oiDe  uweite  et<<igerang  (VriHdhi)  ist  dir 
die  Ursprache  noch  in  keiner  einsigen  fomi  erwieseu*  äcliloicbar  liatt«  alio  (Ölsuh- 
lluh  die  beiden  gpftltungefonncn  der  eoropllischen  sprachen  mit  den  buiden  steige- 
niugafonuon  der  ariBchen  gpracben  tu  bedehaog  gesczt:  das  int  der  gtttnJfebter 
Beinos  systemes. 

1)  leb  bi'subränko  mic^h  dKniiif,  uns  dieser  schrift  diejenigen  punkte  hervor- 
sahcben ,  ««lohe  rOr  dio  auffuBsnng  des  Tomlaf  «tcmcs  vun  intereiHO  aind .  miicbte 
aber  liier  darauf  binweiam,  daas  AmelnngB  antorsuchnngen  nneb  in  anderer  hin- 
sieht, X,  b.  in  der  Homliuig  dos  matL-riala.  io  der  anardnang  d«r  conjugntivnsklaa- 
Mn  aad  in  dor  bourteilnng  mancbur  olnzulnen  criichcinung  T&t  üire  leit  sehr  ancr- 
kcnntinewertea  gelulAtet  haben  und  vielfach  noch  beute  tod  wert  &lnd. 


ABLAUT  7 

antersuchang  des  ablautes  vor  allem  beantwortet  werden  müssen: 
^erstens,  unter  welchen  bedingungen  in  der  indogermanischen  Ursprache 
grundvocal,  erste  oder  zweite  Steigerung  eintrat;  zweitens,  nach  wel- 
chen lautgesetzen  sich  die  vocale  und  diphthonge  des  ursprünglichen 
Steigerungssystems  in  den  einzelnen  sprachen  verändert  haben."  Diese 
beiden  fragen  far  das  Westarische  zu  beantworten  bezeichnet  Amelung 
als  das  nähere  ziel  seiner  Untersuchungen;  seinen  ausgangspunkt  bildet 
überall  das  Germanische.  —  Amelung  schliesst  sich  der  Curtius-Mül- 
lenhoflfschen  ansieht  an ,  dass  das  e  gemeineuropäisch  und  urgermanisch 
sei  Aber  er  geht  darin  seinen  eigenen  weg,  dass  er  e,  ei,  eu  nicht 
für  europäische  spaltungsformen  des  a,  ai,  au  hält,  sondern  die  erste- 
ren  wie  die  lezteren  als  weiterent Wickelungen  grundsprachlicher  stei- 
gerungsformen  ansieht.^  In  der  I- reihe  und  U- reihe  sind  ihm  ei 
(woraus  i)  und  eu  vocale  der  ersten,  ai  und  au  vocale  der  zweiten 
Steigerung  —  also  wie  bei  Schleicher,  nur  dass  das  germanische  eu  für 
Schleichers  iu  jezt  einen  genauen  parallelismus  der  beiden  reihen 
herstelt.  In  der  A- reihe  sezt  er  genn.  e  als  Vertreter  des  grund- 
vocals,  germ.  a  als  Vertreter  der  ersten  und  germ.  6  als  Vertreter 
der  zweiten  Steigerung.  Dieser  schritt  ist  vor  allem  beachtenswert. 
Während  bei  Schleicher  der  ablaut  *  heran  —  *bar  auf  dem  Wech- 
sel zwischen  erster  Schwächung  und  grundvocal  beruht,  also  jün- 
geren datums  wäre,  ist  darin  nach  Amelung  ein  Wechsel  zwischen 
grundvocal  und  erster  Steigerung,  also  der  reflex  eines  grundsprach- 
Uchen  Vorganges  zu  sehen.  Deutsch  e,  a,  o  ergeben  sich  nach  Ame- 
lung aus  der  vergleichung  des  Oriechischen  und  Lateinischen  als  die 
regelmässigen  Vertreter  der  drei  Steigerungsstufen  der  A- reihe.  Mit 
germ.  ä  =  goi  e  (s.  46  —  52)  und  germ.  ö  (s.  52  —  58)  hat  es  eine 
besondere  bewandnis.  Das  ä  im  ablaut  deutscher  verben  ist  nach 
Amelung  nirgends  einfach  vocalsteigerung,  sondern  immer  nur  eraatz- 
dehnung;  später  ist  es  dann  auch  schlechthin  als  steigerungsvocal  in 
neuen  Wortbildungen  verwant  worden.  Was  das  germ.  o  anlangt,  so 
hat  Amelung  richtig  erkant ,  dass  es  mit  dem  südeuropäischen  o  nichts 
zu  tun  hat;  „es  muss  neben  dem  deutschen  e  für  einen  zweiten  direc- 
ten  Vertreter  des  westarischen  e  gelten."  Aber  ä  sowol  als  o  setzen 
den  ausfall  des  wurzelvocals  voraus.  —  „Wo  im  plur.  perf.  eine  liquida 
zwischen  zwei  andere  consonanten  zu  stehen  kam,  da  haben  wir  o,  im 

1)  Über  die  gründe ,  welche  ihn  veranlassten ,  die  annähme  einer  westarischen 
Spaltung  des  a  zu  verwerfen,  spricht  sich  Amolang  s.  39  fgg.  aus.  Sein  haupt- 
gxiind  ist  enthalten  in  den  werten:  „Die  spaltimg  eines  lautes  in  zwei  verschiedene 
ist  immer  eine  bedenkliche  annähme ,  wenn  das  eintreten  des  einen  oder  des  andern 
lautes  an  gar  keine  bestirnten  bedingungen  gebunden  erscheint." 


8  OOLLITZ 

anderen  falle  a^  (s.  54).  ^Der  ausfall  des  e  kann  nur  in  einer  für  uns 
freilich  nicht  mehr  zu  ermittelnden  vorgermanischen  betonungsweise 
seinen  grund  gehabt  haben^  (s.  55).  Dieselbe  erklärung  wie  f&r  das  o 
des  plur.  perf.  gilt  für  das  o  des  participiums:  wenn  das  o  hier  ebenso 
wie  im  perf.  plur.  an  stelle  eines  schon  im  Westarischen  durch  Wir- 
kung des  accentes  ausgefallenen  oder  doch  auf  das  geringste  mass  von 
klangstärke  reducierten  e  stehen  soll ,  so  erklärt  sich  daraus  leicht  der 
unterschied  von  gebans  (X.  conj.)  und  borgans  (XII.  conj.)"  (s.  56). 
Amelung  sezt  daher  für  die  grundformen  borgumaSy  holpumäs,  bundfi- 
mos  usw.  ältere  germanische  formen  wie  bebrgumäs  (nach  abfall  der 
reduplication  brgumäs)^  hehlpumäs,  bebndumäs  voraus;  ebenso  im  par- 
ticipium  für  borgans^  holpans,  bundans  älteres  brganas,  Mpancis, 
bndanas  „mit  silbenbildender  liquida^  (s.  56).  Entsprechend  nimt  er 
für  nominalformen  wie  got.  fruma,  haumy  kaumo  die  grundformen 
frma,  hrn^  krno  an,  und  fügt  hinzu:  „Dass  aber  die  Ursache  dieser 
Schwächung  weit  hinter  germanischer  zeit  zurück  liege,  zeigt  wider  die 
weit  gehende  Übereinstimmung  des  Slavischen:  dem  deutschen  o  (u) 
entspricht  slavisches  ü  in:  vlUna  vulla  lana.  vlükü  vulfs  lupus.  plünü 
fuUs  plenus.  6rUvü  vaurms  vermis.  zrüno  granum  kaum  frumentum. 
chlümU  Iwlmr  collis.  dliJigü  longus  dulgs  debitum.  sü-mrüti  mors 
maurpr  caedes.  glükü  sonitus  klocka  campana.  trünü  paumus  spina^ 
(s.  58). 

Die  grundzüge  seines  Systems  hat  Amelung  tabellarisch   (s.  26 
und  59)  folgendermassen  zusammcngefasst: 


indogcrm. 

ß  [Grundvocal:  i 

S<1.  Steigerung:  ai 

t-H  12.  Steigerung:  ai 

^  [Grundvocal :  u 

's  <  1 .  Steigerung :  au 

p  12.  Steigerung:  äu 

^  (Grundvocal:  a 

SM.  Steigerung:  a 

^  [2.  Steigerung :  d 


westarisch    griechisch  lateinisch  deutsch 

.  .  . 

t  i  %  % 

ei  ei  ei  i 

ai  ol:  Ol  ai :  oi  ai 

u  V  u  u 

eu  ev  eu  eu  (ü) 

ou  ctv  :  ov  au:  ou  au 

e  e  e  e :  0 

a  a : 0  a:  0  a 


a  a{rj)  w      a{e)  :  o        o 

Gegen  Amelungs  aufstellungen  wante  sich  Leo  Meyer  in  dem 
aufsatze :  ,.Über  vocalsteigerung  insbesondere  in  der  verbalflexion'^  (Zs.  f. 
vergl.  sprachf.  21,  341  fgg.).  Die  Schleichersche  annähme  zweier  grund- 
sprachliohen  Steigerungen ,  von  der  Amelung  ausgehe ,  sei  gänzlidi  ver- 
fehlt Sowol  von  anderen,  wie  von  Friedrich  Müller  („Über  d.  vocal- 
steigerung der  indogeruL  Ursprache^  s.  8  =  Siizongsber.  der  Wiener 


ABLAUT 


Akad.  bd.  66  vom  j.  1870  s.  ^20)  sei  betont,  dass  in  der  indogenn. 
nrspracfae  nur  eine  einzige  vocalsteigerung  vorhanden  war;  die  zweite 
Steigerung  in  ihrer  consequenten  entwickelung  als  Yriddhi  sei  ein  spe- 
cifisch  indisches  prodnkt. 

Amelung  hat  die  einwürfe  L.  Meyers  in  einer  „Erwiderung"  (Zs. 
f.  vergl.  spracht  22,  361  fgg.)  zu  entkräften  versucht,  in  der  er  sich 
von  dem  grundfehler  des  Scbleicherschen  systemes  —  der  gleichsetzung 
der  zweiten  form  der  Guna- Steigerung  in  den  europäischen  sprachen 
mit  der  Vriddhi- Steigerung  im  Indischen  —  freimacht,  und  die  grund- 
züge  einer  neuen  auffassung  des  indogermanischen  vocalismus  entwirft. 
Aus  den  sprachlichen  tatsachen  gehe  sicher  hervor,  dass  schon  in  der 
europäischen  grundsprache  ein  grammatisch  geregelter  Wechsel  von 
e  a  ä,  i  ei  ai,  u  eu  au  bestanden  habe,  also  ein  volständiges  System 
zweifacher  vocalsteigerung  (s.  366  fg.).  In  der  I-  und  U- reihe  ent- 
spricht europäischen  grundvocalen  i  und  u  zwar  auch  im  Arischen  i 
und  u;  europäischer  erster  und  zweiter  Steigerung  ei  eu  und  ai  au, 
die  den  unterschied  zwischen  präsens-  und  perfectstamm  charakterisie- 
ren, entspricht  aber  im  Arischen  gleichmässig  erste  Steigerung.  Hier 
bleibt  die  frage  offen,  ob  in  dem  arischen  Guna  die  europäischen  ei 
und  ai,  eu  und  au  zusammen  seien,  oder  ob  sich  die  früher  allein 
vorhandene  Gunasteigerung  erst  im  Europäischen  in  zwei  laute  gespal- 
ten habe  (s.  368).  „Ganz  ähnlich  liegt  die  frage  in  betreff  der  A- reihe. 
Den  drei  europäischen  lauten  e  a  ä  stehen  nur  zwei  arische,  a  und  d 
gegenüber.  Europäischem  e  entspricht  überall  arisches  a,  europäischem 
a  bald  a  bald  ä.  Hier  wird  nun,  ich  muss  wol  sagen  gewohnheits- 
mässig,  angenommen,  das  ursprüngliche  a  habe  sich  im  Europäischen 
in  a  und  e  gespalten.  Es  ist  aber  ganz  ebenso  möglich,  dass  in 
dem  arischen  a  zwei  ursprünglich  verschiedene  laute  zusammengeflos- 
sen seien.  Ausdrücklich  dafür  spricht  der  umstand,  dass  nur  dasjenige 
a,  welches  europäischem  e  entspricht,  sich  öfter  zu  i  schwächt,  nicht 
aber  das  andere  a,  welches  europäischem  a  gleich  steht.  Aus  dem 
umstände,  dass  nur  dasjenige  ky  welches  slavischem  k  entspricht,  im 
Lateinischen  und  Griechischen  die  färbung  zu  Ä;t;,  im  Gallobritischen 
zu  p  annimt,  schliesst  Fick  Spracheinheit  cap.  I  mit  recht,  es  müsse 
zwei  ursprünglich  verschiedene  ä- laute  gegeben  haben.  Ist  aber  die- 
ser schluss  richtig ,  so  zwingt  das  Verhältnis  von  europäischem  e  und  a 
gegenüber  arischem  a  (i)  zu  demselben  Schlüsse,  und  man  wird  für 
das  Indogermanische,  dem  europäischen  e  und  a  entsprechend,  zwei 
irgendwie  verschiedene  a- laute  annehmen  müssen.  Hält  mm  aber 
auch  einen  solchen  schluss  nicht  für  völlig  zwingend,  so  ist  ei  doch 
ia  jedem  falle  ebenso  zulässig,   wie  die   herkömliche   annähme  einer 


europftiscliou  spaltoug  deB  ursprflnglicben  a,  und  man  inüste  aufbörBD, 
mit  solcbor  untsuliiedonlieit  au  lezttirer  feBtsolialteti ,  wie  bb  algetnein 
ge!4chiobt.  Ks  hat  bei  dieser  ansiebt,  glaube  icb,  eine  balb  mythische 
vorBtelluug  von  der  notweudigeu  einfachheit  und  monotonie  de^  ältesten 
vocaliamus  mitgewirkt,  so  dasa  mau  sieb  fast  jegliche  mannigfaltigkeit 
erst  später  bineiugekommen  denkt.  Eb  wird  sich  aber  auch  uutor  den 
primitivsten,  wirklieb  vorliegondeu  sprachen  der  weit  scbwerlieh  eine 
nuätindtg  machen  lassen,  die  eine  solche  dnrfügkeit  des  lautmaterials 
aufwiese,  wie  sie  in  unserer  recon.struierf.eu  indog.  Ursprache  herscbt, 
und  es  ist  kaum  noch  begreiflich,  wie  eine  spräche  mit  so  geringen 
nnteracbeidnngamittelu  ihren  zweok  überhaupt  erfüllen  konte"  (s.  369). 
UEIlLtN.  u.  cOLLrrz. 


ALTDEUTSCH  KS  EriSTKL-    IFND   EVÄNGELIENBÜCII. 

111. 

Dem  abdrucke  meines  Altdeutschen  Epistel-  und  Evangelioubuches 
im  XII.  bände  dieser  Zeitschrift  s.  1  —  72  und  den  gedrängten  bemer- 
kuogeu  Aber  bandsehrift,  diolect,  Wortschatz  und  das  Verhältnis  des 
denkinola  zur  Vulgata  a.  a.  o.  s,  323  —  333  will  icb  hier  die  besprechnug 
bisher  noch  unerörtert  gebliebener  punkte  folgen  lassen. 

Die  Sacramenlaricn  der  alten  kirche '  umfassen  bokantlicb  nicht 
den  volstäudigon  ritus  der  Messe ,  sondern  enthalten  nur  die  kleinen 
gebete,  die  der  priester  während  des  gottesdlouBtea  zu  verrichten  bat; 
es  standen  daher  bei  der  feier  des  messopfers  noch  drei  *  andere  bQcher 

1)  Dia  &lte«ten  nafieichnangeD  der  tömiBcheti  iitnr^e  liegen  in  dioi  sacrn- 
aienUrion  vur,  im  SitcTai]ii>nturiuai  Luo&iiuiuin  ()><^rauBgegeben  vun  J.  BUnchint 
nnter  dem  titol  „Codex  FauriLiuentoram  votns  RoamDot  Ecolesioi,  b  3&D0tu  Leon« 
Tsp»  uonfettna,"  1736;  tgl.  L.  A.  Muratori  „Liturgia  Eoiuanii  vetns,"  TuuetUa  ]74f), 
1.  16  (gg.),  iiu  SatTBoentarinm  Gelasianmu  (h.  vod  J.  M.  TbutUKsius  ii.  d.  t 
,Iiiber  SAcnunentoruwi  Bomanic  eccleajie  ordiuia  aniiJ  ciruulj,"  Könne  1080;  Tgl. 
Haiatori  a.  a.  o.  51  fgg.)  und  im  SacnunenlAriuni  Grogoriiuinni  (b.  mit  das  buidcn 
andorn  SucnHnetitrtrien  »on  Muratori  a.  a.  o.  II,  1  fgg.). 

2)  In  ciiuelnen  kircbcn  wareu  sugtir  noch  m«hi  lüclicr  in  gelirauch.  9u  nar 
e«  nacb  der  anbrosianiauhcu  und  mozarabiwbon  Uturgiu  gobut«ii  tügUi^li  t*»l  vpi- 
stein  wiUireEd  der  mesaa  in  leeen;  diu  eioa  mnst«  d«m  altuu,  die  andern  dem 
nnnen  tostamente  entnummen  sein.  Eimdent  u*HWi,  sagt  E.  Marteno  (in  .Do  uiti- 
qnia  Eocioaim  Ritibus."  Antnorj^ia  tT86.  I,  373),  olim  i«  Gallicnna  Uturgia  rii/uiiag 
dUcittmi  <x  Qngorii  T^rmumnn  iibro  l  de  MiraciiUi  8.  Martini  c.  3;  Faetxtm  t*t, 
imjuti,  ul  ilta  dutniniea,  prirfikctiea  Irctüme  jVim  lecla,  ante  iilUirwm  itaret,  q 
Ui:tiOH«m  B.  Pauli  pfoftrrti.     Et  Ubrtt  t.    Uitttiria  francorum  cap.  tS  ttamt,  " 


ALTDBÜTBCHB  PBBIKOPEN.  m  11 

als  Supplemente  jener  in  Verwendung:  die  Antiphonarien  mit  den 
ritnellen  messgesängen,  die  Ledionarien  mit  den  abschnitten  aus  dem 
alten  Testamente,  der  Apostelgeschichte ,  den  Briefen  der  apostel,  der 
Apocalypse  und  die  Evangeliarien  mit  den  lesestücken  aus  den  vier 
Eyangelien.  ^ 

Als  ein  solches  Supplement  zu  einem  sacramentarium  ist  auch 
unsere  pericopensamlung  zu  betrachten.  Ihre  praktische  Verwendung 
wird  wie  die  aller  übrigen  so  zahlreichen '  deutschen  pericopensamlun- 
gen  darin  bestanden  haben,  dass  sie  gleich  unseren  heutigen  Epistel- 
und  Evangelienbüchern,  abgesehen  von  dem  algemeinen  zwecke  reli- 
giöser erbauung  und  belehrung,  dem  priester  als  bandbuch  und  leit- 
&den  bei  der  conception  seiner  predigten  diente  und,  wenn  etwa  der 
predigt  die  Vorlesung  der  auf  diesen  tag  fallenden  pericope  vorangieng, 
als  lesebuch  verwendet  wurde.  Zu  lezterer  bemerkung  füge  ich  jedoch 
gleich  hinzu ,  dass  es  vom  10.  Jahrhundert  ab ,  also  zur  zeit  als  die 
predigt  nicht  mehr  einen  integrierenden  bestandteil  der  messe  bildete, 
sondern  bereits  eine  selbständige  Stellung  errungen  hatte ,  im  gegensatz 
zu  heutiger  gepflogenheit ,  nicht  algemeiner  gebrauch  gewesen  zu  sein 
scheint,  vor  der  predigt  die  betreffenden  pericopen  vorzulesen.  Es  geht 
dies  nicht  allein  daraus  hervor ,  dass  in  sehr  vielen  predigten  der  inhalt 
der  auf  den  tag  fallenden  (epistel-  oder  evangelien-)  pericope  den 
Zuhörern  ganz  ausführlich  mitgeteilt  wird,  es  beweist  dies  auch  eine 
reihe  von  stellen,  die  direct  auf  die  während  der  Messe  gelesenen 
pericopen  hinweisen;  vgl.  Vns  sait  das  hilig  ewaingeliumy  daz  man 
hivt  liset  ze  dem  hiligen  ÄmU  Koth  (Deutsche  predigten)  V;  Qaecum- 
que  scripta  stmt  etc.  Der  gvte  sant  paulus  sprichet  also  hivte  an  dem 
ampte  Leyser  (Deutsche  predigten)  s.  4;  Daz  etoangdium  daz  man  hüte 
ZV  messe  liset  daz  sagt  vns  Leyser  120;  Sente  paulus  spricht  in  der 
epistiln  die  man  hüte  zu  anesse  lieset  Leyset  128;  In  dem  heiligen 
ewangelio  daz  man  huto  liset  an  gottes  dienste  werden  vmr  ermanot 
Wackemagel  (Altdeutsche  predigten)  XVIII;  Erunt  signa  in  sole  et 
luna  et  stdlis,    Disiu  wort  diu  schribt  der  heilig  ewangdist  sanctus 

Ubros  8uper  aUarium  ad  legendum  in  missa  cdlocatos  fuisse^  id  est  prophetüB,  apo- 
8toU,  et  evangeliorum, 

1)  Jedes  dieser  einzelnen  vier  bücher  führte  zuweilen  auch  iio  bezeichnung 
,Uber  missalis/*  vgl.  Cod.  Vind.  1809  („Missale  ordinis  Franciscanorigim  dioec.  Olo- 
mucenBls'*),  der  auf  fol.  11'  als  titel  des  nun  folgenden  die  werte  bringt:  Inci- 
pU  niisaaiis  secundum  consuetudineni  romane  curk  sancte  und  in  Wahrheit  nur  ein 
saeramentaiium  enthält 

2)  Die  Wiener  k.  k.  hofbibliothek  besizt  aUein  etwa  20  verschiedene  6;utsche 
iMrlaopenBamlungen.    Die  älteste  derselben  liegt  vor  in  einer  pergamonthand&chrift 

i-^KriiuidertB:  Cod.  2741 ;  s.  unten  s.  16. 


13 

Lucas  in  rfcwt  cwungvlio  das  wir  hiui  gelesen  hetn  zuo  dem  kcHüjen 
ampt  der  mest.  Wack.  I.XVIII;  Quia  heri  hora  seplima  reliquU  eum 
fehris.  Disiu  wort  sprichct  der  ganint  Johannes  eivangelista  »»  dem 
Etvangetio  das  »ton  hiut  ee  dem  heiligen  ampt  der  »lesse  gelesen  hat 
Wack.  LXIX:  An  der  apislel  diu  Mute  se  gotis  dinst  gelesen  ist,  spri- 
chct sct  i>aHltts  so  uns  gotlichiu  woti  Oerni.  3,  365. 

Wie  dor  augeoscbeiD  Iclirt  und  einem  aufmerksamen  leser  kaum 
entgangen  sein  dürfte,  entliält  der  Olmßtzer  codex  nicht  eine  originiü- 
Obersetzung,  sondern  nur  die  abachrift  einer  bisher  noch  unbekauten 
altdeutsclien  pericopenübersotzung.  Die  handschrift  weist  nUmlicb  eine 
ruiho  von  feblern  und  nüaverständmssen  ituf,  die  nur  durch  unacht- 
tiomkett  deti  Schreibern  veranlasst  aein  können.  Zu  den  bereitti  beim 
abdrucke  unter  den  teit  gestelten  Verbesserungen  fQge  ich  hier  die 
boricbtiguug  noch  folgender  hinzu,  bedauere  aber  zugleich  in  meinem 
streben  mich  möglichst  an  den  mir  vorliegenden  (unzweideutigen)  Wort- 
laut der  handschrift  zu  halten ,  die  beaserungen  nicht  schon  in  den  teit 
aufgenommen  im  haben.  Auf  einzelne  derselben  hat  mich  herr  Profes- 
sor Bech,  dem  ich  hiettir  meinen  besten  dank  sage,  auEmerksani 
gemacht  So  ist  XYl,  2  gegen  die  handschrift,  die  deutlich  mier  hat, 
nuer  zu  schreiben;  vgl  XIS,  36.  XXXI,  4.  —  LV,  2  ist  statt  gedreng 
(bs.  ged'ng)  wol  geding  zu  lesen;  hiemit  enltUlt  wort  gedrenc  auf 
B.  326.  —  LV,  19  fg.  hat  der  schreibor  beim  abschreiben  einige  worte 
ausgelassen;  die  Vulgata  hat  Et  slattm  ai>crlte  sunt  aurus  ejus,  et 
solutum  est  vinatlum  lingua-  vjus,  et  loqucbatur  rede,  in  der  Über- 
setzung heisst  es  dagegen  nur  vnd  sehant  wjurdcti  auf  gepanl  vnd  redt 
recht.  —  LXXVIl,  5  hat  die  lis.  von  im  irem,  es  «ird  aber  entweder 
zu  schreiben  sein  von  itn  von  irem  oder  nach  den  werten  der  Vulgata 
et  sanarentur  a  latiguoribus  suis  einfach  von  irem.  —  LXXXIV,  9 
handschriftlich  wol  za  bassern  in  vol.  —  Zu  lesen  würe  sodann  noch 
XXXIII,  6  merkend,  XXXIX,  6  sprach:  in  wcw  und  LXXI.  15  sMe, 
wae. 

Dass  aber  dio  handschrift  trotz  ihrer  vielen  fehler  und  der  oft 
geradezu  hölzernen  Übersetzung  der  episteln  iiu  gebrauche  stund,  zeigt 
die  abgegriffen bt'it  dt'r  blättor  und  das  vorkommen  bandsehriflücher 
bemcrkungen  uud  eorrecturen ;  vgl.  a.  a.  o.  s.  3  anm.  5.  C ;  s.  J  anm.  1 ; 
s.  12.  13  zu  Xir;  8.  14  anm.  3;  6.  IB  anm.  2,  s.  43  anm.  1;  a.  && 
anm.  l.  2.  Ausserdem  auf  fol.  23*  neben  dem  worte  chbmcn  eine 
(jedoch  i-nleserliche)  randglosse, 

Pio  auordnung  der  pericopen  in  unserem  epistcl-  und  evangelieu- 
bacbo  ist  die  auch  soust  gewöhnlich  begegnende:  den  anfang  machen 
die  pericopen   „rfc  tempore'*   {Das   sind   qitsiet  vml  cKantjelij  an  den 


ALTDEUTSCHE  PEBIKOPEN.  III  13 

suntagen)  I — LXVII,  ihnen  folgen  die  „de  sandis"'  {Das  sein  di  letzen 
vnd  ewangelij  von  den  heiligen)  LXVIII — LXXXI,  den  schluss  bilden 
als  repräsentanten  des  y^Commune  sanctonmi"'  die  (Evangelien-)  perico- 
pen  von  der  chirchweich  LXXXII,  von  iunchfrawen  {von  den  iunch- 
frauen)  LXXXIII.  LXXXIV  und  von  eim  igleichen  gotez  iunger  LXXXV. 

Der  titel,  den  die  erste  gruppe  von  peiicopen  fährt,  entspricht 
nicht  völlig  dem  Inhalte  derselben ;  denn  die  samlung  bringt  nicht  allein 
pericopen  auf  sontage ,  sondern  auf  kirchliche  festtage  überhaupt.  Auf- 
fallen könte  es  vielleicht,  dass  wir  in  ihr  auch  pericopen  far  den  satid 
Stephans  tag  (VIII)  und  den  sand  Johannes  tag  (IX)  finden.  Allein 
die  römische  kirche  feierte  schon  von  alters  her  im  weihnachtsfeste  auch 
den  tag  des  ersten  märtyrers  (26.  decbr.)  und  den  des  lieblingsjüngers 
Christi  (27.  decbr.).  Diese  eigentümliche  art  der  betrachtung  von  hei- 
ligenfesten bezeugt  bereits  das  Gelasische  sacramentar,  welches  die 
heiligentage  in  einer  besonderen  abteilung  vereinigt,  jene  zwei  feste 
aber  und  das  fest  der  unschuldigen  kinder  von  jenen  trent  und  sie 
unmittelbar  dem  weibnachtstage  anschliesst.  Auch  das  heutige  Missale 
Bomanum  stelt  die  messen  für  diese  drei  tage  in  das  „Proprium  mis- 
sarum  de  tempore."  Steinmeyers  schätzenswertes  Verzeichnis  der  erhal- 
tenen deutschen  predigten  im  Anzeiger  II,  228—234  hat  dieses  moment 
ausser  acht  gelassen  und  sind  die  predigten  auf  genante  tage  in  die 
„Sermones  de  sanctis"  gesezt. 

Was  die  zweite  gruppe  der  samlung,  die  pericopen  von  den  hei- 
ligen betrift,  so  folgen  LXVni — LXXVIII  strenge  der  anordnung  des 
kirchen Jahres.  LXXIX  aber  {An  sand  Laurenci  tag  10.  aug.),  LXXX 
{An  sand  Matheus  tag  21.  sept.)  und  LXXXI  {An  sand  Andres  tag 
30.  nov.)  weichen  von  der  bisher  eingehaltenen  reihenfolge  ab:  wir 
haben  in  ihnen  jedenfals  nachtrage  zu  dem  bisher  gebotenen  zu 
erbUcken.  LXXIX  gehört  zwischen  LXXIV  und  LXXV,  LXXX  zwischen 
LXXV  und  LXXVI;  LXXXI  hätte  die  gruppe  nicht  schliessen,  son- 
dern beginnen  sollen,  gehört  also  zwischen  LXVII  und  LXVIII. 

Ich  wende  mich  nun  zur  erörterang  der  frage,  in  welchem  Ver- 
hältnisse unsere  pericopensamlung  zu  dem  heute  geltenden  Missale 
Monianum  sowie  zu  den  im  mittelalter  gangbarsten  Ledionarien  (in 
weiterem  sinne)  und  Homiliarien  steht. 

Das  Missale  Bomanunty  das  heute  in  der  römischen  kirche  fast 
algemein  ^  in  kraft  steht,  ist  bekantlich  erst  ein  werk  neuerer  zeit. 
Nachdem  bereits  auf  dem  concil  von  Basel   (1431  — 1443)  und  1536 

1)  Eine  ncnnonswerte  ananahme  macht  nur  dio  kirche  von  Mailand,  in  der 
die  sog.  mailfindische  oder  ambrosianisclie  litnrgie  als  norm  gilt. 


uarien        ' 


auf  einer  synode  zu  Köln  sich  der  ruf  nach  einer  reform  der  pleuari^n 
orboben  hatte,  wurde  in  der  18.  aitzaug  des  Tridentiner  ooncils  (iri4& 
— 1663)  eine  commission  zur  beratnug  dieser  angelegenheit  eingeaezt 
Da  jene  aber  das  ihr  aufgetragene  werk  nicht  zu  Tollenden  im  stände 
war,  Qbernahm  auf  hesobluss  doa  concils  der  pabat  selbst  die  heraus- 
gäbe eines  neuen  Miasale.  Von  Pius  IV.  begonnen  wurde  sie  von  Piu»  V. 
am  H.  juli  1570  voUondet.  Ihr  folgten  zwei  revisioneu  unter  Cle- 
inena  VIII.  (Bulle  vom  7.  juli  1604)  und  Urban  VIII.  (Bulle  vom 
2.  Sept.  1634).'  Doch  wareu  bereits  vor  lijTO  mjssalien  erschienen, 
die  mehr  oder  minder  dieselbe  auswahl  wenigstens  der  sonn-  und  fest- 
täglichen pericopeu  zeigen  wie  das  heutige  Miasale  Uomanum ;  so  u.  a. 
das  „Missale  s,m  cOsuetndioem  saucte  ecclesie  Komane  *:  singulari  cura 
ac  diligCtia:  Impssu;  Venetijs  per  Simone  dictfl  biuilaquft  Papiensem 
Anno  a  Natiuitate  Dfii  nostri  iesu  ehristi  1497  Die  ultimo  Januarij." 

Es  war  hoch  an  der  zeit,  dass  die  römiacho  curie  daran  gieng 
oin  für  alle  ihrer  kirchen  in  gleicher  weise  geltendes  Missale  heraus- 
zugeben. Denn  wenn  auch  die  meisten  der  bisher  im  gebrauch  gestan- 
denen den  Gregorianischen  ritus  zur  grundiage  hatten,  so  lassen  sie 
doch ,  besonders  was  die  auswahl  der  pericopeu  betrift ,  eine  reihe  nicht 
unbedeutender  abweichungen  von  einander  erkennen.  Bereits  im  15.  Jahr- 
hundert  maciitc  sich,  freilich  erst  nur  in  einzelnen  diOcesen,  ein  streben 
nach  einheit  in  dieser  rtchtung  geltend.  Auch  Hugo  von  Landenherg, 
biüchof  zu  Constanz,  ISsst  per  circumspecta  mrü  Erhardum  Raidoll 
eiuem  Augusteü  ein  einheitliches  Missale  fQr  seine  dificese  anfertigen. 
Denn  ihm  war,  wie  er  in  der  vorrede  sagt,  zu  gehör  gekommen, 
maximam  esse  in  civiUiie  et  dioecese  aostris  lUtrorum  missaHum  pcnu- 
riam  et  cos,  quos  interdum  facultas  submnistrai,  . ..  esse  dissonantes 
.  .  .  eonfusos  et  mw  omni  ordinc  compositos.  Das  werk  erschien 
Augsburg  1504. 

Unser  epistel-  and  evangelienbuch  (ER)  zeigt,  um  das  resultat 
meiner  Untersuchung  gleicti  hier  vorwegzunehmen,  in  botreff  der  aus- 
wahl seiner  pericopeu  nächste  verwautschail  mit  dem  während  des  gan- 
zen mittelalters  in  grOsatem  ansehen  stehenden  „Comes  dtui  Kieronymi 

1)  Ich  beuutze  «lie  Editio  BatUboDeusU  andecim»,  Baticbon»,  UUCCCLXXVI. 

3)  Aus  dfn  Worten  secantlHiH  conaueludinem  sfiMCf«  tcckeUi  l{omati€  darf 
iiiaht  geachloBicn  werden ,  lioss  n»  bereit»  um  dioac  seit  «in  fuslxtcbondcs  nlgomoin 
giltigoa  Uiaatlu  ßomanuni  gr^nbcn  liabe.  ADcb  nndcro  MiMnllon  ilicg«r  loit  Rth- 
r»ii  den  snMx  teeamiam  Mta,,  weichen  nbor  dcsaRiiDii^achtet  In  i]«r  parieupnn' 
anawalil  'uo  einander  ab.  Hiui  vurgluiclu.-  mit  obigem  HUaale  t.  h.  Cod.  VimL 
1830  (s.  IG):  „Indiiit  otdo  EoangeUurum  ^or  cUuuluin  Wtius  tuini  «ocundom  con- 
enetndinem  Boman»  EcclMin." 


ALTDEUTSCBB  PIAIKOPEN.  HI  15 

Presbyteri  sive  Lectionarius"  (CH),  herausgegeben  von  Jac.  Pamel  im 
n.  bände  der  „Liturgica  Latinorum"  (Coloniae  Agrippinae  1571)  s.  1  — 
62,  abgedruckt  bei  E.  Bänke  ^Das  kirchliche  Pericopensystem^  (Berlin 
1847)  im  „Appendix  monumentomm*'  s.  LIV  fgg.,  vgl.  s.  135  fgg. 

Zum  beweise  dessen  und  um  zugleich  das  Verhältnis  von  EE  zum 
heutigen  Missale  Bomanum  (MB)  klar  zu  legen,  will  ich  hier  alle  jene 
sonn-  und  festtage,  an  denen  EE  andere  pericopen  als  MB  aufweist, 
namhaft  machen  und  zu  weiterer  vergleichung  noch  folgende  für  die 
geschichte  der  pericopensamlungen  im  mittelalter  wichtige  liturgische 
werke  herbeiziehen :  ^ 

Cth  =  „Anni  circuli  Über  Comitis  . .  auctus  a  Theonticho  ,*^  abge- 
druckt im  anhange  von  E.  Baluzes  „Capitularia  regum  Francorum^ 
(Paris  1677)  11,  1309  fgg.  und  bei  Bänke  a.  a.  o.  s.  LXXXIV  fgg., 
vgl.  s.  144  fgg.  —  Es  ist  das  einzige  alte  lectionar,  das  nicht  nur  für 
alle  sonn-  und  festtage,  sondern  für  alle  tage  des  jahres  pericopen 
und  zfrar  für  jeden  doppelte  enthält;  leider  ist  es  nicht  volständig 
überliefert.  Gemäss  den  alten  Sacramentarien  und  dem  CH  begint  es 
das  kirchenjahr  nicht  wie  unser  heutiges  römisches  Missale  mit  den 
adventssontagen ,  sondern  mit  der  weihnachtsvigilie ;  ihm  folgen  hierin 
unter  den  nachstehend  angeführten  werken  noch  Ca  und  Eg.  Bemer- 
kenswert ist  ferner  die  ihm  sowie  Ca  und  Eg  eigentümliche  Zählung 
und  benennung  der  sontage  nach  pfingsten;'  s.  die  anmerkungen  s.  18  fgg. 

Ca  =  „Comes  ab  Albino  ex  Caroli  imperatoris  praecepto  emenda- 
tus,"  abgedruckt  bei  J.  M.  Thomasius  im  V.  bände  der  Opera  omnia 
(ed.  Vesozzi,  Bom  1750)  297  fgg.  und  bei  Bänke  a.  a.  o.  s.  IV  fgg., 
vgl.  s.  154  fg.  und  seine  „Theol.  Stud.  und  Krit."  (1855)  s.  382  fgg. 

Eg  =  „Capitulare  Evangeliorum  de  anni  circulo.  Ex  Msc.  Spi- 
rensi  See.  VIII.  circ.  coUato  cum  Bhenaugieusi  See.  X.  circ. ,  heraus- 
gegeben von  M.  Qerbert  im  I.  bände  der  „Monumenta  veteris  Liturgise 
Alemannicae"  (Typis  San-Blasianis  1777)  s.  417  fgg.,  abgedruckt  bei 
Bänke  a.  a.  o.  s.  XXVII  fgg. ,  vgl.  s.  228  fgg. 

Mr  =  „Missale  Bomanum":  handschrift  der  k.  k.  Wiener  hof- 
bibliothek  no.  1831,  perg.,  XV.  jahrh.  (1478),  154  bl,  4».  Das  Mis- 
sale begint  auf  foL  13*  mit  Dom.  I.  Adv.,  ist  aber  sehr  lückenhaft. 

1)  Unberücksichtigt  Hess  ich  seiner  ankritischon  Zusammenstellung  wogen 
J.  M.  Thomasius  „Lectionarius  MissaB  Juxta  ritum  Ecclesiae  Roman»  ex  antiqnis 
Mss.  Codd/'  in  Opera  Y,  321  usw.  vgl.  Ranke  a.  a.  o.  s.  161  fgg.,  und  das  ,, Capi- 
tulare evangeliorum  de  anni  circulo  .  .  secundum  Catholica}  et  ApostoHca)  Romana) 
EcclesioB  ordinem**  in  Opera  Y,  431  usw.  vgl.  Ranke  a.  a.  o.  s.  217  fgg. 

2)  Ygl.  A.  J.  Binterims  „Denkwürdigkeiten  der  Christ. -kath.  kirche*'  (Mainz 
1829)  5,  161. 


Erg  =  „Evaugüliariuui  germaiiiciim-' ;  baudschrift  der  k.  k.  Wie- 
ner hollibliothek  no.  2741 ,  parg.,  XIV.  jaliih.,  156  bl.,  Ö"  aus  döm 
iionuenkioster  Thalbacb  bei  Bregeuz:  Douis  U.  DCCCXXXVm,  Hoff- 
mann  OCLXXI.  Auf  fol.  1"  die  überachrift :  Dite  sint  die  ewangelto 
die  tnan  liset  durch  daz  iar  nach  iler  ordenungc. 

Er  =  „  Evangeliarium  BBCundain  consuetndinoiii  Romanae  eccle- 
sia-" ;  liandscbrift  der  k.  k,  Wiener  liofbibliothek  iio.  1820,  perg.,  XV. 
jahrh.,  219  bl,  fol;  Denis  II,  DCCCXLV.  Es  begint  auf  fol.  1'  mit 
der  Qberscbrift :  Incipit  ordo  Euangeliorum  per  circulum  Mius  anni 
sccundum  consuetudinem  Romanee  Ecclesia. 

G  =  „Saiieti  Greijorii  Papa  XL  Homiliarüni  iii  Evangolia  Libri 
duo"  in  Opera  ümuia  (Paris  1705)  I,  1435  fgg. 

B  =  „ypnerabilia  Bed<e  Homilis  in  Dominicaa  anni  ot  festa 
Suuctorum"  in  Opera  VII  (Coloniae  Agrippin»  1688). 

H  =  „Pauli  Winfridi  Diaconi  Homiliariua,  hoc  est  priPstanU»- 
siiDOrum  ecelesia)  patrum  serniones  aive  conciones  ad  populurf,  pri- 
muin  a  Paulo  Diacono  jus^u  Caroli  Magni  collecli"  im  95.  bände  von 
J.  P.  Mignes  „Patrologia"  (Paris  1851),  col.  1159  fgg. 

HA  ^  „Specalum  ecclesia^,  sive  aerraones  aliquot  Euangelici, 
taiii  de  tempore,  quam  de  sanctis,  diui  Ilonarij  presbyturi  Augnstn- 
nunäis."     Aöditio  prima  (Colonisw  1531). 

I.  Domiuia  I  Adventus,  am  ersten  suut^  ze  advent:'  Am. 
13.  11  —  14  EE,  CH,  Ca,  Mr  13%  MB;  Matth.2l,  l—i>  EB,  CH, 
Eg,  MH  13^  HI.  Luc.l'J,  29  —  38  B  183.'  Luc.  21,  M  —  33 
Erg  l^  Er  r,  MR.    I^ic.  17,  24  —  32  H  II. 

II.  Dom,  II  Adv.,  Am  andern  suntag:*  Jtom.  15,  4  —  13  ES, 
CH,  Ca,  Mr  14\  MU;  Lnc.21,  25  —  33  EE,  CH,  Eg.  Mr  ]5-,  Q  I, 
B  lt^6,*  H  III,  HA  25^.     Matth.  11,  2  —  10  Erg  2',"  Er,  MB. 

1)  Dom.  IV  ante  Nat.  Domini  CH  ,  Ca.  Eg  (Uehdonutdn  IV). 

S)  In  B  werdcü  ii«hr  h&ufi^  boi  der  der  prinligt  voraugostoltcn  an^be  der 
(Evangeliuu*)  jicricai«?  ^ncb  deren  par^lclHtuUeii  auge(,'«beD.  So  etebt  hier:  laie. 
XlXr  Matth,  XXI,  Marc.  XI,  „Id  illu  tooipure,  com  appropioquasact  Jesus  ftd 
noth))bage  et  Bethaiiiun"  usw.  Der  trit  der  porioopo  ist  der  «teile  mh  Lwa* 
entnoninion ,  «Ehrend  ilns  oTangelium  Matth.  31  nnd  Marc.  Jl  dio  autspretdiesdai 
pamllclstnllen  onllultoti:  urstcros  c.  1  —  9,  loKtcres  v.  1  — 10.  Der  übe  reich  tlicbk^ 
wcgan  hahd  iob  itieiio  Tariant«!)  nicht  in  diu  labellc  unfgeDoniiDca ,  sondern  ta  dlo 
luiinorkangun  TOTwlMeii.  —  Audi  im  Cod.  Viud.  4240.  der  auf  fol.  333*  Mniga 
|u>rico|>enaiigslKin  veneichnet  (Ej^e  et  ewn*  de  tpt  et  de  «cfu  ae  »pecialm  müiiMtr. 
Jl  c'cuIa  oHi  «~  breuiartm  naieeburg',  doch  hört  mit  In  fgtlo  S.  Sttphani  du  vcr- 
xpichnis  iiIHtxliob  auf)  tindut  Bicb  bei  angäbe  der  jierieopen  die  der  parallebit 

3)  Dom.  111  anU  Nat.  Dom.  CH,  C«.  Eg  (Hehd.). 

4)  —  MaUh.  24,  2'J  —  3S.     Marc.  13.  S4  —  31. 
Ci)  In  dur  ha.  irrig  In  dem  ersten  »untak  d'  tu  kunft. 


ALTDBÜT8CHB  PBIUKOPBK.  DI  17 

IJL  Dom.  Hl  Adv.,  am  dritten  suntag:*  ICor.4,  1  —  5  EE, 
CH,  ah,  Ca,  Mr  16'.  Pää.^,  4  —  7  Mß;  McMh.ll,  2—10  EE, 
CH,  Eg,  M^16^  GVI,  H  V.  Luc.7,  19-27  B  187.  *  Joan.  1, 
19-^28  Cth,  Erg  2^  Er  5^  MR. 

IV.  Dom.  IV.  Adv.,  Am  vierden  suntag: »  Phü.  4,  4  —  7  EE, 
CH,  Cth,  Ca,  Mr  17\  Jerem.  23,  5  —  6  Cth.  Hebr.  10,  35  —  39  Cth. 
ICor.  4,  1  —  5  Mß;  Jöan.  I,  19  —  28  EE,  CH,  Cth,  Eg,  Mr  17\ 
G  VII,  B  197/  H.  Xm.    Luc.  5,  I  — Ö  Erg  5%^  Er  9%  Mß. 

XVn.  Dom.  V  post  Epiphaniam,  am  vierden  suntag:  Col, 
3,  12  —  17  EE,  CH,  Mß.  Rom.  13,  8—10  Ca.  II  Tim.l,  8  —  13 
Ca;  Matth.  11,  25  —  30  EE,  CH,  Cth,  H  LVHI.  Matth,  13,  24—30 
Eg,  Ergll^«  Er  27  \  Mß. 

yyn.  Dom.  II  in  Quadragesima,  am  andern  sunntag:  ^ 
/  Thess.  4,  1  —  7  EE,  CH,  Cth,  Ca,  Mr  39^  Mß;  Matth.  15,  21—28 
EE,  CH,  Cth,  Eg,  Mr  40',  Erg  21',  B  237, »  H  LXXX.  LXXXI. 
MaUh.  17,  1  —  9.    Er  45  ^  Mß. 

XXVI.  Dom.  in  Palmis,  am  pluemastertag  zum  ampt:^  Phih 
2,  5  —  11  EE,  CH,  Cth,  Ca,  Mr  47',  Mß;  Passion:  Matth.  26,  2  — 
27.  66  CH,  Cth,  Eg,  Mß.  MaUh.  26,  2  —  27.61  Erg  47»*;  *«  Evang.: 
MaMh.  21,1  —  9  EE,ii  Mr  48',»«  Mß;  B  261,^3  h  CXHI.  Matth.27, 
62—  66  Erg  55'.^*    Luc.  19,  29  —  40  Erg  47'.*« 

XXXXIU.  Dom.  in  Octava  Pentecostes,  am  achten  tag  des 
phingst  tages:!«  Apoc.4,  1  —  10  EE,  CH,  Cth.  ICor.  12,  2  —  11 
Ca;  Joan.  3,  1—15  EE,  CH,  Cth,  Eg,  Erg  93^  B  43,  H  CLVH. 

1)  Dom.  II  ante  Nat.  Damini  CH,  Cth  (Hehd.  12),  Ca  (Hebdomada),  Eg 
(Held.  II). 

2)  =  MaUh.  11,  2  —  10. 

3)  Dominica  Proxima  Nat.  Dom.  CH;  Hebd.  I  ante  ^lat.  Dom.  Cth,  Ca,  £g. 

4)  =  Luc.  3,  15  —  16. 

5)  An  dem  IUI  suntak  d'  sü  ku/nt  (sie)  list  man  daz  ewangelivm  daz  von 
an  dem  samczta^e  ist  gelesen. 

6)  In  der  hs.  irrig  An  dem  vierden  simtak. 

7)  Dom.  prima  infra  quadragesimam  Cth.    Dom.  I  Mensis  Primi  Ca. 

8)  «=  Marc.  7,  24  —  30.  Angeführt  ist  auch  Luc.  XIX,  allein  weder  in  die- 
sem noch  in  einem  anderen  capitel  des  Lucasevangeliums  findet  sich  eine  crzäh- 
lung  von  der  heiligung  der  tochter  des  chananäischen  weibes. 

9)  Dominica  Indulgentia  CH,  Ca.    Hehd.  VI  die  Dom.  Eg. 

10)  Deti  passion  an  dem  palm  tage. 

11)  Dem  ewangelij  geleich  vindestu  am  ersten  suntag  des  aduentes. 

12)  Ew^  sx  in  p*ma  dnica  in  aduentu  dni. 

13)  =  Marc.  11,  i-  10.    Luc.  19,  29  —  38.    Joan.  12,  12-^19. 

14)  Daz  ewangelio  schreibet  matheus.  15)  An  dem  paim  tage  vh*  diepalm 
achreibet  lucas.  16)  Die  heutige  kirche  feiert  bekantlich  am  achten  tage  nach 

SBIT80BR.   F.   DBUT8CBB    PHILOLOOIB.      BD.    XY.  2 


XXXXIV.  Dum.  I  poat  fOcU)  Punt,  im  ersten  suntag: ' 
Iloan.  4,  8—2i  BE,  CH,  Ctll,  MK.  Itom.8,  18—23C&;  Luc.  16, 
3U-31  KE.  CH,  Cth.  Eg,  Er  112",  B  44 ,  H  CLK.  HA  213".  Luc. 
ß,  36  —  42  Erg  9!>\  MR. 

XXXXVII.  Dom.  IV  post  (OcUJ  Pcnt.  (un  vierdeu  santag:* 
Rom.S,  18  —  23  EE,  Ch,  Oth,  MR.  Luc.  ff.  36  —  42  EE.  Ch,  Cth, 
Eg,  Er  120-,  B  51,  H  CLXII.  CLXHI.     Lue.  5,  1  —  11  Erg  97-,  MR. 

XXXXVril.  Dom.  V  po8t  (Oet)  I'eut,,  um  ffinften  Buntag:^ 
IPetr.8,  H  —  15  EE,  CH,  Cth,  MR.  Luc.  5,  1  —  11  EE,  CH, 
Cth,  Eg,  Er  122-,  B  52.  H  CLXIV,  HA  222*.  Matth  6,  20  — ä4. 
Erg  97 ",  MK. 

IL.  Dom.  VI  post.  Oct.  Peut.,  am  aexteo  suntag:*  Iiom.6, 
3-11  EE,  CH.  Cth,  MR.  Rom.  5,  12.  21  Ca;  Maüh.  5,  30  —  34 
EE,  CH,  Eg.«  Er  124^  H  CLXV.  MaUh.7.  15  —  21  Cth.  Marc.  8, 
1  —  9  Erg  98',  MR. 

L.  Dom.  VII  post  Oct  Pont.,  am  sibeuten  suuUg:*  Rom.  6, 
19  —  23  EE,  CH,  MR.  Bmn.6,3~lJ  Ca;  Marc.  8,  1—9  EE.  CH, 
Eg,  Er  127',  B  55,'  H  CXLVI.     MaUK  7,  15  —21  Erg  m",  MR 

jiliiigBtan  ilu  fest  der  trinität,  dos  TrlUiDr  ao  uiiuselncii  orten  am  niuntog  nach  der 
|>fingstoctitv  beguigcD  wiirdo,  i.  Min«.  Const.  US'':  ,.Kt  feria  Kocnndn  iiost  otttinos 
pduthecoBtGs  agitur  de  sanuta  Triaitate  uo  duubui  seiiUFntibas  sab  pleno  oftioiu": 
Kom.  11,  33—36;  Joatt.  IS,  Iß  tmic.  DiMelben  perioopen  briugt  «neb  du  Misi. 
PntAfienHO  („Libror.  miaaallu  a,in  PatanlBw«  eoch«  ml>rica.  ü|ias  ...  Wien&e  eta- 
mtum"  15(13)  fol.  113'.  1>»8  MJsb.  Eom.  Tom  j.  U97  liest  //  Cor.  13,  11—13; 
Joan.  JS,  S6  — 16,  i.  Irbcr  die  jiericope  des  Johuiaosavatigdiuitis  einn  predigt  bei 
B  43  ntid  H  CLVIU.  Üas  beutign  HR  sohnibt  Bmn.  11,  33— 3G;  MiMh.  28,  18— HO 
vor.    Tgl.  Biutarim  a.  u.  o.  5 ,  1 ,  263  fgg. 

1)  Itebdomada  II  posl  PentOth.  Eg,  (Ca),  tl  {.In  Dominica).  Jiominical 
po»l  Penf.  MK  (und  ao  immer).  Vomtnka  priimt  po»t  IfeMuin)  THnitulis  Tt;  doch 
geht  diese  in  den  homiliensainlunjL.'en  Bedas  durchweg  cinueflilirte  bozolcbnitng  der 
prrdigt«D  nit  die  anritige  nach  der  püngstoctav  nicht  anf  Urda  «elbsf  lurflelt.  Bon- 
dum  stftmt  ans  jüngerer  leiL  Denn  die  abersnhnft  „puat  (restnin)  Trinitatis"  kauD 
or»t  aqfgckouiman  «oin,  als  der  Trinitätsiontag  nicht  uar  ^tuiert.  sondern  auch  in 
oinem  bsstiunienden  terminua  in  fcirchenjalire  geworden  war  (also  im  XIV.  jalirh.), 

^)  Hebä.  V  poin  PtfU,  Cth.  Eg,  H  (In  Dom.). 

3)  Hrbä.   17  pofl  iV,i(.  |-^h,  Eg,  H  (In  Dom.). 

4)  Dom.  (iirima)  poM  Nataie  Aportotorum  Cth,  Ca,  Eg  (llcbd.).  In  Dom. 
Vll  pott  Pent.  H 

5)  Kb  reicht  die  lectiun  cigentlicli  bis  y.  26.  iloufa  steht  im  Cod.  Khan,  von 
jAngerer  band  auadrücklich  die  beraerkting  „nsqae  et  tont:  veniens  olToret  manus 
tuuiu"  (Hattb.  5.  24). 

ti)  Dom.  II  poKl  Nal.  Apo/it.  Ca  ,  Kr  (Urbd.).    h  Dom.  VttJ  jmut  Patt.  ü. 
7)  —  Matlh.lS,  3ä-39. 


ALTDBÜTSCHB  PEBIKOPBN.  m  19 

LI.  Dom.  VIII  post  Oct  Pent,  am  liehteden  smitag:^  Rom, 
8,  12  —  17  EE,  CH,  MB.  Rom.  6,  19  —  23  Ca;  Maitk  7,  15  —  21 
EE,  CH,  Eg,  Er  130^  B  57,«  H  CLXVII.    Luc.  16, 1—9  Erg  99»»,  MB. 

LII.  Dom.  IX  post.  Oct.  Pent,  am  nemiten  suntag;^  I  Cor, 
10,  6  —  13  EE,  CH,  MR.  Rom.  8,  1—6  Cth,  Ca;  Luc.  16,  1  —  9 
EE,  CH,  Cth,  Eg,  Er  134%  B  59,  H  CLXVIIL  Luc.  19,  41—47  Erg 
100%  MB. 

LEI.  Dom.  X  post  Oct.  Pent.,  am  zehenten  suntag:*  I  Cor. 
12,  2—11  EE,  CH,  MB.  Rom.  8,  12—17  Cth,  Ca;  Luc.  19,  41—47 
EE,  CH,  Eg,  Er  137'  (G  XXXIX),*  B  60,«  H  CLXIX,  HA  225% 
Luc.  10,  25  —  37  Cth.     Luc.  18,  9  —  14  Erg  100%  MB. 

LIV.  Dom.  XI  post  Oct.  Pent.,  am  aindleften  suntag:' 
I  Cor.  15,  1  —  10  EE,  CH,  MB.  I  Cor.  15,  39  —  46  Cth;  Luc.  18, 
9  —  141SE,  CH,  Cth,  Eg,  Er  139%  B  63,  H  CLXX.  CLXXI,  HA  229% 
Marc.  7,  31  —  37  Erg  101%  MB. 

LV.  Dom.  XII  post  Oct.  Pent.,  am  zwelften  suntag:  ®  II  Cor. 
3,  4  —  9  EE,  CH,  MB.  I  Cor.  15,  39—46  Ca;  Marc.  7,  31-37 
EE,  CH,  Eg,  Er  140%  B  64,  H  CLXXH.  Luc.  10 ,  23  -  37  "S^x^ 
101%  MB. 

LVI.  Dom.  XIII  post  Oct.  Pent.,  am  dreitcehenten  suntag : * 
Gci.  3,  16  —  22  EE,  CH,  MB.  II  Cor.  5,  1—11  Ca;  Luc.  10,  23— 
57  EE,  CH,  Eg,  Er  142%  B  67,^»  H  CLXXIII.  CLXXIV,  HA  234'. 
Luc.  17,  11  —  19  Erg.  102%  MB. 

1)  Dom.  III  post  Nat.  Äpost.  Ca,  Eg  (Hebd.).    In  Born.  IX  post  Pent.  H. 

2)  =  Luc.  6,  43—46. 

3)  Dom.  IV  post  Not.  Äpost.  Cth,  Ca,  Eg  {Hebd.).    In  Dom.  X  post  Pent.  TL. 

4)  Dom.  Vpost  Nat.  Äpost.  Cth,  Ca,  Eg  {Hebd.).   In  Dom.  XI post  Pent.  H. 

5)  Habita  adpopulum  in  basüica  beati  löhannis ,  qvuB  didtwr  Constantiniana. 

6)  =  MaWi.  24,  1  —  2.    Marc.  13,  1-2. 

7)  Dominica  ....  Cth.  Von  hier  ab  ist  eine  exacte  bestimmang  der  perico- 
pen  für  jeden  der  sontago  nicht  mehr  möglich,  denn  Cth  hat  die  ursprüngliche 
Zahlung  der  pfingstsontage  nicht  consequent  eingehalten :  Auf  Dominica  . . .  folgt 
Dom.  II  post  s.  Laurentii  (11  Cor.  5,  1  —  10;  Marc.  7,  31  —  37),  Dom.  III,  p.  s.  L. 

( Lucio,  23  —  37).  Dom.  IV  p.  L.  (Gal...;  Luc.  17,  11  —  19),  Dom.  V  2^- 

8.  L.  (Gal.  5,  16—24;  Matth.  6,  24  —  33),  hierauf  Dom.  mensis  VII  (Gal.  5,  25  — 
6,  10;  Luc.  7,  11—16),  Dom.  mensis  VIII  (Ephes.  4,  1—6;  Luc.  14,  1  —  11), 
Dom.  mensis  VII  (I  Cor.  1,  4—8;  Matth.  22,  23—33),  Dom.  mensis  VII  (Ephes. 
4,  23  —  28;  Matth.  9,  1  —  8)  und  Dom.  III  post  s.  Cypriani  (Ephes.  5,  15—21; 
Matth.  18,  23  —  25).  Eine  grosso  lücke  im  msc.  hindert  die  weitere  z&hlung  des 
Theontichus  zu  verfolgen.  —    Hebd.  VI  Eg.   In  Dom.  XII  post  Pent.  H. 

8)  Hebd.  prima  post  s.  Laurefitii  Ca,  Eg.    In  Dom.  XIII post  Pent.  H. 

9)  Hebd.  11  post  s.  Laurentii  Ca,  Eg,    In  Dom.  XIV post  Pent.  H. 
10)  «.  Matth.  13,  16—17. 

2* 


20  fiTBJSKAL 

LVII.  Dom.  XIV  post  Oci  Pent.,  am  viertzehenten  suntag:^ 
Gal  5,  16  —  24  EE,  CH,  MR  U  Cor.  6,  14  —  7,  1  Ca;  Luc.  17, 
11—19  EE,  CH,  Eg,  Er  146',  B  70,  H  CLXXV.  CLXXVI.  MaUh.  6, 
24  —  33  Erg  103',  Mß. 

LVIII.  Dom.  XV  post  Oct.  Pent,  am  ffinftzehenten  suntag:* 
Gal.  5,  55  — ö,  10  EE,  CH,  MR.  Gal.  3,  16— 22  Ca;  MaUh.  6, 
24—33  EE,  CH,  Eg,  Er  148 ^  H  CLXXVI.»  CLXXVII.  Luc.  16,  13 
B  71.*    Luc.  7,  11—16  MK. 

LIX.  Dom.  XVI  post  Oct.  Pent.,  am  sextzehenten  suntag:* 
Ephes.  3,  13—21  EE,  CH,  MR.  Gal.  5,16—24  Ca;  Luc,  7,  11—16 
EE,  CH,  Er  151',  B  72,  H  CLXXVHI.  CLXXIX.  Luc.  14, 1  -11  Erg 
104%  MR. 

LX.  Dom.  XVII  post  Oct.  Pent.,  am  sibentzelienten  suntag:* 
Ephes.  4,  1  —  6  EE,  CH,  Ca,  MR.  Luc.  14,  1—11  EE,  CH,  Eg, 
Er  153%  B  73,  H  CLXXX.  CLXXXI.   Matth.  22,  34—46  Erg  104%  MR. 

LXI.  Dom.  XVIII  post.  Oct.  Pent,  am  achtzehenten  sun- 
tag:'  ICor.  1,  4—8  EE,  CH,  Ca,  MR.  Matth.  22,  34  —  46  EE, 
CH,  Er  159%  B  76,»  H  CLXXXV.  MaUh.  22,  23-33  Eg.  Matth. 
9,  1  —  8  Erg  108%  MR 

LXII.  Dom.  XIX  post  Oct  Pent,  am  newntzehenten  sun- 
tag:»  Ephes.  4,  23 --28  EE,  CH,  Ca,  MR.  Matth,  9,  i  — 8  EE,  CH, 
Eg,  Er  161%  H  CLXXXVI.  CLXXXVII.  Marc.  2,  1  —  13  B  77.^0 
MaUh.  22,  1  —  14  Erg.  108%  MR. 

LXni.  Dom.  XX  post  Oct  Pent,  am  zwaintzkisten  sun- 
tag:**  Ephes.  5,  15  —  21  EE,  CH,  Ca,  MR;   Matth.  22,  1—14  EE, 

1)  Hebd.  III  post  8.  Laurentii  Ca,  Eg.    In  Dom.  XV  post  Pent.  H. 

2)  H<M.  IV  post  8.  Laurentii  Ca,  Eg.  In  Dom.  XVI  post  Pent,  H.  In 
Erg  104'  die  bemerknng:  Hie  ist  ei  ewangeliü  niht  geschribB  daz  man  da  liset 
an  dem  fünf  zehiden  suntak.    Erg  ist  somit  abschrift. 

3)  Die  niunmer  wird  irtümlich  zweimal  Torwendet. 

4)  =-  Matth.  e,  24-^33. 

5)  Hebd.  V post  s.  Laurentii  Ca,  Eg.    In  Dom.  XVII  post.  Pent.  H. 

6)  Hebd.  prima  Mensis  Septimi  Ca.  Hebd.  I  post  (Not.)  s.  Cypriani  Eg. 
In  Dom.  XVIII  post  Pent.  H. 

7)  Dom.  %U  supra  Mensis  Septimi  Ca.  Hebd.  II  post  Cypriani  Eg.  In 
Dom.  XIX  post  Pent.  H. 

8)  =  Marc.  12,  28  —  33.    Luc.  10,  25—37. 

9)  Hebdomada  I  post  s.  Angeli  Ca.  Hebd.  III  post  s.  Cypriani  Eg.  In 
Dom.  XX  post  Pent.  H. 

10)  =  MaUh.  9,  1-8.    Luc.  6,  17-26. 

11)  Hebd.  II  post  s.  Angeli  Ca.  Hebd.  IV  post  s.  Cypriani  Eg.  In  Dom. 
XXI  post  Pent.  H. 


ALTDEUTSCHE  FEBIKOPBN.   m  21 

CH,  Eg,  Er  165^  (GXXXVIIP),  H  CLXXXVIII.    Joan.4,  46  —  53 
Erg  109  ^  MB. 

LXIV.  Dom.  XXI  post  Oct.  Pent.,  am  ains  vad  zwaintzki- 
sten  suntag:*  IJph.  6,  10—17  EE,  CH,  Ca,  MR;  Ioan.4,  46  —  53 
EE,  CH,  Er  169%  H  CLXXXIX.  CXC.  Matth.18,  23-35  Eg,  Erg 
110%  ME. 

LXV.  Dom.  XXII  post  Oct.  Peut.,  am  zwai  vnd  zwaintz- 
kistensuntag:»  Phil  1,  6—11  EE,  CH,  Ca,  MR;  Matth.  18,  23—35 
EE,  CH,  Er  171%  H  CXCI.  CXCII,  HA  242'.  MaUh.  22, 15  —  21  Eg, 
Erg  111%  MR. 

LXVI.  Dom.  XXIII  post  Oct.  Pent.,  am  drei  vnd  zwaintz- 
kisten  suntag:*  Phil  5,  17-4,  3  EE,  CH,  MR.  Phil  3,  17  —  21 
Ca;  Matth,  22,  15-^21  EE,  CH,  Er  174%  B  80,^  H  CXCIII.  CXCIV. 
Matth.  9,  18—26  Eg,  Erg  111%  MR. 

LXVII.  Dom.  XXIV  post  Oct.  Pent.,  am  vier  vnd  zwaintz- 
kisten  suntag;«  Ccl.l,  9—14  EE,  CH,  Ca,  MR;  Matth.  9,  18—26 
EE,  CH,  Er  176%  B  81.'  Luc.  8,  41—56  H  CXCV.  CXCVI.  loan.  6, 
5—14  Eg.     Matth.  24,  15  —  35  Erg  112%»  MR. 

LXXII.  In  feste  s.  Apost.  Petri  et  Pauli,  an  sand  Peters 
tag:»  Äd.  Äpost.  12,1  —  11  EE,  CH,  Ctli,  Ca,  Mr  108%  MR; 
Matth.  16,  13—19  EE,  CH,  Cth,  Eg,  Mr  109%  Erg  115%»«  H  (2.  teil:) 
XXVI.    loan.  21,  15  —  19  Erg  120'.»» 

1)  Habita  ad  populum  in  basüica  hectti  Clementis  tnartyria: 

2)  Hebd.  III  post  s.  Angeli  Ca.    Hd)d.  V  post  s.  Cypriam  Eg.     In  Dom. 

XXII  post  Pent.  H. 

3)  Hebd.  IV  post  s.  Angeli  Ca.    Hebd.  VI  post  s.  Cypriani  Eg.    In  Dom. 

XXIII  post  Pent  H. 

4)  Hebd.  V  post  s.  Angeli  Ca.     Hebd.  VII  post  Oypriam  Eg.     In  Dom. 

XXIV  post  Pent.  H. 

5)  -=  Marc.  12,  13-- 17.    Imc.  20,  20—25. 

6)  Hebd.  VI  post  s.  Angeli  Ca.    Hebd.  VIII  post  s.  Cypriani  Eg.    In  Dom. 

XXV  post  Pent.  H. 

7)  ==  Marc.  5, 22 — iS.  Luc.  8, 41—56.    8)  In  der  hs.  irrig  D*  ein  vn  ztoeizigest. 

9)  29.  juni.  In  älterer  zeit  pflegte  der  papst  an  diesem  tage  zwei  messen 
m  lesen,  die  eine  in  der  St.  Peterskirche,  die  andere  in  der  St.  Paulskirche,  s. 
Binterim  a.  a.  o.  5,  1,  389.  Dieser  gebrauch  verlor  sich  jedoch  bald  und  das 
ursprünglich  an  einem  tage  gehaltene  doppelfest  wurde  auf  zwei  tage  verteilt.  Am 
ersten  tage  nimt  der  ritus  der  messe,  besonders  epistol  und  evangelium,  auf  den 
heil.  Petrus  bezng,  obgleich  das  fest  auch  dem  heil.  Paulus  gilt;  am  zweiten  findet 
diesem  zu  ehren  eine  art  nachfoier,  die  „Commemoratio  S.Pauli"  statt;  vgl.  Binte- 
rim ».  a.  0.  5,  1,  382  ff.  —  In  Natali  s.  Petri  CH,  Ca.  Item  (A2)08t.  Pari  et 
PauK)  in  die  Cth.    Die  XXIX  vicfisis  suprascripti,  Nat.  Ap.  Petri  et  Pauli  Eg. 

10)  Daz  Uset  mä  in  edlen  hochzeiti  sand  peters. 

11)  An  Sand  peters  rü  sand  paulus  tak. 


22  BTEJ8KAL 

LXXIII.  In  Commemoratione  s.  Pauli,  An  sand  Pauls  tag:^ 
Gal,l,  11  —  20  EE,  Mr  110',  MR.  Ad,  ApostO,  1  —  22  CH,  Cth, 
Ca;  MattklO,  27  —  29  EE,  CH,  Cth,  Eg,  Mr  110%  Erg  120^•  H 
(2.  teil:)  XXVIH.    Matth.  10,  16—22  MR. 

LXXIY.  Die  s.  Marias  Magdalenae,  an  sand  Maria  Magdalen 
tag:«  Cant.3,  1  —  4  EE.  Cant  3,  2—5;  8,  6—7  MR;  Luc  7, 
36—50  EE,  Mr  117',  MR. 

LXXXIII.  LXXXIV.  Commune  plurium  Virginum  (et  Mar- 
tyrum),  von  iunchfrawen  (von  den  iunchfrauen) :  *  I  Cor.  7,  25  —  34 
Mr  147%  MR;  Matth.  25,  1—13  EE,  Eg,  Mr  147%  Erg  148%  MR,  H 
(2.  teil:)  XCIV.  XCV.  XCVI.  Matth.  13,  44  —  52  EE,  Eg,  Erg  149% 
MR,5  H  (2.  teU:)  XCUI. 

LXXXY.  Commune  unius  Apostoli,  von  eim  igleichen  gotez 
iuuger :  «  Eccli.  44,  25-45,  9^  Csl.  II  Tim.  4,1  —  8  Ca;  loan.  15, 
17—25  EE,»  Eg,  Erg  130r  loan.  15,  12—16  Eg,  Erg  131'.  loan. 
15,  1  —  11  Erg  129%     Luc.  9,  1  —  6  B  154.» 

Wer  mit  einiger  aufmerksamkeit  die  vorstehende  tabelle,  die  zu- 
gleich ein  recht  zutreffendes  bild  von  der  grossen  divergenz  der  lectio- 
narien  in  der  aus  wähl  ihrer  pericopen  entwirft,  überblickt,  wird  bald 
bemerken,  dass  EE  in  all  den  obigen  mit  rucksicht  auf  dessen  Verhält- 
nis zu  MR  ausgewählten  fallen  engen  anschluss  an  CH,  und  nur  an 

1)  30.  Juni.  In  NataU  s.  Pauli  CH,  Ca.  Item  {s.  Pauli)  in  die  Cth. 
Die  XXX  mensis  suprascripii  ad  8.  Paulum  Eg. 

2)  Dicz  ewangeli  (hs.  ewangelist)  ist  vofi  sande  pauius  eigenlich. 

3)  22.  Juli.  In  Erg.  fol.  121**  die  bemerkong:  An  sande  marii  magdaleni 
tak  daz  ewangelivm  such  dez  vreitaffes  nach  dem  XVII  (hs.  XV)  suntak  (erg.  nach 
Pfingsten). 

4)  In  Nat.  Virginum  Eg.    von  den  meiden  Erg  148*.  149*. 

5)  MR  bietet  noch  ein  drittes  evangelium:  Matth.  19,  3 — Ui. 

6)  MB  kent  kein  ^Commune  nnias  Apostoli,"  da  für  jeden  der  einzelnen 
apoftteltage  eine  bostiinte  messe  vorgezeichnet  ist  Der  ^Sacramontomm  Liber  ter- 
tius  incerto  authore  conscriptua,  quantnm  apparet,  ab  Alcuiuo  abbate*'  bei  Pamol 
«Litargica  Latinorum"  II,  bSb  entlialt  eine  .Missa  in  vonerationo  nnias  apostoli" 
mit  der  .»I.ei'tio  Epistolu'  B.  Pauli  Apostoli  ad  Ephesios"  (2,  19  fgg.)  und  der 
„Sequontia  Sancti  Evangelij  secundum  loannem"  (rccto  Matth.  19,  27  fgg.)*  —  1^ 
Nat.  unius  ApoatoU  Ca,  Ejr.  -4m  eins  zwelf  2^^*  tag  Erg  129 ^  130'.  r<m  eifiem 
ztcelf  iwten  Erg  131*. 

7)  Im  auszug. 

8)  Hiernach  ist  meine  angäbe  a.  a.  o.  s.  72  su  bessern. 

9)  -  Matth.  10,  5—8.  Marc.  :i,  13—15.   Von  tUeser  auswahl  der  pericopen 

im  ..Commune  unius  AposU^li"  ist  verschieden  die  der  Commune  Apostolorum;   ich 

verzeichne  hiefür:   Matth.  10,  5-^8  Erg  131**    (vm  den  twelf  p<^en).    MaUh.  10, 

5-10  G.  IV.  H  (2.  teil)  LXX.     Marc.  6,  0—13  Eig  181*.     -Marc  10,  23—30 

Erg  132*.  loa».  15.  17—^*5  H  (2.  Uni)  LXXI.    loan.  15,  lÄ— itf  H  (2.  teü)  TiXXTT. 


ALTDEUTSCHE  PEBIKOPEM.  in  23 

GH  zeigt;  denn  während  sioh  bei  einem  vergleiche  von  EE  mit  Cth, 
Ca,  Eg  usw.  eine  ganze  reihe  von  abweichungen  entdecken  lassen, 
stimt  EE  stets  mit  CH  zusammen.  Ein  vergleich  von  EE  mit  CH  in 
betreff  der  pericopenauswahl  für  die  übrigen  oben  nicht  angeführten 
sonn-  und  festtage  kann  die  richtigkeit  des  bisher  gewonnenen  resul- 
tats  nur  bestätigen. 

EE  und  hiemit  die  vorläge  von  EE  (s.  s.  12)  gehen  daher  unzwei- 
felhaft auf  GH  als  quelle  zurück.  Da  aber  EE  eine  anzahl  von  fest- 
tagen  aufweist,  die  in  GH  keine  berücksichtigung  finden,  wie  LXIX 
zu  der  chundung  (Annunciatio  B.  Marise  Virg.) ,  LXXIV  an  sand  Maria 
Magdalen  tag,  LXXVlI  an  aller  heiligen,  äbent,  LXXYIII  an  aller 
heiligen  tag  und  diesem  auch  das  commune  LXXXIII  von  iunchfrawen, 
LXXXIV  Atoer  ains  von  den  iunchfrauen  und  LXXXV  von  dm  iglei- 
chen  gotez  iunger  fehlt,  konte  die  vorläge  von  EE  nicht  unmittelbar 
aus  GH  geschöpft  haben,  sondern  muss  aus  einer  mittelquelle,  einem 
auf  GH  fassenden  (lateinischen)  lectionar ,  geflossen  sein. 

Den  schluss  meiner  erörterungen  mögen  einige  bescheidene  nach- 
trage zu  Steinmeyers  schon  oben  (s.  13)  berührtem  Verzeichnis  der  erhal- 
tenen deutschen  predigten  bilden. 

Man  kann  die  predigten  in  zwei  grosse  hauptgruppen  scheiden, 
in  Sermones  de  tempore  und  Sermones  de  sanctis.  Während  leztere 
ihren  stofT  meist  den  Heiligenleben  und  Martyrologien  entnahmen ,  boten 
für  die  ersteren  im  algemeinen  die  epistel-  und  evangelienpericopen 
den  ausgangspunkt.  Der  predigt  wird  gewöhnlich  ein  der  epistel-  oder 
evangelienpericope  entnommener  satz  als  thema  vorangestelt ,  worauf 
dessen  mehr  oder  minder  eingehende  auslegung  und  anwendung  folgt. 
Ist  das  thema  in  lateinischer  fassung  gegeben,  so  wird  ihm  meist  die 
deutsche  Übersetzung  oder  Umschreibung  beigefügt.  Zuweilen,  doch 
seltener,  geht  die  predigt  nicht  von  einem  satze  der  tagespericope, 
sondern  von  irgend  einer  passenden  bibelstelle  oder  von  kirchlich  auto- 
risierten werten  aus  und  nimt  erst  im  laufe  der  ferneren  darstellung 
auf  epistel  oder  evangelium  bezug.  Eine  nicht  unbeträchtliche  zahl 
von  predigten  endlich  zieht  religiöse  fragen  in  betracht,  die  ganz 
abseits  von  dem  Inhalt  der  für  den  betreffenden  tag  vorgeschriebenen 
pericope  liegen.  Besonders  waren  es  die  weltgeistlichen,  die  sich  in 
der  behandlung  der  predigt  solch  eine  grössere  freiheit  der  bewegung 
gestatteten.  Grieshaber  erwähnt  „Deutsche  Predigten"  (Stuttgart  1844) 
I,  XIX,  dass  sich  am  obern  rande  von  fol.  49*  zur  Überschrift  Dom.  ZF 
post  Pent.  handelnd  über  Luc.  6 ,  36—42  eine  glosse  erster  band  findet, 
die  besagt:  Secundum  seculares,  sed  secundum  ordinem  prima;  und 
in  Wahrheit  wird  in  Erg   und  MR  das   evangelium  Luc.  6,  36  —  42 


24  8TBJ8KAL 

nicht  am  vierten,  sondern  am  ersten  sontage  nach  pfingsten  gelesen. 
Steinmeyer  hat  leider  in  seinem  Verzeichnis  eingangs-  und  pericop^n- 
stelle  gleichgeachtet  und  viele  predigten  auf  diese  weise  mit  einem 
irreleitenden  citate  versehen.  Es  ist  von  den  angeführten  predigten 
nur  eine  verhältnismässig  kleine  zahl  namhaft  zu  machen ,  die  wirklich 
über  die  zur  einleitung  gewählte  nicht  den  tagespericopen  entlehnte 
bibelstelle  handelt 

A«    Zu  Keinz-Haupts  bruchstücken   einer  althochdeutschen 

evangelien  Übersetzung. 

Friedr.  Eeinz  hat  in  den  Sitzungsberichten  der  k.  Münoherier 
akademie  1869,  I  s.  549  fgg.  und  Jos.  Haupt  in  Germ.  XIV,  443  fgg. 
bruchstücke  einer  ahd.  evangelienübersetzung  bekant  gemacht.  Diese 
Übersetzung  ist  auch  für  die  erkentnis  altdeutscher  pericopen  von  Wich- 
tigkeit, indem  der  Schreiber  der  handschrift  teils  mitten  zwischen  dem 
texte,  teils  aussen  am  rande  die  stücke  und  den  tag  verzeichnet ,  an 
welchem  sie  als  evangelium  in  der  messe  gelesen  wurden  (s.  Sitz.  Ben 
a.  a.  0.  550  anm.  6 ,  553  anm.  9 ;  Germ.  XIV,  440).  Erhalten  ist  uns 
der  hiuweis  auf  folgende  hier  nach  der  Ordnung  des  kirchenjahres  gereihte 
pericopen : 

In  galli  cantu,  ze  cristes  mese  zc  winahten:^  Luc.  2,  1  (Miss. 
Const.«  fol.  VHP)  in  Germ.  XIV,  458. 

zetagemese  ze  .,:  Luc.  2,  15  (MC.  IX**)  in  Germ.  XTV,  458. 

in  not,  sd  Stephani  . . :  Matth.  23 ,  34  (MC  XI')  in  Germ.  XIV, 
460.« 

Dominica  infra  oäauam  natiuitatis :  Luc.  2,  33  (MC  XIIIP) 

in  Germ.  XIV,  459. 

Dominica  IUI.  post  ^iphaniam.  feria  VI  An  detn  fritag  nach 
dem  fierdem  svntach  nach  perhtnachten:  Luc.  9,  57  (MC  XX')  in  Germ. 
XrV,  461. 

1)  Am  wcihnachtstagc  (25.  dec.)  wurdeD  von  alters  her  drei  messen  gelesen; 
vgl.  darftbor  Binterim  a.  a.  o.  5,  1,  538  fgg.  Eine  predigt  in  „festo  Nativitatis ** 
(Sitz.  Bor.  der  Wiener  Akad.  94,  249)  begint  mit  den  Worten:  Man  heget  hüte  den 
heyligin  cristak  vnd  ist  gar  eyn  riche  hochezit,  Dorutne  so  mak  eyn  iclicher  pri- 
stir  tcol  drxj  anesse  lesin  adir  singin.  Daz  ist  dontme,  daz  kein  dorf,  noch  keyne 
kirche,  noch  keyn  mensche  sal  hüte  an  messe  sin, 

2)  Die  hs.  weist  fast  dorchans  dieselben  pericopen  auf  wie  das  alte  Missale 
Constantiense ;  vgl.  Germ.  XIV,  442. 

3)  Fehlt  bei  Stoinmeyer;  sein  Verzeichnis  berücksichtigt  die  von  Eeinz  und 
Hanpt  veröffentlichten  evangelienfragmente  nur  dann,  wenn  diese  andere  texte 
za  einzelnen  sonn-  und  festtAgen  aufweisen^  als  er  sonst  durch  predigten  belegen 
konte. 


ALTDEUTSCHE  PEBIKOPBN.  m  25 

Dom,  in  quinquagesima,  An  deni  andern  svniach  vor  vase  . . . 
Marc.  10,  46  »  in  Germ.  XIV,  457. 

Dom,  II  in  XL.  feria  III,  An  dem  . . .  nach  dem  . . .:  Matth. 
23 ,  1  (MC  XXXmi')  in  Germ.  XIV,  448. 

In  Talmis  Passio  domini  S,  Matheum,  An  dem  halmtage:  Matth. 
26,  1*  (MCLim^)  in  Germ.  XIV,  451. 

. . , . .  An  dem  phindage  in  der  phingst  wochen:  Luc.  9,  1  (MG 
XCI')  in  Germ.  XIV,  461. 

An   dem   ersten  suntach  nach  phingsten:    Luc.  16,   20^ 

(MC  XCVI')  in  Sitz.  Ber.  a.  a.  o.  550. 

Dominica  V.  post  oäauam  pentecostes  feria  Illl.y  An  dem  mi- 
dichen nach  dem  fivnflem  svntach  nach  phingsten:  Luc.  10,  21  (MC  Gl') 
in  Germ.  XIV,  464. 

Dom.  VII,  post  oct,  pentec.j  An  dem  sipentem  svntach  nach  phing- 
sten: Marc.  8,  1  (MC  CHI»)  in  Germ.  XIV,  455. 

Dom,  VIII.  post  odauam  pentecostes  fcr.  VI,  An  dem  fritach 
nach  dem  ahtum  nach  phingsten:  Matth.  23,  13  (MC  CIIIP)  in  Germ. 
XIV,  449. 

Dom.  XV m.  post  octauam  pentecostes,  An  dem  ahczehentem 
svntach  nach  phingsten:  Matth.  22,  34  (MC  CXVII*)  in  Germ.  XIV,  447. 

Dominica  XVIIL  post  octavam  pentecostes  feria  VI,  An  detn 
fritach  nach  dem  ahtzehentem  svntach  nach  phingsten:  Matth.  13,  31 
(MC  CXVE»»)  in  Germ.  XIV,  444. 

[XV] IUI.  post  octauam  pentecostes  feria  Illl.y  . . .  em  nivn- 
gehentem:  Matth.  13,  36  (MC  CXVIIP)  in  Germ.  XIV,  445. 

Dom.  XX  post  oct.,.  [feria  VI,]^  ....  Luc.  6,  22  (MC  CXIX^) 
in  Sitz.  Ber.  a.  a.  o.  553. 

1)  ist  nur  eine  paraUolstelle  zu  der  in  MC  vorgeschriebenen  poricope  Luc.  18, 
13—43. 

2)  Wie  schon  oben  (s.  17)  erwähnt  ist  und  die  lateinische  Überschrift  hier 
ausdrücklich  sagt,  ist  Matth.  26,  1  fgg.  passion,  nicht  evangelium,  wie  St.  s.  229 
anführt. 

3)  Doch  begint  das  evangelium  bereits  mit  dem  dem  fragmente  fehlenden 
y.  19  (das  fragment  umfasst  nur  Luc.  16,  20  und  21);  fehlt  bei  St. 

4)  Die  Worte  feria  VI  hat  schon  J.  Haupt  (Germ.  XIV,  442  amn.)  ergänzt. 
Keinz  berichtet  a.  a.  o.  550  anm.  6 ,  dass  am  rande  des  fragmentes  sich  die  bemer- 
kung  finde:  Dom,  XX  post  od,  und  einige  worto  mehr,  die  aber  fast  ganz  weg- 
geschnitten seien.  St.  hat  die  anmerkung  Haupts  übersehen  und  das  Evang.  Luc. 
6,  21  fgg.  (recte  22  fgg.)  als  poricope  unter  „Dom.  XXI**  gestelt.  Hiebei  will  ich 
erwähnen ,  dass  St.  in  seinem  Verzeichnis  die  Zählung  der  sontage  nach  pfingsten 
in  der  weise  Tomahm,  dass  er  die  pfingstoctav  (Dom.  in  Oct.  Pent.)  gegen  die 
gowdhnliche  z&hlnng  als  ersten  sontag  nach  pfingsten  rechnete,  und  dadurch  yiole 
nigenanigkeiten  herrorrief. 


26  STBJSKAL 

Dom.  XX  III.  post  oetavam  peniecostes,  an  dem  tri  vnd  ewain- 
gistem  svntach  nach  phingsten:  Matth.  22,  15  (MC  CXXII*)  in  Germ. 
XIV,  446. 

De  apostdiSy  van  den  gtcdf  paten:  Luc.  10,  1  (MG.  2  teil  III*) 
in  Germ.  XIV,  462. 

De  martyribus  . . .  Luc.  10,  16  in  Germ.  XIV,  463. 

von  den  maiden:   Matth.  13,  43  (MG.  2.  teil  XIV)  in 

Germ.  XTV,  445.» 

B.  Zu  Müllenhoff-Scherers  Denkmaelern  (2.  aosg.    Berlin  1873.) 

LXXXVI. 

Die  predigten  der  ersten  samlang  (A)  (1  =  Fundgr.  I,  65 ;  8  =  Z.  f. 
d.  A.  Vm,  106  (1);  8  =  Z.  f.  d.  A.  VIII.  106  (2);  4  =  Fundgr.  I,  64; 
5*  —  6**  =  Keinz  Münchener  Sitz.  Ber.  1869,  I,  542)  erlauben,  wie 
schon  St.  s.  227  mit  recht  bemerkt,  keine  sichere  deutung  auf  bestirnte 
zugrunde  liegende  pericopen.  Hier  und  da  findet  man  zwar  anklänge 
an  evangelien-  oder  epistelstellen  (s.  namentlich  4),  allein  es  ist 
nichtsdestoweniger  unmöglich,  auf  grund  dieser  den  tag  zu  ermitteln, 
an  dem  sie  gehalten  worden  waren. 

Die  zweite  samlung  (B)  enthält  folgende  vier  predigten :  1  =  Fdgr. 
I,  63,  nach  der  behandelten  pericope  {Dae  evat^gelium  gelü  uns,  das 
unser  herro  Jesus  Christus  euo  den  bdton  imo  iruueliti  sibincig  nnia 
giuuent  jungerun  usw.:  Luc.  10^  1 — 9)  zu  schliessen,  nicht  wie  St. 
angibt  eine  predigt  auf  Dom.  V  post  Epiphaniam,'  sondern  auf  das 
fest  des  heil.  Markus  (25.  april);'  2  =  Fundgr.  I,  59  über  Matth.  20, 
1  —  16:  eine  predigt  auf  Dom.  in  Septuagesima;  3  =  Fundgr.  I,  62 
über  Luc.  8,  4  — 15:  auf  Dom.  in  Sexagesima;  4  =  Fundgr.  I,  63  über 
Luc.  18,  31  —  43:  auf  Dom.  in  Quinquagesima. 

Die  dritte  samlung  (G)  bringt  in  ihrem  1.  bruchstöcke  (=  Eeins 
Mfinchener  Sitz.  Ber.  1869,  I,  541)  eino  predigt  auf  Dom.  I  in  Qoa- 
dragesima  (über  Matth.  4,  1  — 11)  und  in  ihrem  3.  (=  Z.  f  d.  A.  Vin, 
107  (3))  eine  predigt  auf  Dom.  II  in  Quadragesima  (über  Matth.  15, 
21  —  28).    Das  3.  bruchstück  (bei  Keinz  a.  a.  o.  I,  541  erwähnt)  lässt 

1)  Fehlt  bei  Steinmeyer. 

2)  an  der  nur  Matth.  11,  25-30  oder  Matth.  13,  24—30  gelesen  wiid, 
s.  oben  s.  17. 

3)  Es  widerspricht  dieser  annähme  nicht,  dass  die  homilie  Gregors,  aus  der 
der  deutsche  prediger  schöpfte  (s.  MSD  s.  587)  —  es  ist  die  homiüe  XYII:  habüa 
ad  Episeapos  in  fönte»  LtüernnenMum  —  der  predigt  auf  der  im  Idrchenjahr  firiUisr 
fallenden  sontag  septoagosima  vorangeht  Denn  die  40  homilien  Gregors  und  nieht 
nach  dem  kiichenjuhr  geordnet,  vielmehr  baut  dua*heinander  gewürfelt. 


ALTDBUT8CHS  FSB1X.0FSN.   UI  27 

seiner  alzu  fragmentarischen  Überlieferung  wegen  nicht  ermitteln,  wel- 
cher text  der  predigt  zu  gründe  lag. 

C.    Zu  Hoffmanns  predigten  in  Fundgruben  I,  59fgg. 

59  =  MSD  LXXXVI  B  2. 
62  =  MSD  LXXXVI  B  2. 
63,  8  =  MSD  LXXXVI  B  4. 

63,  20  =  MSD  LXXXVI  B  1.  Die  genanten  vier  predigten  sind 
bei  St.  unter  den  entsprechenden  citaten  von  MSD  angeführt 

64  =  MSD  LXXXVI  A  4. 

65  =  MSD  LXXXVI  A  1. 

66.  Das  fragment  behandelt  Marc.  7,  31  —  37,  ist  daher  eine 
predigt  auf  Dom.  XU  post  (Oct.)  Pent. ;  bei  St  unter  „Dom.  XIII.** 

67,  Dom,  Xni;  bei  St  unter  „Dom.  XIV.« 

69,  1.  Bruchstück  einer  predigt  über  Luc.  18,  31  —  43:  auf  Dom. 
in  Quinquagesima. 

71,  In  Pascha.  Die  predigt  geht  zwar^  von  Psalm  117,  24 
(H(ßc  est  dies  quam  fedt  Dominus)  ^  aus ,  doch  ist  sie  keineswegs ,  wie 
man  nach  St  vermuten  könte ,  auf  diese  stelle  aufgebaut ,  sondern  nimt 
(S.  72,  30)  ausdrücklichen  bezug  auf  die  gelesene  evangelienpericope 
(Marc.  16,  1  —  7) :  Man  las  uns  an  dem  evangdio,  daz  sancte  Maria 
magdalen  unde  aein  anderv  Maria  s,  Jacobs  muter  choflen  aromaia  usw. 

74,  In  Octava  Pasche  enthält  s.  75,  6  zuerst  einen  hinweis  auf 
die  evangelienpericope  des  osterdienstags :  Man  las  uns  an  dem  eritage 
an  dem  evangdio,  daz  sih  unser  herre  erzaiget  sinen  iungem,  da  si 
alle  in  einem  bespartem  huse  waren  usw.  (Joan.  20,  19  —  25)  und  sezt 
dann  fort:  Nu  lasm  uns  hüte  an  dem  evangdio,  wie  die  heiligen 
zwelfpoten  sih  gesamnt  heten  in  nein  hus  an  dem  ahtodem  tage  von  der 
urstende,  do  was  s,  Thomas  mit  in  usw.,  bespricht  also  Joan.  20, 
26  —  31,  wie  sie  auch  mit  den  werten  anhebt:  Post  dies  octo  de. 
(loan.  20^  26).  St  führt  die  predigt  irrig  unter  dem  citate  „Job.  20, 
19  fgg."  an. 

77,  In  Bomana  Ldania,  behandelt  Luc.  11,  5  — 13  (als  man 
uns  dessdben  tages  uorliset  an  dem  evangdio:  qui  pdit,  accipiet,  et 
pulsanti  aperietur  usw.),  ist  somit  nicht  wie  St  angibt,  eine  predigt 
auf  das  fest  des  heil.  Marcus,  sondern  In  Litaniis  majoribus,"  (wenn 

1)  Wie  jene  bei  Kelle  64.  65;  Jeitt.  75;  Leyser  61.  132  =  Z.  f.  d.  A.  20, 
242;  Altd.  BU.  H,  178. 

2)  Entnommen  einer  antiphonie  dieses  tages  s.  Breviariam  Bomantim ,  Mecheln 
1861,  pars  vemalis  262. 

3)  S.  das  Miss.  Rom.,  wo  s.  286  cinoMissa  ,,In  Litaniis  majoribas'*  mit  der 
Epistel  Jac  5,  16—20  und  dem  £yang.  Lnc.  11 ,  5—13. 


28 


0TBJ8KAL 


auch  diesoB  fest  mit  dem  des  heil.  Marcus  auf  einen  tag,  25.  april, 
f&lt).  Der  HüliluHS  der  predigt  bestätigt  die  richtigkeit  meiner  annähme, 
denn  er  weist  nur  ganz  nebenbei  hin  auf  das  an  demselben  tage  zu 
begehende  fest  des  heil.  Marcus.  Die  stelle  lautet:  So  uolget  ir  uil 
smliclichen  dem  heiligem  cruce,  ob  ir  iwem  lip  cruzet  unde  dwinget 
uan  upict^ii ,  twt^  bosheü  unde  uon  ailerslaJUe  unrehte.  Von  div  pittet 
den  almelUigen  got,  das  ir  im  geuolgen  müzet  mit  Worten  unde  mit 
werchen,  unde  sentet  an  in  ee  boten  den  guten  $.  Mar  cum,  des  ttdt 
wir  desselben  tages  begen, 

78  j  Philippi  et  Jacobi,  citiert  wol  im  beginne  Psalm  138,  17 
{Nimis  honorati  sunt  amici  tui)^  geht  jedoch  dann  Ober  auf  loan.  15,  15 
usw.  Keine  der  beiden  genanten  bibelstellen  ist  pericope.  Steinmeyers 
Stellenangabe  (Ps.  138,  17)  ist  somit  zu  streichen. 

80,  De  8,  Cruce^  ist  eine  predigt  auf  das  fest  „Inyentionis  s. 
Crucis**  (3.  mal). 

83y  1.    Bruchstück  einer  predigt  auf  Joannes  Evang. 

86*,  Dominica  in  Septuagesima  ^  =  Roth  IX,  begint  wie  Kelle  44 
mit  den  Worten  des  psalms  136,  1  {Quomodo  cantabimus  canticum 
Domini  in  terra  aliena?)  und  wird  bei  St.  auch  so  citiert.  Es  ist  mir 
leider  noch  nicht  gelungen,  diese  psalmstelle  als  zu  den  liturgischen 
gebeten  des  tages  gehörend  nachzuweisen;  doch  ist  sie  keinesfiBLls 
pericope.  * 

88,  Sermo  in  Quadragesima ,  ist  nach  der  pericope  II  Cor.  6, 
1  —  10  zu  schliessen ,  eine  predigt  auf  Dom.  I  in  Quadragesima. 

90,  In  Annunciatione  Dofnini,  St  begleitet  die  predigt  nach 
den  anfangsworten :  IMa  huec  clausa  erit  usw.  (Ezech.  44,  2)  mit 
diesem  eitat;  doch  geht  sie  von  jenem  unmittelbar  über  auf  die  erklä- 

1)  In  ££  führen  die  pericopen  dieses  tages  die  ftberschrift  so  man  dca  Me- 
hkia  Hidar  leit,  vgl.  hiezu:  am  smtag  ah  man  dax  aUeluM  nydfr  legt  Cod.  Yind. 
28^.  fol.  10^;  Ah  dem  »nntage  so  man  liset  daj  alkhia  Erg  foL  12*:  Das 
fMkh  stmc,  das  irtr  alJeJi  ditie  iar  sungen ,  aHelma,  das  uermide  wir  nu  mmj 
OM  den  heiligen  abent  ze  ostem  Fundgr.  1 ,  86;  Dnrd^  divs,  min  hü  lieben,  so  laie 
tcir  die  alMma  hinnen  unze  ostem  nni  ander  flrohch  sane  Fundgr.  I,  87:  t:  sini 
die  tage  komen,  ticur  man  idleinia  gileget  hat,  lias  man  ü  uor  ostem  niemer  singen 
9Col,  nnt  ist  nerboten  eliehic  h^rat  non  disem  tage  hiute  uns  an  den  sunnetac  der 
üggenden  ostirwochen.  Fuudgr.  I.  iÖ:  Sc  ist  alles  froHch  getane  hingeleit.  aUelcia  rü 
firdde  K«^Ue  44 ;  Man  beget  hüte  ilen  suntac ,  als  man  das  allelaia  legit  rnd  allin 
vrotkhin  gesmnc  als  gloria  in  eaxelsis  Deo  and  Te  Deum  laudamus  rnd  Ite  missa 
eti.  l^sin  crvHchin  gesimc  leit  man  dar  umme,  Das  di  werlt  tH  yieler  rrende 
kut  Wiener  Sitz.  Ber.  94»  i53;  s.  £.Martene  ,I>e  antiquis  Eod««i£  Ritibos^  UI.  136 
und  M.  Gerbert  «Monnmenta  reteris  LitorgisF  Alemannice"  II,  348:  MB  schreibt 
votr:  ^OB  didit«!  Uloiia  In  tficeltua  ab  hac  Dominica  os^ne  ad  F^Lkrha,  oiceptis 
fem  Y.  in  CvNMa  Domiu  et  Sabbato  sancto»  et  «^lUMido  dicxtur  Mi«a  de  fesW.'' 


ALTDBUTSCHB  Ffi&IKOPBN.  Ttt  d9 

rung  der  evangelienpericope  Luc.  1,  26  —  38:  Diu  boteschaft,  als  uns 
dae  evangdium  saget,  diu  wart  emphdhen  dem  heiligen  gotis  engde 
sente  gabridi  usw. 

107 y  36  Dominica  in  Palmis  s,  lohem.  Bei  St.  ist  statt  „Job.  12, 
1  fgg.^  zu  lesen:  Job.  12,  12  fgg.;  s.  s.  17  anm.  13. 

113,  1  Commemoratio  vivorum.  An  welcbem  tage  eine  solche 
Gommemoration  zu  balten  war,  ist  nicbt  leicbt  zu  bestimmen:  die  Mis- 
salien und  Lectionarien  geben,  wenn  sie,  was  jedoch  nur  selten  der  fall 
ist,  überhaupt  eine  „Missa  pro  salute  vivorum^  bringen,  keinen  auf- 
schluss:  es  war  eben  kein  ständiges  fest,  sondern  die  messe  gehörte 
zu  den  „Missis  votivis  pro  diversis  rebus.  ^  Ich  möchte  daher  nicht 
glauben,  dass  Sts.  Vermutung,  die  Gommemoration  sei  am  1.  novbr. 
gehalten  worden,  haltbar  sei,  umsomehr  als  an  diesem  tage  von  jeher 
das  fest  Allerheiligen  gefeiert  wurde.  Im  „Lectionarius  Missae^  bei 
Thomasius  Opera  V,  418  wird  als  epistel  der  messe  Col.  1,  9  —  14, 
im  „Capitulare  Evangeliorum"  als  Evangelium  Matth.  20,  29  —  34  vor- 
geschrieben (s.  Opera  V,  526). 

116,  In  Nativitate  behandelt  Luc.  2,  1  —  14,  mithin  das  evan- 
gelium  der  1.  messe  am  weihnachtstage.  St  führt  die  predigt  ohne 
angäbe  der  zugrunde  liegenden  pericope  auf 

118j  Stephani,  Bei  St.  nach  den  eingangsworten  Düigite  inimi- 
cos  vestros  usw.  mit  dem  citat  „Matth.  5,  44"  versehen;  doch  wird 
der  tod  des  heil.  Stephan  nach  der  algemein  für  den  Stephanstag 
voi^eschriebenen  epistelpericope  (Act.  Apost.  6,  8  — 10;  7,  54  —  59) 
erzählt. 

An  diese  predigt,  die  nur  bis  119,  10  reicht,  schliessen  sich  zwei 
predigten  an ,  die  von  Hoifmann  ohne  jede  bemerkung  unmittelbar  dem 
vorhergehenden  angef&gt  werden.  Die  erste  dieser  beiden  predigten 
muss  an  einem  sontag,  der  dem  4.  juli  vorangeht,  gehalten  worden 
sein;  dieser  sontag  kann  kein  anderer  als  Dom.  I  post  nat.  Apost.  (sei- 
nen pericopen  nach  =  VI.  post  (Oct.)  Pent.,  s.  oben  s.  18  anm.  4) 
sein.  In  der  predigt  werden  nämlich  die  gläubigen  aufgefordert  zu 
gott  zu  beten,  dass  er  sich  ihrer  erbarme:  Dar  zu  haben  wir  groze 
hilfe  an  den  hdigen,  der  tult  wir  in  dirre  wochen  hegen.  Und  nun 
werden  folgende  heilige  angeführt,  deren  tuU  bevorstehe:  der  heil,  üdal- 
rich ,  bischof  zu  Augsburg  (4.  juli) ,  der  heil.  Kilian  (8.  juli) ,  der  heil. 
Willibald  (7.  juli),  die  sieben  söhne  der  heil.  Felicitas  (10.  juli).  Die 
predigt  schliesst  mit  den  werten:  die  rufet  des  tages,  swa  ir  sit,  uil 
iwnidichen  an,  unde  pittet  got,  daz  er  ivh  irlaze  geniezen  an  dem  libe 
unde  an  der  sde.    Fehlt  bei  St. 

Auf  sie  folgt  119,  43  eine  predigt  auf  die  heil.  Margarethe  (13.  juli). 


80  anumut. 

130  iüt  ein  bracbstfick  einer  unbekantea  Martenpreiligt ;  F<io  belian 
delt  die  Tlieophiluslegeuile ;  bei  St.  unter  „Maria." 

121,  (Dominica  IT)'  über  Luc.  li,  IG  — 24,  bei  St.  untd 
„Dom.  in." 

Iä2,  Dominica  TU  =  Leyser  XXVII  über  Lnc.  15,  1  - 
St  unter  „Dom.  IV." 

123,  Dominica  IUI  über  Luc.  8,  18—23  bei  St,  nnter  „Dom 
V,"  und 

W5,  Dominica  Füber  I  Petr.  3,  8  —  15  bei  St  unter  „Dom.  VI. 

B.  Zu  J.  Keiles  Speculum  ßcclesis  Altdeutsch  (München  IS&d) 

Nach  einigen  liturgischen    gebeten    und  ansprachen  begint  s.  i 
(mit  den  worten  thlte.  do  wlte  er  in  allererste  cnbietin  sine  kvnft) 
bniuhstück  einer  predigt  in  Dom.  I  Adv.    Auf  den  Inhalt  der  epistot; 
pericope  (Rom.  13,  11  — 14)  wird  erst  am  Schlüsse  der  predigt  (s.  iS 
bezug  genommen. 

13,    Sermo   in  Nräale   Domini,    über  Tit  3,  4  —  7   und  Lac.  \ 
1&  — 20  {Man  hat  geUm,   an  dem  heiligem  ewangelio.  daz  hirie  wart 
in  dem  lante...),    bespricht    also   die    pericopeu   der  zweiton  weih 
nachtsmesse ;  bei  St  nach   den  eiugangsworten  unter  ersterem  cäta 
angeführt. 

17,  In  Oäaua  Domini  =  Wack,  LB  197,  über  Luc.  2,  Dl  diu 
Gal.  4,  1  —  7.  St  stelt  die  predigt  unter  „Luc.  2,  21  fgg."  AUei 
die  fivangelienpericope  dieses  tagea  ist  nur  der  eine  vers  Luc.  2,  21, 
daher  auch  der  prediger  nach  anfiihrung  des  lateinischen  textca  bemerkt 
DoB  sint  kursiv  ibrt.  s.  cuugelii  unde  sint  iedoch  tief,  mit  vil  mangk 
baaichinungc.  —  Die  epistelpericope  Gal.  4,1  —  7  schreibt  l)ereits  C^ 
vor,  während  OH,  Eg,  Mr  33'  Gal.  3,  23—4,  2.  Cth  und  MK  Tit  S 
11  — 15  lesen ;  sie  scheint  auch  den  predigten  ,,lu  Circumcisione  Domioi' 
in  Fundgr,  I,  82,  Jeitt  3  (=  S.  Paul  4)  und  Germ.  VII,  336  (ohm 
Überschrift)  vor?.uliegon. 

20,  Sermo  in  Adueniu  Dni,  begint  woP  mit  den  worten  det 
psalms  144,  18  (Prape  es  Dm  omnibus  inwcantibus  cum  in  ucritate),* 
bespricht  aber  s.  21  ausführlich  die  lagespericope :  Rom.  13,  11- 

1)  pM(  (Od.)  Pmt. 

2)  Auch  Roth  IV   (».  24)    and  Jeitt.  35  (=  S.  Paul  Ib)  beliandetu  tii 
einen  vctb;  bloes  Cth  und  Eg  lesea  Lnc.  2.  21—32. 

:;)  Wia  Lfljaer  127  und  Am,  U,  323. 

4)  So  auch  citiert  bei  St.    Die  psalDutdle,  welelid  d«r  kntion 
ad  Vespena"  (a.  Brev.  Born,  pars  liiemalis  140J  enbiomraen  sein  mag,  bat  tiat 
BCnde  panUkle  si  Rom.  13,  11  ^NtMC  tum  propior  est  nottra  saltu). 


ALTDBUT80HB  PBBIKOPBN.  in  Sl 

22,  In  Vigüia  Natiuitatis  Dni,  lässt  eine  bestirnte  deutung  auf 
die  an  diesem  tage  gelesenen  pericopen  nicht  zn.^  Die  predigt  wird 
mit  den  werten  Letentur  Ceti  et  exuUet  terra,  aü  faciS  dn^  quo  ueü 
eingeleitet,  die  der  Antiphonie  „In  tertio  Noctnmo  In  Nat.  Dom.*^  nach 
Ps.  95,  11.  13  entlehnt  sind  (s.  Brev.  Rom.  pars  hiem.  204).*  Die 
weitere  darstellung  (s.  23  fg.)  nimt  bezug  auf  Luc.  2 ,  1  —  14 ,  also  auf 
das  evangelium,  das  „In  Nat.  Dom.  ad  primam  missam^  gelesen  wird. 
St.  begleitet  die  angäbe  der  predigt  mit  dem  citate:  „Ps.  95,  11  oder 
1  Paral.  16,  31.** 

25  y  De  NcUivUate  Dniy  über  Joan.  1,  1  — 14:  eine  predigt  auf 
die  pericope  der  „Tertia  missa  in  Die  Nat.  Dom." 

29,  St^hanus;  s.  das  oben  zu  Fundgr.  I,  118  gesagte. 

31,  De  eodemy  nimt  (wie  29)  bezug  auf  die  epistel  des  tages; 
bei  St  ohne  pericopenangabe  angeführt. 

32  y  lohanis  Euangeliste,  begint^  mit  den  einem  Responsorium 
dieses  tages  entlehnten  werten :  Valde  honorandus  est  heatus  loM  usw. 
(s.  Brev.  Rom.  pars  hiem.  217).    Weder  sie  noch  die  auf  s. 

54  stehende  De  eodem  (ihre  eingangsworte  Iste  E  lohes  cui  a^c 
in  cce  matrE  vgine  vgini  comdaü  *  sind  derselben  stelle  des  Breviariums 
entnommen)  besprechen  die  vorgeschriebenen  pericopen  (Eccli.  15,  1  —  6;^ 
loan.  21:  19—24). 

55,  Innocentum  St.  fuhrt  die  predigt  nach  den  eingangs  werten 
{Ambfdabant  mecü  in  albis  usw.)  mit  dem  citate  „Apoc.  3,  4"  an;  doch 
geht  sie  nach  diesen  werten  sofort  über  zur  Inhaltsangabe  des  f&r  die- 
sen tag  vorgeschriebenen  evangeliums  Matth.  2,  13  —  18. 

36,  Circumcisionis ;  auf  den  Inhalt  der  evangelienpericope  (Luc.  2, 
21)  wird  nur  kurz  hingewiesen;  bei  St.  ohne  angäbe. 

44,  In  Septtmgesima ,  s.  oben  s.  20  zu  Fundgr.  I,  86.  Eelle 
meint,  dass  mit  den  werten  da^  klaget  david  die  predigt  auf  septuag. 
abbreche  und  mit  den  darauf  folgenden  (fol.  34')  Circumdederunt  me 
gemitus  usw.  eine  predigt  auf  Sexagesima  beginne  (s.  seine  Inhalts- 
angabe s.  287).    Er  stüzt  seine  ansieht  durch  die  Vermutung ,  dass  zwi- 

1)  Übereinstimmend  schreiben  die  alten  Lect.  und  Miss,  vor;  Is.  62,  1  —  4 
(CH,  Ctb)  und  Rom.  1,  1—6  (CH,  Cth,  Ca);  Matth.  1,  18—21  (CH,  Cth,  Eg, 
E^g4^  Er  9»). 

2)  Aach  die  werte  Ecce  iä  venu  pJenitvdo  teporis  usw.  (s.  23)  finden  sich  im 
Brev.  Rom.  and  zwar  als  antiphonie  nach  der  2.  lection  der  „Feria  Sexta  infra  Heb- 
domadam qnartam  Adv."  (s.  pars  hiem.  197). 

3)  wie  Roth  H  (21). 

4)  Iste  est  lohannes  cai  Xristas  in  cruce  matrem  virginem  virgini  com- 
mendaTit.  5)  Ca  liest  Ephes.  2,  19  —  22. 


Bcbea  fol.  33"  und  31'  eine  läge  felilu  (9.  s.44,  anm.  4;  nachweial 
ist  nur,  üass  mit  34*  wider  die  «erste  hand"  zq  schreibBn  begi 
a.  8.  44  aom.  4  und  vorn  XVI).  St  liat  mit  voUem  recht  diese  TB 
mutang  ausser  acht  gelassen  lud  die  predigt  als  ein  ganzes  betraoht 
DeiiD  die  zuHämmengehOrigkoit  der  beiden  teile  lässt  sich  schon  dai 
entnehmen,  dass  die  im  ersten  teile  erwähnten  sibeneeük  tage,  die  % 
zebvze  gesetsä  sint  im  zweiten  mit  den  siebzig  jähren  der  habylouisol 
gefangenscbaCI;  in  parallele  gebogen  werden:  Die  sibintsic  tage  da  » 
»u  inne  sin.  die  sini  uns  bcseichent  mit  sihinteic  iart-n.  dei  die  1 
in  uanchnusse  wären.'  Zudem  heisst  es  am  Schlüsse  der  predigt;  J 
habit  ir  uernämin  uoh  der  heiligen  sckrift.  wttnnin  div  ffnwnheit  i 
hub.  diäe  s&inteic  tage  mii  m-beile  lebin.  nu  arbeUct  danach  in  iU 
tagen. 

47,  S.  In  Quinquagesima.  Da  aber  die  predigt  von  der  Ai 
phouie  Ad  Magnißcat  der  Dom.  I  Qnadrag.  (s,  Brev.  Born,  pars  ve 
I09,  entnommen  der  epistelpericope  dieses  tiiges:  II  Cor,  ä, 
ausgeht,  da  sie  ferner  wie  iJ3,  Semio  in  QHodragesitna,  die  anffon 
rung  an  die  gläubigen  enthält  für  das  heil  der  seele  durcb  ausQbtl 
guter  werke  zu  sorgen  und  endlich  direct  sagt:  uon  div  sint  uns  l 
imgenomin  dise  uicreidi  tage,  in  den  wir  dem  leidigem  uiant  i 
widersteti  sckulin,  bo  muse  ein  fehler  in  der  Überschrift  vorliegfl 
die  predigt  war  nicht  für  Quinquage^ima ,  sondern  für  Dom.  I  Quadn 
bestirnt.    Bei  St.  ist  sie  noch  unter  Quinq.  angeführt. 

52,  Sertno  in  Quadragesimn,  iiinit  keinen  bezug  auf  die  t 
pericopeu,  sondern  enthält  wie  erwähnt  die  mahnung  in  der  kommt 
den  fastenzeit  durch  beten ,  fasten ,  almosengeben  für  das  seeleiüii 
sorge  zn  tragen.  St.  stelt  die  predigt  unter  „Dom.  I.  Quadrag.,"  d&  b 
wenn  auch  ihres  algemeiuen  inbalteä  wegen  für  Jeden  tag  der  qoadi 
gesimalzeit  verwendbar,  doob  an  dieser  in  erster  linie  gehalten  wordi 
sein  mochte. 

55,  Palmarum;  s.  oben  8.  29  za  fundgr.  I,  107. 
55,  In  Quadrugesitna.  St.  stelt  die  predigt  unter  „Dom.  1  Qo 
drag.,"  doch  seheint  sie  nacl  der  pericope  Is.  56 ,  C  —  1 1  zu  scbliess 
(sie  begint  mit  den  werten  Derilinguat  /iwptMS  uia.  sua  usw.  Is.  55, ' 
für  feria  III  post  Dom.  I  Quadrag.  bestirnt  gewesen  zu  sein.  Sie  bncd 
8.  66  mit  idoch  ist  er  hivte  aller  gneedigest  umhe  dii.-  ab,  worauf 

5G  (ohne  Überschrift)  eine  predigt  auf  Coena  domioi  {Über  1  Co 
11,  20  —  32»  und  loan.  13,  1  —  16)  folgt. 

1)  Dieaclba  deutiiDg  Bucli  io  Fundgr.  1 ,  8ti. 
S)  Unter  diMeiu  citet  bei  St. 


ALTDBUT80HB  PSBIKOPBN.  m  88 

64,  Die  Sancto  Pasche  und  65,  In  die  Sando  Pasche  gehen 
zwar  von  Psalm  117,  24  aus  und  werden  auch  von  St  so  citiert;  s. 
jedoch  oben  s.  27  zu  Fundgr.  I,  71. 

70,  In  Letania  Maiore  (über  Jac.  5,  16  —  20)  und  75  y  In  Letor 
nia^  sind  bei  St.  irrig  unter  ^Dom.  Y  post  Pascha^  angeführt;  es  sind 
predigten  auf  die  Dies  Bogationum  (bittage).  Das  fest  der  Bogationen 
fehlt  bei  St. 

79j  In  Ascensione  bespricht  die  evangelieupericope  dieses  tages 
Matth.  16,  14  —  20;  bei  St.  ohne  angäbe. 

80,  In  die  Sancto  Pentecoste  über  Act.  Apost.  2,  1  — 11  und 
loan.  14,  23 — 31;  sie  geht  aus  von  Psalm  32,  6  (Verbo  dn%  cdi  fit' 
mati  sunt  usw.).' 

Auch  86,  In  Sancto  Die  Pentecosten  behandelt  beide  pericopen, 
während  88,  Die  Pentecosten  bloss  auf  die  epistel  bezug  nimt.  St. 
führt  erstere  nur  mit  dem  citat  „Act  2,  1  ff.,^  leztere  ohne  jede 
angäbe  auf. 

89,  In  Nat,  S.  lohannis  B,  Die  predigt  begint  mit  Matth.  11,  11 
{Inter  natos  mulierü  n  surrexit  maior  Joh^  6.),  wird  daher  auch  von 
St.  mit  diesem  citate  versehen;  doch  bringt  sie  einige  zeilen  tiefer  den 
inhalt  des  evangeliums  Luc.  1,  5 — ^^17.  Der  zugrundeliegende  text  ist 
jedoch  nicht  pericope  dieses  tages,  sondern  der  Vigilia  S.  loannis  Bap- 
tistsB.  Das  fest  Johannes  des  täufers  war  bekantlich  ehedem  dadurch 
aasgezeichnet,  dass  an  ihm  drei  messen  gelesen  wurden:  „Tres  Missae 
celebrantur  de  S.  loanne.  üna  in  Vigilia,  duse  vero  in  ejus  Natali.^ 
Die  erste  messe  oder  die  messe  in  Vigilia  wurde  nach  der  vorvesper, 
die  zweite  um  mitternacht  und  die  dritte  am  tage  gehalten.  Alciiin 
erteilt  hierüber  folgende  erklärung:  „Ideo  tres  Missse  celebrantur  in  festi- 
vitate  S.  Joannis,  quia  tribus  insignibus  triumphis  excellenter  refulsit. 
Ad  hoc  enim  venit,  ut  viam  domino  prsepararet  exemplo  suse  conver- 
sationis,  qui  triumphus  celebratur  in  Vigilia  ejusdem;  per  ministerium 
baptismi  damit  insignis,  et  hujus  ministerii  triumphus  in  prima  Missa 
recolitur ;  Nazarseus  permansit  ex  utero  matris ,  et  hoc  donum  recolitur 
in  die**  („De  divinis  officiis"  cap.  XXX.  Opera  11.  489  edit  Prob. ;  vgl. 
Oerbert  „Monumenta  vet  Liturg.  Alem.^  II,  899,  Binterim  a.a.O.  5, 
1,  375  fgg.).  Anders  die  deutung  in  einer  predigt  auf  Johannes  Bap- 
tista  (Germ.  I,  446);  Der  gvte  S,  Johannes  der  hat  driv  ampt  hivt  an 
dem  gotes  dienst  nah  den  drin  ampten  div  er  vor  got  hat  (als  pro- 
phet,  apostel,  märtyrer).    Die  pericopen,  die  während  dieser  drei  mes- 

1)  Rasur  nach  Letania;  s.  Kelle  65,  anm.  1. 

2)  So  anch  bei  St.  eitiert. 

.   W,   DXUTBOUB   PHILOLOGIE.      BD.  XY.  3 


sen  gelegen  wurden,  waren:  In  Vigiliar  Jerßm.l,  4  — 10  {CH,  Ott 
Ca.  Lect.  Misase  bei  Thomasiua  Op.  V,  395);  Lac.  1.  5  —  17  (CH,  Ctt 
Eg,  Cap.  Evang.  bei  Thomasius  Op,  V,  474).  In  prima  misaa:  Ib.  i 
27  —  43,  9  (CH,  Lect  Misste  a.  a.  o.  V,  396);  Luc,  l,  18  —  25  (0 
Cap.  Evang.  a.  a.  o.  V,  475\  In  dk:  Is.  49,  1  -  7  (CH.  Cth,  i 
Eg,  Lect.  Missa?  a.  a.  o.  V.  396);  Lud,  57  —  68  (EE,  CH,  Cüi.  I 
Cap.  Evaug.  a.  a.  o.  V,  475). 

91,  De  Sancto  Johanne.  B.,  behandelt  keine  der  tagespenoopi 
sondern  fordert  nur  die  gläubigen  auf,  nach  dem  beispiele  Jobani 
mit  uattin.  mit  wachin.  mit  kuslichein  l^in.  tnit  diemüte.  out  äl 
dtAle  gute  das  Uimmelreicti  zu  erwerben.  < 

04.  De  Aposlolis  P.  et  P.  Die  von  St.  als  pcricope  aageflll)) 
bibelst«lle  ^salm  138,  17"  (Nimis  honorati  sunt  amici  tut  (ß  UBll 
mit  der  die  predigt  beglut,  ist  den  Responsorien  „ad  Nonam**  diA 
tages  entiiommeQ  (s.  Brev.  Hom.  pars  festivalis  404).  Sie  behandelt  1 
die  unmittelbar  vorangehende  (9.2,  De  Sancto  Petro  et  Paulo),  kflj 
der  vorgeschriebenen  pericopen. 

9G,  De  Sancta  Maria  Magdalena,  bei  St.  ohne  angäbe,  erzftl 
den  Inhalt  der  evangelienpericope  Luc.  7,  36 — 60. 

98,  De  S.  Laurentio,  algemein  gehalten. 

98,  De  Sancto  Laurentio,  bespricht  die  opistelperieope  II  Con 
6  — 10;  eingeleitet  wird  die  predigt  durch  Psalm  111 ,  5  (/oc 
homo  qui  miseret.  naw.);  diese  stelle,  die  btti  St  als  pencope  angefSl 
wird,  ist  entnommen  den  gebeten  „in  H  Vesp,"  dieses  tages  (s. 
Bom.  pars  asst.  518). 

Auf  101  begint  mit  den  einem  vers  der  „Lectio  I"  dieaes  I 
entlehnten  werten  Ave  E  isla  que  asccndit  per  desertü  i 
digt  auf  Assumptio  Beat»  Mariai  V.     Die  tagespericopen  sind; 
24,  11  — 2ü  (EE,  CH,  Mr  124\  MR)  und  Luc  10,  38—42  (EE,  i 
Cth,  Eg,  Mr  125',  Erg  123",  Er  191'.  Mr).» 

104,  Assumptionis  Maria  =  Z.  f.  d.a.  1,  290,  algemein  g 

106  =  Z.  f  d.  A.  1 ,  290 ,    eine   predigt  auf  Nativitaa  B.  1 
Virg.:    Hiute  ist  uns  chonien.    min  uH  lieben!   der  uU  )icilige  t 
dem  gebor»  Kart   div  aller  hereste  maget.     Sie  erlaubt  wie  104  I 
deutung  anf  zugrundeliegende  pericopen. 

Mit  den  wort«n  Hec  prediees  in  quocOq:  feato  beute  Marie  « 
hebt  (s.  108)  ein»  neue  Marienpredigt  an  und  war,  wie  die  eben  i 
fahrte  stelle  beaa^,  {Qi  jedes  Marienfest  anwendbar. 

1)  S.  Bre»,  Rom.  pnrs  icat,  529;  =■  Ciint3,  H  and  so  bei  St  0 
S)  DamboD  wtfrdon  gcIeBon:  EeoU,  3B.  9—34  (Cth).    Kccii.  I 
EwU.  24,  S3— 31  (Ca).    EccU  7,  30—8,  4  (Ca);  Luc.  tl,  37- 


▲LTDBÜT8CHB  PEBIKOPBN.   Ul  85 

110^  ExcUtationis  Crucis,  über  Joan.  3,  1  — 16.  Auch  Ch,  Cth, 
Eg  u.  SL*  lesen  diese  pericopen,  während  MR  Joan.  12,  31  —  36  vor- 
schreibt Der  predigt  folgen  auf  s.  116  zwei  predigteingänge ;  ersterer 
begint  mit  Hec  dicas  in  inuentione  sce  crucis ^  lezterer  mit  Hec  dicas 
in  exaltatione.  Man  kann  diese  exordien  nur  so  verstehen,  dass  die 
predigt  an  beiden  tagen  gehalten  werden  konte  und  im  gebrauchsfalle 
nur  der  eingang,  welcher  bezug  auf  das  fest  nimt,  entsprechend  gewählt 
werden  muste.  Eine  solche  Verwendung  der  predigt  far  beide  festtage 
war  um  so  leichter,  als  die  evangelienpericope  der  beiden  tage  die 
gleiche  war.  Schon  Beda  hat  für  kreuzerhöhung  und  kreuzerfindung 
nur  eine  predigt.  In  der  ausgäbe  seiner  homilien  (a.  a.  o.  136)  wird 
„In  feste  exaltationis  sanctae  Crucis'^  nur  einfach  bemerkt:  „Homiliam 
ejusdem  require  in  feste  Inventionis  sanctse  Crucis.*^ 

119,  Mathei  behandelt  wie  die  ihr  voraugehende  116,  Mathei 
die  evangelienpericope  Matth.  9,  9  —  13;  sie  fehlt  bei  St. 

120  und  126,  Michaelis  erlauben  keine  deutung  auf  bestimte 
pericopen. 

127,  Omnium  Sanctomm  bespricht  wie  157,  De  omnibus  Sanctis 
Matth.  5,  1  — 12:  Man  list  Mute  in  dem  heil,  etmangelio!  wer  die  sin, 
ufi  wie  saelic  die  sin.  die  daran  denchent  usw.  •  St.  hat  erstere  nach 
den  eingangsworten  Venite  benedicti  patris  mei  usw.  irrig  mit  „Matth. 
25,  34"  angeführt. 

129,  Martini  nimt  auf  die  tagespericopen  keinen  bezug. 

130  ist  eine  algemein  gehaltene  predigt  De  quolibet  Sancto  in 
Communi;  bei  St.  unter  „Sanctus  unus." 

131,  ohne  Überschrift,  beginnend  Omnis  etenim  electus  usw. 
handelt  über  Ezechiel  1 ,  10  — 14 ,  also  über  die  pericope ,  welche  die 
römische  kirche  am  Marcus-  und  am  Matthäustage  liest.  Da  in  der 
ganzen  predigt  ein  bezug  auf  die  evangelienpericope  *  nicht  genommen 
wird,  wäre  die  beantwortuug  der  frage,  an  welchem  der  beiden  tage 
die  predigt  gehalten  wurde,  keine  leichte.  Wie  jedoch  der  augenschein 
lehrt  —  die  predigt  zeigt  ganz  gleichmässige  bezugnahme  auf  alle  vier 
evangelisten  —  will  sie  sich  gar  nicht  an  einen  tag  binden,  sondern 
an  allen  vieren  verwendet  werden.  Daher  wird  auch  die  predigt  bei 
Kelle  (in  der  inhaltsangabe)  unter  „De  evangelistis,"  bei  St.  unter  „Evan- 
gelistarum"  angeführt. 

137,  De  apostolis,  über  Joan.  15,  12  — 16;  s.  oben  die  tabelle. 

1)  Z.  b.  das  „Capitulare  Evangeliorum"  bei  Thomasius  Op.  V,  495. 
^  Für  den  Marcustag  ist  Lac.  10,  1  —  9,   für  den  Matthäustag  Matth.  9 
9—18  bestirnt 

3* 


13S,  olioe  Überschrift;  aie  begint  mit  Ecce  ego  miilo  x&$  m 
oues  in  ntßdio  lupor.  und  handelt  über  Matth.  10,  16—32.  E«Ue 
hält  sie  irrig  für  eine  predigt  „De  apoBtolia;"  St.  bringt  aio  unter 
„Martyrum  omnium."  Nach  der  pericope  zu  schliassen  war  aio  jadücli 
eine  predigt  In  Natale  plurimornm  Maitjnim,  Dass  ein  antcrachipd 
in  der  answabl  der  pericopen  zwischen  lezterem  und  dem  Teste  lu  Natale 
uniua  MartyriB  (denn  so  wird  wol  das  „Martyrum  omnium"  Sts.  auf- 
zufassen sein,  da  es  ein  eigenes  martyrerfest  nicht  gab)  bestand,  kaim 
Eg  lebrea;  es  liest  „In  Natale  nnius  Martyris  aive  Confessoris"  St 
10,  26  —  32  oder  Luc.  14,  26  —  35;  „In  Natale  plurimorum  Uai 
rum"  Matth.  10,  16  — 21i.  Matth,  19,  3  —  U.  Marc.  13,  1  — 
Luc.  12,  1  —  8.  Joan.  16,  20  —  22.  Matth.  10,  23  —  32.  Auch 
heutige  Missale  unterscheidet  genau  zwischen  diesen  beiden  tageabezel 
nungen. 

160,  olme  Sherschrifl,  bestirnt  b&  ihr  groezen  hochsiit  dirre  | 
chirchunhe  gehalten  zu  werden;  sie  geht  ans  von  Gen,  28,  17  '  (Till 
InttB  ti  locus  isie  usw.),  doch  ist  diese  stelle  keine  pericope;  auf 
evangelium  (Luc.  19,  I  — 10)  wird  s.  Iö5  bezug  genommen.     Auch 

365  ist  eine  predigt  In  Ännlversario  Dedicationis  Euclesiae; 
bespricht  lÜ  Reg.  8,  29;'  9,  3  und  die  evangelienpericope  LoOk 
1  — 10  (. .  Als  der  gSte  zacheus  tet.  uon  dem  ynan  hiute  list  m  A 
heil,  euuanglto). 

Das  nun  (auf  s.  IGö)  folgende  lateinische  atück  ist  abgesehen  ^ 
einigen   auslassnngen    wSrtlicIi    der    predigt    des   Honorius    von   Autun 
„In   dedicacione  Eeclesiae"  entnommen.    (Spec.  Eccles.  259' fg.;   s,  Kolle 
vorrede  VII). 

Auf  167  begint  mit  den  werten  IJenite  ßlü.  auditn  me  Umorem 
dni  docebo  uos  eine  predigt,  die  stellenweise  wort  fflr  wort  aoa  ilen 
„Sermo  de  Seiagesima"  des  Honorina  (Spec.  Eccles.  52')  Dbersezt  i^ 
s.  Pfeiffer  Z.  f.  d.  a.  1,  284  und  Eelle  vorrede  VII  Die  predigt  sofali^ 
s.  1 7 1  mit  so  mugel  ir  ttesfcr  bae  die  sovzie  des  paradt^i^.  nach  <ftnwl 
libe  bcsiezen.  Amen.,  uinfasst  also  alle  die  ansprachen  an  einzeli« 
stände  (cwartffn,  rihiarc,  rieht:,  armen,  rilcrc,  chS/tutc,  btdutr.  ...).* 
die  man  nach  der  Inhaltsangabe  Keiles  (s.  283)  und  nach  der  bcatOI* 
kung  Sts.  8.  227  für  selbständige  predigten  halten  köute- 

1)  So  anch  angeniirt  bei  St. 

Ä)  Dnter  dioBeoi  citat  bai  St.  —     In  Cth  komt  nobcn  Äimc 
1  Cor.  3.  8  —  1.^  nacli  III  Bcg.  8,  22  f^.  ab  opiatel  var. 

3)  Boi  UonariuB:  Ad  »actrdolf*  {SS*).    A'i  iudiixi  (^^),  Ad 
Ad  jum^e»  (W-),  Ad  Müitra  (54'|.  Aä  mweaUjTf»  (55''),  Aä 
«niiiluU}»  (67'").  Ad  eomvmnem  papuhtm  (57''). 


ALTDBÜT80HS  PBBIKOFEN.  m  37 

Alle  übrigen  predigten  s.  171  — 186  sind  nicht  auf  bestirnte  tage 
beschränkt,  sondern  konten  ad  libitam  verwendet  werden;  ich  gehe 
daher  nicht  weiter  auf  sie  ein. 

E.  Zu  K.  Roths  Deutschen  predigten  des  XII.  und  XIII.  Jahr- 
hunderts.   (Quedlinburg  und  Leipzig  1839;  a.  u.  d.  t.  Bibliothek  der 
gesamten  deutschen  National  -  Uteratur  XI.  band  1.  teil.) 

Den  pericopen  nach  unbestimbar  sind  II,  In  natiuitate  Sancti 
lohanniSj^  XXVII  In  inuentione  s.  crvcis^  und  XXVIII,  ein  kleines 
bruchstück  einer  ünbekanten  predigt.  I — XXVII  folgen  im  algemei- 
nen der  Ordnung  des  kirchenjahrs ;  es  sind  zumeist  predigten  auf 
sonn-  und  festtage.    Angehängt  ist  der  text  zweier  pergamentstreifen: 

xxvn—xxx. 

Die  samlung  ist  dadurch  bemerkenswert,  dass  für  viele  der  tage 
zwei  predigten  vorliegen;  die  eine  behandelt  die  epistel-,  die  andere 
die  evangelienpericope.  So  für  Dominica  V  post  Epiphaniam  N.  VI 
(über  Col.  3,  12—17),  VII  (über  Matth.  11,  25  —  30);  für  Dom.  in 
in  Quadrag.  XII  (Ephes.  5,  1  —  9),  XIII  (Luc.  11,  14  —  28);  fQr 
Dom.  IV  in  Quadrag.  XIV  (Gal.  4,  22  —  31),  XF  (loan.  6,  1  —  15); 
für  Dominica  in  palmis  XVIII  (Hiil.  2,  5  —  11),    XIX  (Matth.  21, 

I  —  9);  für  In  die  sanäo  pasce  XXI  (I  Cor.  5,  7  —  8),  XXII  (Marc. 
16,  1—7);  für  Dom.  I  post  Pascha  XXIII  (1  loan.  5,  4-10),  XXIV 
(loan.  20,  19  —  31);  für  Dies  Rogationum  XXV  (=  Mones  anz.  V,  456, 
über  Jac.  5,  16  —  20),  XXVI  (=  Mones  anz.  V,  456,  über  Luc.  11, 
5  — 13);  ja  für  Dom.  in  Septuagesima  sind  sogar  drei  predigten  vor- 
handen: IX  (=  Fundgr.  I,  86,  von  Psalm  136,  1  ausgehend,  s.  oben 
8.  28  zu  Fundgr.  I,  86),  X  (I  Cor.  9,  24—10,  5)  und  XI  (Matth.  20, 
1—16). 

Auch  für  den  passionssontag  sind  nach  Boths  angäbe  zwei  pre- 
digten bestimt:  XVI  über  Joan.  8,  46  —  59  und  XVII  (überschrieben 
liem)  über  Rom.  6,  3 — 11.*  Da  jedoch  in  keinem  der  lectionarien 
die  Bömerstelle  gelesen,  sondern  vielmehr  übereinstimmend  Hebr.   9, 

II  — 15  vorgeschrieben  wird,  dagegen  Rom.  6,  3  —  11  epistelperi- 
cope  der  Dom.  VI  post  (Oct.)  Pent.  ist,  so  setze  ich  predigt  XVII  auch 

1)  Über  die  werte  des  eingangs  üiUde  konorandus  est  heattis  io?Mnnes  usw. 
8.  8.  31  za  Kelle  32. 

2)  Die  eingangsworte  der  predigt:    Hoc  Signum  crucis  erit  in   celo,   dum 
ad  iudicandum  uenerit  sind  einem  Besponsorium   „In  primo  Noctumo" 

tages  entnommen;  s.  Brev.  Born,  pars  vem.  480. 
8)  der  guüte  s.  Pauhts,   der  chundet  uns  hiut  aine  fr  Gliche  botscaft    Er 
tgrid^,  da»  wir  sculen  wieen,  daz  unser  aller  mennisch  gecrucet  sie  usw. 


88  8TBJ8KAL 

für  diesen  tag  an.  Eine  kleine  stütze  meiner  Vermutung  sehe  ich 
darin,  dass  bei  Roths  anordnung  gerade  nur  an  diesem  sontage  die 
epistijlpredigt  der  evangelicnpredigt  nachgestelt  wäre,  während  sonst 
überall  das  umgekehrte  der  fall  ist;  man  vgl.  die  abfolge  der  predig- 
ten VI,  VII;  X,  XI;  XII,  Xül;  XIV,  XV;  XVIII,  XIX;  XXI,  XXII; 
XXIII,  XXIV;  XXV,  XXVI. 

III  auf  Dom.  infra  Nat.  Dom. ,  über  Luc.  2 ,  33  —  40  ist  bei  St 
wol  infolge  eines  Versehens  unter  „GaL  4,  1  fgg."  geraten. 

XXV.    XXVI  (In  dies  Rogationum)   sind   bei   St.   irrig   unter 
„Dom.  V  post  Pascha"  gestclt;  s.  s.  33  zu  Kelle  70. 

XXIX  =  Mones  Auz.  V,  457  ist  das  fragment  einer  predigt 
über  Matth.  22,  1—14.  Da  diese  pericope  nach  dem  heutigen  ME 
am  19.  sontagnach  pfingsten  gelesen  wird^  sezte  sie  Roth  s.  18  auch  fftr 
diesen  tag  an.  Ich  glaube  jedoch  nicht  mit  recht.  Denn  da  der  pre- 
digt VII  (Dom.  V  post  Epiphaniam)  Matth.  11,  25  —  30,  also  dieselbe 
pericope  wie  sie  EE  hat,  zugrunde  gelegt  ist,  während  MR,  Erg,  Er 
Matth.  13,  24-30  lesen;  da  ferner  XIX  (Dom.  in  Palmis)  deutlich 
auf  die  pericope  Matth.  21,  1 — 9  hinweist  und  auch  hier  mit  EE  über- 
einstimt,  während  Mr  (der  vierte  repräsentant  der  römischen  Missalien) 
Matth.  27,  62  —  66  vorschreibt:  so  durfte  auch  für  XXIX  nicht  die 
Ordnung  der  römisclien  Missalien,  sondern  die  EE  zugrunde  liegende 
anzunehmen,  daher  die  predigt  über  Matth.  22,  1  — 14  nicht  auf  den 
19.,  sondern  auf  den  20.  sontag  nach  pfingsten  zu  setzen  sein.  St 
führt  sie  unter  „Dom.  XXI"  an. 

F.  Zu  W.  Wackernagols  Altdeutschen  Predigten  (Basel  1876). 

Unberücksichtigt  blieben  VI  Scrmo  cotidianvs  ad  popvlvm,  VII 
Senno  cotidianus  nd populuMy  XVII  „Nach  der  gesamtbeichte**  und 
XLI-^LXVIL 

I  ist  ein  algemein  gehaltener  Sermo  de  angelis,  der  auf  tages- 
pericopen  keinen  bezug  nimt.  Da  aber  in  demselben  besonders  der 
heil.  Michael  gefeiert  wird  und  es  auch  am  Schlüsse  heisst:  Nv  beve- 
lent  weh  in  diseme  vnstatin  site  in  die  hvote  vnde  die  biscirmunge, 
sancte  mieheJs,  vmJe  sinir  ginose  der  hdligon  efigilon  usw.,  80  mag 
diese  predigt  vornehmlich  am  tage  des  heil.  Michael  (29.  sept)  gehal- 
ten worden  sein.    St.  stelt  sie  imter  „Angelorum  in  die." 

II  Senno  de.  Ascaisione.  domiui,  IV  Sermo  In  Octava  damini, 
XI  Sermo  in  dcdic^itione  ecdesie,^    XIII  Sermo  in  fcsto  sandi  fHicha- 

1)  St.  führt  sie  mit  dorn  citatc  Psabn  86,  1  an,  doch  werden  in  glelchei 
weise  noch  14  andere  bibolstellen  im  contcxte  citiert  und  besprochen. 


ALTDBUT8CHB  PBBIKOPEN.   HI  89 

hdis,  XVI  „Am  tage  S.  Johannes  des  Evangelisten,''  XXIII  De  S. 
Cruce,  XXIV  „Am  tage  Marien  himmelfahrt,"  XXVII  „An  der  heil. 
Apostel  Tage,"  XXVIII  De  martiribus,  XXIX  „An  der  heil.  Beken- 
ner  Tage,"  XXXI  „An  der  Kirchweibe,"  XXXIII  ain  ander  red 
von  unser  frofoen  und  XXXV  „Am  Tage  aller  Heiligen"  ^  lassen  eine 
deutong  auf  bestirnte  pericopen  nicht  zu;  keinesfals  werden  in  ihnen 
die  von  der  kirche  vorgeschriebenen  pericopen  besprochen. 

m  Sermo  in  ncUiuücUe  domini  behandelt  Tit.  3,  4 — 7  (auf  diese 
stelle  wird  ausdrücklich  hingewiesen  z.  44 :  Von  ire  (Maria)  chom  vns 
div  genade  die  wir  hivte  lesen  ander  leceen.  Aparuit.  b,  Vns  ist  erseht- 
nin  der  gvote  unUe  usw.),  nimt  somit  bezug  auf  die  epistelpericope  der 
2.  messe  des  weihnachtstages. 

IX  Bern  sermo  de  sancta  Maria  ist  bei  St  unter  „Maria"  ge- 
stelt ;  die  predigt  ist  jedoch  nach  der  zugrunde  liegenden  epistelpericope 
Eccli.  24,  11  —  20  zu  schliessen  auf  das  fest  Assumptionis  zu  setzen; 
sie  begint  mit  den  werten  Ah  inido  et  ante  secuta  creata  svm  usw. 
(Eccli.  24  y  14).  Zudem  heisst  es  ausdrucklich  in  der  Überschrift  ^Item 
sertno^  und  geht  als  VIII  voran  ein  Sermo  in  assumptione  sancte 
Marie. 

Xn  Sermo  de  pascha.  St.  sezt  nach  den  anfangsworteu  Ihesus 
Christus  tradttus  est  propter  ddicta  nostra  usw.  der  predigtangabe  das 
citat  „Som.  4,  25" '  bei.  Doch  abgesehen  davon ,  dass  die  predigten  in 
Wackemagels  samlung  häufig  genug  mit  einem  bibelverse  oder  einer 
stelle  aus  einem  kirchenvater  beginnen,  deren  bezug  zur  predigt  ein 
nur  ganz  loser  ist ,  weist  die  predigt  ausdrücklich  auf  die  tagespericope 
hin ,  wenn  sie  z.  42  sagt :  Wie  ahir  unsir  herre  irstvonde  aide  wenne 
dasf  uindein  wir  an  dem  heüigin  evangelio  dast  man  gestir  las.  daa 
schrihit  sante  mcUheus.  ^  vnde  andeme  daa  man  hivte  list  dae  schribit 
sante  Marcus  usw.  (16,  1  —  7). 

XIV  „Am  achten  tage  nach  Weihnacht.  Tit.  3 ,  4  fgg."  Es  ist 
mir  nicht  erklärlich,  mit  welchem  rechte  Wackernagel  die  predigt  mit 
Tii  3 ,  4  fgg.  überschreiben  konte ,  denn  die  ihr  zugrundeliegende  peri- 
cope  scheint  Tii  2,  11  —  15  zu  sein;  auch  wird  Tit.  3,  4  fgg.  in  kei- 
nem der  mir  bekanten  lectionarien  oder  missalien  als  pericope  für  Oct. 
Nat  Dom.  (=  In  circumcisione  Dom.)  erwähnt.  Ebensowenig  will  es 
mir  einleuchten,  warum  Wackernagel  die  stücke  XIV.  XV.  XVI 
(„drei  auch  am  äussersten  rande  beschnittene  querstreifen  zweier  zusam- 
oienhangender  pergamentblätter ; "  s.  255)   in  dieser  und  nicht  in  der 

1)  Bei  St.  nach  den  eingangsworten  mit  „Eccli.  3,  5"  angeführt. 

2)  Epistelpericope  des  tages  ist  I  Cor.  5,  7 — 8. 

3)  28,  1—7. 


40 

reihenfolge  des  hirchenjahres  abdmchte  (welche  doch  gewiss  aach  die 
der  jiredigttiii  war);  ihr  zufolge  müste  XVI  „Am  tage  S.  Johannes 
des  Evangelisten"  vor  XIV  und  XV  „Am  tage  Epiphauiffi"  gestoU 
werden. 

XIX  „Am  dreizehnten  sontage  nach  pfingsteii"  =  LB  31Ö  bei 
8t.  unter  „Dom-  XIV." 

A'X  Vommica  XIIIl  =  LB  321  bei  St.  unter  „Dom.  XV." 

XXII  ist,  wie  St.  mit  recht  bemerkt  (s.  s.  217),  nicht  eine  pre- 
digt „An  S.  Bamabas  Tage,"  sondern  fiir  Philipp  und  Jacob  (1.  mai) 
bestirnt. 

XXVI  bezeichnet  Wackeraagel  unbegreiflicher  weise  mit  „Am 
fiinfteu  sontage  nach  östern'i'  Jac.  1,  22."  Die  predigt  enthalt  jedoch 
nicht  nnr  keinen  hiuweis  auf  die  eitierte  stelle,  sondern  bespricht 
geradezu  den  inhalt  von  Matth.  It*.  1  — 10.  Es  ist  daher  die  predigt 
nicht  auf  den  6.  sontag  nach  ostern,  sondern  auf  das  fest  des  lieil. 
Michael  (:J9.  sept.)  im  setzen,  St.  halt  (s.  217)  die  predigt,  indem  er 
in  den  eingangsworten  laudis  honorificabit  me  usw.  eine  anspielung 
auf  Matth.  9,  13  erblickt,  fOr  eine  predigt  auf  den  Mattbänstag 
(21.  Sept.). 

XXXTIl  ain  ander  red  von  unser  frowcn  ist  hei  St.  unter 
„Maria"  augeführt.  Nach  der  öberschrift  kflnte  man  vermuten,  diiss 
die  predigt  auf  Assumptio  gebßrt  (denn  ihr  geht  als  XXXIl  ein  sermo 
von  der  rff'art  Ü7iKcr  frovioen  voran),  allein  der  inhalt  derselben  nimt 
auf  dieses  fest  durchaus  keinen  bezug.  Die  predigt  geht  von  der  erklä- 
rung  des  wertes  Maria  als  mersterne  aus:  Maria  dai  sprichst  ain  mer 
gterne  Siv  hauet  da  von  mersterne.  Dax  ir  iren  haiUgen  »amen  süU 
an  sehfm.  Wan  alt  sieh  div  seheff  div  vf  dem  mer  varend.  nach  dem 
stemc  rihtent  vntt  daz  si  vss  den  fraisen  choment.  Dieselbe  deutnng 
begegnet  bei  Leyser  102:  maria  das  spricht  sv  latine  maris  Stella,  tv 
dvle  tin  meresieme.  Sie  heimü  tcol  ein  meresterne.  wane  ni  leitet  vna 
Vi  dem  mere  dirre  werlde  tv  dem  lande  des  ewigen  lihea.  als  der  mere- 
sterne die  schifman  vt  dem  mere;  und  bei  Kelle  108:  Maria,  dm  oMU. 
Maris  stclla.  Dax  wort  Maria  spricltet  rehtc.  ein  mersterne,  die  OM 
dem  mere  uarent.  die  möszen  sich  rihten  nach  dem  tnerestcmen.  die 
uon  himelc  seine«*,  daj  si  nach  irc  marcke  xestade  chomcti  mngen 
also  m&Mten  alle  die  t&n.  die  eedem  himelriche.  un  z6  dem  stadc.  der 
ewigen  urÖde  chomen  wellent  usw.  Beide  stellen  gehen  offenbar  auf 
eine  gemeinsame  ältere  quelle  zurück.  Vgl.  mit  dieser  erkiürungs weise 
dos  namens  Kourads  gold.  äcbmiedc  \*3i  fgg.  bl  ditiein  tiamnt  ist  das 
mer  bescheidentich  uns  worden,  got  sprach  von  sinem  orden  und  imeh 
von  sinem  bilde,   das  elliu  waeeer  wilde  xetn  ander  sottnt  gähen  und 


ALTDBUT8CHB  PBBIKOPEN.   lU  41 

eine  stat  bevähen,  da  man  si  sament  stehe,  und  swenne  dae  gescfuehe, 
dag  si  gein  ander  quaemen  da,  so  hiejse  man  si  maria.  waz  mac  das 
nA  se  ditUe  sin?  niht  anders  wan  der  name  din,  Maria,  keiserliche 
fruht. 

XXXVI  Dominica  V  secundum  Lmam  (über  Luc.  5,  1  —  ll)i 
bei  St.  unter  „Dom.  VI." 

XXXVn  Dominica  VII  secundum  Marcum  (8 ,  1  —  9) ,  bei  St. 
unter  „Dom.  Vin." 

•      XXXVIII  Dominica  XI  secundum  Lucam  (18,  9  —  14),  bei  St 
unter  „Dom.  XII." 

XXXIX  Dominica  XIII  secundum  Lucam  (10,  23 — 37),  bei 
St.  unter  „Dom.  XIV." 

XL  Dominica  XXII  secundum  Marcum  (recte  Matthaeum  18, 
23  —  35),  bei  St.  unter  „Dom.  XXIII." 

In  den  lezt  angeführten  fünf  predigten  sehen  wir,  was  die  peri- 
copenauswahl  betrift,  ein  abweichen  von  der  reihenfolge  der  pericopen 
in  den  römischen  Missalien  und  engen  anschluss  an  das  EE  zugrunde- 
liegende Lectionar.    Wir  werden  daher  auch  nicht  fehlgreifen ,  wenn  wir 

LXIX  über  Joan.  4 ,  46  —  53  ^  nicht  wie  Wackemagel  es  getan, 
fBr  den  „zwanzigsten  sontag  nach  pfingsten,"  sondern  für  Dom.  XXI 
post  (Oct.)  Pent  und 

LXX  über  Luc.  17,  11  —  19  nicht  mit  Wackernagel  für  den 
„dreizehnten  sontag  nach  pfingsten ,"  sondern  für  Dom.  XIV  post  (Oct.) 
Peni  ansetzen.    Ja  auch 

LXVin  über  Luc.  21 ,  25—33*  wird  nicht  auf  den  „ersten," 
sondern  auf  den  zweiten  sontag  im  advent  zu  verlegen  seiu. 

LXXI  „Am  ersten  sontage  nach  ostem"  über  I  Joan.  5,  4  —  10 
weist  widerholt  auf  den  text  der  epistelpericope  hin;  s.  Z.  7,  23,  30. 

LXXII  enthält  eine  predigt  auf  Feria  VI  post  Oct.  Pent.  über 
I  Tim.  6,  17  fgg.;  dieselbe  epistelpericope  auch  im  Lect.  Missse  bei 
Thomasius  Op.  V,  344. 

Auf  8.  522  —  541  sind  endlich  noch  drei  predigten  (aus  der 
S.  Georger  handschrift)  abgedruckt,  deren  erste  und  lezte  hier  erwähnt 

1)  Quia  heri  hora  septima  reliquit  eum  fdms.  Disiu  wort  ^[Mrichet  der 
genUmt  Johannes  etcangdista  in  dem  Ewangelio  das  man  hiut  ze  dem  heiligen  ampt 
der  Wiesse  gelesen  hat. 

2)  Erunt  signa  in  sole  et  luna  et  stdlis,  Disiu  voort  diu  schribt  der  heilig 
ewangdist  sanctus  Lucas  in  dem  ewangelio  das  wir  hiut  gelesen  hcin  zuo  dem  hei» 
Ugen  ampt  der  mesz. 


42  8TEJ8KAL 

ZU  werden  verdienen  (die  zweite  ist  eine  predigt  „Bei  einsegnung  einer 
nonne").  In  der  ersten  (s.  522)  liegt  eine  predigt  auf  Nat.  S.  Stephani 
vor  (sie  behandelt  Act.  Apost.  6,  8 — 10;  7,  54  —  59);  die  dritte 
(s.  539)  ist,  wenigstens  nach  der  besprochenen  pericope  Joan.  15,  1  fgg. 
zu  schliessen ,  eine  predigt  auf  „eins  zwelf  poten  tag.'^  (s.  s.  22  anm.  6.) 

Die  lezterwähnten  predigten  sowie  LXVIII  — LXXII  fehlen  in 
Sts.  Verzeichnis. 

G^.  Zu  Steinmeyers  recension  von  Wackernagels  Altdeut- 
schen  Fredigten    (Anzeiger   für   deutsches    altertum   und  deutsche 

litteratur  II ,  215  fgg.) 

Steinmeyer  hat  bei  gelegenheit  dieser  seiner  treflichen  recension 
auch  seinerseits  „einige  scherflein  zur  näheren  kentnis  des  altdeutschen 
predigtmaterials''  beigesteuert  und  s.  221  fgg.  sechs  bisher  ungedruckte 
predigten  veröffentlicht. 

221  Alius  de  omnibus  sanctis.  Die  predigt  ist  im  Verzeichnis 
nach  den  eingangsworten  Nos  omnes  de  plenitudine  eius  accepimus  mit 
„Joh.  1,  16^  angefahrt  Die  stelle  ist  jedoch  nicht  der  evangelienperi- 
cope  des  tages  entnommen,  da  diese,  wie  schon  s.  35  zu  Kelle  127 
bemerkt  worden,  Matth.  5,  1  — 12  ist. 

223  Sermo  de  aduentu  domini  s.  30  zu  Kelle  20. 

224  „neunter  sontag  nach  pfingsten^  über  Matth.  7,  15  —  21.  Ich 
widerhole  hier,  was  bereits  s.  25  anm.  4  gesagt  ist,  dass  St.  gegen  die 
gewöhnliche  zählweise  die  sontage  nach  pfingsten  nicht  von  der  octav, 
sondern  vom  pfingstsontag  an  rechnete;  daher  muss  er  hier  „neunter 
sontag^  schreiben,  während  die  handschrift  erst  die  darauf  folgende 
predigt  (s.  225)  mit  den  werten  Der  nuynte  sondag  seeundum  matheum 
(recte  Lucam  16,  1 — 9)  bezeichnet. 

225  „zwölfter  sontag  nach  pfingsten",  richtig  Dom.  XI  post  (Oct.) 
Pent.  über  Luc.  8,  9  —  14. 

226  „dreizehnter  sontag  nach  pfingsten",  richtig  Dom.  XII  post. 
(Oct.)  Pent.  über  Marc.  7,  31  —  37. 

H.  Zu  F.  K.  Grieshabers  Deutschen  predigten  des  XIII.  Jahr- 
hunderts (Stuttgart  1844.  1846). 

Den  pericopen  nach  unbestimbar  bleiben  die  predigten  I,  29 
„Dominica  VI  post  Pascha?"  ^  /,  82  „Dominica  IX  post  Pentecosten,"« 

1)  Bei  St.  unter  dem  citate  „Joh.  15,  7?"  angeföhrt. 

2)  Bei  St.  unter  Dom.  XI  mit  der  perioopenangabe  „Luc.  19,  41  fgg^ 


ALTDEUTSCHE    PERIKOPEN.   HI  43 

/,  155  Dom.  I  in  Adventu  Domini  ^  und  I,  160  Dom.  UI  in  Adventu 
Domini.  * 

/,  37  Dom.  prima  post  Fentecosten  —  I,  79  Dom,  VIII  post 
Pentecosten  sind  bei  St.  unter  Dom.  II  —  IX ;  I,  62  „Dominica  IX  post 
Pentecosten"  —  I,  148  Doyninica  XXII  post  Pentecosten  unter  Dom. 
Xn  —  XXIV  xmd  ly  148  „Dominica  XXIV  post  Pentecosten"  unter 
„Dom.  XXV"  gestelt.3 

n,  66  In  Capite  leiunii  et  per  totam  Quadragesimam  quando- 
cunque  volueris  geht  zwar  von  Jac.  5,  16  aus  und  wird  auch  von  St. 
mit  diesem  citate  angeführt,  doch  ist  die  stelle  nicht  einer  der  tages- 
pericopen  entnommen,  da  diese  in  allen  lectionen  übereinstimmend 
Joel  2,  12  —  19  und  Matth.  6,  16  —  21  sind.  Dass  Jac.  5,  16  auch 
als  solche  nicht  gelten  wolte,  dafür  spricht  der  umstand,  dass  während 
sonst  ausdrücklich  die  eingangsstelle  als  der  tagespericope  entnommen 
bezeichnet  wird,  hier  nur  einfach  gesagt  ist:  Ich  Jian  ain  wort  für 
gdait  in  der  latine.  de  scrtbet  uns  der  gute  S.  Jacob,  un  an  dem  Worte 
Ureter  uns  de  usw. 

IT,  74  Iste  Sermo  ,^Convertimini^  etiam  est  communis  quando- 
runque  volueris  ist  eine  predigt  über  die  epistelpericope  des  Caput 
Jeiunii  (Joel  2,  12  —  19). 

Wenn  man  nun  die  abfolge  der  pericopen  in  Grieshabers  sam- 
lung  mit  den  in  den  alten  lectionarien  vorliegenden  vergleicht ,  bemerkt 
man  bald,  dass  die  predigten  auf  Dow?.  ^>nma  und  Dominica  IV — 
Vm  post  Pentecosten  in  ihrer  pericopenauswahl  mit  der  in  EE,  CH 
usw.  gegen  Erg  und  MR  stimmen,  von  Dominica  X — XXIV  post 
Pentecosten  aber  das  umgekehrte  Verhältnis  eintritt  und  anschluss  an 
Erg  und  MR  gegen  EE ,  CH  usw.  erfolgt  (s.  oben  s.  18  fgg.  die  tabelle). 
Es  ist  diese  erscheinung  gewiss  keine  zufallige,  sondern  steht  ohne 
zweifei  damit  in  Verbindung,  dass  mit  fol.  73',  auf  dem  Dominica  X 
begint,  eine  neue  band  zu  schreiben  anfängt;  s.  Grieshaber  I  vorwort 
XVII.  XVin.  Da  die  samlung  ferner  in  den  pericopen  auf  Dom.  IV 
in  Ädvefitu  Domini  mit  der  auswahl  in  EE,  CH,  Cth,  Eg,  Mr  gegen 
Erg,  Er,  MR;  auf  Dmninica  V  post  Einphaniam  Domini  mit  Eg,  Erg, 
Er,  MR  gegen  EE,  CH,  Cth;   auf  Dominica  II  in  Quadragesima  mit 


1)  Bei  St.  nach  den  eingangsworton  Emitte  manum  tuam  de  alto  mit  „Ps. 
143,  7"  angeführt. 

2)  Bei  St.  ohne  angäbe. 

3)  Ich  halte  das  I,  83  abgedruckte  stück  über  Marc.  8,  22—26  nicht  für  das 
fragment  einer  selbständigen  predigt  (s.  St.  227)  —  denn  die  behandelte  bibelstelle 
ist  keine  pericope  —  sondern  für  die  fortsotzung  und  den  schluss  der  unmittelbar 
voraDgehenden  predigt  auf  „Dominica  IX  post  Pentecosten." 


44  StBJSKAL 

EE,  CH,  etil,  Eg,  Mr,  Erg  gegen  Er  und  MR  üliereinBÜnit,  ilieso 
fibereinstinimung  oder  nicht -ilbereiustimmuDg  aber  gleichfsls  das  reüul- 
tat  eines  ans  jedoch  unbekanten  äusseren  unistaudes  sein  kaoa,  so 
sehen  wir  dentlicli,  dass  es  oft  grossen  Schwierigkeiten  unterliegt,  das 
einer  predigtsamlung  zugmudeliegende  lectionar  oder  missale  zu  ent- 
decken und  die  ditlcese  m  bestimmen,  in  der  die  predigten  gehalten 
wurden. 


I.   Zu  H.  Leysers  Deutschen  predigten  des  XIII.  und  XIV.  jh. 

(Qoedlinbui^  und   Leipzig   l(t38,    a.  u.  d.  t.  Bibliothek  der  gesamten 

deutschen  national  -  literatur  XI.  band.  2.  teil.) 

Lejrsers  predigtsamluug  besteht  aus  2  teilen.  Der  erste  (s.  I  — 
23)  iat  loa  nenn  predigten  (predigten  des  XUI.  Jahrhunderts)  gebildet, 
die  der  pergamenths.  720  der  Leipziger  Universitätsbibliothek  entnom- 
men sind;  der  zweite  (s.  2-i  — 136)  ist  eine  „auslese  ans  einer  samluug 
von  mehr  als  anderthalbhundert  sonn-  und  festtäglichen  und  auf  beson- 
dere heilige  bezüglichen  predigten,  welche  die  pergamenths.  u.  760,  4" 
auf  der  unirersiUtsbibliotbek  zu  Leipzig  enthält.  Die  handschrift  zählt 
203  blatter  von  je  zwei  colomnen  und  kanu  gegen  die  mitte  des  vier- 
zehnten Jahrhunderts  geschrieben  sein  . . .  Der  grössere  teil  der  hand- 
schrifl  besteht  aus  langem,  oft  mit  einem  eingimge  versehenen ,  der 
kleinere  bis  zum  ende  aus  kürzeren  predigt«n.  deneu  einigemal  ein 
lateiuisolier  Originaltext  vorangeht;"  s.  Lcyser  Vorwort  und  eiuleituiig 
XXUI  fg. :  vgl.  Bieger  in  Wackernagels  Altdeutschen  predigten  und 
gebeten  s.  332  anm.  und  Scböubacb  Z    f  d.  a.  XX,  218  fgg. 

J  Dom.  I  über  hom.  13.  II  —  14 ,  ist  eine  predigt  auf  Dom.  I  Adv. 

4  Dom.  II  ober  Rom.  ir>.  4—13  auf  Dom.  U  Adv. 

7  Dom.  in  über  I  Cor.  4 ,  1  —  5  auf  Dom.  ITI  Adv. 

iO  Dom.  [V  Aber  Phil  4.4  —  7  auf  Dom.  IV  Adv. 

13  Dom,  V  über  Gal.  4 ,  1-7  auf  Dom.  infra  Oct.  Nal.  Dom. 
(bei  St.  irrig  unt*r  .Natiritos  Chriatl.") 

15  Dom.  VI  über  Born.  12,  1 — 6  auf  Dom.  infra  Oci  Spipb. 
(=  I  post.  Epiph,). 

17  Dom.  VII  Ober  Koni.  12.  6—  16  anf  Dom.  II  post  Epiph. 

19  Dom.VIII  ühvT  Itom.  12.  16  —  21  auf  Dom.  III  post.  Epiph.  und 

äl  Dom.  IX  über  Rom.  13.  8—  10  auf  Dom.  IV  post  Epiph. 

äi.  die  erste  predigt  der  iweit«u  samlung,  b^^nt  mit  deu  Wor- 
ten: Missus  est  gabrid  ad  l^iriam  virg.  Da  die^  stelle  entweder  d«r 
evangelienperieop«  des  fusUis  MkriJi  Verkündigung  (Lac.  l,  26 —M) 
oder  auch  dum  Responsorium  der  .lecüo  III  In  prim«  Noctomo*^  der 
Dom.  1  Adv.  (6.  Brev.  Rom.  pars  hieiu.  l&l)  eotiioauiieu  s&a  könnt«,. 


ALTDBUT8CBB  PBBIKOFXN.   III  45 

finden  wir  die  predigt  von  der  „etwas  späteren  band/  welche  die 
Überschriften  sämtlicher  predigten  des  zweiten  teiles  besorgte  (s.  Ley- 
ser  24  anm.)  mit  In  annundacione  becUe  marie  mrginis  seu  in  adventu 
domini  dorn.  L  überschrieben.  Erwähnenswert  scheint  es  hiebei  auch, 
dass  unsere  predigt  wesentlich  denselben  eingang  bietet  wie  jene  39  De 
adventu  domini.  Da  jedoch  erstere  in  ihrem  verlaufe  die  ganze  oben 
angeführte  pericope  bespricht  und  immer  wider  auf  Maria  bezug  nimt, 
dagegen  eines  directen  hinweises  auf  die  kommende  adventszeit  ent- 
behrt, so  kann  sie  in  Wahrheit  doch  nur  für  das  fest  Annunciationis 
B.  Mariae  Yirg.  bestirnt  gewesen  sein. 

30  Sermo  de  adam  et  de  transgressione  mandati  ist,  wie  schon 
die  eingangsworte  WiUu  rechte  bicht  tun  so  soUu  rechte  dise  worte 
merken  andeuten,  eine  predigt,  die  jeweilig  vor  einer  beichte  zu  hal- 
ten war;  vgl.  das  stück  „Nach  der  gesamtbeichte"  Wack.  XVII. 

36  De  nativitate  marie  virginis  nimt  auf  die  tagespericopen 
(Prov.  8,  22—35  und  Matth.  1,  1  —  16)  keinen  bezug;  sie  geht  aus 
von  den  dem  Responsorium  der  „lectio  I  In  primo  Nocturne"  dieses  tages 
(s.  Brev.  Rom.  pars  autumalis  298)  entnommenen  werten :  Hodie  naia 
est  heata  mrgo  maria  ex  progenie  david. 

39  De  adventu  domini,  eine  algemein  gehaltene  adventspredigt; 
bei  St.  unter  „Dom.  I  in  Aduentu."  s.  zu  24. 

46  De  nativitate  christi,  über  die  evangelienpericopo  der  „prima 
missa"  dieses  tages:  Luc.  2,1  — 14. 

61  In  die  pasche  s.  s.  27  zu  Fundgr.  I,  71. 

Die  folgenden  sechs  predigten ,  sämtlich  für  sontage  nach  pfing- 
sten  bestimt,  zeigen  in  ihrer  pericopenauswaTil  merkwürdige  divergen- 
zen  von  den  oben  s.  15  fg.  angeführten  lectionarien  und  missalien.  So 
behandelt  63  Dom,  II.  Luc.  15,  1  — 10,  eine  pericope,  die  in  sämt- 
liche lectionarien  und  missalien  an  Dom.  III  post  (Oct.)  Fent.  gelesen 
wird  (bei  St.  unter  „Dom.  IV")  und  65  Dom.  in.  die  pericope  Luc.  6, 
36  —  42 ,  die  gleichfals  übereinstimmend  für  Dom.  IV  post  (Oct.)  Fent. 
vorgeschrieben  ist  ( bei  St.  unter  „Dom.  V.").  Während  wir  ferner  in 
68  Dom.  XII.  (über  Marc.  7,  31—37;  bei  St.  unter  „Dom.  XIII.") 
anschluss  an  EE,  CH  usw.  gegen  Erg  und  MR  constatieren  müssen, 
zeigen  die  nächsten  drei  predigten  nach  dieser  richtung  hin  wider  Über- 
einstimmung mit  Erg  und  Mr  gegen  EE ,  CH  usw. ;  denn  70  Dom.  XV 
nimt  auf  Luc.  7,  11  —  16  bezug  (bei  St.  unter  „Dom.  XVII"),  72  Dom. 
XIX  auf  Matth.  22 ,  1  —  14  (bei  St.  unter  „Dom.  XXI")  und  75  Dam. 
XXI  auf  Matth.  18,  23— .35  (bei  St.  unter  „Dom.  XXIII"). 

77  De  sancto  iohanne  (Evangelista)  geht  aus  von  den  werten 
lohannes  aposiolus  &  ewangelista  virgo  est  dectus  a  domino  usw.,  die 


46  BTEJ8KAL 

einem  responsorium  der  „Lcctio  I  lu  primo  Nocturno*^  dieses  tages 
(27.  dec.)  entlehnt  sind  (s.  Brev.  Born,  pars  Mein.  217).  Ein  bezug 
auf  die  tagespericopen  fehlt. 

84  Kathedra  sanäi  petri.  Die  römische  kirche  unterscheidet  eine 
Cathedra  Komana  (18.  jan.)  und  eine  Cathedra  Antiochena  S.  Petri 
(22.  febr.);  s.  Binterim  a.  a.  o.  5,  1,  329.  Die  pericopen  sind  filr  beide 
tage  dieselben:  I  Petr.  1,  1 — 7  und  Matth.  16,  13  — 19.  Unsere  pre- 
digt bezieht  sich  auf  das  fest  der  Cathedra  Antiochena,  denn  sie  sagt 
ausdrücklich:  sente  Peter  Sdzie  sincn  stul  zv  anfhyoche.  als  wir  hüte 
hegen  (z.  19)  und  Wir  hegen  hüte  nemeliche  den  tach  daz  er  zv  anthyoch 
bischof  gesazt  wart  (z.  36).  Sie  begint  mit  der  dem  „Vers,  und  Besp. 
ad  Landes"  dieses  tages  (s.  Brev.  Bom.  pars  hiem.  446)  entlehnten 
stelle:  Exaltent  eum  in  ccclesia  plehis  usw.  (Ps.  106,  32;  so  auch  bei 
St.  citiert)  und  bespricht  hierauf  Matth.  16,  13  — 19. 

86  De  sancto  mathia  erzählt  ausffllirlich  den  inhalt  der  fBr  die- 
sen tag  vorgeschriebenen  epistel  Act.  Apost.  1,  15  —  26.  Bei  St.  fehlt 
die  angäbe  der  pericopo. 

87  De  sancto  spin'tu  behandelt  Act.  Apost  2,  1  — 11  also  die 
epistelpericope  der  Dom.  Pent.     Bei  St.  ohne  angäbe.     Auch 

93  In  assumpcione  heate  marie  ersclieint  auffallender  weise  bei 
St.  ohne  angäbe  der  der  predigt  zugrundeliegenden  pericope;  und  doch 
wird  (95,  30)  auf  die  ovangelienpericope  (Luc.  10,  38  —  42)  ausdrück- 
lich mit  den  werten  hingewiesen:  3fan  liset  hüte  ane  den  heiligen  ewan- 
gelio.  daz  vnscr  hcrre  ihesus  crtstus  zv  einem  nude  qu>afn  in  eine  staJt 
usw.  Die  eingangsworte  Ilodie  hcata  virgo  maria  usw.  sind  der  „Anti- 
phonia  ad  Magnificat"  dieses  festes  entlohnt  (s.  Brev.  Bom.  pars  aest  537). 

98  In  fiativitat^  sie  marie  virginis,  beginnend :  Regaii  ex  pro- 
genie  Mar.  exor.  reftd.  usw.  (aus  der  3.  Antiphonio  „ad  Laudes"  dieses 
tages;  s.  Brev.  Bom.  pars  aut.  301),  nimt  auf  die  pericopen  keinen 
bezug,  desgleichen  die  predigt 

104:  In  exaltacione  sancte  cruds,  die  bei  St  nach  der  eingangs- 
stelle Cum  mundus  per  suam  sapienciam  sapienciam  dei  eomprehendere 
non  passet  mit  ,,1  Cor.  1,  21"  angeführt  wird. 

Ebenso  fehlt  ein  bezug  auf  die  tagespericopen  in  107  De  sancto 
Miehade,  110  De  omnihus  safictis,  121  De  sco^Jacoho,  124  ohne 
Überschrift. 

115  In  dedicatione  templi  bespricht  (nach  III  Beg.  7.  8)  den  bau 
und  die  einweihung  des  salomonischen  tempels,  erzählt  jedoch  auch 
den  inhalt  der  evangelienpericope  des  tages  (Luc.  19,  1 — 10):  Dm 
ewangelium  daz  man  hüte  zv  messe  liset  daz  sagt  vns.  daz  vnser  hemt 
ikes.  xps  ZV  einem  male  in  eitie  stai  vür  die  hiez  Jericho  uaw. 


ALTDBÜTBOBB  PERIKOPEK.  m       .  47 

125.  126  sind  predigten  auf  Caput  Jejunii  über  die  vorgeschrie- 
bene epistel  Joel  2,  12  —  19. 

127  s.  8.  30  zu  Kelle  20. 

128  ist  nach  der  behandelten  pericope  (Born.  15,  4  — 13)  zu 
schliessen ,  eine  predigt  auf  Dom.  II  Adv.  St.  hat  die  predigt  nach 
den  eingangsworten  Jherusalem  surge  et  sta  usw.  mit  dem  citate  „Baruch 
5,  5^  angeführt  und,  geleitet  durch  den  umstand,  dass  die  fassung  der- 
selben predigt  bei  Schönbach  Z.  f.  d.  a.  XX,  224  den  titel  Dominica 
prima  post  adventum  fahrt ,  unter  „Dom.  I  in  Aduentü"  gestelt.  Allein 
jene  Überschrift  ist  keinesfals  correct;  denn  eine  „Dominica  prima  post 
Adventum'^  müste  die  Dom.  infra  Oct.  Nat  sein,  daher  ich  denn  auch 
die  bei  Schönbach  a.  a.  o.  abgedruckte  predigt  unbedenklich  auf  den  zwei- 
ten adventssontag  ansetze. 

129  =  Z.  f.  d.  a.  XX,  229.  Der  predigt  liegt  nicht,  wie  St. 
angibt,  „I  Joh.  4,  9  ,**  sondern  Tit.  3,  4  —  7,  die  epistelpericope  der  zwei- 
ten messe  des  weihnacMstages ,  zugrunde. 

131  ist  eine  predigt  auf  Dom.  IV  Quadrag. ;  sie  geht  von  Is.  66, 
10  {Letare  therusalem  usw.,  entnommen  dem  Introitus  der  messe  dieses 
tages;  s.  Miss.  Bom.  99)  aus  und  wird  auch  von  St.  so  citiert;  auf 
die  epistel  (Gal.  4,  22—31)  wird  jedoch  hingewiesen  mit  Der  vinde 
toir  ein  büde  ander  lectien  die  inan  hüte  list.  Mane  list  von  hem 
cibrdham  usw. 

132  =  Z.  f.  d.  a.  XX,  242,  eine  predigt  auf  Dom.  Resurrectio- 
nis;  s.  s.  27  zu  Fundgr.  I,  71. 

134  halte  ich  nicht  mit  St.  für  eine  predigt  auf  Pascha,  sondern 
nach  der  zugrundeliegenden  pericope  (Rom.  6,  3  —  11)  fUr  eine  predigt 
auf  Dom.  VI  post  (Oct.)  Pent.;  vgl.  zu  Roth  XVII. 

135  Dom.  tercia  begint  mit  Obsecro  vos  tamquam  ad  ve.  et  pe. 
usw.  M.  Sente  Peter  spricht  zv  vns  an  der  lectien  die  man  hüte  list, 
geht  somit  von  der  epistelpericope  I  Petr.  2,  11  —  19  aus.  Da  diese 
aber  nur  an  der  Dom.  III  post  Pascha  gelesen  wird ,  so  ist  die  predigt 
anch  als  für  diesen  tag  bestimt  anzusehen.  St.  stelt  sie  irrig  unter 
^Dom.  IV  post  Pent." 

Ich  breche  hier  mit  meinen  bemerkungen  über  das  Verhältnis  der 
deutschen  predigten  zu  den  tagespericopen  ab.  Ich  hoffe  durch  die 
angeführten  beispiele  schon  zur  genüge  gezeigt  zu  haben,  dass  die 
deutschen  predigten  verhältnismässig  nur  selten  die  von 
der  kirche  vorgeschriebeneu  texte  unberücksichtigt  lassen, 
dass  eingangs-  und  pericopenstelle  nicht  immer  identisch 
aind  und  daher  bei  bestimmung  und  datierung  unbekanter  predigten 


vorstellt  Dot  tat,  and  dasa  die  eiugangsworte,  nofürn  aie  nie 
den  tagespericopen  seibat  entnommen  sind,  häufig  d< 
liturgischen  gebeten   des   tages   entlehnt    werden. 

WIES,  .rUNl   1881.  KARL   STBJ8KAI,. 


BEITRAG    ZUR    KENTNIS    ÄLTERER    DKUTSCUER 
VOLKSLIEDER. 

In  der  ÖfTentlichon  landesbibltothek  zu  Oldenburg  befindet  sie 
ein  saninielband  (erst  iu  neuerer  zeit  gebunden ,  mit  dem  rückeiititl 
Ludicra),  der  unter  utidereu  schriftstilcken  des  17.  Jahrhunderts  auo 
ein  lieden|Uodlibet  auf  vier  quartblüttern  enthält,  üubekant  ist  dioM 
quüdlibet  nicht;  es  findet  sieb  auch  auf  der  landesbibliothek  ta  ] 
und  ist  von  Hoffmann  von  Fallersleben  im  Weimarschen  Jahrbuch  i 
8.  126  fgg.  besprochen.  Auch  in  dem  quellenverzeichnis  des  Qri 
sehen  Wörterbuches  ist  es  angegeben  (1,  s.  LXXXVII,  wo  aber  ud 
steht:  Sieben  lächerlicbe  Geschwätz.  16.  17.  Jh.  --  Geschwätz  ist  wahr 
seheiulich  druck-  oder  scbroibfehlar  für  Geachuältz  —  und  V,  ti.  XXIQ 
Das  Oldenburger  enemplar  ist  aber  nicht  ganz  dasselbe  mit  den  vor 
btugenanten,  wie  sich  schon  aus  dem  titel  ergibt,  der  bei  ÜotTmaai 
etwas  anders  lautet.  Zur  vergleichuug  teile  icli  den  volatändigen  t 
des  Oldenburgor  exemplars  mit;  er  lautet  ao: 

Sieben  lächerlicbe  Gescbuältz 

Oder  Üikes  Gatces  Ofenloch  |  Dille  delle  HäuDle  bawuu  |  Vnd 

Newer  Grillenschwarm 

oder  Gemeuscb  |  auch  mancberley  Gebäck 

oder  Hack  vnd  Mack  durcheinander  {  wenn  ein  hungert 

vnd  durst  |  Oder  sein  ZiuB  vnd  Schulden  nit  bezahlen  kan  |  gar  Tiaicr- 

lieb  lur  die  lange  weil  zu  lesen  oder  zu  singen  |  nach  dem  der 

Wind  webet  |  vnd  die  Leute  wolauft  seya. 

0  hiudeu  hab  wol  acht  |  damits  nicht 

bricht  I  denn  es  hat  gar  offt  kracht 

(Figur,  darstellend  ein  auf  den  binterbeinen  stebeudes  rind,  den  linkeni 

vorderfuas  auf  ein  notcnhuch  legend,  das  aofgeschlagen  auf  einem  noteu* 

pulte  liegt,    im   rechten   vorderfuss   einen   stab  hiJlend,    auf  der  i 

eine  brille  tragend.) 

Üelt  jhr  Gevatter  Liendel  |  es  gicht  gewaltigen  wolV 

Ja  es  ist  war  Hans  leck  den  Löffel 

M.  D  0.  X. 


ZtTR  KSNTNIS   ALT.  VOLESLIEBSft  49 

Das  wichtigste  ist  hier  die  angäbe  des  jahres,  in  welchem  dieses 
quodlibet  erschien.  Während  es  bei  HofTmann  heisst:  „Getruckt  im 
Jahr  000000,"  und  daraus,  dass  es  andern  flugschriften,  die  alle  die 
Jahreszahl  1620  tragen,  beigebunden  ist,  der  schluss  gezogen  wird, 
dass  es  ebenfals  dem  jähre  1620  angehören  müsse,  und  während  es 
auch  bei  Hildebrand  heisst:  „Flieg.  Bl.  um  1620,"  ist  hier  ganz  bestimt 
die  Jahreszahl  1610  angegeben.  Es  hatte  also  Hoffmann  keinen  grund 
zu  der  klagenden  Verwunderung,  dass  in  einer  so  ernsten  und  trüben 
zeit  wie  1620  diese  leichtfertigen  Sachen  veröffentlicht  seien. 

Sodann  ist  das  Kasseler  exemplar  nicht  so  volständig  als  das 
Oldenburger.  Jenes  besteht  nämlich  nach  Hoffmann  nur  aus  fünf 
Oemeuschen,  während  das  Oldenburger  aus  sieben  abteiluugen  besteht, 
die  so  betitelt  sind:  Das  erste  Oeschnältz;  das  ander  seltzsame  Gickes 
gackes;  das  dritte  Gebäck;  das  vierd  Hack  und  Mack;  das  fünffte 
Gemeusch;  das  sechste  dille  delle  heußle  bawen;  der  siebende  newe 
Grillenschwarm.  Im  Kasseler  fehlt  der  erste  teil;  denn  nach  Hoffmann 
ist  der  anfang:  Das  erste  seltsame  Gickes  gackes.  Guten  Morgen, 
guten  Morgen!  wie  stehet's,  wie  stehet's;"  dagegen  begint  so  im  Oldenb. 
exemplar  das  zweite  ,,seltzsame  Gickes  gackes."  Ferner  fehlt  im  Kas- 
seler der  siebente  teil;  denn  die  mitteilungen  Hoffmanns  reichen  nur 
bis  gegen  das  ende  des  sechsten  teils.  Was  der  grund  zu  dieser  aus- 
lassung  gewesen  sein  mag,  lässt  sich  schwerlich  nachweisen.  Er  kann 
nicht  etwa  in  den  groben  unflätigkeiten  liegen,  welche  den  ersten  und 
lezten  teil  miszieren ;  denn  leider  sind  die  anderen  auch  vielfach  unsau- 
beren Inhaltes.  ^ 

Das  quodlibet  scheint  zur  ergötzung  studentischer  kreise  geschrie- 
ben (oder,  richtiger  gesagt,  aus  manchen  läppen  und  flicken  zusam- 
mengestückt) zu  sein;  denn  an  den  eingestreuten  lateinischen  brocken, 
wenn  auch  in  macaronischer  form ,  konten  doch  nur  diejenigen  behagen 
finden,  die  ein  Verständnis  des  lateinischen  besassen. 

Wegen  des  wertes  für  die  geschichte  des  deutschen  Volksliedes, 
den  diese  samlung  trotz  ihrer  zerstückten  form  hat,  mag  sie  im  fol- 
genden mitgeteilt  werden.  Der  volständigkeit  wegen  mögen  auch  die 
stocke  mit  angegeben  werden,  die  sich  bereits  bei  Hoffmann  finden. 
Die  nnflätereien  aber,  die  nicht  einmal  witzig  sind,  sondern  nichts 
weiter  als  unflätig,  lasse  ich  bei  seite.  Zwar  heisst  es:  literae  non 
erabescunty  aber  der  schreibende  schämt  sich  doch  solche  „garstige 
sftnweisen"  durch  die  feder  laufen  zu  lassen. 

I.    (S.  2.)    Das  erste  Geschnältz. 
1.    Outen  tag  Beuerlein  |  Juncker  ich  konmi  von  Pinna 

SUTSOHR.   F.   DBUT8CHE    PHlLOLOtilK.     BD.   XV.  4 


50  lCsbeh 

Trinks  gar  ans  |  ao  wird  ein  votier  Bruder  draus  |  juch  hoscljQ  hcihi 
dey  I  hundert  ist  melir  denn  drey. 

2.  Holilselig  wie  ein  Essigkrug  |  da  schriet  die  Braut  |  Ach  wi 
mir  ist  durchschossen  |  das  junge  I  Bomp,  bomp,  homp,  widi  vidi  woiiij 
dus  junge  Hertze  mein. 

3.  Wenn  er  deß  Nachts   wolt  freundlich   mit  jhr  schertzen  | 
stolpert  ihm  sein  Apffelgranes  Koß  |  vnd  hahn  ein  guten  muth  |  der  di 
hmiilert  Klftse  fraß.     Ach  leycht  mir  bimdert  gülden  |  ey  lieber  thi 
es  flugs  I  ta  la  la  la  la  diii  dum. 

4.  üaur,  was  habn   die  Sea  gölten  |  Biß  Montag  Ober  14  ti 
wUs  Gott  I  herr  wirth  ich  bin  dir  schuldig  |  ich  gib  dir  aber  nichts 
Frisch   auff  mein  liebes  Töchterlein  |  vnd  liab  ein  guten  Math  .... 
hett  ich  ein  wenig  Hutzclnwein,   es  wird  mir  hier  gar  übel,   ey  oy 
geht  schun  aufl"  Aw  Itein  |  0  flugs  bringt  mir  ein  Kübel, 

5.  Baur  wenn  wirst  du  Hochzeit  habn  |  Herr  ohn  ein  Ort  See 
gülden,  der  wirth  der  ist  förwar  der  best,  er  uiuibt  die  Kreiden  vni 
tröst  die  Gast,  scliier  mich  nicht  mehr,  Es  soll  ein  Mcgdlein  bochz« 
habn  die  war  noch  eben  klein  |  Ihr  freundsman  wie  gebt  jhr  eure  Eyer 
Ach  Mutter  gebt  mir  einen  Manu    |  schtalten  gähn  ist  Wuhlgethan. 

11.     Das  ander  seltzaame  Giokes  gackes. 

1.  Outen  Morgen  {  guten  Morgen  |  wie  stehts  wie  stehts. 
dQrtFt  nicht  danckn  |  es  ist  gern  geschehn  |  mein  ich  bitt  euch  ; 
schon,   grüst  mir  mein  Gevatter  fleissig  |  0  ich  mag  nicht  trinekel 
habt  grossen  danck  euers  K&ä. 

2.  Ihr  allerliebsten  Leut  |  sagt  mir  flugs  fluga  wo  der  Pumper 
nickel  wohnt  |  ey  ey  wie  thut  mir  mein  Bauch  so  sehr  sehr  waho 
Auweh. 

3.  0  I  0  I  Newen  Wein  |  vrnb  22  das  erst  Weiß  ein  neuen  Weil 
vmb  52.    Sie  sprach  was  gehts  dich  an  du  Lauer 

4.  Aber  ein  Vierthel  da.  Meiu  Hänicken  war  ein  Kautz  |  Bratu 
Meydlein  wolgemuth  |  Ach  Hans,  ach  Hans  |  o  Hänselein,  ach  Hat 
mein  edler  Schatz  |  ein  Hansen  muß  ich  haben  |  ein  Hans  behfll 
den  platz. 

6.  Ich  Ich  hab  gute  warme  Semmeln  |  kaufft  mir  ab,  Aofl^A 
heta  )  warvmb  gehst  nicht  wog  |  so  hett  ich  dich  nicht  gestosaen. 

6,  (S.  3.)  ...  Geht  her  Jungs  Mensch  kaufft  mir  ab  |  ich  id 
wil  euch  wolfeyl  gebn  [  nun  kriegt  jhrs  je  nit  besser  |  secht  wie  i 
80  sch5n  sind. 

7.  Hört  hört  Wunderding  |  wie  es  mir  mit  der  .lungfraw  j 
frew  dicli  Müppenbub.     Loppisch  la£  nicht  schnappen.     In  viuemNiu 


2t7lt  KEITTNIS  IlT.  VOLKSLIEDEfi  61 

bers  Brosies  Huß  |  do  giet  sich  ein  Garten  dort  hengen  hinauß.  Do 
wackelt  jhm  der  Federbosch.  Vnd  wenn  ich  Gelte  gnug  hett  |  ich  wolt 
wol  reich  werden. 

8.  Hop  I  hop  bald  essen,  ha  ha  ha  |  ha.  Ir  Jungfraw  Eis  |  mein 
sagt  mir  doch  |  wie  viel  muß  ich  hefftle  zu  einer  Pfannen  haben.  Zum 
fitz  ynd  federlein  |  zum  aller  hederle  |  mein  Manu  ist  nicht  daheime. 

9.  Ey  so  schadets  mir  ein  Jahr  so  mechtig  mechtig  viel  |  daß 
ich  nicht  allzeit  Gelt  hab  wenn  Ichs  haben  will.  Dieweil  er  vnser 
Schwester  hat  |  so  muß  er  vnser  Schwager  seyn  |  langt  vns  für  drey 
Pfenning  Buttermilch  rein  |  last  vns  ein  stündlein  fein  lustig  seyn. 

10.  Hatts  kein  alte  Schuh  do.  0  du  saubers  Thierlein  |  hast 
Buhlschafft  viel  |  keiner  dich  wil  |  ist  dir  ein  herte  pein.  Hört  zu  ]ast 
euch  sogn  |  die  Glocke  hat  viere  gschlogn. 

11.  0  laufft  I  0  laufft  die  Schurgen  kommen  |  ist  das  nicht  ein 
seltzsams  ding  |  ich  sol  heut  dreymal  zu  Gast  essen  vnnd  bin  noch 
kein  mal  geladen  |  ich  wil  gern  sehen  wo  es  nauß  wil.  Sol  ich  so 
reich  werden  |  wil  ichs  wol  sehen. 

12.  Holla  Bier  her  |  der  Vetter  ist  kommen  |  Schlaff  Eindlein 
lange  |  dein  Mütterlein  ist  außgangen  |  so  esse  ich  doch  Wahrlich  nicht 
gerne  Heydelbrey  |  vnnd  wann  mir  keine  federn  wachsen  |  leg  ich  noch 
lang  kein  Ey. 

13.  Da  geht  der  Wind  von  Schwaba  her  |  da  reffelt  sie  da  hechelt 
er  j  trincks  nur  auß,  ich  mag  nicht  mehr. 

in.    Das  dritte  Gebäck. 

[Es  gieng  ein  Münch  den  Berg  hinan,  da  kam  die  Nonn  und 
sprach  ihn  an,  sancte  lieber  domine!  ora  pro  nobis,  audiens  hie  cleri- 
cus,  qui  cunebat  tardius. 

dieses  stücklein ,  bei  Hoffmann  nr.  10 ,  findet  sich  nicht  im  Olden- 
burger exemplar.] 

1.  Laudate  pueri  Dinckelfing  |  ligt  drey  Meil  Wegs  von  Strau- 
bingen« Ich  bin  so  lang  gestanden  |  Erfroren  möcht  ich  sein.  Es  fuhr  | 
es  fuhr  ein  Bauer  ins  Holtz  |  da  kam  ein  stoltzer  Schreiber ,  zu  seinem 
Frewlein  stoltz  |  Frewlein  stoltz.  Die  Bauren  von  S.  Polten  |  Darzu 
die  gantz  gemein. 

2.  Das  dirum  |  dirum  j  dirum  dey  |  Er  fiel  ein  Kipp  im  Leib 
entxwey  |  Darzu  ein  Loch  in  Kopff.  Behüt  dich  Gott  du  zartes  Münd- 
leiii  roth.  Geht  her  Köchin  |  nembt  meine  vollends,  secht  wie  sie  so 
ftiach  sind. 

[Bei  HofiBmann  folgt  noch  nach:  darzu  ein  Loch  in  Eopff  nr.  15. 
IkfdlAin  jung  am  Laden  stund,  und  nr.  16.  Ach  wehe  dem  Leiden, 

4* 


52  lObben 

miiss   es  denn  sein  gescheiden?    Behöt  dich  usw.     Beide  fehlen  im 
Oldenb.  exemplar.] 

3.  Pfuy  I  pfuy  das  mir  der  Bart  gewachsen  ist  |  von  deinet  wegen 
bin  ich  hier  |  Schöns  Lieb  vemimb  mein  Wort.  Der  Beltz  ist  mein  ist 
nimmer  dein  |  sprach  die  alte  Schwieger. 

4.  Wir  wölln  das  Bett  in  die  Stuben  tragen  |  Schlaffen  gähn  ist 
wol  gethan.  Ach  lieber  Igel  laß  mich  leben  |  Ich  wil  dir  meine  Schwe- 
ster geben. 

5.  (S.  4.)  Nun  wolan  er  schlug  sie  blaw  |  vnd  kleidet  sie  graw  | 
die  färb  war  mancherleye. 

6.  Ich  bin  ein  wenig  schwertzer  denn  das  Offenloch  |  es  wil  mich 
weder  Kellner  noch  der  Koch.  0  Nachbar  Boland,  mein  Hertz  ist 
voller  Pein. 

7.  Es  ritt  gut  Reuterlein  schone  |  wol  über  ein  Wisen  die  war 
grüne  |  die  Wiesen  die  war  breit  |  Ennelein  butz  mirs  Liecht 

8.  Solche  Brüder  wölln  wir  nit  |  Sie  tragen  seltzsame  Kleider 
an  I  vnd  binden  lange  Zipffel  dran.  Sanctus  Dimpesdampius  lag  hinter 
dem  Zaun  vnd  schlief. 

[Bei  Hoffmann  nr.  24  und  25  lauten  diese  verse  etwas  anders. 
Statt  ^seltzsame  Kleider^  heisst  es  dort:  Kutten  und  Chorrock,  und 
statt  „Sanctus  Dimpesdampius  lag  hinter  dem  Zaun^  „Sanctus  Bonifa- 
cius  lag  hinter  der  Hell."] 

9.  Ich  stieg  auf  einen  Birnbaum  |  Birnbaum  |  Suben  wolt  ich 
graben  |  so  hab  ich  all  mein  lebenlang  kein  bessere  Pflaumen  gessen. 
Da  schrier  die  Braut  0  Bass  |  0  Bass.  Hans  Fuchs  der  treht  den  stem 
herumb. 

10.  Ich  sah  einmal  zwen  Hasen  |  Auff  einer  Wisen  grasen  |  das 
nam  mich  wunder. 

11.  Lieber  Nickel  zieh  nicht  weg  |  Flick  mir  vor  den  Pantzer- 
fleck  I  er  ist  mir  gar  zurissen.  Faladiridon  |  Ich  reit  einmal  zu  Braau- 
schweig  auß. 

12.  Sein  Breien  die  stund  jhm  den  klincker  den  klancker  |  Er 
war  ein  frischer  gsell.  Tantz  mir  nicht  mit  meiner  Jungfraw  Ketten  | 
sonst  tantz  ich  dir  mit  deiner  Jungfraw  Greten. 

13.  Hans  hat  Hosen  hat  Wanmies  darzu.  Mein  Finger  |  mein 
Daumen  |  mein  Eleubogen.  Der  Schefer  von  der  Newstadt  |  Juch  |  juch, 
ho  ho  hey  |  Das  Trarara  das  Trarara. 

IV.    Das  vierd  Hack  vnd  Mack. 
1.    Wie  hastu  mich  verlassen  |  frölich  zu  sein  ist  mein  Manier, 
tantzen  wir  den  firlefantz  von  Schwaben  |  Sie  sind  nicht  all  an  diesem 
Seyhen  |  die  wir  haben  sollen. 


ZUB  KBNTNI8  ALT.   VOLKSLIEDER  53 

2.  Steffan  Leibpeltz  |  Veit  schuitzer  |  Hans  Jarkoch  |  Fidel  lum- 
pamp  I  Matz  Erummhut  |  Hans  Fuchs  |  Hans  Lump  |  Eühmicbel  Jäger- 
meister vnnd  Herr  Endres  |  Ey  Hans  was  sagst  |  ey  Nickel  was  machst. 

3.  Zween  Brüder  zogen  mit  einander  über  feld  |  Lumpus  der 
trog  den  Seckel  mit  dem  Geld  |  so  blieb  leck  uns  allzeit  dahinden  | 
Tauder  Nickel  saß  auflf  einer  Weiden  |  Ach  Elßlein  holder  Bule  mein, 
wie  gern  wer  ich  bei  dir. 

4.  Peter  Peter  nimb  den  Hut  ab  |  ich  armer  re  mi  fa  sol  la  | 
was  hab  ich  fa  mi  re  mi.  Ach  Bauer  laß  mir  die  llößlein  stahn  |  sie 
sind  nicht  dein  |  du  tregst  noch  wol  von  Nesselkraut  ein  Krentzelein. 

5.  Vnd  er  hat  einen  Sohn  |  ey  wusta  hotta  ho  |  man  sol  die 
jungen  Mägdlein  Sumpel  lump  pum  pum  |  setzen  ins  grüne  Gräßelein  | 
Eytel  gut  ding  |  eytel  gut  ding  tragen  die  Mägdlein  im  Busen. 

6.  (S.  5.)  Es  sas  ein  Eul  vnd  span  |  mein  feins  Lieb  ist  von 
Flanderen  |  gibt  einen  vmb  den  anderen  |  wer  jhr  nicht  zusprechen  kan, 
dem  schneid  sie  bald  ein  kappen  an. 

7.  Holla  holla  Vatter  |  wie  ists  ein  ding  |  wird  man  dem  Sohn 
kein  Sitterzehrung  schencken  |  er  kompt  auß  Yngern. 

8.  Ich  wolt  wer  mir  mein  Glück  nicht  gönnt  |  ein  gantzes  Jahr 
nichts  essen  könnt  |  als  was  ich  jbm  solt  geben  |  sie  tauret  mich  ja  hin- 
der  sich. 

9.  Lauff  mein  lieber  Lindel  |  wie  kompt  jr  denn  so  schnell  her- 
ein I  in  dreyzehen  tagen  14.  Meiln. 

10.  Haben  wir  nit  so  wölln  wir  lassen  holen  |  Sauffite  vos  ebrios 
et  stickete  wickete  plenos  j  Es  wolt  ein  Fraw  wol  zu  dem  Herrn. 

11.  Trinck  frey  |  besser  sind  3.  Abend  den  7.  Morgen  |  der  Wirth 
muB  borgen  |  laß  die  klein  Waldvögelein  sorgen. 

12.  Nechten  war  ich  truncken  |  da  redt  ich  nach  geduncken  | 
vnd  alles  was  ich  redte  |  das  thet  der  kühle  Wein  |  stand  auff  du  fei- 
nes Mägdelein  |  vnd  laß  mich  zu  dir  ein. 

13.  Der  Breutigam  war  arm  |  die  Braut  hatt  nichts  |  darvmb 
verlorn  sie  auch  nichts  |  vnd  wer  hinach  gieng  der  fand  auch  nichts. 

14.  Den  Bauren  ist  gut  pfeiifen  |  sie  geben  cim  auch  einmal  zu 
trincken  |  levate  Präsulem  |  sanctissimum  veneremur. 

16.  Jhr  I  ey  könt  jr  mir  nicht  sagen  |  wo  geht  man  recht  nach 
Tripstrill  nauß?  ich  sitz  vnd  nemb  junge  specht  auß  |  sie  haben  Schne- 
bel  wie  die  Pfeile  |  es  hat  mich  einer  in  Finger  gebissen  |  ich  nembs 
dmmm  auß  das  ichs  wil  braten. 

16.  0  Hans  bist  du  noch  nicht  toll  |  das  Maul  ist  noch  gerad  | 
Gott  behflt  vns  Hend  vnd  Fuß  |  Amen  stramen  |  der  Blind  schlug  den 


Lameu  |  per  omnia  Seckel  et  Bt'iitel  Auk^d  |  por  oiunia  Seuki'l  et  Beu- 
tel Amen, 

V.     Das  fünffte  Gemeusch. 

1.  Nvn  fanget  au  ein  guts  Liedletn  ku  singen  [  wenn  das  geschieht 
tu  ehren  |  wer  kans  vnd  wila  vns  wehren  1  boI  fa  mi  re  re  mi  |  Jnng- 
l'raw  dein  schCn  gestalt  erfrewet  mich  sehr  |  je  leuger  je  mehr  |  du 
grünest  vna  den  Winter  |  die  liebe  Hommerzeit  |  mentrio  codipai  con- 
tento. 

'2.  Kessel  |  Multem  bindea  |  Pfannenflicken  Kessel  Runda  |  Ruoda  | 
dinella  |  quomodo  ßet  istud  1  bitt  wollt  mir  ein  täntzlein  Tein  \  machen 
nach  dem  willen  mein. 

3.  Mein  tausendschätzelein  |  Mit  viel  schmertz  ist  mir  mein 
Hertz  I  Es  sali  ein  Mägdlein  bey  dem  Fewer  vnd  schlieff  {  Worein  sol 
ich  mich  kleiden. 

4.  Kauirt  gute  Milch  jhr  Weiher  |  schöne  Schmaltz  gute  Butter- 
milch I  Es  wolt  ein  Mägdlein  ein  Buhen  (L  Bulen)  hau,  Birehaum,  Bire- 
baum,  Birebaum  |  vund  selts  (S.  6)  jn  auB  der  Erden  tsrabn  {  Birihaniit 
feiiis  Enneleia  |  Truckt  sie  mich  jetzt  also  hart  |  mit  jreu  weisen  Häad- 
leiu  zart. 

5.  Sind  dir  denn  die  Hoseubender  lengor  als  die  Strümpff  |  Git- 
(eue  Canzonet  al  mio  signorc  ]  Ach  höchster  Schatz  auff  »den  |  was 
hast  mit  mir  im  Sinn  |  das  macht  mir  angst  md  schmertzuu. 

6.  Wie  soll  mir  dann  geschehen  |  wenn  ich  dich  meiden  solt, 
drumb  was  man  sagt  ich  alls  verneyn  |  reclit  Lieb  zu  haben  bringt 
kein  Pein  I  wo  beide  Hertzen  eines  seyn, 

7.  Frisch  auff  jhr  Mnsicanten  |  so  viel  ewer  vorhanden  |  habt 
jetzt  ein  guten  muth  |  Ach  Schatz  ich  thu  dir  klagen  l  Memu  Hertzen 
trost  I  hab  ich  neulich  gesehen  in  jhrem  Oärtelein  |  ich  habs  gewagt 
frisch  vnverzagt. 

8.  Es  zog  ein  Schwab  ins  Niderland  |  Ora  pro  nobis  |  (IrOB  dich 
Oott  mein  Mündlein  roth  |  mein  höchster  Schatz  anff  Erden  |  muD  denn 
die  trewe  mein  |  so  gar  mit  falschem  Hertzen  1  von  dir  belohnet  seyn 
Ich  ritt  mir  auß  kurtzweilen  |  durch  einen  grGnen  Wald  |  leb  woU 
gern  singen  vnd  weiß  nicht  wie  |  von  meinem  Buhleu  der  ist  nicht 
hie  I  er  ist  in  frenidbe  Lande  |  So  muß  er  vnser  Schwager  eeio. 

9.  Kaußt  guten  Schtöpperkäss  |  Heinz  wilt  du  Christa  hau  {  spraoli 
die  alte  Schwieger  |  Anwe  ja  Da  da  da  sprach  die  Schnur  berwidor. 

10.  Kaufft  weisen  Sand  jhr  Weiber  |  was  im  Khstand  |  vnakomiit 
zu  haiid   I  dun  Hoben  Gott  lassen  walten  |  vnsur  Muttt<r  Bruder 
dar  hat  ein  golbc  [TeifTe. 


ZUR  KENTNIS  IlT.  VOLKSLIEDEB  55 

11.  Kaufft  Besen  jhr  Weiber  |  Venus  du  vnd  dein  Kind  |  Das 
mag  ich  wol  mit  lust  |  Hindern  Ofen  vnd  vmb  vnnd  vmb  |  schöns  lieb 
was  hab  ich  dir  gethan  |  vnd  laß  mich  doch  nicht  gar  verzweiffeit 
sterben. 

12.  Ein  ander  kam  mir  vor  |  ich  hoffe  zwar  |  du  wirst  mich 
gar  I  ich  laß  den  lieben  Gott  walten  |  faß  mir  ein  frischen  Muth. 

13.  Dirlint  dint  dint  guter  lind  dint  dinten  |  gute  Dinten  |  gute 
Kreiten  guten  Streusand  |  Matz  Matz  machn  Leim  warm  |  Orban  gib 
mir  ein  Spiegelein  |  dunck  ins  Brüleiu  |  dunck  ins  Brülein. 

14.  Ich  hab  mein  tag  kein  gut  gethan  |  habs  auch  noch  nicht 
im  Sinn  |  vnd  wo  ich  einmal  gewesen  bin  |  da  darfi'  ich  nimmer  hin, 
nimmer  hin  |  ey  ja  hin  |  Schlotfege,  Hoderlumpen,  Hoderlumpon. 

15.  LöU  Ml  I  0  I  0  I  LöU  löU  0  |  0  |  Ey  daß  dich  all  botz 
Veiten  |  wie  ist  das  Gelt  so  theur. 

16.  0  florio,  wir  haben  ein  newen  Bierkrug  |  0  Florio.  Kaufft 
Flöhbesen  jhr  Weiber.  Die  Weiber  mit  den  Flöhen  |  die  habn  ein  ste- 
ten Krieg.  Kaufft  schone  Hünerserbn  jhr  Weiber.  Aber  ein  Mas  da. 
Figele  fogele  fare.  Eins  mals  kam  mich  gar  jehling  an  hoho  Dreyhel- 
bert  do. 

17.  (S.  7.)  Hab  ich  dirs  nicht  vor  gesagt,  bleib  mir  bey  der 
Wiegen,  nimb  den  Fuchsschwantz  in  die  Hand,  vnd  wehr  dein  Kind 
die  Mucken  |  Alle  tag  alle  tag  gehts  so  zu  |  wenn  man  soll  essen  |  so 
setzt  man  erst  zu. 

18.  Baust  dir  nit  der  Näser  |  Baß  Eis  |  vnd  banset  dir  der  Näser 
nit  I  so  kauff  ich  dir  der  Kirbe  nicht.    Vier  pfenwert  do. 

19.  Vnser  Knecht  der  Rubendieb  |  der  hat  der  Magd  auffs  Hem- 
met zwo  ho  I  0  I  Was  gibst,  was  hast  |  da  da  da  |  Ey  daß  dich  denn 
botz  Veiten  sehend  |  du  hettst  mir  schier  mein  D.  verbrennt  |  Ich  hab 
wol  dacht  es  wird  so  gehn. 

20.  Kaufft  gut  Holtz  jhr  Weiber.  Jungfraw  jhr  habt  ein  kleine  | 
sie  hat  kein  Hemmet  an  |  vnnd  wenn  ich  nichts  zu  trincken  krieg  |  geh 
ich  warlich  darvon  fa  la  la  la  la. 

VI.    Das  sechste  dille  delle  heußlo   bawen. 

1.  Holla  I  jhr  Bäwrin  |  Bäwrin  |  verziecht  ein  wenig  |  wie  geljt 
jhr  ewer  Milch?  Ey  so  hab  ich  meiner  Hauben  das  Haube  rauß 
gekehrt  Vnser  Bruder  Melcher  wolt  ein  Reuter  werden  |  hatt  er  keine 
Stieffei  nicht  |  kunt  er  kein  Beuter  werden. 

2.  Vnd  da  er  solt  da  wolt  er  nicht  |  vnd  da  er  wolt  da  kunt 
er  nicht  |  mit  einem  alten  Hafen  fa  la  diri  dum  dum  pfeiffcn.  Gronlä 
kol  ein  Essi^  |  Hense  hol  ein  Bier  |  holets  mit  einander  Bier  |  Tragen 


56  LÜBBEN 

wir  den  Tod  ins  Wasser  |  wol   ist  das.     Die  Buttermilch  sol  sauer 
sein  I  giest  vmb  drey  Heller  Milchraui  drein. 

3.  Herr  Lorentz  |  Herr  Vincentz  |  schittel  den  Kittel  das  Hem- 
met get  für.  Mutter  ich  bin  ein  Schleiflfer  ho  ho  ho.  Last  uns  den 
Birckenmeye  dapffer  vmbher  gehn.  Newe  zeitung  |  der  Schreiber  ist 
von  der  Banck  gefalln  |  da  nam  die  Mutter  die  Eüchenthür  vnd  hiengs 
jhm  binden  vnnd  fern  für  |  Kätz  von  der  Wurst  |  ein  andermal  geh 
mehr  naschen. 

4.  Nun  wie  wirds  ein  Ding  werden,  werd  jhr  mir  nichts  abkauf- 
fen  I  ich  geh  gute  Pfenwert.  Welcher  das  elend  bawen  wil  |  der  arbeit 
wenig  vnd  feyer  viel  vnnd  geh  offtnials  spatzieren. 

5.  Behüt  Gott  Mumelein  wie  kan  der  Vetterle  so  gar  wol  tan- 
tzen.  Ich  sag  euch  Dauck  liebe  Nachbarin.  So  wil  ich  meinen  breiten 
Degu  mit  Ziegelmeel  aussbutzen.    Pfuy  Teuffei , 

6.  Ich  wil  zu  Land  außreiten  |  du  bist  zu  klein  mein  Hänselein  | 
Wann  ich  mein  Gelt  verspielet  hab  |  sag  ich,  ich  hab  nichts  gewun- 
nen  |  hört,  hört  Ich  hör  ein  Guck  Guck  singen  |  dort  oben  auff  jenem 
Hause.  Ein  Breutlein  wolt  nicht  gehn  zu  Beth  |  nicht  weis  ob  sies 
hett  verredt. 

VII.    (S.S.)    Der  siebende  newe  Grillenschwarm. 

1.  ...  ist  nicht  der  meister  Jäckel  drinnen  |  heist  jhn  ein  wenig 
herauß  zu  mir  kommen  |  Nu  wolan  |  die  Bauern  tragen  Stieffei  an  | 
mein  Vatter  ist  ein  feiner  Mann  |  kompt  nur  ran  |  secht  wie  ichs  so 
wacker  kan  |  eya  kan  |  tret  nur  wol  ran  |  jetzt  fang  ich  an  |  Mein  Manu 
der  ist  ein  Lumpenmann  |  mein  voriger  Mann  der  war  so  gar  ein  fei- 
ner feiner  feiner  Mann  |  Hey  schlag  auff  Drunmielschläger:  Born  bom 
bom  bom  bompen  widi  widi  widi  widiwompen. 

2.  Mein  ich  bitt  euch  alle  in  gemein  |  thut  doch  ein  kleines 
kleines  Jüchzerlein  .  . .  Das  giri  girigey,  mein  Mann  der  ist  ins 
Hew  ;  der  Sommer  der  ist  kommen  |  du  hast  mich  nicht  |  du  loser 
Schelm  |  genommen  |  genommen.  Füllenfresser,  PüUenfresser,  Groß- 
maul ,    Füllenfresser. 

3.  Ey  sommer  saut  Veltons  Futtersack  |  es  war  ein  grosse  Wunge, 
ja  Wunge.  Zeuch  Fohle  zeuch  morgen  woUn  wir  Habem  dreschen  | 
woUn  der  Fahle  zessen  geben,  zeuch  Fohle  zeuch.  Hotte  her  |  treib 
her  I  lange  Loden  hat  der  Bär. 

4.  Bawer  ich  glaub  du  seyst  nit  klug?  0  Herr  sie  seyn  mir 
feyst  genug.    Sommer  botz  Edelmanns  Blümelein   blaw  |  ich  hab  kein 

Gelt  im  Säckel Adam  der  hatt  sieben  Söhn  vnd  achte  i 

was  sie  machten.     Botz  Trüs Danckt  der  Matter 


ZUB  KENTNIS  ALT.  YOLKSLISDSB  57 

daß  sie  euch  hat  lassen  her  gehn.  Mein  Leffiken  vnd  ick  |  wir  fuhren 
nach  Ostende.  Guten  Morgen  |  ein  glückseligs  newes  Jar  |  ein  schön 
jungen  Geselln  in  krausen  Haar  |  Geh  euch  Gott  zwier  so  viel. 

5.  Weiter  im  Text:  Herbey  jhr  Herren  vnd  jhr  Schätzen  |  hie 
haben  wir  ein  den  woUn  wir  pritzschen.  Schusserdieb  |  Schusserdieb  | 
hast  mir  meine  Schusser  gstohln.  Es  hat  ein  Bawr  sein  Fraw  ver- 
lorn I  er  kan  sie  nimmer  finden 

*6.  Bawer  ich  glaub  du  hörst  nicht  wol  |  dass  dich  ankomm  die 
Trüss.  Euch  auch  so  viel  |  euch  auch  so  viel  |  wir  dörffn  alle  wol 
glucks.  Guck  Vatter  |  das  Kind  liebäugelt.  Solt  mirs  Mägdlein  nicht 
lieber  seyn  |  denn  das  rotzige  rotzige  Bübelein  ...     0,  0,  0. 

Jetzt  iß  gar  auß. 


Aus  diesen  durcheinander  geworfenen  brocken  wider  volständige 
lieder  zusammenzustellen,  ist  unmöglich.  Hin  und  wider  mag  man 
einige  fetzen  aneinanderreihen,  z.  b.: 

Baur,  was  habn  die  Seu  gölten,  (I,  4) 
Herr,  ohn  ein  Ort  sieben  Gulden.  (I,  5) 
Baur,  wenn  wirst  du  Hochzeit  halten,  (I,  5) 
Biss  Montag  über  14  Tag,  wils  Gott  (I,  4) 
u.  a. ,  aber  ein  ganzes  wird  doch  nirgends  daraus.     Es  mag  daher  genü- 
gen nachweisungen  hinzuzufügen,    wo  diese  läppen  hingehören,   soweit 
ich  es  habe  auffinden  können,  und  einzelne  bemerkungen  anzuknüpfen. 

I,  1.    Trinks  gar  aus,  so  wird  ein  voller  Bruder  daraus. 

Uhland,  Volkslieder  nr.  223. 

2.  Da  schrier  die  Braut  (s.  zu  HI,  9) 

Ach  we,  mir  ist  durchschossen  das  junge  Herze  mein 
Gödeke  u.  Tittmann  Liederbuch  aus  dem  16.  Jh.  nr.  11,  1. 

3.  Da  stolpert  ihm  sein  apfelgraues  Ross. 

Gödeke  nr.  85,  v.  3  („Da  strauchelt  ihm  sein  apfelgrau  ross") 

3.  4.    und  habn  ein  guten  Muth. 

Gödeke  nr.  81,  40.   Dieser  ausdruck  ist  aber  so  algemein, 
dass  er  wol  kaum  einem  bestimten  liede  angehört. 

II,  8.    Zum  fitz  und  federlein 

Zum  aller  hedele 

Mein  Mann  ist  nicht  daheim. 

Uhland  nr.  284  (s.  734).  In  diesem  Puhrmannsliede  („Es 
wolt  ein  furman  ins  Elsass  faren")  ist  der  refrain  in  allen 
Strophen  —  Hederle,  zum  fitz  und  federle."     Der  refrain 


58  LÜBBEN 

tritt  immer  vor  dem  lezteu  yerse  ein;  in  der  sechsten 
Strophe  heisst  es: 

mein  man  der  heist  der  Hederle 
znm  fitz  und  federle 

mein  man  ist  selten  daheime.^ 
Vgl.  Des  Knaben  Wunderhorn  (Birlinger  und  Creceliuß) 
II,  s.  132  u.  anm.;  Grimms  WB.  s.  v.  Hederle. 

II,  10.    Hört  zu,  lasst  euch  sogn  usw. 

Büsching  u.  v.  d.  Hagen,  Deutsche  VolksL  nr.  16  (Sim- 
rock  nr.  379). 

III,  1.    Ich  bin  so  lang  gestanden,  Erfroren  möcht*  ich  sein 

ühland  260  A.  str.  7  (und  260  C.  str.  3).     Knab.  WH. 
II,  204;  Simrock  nr.  48. 
„    Es  fuhr,  es  fuhr  usw. 

Büsching,  wöchentl.  Nachr.  2,  250;  Hoflfm.  v.  F.  Monats- 
schrift von  und  für  Schlesien  s.  545. 

„     Die  Bauren  von  St.  Polten  usw. 
Uhlaud  nr.  248. 

2.    Er  fiel  ein  Ripp  im  Leib  entzwey  darzu  ein  Loch  in  Kopf  usw. 
Ist  aus  demselben  liede  wie  III,  1.  Uhland  nr.  260  C.  str.  6. 
[Ein  Mägdlein  jung  usw. 
ühland  nr.  254  A.) 

in,  3.    Pfuy,  pfuy,  das  mir  der  Bart  gewachsen  ist. 

Hoffmann,  Gesellschaftslieder  nr.  55;  Gödeke  nr.  49. 

Von  deinetwegen  bin  ich  hier. 

Nicolai,  Almanach  1778,  s.  29.    Gödeke  nr.  57. 
Der  Beltz  ist  mein,  ist  nimmer  dein. 
Sprach  die  alte  Schwieger. 

Uhland  nr.  276  str,  13. 

6.    0  Nachbar  Roland, 

In  der  schrift:  „Der  Schneider  genug-  und  sattsame  Wi- 
derlegung auff  eine  .  .  Lästerschrift  usw.  durch  Bonifa- 
cium  Sartorium  (a.  1621)  steht  auf  s.  31 :  damit  sie  dei- 
nes spöttischen  Singens  nicht  bedörffen  und  gleichwol 
zu  singen  haben,  so  will  ich  selbst  ein  Gesänglein  mit 
einem  Tutzet  (d.  i.  dutzend)  Gesetzleiu  componiren  und 
im  Thon  0  lieber  Nachbar  Roland  usw.  hiehero  setzen, 
also  lautende:  Ein  Liedlein  wir  jetzt  singen  usw.  (Die- 
ses lied  ist  abgedruckt  in  0.  Schade,  Handwerkerlieder 
8.  65). 


» 


V 


ZÜB  KENTNIB  ILT.  YOLKSLIBDEB  59 

7.  wol  über  ein  Wiseu,  die  war  grüne. 

Uhland  nr.  115  A  (Es  giengen  zwo  gespilen  gut  Wol 
über  ein  Wise ,  war  grüne) ,  Gödeke  nr.  86 ;  Kn.  Wunderh. 
2,  s.  201.  —  Der  anfang:  es  ritt  gut  Keuterlein  schone 
usw.  klingt  an  an  das  lied  bei  Uhland  nr.  74  B.  Es  ritt 
gut  reuter  durch  das  Ried  usw. 

9.     Ich  stieg  auf  einen  Birnbaum  usw. 

Simrock  nr.  362  (Verkehrte  Welt). 

„     Da  schrier  die  Braut  0  Bass  0  Bass 

Eschenburg,  Deutsches  Museum  1776,  s,  405;  Büsching 
nr.  118. 

11.  Ich  reit  einmal  zu  Braunschweig  auss. 

Uhland  nr.  154. 

12.  Sein  Brexen  die  stund  ihm  den  klincker  den  klancker. 

Von  Hildebrand  im  D.  Wb.  s.  v.  klinkerklunker  (4,  sp.  1197- 
angeführt,  brexe  wird  ein  schmuck  sein,  wie  bretze. 
Bei  Liliencron,  Volksl.  I,  274,  10  heisst  es  von  den 
Schwertern :  de  swerder  de  gingen  den  klinker  den  klank. 

IV,  1.    Fröhlich  zu  sein  ist  mein  Manier. 
Gödeke  nr.  118. 

3.  Ach,  Eisslein,  holder  Bule  mein. 

HofiFmanii,  Gesellsch.  L.  nr.  16;  Uhland  nr.  45  und  46; 
Gödeke  nr.  84. 

4.  Ach  Bauer,  lass  mir  die  Sösslein  stahn. 

Uhland  nr.  252;  Simrock  nr.  117. 

5.  ey,  wusta  hotta  ho! 

Diese  interjectionen  finden  sich  auch  in  dem  liede:  Die 
Bauern  von  St.  Polten.  Uhland  nr.  248.  Hotta  ist  der 
zuruf  an  die  pferde  nach  rechts,  wusta  (wüste)  nach  links 
zu  gehen.  Vgl.  Der  Schneider  Widerlegung  (zu  III,  6) 
s.  38 :  .  .  weil  er  beynahe  schier  inn  der  Lügen  were 
hestecken  blieben  und  weder  wusta  her  noch  hotahin 
mehr  zu  reiten  oder  zu  fahren  gewust. 

6.  Es  sass  ein  Eul  und  span. 

Uhland  nr.  260  (s.  III,  1.) 
„     Mein  feins  Lieb  ist  von  Flandern. 
Uhland  nr.  49 ;  Gödeke  nr.  46. 

8.  Ich  wollt,  wer  mir  mein  Glück  nicht  gönnt  usw. 

Ditfurth,  100  unedierte  lieder  des  16.  und  17.  jahrh. 
Stuttgart  1876  nr.  42. 


60  lObbbn 

9.    Lauf  mein  lieber  Liendel. 

Liendel  muss  eine  schelte,  ein  Schimpfwort,  etwa  wie 
Claus  Narr  und  ähnliche,  gewesen  sein.  In  diesen  Geschnäl- 
tzen  komt  es  ausser  hier  und  auf  dem  titel  (Gevatter 
Liendel)  auch  noch  YII,  4  in  einem  unflätigen  verse  ?or. 
In  der  Schneider  Widerlegung  wird  der  gegner,  der  Ver- 
fasser der  Schmähschrift  „dieser  Schmier -Liendel^  genant 
S.  5  u,  27.  —  [„Der  Linnel,  a)  Leonhard,  der  „Hammer- 
leute^  patron.  b)  Hölzerne  statue  St.  Leonhardt ,  beson- 
ders der  schwere  klotz,  der  hie  und  da  unter  dessen 
namen  durch  die  wallfahrter  um  die  wette  vom  boden 
in  die  höhe  gehoben,  oder  gar  in  procession  von  einem 
dorfe  ins  andere  getragen  und  dabei  wol  auch  mitunter 
in  den  bach,  in  die  hecke  geworfen  zu  werden  pflegte, 
c)  im  scherz :  männliche  profane  statue  überhaupt,  d)  figür- 
lich: mensch,  der  wie  eine  statue,  wie  ein  klotz,  unbe- 
hilflich, schwerfällig,  träge  ist.  —  lienlen,  verb.,  sich 
wie  ein  klotz  benehmen,  lienlend,  einem  klotze  ähnlich.^ 
Schmeller,  bayer.  wörterb.  2.  a.  bearb.  von  Frommann. 
1,  1481.    J.  Z.] 

12.    Nechten  war  ich  truncken. 

ühland  nr.  107  str.  7 ;  Simrock  nr.  47. 

14.    Levate  präsulem,  sanctissimum  veneremur. 

ühland  nr.  208;  Gödeke  nr.  169.    In  beiden  liedern  fehlt 
aber  das  Levate.    Heisst  dies  levate   (hebt  auf,   sc.  das 
glas  oder  den  becher ,   vgl.  Gödeke  nr.  134  v.  22.  levate 
sursum  pocula)  und  ist  zu  interpungieren :    Levate,  prä- 
sulem usw.? 
V,  1.     Wenn  das  geschieht  in  Ehren. 
Gödeke  nr.  24. 
„     Jungfrau,  dein  schön  gestalt. 

Hoflfmann ,  Gesellsch.  L.  nr.  49. 
„     Du  grünest  uns  den  Winter. 

Hoflfm.,  Schles.  Volksl.  nr.  52;  ühland  nr.  151  str.  9  (du 
grünest  winter  und  die  liebe  Sommerzeit). 

4.  Es  wolt  ein  Mägdlein  ein  Bulen  han. 

Nicolai,  Almanach  1777,  s.  102;  Hoflfm.,  Schles.  VolksL 
nr.  99;  Simrock  nr.  229;  Kn.  Wunderh.  1,  77  u.  268. 

5.  Gittene  Canzonet  al  mio  signore. 

Ein  solches  italienisiertes  Intermezzo  findet  siob  Ufih  ^ 
deke  nr.  24 :  strampede  mi ,  alami  presente  al  wab 


zxm  KBNTNI8  Ilt.  volkblirdeb  61 

8.  Ich  ritt  mir  auss  knrzweilen. 

ühland  nr.  24. 

9.  HaiDz,  wiltu  Christa  han. 

ühland  nr.  276,  str.  3;  Simrock  nr.  236,  str.  2.  Aus 
demselben  liede  ist  III,  3.  Auwe  ja,  da  da  da  |  in  dem- 
selben liede  bei  Ühland  nr.  276,  str.  2. 

10  XX,  12.    Den  lieben  Gott  walten  lassen. 
Gödeke  nr.  85 ,  str.  6. 

11.    Venus  du  und  dein  Kind. 

Hoffm.,  Gesellsch.  L.  nr.  32.  (Gödeke  nr.  12:  gegen  euch 
bin  ich  entzündt,  das  macht  Venus  und  ihr  Kind.) 

15  u.  19.    Ey  dass  dich  all  botz  Veiten. 
HoflFm.,  Gesellsch.  L.  nr.  188. 

16.  Die  Weiber  mit  den  Flöhen. 

Hoflfm.,  Gesellsch.  L.  nr.  177;  Kn.  Wunderh.  I,  s.  388. 

17.  Hab'  ich  dir  nicht  vor  gesagt. 

K.  Wunderh.  II,  s.  731  (Anhang  s.  64). 

18.  baust  dir  nit  der  Neser   (d.  i.  beutel,   tasche,    loculus  s. 
Mnd.  WB.  s.  V.) 

Ist  angeführt  in  Grimms  WB.  s.  v.  bansen  (=  bauschen, 

turgere);  als  quelle  wird  angegeben:  „sieben  lächerliche 

Geschwätz  16/17.  jh.« 
VI.    düle  delle. 

„Dille,  ahmt  den  ton  des  gesangs  zur  schalmeie  nach. 
Dille  delle,   soviel  als  diltap,   in  Franken  und  Schwaben." 

Grimm,  WB.  2,  sp.  1150  u.  51. 

1.  Unser  Bruder  Melcher  usw. 

Hoffm.,  Schles.  Volksl.  nr.  261. 

2.  diri  diri  dum  dum. 

Vgl.  Gödeke  nr.  135 :  Trinkt  und  singt  und  springt  herum, 
diri  diri  diri  dum! 

3.  Birckemeye. 

Ist  wol  druckfehler  für:  Birkenmeyer.    Frisch  1,  652. 
„     Da  nam  die  Mutter  die  Kfichenthür. 

Hoffm.,  Schles.  Volksl.  nr.  261. 
„     Kätz  von  der  Wurst 

Über  Kätz  s.  Hildebrand  im  D.  WB.  s.  v.  Kätz. 

4.  Welcher  das  Elend  bawen  wil. 

ühland  nr.  302. 
6.    Ich  wil  zu  Land  aussreiten.. 

ühland  I,  nr.  132;  Kn.  Wunderh.  1,  117. 


G2  LÜBBfiac 

6.    Dort  oben  auf  jenem  Hause. 

Vgl.  Wunderh.  1,  s.  165:  Dort  oben  in  dem  hohen  Haus. 
^     Ein  Breutlein  wolt  nicht  gehn  zu  Beth. 

Büsching  nr.  118.  (S.  UI,  9.) 

VII,  2.    Das  giri  giri  gey. 

Gödeke  nr.  170  (Der  Baur  von  Eselskirchen,  der  hat  ein 
feiste  Gans  das  giri,  giri,  ga  ga  gans). 
„     Mein  Mann  der  ist  ins  Hew. 

Simrock  nr.  237.    Uhland  nr.  282. 
„     Nun  ist  der  Sommer  kommen. 
Gödeke  nr.  7. 

3.  Zeuch,  Fohle,  zeuch. 

Wunderh.  2 ,  s.  656. 

4.  eine  rätselfrage;  7  +  8  =  15;  sie  machen  eine  mandel  (15). 
„     Mein  Lefficken  und  ick. 

Ist  bemerkenswert,   weil  es  das  einzige  lied  mit  nieder- 
deutschem anklänge  ist. 


Ich  benutze  diese  gelegenheit,  um  noch  einige  liederanfänge  mit- 
zuteilen ,  die  mir  anderswo  begegnet  sind.  In  der  Schmähschrift :  Ver- 
bessertes vnd  gantz  new  ergangenes  ernstliches  Mandat . .  Hermanni 
Sartorii,  deß  vhralten  löblichen  Schneiderey- Ordens,  erwehlten  Gene- 
ral usw.  durch  Stilvester  Bocksbeutel  —  weyland  gedruckt  zu  Diebingen 
bei  Soubastian  Bögeleisen,  in  Verlegung  Sixti  Zicken.  19  s.  in  4.  (Aus 
dem  anfang  des  17.  jh.).  Es  muss  dies  eine  beliebte  schrift  gewesen 
sein,  die,  wie  aus  der  Widerlegung  (s.  oben  zu  lU,  6)  hervorgeht, 
wenigstens  drei  auflagen  erlebt  hat.  Die  Oldenburger  bibliothek 
besizt  zwei  ausgaben,  die  erste  und  wahrscheinlich  die  dritte,  beide 
ohne  Jahreszahl.  Darin  findet  sich  auf  s.  6  der  ersten,  s.  8  der  dritten 
aufläge  folgendes  stück  aus  schmähliedern  auf  die  Schneider: 

(gebieten:   sich  auch  keines  andern  Gesanges  zu  gebrauchen,   als 

wie  jhre  Vorfahren  hergebracht,  das  ist) 

me  me  me  Meck,  Meister  (Meeeeeister  in  der  3.  a.) 
habt  jhr  meine  Hosen  gebletzt,  gebletzt,  gebletzt 

Oder:       Es  laufFt  ein  Geiss  ein  Berg  hinauff, 
vnnd  thet  das  Arschloch  blecken 
Der  Schneider  laufi't  jr  binden  nach 
mit  Nadeln  vnd  mit  Flecken 
Sta,  Sta,  Hettelein  Sta, 
ich  wil  dirs  loch  verbletzen,  ja  wol  (ver)bletzen 


ZU&  KBKTNI8   ALT.  VOLKSLIEBfiB  6d 

Ferner  enthält  die  Disputatio  inauguralis  .  .  jus  potandi  adum- 
brans  usw.  Oenozythopoli  1616.  4  auf  s.  11  folgende  liederanfänge : 
(Hunc  finem  cum  assecuti  sint  hospites,  mirificas  res  tractare  inci- 
piunt  et  omnia  tumultuarie ,  ibi  clamoribus  et  jubilationibus  per- 
strepunt  omnia.  Nee  desunt  modulationes  vocum  quibus  tota  domus 
personat,  cujusmodi  sunt:) 

Ich  fahr  mich  vbem  Rhein  usw. 

Gunstiger  Herr  vnd  guter  Freund  usw. 

Nachtbar  Qott  gebe  euch  ein  guten  Dack,  ßöslein  usw. 

Bonum  vinum  post  Martinum  usw. 

Wir  haben  ein  SchiflF  mit  Wein  geladen  usw. 

He  seth  den  Barkenmeyer  wol  an  seine  Mundt  usw. 

Der  tolle  Hudt  usw. 

Ein  Hirsch  sprang  auss  dem  usw. 

Es  fuhr,  es  fuhr,  es  fuhr  ein  Bawr  ins  Holtz. 

Aide,  Aide  mit  seinem  Bösslein  usw. 

Der  Eeutzel  wol  auff  den  Zaune  usw. 

Was  wollen  wir  singen  usw. 

Hänselein  mein  Brüderlein  usw.  usw. 

Sodann  steht  noch   in  Opizii   Jocoserii  Dissertatio  de  eo   quod 
justum  est  circa  —  pulices.    Amsterodami  1743,  4  auf  s.  34: 

(et  certat  cum  crudelitate  nequicia;  per  jocum  enim  agonizantibus 
Q>alicibus)  accinere  solent:) 

Ey  hab  ich  dann  keine  Hast  noch  Buh 
ich  druck  dir  dann  die  Augen  zu. 
Debald,  du  must  sterben. 


Defension  Schrifft 
vnd  Ehren  Tittel  der  Kipper  vnd  Wipper  |  welche 
also  jetziger  zeit  gar  veracht  vnd  vnder 
die  Banck  gestossen  werden  | 

Darch  einen  jhren  sonderen  gutten  Freund  vnd  Günner  |  in  ein  Lied 
gebracht  |  vnd  jedermenniglich  zur  nachrichtung  in  druck  gegeben. 

Gedruckt  im  Jahr  als  so  viel  Wechßler  vnd  Kipper  wahren. 

Kippe  de  Wipp  du  loser  Dieb  |  hast  dein  Kippers  Gelt  geliebt 
Hastu  Kisten  vnd  Kästen  voll  |  ey  das  dich  baldt  der  Deuber  holl 
Kippe  de  Wip  du  loser  Dieb  |  hast  dein  Diebisch  Gelt  so  lieb. 

Kippe  de  Wipp  du  Galgenstrick  |  hast  du  noch  nicht  außge- 
nipt  I  hast  verkipt  dein  Leib  vnd  Seel  |  must  mit  dem  Teuffei  in  die 
HAU  ]  Kippe  de  Wipp  du  Galgenstrick,  hastu  noch  nicht  außgewipt. 


Hör  Kippo  de  Wipp  du  loser  kundt  ]  prangst  also  mit  dcim  Kip- 
persfundt  |  du  meinst  habest  glück  vber  glück  |  ?ncl  kompst  dem  Teuf- 
fei in  sein  strick  |  hör  Kippe  de  Wippe,  du  loser  knndt  usw. 

Der  Kippe  de  Wipp  hat  gewiß  vermeint  |  der  Teaffel  sey  sein 
bester  Freund  ]  weil  er  jhm  hat  gestelt  fürwahr  |  Kupfferne  Berg  für 
Silber  d.ir  |  hör  Kippe  de  Wipp  hast  gewiß  gemeint  |  der  T.  sei  dein  best  Fr. 

Der  Kippe  de  Wipp  hat  gemeint  ohne  zweiffei  |  es  sey  in  der  Höll 
kein  Teuffei  |  aonJern  es  heiß  nur  Kipp  vud  Schacher  |  jetzuud  macht 
dich  der  TeufTel  wacker  |  hör  Kippe  hast  gemeint  nsn. 

Der  Kippe  de  Wipp  ein  Mörder  ist  |  weil  er  mit  seiner  Kipper- 
list  {  die  armen  Weisen  bat  bestohlen  j  darumb  bleibt  er  ein  Dieb 
vnverholen  |  Der  Kipper  de  Wipp  ein  Mörder  ist  |  vnd  bleibt  ein  Dieb 
zu  aller  frist. 

Hör  Kipper  de  Wipp  ich  muß  dir  eben  |  jetzund  dein  rechten 
Tittel  geben  |  ein  arger  Ertzdieb  du  auch  bist  |  weil  du  der  Armen 
Brodt  auffrist  |  hör  Kippe  de  Wipp  merck  mich  gar  eben  \  der  Teuffei 
wird  dir  dein  Lohn  darfür  geben. 

Der  Kippe  de  Wipp  geht  jetzt  daher  |  als  wann  er  aller  Pfinnig 
wer  I  er  ticht  und  trachtet  Tag  vnd  Nacht  |  was  er  weiter  anfang  yud 
macht  [  Der  Kippe  de  Wipp  geht  jetzt  daher  |  als  wann  ein  Dieb  beim 
Galgen  wer. 

Der  Kipper  de  Wipp  wann  er  geht  dar  |  för  Ehrliehe  Leut  wird 
Bchamrott  gar  |  weil  auff  der  Gassen  die  kleinen  Kind  ]  seiner  Scbelroen- 
stück  seind  worden  feiud  ]  der  Kipper  de  Wipp  wann  er  gebt  dar  |  hat 
jhn  der  Teuffei  bey  dem  har. 

Hör  Kippe  Wipp  |  Friß  |  Sauff  vnd  Spiel  |  baw  grosse  Heuser 
wie  du  wilt  |  dann  dortten  wird  gar  nichts  mehr  darauß  |  der  Teuffei 
macht  dir  dein  gar  auß  |  hör  Kippe  de  Wipp  |  Friß  |  Saufl'  vnd  Spiel  | 
du  hast  Kipt  nach  deB  Teuffels  will. 

Den  Kippe  de  Wipp  thut  klagen  an  |  auch  ja  der  Arme  Bettler> 
Mann  I  weil  er  die  Silberne  Pfennig  genommen  |  vnd  lassen  darliir 
Kupffer  kommen  |  den  Kippe  de  Wipp  thuii  klagen  an  |  viel  ai-mcr  Leut 
wol  auff  dem  plan. 

Vnd  schelten  jhn  ein  argen  Dieb  1  weil  er  sie  hat  so  hoch 
betrübt  I  mit  seim  SchehnenslOck  gefangen  an  |  das  manch  ehrlich 
Mann  muss  bettlen  gähn  \  hSr  Kippe  de  Wipp  das  lob  voran  |  bekompst 
du  von  dem  Armen  Mann. 

Vnd  auch  noch  gr5sser  lob  voran  |  bekompst  du  von  dem  Hand- 
weroks  Mann  |  der  nent  dich  ein  Dieb  ausserkohra  |  vnd  wflnscht  das 
dich  der  TeufTel  sol  bellen  |  hör  Kippe  de  Wipp  groß  lob  vnran  |  be- 
kompBtu  hier  von  jederman. 


KIPPBB-  Din>  WIPPKB-LIED  65 

Kippe  de  Wipp  |  Witwen  vnd  Weisen  jetzund  |  die  scheltten  dich 
von  hertzen  gmnd  |  vnd  heissen  dich  ein  Ehrendieb  |  weil  du  jhn  stilst 
was  jhnen  ist  lieb  |  hör  Kippe  Wipp  diß  Lob  zugegen  |  das  thut  dir 
Witwen  vnd  Weisen  geben. 

Hör  Kippe  de  Wipp  ja  jederman  |  der  wünscht  dir  dieses  auff 
dem  plan  |  weil  du  betrogen  die  gantze  Welt  |  mit  deinem  schlimmen 
Knpffem  Gelt  I  hör  Kippe  de  Wipp  |  ja  jederman  |  der  wünscht  dir  die- 
ses auff  dem  plan. 

Hör  Kippe  de  Wipp  |  wann  du  nicht  thust  |  in  deim  hertzen 
rechtschaffne  Büß  |  so  wünscht  man  dir  das  Höllisch  Fewr  |  weil  du 
mit  deim  Gelt  die  Welt  gemacht  jrr  |  hör  Kippe  de  Wipp  wann  du 
nicht  thust  |  in  dem  hertzen  rechtschaffne  Büß. 

Vnd  vom  Kippen  nicht  wilt  abstahn  |  so  gibt  dir  der  Teuffei  den 
lohn  I  vnd  thust  alle  Warnung  gantz  verachten  |  wilt  dein  Seligkeit 
nicht  betrachten  |  hör  Kippe  de  Wipp  wilt  nicht  abstahn  |  von  deim 
Kippen  vnd  Wippen  lahn. 

Darumb  Kippe  de  Wipp  hab  kein  Verdruß  |  das  Lied  vermahnet 
dich  zur  Büß  |  das  du  wollest  von  Sünden  lahn  |  deins  Kippens  und 
Wippens  müßig  stahn  |  hör  Kippe  de  Wipp  hab  kein  verdruß  |  das 
Lied  ermahnet  dich  zur  Büß. 

O  Kippe  de  Wipp  stehe  ab  von  Sünden  |  sonst  wirst  du  Gottes 
straff  entpfinden  |  Dann  er  ist  ein  gerechter  Gott  |  der  Böses  nicht  ohn 
gestraffet  lat  |  darumb  Kippe  de  Wipp  stehe  ab  von  Sünden  |  hiermit 
will  ich  diß  Lied  thun  enden. 

Vnd  dir  das  schencken  zu  guter  nacht  |  biß  das  es  ein  anderer 
besser  macht  |  bitt  weist  hierüber  gar  nicht  zörnen  |  vnd  oins  mit  frou- 
den  mit  mir  hörnen  |  hör  Kippe  de  Wipp  zu  guter  nacht  |  schenck  ich 
dir  das  Lied  |  es  wohl  betracht. 

ENDE. 

Auf  der  landesbibliothek  zu  Oldenburg,  in  einem  sammelbande, 
Lndicra  betitelt. 

Dieses  lied  fehlt  in  den  samlungen  der  lieder  des  dreissigjährigen 
kri^es  von  Weller,  Opel  und  Freiherrn  von  Ditfurth  und  ist  auch  in 
Wellers  bibliographie  nicht  aufgeführt. 

OLDENBUBG.  A.    LÜBBEN. 


■4n  PHILOLOOIB.    BD.  XY.  5 


zu  WÄLTHERS  VOKALSPIEL. 

Dnrüber  ist  man  jezt  wol  einig,  dasa  in  t.  29  des  Waltherschon 
Vokalspiela  fQr  das  von  Lachmann  ans  der  baudHcbrift  A  in  don  text 
genommene  ein  s&  mit  C  lSnaü  za  leaon  sei ,  aber  über  die  erklämng 
diosea  und  dos  folgenden  veraes  gehen  die  ansiebten  weit  auseinander. 
B.  Bechstein  hat  die  lezteren  in  seinem  Germ.  15,  a.  434  fgg.  veröffent- 
lichten aufaatze  znsammengestolt  und  einer  kritischen  besprechung 
unterzogen. 

Ich  stimme  mit  meinem  verehrten  lehrer  darin  Qberein,  dasB  man 
mit  hilfe  der  von  Wilmanns  in  seiner  ausgäbe  b.  237  anm.  beigebrach- 
ten stelle  (Iw.  2813  fgg.)  v.  29  unseres  liedes  überHetzeu  könne:  „ich 
hin  verphilistert ,  verbauert  wie  Eaau,"  ich  bin  damit  völlig  einverstan- 
den, dasB  nach  dieser  mir  allein  möglich  scheinenden  auffassung  des 
29.  verses  im  folgenden  nicht  har  gelesen  werden  dflrfe:  aber  mit  der 
coDJectur  Ml  Iflr  har  scheint  Bechstein  seinerseits  mir  das  riohtäge 
nicht  getroffen  /.n  baben. 

„Der  dichter  will  sagen,  daäs  er,  der  ehemals  ein  glatter  Jakob 
gewesen,  zu  einem  rauhen  Esau  geworden  sei"  (Bechstein  n.  a.  o. 
s.  445).  Gewiss  will  er  das!  Aber  wenn  er  dies  mit  den  worten  aus- 
gesprochen hätte:  fntn  sieht  Auf  ist  mir  worden  r&,  so  dörfte  or  der 
credulitas  seiner  Zeitgenossen  doch  wol  ein  wenig  zu  viel  zugetraut 
haben.  Der  vergleich  mit  Esau  würde  allerdings  volkommen  stimmen; 
der  älteste  söhn  des  Isaak  war  ja,  wie  sich  aus  der  bekleidung  von 
hals  und  bänden  Jakobs  mit  feiles  von  böckletu  und  aus  Üen.  35,  ib 
(der  erste,  der  herauskam ,  war  rötlich,  ganz  rauh,  wie  ein  feil)  ergibt, 
am  ganzen  leibe  behaart.  Allein  so  ein  Esau  wird  man  doch  in  nnserm 
klimn  nicht  während  eines  winters,  mag  derselbe  noch  so  lang,  noch 
so  unfreundlich  sein.  Wenn  Bechstein,  wol  infolge  einer  ähnlichen 
orwägung,  nun  aber  meint,  der  dichter  wolle  mit  den  worten:  min 
sieht  hiU  ist  mir  worden  rü  nur  sagen,  er  habe  sich  während  das  win-' 
ters  einen  hart  stehen  lassen ,  so  scheint  mir  das  eher  ein  witz  als  eina! 
erkUrung  zu  sein.  In  dem  falle  könt«  man  freund  Walther  mit  recht 
entgegenhalten,  dass  nicht  der  verruchte  wlnter,  sondern  eigene  oaoh- 
lässigkeit  die  ähnlichkeit  mit  dem  eratgebarncn  Isaaks  urzengt  habe. 

Bechstein  ist  von  dieser  seiner  erkläruug  auch  selbst  nicht  sehr 
erbaut;    er    meint,    eine    so    recht   chnrukteristische   wintersnrga   wftr« 
damit  nicht  ausgedrückt,  dass  der  arme  gefangene  dichter  bärtig  gewor- 
den sei  und  sich  so  nicht  in  guter  geaelschaft  habe  sehen  la.>)seti  kQi 
nen  (a.  a.  o.  s.  447).    Daher  nimt  der  Urheber  der  conjectur  fi 


zu  WALTHBBa  VOKALSPIEL  67 

einer  aDdem  erklärung  seine  zufluclit;  er  gibt  den  sinn  der  beiden 
Yerse,  mit  denen  wir  es  hier  zu  tun  haben,  so  wider:  ^ich  bin  zu 
einem  Esau  geworden.  Meine  glatte  haut  ist  mir  rauh  geworden  wie 
dem  Esau ;  er  war  rauh  an  band  und  wange ,  ich  bin  es  auch ,  ich  habe 
infolge  der  kälte  aufgesprungene  haut  bekommen'^  (a.  a.  o.  s.  447). 

Das  ist  überraschend  kühn.  Mir  wenigstens  scheint  es  absurd 
zu  denken,  dass  ein  mensch  mit  aufgesprungenen  bänden  und  wangen 
sich  mit  Esau  verglichen  hätte.  Da  hätten  doch  wol  andere  vergleiche 
viel  näher  gelegen,  vorausgesezt ,  dass  man  unter  dem  druck  solcher 
leiden,  die  zum  glück  bei  uns  zu  lande  ein  winter  selten  in  dieser 
Yolständigkeit  zur  folge  hat,  noch  an  vergleiche  und  dichten  denkt. 
Überdies  muss  Bechstein,  um  seine  erklärung  aufrecht  erhalten  zu  kön- 
nen, annehmen,  dass  die  lesart  verlegen  v.  29  unsicher  sei,  was  er 
wenigstens  (a.  a.  o.  s.  446)  nicht  bewiesen  hat. 

Mag  daher  har  und  hüt  in  der  schrift  des  12./13.  Jahrhunderts 
auch  noch  so  ähnlich  sein  (vgl.  Bechstein  a.  a.  o.  s.  445),  ich  glaube, 
wir  dürfen  Bechsteins  haut  getrost  zu  grabe  tragen. 

Vielleicht  gelingt  es  mir,  im  folgenden  etwas  besseres  zu  bieten. 
Es  wird  nötig  sein,  das  ganze  lied  in  betracht  zu  ziehen. 

Man  hat  sich  bemüht ,  unserm  gedichte  eine  Überschrift  zu  geben. 
Wenn  ich  von  den  bezeichnungen  vokalspiel  und  reimspiel,  welche 
lediglich  der  form  des  liedes  ihre  entstehung  verdanken,  absehe,  so 
findet  sich,  vom  Inhalte  hergenommen,  bei  Pfeiffer  die  Überschrift 
wintersüberdruss,  bei  Wilmanns  winterklage.  Man  könte  auch 
noch  wintersorgen  oder  sommersehnsucht  vorschlagen,  aber  keine 
dieser  Überschriften  würde  begreiflicher  weise  den  Inhalt  unseres  gedich- 
tes  genau  angeben. 

Das  lied  Diu  weit  was  gdf^  rot  unde  hlä  ist,  wie  jeder  einsieht, 
im  winter  verfassi  Der  dichter  sagt :  „waldesgrün  und  vogelsang  sind 
Terschwunden  (v.  1  —  7) ,  blumen  und  klee  sind  nicht  mehr  da  (v.  8  — 
11),  die  lust  des  schapelbrechens  ist  vorbei  (v.  12 — 14);  drei  winter- 
Boigen  quälen  mich,  nur  der  sonmier  kann  mich  von  ihnen  befreien 
(t.  16  —  21);  ich  verzehrte  lieber  den  krebs  roh,  ehe  ich  lange  so 
fortlebte;  sommer,  komm  wider  mit  deinen  herzerquickenden  freuden, 
die  der  winter  vernichtet  hat  (v.  22  —  28);  ich  bin  verbauert  wie  Esau; 
mn  jeden  preis  möchte  ich  von  der  fessel  des  leidigen  winters  frei  sein^ 
(t.  29  —  35). 

Mitten  im  liede  stehen  die  werte:    der  wintersorge  hän  ich  dri. 

Bieser  vers  hat  mancherlei  kopfzerbrechen  und  viele,   wie  mir  scheint^ 

'lehe  erklärungen  hervorgerufen.    Die  Umschreibung  Pfeiffers  und  die 

%  Ton  Wilmanns  sind  von  Bechstein  (a.  a.  o.  s.  436  fgg.)  mit 

5* 


gniiid  zurQckgßvnesen  wordea,  Der  dicbter  will  weiter  niohts  sagen 
als:  ^idi  habet  drei  winteraorgeu."  Es  ist  splb^tverstüudlich ,  daas  Wal- 
tlier  uns  dieselben  in  seinera  liede  mitgoteilt  haben  musa.  Aber  wo? 
ßochstein  sucht  sie  in  den  beiden  lezteii  Strophen.  Hören  wir  seine 
eigenen  worte.  „In  den  beiden  lezten  atrophen  sind  die  drei  winter- 
Borgen  nicht  besonders  aufgeführt,  wol  aber  angedeutet.  Zuerst  ist 
von  der  kost  die  rede.  Im  winter  gibt  es  wenig  und  nichts  gutes  zu 
esaeo,  darum  den  krebs  tvolt  ich  e  eZEini  rö"  (a.  a.  o.  s.  447).  Ich 
denke,  wir  können  hier  abbrechen.    Wer  so  etwas  aus  den  warten 

£  danne  ick  lange  lebt  <dsö, 

den  hrchz  wuU  ich  &  eeeen  rö 
heransinterpretiert ,  wird  sicher  in  der  auflindung  der  andern  winter- 
sorgen nicht   glücklicher  sein.      Dass   Bochstein   das   nicht  war,    wird 
jeder  finden,  der  die  auseinandersetKung  Germ.  15,  b.  447  mit  aufmerk- 
aamkeit  und  urteil  liest. 

Mir  seheint  der  dichter  seine  winteraorgen  gleich  in  den  ersten 
Strophen  ganz  klar  ausgesprochen  zu  haben:  fQr  vogelsang  ini  waldes- 
grön  hat  er  das  geschrei  der  nebelkräbe  eingetauscht  (v.  1 — 7),  blu- 
mou  und  klee  auf  dem  hflgel  am  see  sind  nicht  mehr  (r.  8  —  11),  die 
iieude  des  schapelbrechens  ist  zu  ende  (v.  12  — 14).  Ich  flndo,  deut- 
licher als  durch  diese  drei  stocke,  die  Walther  schmerzlich  vermisst 
und  welche  man  im  anschluss  an  einen  ansdruck  des  11.  verses  Ohren- 
schmaus, augenweide  und  minnelnst  nennen  kSnte,  können  die 
drei  wintersorgon  nicht  angegeben  sein.  Somit  ISlt  für  mich  die  nöti- 
gung  weg ,  im  30.  vorae  einen  bedanken  zu  suchen ,  welcher  auf  auf- 
gesprungene hande  und  wangen  fiihrt.  Ja,  wenn  wirklich  etwas  dort 
stünde,  das  eine  derartige  erklärung  nahe  legte,  etwa  Bechsteins  hüt, 
so  wQrde  ich  kein  bedenken  tragen,  den  vers  für  verderbt  zu  halten. 
Denn  der  dichter  spricht,  wie  überall  in  den  liedem,  in  denen  er  sei- 
nem winterQberdruss  worte  leibt,  in  unsenii  ganzen  gedieht  nur  ¥0n 
den  sorgen,  welche  sein  herz  infolge  des  bösen  winters  quälen.  So 
müssen  wir  auch  in  v.  30  einen  gedanken  haben,  welcher  wie  das  ganze 
gedieht  sich  auf  den  gemütazustand  des  dichters  bezieht.  Ich  mOcbte 
daher  vorschlagen  fDr  har  zu  lesen  das  {min  sieht  das  ist  mir  worden 
rü),  80  dass  der  sinn  dieser  wäre:  ^ich  bin  verj>hiUstsrt  wie  Esan; 
was  glatt  an  mir  war.  das  ist  rauh  geworden,"  Dass  aber  die  worte 
sleiit  und  rii  in  dieser  übertragenen  bedeutung  gebraucht  wurden,  wie 
ja  noch  heutzutage .  dafür  liefert  uns  der  vorlezte  vers  '  des  vokal- 
spiels ,  in  welchem  Ulrich  von  Slngenberg  das  lied  Walthers  parodierte, 
den  besten  beweis. 

1)  nln  »Mt  itt  oU«  mordtn  ri. 


ZV   WALTHSB8  YOKALSPTEL  69 

Bechstein  sagt  (a.  a.  o.  s.  436)  ganz  richtig,  dass  uns  diese  paio- 
dien  in  einzelnen  föllen  eine  stütze  gewähren  für  die  wähl  und  die 
erUänmg  des  Waltherschen  textes.  Für  unsem  zweck  genügt  es, 
Ulrichs  gedieht  in  dieser  hinsieht  allein  in  betracht  zu  ziehen. 

Wenn  wir  das  lied  Sol  ich  midi  rihten  nach  dem  ä  genau  durch- 
lesen, so  finden  wir  anklänge  an  Walther  freilich  überall,  aber  an 
einigen  stellen  treten  dieselben  mehr  hervor,  an  andern  weniger.  Das 
merkwürdigste  ist  aber,  dass  uns  immer  ein  vers  einer  jeden  strophe 
der  parodie  ganz  besonders  an  eine  zeile  der  entsprechenden  strophe 
des  Vorbildes  erinnert 

Vgl.  parodie  v.   4  mit  Walthers  vokalspiel   v.  4 

55         55       55  1^    55         55  55  55  •*•  • 

55         55       55  "         55         55  55  55  ^  • 

55         55       55  *'*    55         55  55  55  «'^* 

Hiernach  dürfte  der  vers  min  sieht  ist  dUez  worden  rü  nicht  ganz 
ungeeignet  sein  unsere  Vermutung ,  zu  der  mx  schon  auf  anderem  wege 
gelangt  sind,  zu  bestätigen. 

LÜBECK,    IM    JUNI    1882.  HEINRICn   QISKE. 


MUSPILLI. 


Wenn  man  einen  blick  wirft  in  die  verschiedenen  lesungen  des 
Muspilli,  die  ja  bequem  zusammengestelt  sich  in  Müllenhoff- Scherers 
denkmälem  sowie  in  Vetters  ausgäbe  vorfinden,  wenn  man  beispiels- 
weise Schmellers  erste  und  zweite  lesung ,  mit  beiden  wider  Massmanns 
und  Haupts  angaben,  und  endlich  gar  Docens  erste  lesung  mit  ihren 
vielfachen  bleistift-  und  tinte-correcturen,  vergleicht,  so  kann  man 
sich  in  anbetracht  der  wesentlichen  abweichungen  bei  den  einzelnen 
eines  gefühls  peinlicher  Unsicherheit  nicht  enthalten,  und  man  fragt 
sich  oft:  wo  hört  die  lesung  auf  und  wo  fängt  die  conjectur  an?  Es 
ist  ja  eine  grosse  gefahr  beim  lesen  alter  handschriften ,  die  jeder  ken- 
nen wird,  der  verderbte  Codices  gebraucht  hat,  entweder  blos  dem 
äuge  zu  trauen  und  mechanisch  die  Schimmer  nachzuahmen,  die  aus 
dem  dunkel  des  reagenzgeschwärzten  pergaments  noch  hervortreten, 
oder  verstand  und  phantasie  ergänzend  wirken  zu  lassen  und  sich  zu 

1)  mtn  sieht  ist  aUez  worden  ru, 

2)  min  sieht  daz  ist  mir  worden  ru  nach  unserer  hcrstellnng. 


70  PIPER 

freuen,  wenn  man  etwa  die  markanten  züge  eines  1,  h,  g  n.  a.  da 
glaubt  hervortreten  zu  sehn,  wo  man  sie  erwartet  hatte.  Der  ersten 
gefahr  ist  Docen  bei  lesung  unsers  denkmals  unterlegen;  der  zweiten 
scheint  Seh  melier  nicht  entgangen  zu  sein.  Eine  handschrift  kann 
nur  der  richtig  lesen,  welcher  weiss,  was  dagestanden  haben  muss, 
sagt  Lachmann  richtig.  Aber  diese  regel  dürfte  für  Muspilli  schwer 
zu  gebrauchen  sein,  da  hier  jene  bedingung  unerfülbar  ist.  So  habe 
ich  es  denn  unternommen,  trotz  des  fleisses  meiner  Vorgänger  und 
obgleich  eine  handschrift  mit  der  zeit  bekantlich  inmier  schlechter, 
nicht  besser  wird,  das  original  von  neuem  zu  vergleichen.  Zunächst 
wolte  ich  für  meine  zwecke  genau  feststellen ,  was  wirklich  noch  erken- 
bar  ist,  für  wieviele  buchstaben  die  lücken  ungefähr  reichen  möchten 
und  welches  die  einrichtung  des  bandes  war.  Es  kostete  vielfach  ent- 
sagung,  da  nichts  lesen  zu  können,  wo  meine  Vorgänger  noch  lesen 
konten  oder  zu  lesen  glaubten,  aber  ich  wolte  vor  allem  eine  sichere 
grundlage  von  tatsächlichem,  und  auf  grund  dieses  vorberichts  wird 
man  es  vielleicht  nicht  unnütz  finden,  wenn  ich  den  folgenden  neuen 
textabdruck  hier  gebe: 

S.  61*  fintac  pi.  queme.  dazer  touuanfcal 

uuantafar.  fofihdiu  fela  inden  find 

arheuit.  enti  fidenlihhamun  likkan 

lazzit.  fquimit.  einheri.  fona  himil 
5  zungalon.  daz.  andar.  fona  pehhe 

dar  pagant.  siu  umpi.  S^^g^^ 

mac  diu.  fela  unzi  diu  suonaar 

get.  zauue  deremO  heri  e  fi  gi  ha 

lot  uerde,  unanta.  ipu  fia  daz  sata 
10  nazfel  /////ifindi.  kuuinnit.  daz  leitit  fia 

far  dar  iru.  leid  uuir  dit  in  fiiir  enti : : : 

finltri.  daz.  ii  ftretuirinlih  ding. 

upi.  fia  hauar  kihalontdie  die  dar 

fona  himile  quemant  enti  fi  dero 
15  engilo  eigan.  uuirdit.  die  pringent  f  | 

far.  ufin.  himilorihi.  dariift  lip  anotod 

lihot  ano.  finfti.  felida  ano  forgun.  a : : 

neoman  fiuh ,  denne  derman  in  par  : : 

S.  61»  z.  7  suonaar  gleicht  einem  u,  ist  aber  die  bekante  zweite  form  des  a. 
8  deremO  ist  anf  einen  andern  buehstaben  aufgeschrieben.  9  tata  verwiadit 

12  Am  Schlüsse  drei  ausgewischte  buchstaben.  15  die  pringent  undeatlioh. 

16  Das  lezto  d  scheint  mir  noch  deutlich.  17  Am  Schlüsse  räum  ftr  höchsteiis 

zwei  buchstaben. 


KÜSFILLI  71 

fu.  puki.  uuiimit.  hus  inhimile.  dar 
20  quimit  imoliilfa.  kinuok.  pi  diu:: 
mihhil.  alero.  mano  uuelUiemo. 
S.  119*"  daz  in.  ef  finmuot.  kifpane 

dazer  kotef.  uuillnii.  kernotuo. 
enti.  hellafair,  harte,  uuife, 
pehhef.  pinadar  piutit.  der  fatanaz, 
15  altüt.  heizzan.  laue,  fomachackan : , 
S.  120*  ACCIPE  SUMME  PUER 

?AKUU  HLUDOUUICE  LIBELLÜ    (1  z.  leer) 
QUEM  TIBI  DEUOTUS 
5  OPTULIT  EN  FAMULUS   (1  z.  leer) 

SCILICET  INDIGNUS  lUUA 
UENSIS  PASTOR  OUILIS.    (1  z.  leer) 

10  DICTUS  ADALRAMMUS 
SERUULUS  IPSE  TUUS. 

zadiu.  forgeu  drato  der.  fih.  suntigan 

uueizy  uue  demo.  in  uinitrifcal  fino, 

uirinaituen;  prinnan.  in  phhe  dazift 
15  rehto.  paluuic  dink,  daz  der  man 

haret  zegote  enti  imo.  hilfa  niquimit 
S.  120^  uuanit  füi.  kinadadiu  uuenac  fela 

niüt  in  kihuctinhimi.  liTkin  gote 

uuanta.  hiar.  in  aueroltiafter  niuuer 

kota,  godenne.  der  mahti  go  khuninc 
5  daz  mhal.  kipannit.  dara.  fcal  quemanchün 

no  kilihaz.  denne.  ni  kitar  parnonohhein 

den  pan  furi  fizzan.  nialero  manno  nelih 

ze  demo  mbale.  fcolL    Dar  fcal.  er  nuorademo  rihc 

cheaz.  rahhn.  Itantan.  pidazer  inuuerolti  /////// 
10  kiuer  kothap&a,  Daz  hör  tih.  rahhon.  dia  une 

roltreht  uuifon.  daz.  fculider.  anti  chrütomit 

eliafe  pagan  der  unarchist.  Muuafanit.  den  ne 

uurdit.  uuntar.  in  uuhc.  arhapan.  khen.  funfi 


S.  61%  19  dar  meine  ich  noch  zu  erkennen.  20  Den  schlass  kann  ich 

nicht  anders  lesen.  S.  120%  12  Den  schluss  kann  ich  nicht  anders  lesen. 

16  haret  (nicht  har&);  t  ist  nicht  an  e  herangerückt.  120%  8  ma^ale  der  lezte 

strich  des  a  fält  mit  dem  schaftstrich  des  h  zasammen ,  so  dass  entweder  eine  yer- 
schreihnng  vorliegt,  oder,  was  weniger  wahrscheinlich,  a  später  eingeschoben  ist; 
ebenso  z.  10  in  kotoAap&a,  11   christo  matt.  13  Ans  nahe,  ist  anic. 

gemacht,  indem  der  zweite  zug  des  h  von  oben  nach  unten  durchstrichen. 


72  PIPER 

fo  kreftic  diu  kofa.  ift.  fomihhil.  heliaf.  ftritit 

15  piden.  heuigon  lip.  uuili  den.  reht.  kernon.  daz 
daz  rihhi  kiitar.  kan:  pidiu  fcal  imo  hei  fan  der 
himilef.  Muualtit.  der  anti  chrifto.  Aet  pide 
mo  altfiante.  ftet  pidemo.  latanafe.  der  inan 
uar  fenkan  caL  pidio.  fcaler  inderuuc 

20  ////////eti  uunt  pmallaenti  indomofinde,  figa 
lof  uuerdan;  Doh  nuanit.  def  unla  gotman 
DO.  daz  hliaf  indemo  nuige.  aruuafeni: 
S.  121*  : : : :  z  hliafef  pluot  inerda  kitriufit 

:  0  in  prinnandieperga  poom  nikiftentit. 
:  ni  hcinerdn.  aha  ar  trnknnetmnor  uar 
ruuilhit  fih  foilizot.  lougiu.  der  himil 
5  mano.  uallit.  prinnitmit  tilagart. 
llen  ni  kiften  titeikin  erdu;  uerit  denne 
Ituatago  inlant.  uerit  mit  diu  uuir  uur 
ho  uuifon;  X)ar  nimac  den  nema  kandremo 
hclfan.  uora  demomufpille.  denne.  daz 

10  preita  uuafal  allaz  uar  prinnit.  enti  uugr 
enti  luftizallaz  arfurpit.  uuari  ift.  denne 
diu  marha  dar  mandar  heo.  mit  finen  ma 
gon  pi  ehe;  D^^  marha  ift  farprunnan.: 
fela  ft&pidungan  niuiz  mit  uuiu  puaze 

15  faieurit.  fi  zauuze;  pidiu  ift  demanne  fo 
guot  denner.  ze  demo  mahale  quimit  daz 
cr.rahono  ueliha  reto  arteile;  Dene  ni  darf 
er  for  gen.  dene  er  ze  der  ufuonu  quim///// 
/////t.  ni  ueiz  der  uuenago  man  uuielihan  uan 

20  til  er  hab&.  denner  mit  den  miaton  mar 

it  dz  reta ;  j)2LziQT.  tiuual.  darpi  kitar : : :  ft : :  | 
:r  hap  &  in  ruouu  rahono.  ueliha.  daz  der  man/////ent:fi 
:  pilef  kifrumita  daz.  eriz.  allaz  kifaget  denne.  er 
ze  fuonuquimit;  m  fcolta.  fid  man  nohhein  miatu:, 
S.  121**  : : : : .  er  d  :::::::  m  :: :  dzer : : : : : 

: : :  daz.  Ten  : : .  manne  nohhein  miatun  intfaan.  So : : : 
milifc.  hörn  kilutit  uir  dit  enti  Ah  der  fuanari  in 

S.  120  **,  14  ko/a  .  j^leicht  einem  r  16  Doppelpunkt  hinter  kan  20  uunt 
nndeutlicb.  22  Die  vier  lezten  buchstaben  möchte  ich  als  rtit  nicht  vertreten. 

S.  121*,  17  dar/*  spur  davon  noch  deutlich  18  quim  ist  mir  nicht  sicher, 
ebenso  19.  20  uantü  S.  121^,  1  Nur  bei  den  angegebenen  buchstaben  habe  ich 

keinen  zweifei  gehegt;  die  übrigen  sind  zu  sehr  durch  den  schnitt  beschädigt 


MÜSPILLI  73 

find  arheuit;  der  dar  fuonnan  fcal  toten,  enti  lepenten. 
5  Denne  heult  fili  mit  imo  heriomeiita  daz  ift  allaz  fo  pald 
daz  imo  nio  man  kipgan  nimak.    Denne  nerit  er:ede  | 
mahalfteti  dem  dar  kimarchot  ilt  dar  uuirdit  diu. 
::  a  dia  man  dar  hio  fageta;  Denne  uurant  engilauperd: 
marha  uuechant  deota.  uuüTant  zedinge.  denne  fc:  | 

10  manogilili  /////ona  dem  moltu  aritenloITan.  fih  ardem  le: 
uazzon.  fcal  imo  hauar  fin  lip  pique  man  daz  er  fin  reto 
allaz  Mrahhon  muozzi  enti  imo  after  finen  tatin  ar : : 
: : :  erde ;  Denne  der  gilizzit  der  dar  fuonnan  fcal. 
enti  arteillan  fcal.  toten  enti  quek  khen;  Denne  Aet 

15  dar  umpi  engilomenigi  guotero  gomono  gari  ift  fomih 
: :  dara  quimit.  zedem  rihtungu  fo  uilo  dia  dara : :  | 
f: :  aftent.  fo  dar  manno  noUiein  uit  pimidan  ni  mak 
::aL  denne.  hant.  fprehhan.  houpit  Tagen  allero:: 
uelih  unziin  den  luzigun  uiger.  uaz  er  untar 

20  : : : : :  mannun  mordef  kifumita ;  J)W[  niif  heo  so  lifti :  li 
man.  der  dar  hi  ouuiht.  arliugan ;  megi ;  daz  erkita :  | 
: : :  gi ;  tato  dehheina  niz  al  fora  domo  kunin : : 
:::::::  uuerde  uzzan  er  iz  mit  alamulanu  furi 
: : : : .  enti  mit  faftun  dio  uurina  ki  puazti ;  Denne :  | 

25 t .  der  gipüzzit.  ap&.  Denner  zedera : : : 

: : : : :  uurdit  denne  furi  kitragan  daz  frono  ehr :  | 
: :  dar  der  heligo  chrift.  ana  arhangan  uuard 

dio  mafun.  dio  er  in  dem  men : : : : 

: : : : :  dio  er  dumh  defie  mancunnef  minna. 

S.  121  ^  16  äara  zweifelhaft;,  uilo  der  zweite  strich  des  o  ist  doppelt,  so 
dass  es  einem  griechischen  a>  oder  der  bekanten  oebenform  des  m  gleicht  17  uit 
es  ist  h  eingeschrieben,  so  dass  der  schaft  desselben  mit  dem  i,  der  zweite  teil 
mit  dem  t  verschmilzt        19  nnzan? 

Die  äussere  einrichtung  der  handschrift  gestattet  noch  manche 
Schlüsse,  die,  soweit  mir  bekant,  in  dieser  form  noch  nicht  gezogen 
sind.  Als  Cimelium  21,  IX  sind  in  München  die  stücke  ausgelegt, 
welche  das  Muspilli  enthalten.  Natürlich  sind  die  lagen  nicht  geschie- 
den. Es  gehört  zum  Cimelium  1)  bl.  61  —  67,  also  ein  quaternio, 
denn  blatt61  ist  doppelt  gezählt;  2)  bl.  116  —  121,  also  eine  läge  von 
drei  doppelblättem ,  der  schluss  des  ganzen  codex.  Die  dazwischen- 
liegenden blätter  68  — 115,  d.  h.  sechs  quaternionen,  finden  sich  im 
CL  14098.  Haben  wir  also  in  den  beiden  lagen  des  Cimelium  den 
anftng  und  den  schluss  des  Augustinuscodex  vor  uns,   so  ist  Schmel- 


ters  Hcbluss  sicher,  dass  ndinlich  auf  den  deckein  des  codei  der  uirang 
und  HchluHH  Am  deutüclioii  stQckes  staiiden,  da  ja  aucli  die  Qbriguu 
teile  des  lexleron  auf  den  lecreu  blättern  vom  atifaiig  bis  jwai  Schlüsse 
des  codex  in  coutinuierlichem  zuBainmouhauge  steha.  De-m  kouil  noch 
eine  urffUgnng-  Der  Senno  l'ci  AvgvstiNi.  (das  lozto  i  ist  durch  das 
vorberfjohoudo  n  ffPüOKen)  Da  Tymbülo  coutra  Ivdaeof.,  wie  der  titel 
des  buclios  lautet,  ist  auf  s.  61'-  ■•  Ol*"  Cl*-  '■  62'  62''  usf.  bis  s.  119'' 
z.  10  in  je  vierzehn  seilen  auf  der  seite  geschrieben;  es  sind  also  för 
das  deutaeho  atflck  loer  geblieben  h.  Gl'-'  (21  z.),  der  rest  von  s,  119' 
(&  z.),  dor  rest  der  die  Widmung  in  angegebener  weise  tragenden 
B.  120-  (5  z.),  s.  lao'  (22  lt.).  121*  (24  z.J,  121"  (28  z.).  Wir  sehen 
ulxo  ven  v<>rn  nach  hinten  ein  zunehmen  der  Zeilenzahl  auf  den  Seiten 
des  deutHchen  stUcka,  wie  auch  der  Schreiber  almäblich  immer  mehr 
Worte  auf  die  zeile  presRt,  Daraus  ist  ku  schliessen:  l)  dass  er  hoffte, 
för  den  fest  des  ganzen  stOckes  noch  genflgenden  räum  auf  dem  hin- 
terdeckel  des  bnchs  zn  flndeu;  2)  dass  der  fehlende  anfang  des  Stückes 
keinenfals  in  mehr  als  21  zetlen  gescbrieben  war  und  keinenfals  mehr 
enthielt,  als  auf  s.  61''"  steht;  doch  auch  nicht  viel  weniger;  jeden- 
fals  ist  Keussiiors  crgäuzung  desselben  wissenschaftlich  wertlos;  3) 
dass  der  fohleude  »chlnss  wahrsdioinlicb  in  mehr  Zeilen  geschrieben 
uud  langer  war,  als  der  iuhalt  von  a.  12I^  Über  den  Inhalt  des  ver- 
lornen anfange»  und  sublusses  lassen  sich  nur  luutmassuugen  geben. 
.Tedenfidü  ist  sicher,  dass  MuüpilU  nicht  ein  bruchstfick  eines  grossen 
^lüsrhen  gi'dichtes  ist,  sondern  dass  vielmehr  der  tnhalt  des  uns  erhalt- 
no»  Ktitekcs,  die  lehre  von  den  lezten  dingen,  sich  mit  dem  des  gan- 
zen der  hauptsache  nach  deckt  Derartige  eptsodeuhafte  darstellnn^n, 
die  aus  dem  gebiete  der  evangelischen  geschichte  oder  der  christlichen 
lehre  gegriffen  waren,  finden  sich  aach  sonst,  wie  wir  ja  auch  bei  der 
famariteriu  keinen  grnnd  haben  zu  der  annähme ,  es  sei  ein  teil  eines 
gr4\ssereii  biblischen  epos.  Besonders  aber  scheint  die  lehre  vom  jüug- 
sten  gericht  beüi^bt  gewesen  zu  sein,  als  inhalt  solcher  kürzeren  dar- 
stellungen.  ich  erinnere  an  Ileda  de  die  iudicÜ,  und  aucb  Otfrids  dar- 
Stellung  vom  jfliigsten  gericht  bildete  UTSprflnglich  ein  ganres  für  sich, 
wie  ich  gezeigt  habe  (Otfrid ,  einl.  8.  26i  fg.).  Aber  sollen  wir  die  ans 
fiberlieferte  fassung  des  gedieht«  als  der  hauptsoche  nach  ursprüagüdi 
ansehn  ?  Sehen  wir  la,  welche  lüUsmiltcI  uns  d^r  tu  geböte  st^bn. 
Die  theologisehe,  er.  mythologische  Untersuchung  <>rgibt  in  bezog 
auf  die  Xussere  grstaltnng  des  gedichta  oiebt  eihebliche  resolute.  Zwar 
ist  es  der  ODteraichoig  Zarockes  gelungen,  die  charakt«rifittschcB 
lOge  als  in  d«r  chrisUklH«  sag«  begründet  danolegcn,  aber  ein  ihn- 
\  liohcs  eH^aMogiMhw  w«rt  alt  qttdit  Ar  «BMr  gvdk^t  ist  bialwr 


MTJSPILLI  75 

nicht  gefaudeu,  in  welchem  etwa  der  gedankengang  des  Mnspilli  sich 
wider  vorfände  und  seine  erklärung  erhielte,  und  aus  dem  anfang  und 
schluss  ergänzt  werden  könten.  Aber  yielleicM  ist  eine  solche  quelle 
gar  nicht  vorhanden  gewesen,  und  der  dichter  schaltete  in  freierer, 
genialer  weise  über  den  ihm  vom  christlichen  mythus  suppeditierten 
stoflf?  Dann  träte  die  ästhetische  kritik  dem  gedieht  gegenüber  in  ihr 
recht,  von  welcher  sogleich  die  rede  sein  soll.  Sicher  ist  jedenfals, 
wie  auch  Zamcke  und  Vetter  einräumen,  dass  gewisse  punkte  übrig 
bleiben,  in  denen  sich  die  ideen  unsres  gedichts  nicht  mehr  mit  älte- 
ren quellen  belegen  lassen.  Aber  die  könten  zutat  des  dichters  sein. 
Die  theologische  Untersuchung  wird  also  für  constituierung  des  textes 
von  geringem  ^erte  sein.  Wichtiger  wird  die  metrische  betrachtung 
sein.  Zwar  wird  ein  bestimtes  muster  des  allitterierenden  verses  nicht 
a  priori  als  zu  gründe  liegend  angenommen  werden  dürfen,  denn  ob 
ein  solches  existiert  hat,  wissen  wir  nicht,  können  es  nicht  einmal  für 
die  sprachen  des  eigentlichen  Deutschlands,  geschweige  denn  für  sämt- 
liche germanische  sprachen  nachweisen.  Es  scheint  ja,  besonders  was 
die  hinzufügung  von  Senkungen  und  die  Stellung  der  stUbe  betrifb, 
grosse  Verschiedenheit  in  den  einzelnen  dialekten  und  denkmälem 
bestanden  zu  haben.  Der  vers  des  Muspilli  muss  eben  seine  regeln 
aus  sich  selber  hergeben.  Aus  diesem  gründe  habe  ich  mich  mit  einer 
anzahl  von  Müllenhof fs  änderungen  nicht  befreunden  können,  aber 
noch  weniger  mit  vielen  von  Vetter  auf  grund  seiner  neuen  theorie 
empfohlenen  emendationen.  Zuzugeben  ist  freilich,  wie  gleich  gezeigt 
werden  wird,  dass  die  uns  überlieferte  gestalt  des  Muspilli  etwa  um 
ein  menschenalter  später  niedergeschrieben,  als  entstanden  ist;  allein 
da  wir  nicht  mit  Sicherheit  die  ältere  form  des  allitterierenden  verses 
feststellen  können,  wird  uns  diese  erwägung  nutzbiingend  nicht  sein 
können.  Wo  sich  freilich  eine  änderung  noch  zugleich  aus  einem  anderen 
gesichtspunkte  empfiehlt,  werden  wir  dieselbe  unbedenklich  annehmen 
können,  besonders,  wenn  die  erklärung  der  entstehungsweise  des  über- 
lieferten textes  keine  Schwierigkeit  macht.  Dies  ist  z.  b.  die  von 
Bartsch  und  Müllenhoff  für  verschiedne  stellen  empfohlene  weglas- 
sung des  artikels ,  da  diese  zugleich  der  spräche  des  ausgehenden  achten 
Jahrhunderts  mehr  entspricht;  sowie  die  weglassung  einzelner  flickwör- 
ter,  deren  Vorhandensein  im  ursprünglichen  texte  aus  ästhetischen  grün- 
den nicht  wahrscheinlich  ist.  Was  auf  diesem  wege  im  verse  geändert 
wird,  gibt  uns  dann  einen  wink  für  die  ältere  gestaltung  desselben. 
Fehlen  der  allitteration  wird  uns  eine  lücke  in  der  Überlieferung,  ev. 
spätere  zutat  erkennen  lassen.  Wenn  zugleich  der  endreim  hinzutritt, 
so  wird  dadurch  die  spätere  hinzufügung  wahrscheinlich  werden.     Was 


die  imtiahme  von  slroplieu  in  dem  stuoke  angeht,  so  wird  dieselbe  kui- 
neii  grössoreii  wert  beanapiucben  können ,  als  höchstens  den  einer  geist- 
reichen hypotbese.  Wur  sagt  ims,  duss  die  strophische  einteilung  Aar 
iillitterierendeu  lUchtmig  eigentttinlicb  war?  Der  Heiland  spricht  sogar 
dagegen,  und  angenommen,  es  würde  mit  Sicherheit  ein  strophisch 
gegliedertes  allitterierendea  gedieht  nachgewiesen,  wer  beweist  es,  dass 
auch  Muspilli  ein  solches  ist?  Solclie  behaoptungeu  müssen  durch 
innere  gründe  erwiesen  werden,  anaJogien  reichen  nicht  ans.  Und  was 
W-  Müller  für  seinen  versuch  einer  strophischen  gliederung  anführt, 
dass  nftmlich  nach  je  vier  versen  zugleich  eine  pause  im  sinne  eintritt, 
ist,  ganz  abgesehen  von  der  durch  Um  zur  hilfe  genommenen  ansetzung 
von  lacken,  kein  beweis.  Warum  nimt  er  nicht  zweieeilige  Strophen 
an  nach  art  der  SamaritenaV  warum  nicht  achtzeilige?  diese  sind 
ebenso  gut  durchzuführen.  Worauf  beruht  es ,  dasa  das  Hildebrandalied 
Strophen  von  drei,  Muspilli  solche  von  vier  versen  haben  soll?  Aus 
denselben  gründen  ist  natürlich  auch  Vetters  strophenteilung  zu  ver- 
werfen. Nun  ki'mte  man  die  im  manuscript  gesezten  grossen  anfangs- 
buchstaben  ah  anzeichen  einer  strophischen  gliederung  ansehen ;  aber 
durch  sie  erhält  man  weit  l&ngere ,  neun  - ,  zehn  -  und  eifzoilige 
abschnitte,  und  wenn  man  da  eine  gleichmässigkeit  hineinbringen  wolte, 
mflste  man  mit  athetierungen  imd  annähme  von  lOcken  arg  wirtschaf- 
ten. AuftUUig  sind  die  grossen  anfangsbuchstaben  im  texte  allerdings, 
besonders  die  unter  die  zeile  reichenden ,  und  ich  habe  viel  darüber 
nachgedacht,  ohne  indes  zu  einem  resultate  zu  gelangen.  Ergebnis- 
reicher ist  die  sprachliche  Untersuchung.  Sie  zeigt  uns  mit  Sicher- 
heit, dass  das  gedieht  früher  entstunden  ist  als  in  der  zeit,  aus  der 
die  handschrift  stamt.  Bartsch  bat  auf  altertümliche  formen  und 
Worte  desselben  aufmerksam  gemacht,  und  auch  die  allitteratiou  scheint 
hier  und  da  auf  ältere  wortantänge  zu  führen.  Wenn  also  die  sonstige 
betrachtung  einen  anhält  dafür  ergibt,  wann  man  sich  das  gedieht 
entstanden  zu  denken  hat,  so  wird  es  richtig  sein,  mit  vorsieht  die 
sicheren  formeu  dieser  ültereii  spräche  widerherzuatellen.  Freilich  kOute 
vielleicht  in  dieses  verfahren  durch  iufragestellung  dos  ursprünglichen 
dialekts  des  denkmals  einige  Unsicherheit  gebracht  wurden;  allein  es 
ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  dieses  denkuial,  das  jezt  den  bairiseben 
dialekt  zeigt,  eine  planmässige  Umarbeitung  etwa  eines  älteren  frfin- 
kischen  sei.  Von  grosser  und  grundlegender  bedentung  ist  die  Unter- 
suchung und  betrachtung  der  gestaltung  des  überlieferten  tex- 
tes.  Dass  er  diese  ausser  acht  gelassen  hat  bei  seiner  textrecenaioo, 
ist  der  haupteinwan J ,  der  gegen  Wilken  zu  erheben  ist.  Er  hKtte 
z.  b.,    wenn  er  die  Überlieferung  im  äuge  gehabt  h&tt«,  nimmormehr 


MÜ8PILLI  77 

den  ersten  vers  sin  tac  piqueme  usw.  an  einer  anderen  stelle  des 
gedichts  einfügen  können.  Der  text  ist  gleichmässig  von  ^iner  band 
geschrieben,  zu  6iner  zeit.  Nachträge  sind  nicbt  gemacht,  correcturen 
nur  von  erster  band.  Es  liegen  keinerlei  anzeicben  vor,  welche  darauf 
schliessen  lassen,  dass  das  vorliegende  stück  eine  abschrift  sei  aus 
einem  älteren  geschriebnen  stücke,  etwa  gar  ein  excerpt.  Die  wider- 
holung  in  bs.  s.  121**,  2  beweist  vielmehr  dagegen.  Denn  wäre  diese, 
wie  man  gemeint  hat,  ein  fehler  beim  anfang  der  neuen  seite  durch 
widerholung  des  bereits  geschriebenen  entstanden,  so  müsie  auch  das 
vorhergehende  stimmen,  aber  dagegen  sprechen  übereinstimmend  alle 
lesungen  des  anfangs  dieser  seite.  Vielmehr  ist  diese  widerholung  ganz 
anders  zu  erklären,  wie  wir  gleich  sehen  werden.  Dialektmischungen 
finden  sich  ebenfals  nicht,  die  so  oft  abschriften  charakterisieren,  end- 
lich auch  nicht  jene  art  der  ungenauigkeiten ,  die  nur  dem  abschreiber 
passieren  kann  und  die  nach  dem  von  mir  in  der  einleitung  zum  Otfrid 
s.  80  aufgestelten  grundsatze  so  unzweideutig  zu  erkennen  sind.  Um 
es  gleich  auszusprechen:  wir  haben  hier  eine  aufzeichnung  aus  dem 
gedächtnisse  vor  uns,  ausgeführt  von  einer  des  Schreibens  ungewohn- 
ten, orthographisch  nicht  geschulten  band.  Sehr  ansprechend  ist 
Schmellers  Vermutung,  Ludwig  der  Deutsche  selbst  habe  diese  eintra- 
gung  volzogen.  Da  er  nun  das  buch  von  Adalram  schwerlich  vor  826 
erhielt,  wo  er  nach  Dümmler  I  s.  27  in  nähere  beziehung  als  fürst 
zu  Baiem  trat  (daher  das  „seruulus"  zu  erklären),  und  wo  er  etwa 
21  jähre  alt  war  (Dümmler  I  s.  19),  mithin  mit  recht  noch  als 
erhabner  jüngling  von  dem  alten  Adalram  (f  833)  bezeichnet  werden 
konte;  so  könte  man  etwa  denken,  er  habe  eine  ihm  aus  der  jugend, 
vom  hofe  Karls  d.  Gr.  her,  dessen  liebling  er  war  (Dummlerl  s.  20) 
und  der  die  heimische  dichtung  schäzte  und  pflegte,  bekante  dichtung, 
soweit  sie  ihm  erinnerlich  war,  hier  aufgezeichnet.  Er  könte  das  dann 
etwa  im  anfang  der  vierziger  jähre  getan  haben,  wo  er,  der  in  seiner 
Jugend  doch  fränkisch,  jedenfals  nicht  bairisch  gesprochen  hat,  zeit 
gehabt  hatte,  den  dialekt  seiner  neuen  heimat  zu  erlernen  und  wo  die 
bruderkriege  ihm  diese  reminiscenz  besonders  nahe  legten.  Nicht 
bedeutungslos  halte  ich  in  dieser  hinsieht  die  offenbar,  wie  Bartsch 
zuerst  gezeigt,  (Peifaliks  priorität  ist  zweifelhaft)  später  eingeschob- 
nen  verse  mit  dem  endreim:  vielleicht  eine  reuevolle  erinnerung  an  die 
Schlacht  vonFontenoy,  den  25.  juni  841,  der  vorzubeugen  Ludwig  ver- 
gebens getrachtet  hatte  und  die  den  mitlebenden  als  ein  grauenvolles 
gemetzel  von  mitbürgem  und  mitchristen  galt  (Dümmler  I ,  s.  154 
anm.  65).  Aber  wer  auch  der  Schreiber  sein  mag,  sicher  scheint,  dass 
ihn  sein  gedächtnis  bis  in   die  zeit  Karls  d.  Gr.  zurückfahren  muste, 


Kr  alao  schweilich  den  teit  lauge  nach  S40  niedergeacfariebon  hat, 
wenn  sohou  gewisse  anzeicheu  der  Sprache  nicht  gestatten,  ihn  vor 
dieses  jähr  zu  setzen.  SchtiesBlich  komt  bei  einor  neuen  recension  die 
ästhetische  Würdigung  des  testes  in  betracht,  und  da  muss  ich 
CS  von  vornherein  aussprechen,  dass  die  vun  Bartsch  zuerst  gefund- 
nen  abschnitte  jedem  unbefangen  und  natürlich  urteilenden  in  die  äugen 
fallen,  und  jeder  versuch,  einen  innern  zusiiuiuieuhaug  zwischen  den 
einzelnen  stücken  herzustellen,  erscheint  gezwungen,  Am  wenigsten 
kann  ich,  wie  os  Zarncke  in  seiner  sonst  so  verdienstvollen  schrift 
getau  hat ,  eine  besonders  geniale  conception  darin  erkennen.  Eiu  dich- 
ter, der  mit  so  packender  gewalt  die  Schrecknisse  des  jüngsten  geriehts 
schildert,  der  in  unübertretiicber  weise,  die  form  der  aufzäbluug  ver- 
meidend, das  hauptsächliche  in  prägnanter  darstellnng  gibt  und  was 
die  gefühle,  die  sein  eignes  herz  bewältigten,  auch  im  lesenden  zu 
erneckeii  weiss:  eiu  derartiger  dichter  kann  nicht,  indem  er  erst  die 
bescbi'eibung  des  aufeutbalts  der  guten  und  bösen  nach  dem  gericht, 
dann  die  laduug  zum  gericht  selbst,  dann  den  beiden  vorangehenden 
kämpf  des  Elias  mit  dem  antichrist  und  die  Schrecknisse  beim  heran- 
nahen dos  jüngsten  tages,  dann  eines  der  hauptvorgehen  auf  erden, 
welches  ewige  verdamnis  zuzieht,  und  endlich  das  gericht  selbst  schil- 
derte, nebst  einer  hinweisung  darauf,  wie  man  es  bestehen  kann ,  darin 
eine  künstlerische,  ihn  selbst  befriedigende  auordnung  gefunden  haben. 
Die  von  MüUenhoff  iu  den  denkmäleni  durch  gedaakenstriche  abge- 
sonderten stücke  1  —  30,  31—36,  37  —  62,  63—7^,  73  —  103  stehen 
für  sieb  da ,  und  auch  durch  Umstellung  ist  kein  befriedigender  Zusam- 
menhang in  dieselben  zu  bringen;  ausserdem  sind  61.  G2  als  späterer 
Zusatz  des  Schreibers  zu  betrachten.  Wie  haben  wir  uns  nun  die  ent- 
stchung  uusres  manuscripts  und  seinen  Zusammenhang  mit  dem  ursprüng- 
lichen gedichte  vorzustellen?  Feifalik  suchte  die  einscbiebung  von 
37  —  62  so  zu  erklären,  dass  er  meinte,  der  scbreiber  habe,  als  er  in 
seiner  vorläge  bis  zu  der  stelle  vom  gericht  gekommen  sei,  sich  auf 
da»  ähnliche  stück  vom  Elias  und  autichrist  besonnen  und  dieses  hier 
eingetragen.  Diese  aunahnif  an  sich  ist  höchst  uawabtscheinlich,  denn, 
abgesehen  davon ,  dass  in  dem  zulezt  gesagten  gar  kein  anknflpfungs- 
punkt  für  den  kämpf  des  Elias  vorlii^,  vielmehr  der  engere  Zusam- 
menhang nach  Feifalika  meinung  sogar  unterbrochen  wird ,  denn  er  hält 
V.  36  und  63  als  zusammengehörig:  so  würde  es  doch  hOchst  seltsam 
sein ,  wenn  ein  Schreiber  so  eine  reminiscenz  an  beliebiger  stelle  in  die 
mitte  seiner  copie  flickte,  statt  sie  etwa  am  Schlüsse  nachzutragen. 
Aber  wenn  wir  Feifaliks  meinung  veralgemeinern,  so  kommen  wir  viel- 
leicht auf  das   richtige:    wir  haben  hier  aus  dem  gedächtniaae  auf- 


MU8PILU  79 

gezeichnete  bruchstücke  eines  etwas  volständigeren  (vgl.  s.  74)  moral- 
theologischen  gedichts  vor  uns,  disiecta  membra  poetae,  soweit  sie 
eben  dem  Schreiber  im  gedächtnisse  geblieben  waren.  Das  ursprüng- 
liche gedieht  mnss  ein  memento  mori  enthalten  haben,  etwa  wie  das 
von  Barack  jüngst  aufgefimdene,  mit  dem  die  stelle  63  —  72  manche 
ähnlichkeit  anfv^^eist,  dann  eine  darstellnng  der  zeichen  des  herannahens 
des  jüngsten  tages ,  endlich  die  Schilderung  des  gerichtes  selbst.  Ist 
aber  unser  gedieht  eine  Zusammenstellung  solcher  erinnerungen  aus 
einem  früher  ganz  bekanten  gedichte,  so  können  wir  einerseits  die 
gewissheit  haben,  dass  wir  die  schönsten  und  ergreifendsten  stellen 
gerettet  vor  uns  haben,  da  diese  ja  am  meisten  im  gedächtnisse  haften 
musten,  andrerseits  können  wir  uns  nicht  verhehlen,  dass  manche  metri- 
sche, sprachliche,  dispositive  ungenauigkeit  in  dem  texte  enthalten  sein 
wird,  die  zu  heben  aber  nicht  mehr  in  unsrer  macht  steht.  In  s.  121** 
z.  1  hat  der  Schreiber  z.  b.  sicher  noch  den  Inhalt  von  s.  121%  14  fort- 
geführt; da  aber  verliess  ihn  sein  gedächtnis  und  er  kam  wider  auf 
den  Stabreim  manne  nohheina  miatün  intfäan  zurück.  So  lassen  sich 
noch  manche  spuren  des  mit  ungewanter  feder  aus  dem  gedächtnis 
aufzeichnenden,  aber  keine  einzige  spur  einer  abschrift  nachweisen. 

Indem  ich  nun ,  um  dies  noch  luculenter  zu  machen ,  eine  darstel- 
lnng der  grammatik  des  Muspilli  gebe,  stelle  ich  zunächst  hierher 
einen  abdruck  einiger  andrer  denkmäler  aus  St.  Emmeram,  freilich  aus 
späterer  zeit,  die  aber  zur  vergleichung  der  dialektischen  eigentüm- 
lichkeiten  dienen  mögen  und  deren  zeilengetreuer  abdruck  aus  der  hs. 
vielleicht  auch  sonst  nicht  unnütz  ist. 

A.  Die  Münchener  hs.  CI.  14456  (vgl.  Littg.^  s.  53  nr.  254  und  s.  54 
unter  nr.  261)  enthält  86  blätter  gi*.  8^  Sie  ist  s.  4*  — 5**  zweispaltig, 
s.  6^  dreispaltig  geschrieben  und  bietet  folgende  glossen,  denen  ich, 
wo  es  nötig  erscheint,  die  stelle  aus  Graff  beifüge. 

S.  4*. 


Sp.  aj)r&a  posteria  pars  nauis 
athl&a  chempho 
agonith&a  qui  pree  ludu 
lixa  urschelchi  l  uilis 
5  tragoedia  Indus  autiquus 
celicola  Celeste  uitä  ducens 
craiugena  de  greca  (m)  natus 
arbit  iudex 
scaber  scaberi 


Sp/^celeuma  mermin  (Gr.  II,  774) 
toreunna  drasli 
toregma  dratazuaz 
Stigma  anamali  uuntun 
5  emblema  abundantia 
scema  figura 
stenmia  corona 
paradigma  exemplQ 
cocliare  lefil  l  uermis 


1)  Mit  Littg.  oder  Gramm,  eitlere  ich  meine  Litteraturgoschichte  und  Gram- 
matik des  Ahd.  und  Ab.    Paderborn  1880. 


80 


PZPBB 


10  uafer  calidus 

fribulus.  rito  (Gr.  11,  476). 

gilnas  dusin  sie  eqnus 

pannus  Iahen 

fraxinus  asc. 
15  alnns  elira 

laurus  lorboü 

cornus  cornnl 

sagma  "soü  l  satul 

migma  spriu 
20  j'plema  phaga. 

Sp.  a  allec  genas  piscis 

ceruical  hirniboUa 

mugil  qui  mugit 

tibicen  phifari 
5  fidicen  suegalari 

cornicen  homblaso 

flamen  sacerdos 

omen  salus 

stam  unarf 
10  subtim  uuefal 

fragmen  bruchili 

uim  gerta 

rien  lentibrato 

lien  spien 
15  agon  strit 

ficon  SOG  schob 

artimon  segal 

phiton  serpens 

lar  suasduä  l  ignis 
20  iubar  schimo 

Sp.  a  fuligo  roaz  (Gr.  11 ,  563). 
mulio  marahschalc 
mario  narro 

bipennis  bihal  (Gr.  in,  43). 
5  cespes  noaso 
olor  elbiz 
penus  chellari  (Gr.  IV,  390). 


10  spado  castratas 

crabro  humiz 

caupo  nuinzuril 

chilo  lancbecho  (Gr.  HI ,  29). 

burdo  saumaro 
15  uespello  uuefsa 

margo  finis 

nrido  hizza 

conpago  gauuagida 

ppago  phrofa  (Gr.  m,  366). 

gUDlini  harz. 

S.  4\ 

S.  ß  lucar  rShhus 

far  spelza 

crater  gellida 

papauer  mago 
5  rüder  gamulli 

teres  rotundus 

deses  sine  sensu 

sitas  gilegeni 

artatus  gaduhter  (Gr.  V,  117). 
10  arcitos  separatio 

rictos  sonus  lupol^ 

loius  suphabundantia 

ambio  circQeo 

almities  scitas 
15  eluoies  huz  flaxus 

ingluuies  cupiditas 

glos  scoub 

tabo  corruptio 

puls  brio 
20  tuber  ersuam 

S.  5*. 

Sp.  ß  torax  bninnaroch  (Gr.  II,  432). 
philax  kazza 

edax  qui  multQ  pot6  edere 
j'cax.  psüptiosus 
5  sagax  acutus 
uiuax  uelox 
contumax  resistens 


XUBPXLLI 


81 


labos  tiies.  suth  I  qnicqd  noc&. 

lens  dis.  niz. 
10  lens  tis.  lins. 

sctops  fonea 

&sci8.  burdi. 

agilis  nelox 

inermifl  sine  annis 
15  bonos  honoT 

arbos  arbor 

cros  bein. 

specQs  spelnnca 

ligos  nom  patriQ 
20  aiax.  j'piQ  nom 


loquax.  multü  loquens 

remex  ferari  nauto 
10  sorex  mus 

rmnex  brama  rumicis 

cemix  hals 

frntex  studa 

essox  laas  ille  piscis  (d,  i.  lahs) 
15  allabrox  ursus 

atrox  senerus  grimer 

uolox  j>priü  nom 

poUux  deus 

aruns  j'priQ  norä 
20  celebs  uirgo 


S.  5 


Sp.  apceps  framhalder 

forceps  zanga 

manceps  qni  manu  capif 

mnniceps  gibnr.  cinis 
5  iners  sine  arte 

calips  fermm 

excors  sine  corde 

arcnbüs  arcns 

colns  rocco 
10  panns  spolo  (Gr.. VI,  334). 

dnctus  leiti 

siren  mermin  (Qr.  U,  774). 

aceste  mer&trix 

parasitaster  stioffat 
15  capella  geiz 

uligo  sprang  (Gr.  VI,  398). 

endo  anaboz 

snber  houarohter  (Gr.  IV,  838). 

eqnor  meri 
20  teres  rotnndus 


Sp.  ß  narix  unern  in  boue 

scrops  fossa 

stelio.  mol.  (Gr.  11,  719). 

ador  genus  fmmti 
5  latex  fons 

ilex  arboris  nom 

nitricos  stioffater 

carex.  sahar. 

filix  nam 
10  celox  nauis 

glis  gliris  mus  mihilo 

glis  sis  derbem  heim 

glis  tis  glimo  der  uurm 

cubo  sedeo 
15  abdico  friquidu 

nellico  nnelzu 

beo  gratifico 

creo.  schephu 

nanseo  uullon 
20  nucleo  kimu 


Sp.  a  enncleo  erkirnn 
screo  racbison 
deeorio  bifiUu 
pio  porgo 


S.  6'. 

Sp.  ß  pedit  firrit 
tundo  bliuu 
indo  anaheftn 
lingo  leckon 


y.  DBVTBOHB  PHILOLOOIB.    BD.   XV. 


Sp.  ygarrio.  craun 
gestio  desidero 
alligurrio  gnsto 
hinnio  uueion 
6 


82 


PIFEB 


5  hio  ginen 


hämo  bigrabu 

scalpu  iucku 

turbo  gihonu 

mancipo  bihefbu 
10  liquo  sihu 

eliquo  nzsihu 

imnito  (t  aas  z  corr.) 
lobon 

lintrizo  nauigo 

alo  blasu  (u  aus  a 
corr,) 
15  exalo  erblasu 

frico  ginitu 

aceo  suren 

cieo  noco 

mulceo  uueiku 
20  pelliceo  firspanu 


5  mingo  seihu 

strno  zimbron 
sugo  sugu 
uergo  halden 
ango  dningu 
10  trudo  claudo 
j>mo  j>fero 
demo  aufero 

cudo  smidon 
satago  hilu 

15  uerro  traho 
tero  ribu 
labor  slifu 
plector  punior 
nanciscor  iDuenio 

20  comminiscor  erden- 

ku 


5  mugio  louu  (Gr.  IV, 

1096). 
polio  slihtu 
grunnio  granon 
sartio  siauu 
farcio  stuncon 
10  falcio  arücku 
ambio  umbifacio 
santio  constituo 

uincio  bintu 
amicitio  (sie)  umbi- 
uuintu 
15  sortier  deilu 


B.  Cl.  14429  (Littg.  s.  54  nr.  257)  4<>  228  bll.  enthält  f.  3  fgg. 
ein  Glossarium  Salomonis  latinum.  Ich  notiere  daraus  folgende  deut- 
sche glossen: 

f.  222^  sp.  a    lancea  läz 

aetda 

Ascella  dr  locus  de  quo  manat 

üao 

sp.  y    Bubo  nomen  auis 

lUbd 

qui  cum  sibilatione  loqunt* 

malzi 

5  Bracium 
Botholicula  stopha. 
Burdo  soumare 
sp.  ß  Andleta.  milis.  chempho 
f.  221**  sp.  ß  Celocä  genus  nauicule  paruissimum  qd  bamblum 

dicimus 
10  Nietare.  Cinnum  facere  id  uuinchan 
f.  222^  sp.  a   Ci-umenis.  saccalis.  bigurtel 

Coniectura  urdänc 
Gapus  haue 

2  D.  i.  uettah  (Gr.  lU,  449).         3  üuuo  (Gr.  I,  172).  11  (Qr.  IV,  255). 

13  (Gr.  IV,  796)  habnh 


ICU8PILU  8d 

Ciceudula  gliino 
15  C&us  üual 
Cluma  ah 
Cartallago  crosbel 
sp.  ß  Cos  uuezstan 
Capulus  helza 
20  Colostrum  nüs. 
f.  223**  sp.  /   Intestina  coel  chomae  tharama 
f.  225"  sp.  ß  Panus.  flesc  conail 

f.  225**  sp.  a  Sabmentum.  est  quod  sub  meuto.    Id  est  untarchinui 

Solcatorium   dr  instrumenta   ferreum.     Incuruatum. 
id  est  noil 
25  Sponda  tabula  lecti  id  betepr& 
Spien  idest  milze 
sp.  ß  Scraeo.  id  est  p  uim  spuo  id  est  rachiso 
sp.  y  Simplones  commune  &  amicus  sponsi  q  cü  eo  ambulat 
simplaton  dr  serum  careuazzar  ide  meolc. 
S.  226  sp.  a  Tribula:  genus  uehiculi.  unde  teruntur  frumenta. 

14  (Gr.  IV,  289).  16  (Gr.  I,  105).  17  (Gr.  IV,  617).         20  S.  223»» 

sp.  a  steht  Filez  exita    sp.  ß  Ingois  blen    229  ^  sp.  ß  Mantüe  manuterium 

C.  Cl.  14569  (Littg.  s.  53  no.  244)  4<>  142  bll.  enthält  von 
s.  33 • — 98**  einen  Sedulius.  Von  den  glossen  sind  viele  verwischt. 
Folgende  habe  ich  noch  zu  erkennen  vermocht: 

gruonlendi      gigetan  yiosti  (?) 

S.  33*   uirecta        munda:tur        Signa 

S.  35*   cerulea  blauui 

S.  39'  uiolaria  bluomlendi  Gruonlendi 

distil  hugidistil 

S.  39'   Carduus      paliurus 

BlOCIll 

S.  40**   Quod  ledat 

gilkppdk.  \  appeteret 

S.  44'   aff&ar& 

D.  Das  St.  Emmeramer  gebet  in  Cl.  14345,  gr.  4^.  117  bll. 
s.  117*  (vgl.  MüUenhoff- Scherer,  Dkm.*  nr.  LXXVIII  s.  192  und  564. 
Littg.  8.  95,  b): 

Trohtin  dir  uuir  duih  pigihtig  allere  minero  funtono  enti  minero  milFa- 
tateo  I  allef  def  ih  eo  mifla  fprahhi.  oda  mifla  tati.  oda  mifla  dahti. 
uuorto.  I  enti  uuercho.  enti  gadaucho.  def  ih  kihugku.  oda  nigihugku. 
def  ih  I  uuizzanto  geteta.  oda  un  uuizzanto.  notag.  oda  unnotag.  flaffan- 
to  I  5  oda  uuahhento.  meinfuerto.  enti  lugino.  kiridono.  enti  unrehtero  | 
uizufheito.   hurono.    fouuefohi  fio   giteta.    enti  unrehtero  firinlulto.  |  in 

6* 


mufa.  enti  in  trancha.  enti  in  unrebtemo  riaffa.  daz  da  mir  trohtin  | 
kenir.  enti  giuada.  far  kip.  daz  ih.  fora  dinon  ongtm.  unTcamanti  mozzi 
uaefan  |  eiiti  ü&z  ih  in  defaro  nueralti  minoro  milfa  Uto  riuuu.  enti  barm 
Tcara  liapan  ]  10  mozzi  ////////////fo  liho  (o  dino  uiittada  Iid.  allef  uualtanto 
trohtin.  got  almahtigo  |  kauner  do  mir  hdi'an.  enti  ga  uuerdo  mir  far 
geban.  keuuizzida.  enti  {  furillentida.  cutan  uuillun.  mit  rohtan  galoupoa. 
za  dinemo  deonoßia  trohtin  \  du  in  defa  unerolt  quami.  Tuutiga  zagene- 
rienna.  ka  uuerdo  mih  gahaltan  |  enti  gan^rion.  chrill  cotaf  Tun  trohtin 
Tu  fo  da  uuelleT.  enti  fo  lo  dir  gezeb  G  )  15  tua.  pi  mih  fcaUi  dinan. 
trohtin  uuemo  darfti  ßat.  in  dino  genada  trohtin  |  pifilhu.  min  herza. 
mina  gadancha.  minan  nuillnn.  ininan  mot.  niinan  |  lip.  miniu  unort. 
minia  uuerh.  leißi  trohtin  dino  ganada.  uper  mih  Funtigan  |  dinan  fcalb. 
kanori  mih  trohtin  fonna  allemo  upila. 

Te  diTe  piuf  dominator  &  mifericorr  df  rupplicef  trementefq ,  de- 
pcamiir  ut  p  {  20  mirericordia  toä  accionef  üräf  toa  grä  iiiluminare  dig- 
neril'  A  adiuuando  |  in  bona  fing  pducere,  qui  regnf  adf  iu  trinitate  pfecta. 
p  oma  ^ch  Mo^  ani, 

Z.  10  runT.  —  Die  lezt«  Cää.)  zeilo  deg  codoi  ist  leor.  ^ 

E.    Otlohs  gebet  im  Cl,  14490.   4".   S.  161"  fgg..  wahrscheinlich 
ein  autograpb  Otiobs.    (Vgl.  Dkm.»  nr.  LXXXUI  s.  808  u.  57«.     Uttg. 
9.95,  c). 
S.  161"*     Oratio  tbeutonica  es  ruperiori  oratiooe  edita. 
Trohtin  alniahtiger.  tu  der  pill  einiger  troll  unta  enui 
giu  heila  aller  dero  di  iudihgloubant  iouh  in  dih 
gidingant.  tu  inluibta  min  herza.  daz  ih  dina  guoti 
15  imta  dina  gnada  megi  anadenchin.  unta  mina  fuinta 
iouh  mina  ubila.  nnta  die  megi  fo  chlagen  vora  dir 
aKo  tb  <lcl  hidurü.    Lefki  trohtin  allaz  daz  in  mir 
daz  der  leidiga  uiant  inni  mir  zuinta  uppigaf  nn 
ta  unrehtel  odo  unfubrar.  unta  zuinta  mih  zeden 
20  giriden  def  euuigin  libef.  daz  ih  den  alfo  mcgi  min 
aan  nnta  mih  dara  nah  hungiro  unta  durlti  alfo 
ib  def  bidurfi,     Dara  nah  macha  mih  alfo  fron  unta 
kreftigin  in  alle  dinemo  dionolti.  daz  ih  alla  die 
arbeita  megi  lidan  die  ih  iu  del'er  werolti  fculi  li 
26  dan  durh  dina  era.  unta  durh  dioan  namon.  iouh 

Z.  10  leer.  Z.  11  rot  auf  rasnr.  Z.  12  eanigiu  auf  «wnr. 
oingeMhoben.  Z-  15  AtinU  auf  rasnr.  Z.  IS  zninta  ntdiort. 
aaf  roinr.        Z.  35  «ra  auf  raaar. 


MÜBPILLI  85 

Trohtin  da  gib  mir  chraft  ionh  da  chanft  dura  zoa. 

S.  162^     durh  mina  durfti  odo  darb  iömannel  durfti.    Dara 
nah  gib  mir  foliha  gloubi.  folihan  gidingan  zidinero 
guoti  alfo  ih  def  bidurfi.  unta  foliha  minna  foliha 
Yorhtun  unta  diemSt  unta  gihorfama  iouh  gidult 
5  foliha.  fo  ih  dir  alamahtigemo  fculi  irbieton.  iouh 

mennifixm 

allen  den ,  mitten  ih  wonan.    Dara  nah  bito  ih  daz 
du  mir  gebeß;  foliha  fubricheit  minan  gidanchan  iouh 
minemo  lihnamon  flaffentemo  odo  wachentemo. 
daz  ih  wirdiglihen  unta  amphanglihen  zidinemo 

10  altari.  unta  zi  allen  dinemo  dionoM  megi  gen.    Dara 
nah  bito  ih  daz  du  mir  gilazzaft  aller  dero  tuginde 
teil  ana  die  noh  ih  noh  nieman  dir  lichit.    Ze  erüt 
durh  dina  heiliga  burt.  unta  durh  dina  martra.  unta 
durh  daz  heiliga  cruce  in  demo  du  alle  die  werolt 

15  loftoft.  unta  durh  dina  erftantununga.  unta  durh 
dina  uffart.    iouh  durh  di  gnada  unta  troit  def  heili 
gun  geiftef.    Mit  demo  trolti  mih  unta  Itarchi  mih 
wider  alle  uara.  uuider  alle  fpenM  def  leidigin  uiantel. 
Dara  nah  hilf  mir  durh  die  diga  fcQ  mariun  euuiger 

20  magidi  iouh  durh  die  diga  fcl  michaelif.  unta  allef 
himilif  ken  h^rif.  unta  durh  die  diga  fcl  iohif  baptift^. 
&  fcl  Petri.  pauli.  andre^.  iacobi  iotif.  &  omnium 
apto^^  tuo]^.  unta  durh  aller  dero  chindline  diga. 
die  durh  dih  erflagon  wurtun  abherode.    Dara  nah 

25  hilf  mir  durh  die  diga  fcl  Stephani.  fcl  Laurentii. 

Z.  1.    Nach  durfti.  Yerweisangszeichen  auf  das  über  der  seite  nachgetragene. 
19  oaoiger  auf  rasiir. 

S.  162**    Viti.  pancjatiL  Georgii.  Mauricü  DionifiL  Gereonif. 
kyliani.  BonifaciL  lanuarii.  TpolitL  Cyriaci  Syxti. 
&  onmiü  focioj^  fuoRt.    Dara  nah  hilf  mir  durh  die  di 
ga  Icl  Emmerämi.  SebaltianL  Fabiani,  Quirini.  Vin 
5  centii.  Caituli.  Blafii.  Albani.  Antonini.    Dara  nah  hilf 
mir  durh  die  diga  fcl  Silueftri.  Martini.  Bemigii. 
Gregorii.  Nicolai.  Benedicti.  Bafilii.  Patricii.  Antonii. 
hylarionif  ambrofii*  augultini.  hieronimi.  Wolfkan 
gi.  Zenonif.  symeonif.  Bardi.  Odalrici  leonif  pap^. 
10  &  ppcef  fcärum  uirginü.  Petronell^.  cecili^.  fcolafti 
CQ.  margaretQ.    Dara  nah  hilf  mir  durh  die  diega 
omniQ  fco(^  tuo]^.  daz  necheina  mina  funta.  noh  heina 
vara  def  leidigin  yiantel  mih  fo  girran  megin.  daz 


mih  (lina  gnada  higcba.     Dara  nali  rJfl  ili  /i  diiien 
15  goaduD  umW  uufer  miinuHuri  daz  zUlorit  ill 
dnrh  uufre  funta,  daz  t'z  rihtet  werde  dnrli  dina 
gnada.  unta  dnrli  aüpro  diiiero  heiligono  diga 
zn  QulViii]  durftin.  unta  ü  allero  durfli  die  li<;ra 
dionunt.  odo  hie  gnaclu  sficlmnt.     Hugi  ouli  troli 
20  tin  aller  dero  famanunge  die  iöuar  fiu  gifa 
manot  in  dineuio  nmnin.  unta  bidoncha  fia  in 
omnib;  noccITitatib -.  fuir.     Dura  na)i  bitu  ib  umba 
alla  die.  diu  ßh  in  min  gebet  haban  binolohon 
mit  bigihto  odo  mit  flegiin  rnerfo  Gßu.  Fiiuro 
25  filin.  daz  ttt  fi  lazzelt  gniozzen  def  gidiugon  den 

nnfcr  kll^rv  durii 

Hugi  trobtin ,  dina  managnahtiga  gnada.   unta  bldencl 

Hat  fo.  daz  dia  era  unta  dio  lob  hie  megi  wcfen. 

7,.  15  xulurif  corr.  nod  rul.  mia  ist—  19  lucliunl  u  iat  ftUH  n  getnsottt 

nd  V  darüber  ececli rieben.  20  dcro  auf  r&8.  toii  : : : :  Ilc  21  onU  biitcncbt 

a  anf  ruor.  '/..  2G,  27  simi  nntcn  auf  der  seit«  Dnohgntragon.         27  djn  : : 

M.  von  ab. 

.  163*  ß  zi  diuen  gnadun  habcnt  ioub  zi  iiiiuemo  gibeti, 
Gnada  in  trobtin.  unta  gihugi  daz  tu  unlih  gibv 
ti  beton  umbe  ein  andra.  Dara  nah  röfo  Jh  zi  di 
iien  gnadun  uiube  alla  nnfre  rihtara  phalToD  ioah  lei 
5  gun.  daz  tn  fie  foliba  gimaccholl.  daz  ß  ßb  reiben 
megiti  gribten.  unte  alla  in  unter  tana  ioub  biuo 
Uhna.  Dara  nah  bito  ih  umbe  alla  niine  chnnlin 
ga.  daz  tu  ße  bidencbilt  nah  tineu  gnadun.  Dara 
nab  bito  ih  umbe  alla  die  dieder  io  ebe.'ona  gnndn 

10  mir  gitatin.  odo  cheina  arbeita  umbi  mih  iö  habi 
tin  uonua  anaginna  minaf  libef  nnzi  an  dera  uuila. 
daz  tu  iulonall  da  Her  beziilt  bidurfin.     Ih  bito  onh 
umba  alla  die  diedor  cheinnin  wilun  vonna  mir 
giwirfirit  odo  ungitroltit  wurtin,  daz  tu  fie  ribtcd 

15  unta  troidolt  mit  dinero  guoti.     Dara  nah  bito  ih 
umba  ullaz  daz  ungrihti.  iouh  umba  allen  den  iln 
frido  ioub  umbaz  daz  ungiwitiri.  duz  tir  ionor 
fi.  daz  tu  tuder  ellin  dinc  mabt.  nah  dinen  giia 
dun  bidcncbea  allaz.     Dara  uah  r6fo  ib  umbi  all» 

20  UülH  brödra  virvarana  hie  bi  grabana.  ioub  uinba 
alla  die  dieder  hie  fint  higrahan  mit  rchtero  glou 

Z.  IT  frido  aus  i  corr. 


HÜSPILLI  87 

toton 

ba  yiruärna.    Dara  nah  bito  ih  umba  alla  die;  die 
hia  brüderfcaft  habant.  iouh  umba  alla  die.  dero 

wir 

alamSfan ,  10  imphiangin.    Dara  nah  bito  ih  umba 
25  alla  die.  umbi  die  ioman  m$z  bitin  dina  gnada. 

S.  163^    daz  fi  mSzzen  gn.ozzen  alla  mineF  lebanneF.  unta  def 
daz  ih  bin  hie  Tuplter  hafteriro.    Zi  lezzift  piuiliho 
ih  mih  felben  unta  alla  mina  arbeita  allen  minen 
fliz  indina  gnada  umbi  daz  da  ih  felbo  nimegi.  odo 
5  nichunna.  odo  niuuella  mih  bidenchan  durh  mina 
brodi.  unta  durh  mina  unrScha.  odo  durh  mina 

h 

tumpheit.  tu  mih  bidenchail  aKo  du  mäht  unta  canlt. 
unta  alTo  diu  gutta,  unta  diu  uuiltuom  ilt    In  manuf 
tuaf  dne  cömendo  fpm  &  corp^  meum. 

Z.  2  lezztst  lang  darch  nrsprüngliches  e  gezogen. 

Endlich  sei  noch  ein  Preisinger  stück  herangezogen,   das  Pa- 
ternoster (Dkm.*  LV,  s.  158  u.  508),  welches  sich  in  dem  Münchener 
Cl.  6330.   8^   71  bl.  s.  70**  und  71*  findet: 
S.  70**  Pat  nr  qui  ef  in  celif.  fat  unfer  du  pift  in  himilum 
mihhil  gotlichül  daz  der  man  den  almahtigun 
truhtin  finan  fat  uuefan  quidit  karifit  denne. 
daz  allere  manne  uuelih.  fih  felpan.  def  uuirdican 
5  gote.  coteflunt  zeuuefan.     Sclfic^^  nom  tuü.  kauuifit 
fi  namo  din.    Nüt  unF  def  duruft.  daz  uuir  def  dikks 
daz  der  fin  namo  kauuihit  uuerda.  der  eo  uuaf  uuih 
enti  eo  ilt.  uzzan  def  dikkameF  daz  der  fin  namo 
in  unf  kauuihit  uuerda.  enti  de  uuihnaffi  de  uuir 
10  inderutaufi  fona  imo  intfengun  daz  uuir  ze  demu 
ruono  takin  furi  inan.  kahaltana  pringan  muozin. 
Adueniat  regnü  tuü.  piqhuemerihhi  din  fin  richi 
uuaf  eo  enti  eo  ilt.  uzzan  def  dikkamef  daz  daz  fin  richi 
unf  piqhueme  enti  er  inunf  richifoia.  nallef  der  tiuual. 

15  enti  finuuillo  inunf  uualte  nallef  def  tiuualef  kapanft. 

fiat  uoi.  uuefadin  uuillo.  fama  fo  in  himile  eü.  fama  inerdu.  daz 
nufo  unpilipono  enti  fo  erlicho  fofo  de  engila  indemu 
him.le  dinan  uuillSn  arfuUant  def  mezzef  uuir  inan  arfullan 
muozzin.    Pafi  nrm  cotidiafi  danobhodie.    Pilipi  unfraz 

20  emizzigaz  kip  unf  eogauuanna.    In  defem  uuortü  fint. 

Z.  10  ze  e  aus  a  gemacht,  der  erste  gmndstrich  des  a  durch  punkt  darüber 
getilgt.        16  fiat  uol  am  rande.        18  himtle  links  am  rande  auf  rasur. 


ailo  unfro  lic  mircun  duruf  ti  pifankan.    Nu  auar 
euuigo  forkip  uni'  truhtin  den  dinan  licbaiDUn. 
S.  71'   cnli  din  pliiot  daz  uuir  fona  demu  altare  intfahanier  daz  iz 
iinr  zBeuuigeraheUi.  enti  za  euuiki^mo  lipe  piqhueme 
nallef  za  uuizzo  enti  din  anll  enti  iJiDomiuDa  iDunr 
foUicIio  kahalt.  &  diniitte  nob  dehita  ufä  fic  &  nof  dimittim' 
5  dobitorib;  nrTf-  enti  flaz  unf.  unfro  fculdi  fama  fo  uuir  flaz 
zamef  unlVem  fcolom  raakanoot  durut't.  allero  manno 
uuelihhemo  fih  felpan  defem  auortum  za  pidenchen 
u»;  das  allero  manno  uuelib  finemn  kanoz  enti 
flnemu  pder  er  allemu  hugiu  enti.  berdn  Gdo  miffi 
lu  tati  llazze  daz  iuiu  der  truhtin  Tama  deo  Quo  flaze 
danna  er  demu  finemu  kanozze  flazan  ni  uuüi 
dauiia  qhuidit  flaz  uor.  Tama  fo  uuir  äazamer; 
&  ne  nof  induoar  intemptatione.  end  princ  unnh  iii 
incborunka.  niflaz  nnlic.  truhtin  den  tiuual  fo  fram 

Cn 

15  gachoroD.  rofo  nuillolj.  uzzan  Coro  uuir  mit  dinera  anit 
enti  mit  dinem  ganadou.  ubaruneban  mokin. 
Sed  iibera  nof  a  malo.  uzzan  kaneri  unQh  tbna  alle 
l^tOD  kalitanB  enti  antuuarte.  enti  comftioheiu  aiii. 
Z.  2  Jaa  Bwoita  zo  ans  e  cofr.         Z,  3  anff  etwas  verwisoht.         Z.  16  gmia- 
<l«ii  nebt  mehr  wie  o,  deon  als  a  aas. 

a  (Gramm,  s.  180  fgg.).  Den  umlaut  sehen  nir  in  HuspÜli  schon 
reich  entwickelt,  ganz  regelrecht  in  61*,  4  heri  61",  8  herie  121^  5 
herio  120^  20.  121*,  7  8t«ti  120',  8  uarsenkan  61',  13.  121',  15  engilo 
121*,  8  engila  61',  3.  11.  14,  119%  13.  120'',  20.  121',  10.  11.  22. 
121%  4.  12.  14  (2mal)  enti  121%  9  uuechant  121%  28  m6n(niacOD) 
120%  13  khenftm  120%  6  kreftic,  auch  durch  unechtes  i  bewirkt  in 
121%  6.  15  uerit  ßl%  3.  7.  121%  4  arhenit  121%  5  heuit  121%  2.  6 
kistentit  (vgl.  E  162%  21  nemin),  ebenso  fehlt  er  ganz,  regelrecht 
(Oramm.  s.  181)  iu  120%  4  mahtigo,  und  —  ein  kenzeichen  des  Ober- 
deutschen —  in  den  1-  und  r-verbinduugen:  120%  17  kiuualtit  119% 
15  altist  121%  6  uallit  120%  16  kistarkau  121%  21  marrit  121%  21 
kitamit.  Beim  langen  a  iat  er  nicht  gebraucht,  weder  bei  echtem 
(120%  1.  21  nnänit  121%  12  tätin).  noch  unechtem  i  (61%  4  läzzit), 
auch  nicht  in  der  eudung  -liri  (121%  3  Euasäri).  Dagegen  ist  er  in 
driÜezter  sUbe  gewirkt  in  121%  16  meoigi  (197,  20  Irauali  117,  5 
nianagi).  Dei  der  recoustmctioa  der  um  810  geltenden  form  des 
gedieht«  —  denn  weiter  zuiQck  weisen  keine  bestirnten  spuren  ~  dfirfU 
es  mißlich  Bein ,  wesentliche  Hudurungsn  im  überlieferten  tocalstande  dei 


MU8PILLI  89 

denkmals  Yorzunehmen ,  denn  auch  schon  in  den  vorwiegend  alem.  gl. 
Ba  findet  sich  umlaut  in  driüezter  silbe  gewirkt  und  auch  in  den  gl. 
Cass.  wird  umlaut  durch  unechtes  i  hervorgebracht. 

halön  zeigt  stets  den  oberdeutschen  vokal,  der  sich  auch  bei 
Tatian  findet  (61%  8  gihalöt  13  Mhalönt). 

In  bezug  auf  e  und  i  in  Stammsilben  ist  folgendes  zu  merken. 
Der  regel  entsprechend  (Qr.  s.  183)  ist  e  erhalten  in  dem  öfter  begeg- 
nenden uuelih;  ferner  61',  14  quemant  120%  5  queman  121%  11  pi- 
queman  120*,  16.  121%  9  helfan  121%  12  dehheina  121%  17  sprehhan 
61%  5.  119%  14.  120%  14  peh  120'  14  rehto  121%  2  perga  120%  3 
uuerköta  120%  9  kiuerköt  120**,  21  uuerdan  121%  12  (uu)erde  121%  3 
erdu  1?1',1  erda  119%  2.  120%  15  kemo  121%  14  quekkhen;  ebenso 
steht  der  regel  entsprechend  i  in  dem  7  mal  vorkonmienden  quimit 
Gl%  10  kuuinnit  61%  1  kisindi  61%  19  kiuuinnit  121%  2  inprinnan 
121%  6  prinnit  120%  14  prinnan  121%  10  uarprinnit  121%  29  minna, 
zweimal  in  sind,  61%  15  pringent  61%  15.  121%  3.  7  uuirdit  121%  9 
muspille  121%  12  gisizzit  121%  16  rihtungu.  Das  abweichende  hil& 
61%  20.  120%  16  findet  sich  auch  sonst  in  bairischen,  bezw.  St.  Em- 
meramer  denkmälern  (Graff  IV,  922)  enti  61%  3.  11.  14.  119%  13. 
120**,  20.  121%  10.  11.  22.  121%  4.  12.  14  (2mal),  24  ist  sicheres 
kenzeichen  bair.  dial.  (Gr.  183). 

a  findet  sich  regelrecht  und  unverändert  öfter  in  sär,  dar,  pägan, 
je  zweimal  in  uuänit  und  äno,  120%  12  dräto  120%  1  kinäda  120%  12 
kiuuäfanit  121%  5  mäno  121%  8.  12  mäk  121%  2  intföan  121%  12 
tätin  121%  22  täte   121%  28  mäsün   61%  4  läzzit 

6  komt  vor  in  den  verben  ggn  (61%  8)  und  sten  120%  17.  18. 
121%  14.  121%  10.  15.  16  (Granmi.  s.  342).  Dieses  e  findet  sich  im 
9.  Jahrhundert  vorzugsweise  in  fränkischen  denkmälern.  In  den  gl.  Pa 
und  Ka  steht  durchweg  gän  (Kögel  s.  179),  ebenso  in  den  hrab.  glos- 
sen,  z.  b.  41,  20.  22.  222,  25  gäm  222,  35  stät.  In  Otlochs  gebet 
steht  schon  (E  162'^  10)  gen.  Fals  also  eine  fränkische  reminiscenz 
bei  dem  Schreiber  aus  sicherem  anhält  sich  ergäbe,  könte  dies  6  als 
stütze  dieser  ansieht  dienen.  Die  übrigen  älteren  bairischen  denkmäler 
ergeben  kein  beweisendes  beispiel,  weder  das  Freis.  Patern. ,  noch  die 
Cass.  Glossen  sprechen  dagegen.  —  Über  das  S  in  s§la  vgl  unter 
uu.  —  Das  ursprüngliche  §,  welches  die  diphthongisierung  gestattet, 
ist  vertreten  durch  120**,  3  Mar  (vgl.  gl.  K  269,  4  her) ;  für  das  bai- 
rische  gebiet  ist  um  810  keine  andre  form  nachzuweisen  (vgl.  E 162*,  19. 
163%  20.  21.  163%  2  hie  163%  23  hia).  In  dem  werte  121%  20  mia- 
ton  121%  24.  121%  2  miatun  ist  die  brechung  in  Ba  noch  nicht  durch- 
gedrungen.   Die  Gl.  Mens,  haben  613,  36  mietente;  vgl.  668,  4.  754, 


30.  Die  gloäseu  aus  Cod.  14669  (Littg.  a.  31)  ur.  19)  liaben  schon  hier; 
auf  eine  filtere  form  als  liiar  ist  also  niclit  zorflckzagreifeu.  —  121*,  IS 
pielic  (Gramm,  s.  305  u.  186),  Tn  tlör  7.  st.  coujug.  steht  in  Pa,  Ra, 
R  (199,  24  föl)  noch  der  ungebrochL'ne  litut,  Preis.  Patern.  (70^  10  int- 
feiiguii);  die  gl.  Mona,  haben  neben  642,  11  nideiliezun  633,  66.  657, 
10  anastien  596,  58  spiegal  64G,  72  vuipI  686,  40  ri&un  803,  54 
piviench,  nach  634,  38  pivench  679,  59  giuvelun;  Tgl.  E.  163",  24 
imphiangin.    F  70^  10  iutfengun. 

Für  altes  ö  findet  sich  sowol  ua  (121^  '2ö  gipuazzit.  23  alamaa- 
Banu  24  kipuazt!  121',  14  puaze  121^  3  snanari)  als  uo  (61*,  7  anona 
121*,  24  suonu  12I^  4.  13  suounau  €1*,  22  muot  121*,  16  gnot 
121*,  15  guotero  121',  1  pinot  121',  3  muor  61'.  20  kinnok  121'.  22 
raonu).  Von  den  ua  sind  zwei  (l2l^  23.  25)  erst  durch  correotur 
binzugokommen ,  lassen  also  auf  einen  gewissen  widerstreit  in  den  nei- 
gungeu  des  Schreibers  sehlieasen;  eins  (121*.  14)  ist  in  der  zosatzstelle 
des  Schreibers  enthalten.  Die  vorwiegenden  uo  gestatten  nicht  die 
niederscbrift  Tor  840  zu  setzen  (Weinhold.  bair.  Gr.  63.  97.  Wag- 
ner, Freis.  Namen  s.  56);  vgl.  D  8.  10  mozzi  16  mot  E  lßl%  14. 
162'.  3.  163'.  15  guoti  162*.  4  diemÄt  162\  14  röti  19  söchunt  163*. 
3.  19  röfo  163",  20  brödra  23  briiderscaft  24  alamüsan  25  mui  163*,  1 
niSzzen  6  uuriicha  8  uuistuom.  Exhort.  söaatagin,  söuatage  F  7o^,  11  suono 
takin,  ninozin  19  muozzin  71",  1  pluot  71',  9  prodea,  gl.  R.  45,  31  mibi- 
lamöt  115,  37.  187,  15  uuiderraoti  in,9uäofit  7  aruuostit  127,2urplftti 
171,  12  uparmatlibho  235,  34  s6hhäri  u.  S.  Bei  dieser  consequenz,  mit 
der  ua  in  den  sonstigen  bairischen  denkmälern  gemieden  ist,  werden 
wir  in  den  ua   fränkische   reminisceiizen    finden  müssen. 

Das  idg.  i  ist  unversehrt  erhalten  z.  b.  120%  20  sigalOs  121%  Ifl 
uilo;  ebenso  (  vgl.  oft  119%  11.  121',  12.  121%  II  sin  ßl%  16.  120% 
8.  16  rlhi  119%  14  pina  121%  10  gilih  120%  6  Vilibaz  120%  12 
121%  8  uuisön  120%  14  stritit  120%  15.  61%  16.  121%  11  Up  121%  24 
std  121%  9  uulssant  121%  17  pimidan  61%  2  Ubhamnn  120%  9  pi 
120%  22  uuige;  ebenso  in  der  coutraction  120%  18  altfiante. 

Statt  ai  ist  regelrecht  ei  entwickelt  in  61%  4.  120%  6  ein  121% 
24,  121%  2.  17  nolihein  121%  22  dehheina  fil%  14  eigan  121%  6  eik 
61%  10  leitit  11  leid  121".  10  pceita  121%  5  meista  121%  17  art«Ue 
121*,  14  arteilluw  120%  13  uueiz  119%  15  heizzan;  regelrecht  6  in 
120%  15  heuigon  61%  7.  120%  1  sola  (Gramm.  282)  120',  13  un?  and 
auch  in  120%  7  uuenac  121%  19  uuenago.  Gegen  die  rege!  dagegen 
steht  121%  6  stfn  121%  27  heligo  und  vielleicht  l2l%  3  ^nihc  (vgl. 
D  17  leisti  und  14  gez?b;  E  zeigt  nur  regelmSssige  formen, 
lieh  stets  heilig;    choima  J63%  9  i*t  corrigiert.     Über  die  gl.  Pa. 


MÜ8PILLI  91 

s.  Kögel  s.  17  fg.  Exh.  zeigt  noch  ai  in  maistron,  sonst  regelrecht 
ei  und  e;  aber  heli;  P  regelrecht,  namentlich  auch  heili.  Die  gl.  R 
schreiben  51,  9  schon  pedahalp  53,  36  fredic  [232,  12  freideo]). 

u  und  0  stehen  in  regelrechtem  Verhältnisse  zu  einander;  vgl. 
120^  13  unter  121*,  13  farprunnan  61',  7  unzi  121%  14  pidungan 
120^  2  uunt  120',  12  suntigan  120^  2  kihuctin  119^  15  huckan 
61%  6  umpi,  dagegen  das  öfter  begegnende  fona  und  fora,  121%  3  hom 
121%  10  moltu. 

ü  begegnet  in  61%  16  üf  19  pü  121%  17  stüatago  120%  14  stüen 
121%  23  kilütit    121%  23  üzzan. 

Die  formen,  in  denen  sich  das  alte  eu  darstelt  (vgl.  Gramm. 
8.  195)  sind  119%  14  piutit  121%  1  kitriufit  121%  21  arliugan  61%  18 
siuh  121%  21  tiuual  neben  61%  17  lihot  (vgl.  Gramm,  s.  195)  und 
121%  9  deota;  ausserdem  121%  12.  121%  20  heo  61%  18  neoman 
neben  121%  8  hio  121%  21  hiouuiht  121%  6  nioman  und  auch  121%  19 
uuielihan  (vgl.  D  9  riuun  12  deonosta  E  161%  23.  162%  10  dionosti 
162%  1  iomannes  5  irbieton  12  nieman  162%  19  dionunt  25.  163%  1 
gniozzen  163%  10  io  17  ioner  25  ioman  F  70%  15  tiuuales  20  eoga- 
uuanna  71%  14  tiuual).  Wenn  es  gälte,  die  ältere  bairische  form 
zu  reconstruieren ,  so  wurden  für  diesen  laut  vielfach  die  älteren  gestal- 
tungen  einzusetzen  sein.  Die  Schreibung  61%  11.  119%  3  fuir  121',  7 
uuiru  121%  10  uugir  (vgl.  Gramm,  s.  197)  scheint  besonders  in  Fran- 
ken gebräuchlich  gewesen  zu  sein  (Weinhold,  bG.  s.  109  fuhrt  nächst 
Muspilli  die  frühesten  bairischen  beispiele  aus  der  Vorauer  hs.  an).  Dass 
es  in  gl.  Pa.  Ra.  K  und  im  voc.  lib.  S.  G.  begegne,  ist  eine  irrige  angäbe 
G raff 8  (in,  675);  vgl.  aber  F.  161%  4  inluihta,  eine  Fuldaer  reminiscenz? 

Altes  au  erscheint  regelrecht  als  6  in  61%  16  töd  121%  4  töten 
121%  10  lössan  121%  26  fröno  120%  20  sigalös,  als  ou  in  121%  2  poum 
121%  4  lougiu  121%  18  houpit  61%  1  touuan,  als  au  in  119%  15  laue. 
Wenn  man  erwägt,  dass  in  D  ö  und  ou  sich  regelrecht  in  die  herschaft 
teilen,  ebenso  in  E;  in  der  Exh.  dagegen,  sowie  in  den  bair.  glossen 
auch  vielfach  au  begegnet,  so  wird  man  an  dem  vereinzelten  laue  kei- 
nen anstoss  nehmen. 

In  bezug  auf  Synkope  (vgl.  Gramm,  s.  207  fgg.)  ist  folgendes  zu 
erwähnen,  ohne  dass  jedoch  aus  den  wenigen  tatsachen  sich  bestimte 
Schlüsse  ziehen  Hessen:  Die  synkope  hat  statgehabt  in  121%  7  imrho 
(d.  i.  uiriho)  61%  12.  120%  13  finstri  120%  15  paluuic  121%  8  andre- 
mo;  sie  hat  nicht  statgehabt,  doch  ist  vokalschwächung  eingetreten: 
61%  8  uuederemo  120%  21  aruuäfen(it?);  auch  vokalschwächung  fehlt 
in  120%  12  kiuuäfanit  61%  5  zungalon  121%  16  mahale  121%  5  mit- 
tila  121%  23  upiles  121%  23  alamuasanu  120%  14  uirina  61%  12  uirin- 


Üh  121',  23.  121",  '20  kifrumita.  In  demdoppel-n  121',  3  artroknnet 
mAchte  ich  die  aadeutung  des  dem  n  nach  syubopieruDg  des  vokaJs 
beigelegten  stimtons  erkeoneD.  —  Der  irrationale  vokal  im  nomiiiatir 
erscheint  als  a  121*,  10  uuasal  21  tluaal.  Man  vgl.  ferner  130%  3. 
121',  12  after  121%  8  uper  mit  121*,  9  antar  120%  12  uuntar  —  vgl. 
noch  rüe  eudung  in  120%  1  üuenao. 

VoealaBsimilation  der  stamailbe  au  die  cndsilbe  hat  statt  in 
120%  20  domo. 

Für  die  präfixe  ist  folgendes  zu  merken :  Unser  denkmal  hat  meist 
ki,  selten  gi,  und  sUmt  darin  mit  den  gl.  Ra  und  Rb.  Die  gl.  B 
haben  neben  ka  (cu)  seltener  ga,  die  gl.  Ra  auch  ki;  F  hat  ka,  nur 
einmal  in  der  mitte  des  wertes  ga  (vgl.  Exh.  eogaliher)  und  einmal 
ganadon.  Die  Exh.  bat  ca  (ka  einmal),  ausserdem  galauppene,  gapet. 
Damit  vgl.  in  unsrem  denkmal;  61%  13  kibalont  120%  2  kihuctin 
61%  19  kisindi  120%  16  kistorkan  121%  2.  G  kistentit  121%  33  kisaget 
119*',  11  kispane  120%  1  kinada  61%  20  kinuok  121%  7  kimarchftt 
120%  6  kilihaz  121%  3  kilütit  120%  9  kiuerkftt  12  kiunäfanit  17  kiunal- 
tit  61%  19  kiuuinnit  121%  23.  121%  20  kifrmnita  120%  5  kipannit 
121%  6  kipgan  121%  24  fcipuaztj  120%  6  kitar  121'.  1  kitriufit  121%  21 
kitar(nit)  121%  2G  kitragan  121%  12  kirahh6fi;  synkopiert  Gl%  lO 
kuuinntt.  Daneben  61%  8  gihal5t  121%. 25  gipuazzit  121%  12  gisizzit 
121%  10  manogilib.  —  Femer  haben  wir  als  präfix  mid  präpoaition 
die  form  ze  (120',  16.  120%  8.  121%  IC.  18.  24.  121%  6,  9.  15.  25), 
daneben  seltener  za  (61%  8.  120*,  12,  121%  15.  Denselben  stand 
finden  wir  in  F  (71%  2.  7  za,  sonst  ze)  und  im  voc.  Üb.  S.  Qalli. 
Dagegen  die  Exh.  und  Gl.  R  (z.  b.  49,  6.  97,  5.  109,  11.  17.  111,  19. 
113,  2.  116,  16.  20)  haben  nur  za,  E  hat  zi.  —  Muspilli  schreibt  ar 
als  präp.  (121%  10)  und  als  prüfix  (61%  3.  121%  12  arheuit  120%  13 
arhapan  121%  27  arhaugan  121%  14  arteillan  121%  3  artruknnet 
121%  17  arteile  121%  10  arst^n  l2l%  11  arfurpit  120%  22  aruuafen(— ) 
61%  7.  121%  4  arg@t  121%  21  arliugan  (einmal  aatßrit?  121%  IG). 
Hierin  stimt  das  denkmal  mit  gl.  R,  Ra,  Pa,  auch  mit  F;  aber  Exh. 
hat  ur.  —  Die  vorsilbe  uar  (120%  18  uaraenkan  121%  3  narsimUhit 
121%  10  uarprinnit),  far  (12i%  13  farprunnau)  stimt  zu  den  übrigen 
bair.  dcnkmdlem  (Exh.  gl.  R  Pa  Ba  Hb;  E  bat  schon  vir).  —  Mit  int 
bei  Verben  (121%  2  int^n  121%  2  inprinnan;  lezteres  nicht  assttoiliert: 
vgl.  F  17  nnpilipono)  vgl.  int  bei  F,  gl.  R  (».  b.  103,  27).  l'a,  Ba, 
Rb,  Exh.  und  E  im(phengun)  (als  prilp.  120%  9)  auch  in  gl.  B 
(51,  20).  —  pi  als  präp.  (61%  20.  120%  9.  15,  16.  17.  19)  und  Vor- 
silbe (121%  4  pidnngan  61%  l  piqneme  121%  11  piquemaii  120%  SO 
piualla  121%  17  pimidan)  ebenso  iu  F,  gl.  B,  Exh.;  E  hat  bi  (bc,  pI). 


KÜ8PILU  93 

Von  auffälligen  vokalischen  erscheinungen  sind  noch  zu  notieren 
die  elision  in  61»,  4  squirnit  10  kuuinnit  120\  10  hOrtih  121%  16.  20. 
121^  25  denner  121^,  22  niz;  die  synalöphe  in  121%  24  mannohhein 
121%  6  demanne;  die  auslassung  des  a  in  121\  6  kipgan  (in  uula? 
120%  21),  des  e  in  120%  14  phhe,  und  wol  auch  in  120"*,  22  hlias 
121%  1  hliases,  die  Schreibungen  121%  14  uiz  121%  6  eik  121%  8 
uuranh  120^,  13  uuntar  sind  wol  nur  Schreibfehler  eines  des  Schrei- 
bens weniger  gewohnten;  dagegen  werden  wir  in  der  widerholten  aus- 
lassung des  i  nach  uu  (in  120%  12.  121%  25  uurdit  120%  19  uc  121%  7 
urho  121%  15  uuze  121%  24uurina;  vgl.  auch  urit  121%  15?)  keine 
Zufälligkeit  mehr  erblicken  dürfen. 

t  ist  allenthalben  verschoben,  wie  zu  erwarten,  im  anlaut  (61*,  5 
zungalon)  im  inlaut  zwischen  vokalen  als  zz  (61%  4  läzzit  121^,  11 
uazzon  121%  12  muozzi  121%  23  üzzan  119%  15  heizzan),  als  z  (121%  4 
suilizot),  nach  consonanten  z  (121%  19)  unzi);  in  der  gemination  z 
(121%  19  luzigun),  in  der  Verschärfung  zwischen  vokalen  zz  (121%  25 
gipuazzit  121%  12  gisizzit  120^,  7  sizzan  oder  z  (121%  14  puaze 
121%  15  uuize),  vor  conson.  z  (121%  24  Mpuazti);  im  auslaut  z  in 
dem  häufigen  daz,  121%  19  uaz  -121%  22  iz  120%  13.  121%  14  uueiz 
121%  16  allaz.  —  In  119%  14  satanaz  61%  10  satauazses  steht  z  far 
scharfes  s.  —  Die  lautverbindung  st  bleibt  unverändert  (vgl.  das  häu- 
fige ist,  120%  14  stritit  16  kistarkan  120%  17.  18.  121%  6.  121%  14 
stSt  121%  17  stgnt  120%  9  stantan  121%  2  Mstentit  121%  7  stSn 
121%  16  arstßn  121%  7  mahalsteti  121%  6  stüatago  120%  11.  17  anti- 
christo  121%  14  meista  121%  24  fastun  121%  27  Christ);  im  auslaut 
ist  t  nach  s  abgefallen  in  is  121%  20. 

Lat.  p  im  anlaut  ud verschoben  61*,  19  pardisu  119^,  14  ptna; 
im  inlaut  ist  altes  p  zu  f  verschoben,  so  wol  nach  consonanten  61%  19 
hilfa  120%  16.  121%  9  helfan,  als  in  der  Verschärfung:  121%  1  kitruo- 
fit.  Die  labiodentale  ausspräche  erhelt  aus  120^,  13  khenfun.  Dass 
hier  die  vei*schiebung  allenthalben  durchgedrungen  ist,  ist  ein  zeichen, 
dass  unser  denkmal  in  der  mitte  des  9.  Jahrhunderts  geschrieben  ist 
(Gramm,  s.  236).  In  D  4  slaifanto  8  slaffa  11  helfan  E  162%  8  slaf- 
fentemo  163**,  3  rSfo  4  phafifon  F  70%  10  Exh.  taufi  Exh.  auch  tauffi. 
Über  die  Hrab.  und  Mons.  Gl.  s.  in  der  Gramm,  a.  a.  o.  Die  herstel- 
long  einer  älteren  Schreibart,  etwa  des  ph,  lässt  sich  nicht  befürwor- 
ten. -—  Die  lautverbindung  sp  bleibt  unverändert  (119**,  1  kispane 
121%  18  sprehhan). 

k  anl.  ist  zu  ch  (120%  5  chunno  120%  11.  17  antichristo  121%  26 
chi[üci]  121%  26  Christ),  kh  (120%  4  khuninc  121%  22  khunin  — 
120%  13  khenfun)   verschoben,    oder  unverschoben  k   (120%  14  kösa 


H  FITKII 

120",  li  kieftic)  oder  c  (1:21',  29  maucunnes)  vgl.  OriiinuL  it.  33S. 
Eb  sind  (lies  dieselben  «recbeiunngen ,  wie  in  tlen  g],  Ua;  vgl.  aueb 
A  5',  7  ebellari.  aber  32  kfizza  B  23  untarchinni  D  14  Christ  EX6l', 
Iß  cblagen  163%  7  chanst  162%  l  cbraft  cbunst  23  chiudllnc  1(13',  7 
cbauliiiga  163",  5  cbumia,  aber  161%  23  kreftigin  i62',  14  cruce 
F  71',  U  cliurunka  16  gacbüröa.  Die  gL  H  baben  ch  (6,  23  gachnu- 
phit  9,  34  uichDehta  19,  9  cliruiupi  u.  ö.).  seltner  b  (25,  31.  83,  12 
buoUa)  oder  den  unverschobiico  laut  (61 ,  28  kacnopfeo).  InL  nach  n 
ist  der  iinveracbobene  laut  bewahrt  iii  120'',  19  uaraeukau;  verschobau 
ist  US  als  spirana  b  nach  1  (121*,  4  uarsnuilliit),  nacb  r  (121',  12.  13. 
121%  9  marha),  als  (affrikatai')  ch  nacb  r  121%  7  kimarcböt.  In  der 
veracbflrfung  tritt  entweder  die  verschiebang  ein  uU  afTrikutu  klih 
(121%  14  quokkben),  cb  (I21%  9  uuecbant)  oder  uuverschoben  (121«,  3 
artrukunet;  vgl.  gl.  H  77,30  arünhnä).  Zwiscben  vokalen  ist  es  stets 
verscbubeu,  ein  seichen  bairischer  mundart  (Qraiiim.  s.  24),  als  spinuis 
bh  (120%  9  rahhu  120%  10  rabhün  61%  21.  120%  14  miUhU  120%  16 
rihhi  Gi%  6.  119%  14  pebbe  121%  17  aprebhan  121%  12  kirahliöu), 
als  heb  (120%  8  rlhche)  oder  als  h  (121%  17.  22  raböuo  Gi%  21  uue- 
liheuio  121%  17.  22  ueliha  120%  6  kiUbait  61%  16  rthi  121%  19  uuie- 
Uhan).  Im  auslaut  stebt  b  (öfter  sib  61%  12  uirinllh  121%  lO  inano- 
gUih  120'',  7.  121%  19  uelib  61%  18  siuh).  lui  algemeineu  baben  wir 
auch  hier  eine  weitgehende  Übereinstimmung  mit  den  gl,  IIa  zu  con- 
fiUtieren ,  vgl.  inl.  zw.  vokalen  D.  2  missasprähhi  5  unalihento  10  soltbo 
E  162%  12  llcbit  161%  22  macba  163%  5  giniacchöst  162-,  2.  3.  b  7. 
163%  5  solihan  lt)2*,  9  wirdiglihen,  amphangllheu  70%  2  mihhil  14  ricbi- 
soia  17  Srlicbo  7i*,  1  foIUcbo  7  uuelihhemo;  nacb  consonautect  D  3.  10 
gadaucho  (a)  7  trancha  E  161%  15.  162%  7.  162%  21.  26.  163%  8.  19. 
163%  5.  7  denchan  162%  17  starchi.  —  so  bleibt  auch  in  MuspiUi 
unverändert  (vgl.  Öfter  scal;  121%  24  scolta  120",  2  bimiliskin  121%  3 
(bi)milisc);  a  ist  abgefallen  in  120%  19  cal.  Im  uuslaut  vor  folgen- 
dem h  entsteht,  wie  auch  sonst  gewöhnlich,  b:  61*,  3  lihbamun  121% 
24.  121%  2.  17.  120%  6  uohhein  121%  22  dehbeiua  (vgl.  F.  70%  22 
Itchamun).  —     Die  hezeichnung  des  anl.  q  ist  stete  qu ,  nie  qbu. 

AnL  d  wird  zu  t  (61",  16  töd  121%  14  tOteu  119%  12  tuo  120%  6 
kitar  121%  1  kitriufit  121%  12  tätin  12  täto  121%  21  kitarnit  121%  21 
kita  —  121%  17  arteile  121%  14  arteillan  61%  l  touuan  121%  26 
kitragan  121%  21  tiuual  12l%  7  utöatago  121'.  3  artruknnet),  ebenuQ 
inl.  und  ausl  nach  cona.  121%  Hi  untar  120%  13  uuntar  120%  13  San- 
tigao  120%  4  stantan  12 1».  2.  6  kistentit  121%  4  lepöntfin  221%  SO 
uantil  119%  13  harte  I2l%  15  rihtungu  120%  5  rebto  120%  7  kiuual- 
tit    131%  10  moltii    121',  7  laut    121%   17  bunt    120%  2  uuul   131%  fi 


MV8PILLI  95 

gart  61',  12  ret),  nach  vokal  (120%  16  gote  121*,  10  preita  121^  12 
tötin  121\  22  täto  121^  14  töten  121^  15  guotero  20  miaton  121', 
21.  122',  2  miatün;  120^  21  got  121%  1  pluot  61%  22  muot  121',  16 
guot),  in  der  Verschärfung  (61',  10  leitit  121',  5  mittUa  120^  20 
steti),  sämtliche  erscheinungen  entsprechen  regelrecht  dem  bairischen 
dialekt;  vgl.  die  Verschärfung  gl.  E,  31,  23  intleitit  77,  7  kapeitit  u.  ö. 
A,  5**,  11  leiti.  —  Die  apokope  des  t  in  121',  2  inprinnan  würde  auf 
mitteldeutschen  Ursprung  deuten  (vgl.  Gramm.  332),  wenn  nicht  des 
folgenden  d  wegen  ein  Schreibfehler  wahrscheinlicher  wäre. 

Anl.  b  ist  verschoben  (121',  2  pergä,  poum  13  piehe  14  puaze 
15.  21.  61',  20.  120',  9.  15.  16.  17.  19  pl  121^  5  pald  6  kipgan 
14  gipuazt!  25  gipuazzit  61',  5.  119\  14  pehhe  61',  6.  120\  12  pä- 
gant  61',  19  pü  119\  14  piutit  120^  5  kipannit  120^  7  pan  121»,  1; 
pluot  121',  5.  10  prinnit  13  farprunnan  2  inprinnan  61',  15  pringent 
12  P,  10  preita)  ebenso  inl.  (61',  9  ipu  13  upi  120^  9  hapeta  121',  22 
hapet  121^  18  houpit  8  upiles  4  lepent§n  121',  23  upiles;  61',  6. 
121^  15  umpi  121',  11  arfurpit;  demgemäss  werden  wir  auch  121',  20 
das  habet  des  mscr.  ändern  dürfen.  Ausl.  zeigt  sich  die  Verschiebung 
(61',  16.  120^  15  lip).  In  A.  B.  C.  E  steht  der  unverschobne  laut; 
doch  hat  D  11  fargeban  neben  17  upar  18  upila,  und  im  auslaut  hat 
auch  E  163**,  7  tumpheit,  aber  anlautend  stets  b  (ausser  161^,  12  pist). 
F  hat  anlautend  70"*,  1  pist  11  pringan  19  Pilipi  71',  1  pluot  9  prö- 
der  13  princ  inlautend  70\  4  selpan  19  pilipi  71',  2  lipo  auslautend 
70^  10.  22  kip. 

g  bleibt  unverschoben  in  121%  5.  121\  15  gart  16  guot  121^  15 
guotero,  gomono  61',  8  arget  120**,  21  gotmanno  120^  16  gote; 
dagegen  verschoben  ist  es,  und  zwar  stets  als  k,  in  61',  23  kot 
119^  12  kemo  120^  15  rehtkernön.  Das  trift  wider  zusammen  mit 
den  gl.  Ra  (Gramm,  s.  258).  In  A.  B.  C.  E  ist  die  Verschiebung 
nicht  vertreten,  wol  aber  in  D  (5  kiridöno  8  farkip  und  vor  o,  u  als 
c:  12  cutan  14  cotar;  aber  11  fargeban).  In  F  steht  anl.  meist  die 
Verschiebung  (70**,  20.  22  kip  5  cotes  aber  2  gotlichi).  —  Im  inlaut 
steht  g  (121%  4  lougin  121^  26  heligo  121',  7  tago  12  mägon  121^  26 
kitragan  6  kipgan  8  sageta  18  sagSn  121',  23  kisaget  121^  15  menigi 
121^  2t  megi  61',  14  eigan  120^  22  müge  20  sigalös  120',  12  sun- 
tigan  120^  15  heuigon  4  mahtlgo  121^  19  luzigun  121',  19  uuenago 
121',  14  pidungan  61%  14.  121^  15  engilo  121  ^  8  engilo  9  dinge 
19  uiger,  pringent  61%  6.  120',  12.  121%  18  sorgen  61',  17  sorgün 
121',  2  perga);  in  der  Verschärfung  ck  (ll9^  15  huckan)  vgl.  120\  2 
in  kihuctin;  D  hat  in  der  Verschärfung  gk  (3  gihugku,  kihugku),  oder 
blos  g  (5  lugino);    lezteres  ist  in  E  stehend  (162**,  19  hugi    163%  2 


gihiigi  u.  Tl.).  F  hat  inlauteod  die  Verschiebung,  ausser  nach  n  (TO**,  11 
pringan  17  engila;  femer  20  etnizztgaÄ  71%  2  eunigero  9  hngiu),  id 
der  Verschärfung  70^  8.  13  dikkamäs.  Die  gl.  R  haben  inlautend 
meist  den  unverschobenen  laut;  die  Verschärfung  vgl.  45,  35  upar- 
hukit  51,  20  henkft  105,  12  anuickeot  37,  7  auuicki  u.  ö.).  —  Im  aus- 
laut  ist  in  M.  die  Verschiebung  regel,  als  c  (61*,  7.  119'.  15.  121',  8. 
119',  15  laue  120*,  15  paluulc  120',  1  uuenac  4  khuninc  120',  14 
kreftic  120',  29  uc)  oder  als  k  {61*,  20  kinuok  121',  6.  17  mak  120',  16 
dink  121",  G  eik)  auch  als  hc  (120',  13  uuihc  121',  13  piehc),  als  hc 
(121',  3  enihc)  ,  als  eh  (120',  12  uuareh.  vielleicht  auch  121',  20 
Usti:h).  Unverschoben  scheint  es  nur  in  61",  12  ding,  was  wol  nach 
120',  15  zu  corrigieren  ist.  Anch  den  gl.  Ra,  mit  denen  TA  so  viel- 
fach stimt,  haben  auslautend  die  Verschiebungen  (Gramm.  268),  ebeoao 
F  (71',  13  priucj,  nicht  aber  D  (4  nOtag,  uonötag).  Die  gl.  E  haben 
auslautend  meist  c. 

Anl.  tb  ist  zu  d  verschoben  in  den  formen  des  artikel»  und  der 
pronominalen  adverbia,  femer  in  121',  29  dessc,  duruh  9  deota,  dinge 
22  dehheiua  61',  12  ding  120',  12  dräto  121',  14  pidungan  17  darf; 
inl.  in  den  oft  begegnenden  formen  von  uuerdau,  ferner  120',  20  sinde 
121',  8  audremo  121',  1  erda  3.  6  erdu  121',  17  pitiiidan  30  mordes; 
und  im  auslaut  (61*,  2.  121',  4  siud  61*,  16  tOd  10  leid  121',  24  sld 
121',  5  pald  27  uuard). 

Die  tonlose  labiale  Spirans  wird  anlautend  durcb  f  (oft  in  fons. 
furi  61»,  11.  liy\  3  fuir  12.  17  finstri  120',  18  altflante  121',  11 
arfurpit  23  kifrumita  121',  24  fastfin  26  fröno)  oder  durch  u  bezeich- 
net (61»,  12  uirinlih  120*,  13  uinstrt  14  uiriuä  120',  18  nar  121',  7 
uuiru  9  uora  10  augir  6  uerit  121'.  12  nazzon  16  uilo  19  uiger). 
vielleicht  auch  durch  uu,  wofern  hier  nicht  Schreibfehler  vorliegen 
(120',  8  uuora  121",  7  uurho  121',  8  uurant?  120'.  2]  uula??> 
Durch  den  umfangreicheren  gebrauch  von  u  im  anlant  nnterscheidet 
sich  M  von  gl.  Ra  (Gramm,  s.  268).  Auch  die  gl.  R  schreiben  fast 
immer  f.  Solte  man  das  anlautende  ii  als  eine  fränkische  gewobnheit 
des  Schreibers  zu  betrachten  haben,  indem  mau  besonders  an  die  im 
Ludwigsliede  gebräuehhche  Orthographie  denkt?  In  D  überwiegt  auch  f 
(nur  6  uizusbeito),  ebenso  iu  F,  während  in  E  schon  v,  u  fibwwiegen. 
Im  iniaut  steht  f  120^  3  121',  22  after  121*.  11  luft;  aber  121*,  2! 
tiuual  (för  mich  ein  beweis .  dass  in  diesem  worte  w  gesprochen  wurde) 
und  61*,  13.  121',  11  bauar.  Dieses  u  fehlt  in  älteren  bairischen  glos- 
aen  ganz.  Die  Eib.  hat  anch  f,  ebenso  D;  in  E  begegnet,  obschon 
vereinzelt  daneben  u,  v.  F  hat  inl.  f,  aber  beachte  70',  14.  71«,  11 
tiuual    21  anar.    In  der  Verschärfung   bat  M  6l>,  3.    131',  4  arbenit 


121^  5  heuit.  Sonst  ist  dies  verb  in  dieser  form  hauptsächlich  in 
alenL  denkmälern  erhalten  (Gramm,  s.  268.  Graff  IV,  815  fg.); 
doch  wol  nur  zufällig.  Ich  möchte  in  heuit,  wie  in  fiuual  und  auar 
an  tönende  ausspräche  denken.  —  Ausl.  121*,  17  darf. 

Die  anlautende  gutturale  tonlose  affrikata  wird  stets  durch  h 
bezeichnet  (21**,  2  hörn  4.  5  heuit  17  haut  18  houpit  120**,  12  arha- 
pan  121^  27  arhangan  61*,  4  heri  61*.  4.  14.  16.  19.  120^  16  himil 
61*,  8.  13  halOn  61%  19  hilfa,  hüs  120%  16  helfan  119%  13  hella, 
harto  120%  16  har§t  121%  22  bap§t);  ebenso  im  inlaut  vor  vokal 
(121%  8  urho  =  uiriho  3  aha  121%  7  mahalsteti  120%  5.  8  mhal; 
vgl.  gl.  R  73,  29  mahal),  vor  consonanten  (121**  16  rihtungu  120%  15. 
120%  10.  15  rehto  120%  14  mahtigo  121%  21  hiouuiht).  Auslautend 
120%  21  doh  121%  29  duruh.  Unorganisch  begegnet  h  öfter  (61%  13 
hauar  120%  14  helias  21  hlias  121%  1  hliases  121%  8.  21  hio  15  hö- 
u!gon  12.  20  heo  21  hiouuiht),  so  dass  wir  dasselbe  für  ein  Charak- 
teristikum des  dialekts  anzusehn  haben.  Dasselbe  findet  sich  auch  sonst, 
ebenso  wie  die  gleich  zu  erwähnenden  fälle  des  ausfals,  in  anderen 
bairischen  denkmälern  (vgl.  Granmi.  s.  272  fg.).  Das  h  schwindet  anl. 
in  121%  25  apgt,  inl  vor  t  in  121%  11.  17  reto  121%  21  reta  61%  12 
ret  121%  17  uit;  zwischen  vokalen  —  ein  anfang  zur  ersatzdehnung  — 
121%  1  intfaan;  derselbe  Vorgang,  nur  mit  anderer  bezeichnung,  scheint 
mir  in  120%  5.  8  mhal  vorzuliegen.  Vor  uu  ist  es  schon  allenthalben 
anlautend  geschwunden,  und  keine  spur  der  allitteration ,  auch  nicht 
61%  8,  deutet  auf  einstiges  Vorhandensein  (Gramm,  s.  270),  120%  3. 
121%  19  könten  sogar  dagegen  sprechen;  wol  aber  fordert  die  allitte- 
ration die  her  Stellung  des  früheren  kihlütit  121%  3.  —  Zu  beachten 
ist  noch  die  metathesis  in  61*,  17  lihot. 

Für  s  sind  auflällige  erscheinungen  nicht  anzuführen ;  in  der  Ver- 
schärfung steht  stets  ss  (121%  9  uuissant  10  lössan).  —  j  in  den  ja- 
stämmen  ist  nirgends  mehr  erhalten,  auch  in  der  I.  sw.  conjugation 
nicht;  nur  in  der  Verschärfung  hat  es  spuren  seines  einstigen  daseins 
hinterlassen. 

uu  findet  sich  anlautend  oft  durch  u  bezeichnet  (61%  9  uerde 
120%  7  uelih  10.  121%  18  kiuertOt  120%  19  uc  121%  17.  22  ueliha 
14  uiz  19  ueiz  uantil  121%  3  uirdit  17  uiht  19  uaz),  ebenso  im  inlaut 
(120**,  15  hSuigon).  Weniger  auffällig  ist  es  vor  u  im  an-  und  inlaut 
(120%  20  uunt  121',  22  ruouu).  Nach  s  steht  einmal  uu  (121%  4  uar- 
sauilhit),  einmal  u  (121%  4  suilizöt).  Zwischen  d  und  u  schwindet  es 
(121%  14  pidungan;  vgl.  R  7,  11.  61,  38.  89,  31.  177, 16  und  Gramm. 
8.  280).  —  Von  altem  hv  ist  das  u  geschwunden  in  121%  3  aha.  Auch 

SSIT80BB.  F.   DBUTBOHB  PHILOLOOIB.     BD.  XT.  7 


nach  a  findet  in  61«.  6.  l'.'0',  12  sorgSu  fil",  17  sorgün  schwund  des 
w  statt;  sowie  in  sgla  61".  7.    120'',  1  (vgl  Gramm.  8.  282). 

Von  den  liqnidis  steht  regelrecht  doppel-I  (in  121*,  10.  11.  23. 
121\  5.  12  aUaz  121^  18  allero  121*,  5  uallit  120',  10  piualla  119S  3 
hella  121',  9  muspille  119^  2  uuillun);  regelrecht  1  in  120^  15  uiüli; 
gegen  die  regel  in  61*,  21.  120*,  7  alero.  In  der  Verschärfung  nach 
langem  vnka]  etebt  II  (121'',  14  arteillan).  Auch  bei  r  sind  aafßlllig- 
keiten  nicht  hervorzuheben;  in  der  VBrschärfuug  steht  rr  (12l*,  21  mar- 
rit);  vor  h  erzengt  es  y  nach  sich  (121",  29  dnruh).  Schwund  ist  ein- 
getreten in  61",  17  finsti,  wofern  nicht  ein  Schreibfehler  vorliegt.  In 
120",  3.  9.  10  nuerolt  hat  die  verdumpfung  des  ursprünglichen  a  statt- 
gefunden (auch  E  z.  b.  161",  24  schreibt  uuerolt',  ebenso  D  13;  lezte- 
res  hat  aber  D  9  auch  uueralti). 

Die  nasale  sind  regelrecht  verwendet,  so  doppel-n  in  dem  häu- 
tigen denne,  mannun,  uianno,  prinnan  121",  29  mancunner  29  minna; 
in  der  Verschärfung  121",  4.  13  suonnan;  als  zeichen  des  atiintons  in 
121*.  3  artruknnet.  Dagegen  ist  es  unregelmässiger  weise  vereinßicht 
in  61',  21.  121  \  10  niauo  121*,  17.  18  dene.  Am  ende  ist  M 
geschwunden  in  120",  20  piuallan;  ebenso  vor  g  in  12l\  19  ntger 
(mit  ersatzdeliuung?). 

Aus  der  formenlehre  ist  folgendes  zu  erwähnen.  tStarkes  rerbi 
praes.  Ind.  3.  s.  -it  (arheuit  {2mali,  läzzit,  quiuiit  |!^nial|.  kuuinnit, 
unirdit  [2mal],  uurdit.  kiuuinnit,  piutit,  kipanuit,  kiuualtit,  hitriufit, 
kistentit  [2mal|,  uarsuuilhit,  uallit,  prinnit,  nerit  ]2mal|,  uarprinuit, 
urit,  nirdit,  heuit,  gisizzit).  —  3.  pl.  -ant  (61',  6  pägant  14  quemant 
121",  8  uurant;  mit  abfall  des  t;  121*,  12  inprinnan).  Praet.  ind.  3.  s. 
(121",  27  uuard  121',  13  piebc).  —  Praes.  conj.  3.  b.  -e  (61',  1  piquemo 
9.  121",  13  uerde  119",  11  kispane  12  wise  121",  22  uuerde).  —  Infin. 
-an  (120*,  14  prinnan  120",  ö  queman  8  atantan  13  pfLgan  16  heifan 
21  uuerdan  121",  8  heifan  121".  6  kipgan  11  piqueman  17  pimtdan 
18  spiebhan  21  arliugan,  ebenso  von  den  ja-etämmen  61*,  3  likltan 
120*,  7  sizzan),  mit  abfall  des  n  120",  20  piualla.  —  Partie,  praet. 
120".  13  arhapan    121*,  13  farpmnnan    14  pidungan    26  kitragan. 

Schwaches  verb.  praes.  ind.  3.  sg.  I  -it  (61*,  10  leitit  120",  1.  21 
unänit  131".  11  arfurpit  21  marrit)  11  -6t  (121*,  4  suiliiöt),  IH  -6t 
(120*,  16  harct  121*,  3  artruknnet  23  ktsaget  20  habet  22  faap^t 
121",  25  ap6t).  —  3.  pl.  I  -ent  (Gl*,  15  pringent)  oder  -ant  (121*,  9 
unechant,  unisaant).  —  II  -önt  (61*.  13  kihalCnt).  —  Praet.  ind.  1.  8g.  I 
mit  apokope  120".  lO  hflrtih.  —  3.  sg.  I  -itji  flSI",  23.  121".  20  kifru- 
mita).  —  n  -6ta  (120",  4  uuerköta).  —  lU  -€ta  (120",  10  hap&ta 
121",  B  Bag?ta).  —  Praes.  conj.  3.  ag.  1  -e  (121*.  17  arteile  14  pnaze). — 


MÜSPILLI  99 

Praet.  conj.  3.  sg.  I  -ti  (121  ^  24  kipuazö).  —  Infin.  I  -an  (61*,  1 
touuan  119^  16  huckan  120^  19  uarsenkan  16  kistarkan  121^  4.  13 
suonnan  10  lössan  121  **,  14  arteillan).  —  11  -6n  (120»»,  10  rahhön 
121^  12  kirahhön  121',  8  uutsön).  —  EI  -en  61',  6.  120',  12.  121', 
18  sorggn  121  ^  18  sagSn  120',  14  stüen).  —  Part,  praes.  dat.  pl. 
masc.  ni:  121*",  4  lepenten.  —  Part,  praet.  I  -it  (120^  12  kiuuäfanit 
121^  3  kilütit  121^  25  gipuazzit).  11  -6t  (121\  7  kimarchot  61',  9 
gihalöt). 

Von  ggn  und  stSn  kommen  vor  praes.  ind.  3.  sg.  61',  8  arggt 
120^  17.  18.  121',  14.  121^  14  stgt.  3.  pl.  121^  17  astent.  Infin. 
arsten. 

Von  tuen  die  3.  sg.  praes.  conj.  119  ^  11  tuo;  von  sin  nur  die 
3.  p.  sg.  praes.  ind.  ist,  einmal  mit  abfall  des  t  (121\  20  is). 

Von  den  hilfsverben  begegnet:  die  3.  p.  sg.  praes.  ind.  (61',  1. 
120',  13.  120\  5.  8.  16.  19.  121\  4.  11.  13  scal  120^  19  cal  61',  7. 
121',  8  mac  121^  6.  17  mak  121',  17  darf  120^  6  kitar  120^  15 
uuili)  3.  p.  sg.  praes.  conj.  (120\  7.  11  sculi  121^  21  megi  121**,  12 
mnozzi).    3.  sg.  praet.  c.  (121',  24  scolta). 

Von  uuizzan  die  3.  p.  sg.  praes.  uueiz  120%  13  ueiz  121%  19 
uiz  121',  14. 

In  der  declination  der  männlichen  a- stamme  sind  folgende  casus 
vertreten  n.  s.  (61',  1  tac  119^  14  satanaz  61',  16.  121  \  11  11p 
121",  2  poum  4  himil  120^  4  kbuninc  121',  5  gart  8  mäk  21  tiuual); 
g.  8.  -es  (61',  10  satanazses  119%  12  kotes  120**,  17  himiles  121%  1 
hliases  121%  20  mordes);  d.  s.  -e  (61',  14  himile  120',  16.  120%  2 
gote  120^,  12  eliase  18  altfiante,  satanase  120%  20  sinde);  a.  s.  (61%  16 
töd  19  bü  119%  15  louc  120%  7  pan  15  lip  19  uiger  4  sind);  i.  s. 
-iu  (121%  4  lougiu).  —  n.  pl.  -ä  (121%  2  pergä  121%  8  engilä);  g.  pl. 
-0  (61%  15.  121%  15  engilo  61%  16  himilo  121%  8  urho);  d.  pl.  -on 
(121%  13  mägon);  a.  pl.  -ä  (121%  9  deotä). 

Von  weiblichen  a- stammen:  n.  s.  -a  (61%  7  s§la,  suona  120%  16 
hilfa  120%  1.  121%  14  sela  120%  14  kOsa  121%  12.  121%  13  marha); 
g.  s.  -ä  (61%  20  hiia  119%  13  hellS  120%  1  Knädä);  d.  s.  -u  (120%  9 
rahhu  121%  18.  24  suonu  121%  22  ruouu  121%  3.  6  erdu  121%  10 
moltu  15  rihtungu);  a.  s.  -a  (119%  14  pina  121%  1  erda  121%  8 
marha  121%  9  minna);  g.  pl.  -6no  (121%  17.  22  rahOno);  d.  pl.  -6n 
(121%  11  uazzdn);  a.  pl.  -ä  (120%  14.    121%  14  uirinä). 

Von  neutralen  a-stämmen:  n.  s.  (61%  11  leid  12  ding  17  lihot 
119%  11  muot  120%  13  uuiho  121%  1  pluot  3  muor  10  uuasal,  uugir 
121%  18  houpit);  g.  s.  -es  (119%  14  pehhes);  d.  s.  -e  (61%  5  pehhe 
120%  14  phhe    120%  8  mhale    9  rlhche     22  uuige     121%  16  mahale 

7* 


100  nfm 

1211.,  9  dinge);  a.  b.  (61%  IJ.  ll9^  3  fuir  Öl",  19  hfla  120».  5  mhal 
121',  7  lant);  l  s.  -u  (121",  7  uuim  61»,  18  pardlsu  121',  23  ala- 
muasauu);  g.  pL  -o  (120\  6  parno);  A.  pl.  -on  (Cl",  5  himilzungalon). 

Von  ja-stüminBU  ist  im  inasc.  Tortroten:  n.  b.  {121%  3  suanärl); 
Tom  neatr.  der  n.  s.  («1*.  4  beri  10  kisiiidi):  g.  s,  (121',  23  DpUea 
121»,  29  mancunnee) ;  d.  s.  (61*,  S  berie  121",  15  uuize  121*,  9  (Das- 
pille);  a  8.  (120*,  IB  rlhhi  61",  16  rihi);  g.  pL  (120%  6  chnnnO;  vgl 
Gramm,  a.  365.  121%  5  horio). 

Von  i-BtÜmmen  ist  nur  der  n.  s.  f.  121",  11  luft,  der  d.  B.  f. 
(120%  3  onerolti  20.  121%  7  steti)  der  gen.  pl.  121%  22  t&to  and  der 
d.  pL  f.  (I2ü%  2  kiliuctin  121%  12  tätin),  von  u-stämmeu  nur  121%  17 
baut  and  120%  20  das  compog.  sigal^  im  Muspilli  nachzuweisen. 

Von  dentalstämmen  begegnet  121%  18  der  d.  c.  altflante. 

Von  sonstigen  couaonautischen  stammen  ist  zu  nennen  a.  »on 
männlichen  au-stfimmen  der  n.  s.  (120'',  11.  17  antichristo  121%  S 
mftno  7  atflatagoj;  a^  s.  (61%  3  libhamun  23  uoillun);  n.  pl.  (120%  13 
kbeufan);  g.  pL  (121%  13  gomöno);  a.  pl.  (120%  11  uuerolt  rehtautBon 
15  rehtkernon);  —  b.  von  weihlichen  n.  s.  (61%  17  aelida),  a,  B. 
(61%  17  sorgttn  121%  24.  121%  2  miatän);  d.  9.  (121%  24  fastflri); 
d.  pL  (121%  20  miatön);  a.  pl.  (121%  28  mäsün);  —  c.  von  jin-Btäni- 
men  der  n.  8.  (121%  15  menigl);  d.  a.  (l20%  13  flnstri);  a.  b.  (61%  12 
finatri). 

Von  dem  substantivam  man  begegnen  folgende  casus:  n.  s.  niao 
(61%  18.  121%  12.  111.  22.  121%  8.  20  neoman  120%  15  nioman  121%  ti); 
d.  a.  manne  (121%  15);  g.  pl.  manne  (120%  7.  22.  121%  2.  17);  mauo 
(61%  21.    121%   10);  d.  pl.  mannun  (121%  20). 

Vom  demonstrativ  und  relativ  gebrauchten  artikel  ist  vertreten 
a.  masc.  n,  s.  der  (I9mai),  d.  9.  demo  (4mal),  einmal  domo  (120%  20), 
einmal  mit  dem  folgenden  worto  verschmolzen  (121%  15  demanne), 
a.  s.  den  (6raal),  n.  pl.  die  (3mal,  dia  121",  16).  g.  pl.  dero  (61%  14), 
d.  pl.  dSn  (120%  16).  a.  pl.  dia  (12(i%  10);  b.  femin.  n.  s.  diu  (Smiü), 
d.  9,  deru  (7mul),  dera  (121%  25).  a.  a.  dia  (121%  8},  d.  pl.  dga 
(121%  20).  a.  pl.  dio  121%  24.  28.  29);  c  neutrum  n.  s.  daz  (7inal), 
g.  a.  des  (120%  21),  d.  s.  demo  (3mal),  a.  9.  daz  (7 mal),  dz  (121%  21. 
121%  1),  i.  8.  diu  (6raal). 

Das  alte  demonstrative  t  (vgl  got.  patoi)  iot  damit  verbanden 
fil%  12  dazl  (vgl.  61%  16  dari). 

Vom  stärkeren  demnnstj'iitivpronomeu  findet  eich  nur  alH  gen.  sg. 
neut  121%  29  desse,  das  aar  im  ersten  compositionsteile  flektiert  ist. 

Vom  persönlichen  pronomen  begegnet  im  masc.  n.  a.  er  (iSnml) 
d.  8.  im«  (7mal),   d.  pL  in  120%  13 ;    im  fem.  n.  s.  stets  die  jQngsre 


MU8FILLI  101 

form  si  (61»,  3.  8.  14.  121«,  15;  vgl.  Gramm,  s.  404);  d.  s.  im  61%  11. 
a.  s.  sia  61*,  9.  10.  13;  im  neutrum  n.  s.  iz  (121*^,  22);  g.  8.  es  119^ 
11);  a.  s.  iz  (121%  11.  23);  n.  pl.  siu  (61%  6). 

Als  reflexivpronomen  wird  im  acc.  gebraucht  sih  (6  mal);  als 
possessivpron.  das  flektierte  sin  (119^  11),  stngn  (l21^  12),  sino  (120*, 
14.  121**,  11);  als  interrogativpron.  im  acc.  sg.  nentr.  uaz  (121^  19), 
im  i.  s.  n.  uuiu  (121^  14). 

Für  die  flexion  des  adjektivpronomens  ist  zu  beachten ,  dass  mehr- 
fach in  eigentümlicher  art  die  unflektierte  (starke)  form  begegnet.  Von 
der  pronominalen  form  begegnet  ein  masc. :  d.  s.  -emo  (F  hat  emu; 
61',  8  uuederemo  121',  8  andremo  61',  21  uelihemo;  vgl.  Gramm, 
s.  431),  a.  s.  -an  (119**,  15  heizzan  120*,  12  suntigan),  g.  pl.  -ero 
(121^  8  allero  61',  21.  120  \  7  alero  121  ^  15  guotero),  d.  pl.  -gn 
(121',  12  sinen  121  \  4  töten,  lepentgn  121  ^  14  töten,  quekkhgn); 
im  femin.  a.  s.  -a  (121',  17.  22  ueliha  121^  22  dehheina);  d.  pl.  -en 
(12 1\  12  sinen);  a.  pl.  -o  (120*,  13  sino);  im  neutr.  n.  s.  -az  (120\  6 
kilihaz  121^  5  allaz);  a.  s.  -az  (121',  10.  11.  23.  121b,  12  allaz);  — 
von  der  consonan tischen  decl.  die  formen:  n.  s.  m.  120 ^  3  mahtigo 
121',  19  uu§nago,  d.  s.  m.  120\  2  himiliskin,  a.  s.  m.  120**,  15  hgui- 
gön  12l\  29  luzigun,  n.  s.  n.  121*,  10  preita  121^,  5  meista;  a.  s.  n. 
121',  21  reta.  —  Das  adverb  ist  auf  -o  gebildet  (rehto  120',  15  reto 
121',  17.    121^  11    dräto  120',  12  kerno  119^  2    harte  119\  13). 

Aus  dieser  Zergliederung  des  Muspilli  ergibt  sich  mit  Sicherheit, 
dass,  wenn  überhaupt  einmal  das  gedieht  im  fränkischen  dialekt  vor- 
handen war,  was  mir  keineswegs  sicher  scheint,  da  die  beweise  höchst 
unsicher  sind ,  dasselbe  jedenfals  volständig  in  das  Bairische  umgedacht 
ist,  nicht  blos  umgeschrieben.  Die  fränkischen  spuren  beschränken 
sich  zum  grösten  teile  auf  Schreibergewohnheiten,  die  nur  von  belang 
wären,  wenn  sie  eine  Verschiedenheit  der  ausspräche  bedeuteten.  Die 
aufgäbe  kann  nur  sein,  die  um  etwa  ein  menschenalter  ältere  bairische 
form  zu  reconstruieren,  wobei  sich  nur  sehr  wenig  änderungen  ergeben 
dürften.  Auf  grund  der  obigen  betrachtungen  gewinnen  wir  folgende 
textform : 

stn  tac  piqueme        daz  er  towan  scal; 

wanta  sär  so  sih  diu  sSla       in  den  sind  arhevit 

enti  si  den  lihhamun        likkan  läzzit, 

so  quimit  ein  heri        fona  himilzungalon, 
5  daz  andar  fona  pehhe:        dar  pägant  siu  umpi. 

sorgen  mac  diu  sola,        unzi  diu  suona  arget, 

za  wederemo  herje        si  gihalöt  werde. 

wanta  ipu  sia  daz  satanäzses        kisindi  kiwinnit. 


102  FIFBB 

daz  leitit  sia  sär        dar  iru  leid  wirdit, 

10  in  fbir  enti  in  finstri:        dazt  ist  yirinlih  dink. 
npi  sia  avar  kihalönt        die  dar  fona  himile  quemant 
enti  si  dero  engilo        eigan  wirdit, 
die  pringent  sia  sär        üf  in  himilo  rihhi: 
dar!  ist  lip  äno  t6d,        lioht  äno  finstrt, 

15  selida  äno  sorgün        dar  ni  ist  neoman  siuh. 
denne  der  man  in  pardtsn        pü  kiwinnit, 
hüs  in  himile,        dar  quimit  imo  hilfö  kinuok. 
pidiu  ist  dürft  mihhil        allero  manno  welihhemo 
daz  in  es  unarmuodenlicho        sin  muot  kispane, 

20  daz  er  kotes  willnn        kerne  tue 
enti  hellä  fair        harte  wlse, 
pehhes  pina:        dar  piutit  der  satanäz  allen, 
altisto  heizzan  louc.        so  mac  huckan, 
za  diu  sorgen  dräto,        der  sih  sunttgon  weiz. 

25  w@  demo  in  rinstrt  scal        sine  yirinä  stüen, 
prinnan  in  pebhe:        daz  ist  rehto  palwtc  dink, 
daz  der  man  haret  ze  gote        enti  imo  hilfa  ni  qnimit. 
wänit  sih  kinädä        diu  wenaga  s§la: 
ni  ist  in  kihuctin        himiliskin  gote, 

30  wanta  hiar  in  werolti        after  ni  werköta. 

So  der  mahtigo  khuninc        daz  mahal  kipannit, 

dara  scal  queman        kunno  kilihaz: 

ni  kitar  pamo  nohhein        den  pan  furisizzan, 

ni  allero  manno  welth        ze  demo  mahale  sculi. 

35  dar  scal  er  vora  demo  rihhe        az  rahhu  stantan 

pl  daz  er  in  werolti        io  kiwerköta. 

«  « 

Daz  hörtih  rahhdn        dia  weroltrehtwison, 

daz  sculi  der  antichristo        mit  dliase  pägan: 

der  wäre  ist  kiwäfanit,        wirdit  untar  in  wie  arhapan. 

40  khenfun  sint  sö  kreftic,        diu  kösa  ist  so  mihhil. 
ßlias  stritit        pi  den  dwigon  lip, 
wili  d6n  rehtkemön        daz  rihhi  kistarkan: 
pidiu  scal  imo  helfan        der  himiles  kiwaltit. 
der  antichristo  stet        pi  demo  altfiante, 

45  stet  pt  demo  satanäse,        der  inan  varsenkan  scaL 
pidiu  scal  er  in  dem  wicsteti        wunt  pivallan 
enti  in  demo  sinde        sigalOs  werdan. 


MÜ8FILLI  103 

Doh  wänit  der  wäre  des,        in  wäle  gotmanno, 

daz  §lias  in  demo  wtge        arwäfanit  staute. 
50  Sd  daz  dliases  pluot        in  erda  kitrinfit, 

so  inprinnant  die  pergä,        poum  ni  kistentit, 

dntc  in  erdu.        aha  artruknet, 

muor  varswilhit  sih,        swilizdt  lougju  der  himil. 

mäno  vallit,        prinnit  mittilagart, 
55  st^n  ni  kistentit:        denne  stüatago  in  lant 

Terit  mit  Tuiru        ririho  wisön, 

dar  ni  inac  mäk  andremo        helfan  vora  muspille. 

denne  daz  preita  wasal        allaz  varprennit 

enti  ynir  enti  luft        iz  allaz  arftirpit: 
60  war  ist  denne  diu  marha        dar  man  eo  mit  mägon  piec? 

* 
diu  marha  ist  farprunnan,        diu  sela  stet  pidwungan, 
niweiz  mit  wiu  puaze:        sär  verit  si  za  wlze. 

Pidiu  ist  manne  so  guot,        denner  ze  mahale  quimit, 

daz  er  rahhöno  welihha        rehto  arteile: 
65  denne  ni  darf  er  sorgSn,        denne  er  ze  suonu  quimit. 

ni  weiz  der  wenago  man        wielihhan  urteil  er  hapet, 

denner  mit  den  miatön        marrit  daz  rehta, 

daz  der  tiuval  dar  pi        kitarnit  stentit. 

der  hap6t  in  ruowu        rahh6no  welihha, 
70  daz  der  man  ir  enti  sid        upiles  kifrumita, 

daz  er  iz  allaz  kisagSt,        denne  er  ze  suonu  quimit. 

ni  scolta  manne  nohhein        miatün  intfähan. 

* 

So  daz  himilisca  hörn        kihlütit  wirdit 

enti  sih  der  suanäri        in  den  sind  arhevit: 
75  denne  hevit  sih  mit  imo        herjo  meista, 

daz  ist  allaz  so  pald,      daz  imo  nioman  kipägan  nimak. 

denne  verit  er  ze  mahalsteti        dem  dar  kimarchdt  ist. 

dar  wirdit  diu  suona        dia  man  dar  io  sageta. 

Denne  varant  engilä        uper  dia  marha, 
80  wechant  deotä,        wissant  ze  dinge. 

denne  scal  mannogilih        fona  dem  moltu  arstSn, 

lössan  sih  ar  hlewo  vazzön:     scal  imo  avar  sin  lip  piqueman, 

Za  y.  49  vgl.  Apoc.  XI,  3  „amicti  saccis''  und  gl.  B.  bei  Stoinmeyer-Sie- 
yers  189,  3. 


104  PIPEB,  MU8PILLI 

daz  er  sin  reht  allaz        kirahhön  mnozzi 

enti  imo  after  sinSn  tätin        arteilit  werde. 
85  denne  der  gisizzit        der  dar  suonnan  scal 

enti  arteillan  scal        tCtön  enti  quekkhgn, 

denne  stgt  dar  umpi        engilo  menigi, 

guotero  gomöno        gart  ist  so  mihhil. 

dara  quimit  ze  rihtungu  sö  vilo      dia  dar  ar  resti  arstent, 
90  sö  dar  manne  nohhein        wiht  pimtdan  ni  mak. 

dar  scal  hant  sprehhan,        houpit  sagSn, 

allere  lido  welth        unzi  in  den  luzigun  vinger, 

waz  er  untar  mannun        mordes  kifrumita. 

Dar  ni  ist  io  listic  man,        der  dar  iowiht  arliugan  megi, 
95  daz  er  kitaman  megi        täte  dehheina, 

niz  al  fora  khoninge        kichundit  werde, 

üzzan  er  ez  mit  alamuasanu        furiilti  in  werolti 

enti  mit  fastün        dio  ririnä  kipuaztL 

Ni  mac  sorgen  der  gipuazzit  hap§t    denner  ze  suonu  quimit: 
100  wirdit  denne  ftiri  kitragan        daz  fröno  chrüci, 

dar  der  hSligo  Christ        ana  arhangan  ward. 

ougit  er  dio  mäsün        dio  er  in  menniskt  intfienc, 

dio  er  duruh  mancunnes        minna 

ALTONA,    JANUAR   1882.  P.   PIPER. 


DAS  MÜNCHENER  LIEDERBUCH. 

Das  „Münchener  Liederbuch^  der  k.  hof-  und  Staatsbibliothek 
(Ms.  208.  Mss.  music.  3232,  früher  Cgm.  810),  aus  welchem  Rudolf 
Eitner  in  der  als  beilage  zu  seiner  Zeitschrift  ^  erschienenen  samlung : 
„Das  deutsche  Lied,"  band  H  die  mit  musiknoten  versehenen  deutschen 
lieder  nebst  ihren  singweisen,  und  mehr  um  dieser  willen,  veröffent- 
licht hat,  enthält  ausser  denselben  auch  eine  anzahl  deutscher  lieder 
ohne  melodieen,  welche  Eitner  deshalb  imgedruckt  gelassen  hat  Doch 
mögen  auch  sie ,  obwol  einer  etwas  späteren  zeit  als  jene  angehörend, 
des  abdruckes  nicht  unwert  erscheinen ,  wäre  es  auch  nur  um  der  ver- 
gleichung  willen  mit    anderen  ähnlichen   samlungen,    wie  etwa   dem 

1)  Monatshefte  f&r  Musik -Geschichte,  herausgegeben  von  der  Gesellschaft 
für  Musikforschung;  Xu.  Jahrg.    Berlin,  1880. 


FBOMUANN,   DAS  MÜNGHXNBB  LISDBBBUCH  105 

älteren^  sogen.  Locheimer  üederbuche  oder  dem  etwas  späteren  Ber- 
liner.^ 

Was  die  nähere  beschreibmig  des  mannscriptes  angeht ,  verweise 
ich  auf  den  von  Jol.  Jos.  Maier,  custos  der  k.  hof-  und  Staatsbiblio- 
thek verfassten  katalog:  „Die  musikalischen  Handschriften  der  k.  Hof- 
und  Staatsbibliothek  in  München,"  I.  teil  (München  1849),  s.  125, 
sowie  auf  Eitners  Zeitschrift ,  a.a.O.  undVI.  jahrg.  (1874),  s.  147  — 160, 
woraus  ich  hier  nur  folgendes  widerhole. 

Die  handschrift  rührt  aus  der  Schedeischen  familienbibliothek  in 
Nürnberg  her  und  ist  zum  grösten  teil  autograph  Dr.  Hartmann 
Schedels  (arzt  und  historiker;  geb.  1440  in  Nürnberg,  gest.  1514). 
Dieselbe  gelangte  nebst  der  übrigen  bibliothek  Schedels  um  die  mitte 
des  16.  Jahrhunderts  in  den  besitz  der  kurfürstlichen  bibliothek  in  Mün- 
chen nebst  einem  von  H.  Schedel  um  1490  selbst  angefertigten  kata- 
loge  seiner  bibliothek,  in  welchem  er  obige  handschrift  (fol.  146,  cod. 
lat.  263)  als  „Liber  musicalis  cum  cantilenis"  anfahrt;  auch  befinden 
sich  auf  der  Innenseite  des  vorderdeckeis  die  werte:  „Libellus  doctoris 
hartmanni  schedel"  eingeschrieben. 

Bis  bl.  107  ist  das  manuscript  ausschliesslich  von  Schedel  selbst 
geschrieben,  die  späteren  63  blätter  aber  abwechselnd  von  Schedel  und 
anderen  bänden.  Es  enthält  im  ganzen  154  lieder  in  bunter  reihe  — 
132  derselben  rühren  von  Schedels  band  her  —  nämlich:  70  deutsche 
mit  musik,  26  ohne  musik,  20  französische  chansons,  18  lateinische 
gesänge,  2  italienische,  2  tanze  und  16  stücke  ohne  oder  mit  unver- 
ständlichem textanfange. 

Auf  bl.  54  •  steht  über  dem  liede  „Die  vasenacht  tut  her  nahen" 
usw.  die  Jahreszahl  1461,  auf  bl.  160:  1465  und  auf  bl.  139  unten: 
„Anno  Ixvij."  Das  lied:  „Es  ist  kein  schercz  ob  senlich  smercz  ver- 
wunt  mein  hercz"  (bl.  142)  schliesst  mit  den  werten:  „Wan  dir  das 
singt  der  tewberstein  zu  einem  guten  jare,"  und  unter  dem  liede: 
^Das  leppisch  gut  zu  lachen  ist"  (bl.  37)  steht  von  der  gleichen  band 
die  bemerkung:  „Hoc  composuit  dux  ludwicus  bauarie." 

Bl.  145. 
Ach  got  wem  sol  ich  clagen 
das  ich  so  elend  bin 
mein  hercz  wil  mir  verczagen 
wen  ich  gedenck  da  hin 
lip  an  das  senecliche  scheiden 
0  we  der  grossen  not 

1)  Monatshefte  usw.,  VI.  Jahrg.,  8.67  —  74. 


106  FBOMMANH 


es  ist  geschehen  zwischen  vns  beyden 
das  mocht  derbarmen  got. 

Nn  ist  meyn  hercz  besessen 
mit  swerer  peyn  so  gross 
ich  kan  dein  nicht  vergessen 
wen  ich  gedenck  an  das 
das  du  mir  host  erczeiget 
lip  dein  roten  mnnt 
0  we  meyn  grossen  leydes 
mein  hercz  ist  ser  verwuni 

Nu  wil  ich  dich  wol  sprechen 
nf  meinen  rechten  eit 
mein  hercz  wil  mir  zubrechen 
von  senechlichem  leit 
das  ich  dich  hab  verloren 
du  aller  hogstes  .  .  .    (Lücke!) 
ich  hab  dich  außerkoren 
ober  alle  so  libstu  mir 

Ogen  trost  meins  herczen 
thu  nicht  vergessen  mein 
gedenck  an  grosse  smerczen 
den  du  pist  alein 
der  ich  do  wil  so  stete  sein 
ken  dir  mein  hogste  hört 
mein  trauren  ich  das  clage 
wis  auf  mein  widervart 

Geselle  du  solst  geloben 
das  ich  dich  mit  treuen  gemeyn 
ich  bin  sein  nicht  en  laugen 
mein  hercz  ist  dein  allein 
das  auf  hast  du  gebauet 
mit  ein  festen  grünt 
geselle  du  solst  geloben 
mi^  erfreuet  dein  rote  munt. 

Bl.  146. 

Es  ist  ein  sehne  gefallen 
vnd  ist  es  doch  nit  zeit 
man  wurft  mich  de  pallen 
der  weg  ist  mir  verschneit 


DAS  icOnohxkbb  ldedeabüoh  107 

Mein  haoß  hat  keinen  gibel 
es  ist  mir  worden  alt 
zerbrochen  sin  mir  dye  rigel 
mein  stablein  ist  mir  kali 

Ach  lib  laß  dichs  erparmen 
das  ich  so  elend  pin 
vnd  laß  mich  in  dein  armen 
so  yert  der  winter  do  hin. 

Der  Winter  wil  vnß  entschleichen 
der  Summer  vert  do  her 
mir  Übt  ein  seuberUche 
weit  got  wer  sie  mein. 

Ich  hat  mir  erkoren 
ein  minigliches  leut 
an  dem  hab  ich  verloren 
mein  Üb  vnd  auch  mein  treu. 

Das  Udlein  sein  gesungen 
von  einem  freulein  fein 
ein  ander  hat  mich  verdrungen 
das  muß  ich  gut  lau  sein. 

BL  146». 

Mein  hercz  ist  mir  betrübet  ser 
das  schafft  sein  senckliches  scheiden 
es  mag  genesen  nymer  mer 
es  mag  wol  sterben  vor  leide 
mein  höchste  krön 
ich  muß  dich  Ion 
ich  muß  da  von 
vnd  ich  muß  über  dye  beide. 

Got  gsegü  lib  ich  far  do  hin 
mit  senicUichen  äugen 
betrübet  sind  die  synne  mein 
wo  man  sich  solde  freuen 
mein  eygener  trost 
mein  herczen  lust 
du  bist  vor  trost 
wen  ich  dich  nicht  sol  schauen. 

0  mördigo  er  fort  do  hin 
mein  hercz  ich  ym  ergeben  habe 


108  FBOMMANN 


in  smerczen  brinnen  alle  mein  syn 

die  lib  mir  nymant  erleschen  kan 

geselle  mein 

meins  herczen  ein  schrein 

sleuß  anf  die  libe  dein 

wan  ich  das  nymer  leiden  kan. 

Elende  muB  ich  ymer  sein 
wen  ich  dich  nicht  schol  schauen 
verplichen  ist  ir  roundlein  rot 
do  zu  ir  williche  äugen 
mein  iunges  hercz 
mufi  leiden  smercz 
in  sulchem  schercz 
elende  muß  ich  bauen. 

0  morgen  rot  ich  far  do  hin 
mein  schein  ist  mir  vergangen 
vorblichen  ist  ir  mundlein  rot 
dor  zu  ir  liplich  wange 
zart  freulein  gut 
biß  wol  gemut  es  wirt  wol  gut 
wen  ich  kum  wider  zu  lande. 

Bl.  147. 
Ein  swarczes  rusiges  dimelein 
das  thut  erfreuen  mich 
sye  spint  vnd  kert  vnd  heiczett  ein 
ir  thun  ist  wuniglich 
mit  schimphen  vnd  mit  scherczen 
sye  libet  mir  in  dem  herczen 
ir  gestalt  ist  adelich. 

Stifel  braun  vnd  dar  czu  stolcz 
das  want  ir  alczeit  pey 
Waschen  vnd  packen  vnd  tragen  holcz 
da  von  iß  sie  nit  frey 
sie  thut  mir  sere  libn 
scholt  ich  ir  ein  scheitlein  kliben 
des  tags  zwei  ader  drey. 

Dar  czu  wer  ich  auch  wol  gerecht 
mit  ir  gar  wol  ver  eint 
an  dem  tancz  oder  wo  man  sie  sieht 
do  man  der  freuden  spilt 


DAS  MÜNORBNEB  LDSDBBBüCH  109 

sie  thut  mir  wol  gefallen 
sie  Übt  mir  vnter  in  allen 
danck  hab  mein  libe  gespil. 

Bl.  147  \ 
Liep  han  vnd  seiden  sehen 
das  thut  dem  herczen  we 
das  pin  ich  ynnen  worden 
wie  sal  es  mir  ergen 
Sal  ich  sie  nimmer  sehen 
die  aller  libste  mein 
so  Sprech  ich  auf  mein  treue 
mein  hercze  das  leidet  pein. 

Gedenck  an  ein  gefangen  hercze 
vnd  das  zcu  mancher  stund 
vor  dir  so  hart  gefangen  leit 
vnd  ist  so  gar  ver&unt 
Dud  (Das?)  hat  kein  freud  auf  erden 
dan  du  lip  ym  erczeigest 
Ich  biet  dich  durch  dein  berde  gaet 
das  du  mir  freuden  erczeigst. 

Noch  freuden  wil  ich  ringen 
zu  diser  sumer  czeit 
^b  ich  es  mag  volbringen 
meines  vnmut  werden  quyt 
Eins  grüß  pin  ich  begeren 
czart  libstes  lip  von  dir 
wollestu  mich  des  ge&eren 
dor  noch  stunde  mein  begir. 

Ich  kom  gar  heimlich  zu  ir  gangen  dar  ^ 
ich  ward  gar  schon  enphangen 
sie  nam  meyn  eben  wäre 
Sy  truckt  mich  an  irS  arme 
wol  mere  wan  thausent  stund 
das  laB  dich  lip  erbarmen 
mein  hercz  ist  mir  ver&unt. 

Wan  ich  an  dich  gedencke 
mit  treuen  ich  dich  mein 

1)  Zwei  Zeilen  in  eine  2asammengeflos8en :  loh  k.  g.  heimlich  gangen 

ZQ  ir dar 


110  FBOMMANM 

von  dir  wil  ich  nit  wencken 
du  host  mein  hercz  aleyn 
Das  han  ich  dir  ergeben 
genczlich  czu  eynS  knecht 
noch  deynS^  leben 
alczeit  findestu  mich  gerecht. 

Bl.  148. 
Mein  hercze  hastu  besessen 
du  aller  libste  czart 
Efi  kan  mir  nit  vergessen 
vnd  lyt  mir  werlich  hart 
wan  ich  an  dich  gedencke 
so  han  ich  freuden  vil 
das  ich  von  dir  muss  wencken 
das  thut  meinem  herczen  we. 

Sy  gab  mir  iren  sogen 
mit  ir  sehne  weisen  hant 
Sy  sprach  got  sol  mein  pflegen 
kam  wider  her  zu  hant 
Dein  sogen  vnd  mein  verlangen 
macht  mir  mein  iamer  groB 
Dos  lyt  mein  hercz  gefangen 
vnd  lyt  (leidet)  manchen  stoß. 

Bl.  148'. 

0  lib  wie  süß  dein  anfanck  ist 
wo  du  zum  ersten  enspringst 
ctch*  hercze  lib  an  argen  list 
treulich  zu  lib  verpincst  (verbindsf) 
die  mit  der  grünt  in  freuden' 
vnd  gibt  [mir]  vil  werder  czeit 
das  end  pringt  grosses  leiden 
vnd  sweres  herczen  leid. 

Mein  hercz  hat  sich  verphlichtet 
in  eren  gestige  (geniget?)  zu 
mit  freuden  hoch  gestifftet 
nach  allen  meinen  fug 
das  schafft  ein  reines  weihe 
von  der  ich  muß  dahin 

1)  LfldEe:  willen?  wünsche?      S)  fioei  h.  L?       3)  die  miile  ergrünt  in  fr.? 


DAS  mOnchbmbb  ubdbbbugh  111 

so  geschach  mir  nye  so  leyde 
weyß  got  allem  ynd  ich. 

Auß  herczen  tief  vnd  doch  erseufcz 
wen  ich  an  sye  gedenck 
tc;eraubet  ist  mir  mein  hercze 
vor  leid  wind  ich  mein  hende 
das  ich  mich  schol  erwegen 
der  miniglichen  figar 
dye  ich  mir  hab  außerlesen 
auß  aller  creatnr. 

Noch  dir  stet  alle  mein  begir 
du  gewaldiger  amantist 
0  du  edels  iralsamplut 
wye  we  mir  nach  dir  ist 
ich  kan  dein  nit  vergessen 
wo  ich  in  der  weit  hin  far 
mein  freud  stet  vngemessen 
das  wiß  zart  lib  für  war. 

0  frau  thu  mich  des  geweren 
des  ich  dich  pite  mit  fleiß 
vnd  thu  mein  jugent  emeren 
allein  hastu  die  speiß 
sust  lebet  kein  auf  erden 
die  mich  erfreuen  mag 
nu  u^&ar  dich  got  in  eren 
des  pit  ich  tag  vnd  nacht. 

BL  149. 

Eund  ich  der  reynen  dynen  eben 
nach  lust  gefedlen  leben 
wes  sie  u^egert  das  vril  ich  sein 
frolich  ia  vnd  nicht  neyn 
ich  CTO  libe  meyn. 

Heyn  ist  ir  tugent  manick&lt 
liplich  iugent  vnd  nit  alt 
sie  bot  zwey  auglein  dy  sint  dar 
golt  far  ist  ir  har 
ir  mundlein  rosen  far. 

Schold  ich  ir  brustlein  ploß  an  ruren 
ir  hemdlein  weiß  auf  schnüren 


112  VBOMMAim 


nem  dich  lib  yn  ir  ermelfi  blanck 

kein  groser  fobe  danck 

so  wer  mir  die  zeit  nit  langk. 

Scheiden  meiden  wen  wild  da  mich  lassen 
da  krenckest  mein  hercz  on  massen 
in  rechter  libe  ist  es  encznnt 
in  der  libe  hicze  brint 
das  sey  dir  lib  verknnt 

Bl.  149  \ 
Gnad  lip  ich  far  von  hinnen 
betrübet  pin  ich  hart 
das  ich  bey  dir  nit  mag  gesein 
ich  weiß  kein  wider  fart 
des  pin  ich  ser  erschrocken 
mein  mut  ist  mir  encznckt 
das  scheiden  macht  mich  erstocket 
mein  freud  ist  mir  vernickt. 

Geselle  piß  vnuerczaget 
vnd  laß  dich  trösten  groß 
bis  vnß  die  zeit  betaget 
du  finst  mich  doch  nit  bloß 
alczeit  ynuerkeret 
wen  ich  der  libe  wart 
biß  vns  die  zeit  bescheret 
trost  mich  dein  wider  fart 

Mir  benugt  lib  in  dem  herczen 
dein  znsag  gibt  mir  mut 
wie  wol  mich  scheidenB  smerzen 
kein  man  benügen  thut 
yedoch  thut  mich  ergezen 
dein  lib  manigfalt 
es  kan  kein  man  geleczen 
du  host  mein  gancz  gewalt 

Wie  ferr  ynd  lang  dye  weile 
geselle  du  von  mir  pist 
ydoch  so  lange  weyle 
in  meinS  herczen  ist 
geaugen  (geangen?)  manigfalde 
wan  du  doch  wenig  weist 


DAS  JfÜMCHBNBB  LIBDEBBUCH  113 

got  füg  dich  schir  zu  laude 
das  weger  ich  aller  meist. 

Eonde  ich  noch  vorgleichen 
das  du  genügen  thust 
an  zweifei  ewiglichen 
solt  es  mir  (Bl.  150)  werden  last 
im  herczen  sonderliche 
in  lib  freuuüich  dich  bit 
hab  alczeit  gut  gedinge 
vnd  trag  kein  vnmut  nit. 

Wie  mag  mich  trost  erlangen 
wen  ich  nit  bey  mir  han 
mein  lib  in  hohen  prangen 
in  sorgen  muß  ich  stau 
wen  ich  nit  kau  erfaren 
mein  ort  (hart?)  wie  dii-s  ergee 
so  muß  dich  got  tc;ewaren 
mein  hercz  M^egert  nit  mer. 

Verschriben  vnd  versigelt 
in  meines  berczen  grünt 
verschlossen  vnd  venigelt 
sol  es  sein  zu  aller  stund 
mein  lib  in  hohen  eren 
sol  wol  «<?ewaret  sein 
an  aller  ley  beswere 
gnad  lib  ich  far  do  hin. 

Bl.  150  V 

Wol  hin  es  schol  geschiden  sein 
das  ist  ein  swerer  orden 
Ein  plomlein  heist  vergiß  nicht  meyn 
das  ist  mir  dur'e  worden 
mein  lip  das  hat  gedenck  nit  mein 
gepflanczt  yn  yre  hercze 
das  ist  ein  böse  zcu  versieht 
vnd  bringt  mir  große  smercze. 

Sie  kan  wol  yren  mantel  keren 
kegen  regen  vnd  auch  gegen  winde 
ja  czwar  ich  wil  irs  wol  wescheren 
das  sy  iren  gleichen  wirt  finden 

SEITSCHB.   r.   DBUT6CHE   PHlI.OLOai£.      BD.  XV.  8 


114  ntoncAMir 


Der  sie  wirt  effen  sunder  spot 
vnd  wirt  irs  wol  vergelden 
nach  dem  sie  mir  gemesen  hat 
das  sie  nach  kume  thar  melden. 

Bl.  151. 

Es  leit  mir  hart  vnd  ist  mein  klag 
groß  senen  ich  in  meinem  hercen  trag 
der  schimpf  mir  nit  gefeilet  wol 
das  ich  pey  ir  nit  wessen  sol 
wie  hart  ich  das  verdol 
mein  gemnt  ist  alles  senens  vol. 

Wer  ich  sein  ab  des  ich  mich  sen 
alczeit  ich  hab  der  liden  pein 
sy  macht  mich  traurig  wolgemat 
doch  leid  ichs  als  was  sie  mir  thut 
das  dnncket  mich  alles  gut 
mein  hercz  vor  senen  ymmer  mt. 

Mach  mich  senen  frey  du  werdes  ein 
kum  pald  czu  mir  neur  du  allein 
noch  deinem  willen  fru  vnd  spat 
vnd  leich  mir  her  deinen  freuntlichen  rat 
der  mich  vnd  dich  nit  lat 
mein  hercz  sich  seer  verwundet  hat. 

Mach  mir  sorgen  pus  du  mein  leit  verker 
oft  ich  mus  vnd  doch  sein  nit  beger 
dos  sol  ich  nymant  czeichen  den  dich 
dos  soltu  fraw  (BL  151^)  geweren  mich 
wenn  ich  dich  erst  an  sich 
so  sein  verriebt  neurt  du  vnd  ich. 

Das  mir  ir  trost  czu  giuallen  kom 
wurd  ich  erlost  das  sie  mich  aufTnem 
das  ich  nit  zug  im  naren  sieln 
wenn  mir  kein  andre  pas  gefallen  will 
treff  ich  das  rechty  czyl 
swas  sie  mich  hies  das  wer  mir  nit  czeuil. 

(Von  anderer  hand  und  in  älterer  Schreibweise.) 
BL  152. 

Ach  meiden  du  vil  sende  pein 
wie  hostu  mich  vmbgeben 
verschlossen  in  vor  gende  schrein 
dar  in  ftir  ich  mein  leben 


DAS  MÜNOHBNBB  LIEDERBUCH  115 

• 

dar  in  ich  schrey    mit  lauter  krey 
vnd  kumpt  mir  gar  on  eben. 

Mein  höchstes  heil  vnd  zweifei  nit 
laß  mich  des  nicht  entgelden 
das  ich  dich  lib  so  seiden  sech 
dar  vmb  tha  ich  dirs  melden 
dar  pey  erkenn    als  ich  dirs  nenn 
laß  mich  gen  dir  nit  scheiden. 

Bl  152'. 

Mein  hercz  in  steten  treuen 
in  hofnung  gen  dir  was 
die  mir  mein  freud  thut  meren 
von  tag  ie  lenger  ie  paß 
jr  lib  hat  mich  vmbfangen 
welch  end  ich  mich  hin  ker 
nach  ir  stet  mein  verlangen 
mein  vnmut  wer  zergangen 
het  mich  die  zart  gewert. 

So  pin  ich  ser  verfuret 
durch  ire  kluge  wort 
mein  hercz  an  zweifei  spuret 
das  sie  die  warheit  spart 
zu  mir  an  als  verschulden 
zwar  ich  sein  nie  gedacht 
das  kumpt  von  fremden  schulden 
sold  ich  vngnade  dulden 
ich  hilcz  in  keiner  art  (acht?) 

Von  lib  ist  mir  geschehen 
das  ich  sust  nymant  sag 
het  ich  mich  frir  gesehen 
so  dorfb  ich  keine  klag 
jr  lib  wolt  ich  «betrachten 
an  alles  wider  gelt 
dar  vmb  wart  nie  gefocbten 
mein  allerminstes  achten 
das  klag  ich  aller  weit. 

Als  sie  mir  thet  versprechen 
auß  ir6  roten  munt 
jr  lib  an  mir  nit  swechen 
thet  sy  mir  aber  kunt 
dar  nach  stet  mein  beginnen 


116  VBOiofijnff 

vnd  auch  mein  steter  mut 
ich  hof  mir  wol  gelingen 
solt  ich  die  zeit  verpringen 
die  mir  verlangen  thnt. 

BI.  153. 
Der  mey  mit  seyem  schalle 

erfreuet  manchs  gemut 

ein  plumlein  ob  in  allen 

das  stet  in  hocher  plut 

Yeiel  ist  es  genennet 

das  mich  erfreuen  thut 

wo  lib  in  lib  erkennet 

so  wirt  es  nit  zu  trennet 

wan  es  stet  wol  behut. 

Wolgemut  grünt  auch  da  her 
mit  seiner  tugent  rein 
noch  im  stet  meyn  beger 
wan  ichs  in  treuen  mein 
di  edelem  blulein  zart 
in  dises  meyen  zeit 
mit  tugentlieA  arte 
ensprossen  auB  libes  garten 
haben  si  manch  hercz  erfreut 

Gar  liplich  hört  man  singen 
di  schon  frau  nachtigal 
auch  andre  vogelein  cliiigen 
in  walden  vber  al 
Di  sich  alle  thun  freuen 
des  werden  meyen  gut 
si  kan  mir  leid  zu  streuen 
die  ich  do  meyn  mit  treuen 
nach  dir  mein  hercz  stecz  bnt 

Bl.  153*. 
Die  ich  in  mein6  synne  trag 
di  ist  wunicklicher  gestalt 
ich  dint  ir  doch  wol  nacA  vnd  tag 
ir  gut  ist  manickfalt 
si  hat  meyn  hercz  vmbfangen 
so  gar  mit  ganczer  macht 
das  schaffet  groß  verlangen 
hot  mich  zu  traoren  procht 


DAS  IfÜNCHBNBB  LISDEBBUCH  117 

Trauren  var  hin  mit  schalle 
ynd  du  scholt  vrlaub  han 
dir  zu  wol  gefallen 
so  wil  ich  prauen  tragen 
praun  weAent  verschwigen 
ynd  ich  weis  anders  nit 
mein  trauren  muß  ich  sweigen 
das  hab  ich  mich  verphlicht. 

Zu  einer  die  mir  so  gefeit 
auf  getrauen  so  din  ich  ir 
zu  der  sich  hot  mein  herz  geselt 
det  si  des  gleichen  gen  mir 
so  must  mein  leid  der  sterben 
in  iamer  vnd  auch  in  pein 
moch  ich  ir  huld  erwerben 
wie  mochte  mir  paß  gesein. 

Nu  wol  hin  auf  getrauen 
hoSnung  hat  mich  demert 
dor  auf  so  wil  ich  pauen 
so  lang  mir  wider  fert 
Hoffen  ynde  harren 
de  darf  sich  nimant  an  keren 
got  must  dich  toebBien 
piB  das  ich  zu  dir  kum. 
Bl.  154. 

Elend  hat  mich  vmb  fangen 
so  gar  on  al  meyn  schuld 
nach  der  mir  thut  verlangen 
mit  smercen  ich  das  duld 
das  machen  ire  suze  wort 
do  mit  hat  sie  mein  hercz  verfnrt 
manch  geselle  gut    ein  frau  behut 
vnd  pringt  sich  selber  in  not. 

Pein  vnd  grosses  herczeleit 
vmb  frauen  willen  vor  war 
zu  tragen  sint  ir  vil  bereit 
das  sag  ich  oSemodi 
ein  gutlichs  wort  die  libe  stifft 
do  von  wirt  im  sein  hercz  vorgift 
ein  Wochen  lip    dye  ander  leit 
das  ist  ir  stetekeit. 


118  FBOMMANN 


Ligen  trigen  ist  ir  gemein 
wer  ir  vil  glauben  wil 
si  spricht  wol  ya  vnd  meinet  neyn 
piß  er  kumpt  in  das  seyl 
als  man  auch  den  volglein  tut 
man  pfeift  yn  suß  vnd  macht  yn  gut 
piß  sy  kumen  eyn    vnd  gefangen  seyn 
et  vnd  weren  geslagen  tot. 

Ach  got  wy  gar  wirt  der  betrogen 
der  nu  nicht  weis  dy  weise 
ym  wirt  so  offt  für  gelogen 
dy  wort  fürt  sy  gar  lise 
wen  er  noch  yr  bot  sein  vorlangen 
suerlichen  wirt  er  den  gefangen 
als  seyn  begir    das  stet  zu  ir 
dar  er  mag  komen  schir. 

Jomerlicher  jamer 
wy  betrubestu  mich  so  ser 
durch  dich  so  leid  ich  komer 
du  pringst  mir  offt  smerczen 
meyn  std  doch  frauen  sich 
sy  geheit  eyn  andern  sicher  als  mich 
resche  lib  pald    er  sy  vor  alt 
so  wirt  sy  genczlich  kalt 

Wol  ich  sust  wol  bekumen 
ich  furcht  es  sey  verloren 
so  nem  ich  keinen  frumen 
wen  ich  wurd  aber  vorkoren 
zum  ersten  ist  einer  wol  gewert 
auch  alles  (Bl.  154^)  was  seyn  hercz  begert 
pj  bald  ist  das  verkart    das  ist  ir  art 
mit  schaden  wirt  einer  gelart 

Senecklichen  senen 
du  hsd  mein  hercz  verwunt 
ich  hab  alczeit  wol  wenen 
die  lib  wer  gancz  verpunden 
mich  duncket  werlich  sicherlich 
sy  hab  ein  andern  liber  den  mich 
sol  mich  uu  nicht  rauen     meine  traue 
auf  sy  stet  nicht  zu  bauen. 


DAS  MÜHOHXNEB  LIXDSBBUCH  119 

Torst  ich  mich  nun  rechen 
an  ir  noch  meiner  Inst 
ich  wil  werlich  sprechen 
mein  wil  solde  werden  gewust 
je  doch  so  wil  ich  schonen  meyn 
vnd  wil  nymer  yr  eygen  seyn 
seynt  das  nicht  wil  wenden    mein  elende 
so  hab  die  IIb  ein  ende. 

Yerwor  das  ist  also 
wen  dy  lib  hat  vmbgeben 
seyn  hercz  wirt  gar  selten  fro 
sy  Ä^encket  ym  seyn  leben 
wen  yn  dy  gedencken  kamen  an 
nymant  er  recht  berichten  kan 
uns  das  er  knmpt  zu  yr    nach  seyner  begir 
dy  freude  verget  gar  schir. 

Eya  ir  feinen  gesellen 
nun  gedenckt  alle  dar  an 
lat  euch  die  lib  nichte  feilen 
dar  ir  moget  abe  Ion 
gelaubt  nicht  an  ir  gesiebt 
ym  herczen  ist  ein  ander  gedieht 
manchs  suß  wort      das  stiftet  mort 
vnd  bringt  sich  selber  yn  not. 

Solche  libe  solt  ir  hau 
wen  sy  euch  gibet  gute  wort 
yntreue  solt  ir  betrem  (bekene?)  tragen 
so  wert  ir  nicht  vorfurt 
ab  sy  mit  euch  gar  gutlich  spricht 
werliche  das  hercze  erfert  es  nit 
also  pin  ichs  verloren    das  tut  mir  czoren 
far  hin  ich  hab  mer  verloren. 

Ade  ade  zu  guter  nacht 
nun  pin  ich  gancz  elende 
het  ich  das  an  dir  gedacht 
meyn  lib  het  lang  eyn  ende 
meyn  syn  genczlich  nach  scheiden  stet 
so  mer  in  zeiten  als  lang  gepeyt 
wie  wol  das  hercze  meyn    muß  leiden  peyn 
ie  doch  so  muB  es  gescheiden  sein. 


120  FROMMANN 


Bl.  155'. 

Ein  weiplich  bild  mich  trucket 
gar  freuntlich  an  mein  brnst 
ir  wenglein  nicht  verczucket 
das  gab  mir  freud  vnd  lost 
al  zu  der  selbigen  fart 
ir  wenglein  die  sein  roter 
wen  ye  kein  rose  wart. 

Ir  eugle  die  sint  clare 
ir  wenglein  rosen  &r 
dar  zu  zwei  fuslein  smale 
traget  sy  gar  offenbar 
ir  brustlein  sein  hart 
recht  sam  sy  weren  gesniczet 
sy  sint  gar  wol  gestsdt. 

Ich  kan  ir  nicht  vorgessin 
der  aller  libsten  mein 
ich  trinck  slaf  oder  esse 
mit  trauen  ich  sy  meyn 
wen  icli  sy  loben  muß 
allen  kumer  den  ich  hab 
tut  sy  mein  hercz  husen. 

Swarcz  wil  ich  tragen  grau 
gibet  mir  guten  rat 
zu  einer  werden  frauen 
si  ist  gar  wol  gemut 
ich  dyente  ir  vnder  tan 
sy  traget  eine  crone  der  eren 
ein  a  dar  vnter  stet. 

Ade  ich  muß  mich  scheiden 
von  der  aller  libsten  meyn 
mir  geschach  noch  nie  so  leide 
vnd  muß  gescheid en 
wen  ich  mich  scheiden  muß 
gesegen  got  meyn  freulA  zart 
ade  ich  far  do  hin. 

Bl.  156.    (andere  band.) 

Blaß  abe  den  hunden  das  ist  zceit 
dy  netz  sind  auff  genommen 
welch  wilt  in  guter  weyde  liet 
ich  forchte  es  wil  nicht  kommra 


DAS  MÜNCHBNEB  LISDKBBUCH  121 

wer  stellet  vnd  nichten  fehet 
was  achte  ich  das  der  läget 
wer  merken  kan  ynd  wol  verstheet 
was  darff  der  vorbaß  fragen. 

Ich  binß  vor  erret  nflF  wilder  ban 
das  wilt  ist  mir  entgangen 
das  ich  so  lange  geiaget  han 
das  hat  eyn  ander  gefangen 
traw  stete  liebe  vnd  gunst 
habe  ich  dor  an  gehetzet 
laß  faren  wen  es  ist  mb  süst 
meyn  frewd  ist  mir  vorletzed 

Welch  wilt  dy  hnnde  gerne  hört 
vnd  Inst  nach  manchem  home 
das  wirt  dy  lenge  io  betört 
es  schawt  wedder  püschz  nach  dorne 
kompt  eyn  sneller  dor  an 
der  hat  is  balde  gebissen 
wen  is  meynt  es  wil  in  frewden  stan 
so  ist  om  dy  häth  zcu  rilBen. 

Bl.  156'.    (andere  band.) 

All  mein  pegir        sent  nach  dir 
Das  schaffet  lieb  dein  so  wert 
Nun  han  ich  mir        gennmmen  fQr 
Dir  pleyben  stet  vnd  vnverkert 
Wenn  es  dir  nur  gefeilig  wer 
So  mocht  mir  doch  nicht  paß  gesein 
uergangen  wer  mir  senlich  swer 
das  ich  teglich  &n  mittel  ser 
trag  heimlich  in  dem  herczen  mein. 

Wie  wol  ich  spar       vnd  nit  enthar 
Genczlich  verkünden  dir  mein  hercz 
Das  went  mir  czwar        den  vnmut  gar 
vnd  furcht  eß  sey  dir  doch  ein  schercz 
wenn  ich  dich  frewlein  werd  vnd  rein 
so  frewntlich  vmb  dein  trewe  bet 
Geb  ich  dir  denn  vrsach  zu  nein 
Das  wer  mein  aller  freuden  kern  (?) 
Nun  rew  mich  das  ich  ye  getet. 

Solt  ich  durch  wort        dich  liebsten  bort 
begeben  vnd  mir  sein  vngenem 


122  FBOMHANN 


das  wer  ein  mort     meins  herczen  hört 
wa  das  dein  lieb  nicht  recht  nernem 
wan  ich  all  fremden  (firewden?)  von  dir  nun  han 
So  ich  mein  hochsteß  .v.  an  sich 
So  wird  ich  trawrenß  an 
wann  ich  (Bl.  167)  auff  erden  nicht  lieberß  han 
wie  wol  dn  doch  verachtest  mich. 
BL  169*. 

Man  singt  vnd  sagt  von  frauen  vil 
dy  ich  doch  alczeit  loben  wil 
Das  eyn  freolein  reyne 
mit  lieb  vnd  gut    mit  freud  mit  muth 
yn  rechter  treu  vordynet. 

Als  das  ich  von  ir  begert 
was  ich  stetiglich  gewert 
sy  wolt  mir  keynß  vorsagen 
wen  na  meyn  herz    dor  an  gedenck 
ym  elend  wil  ichs  vor  zagen. 

Qeluck  vnd  heil  hat  ich  von  yr 
dor  vmb  sie  billich  libet  mir 
da  pey  nempt  euch  die  lere 
wer  freuen  (frauen)  ert    der  wirt  gewert 
was  er  von  yn  begeret. 

Do  got  der  frauen  erst  gedacht 
do  hat  er  freud  der  werlde  bracht 
das  wil  ich  wol  ic^e&eisen 
den  nymant  erfreut    den  erfreut  eyn  weip 
dr  lieb  bricht  stahel  vnd  eysen. 

Ach  got  wy  geschyet  mir  so  leid 
sind  ich  mich  von  der  libsten  muß  scheyden 
wie  sol  ichs  vber  winden 
mir  mocht  meyn  hercz    vor  iamer  vnd  sroercz 
yn  mel  leid  vor  swinden. 

Leg  ich  ein  iar  yn  groser  nott 
vnd  wer  mir  vater  vnd  muter  tot 
noch  geschech  mir  nie  so  leide 
wen  das  ich  mich    so  elentlich 
von  meinem  bulen  muß  scheiden. 

Elend  ist  nu  das  hercze  mein 
elend  muß  ich  meyn  lebtag  seyn 
elend  bin  ich  geschaffen 


DAS  HONCHBNEB  LIEDERBUCH  123 

elend  bin  ich    elend  krencket  mich 
elend  lest  mich  nit  slafen. 

Nach  wil  ich  über  elende  seyn 
wen  das  ich  brech  dy  treue  meyn 
das  sol  sie  wer  (Bl.  160.)  den  ynne 
keyn  Über  ich  lian    noch  nie  gewan 
oder  nymer  mer  gewynne. 
.Ich  leyde  an  schulde. 

(Andere  band.) 

Owe  wie  gehn  ich  wuheten 
yn  mynen  synnen  gar 
myn  hertz  will  nymmer  blAten 
vnd  grawen  muß  myr  myn  har 
ich  hab  yn  tusend  jaren 
dich  lieb  gesehn  nye 
nu  muB  dich  gott  bewaren 
das  wünsch  ich  dir  dort  vnd  hye. 

Ich  forcht  der  falschen  claffer 
der  ist  so  vill  bye  dir 
darzu  weiß  ich  eyn  äffen 
der  alcziet  thud  leyde  mir 
Ach  frow  nu  thu  mich  hören 
wie  woll  ich  nicht  bye  dir  byn 
thu  dich  dyner  schalckeyt  weren 
so  hastu  myn  hertz  do  hyn. 

Ich  hab  mich  des  vermeßen 
an  aUeß  abelan 
dyn  nymmer  zu  vergessen 
dy  wyle  ich  my  leben  hau 
daran  laß  dir  genügen 
du  aller  liebste  myn 
Gott  wird  eß  zu  dem  besten  fugen 
Ade  ich  byn  der  dyn. 

Ab  ich  yage  vnd  fahe  nicht 

Schadet  es  euch  ymand  icht 

Neyn  zwar  eß  nicht  enthud 

wyß  daffer*  ich  byn  glich  wolgemüth. 

BL  168*. 
0  raiserey  du  hartte  speis 
wie  dustu  mir  so  ant  ym  pauch 
jm  stro  so  peissen  mich  die  leus 


124  FHOMMAIIM 


die  leilach  sind  mir  vil  czu  rauch 

Ich  thumer  gauch  wor  vmb  thun  ich  das 

bey  einem  pruger  wer  mir  pas 

vnd  hulff  der  dirne  mehen  das  gras. 

So  geb  sye  mir  ein  rossenkrancz 
der  macht  mich  frisch  vnd  wolgemut 
Mit  der  ging  ich  an  den  abent  tancz 
Mein  sach  ward  siecht  das  pett  ward  gut 
so  wer  ich  aller  sorgen  ab 
die  ich  ym  reuters  leben  hab 
Ich  hau  kein  gelt  wo  ich  hin  trab. 

(Andere  hand.) 

Was  ich  selb  viert  nit  haben  mag 
das  muB  ich  ainig  faren  lau 
Das  jar  gibt  mangen  lieben  tag 
dos  muß  ich  gen  ir  ainig  stau 
Ich  gib  nit  vil  vm  Iren  zom 
ob  sie  den  ars  dar  vnder  vill  (vall?) 
wan  vber  nacht  kumpt  aber  morgen  (morn) 
hat  si  mich  zum  narren  auß  der  koren 
der  mein  nit  wil  der  laß  mich  gan. 

Es  sol  mich  zwingen  zu  mein  geluck 
ein  strosack  gib  ich  vm  ein  pet 
wie  mocht  ich  slahen  1 . .  t  (lust  ?)  zu  ruck 
wan  ich  anderß  wo  nit  liebers  hett 
wan  hübsch  vnd  fein  nach  aller  lust 
das  nimpt  mir  al  mein  trauren  ab 
ich  wil  ir  dinen  nit  vmb  sust 
an  menner  treu  ist  kain  verlusst 
far  hin  scheue  frau  vnd  piß  schab  ab. 

Der  winter  sieht  mich  vbel  an 
das  rauch  hat  auß  gekeret  sich 
ich  maint  ich  woltz  verkumen  hau 
so  ist  der  vnfal  wider  an  mich 
Die  liebst  dy  mir  mein  hertz  besaß 
der  slug  ich  lauten  vor  der  tur 
sie  ist  mir  worden  so  gehaß 
vnd  lest  sie  nicht  bekumem  das 
ob  ich  den  winter  gantz  erfirur. 

Sie  prtch  ain  auß  pruch  von  aim  zäun 
vm  das  der  krig  sein  fiirgang  hab 


DAS  MÜKCHSNEB  LIEDEBBUCH  125 

si  mocht  mich  finden  in  dem  lan 
ich  slug  sie  mit  dem  gunckel  stab 
vnd  hilt  mich  do  ich  werder  wer 
vnd  ließ  dy  schuld  auff  ir  bestan 
wan  haiß  ich  den  der  wol  enper 
ich  smirbet  mich  der  (de')  aflfen  smer 
vnd  solt  recht  min  vnd  lieb  zer  gan. 
Yngeptnev  dinst  nimpt  vnwert  end 
vns  paiden  das  zu  clagen  stat 
Mit  treuen  ich  mich  von  ir  wend 
ir  hertz  ist  wandeis  vil  bedacht 
Ir  liebt  dy  spreuer  für  den  keren 
das  ist  feeiplichs  firwitz  schult 
wer  solt  nit  irz  gelimpfs  w?egeren 
sie  kan  woll  von  krehen  scheren 
des  pringt  mir  laid  vnd  vngedult. 

Bl.  169*.     (Andere  band.) 

Awe  meins  pleiben  ist  nymer  hie 
wenn  ich  pin  worden  schab  ab  ab 
sy  hot  mir  durs  vnd  gruns  versagt 
vnd  all  ir  freuntschaft  a  ha  ab 
mein  feins  lieb  hot  mir  das  hinter  gikert 
des  pin  ich  ein  armer  kna  a  ab. 

Awe  erderlicher  oder  awe 
vnd  wie  sol  mir  gischech  ech  en 
das  ich  mein  feines  sönes  lieb 
mit  frewden  nienr  schol  schech  echen 
vnd  das  sie  doch  kein  einnicklich  wort 
nit  mer  czu  mir  gech  echen  (geiehen?  wil  gehen?) 

Awe  was  schol  ich  wünschen  ir 
das  sie  mich  czu  senen  hat  pra  a  pra  acht 
vnd  das  sie  doch  kein  einiclich  wort 
doch  niemancz  nach  mir  fra  a  agt 
vnd  das  sie  mich  so  gancz  vnd  gar 
gancz  vber  geben  ha  hat. 
Bl.  114. 

All  zit  zu  dir  staut  min  begir 
wo  ich  in  allen  landen  far 
du  bist  die  aller  liebste  mir 
durch  dich  bin  ich  in  fröden  gar 
da?  num  zu  dank  trut  werdes  weyb 


nit.  lauß  din  niytiön  zarten  üb 

des  klaffers  mund      anß  seinem  Talxchen  gnintl 

verwysen  tfit      in  argem  mfit 

der  mich  erfröt  in  hertzin  wol 

wan  ich  dich  lieb  ansebea  sol. 

Wa;  alleil  mentscben  fr3de  macht 
In  Summer  vnd  in  winter  zit 
an  mir  da;;  alles  nit.  verfauclit 
wann  all  mein  bofTnung  an  dir  lytt 
wann  ich  bedenk  den  hohen  lust 
ayn  rainer  lib  vnd  zarte  brust 
vnd  des  embir      dann  gebristet  mir 
der  synne  min       mScbt  es  gesciu 
als  ich  in  hertzen  lieblich  bger 
ich  WQnacht  auff  erd  nit  frödyn  mer. 

NOltNIlER«.  K.    FRDMMAXX. 

Nachschrift.  Während  mir  dieser  abdrack  aiir  korrektur  vor- 
liegt, erbalte  ich  soeben  mit  der  nr.  10  der  diesjährigen  „Mouutäbefte 
für  MuHik-Qesehichte"  Eitnar's  „Nachträge"  zu  dem  Ü,  bände  von 
„Das  dentsche  Lied",  worin  er  auf  seitö  223^330  eine  anxahl  bemcr- 
kimgen  und  Verbesserungen,  die  icb  ihm  s.  z.  zu  den  von  ibm  daselbflt 
herausgegebenen  texten  des  Münchencr  liederbnches  mitgeteilt .  bat 
abdrucken  lassen.  Leider  haben  sich  dabei  so  zahlreiche  lese-  und 
druckfehler,  wie  ancb  andere  Verwirrungen  eingeschlichen,  dass  ich  mich 
hier  zu  dieser  erkUrnng  als  einer  Verwahrung  für  mich  veranlasst  sehe. 

NÜRNBERG,    IM   NOVEMBER    1882.  DR.    K.   FUOMMANN. 


LITTERÄTTJR. 


ArkiT  for  üordiak  filologi.  Udgivnt  linder  raciivirtriing  af  8.  Bngro 
(Chriatiania) .  XleolaoB  linder  (SWkliolm).  Adolf  Noreen  (üpsnla),  Lndv. 
F.  A.  Wlmmer  (KJBboahavn),  Theodor  Wk^n  (Land)  vuJ  GuhUv  Sfina. 
1.  Bind.     1  Befto.    112  s,  8".    Chriatiatii« ,  J.  W.  Cappeleu.   1882 

Vor  einiger  seit  brachten  gonnanistiscbo  organo  die  naohricht,  dms  in  Chri- 
dtUnia  nnter  dar  leitaog  von  tinstav  Sturm  eine  aeao  zeitei^brift  erscheinen  werdo, 
wi-lclio  arbeit^D  aoa  allen  zweigen  di^r  nordischen  pbilologio  bringen  BOlte,  mit  der 
bcetimrouni; ,  dass  ob  gleich  sei  in  welcher  der  gcrmauiichen  Bchriftsprachon  die« 
siilben  geachriebi'n  seien.  Dorcb  dies«  clauael  mm  relohen  una  luiBere  gennanischen 
Htammcsbr&dor  div  band,  mit  ihnen  gemeinum  aaf  einem  felde  zu  arbeiten,  wel- 
ches nicht  nur  für  die  nordische,  HonilerD  ancb  flir  umiere  dentacbe  spräche,  fltr 
unser  ganzes  dentsches  alt«rtiun  ran  ongoroeiner  Wichtigkeit  ist.  Ich  sehe  in  die- 
sem nntemehnion  den  ersten  schritt  snr  verbrOduning  der  germanischen  nationea, 
«uf  welche  schon  Jac.  Grimin  in  seiner  geschliihto  der  deotachen  spräche  hingewie* 
aen;  denn  ideen,  welche  anter  den  gelehrten  worzol  gefasst  hnheu.  masscn,  sofern 
sie  gesand  sind,  anch  ins  volk  dringen.  Wir  dürfen  daher  das  neae  unternehmen 
mit  frcnden  begrüaaen  niid  niQssen  es  nach  krSftcn  unt«r«lUttFn ,  damit  es  lebens- 
fähig werde  and  sieh  stark  erhalt«.  —  Die  trofliehsteu  nordlaohcn  pbilologen  — 
üwnen  wie  8.  Buggu,   Q.  Stonn,   1..  Wimnwr,   Th.  Wi»*ii  usw.  habun  ja  in  pua 


OL.  127 

DcaUchland  guten  Tdang  —  haben  sich  zur  redadion  dieBes  organes  vereinigt.  Ton 
welchem  ans  jezt  Aas  erste  hoft  vorliogt.  Eine  loitachriit  oQt^r  jener  leitang  bedurfte 
wol  keinec  cmgtfelilQng  uud  da«  rorüegendo  beft  bat  nnci  Iti  anaeren  orwartimgen 
durchaus  nicht  gpt&aaoht.  An  der  spitze  der  arbeiten  st^bt  eine  untfirsncbung  von 
ü-  Bugge  über  die  Rosomonoium  gans  bei  Jordanes  cap.  24.  (Üpl^sninger  om 
Nordens  Oldtid  hoa  Jordanes.  L)  Gleich  diese  abhandlnng,  aas  dem  gebiet  der 
deutschen  beldensage,  iudsb  nnaere  satoerVaamkeit  in  anapmch  Delimen.  Zunächst 
wcüt  Bngge  entschieden  znr&clc.  das»  die  BoBomoni  etwas  mit  den  Roiolani  zu 
tun  haben.  Bosomoni  geht  nach  ihm  auf  ein  got.  'Rusoiiuiana  zuräck.  netchoa  toii 
viuem  subet.  'niema  ^en.  rnamins)  abgeleitet  ist;  lezteres  haben  wir  im  althd, 
roaiuno  =  die  röte.  Die  Roaomoni  sind  demoacb  „die  rothaarigen"  (mit  hinsieht 
anf  das  haar)  oder  „die  sommeraprossigen"  (mit  hinsieht  aof  die  haut).  Ana  die- 
sem geacblecht  nnn  atamte  Svauhitd  sowie  Sibeche ,  der  treulose  ratgeber  Ennau- 
richa,  welchen  ja  mit  votlem  recht  Bagge  in  der  iuGdo.  gcns  dea  Jordanea  ilndet. 
Aber  zum  oamen  attntt  auch  die  sachc:  rotes  liaar  ab  zeichen  der  treulesigkeit  ist 
einn  alte  in  der  Tolkatradition  teatgewnrzelt«  anachaanng.  —  Diese  „Rosomoni" 
findet  nun  Bugge  weiter  in  der  nordischen  [Iberliefemog  wider.  Atlakr.  19,  ''** 
(ed.  Hildebr.)  haben  wir  die  stelle: 

langt  w  aX  \^a 
Iffda  mmis  Hl 
of  roamuf^ijU  [RinarJ 
rekka  rrtunsaa. 
Da  diese  stelle  worto  der  Gudrun  an  Uunnar  sind  and  nichts  mit  der  Ermanrichs- 
«Age  zn  tun  haben,  imteraucht  Bugge  die  ursprönglichkeit  der  Atlakvida  tmd  findet 
ans  ihr  herana; 

1)  ein  gedieht  über  den  kämpf  zwischen  Goten  und  Hannen,  von  wetcham 
brudutücke  am  schlasso  der  Hertararanga  enthalten  sind; 

3)  ein  gedieht,   welobea  Sprlis   und  Hamdirs  racheziig  gegen  Ermanrich 
enthielt; 

3)  wahrscheinlich  ein  lied  Gber  Ernianrich,   in  welchem  er  aelue  sObne, 

ala  sie  zum  kämpfe  gegen  Dietrich  uuszagen ,  zor  tapferkeit  ermahnt.    In  der 

pilreksaaga  Ist  der  inhalt  diesea  gediehtes  noch  ziemlich  gnt  erhalten. 

Durch  nr.  2  ist  non  Boanmn^gll  (denn  ao  liest  Bugge:  rosmQ  QqU)  nach  der 

Atlakrida  gekommen  und  dies  heiset  ^=  montea  Bosomonomm    (das  gebirge  der 

Rosomoni).    Das  folgende  Binar,    metrisch  ganz  unberechtigt,    ist   nur  durch  den 

Schreiber  in  folge  dea  misvorständnissca  der  aage   in  unser  getUcht  gekommen.  — 

Am  schlnaae  anrieht  Bugge  nochmals  aeine  schon  in  dieser  Zeitschrift  entwickelte 

anaicht  ana  (Vll,  388  fgg.),  dass  die  Ermanrichsage  stcssweiae  ans  Niederdeatschland 

nach  dem  norden  gelangt  sei. 

Ad  Bitgges  arbeit  schUeaat  sich  eine  das  altgermanische  rerbtagcbiet  berüh- 
rende nntersQcbung  Fritznera:  ping  edr  pjödarmal,  Nachdem  Fritznor  die 
Schwierigkeiten  der  steUe  Eavam.  113'  (Uildehr.): 
hÖH  aed  ^erir 
at  pü  gdw  eiqi 
pimia  ni  pjöäans  miils 
norwegischen  Urkunden  den  alten  alliterierenden  rechls' 
ndl  nach,  nnd  sezt  diesen  auch  an  unserer  stelle  ein. 
Alsdann  sucht  er  den  unterschied  zwischen  ßing  und  ^ödarmäl  zn  etärtem  und 
komt  dabei  zn  dem  resultat:  während  das  pmg  eine  veraamhmg  nach  vorbergegiui- 
gener  einladung  ist  (bcbd.  „gebotenes  ding"),  ist  das  ^ödaTmül  (ahd.  theotmaUi, 
ieit  Detmold)  -=  ^öSurstefna .  eine  öffentliche  versamlang  an  bestirotem  tage  ohne 
besonder«  ankündignng  („angebotenes  ding").  —  Eine  kleine  eingehende  nnt«r- 
ancbung  von  Ang.  Schagerström  deutet  nenaoh-wediseh  Öde  ntr.  =  fatum  als 
ein  erst  im  neuscbwediacben  ana  dem  ntr,  des  partic.  tdhin  (ial.  avMnn)  entstandenes 
anbstantiv.  das  nach  analogie  der  mit  snffigicriem  artikel  verseliencn  ntr.  sein  t 
verloren  habe.  —  Hieran  schliesaen  sieh  awei  scbarfsinoige  grammatische  abhand- 
ungen  Ton  Jol.  Hoffory.  In  der  ersten  derselben  (Astrütr  og  de  to  nordiaJee 
r-lyd)  dentet  er  das  feminine  nomen  propriom  AstrIäT  als  'Äsfridr,  mdem  er  den 
ersten  teil  mit  Bagge  (Tidskr.  for  phil.  VTt,  226)  mit  dsa  zusammenbringt,  den 
zweiten  aber  nach  Gialaaon  (Irbog.  f.  nord.  üldkyudighct  1868,  351  ^g.)  Sis  firidr 
deutet.    Den  Vorgang  denkt  »ich  Hoffory  folgenden 


Affrldr  >  Äarvtr  >  AglriSr  ¥fie 
Au»/h»    >  Ucru    >  hüitrü. 

Aaa  diesem  eiiuiuliuli  des  t  folgt  t-hor,  tUia  nrHprÜ&KÜcbos  r  Id.  li.  gcniuin^orma- 
DÜuheit)  im  Duntifloheu  aeinon  dentalen  chsrnkter  benahrt,  niutit  gnttmalen  aaifu- 
nommtiQ  hat,  »lo  Buggo  und  Winimer  behsapteu.  Im  2.  aiifsttU  ipjidolfr  bnM 
heinrierski  og  brydnirtgen)  weist  HofFory  die  fiii  die  altnordische  brach icngiitheorie 
to  ungemein  wichtige  dstivfnnu  eitr«  (für  spätores  jiUtn  dat.  t.  jiutarr)  luu  einsm 
rdmo  des  akaldeu  bjödüU  (u.  ^W)  oacb.  —  Es  fol^'t  neiter  «ino  ablittndlung  von 
G.  8t arm:  „Mar  Haandtkri/Ur  af  „Heimtkringla"  angket  Snorre  iStwIa««m  Km 
Jüitgaagaemei  Forfalter!"  Man  Dahm  bisher  an,'  dasa  die  alton  dänisoben  ttb«r- 
setMr  der  Qordieoheii  künigssa^n  Laarents  Hanaaan  (f  15&7)  and  Pet«r  Clanaaen 
(1&45— 1614)  eine  bandschtilt  der  Heimatriiigla  bcniut  ttubcn,  welche  Snorri  aU  Ver- 
fasser derselben  ?ennnt  habe.  Storm  weist  nun  nach,  daHs  dies  auf  offenbarem  irtnm 
bemhtt  die  praefatiu  enthält  nrAprünglidi  nur  Lanrente  werk  und  swar  nach  der 
Frisbök,  ana  dieaera  ist  aiu  erst  dorch  Ole  Worm,  dem  urstuu  berauagebär  von 
ClaoBäens  Übersetzung,  in  dieses  werk  gekommen.  Dio  ansicsht  aber,  dass  Soorri 
der  Torfasset  sei  —  die  sich  Uberhaiipt  auch  bei  Peter  findet  —  geht  xaiUok  auf 
die  «on  beiden  benuite,  Borgsbok ,  wotche  eine  weitläoflge  receneioa  der  ÜUiuaM 
Tryegraeonnr  nnd  der  01iifBaaf,'a  hins  helga  enthtüt;  in  lueser  wird  bei  der  schlacnt 
bei  oTuldr  tinorri  Stnrlason  zu  widerhotten  malen  uitiert  und  in  fol^e  dessen  kiel- 
ton beide  Oburset^er  ihn  fär  den  Verfasser  der  Heimskringla.  —  IDmu  tvditio  nova 
bildet  den  schlusa  der  wissenschaftlichen  abhandlaogen :  Nach  dem  cod.  membr. 
Hohn,  no,  32.  4°  liat  ü.  Cederschiöld  dn  fär  die  altnordische  litteratorgoichjchto 
nicht  anwichtiges  gedieht  zum  ersten  male  beraoägegeben,  welohea  ar  .Allra  kappa 
livodi'  nent  („Das  lied  von  allen  küiupen'  bei  Arwidsson,  Fiirtookning  usw. 
hoisst  es  nnr :  KappakTieSi).    Dasselbe  deutet  eine  menge  «on  taten  aagenb^nter 

BirsoneD  au  und  bildet  so  gewisse rmassen  ein  nebenstlick  zur  blendingadnipa  dei 
auk  Vuldisarsonar  (ed.  Tb.  Mübins .  Kiel  1874).  Während  diese  aber  ans  den 
ernsteren  isländischen  sggur  schöpft ,  boröhrt  jenes  banptaächlicb  die  sngengeetalten 
der  rumantiacben  sqgur  und  der  lyipHggur.  Soweit  es  miJglich,  ist  G.  Cederscluüld 
den  anspielungen  des  gedichtes  nachgogangcn  -,  dass  es  ihm  bei  einem  groesen  teil 
nicht  gelungen  ist,  die  qnoUe  zu  uiden,  darf  uns  omsowuniger  wnnder  nehmen, 
als  eine  reiche  menge  dieser  «•jgor  ja  nuch  gar  nicht  hcrausfegeben  ist.  Hetrischo 
erörterangen  dieses  für  deine  zeit  ziemlich  tanstvoUeu  gedicbts  (der  reim  ist:  aaa 
by  abvj  coc  b^_,,  die  atrophe  also  Eohnieilig)  schliesaen  den  recht  dankenswerten 
bcttrag  zom  verstäadnis  desselben. 

An  diese  wissen schaftliuben  abhandlangen  scIiUnssen  sich  noch  als  miacellea 
efne  kurze  biograpbie  Edzardia.  uin  vorzeicbnis  der  im  jähre  188t  auf  dem  gebiet« 
der  nord.  philologie  erschienenen  nenigkeiten  und  ein  fragmenl  einer  Jateiniacben 
übersotzQDg  des  Xongenwilet  ans  dem  14.  jahrbimdert 

Ich  verlasse  äÄs  ueftuben,  welches  sich  aaeh  dnrcb  eine  anganohmo  niiBstot* 
tung  BQsiseiuhnet,'  mit  dem  wmische,  dass  die  zeitaclirift  in  Doutscblnnd  manch« 
freunde  finden  müge;  sie  «erdiant  es  in  der  tat,  wcuu  sio,  wuran  nii'ht  zu  zwuifetu, 
die  bahnen  weiter  geht,  welche  sie  im  vorliegenden  bette  eingoschhigeD. 

Die  zeitschrut  soll  erscheinen  in  jährlich  4  heften  von  zusammen  'M  boguii, 
>um  subacriptionspreise  von  6  krönen. 

1}  Eioe  ansieht,  welche  G.  Storm  salbst  nuoh  in  „Forlalen  til  dual.  Slaitl.  nf 
Puder  CUaaaeB  ed.  Früi  p.  LTl."  TSrteidigl  hat. 

1)  Zu  cugea  itt  die  fahrlMtigkcit ,  mit  welcher  die  konaktur  lorgcnommea  iat 
Ich  darf  biet  nur  von  meinem  kleinen  aoTiati  iprechau.  Üis  ni«ngc  der  fehler  in  der 
mir  lugeeandien  korrektoi  iiburEeugU  mich,  äats  der  lotier  iles  deulicben  unkundig,  und 
iuh  babc  deshalb  dieselbe  nicht  nur  selbft  lu  widerhalten  milin  g:eles<>n,  •ondern  sie 
auch  durclil«B0D  Uuen,  k  data  ich  gloobe,  dHtUt  cinsloboB  tu  künneii,  da»  ich  >io 
Rill  dnickfehk'rn  wie  («.  Ht)  uhüu,  bechaoii,  nardtchhen,  Sfiden  (*8aden)  nicht  lutöck- 
gsMndt  habe, 

LUTKiO,    1».  EKPT.    lüät.  N.   HOOK. 


/  DIE    BALLADE    UND    ROMANZE  VON  IHREM    ERSTEN 
AUFTRETEN    IN    DER    DEUTSCHEN    KUNSTDICHTUNG 
BIS  ZU   IHRER  AUSBILDUNG    DURCH   BÜRGER. 


Einleitung. 

Ballade  und  romanze  Überhaupt.    Begriff  und  historische 

TerhSltnisse. 

Ballade  und  romanze  sind,  der  gewöhnlichen  ansieht  nach,  moderne 
oder  wenigstens  nicht  über  das  mittelalter  hinausreichende  dichtungs- 
gattüngen,  und  für  die  jezt  gang  und  gäbe  gestalt  derselben  trift  diese 
ansieht  auch  allerdings  zu ;  in  ihren  grundzügen  aber  gehen  die  genanten 
dichtarten  auf  eine  sehr  alte,  auf  diejenige  algemeine  form  der  poesie 
zurück,  welche  —  der  bewegten  weise  gesprächlicher  mitteilung  ent- 
sprechend —  ein  ereignis  mit  starken  subjectiven  Zusätzen  und  unter 
einflechtung  eigener  meinungsäusserungen  des  erzählers  widergibt.  Ist 
dieser  erzähler  von  besonders  lebhaftem  temperamente ,  so  wird  die 
mitteilung  um  so  fliegender,  abgerissener;  er  ersezt  manches  durch 
gesten,  bei  der  widergabe  einer  rede  oder  eines  dialoges  vergisst  er 
die  Verbindungen,  wie  „sagt  er",  „antwortete  er",  hinzuzusetzen,  mit 
einem  werte:  rede  und  dialog  werden  in  seinem  munde  dramatisch. 
Ein  ruhiger  dagegen  wird  zu  einer  rein  epischen  darstellung  hinneigen, 
während  ein  melancholisches  tomperament  die  nur  kurz  angedeutete 
tatsache  gewissermassen  in  betrachtungen  und  empfindungen  ausströmen 
lässt.  Diese  besprochene  gattung  der  poesie  nun,  vielleicht  eine  der 
ältesten,  jedenfalls  eine  sehr  alte,  hat  sich  in  den  christlichen  ländern 
flurch  das  romantische  element  des  mittelalters  beeinflusst,  zu  der  form 
der  ballade  und  romanze  krystallisiert,  in  ihrer  älteren,  algemeineren 
gestalt  aber  ist  sie  ein  kind  des  Universums,  und  in  der  naturdichtung 
fast  aller  Völker  —  der  geniale  Herder  hat  uns  den  blick  für  eine 
solche  kosmopolitische  betrachtung  der  poesie  geöffnet  —  zu  finden. 
Die  ältesten  rhapsodien,  aus  denen  der  Homer  zusammengefügt  ist, 
waren  solche  romanzen,  freilich  durch  den  objectiven  geist  des  alter- 
tums  schon  durchaus  in  die  epik  gedrängt;  eine  solche  romanze  ist  das 
lied  von  Hildebrand  und  Hadubrand ,  aus  solchen  ist  das  Nibelungenlied 
zusammengefugt,  von  solcher  art  sind  die  Volkslieder  der  Slaven,   die 

SBITSOUB.   F.   DEUTSCHE   PHILOLOOIB.    BD.   XY.  ^ 


i 


nOLtHAÜBEK 

sümmungsreiclien  lieder  z.  b.  der  Serben,  ja  »elbst  unter  so  wilden 
vMkeni  wie  den  Kurden  {vgl.  Schweiger -Lerehenfeld.  franenleben  der 
erde,  s.  66)  gibt  ea  derartige  romanzen  in  dem  weiteren  sinne. 
Ueäse  sich  an  einer  auswahl  solcher  gedichte,"  s:igt  Goethe,  „die  ganze 
poetik  ganz  wol  vortragen,  weil  hier  die  elemente  noch  nicht  getreut, 
sondern  wie  in  einem  lebendigen  ur-ei  zusammen  eind,  das  nur  bebrfitet 
werden  darf,  um  als  berlichBteB  ph&nomen  auf  goldflügeln  in  die  luft 
zu  steigen."  Aber  nicht  allein  f^r  jene  frfihen  anfange  kdnstldriscben 
Schaffens,  sondern  merkwürdigerweise  auch  für  eine  verfalsperiode  ist 
das  episch  -  lyrische  lied  typisch.  Beim  auagaiige  des  mittelaltera,  als 
KU  grossen  epen  die  kraft  fohlte,  die  knanstlyrik  im  meistergesang  ver- 
knöcherte und  das  drama  noch  in  den  windeln  lag,  da  ertönten  aus 
feld  und  wald  jene  frischen  bauorn-  nnd  landsknechtslieder,  welche  die 
hegebnisse,  die  jene  einfachen  gemüter  bewegten,  erzählten,  wie  sie 
sich  das  volk  erzahlt,  aphoristisch,  mit  lyrischem  durchklingeu,  und 
welche  nicht  selten  durch  die  lebhafle  auffassnng  ihrer  nugenanten  und 
unbekanteu  dichter  zu  dramatischer  unmittelbarkeit  sich  steigerten. 

Wer  die  entstehung  und  ausbildung  dieser  voIksUederdichtung 
historisch  verfolgt,  dem  werden  gewisse  Verschiedenheiten  sich  leicht 
erklären,  über  welche  die  theoretiker  vergeblich  bin  und  her  gestritten 
haben.  Ks  ist  klar,  dass  das  christliche  Volkslied  ~  nur  von  diesem 
ist  fernerhin  die  rede '  —  einen  wesentlich  andern  Charakter  annehmen 
muste  als  das  heidnische.  Besonders  wider  muste  sich  das  nordisch - 
germanische  Volkslied  sehr  verschieden  von  dem  romanischen  gestalten. 
In  dieser  lezteren  localen  Verschiedenheit  liegt  der  kernpuukt  der  frage 
nach  dem  unterschiede  von  ballade  und  romanze. 

Die  romanze  erhielt  ihren  namen  von  der  spanischen  lingua 
romanza,  der  aus  dem  lateinischen  entstandenen  mundart  des  Volkes. 
Alle  gesänge  in  der  liugna  romanza  nante  man  schlechtweg  romanzen; 
also  war  romanze  eigentlich  jedes  Volkslied.  Die  spanische  romanze, 
das  kind  eines  heiteren  Südens  nnd  der  zeit  der  siegreichen  k&mpfe 
der  Christen  gegen  die  Mauren,  ist  von  einer  verh&ltnismässig  grossen 
ruhe  und  geschlossenheit;  sie  trägt  jenes  hellere,  lichtvolle,  durchsichtige 
geprfige,  welches  ebenso  dem  heiteren  Charakter  der  südlichen  heimats- 

1)  Er  ninaa  hier  widerlich  ood  betont  worden,  diks«  di«  spwäfiacbo  anBbildnng 
du  epiadien  ücdes  m  der  hnnte  so  genanl«!!  hnlUde  nnd  romanw  orst  durch  du 
luittelatter  erfolgte.  Zwar  will  Nägelsbiich,  G^mnaBialiiHdagi^gik  h.  134  (xgL  aunb 
Hflncbfner  gelchrtu  äDxoigon,  jahrg.  1842,  ur.  183  s.  437)  einiolni'  duc  oilen  dca 
Horaz  (z.  U.  I,  15  u.  I,  28)  rumamen  genunt  wissen;  alier  die  iuni^?.  geiulitlicliii 
tciln&lune  des  crüfibbrn  au  den  iienjoium  seiner  dichtnng,  wodturh  dli'«i'  erat  iitr 
liBlIade  und  romanie  wird,  wnr  erst  unt<T  dorn  f>in!lii(«i>  der  chrintlichnn  wrl(- 
anteliAuiuig  uiügtii'.ii. 


landschaft  wie  dem  siegesbewostsein  einer  ganzen  nation  entspricht^ 
An  Sprüngen,  den  sparen  einfach  volkstümlicher  erzählnng,  nnd  an 
lyrischer  einmischung  der  Stimmungen  des  dichtenden  snbjects  fehlt  es 
auch  hier  nicht  (Qeibel  -  Schack  s.  127),  aber  gewöhnlich  wird  der 
epische  gang  der  dichtung  w^nig  verlassen,  und  besonders  schliessen 
diese  gedichte  durchweg  episch  (vgl.  Geibel  -  Schack  s.  82,  den  schluss 
der  Galaynos-romanzen).  Ein  sehr  angemessenes  mass  für  den  Charakter 
der  spanischen  romanze  war  die  vierzeilige  redondilie  mit  ihrem  vier- 
IQssigen  trochäischen  verse,  welcher  neben  der  voltöAcnden  spanischen 
a-assonanze  nicht  wenig  beitrug,  den  gang  des  gedichtes  zu  stätigen. 

Da  die  italienische  litteratur  nur  wenig  episch  -  lyrische  Volks- 
dichtungen aufzuweisen  hat,  die  von  der  südromanischen  in  vieler  hin- 
sieht abweichende  romanzenpoesie  der  Franzosen  aber  an  einem  andern 
orte  besprochen  werden  soll,  so  gehe  ich  ohne  weiteres  zur  volkslieder- 
dichtung  des  nordens  über. 

Ein  in  mancher  beziehung  verschiedenes  gewand  trägt  die  volks- 
liederdichtung  im  germanischen  norden.  Der  plastischen,  abgerundeten 
erscheinung  des  südlichen  gegenüber  hat  das  nordische  Volkslied  den 
pittoresken  Charakter  der  aus  nebeln  auftauchenden  und  wider  in  nebeln 
verschwindenden  nordischen  landschafk.  Das  skizzenhafte  und  abgerissene, 
welches  die  Volksdichtung  dieser  länder  zeigt,  hat  seinen  grund  ausser- 
dem in  der  grösseren  gemütstiefe  des  nordländers,  welcher  die  Vorgänge 
der  natur  und  des  lebens  mit  leidenschaftlicher  hingäbe  erfasst  und 
widergibt,  und  dadurch  mehr  als  jeder  andere  seiner  poesie  den 
Charakter  des  lebhaften ,  abgebrochenen  gespräches  verleiht.  Daher  die 
häufigen  fragen  inmitten  dieser  gedichte,  oft  nur  eine  zeile  lang  und 
in  den  nächsten  Zeilen  beantwortet. 

Wenn  man  die  entstehung  dieser  fragen^  welche  weit  entfernt 
sind,  rhetorische  zu  sein,  in  einer  dialogischen  Unterhaltung  zweier 
Personen  über  das  thema  des  liedes  suchen  darf,  so  muss  man  das 
häufige  vorkommen  von  widerholungen,  aus  denen  die  sogenanten 
refrains  entstanden  sind ,  aus  einem  einfallen  des  chores  erklären ,  welcher 
dem  rhapsodischen  vortrage  des  volkstümlichen  sängers  mit  Spannung 
und  teilnähme  lauschte  (vgl.  Goerth ,  über  die  verschiedene  behandlung 
der  ballade,  in  Herrigs  archiv  46,  s.  368  — 406,  das.  8.379).  Diese 
refrains  sind  in  dem  skandinavischen  volksliede  zu  der  eigentümlidien 
form  des  kehrreims  so  zu  sagen  versteinert;  dieser,  welcher  in  einer  oder 
zwei  den  einzelnen  Strophen  zwischengeschobenen  Zeilen  besteht  —  oft 

1)  Vgl.  Bomanzero  der  Spanier  und  Portugieaen  von  E.  Geibel  und  freiherm 
von  Schack.    1860. 

9* 


ia2  KALSHAuaBH 

scheinbar  sinlos  uud  ohiic  mit  dem  intialte  dieser  slrophen  m  C0rro8])on- 
dieren  —  mischt  dem  epischeo  laufe  des  gedichtßB  einen  kuneu,  oft 
webmutigen  lyriscben  erguss,  niitanter  aucb  eiue  scbneideude,  fast  epi- 
grammatisch zugespizte  bemerkung  bei  (vgl.  Geijera  abbandlung  üb«' 
den  behrreim  in  den  alten  skandinavischen  liedern.  deutsch  hinter  Moh- 
uike,  altachwediache  baUaden,  mährchen  nnd  schwanke,  Stuttg.  u.  Tob. 
1«36,  und  beispiele  daselbst  s.  69,  88  usw.,  vgl.  unch  W.  Wackernagel, 
poetik,  rbetorik  und  Stilistik  s.  97).  Dem  geiste  des  nordens  und  seiner 
bewohner  entspricht  ferner  der  schwermütige,  wehe  zug,  welcher  die 
volksliederdichtuüg  dieser  tänder  durchweht,  die  bange  todesahnung 
und  das  grauen  vor  unheimlichen,  unsichtbaren  mächten,  denen  der 
dichter  oder  der  träger  der  bandlung  unterliegt,  während  die  romanze 
des  Südens  überwiegend  den  sieg  des  tätigen  auhjectes  über  die  feinde 
liehen  gewalten  feiert  und  in  dieiier  Stimmung  ausklingt,  anderseits 
aber  in  heiteren  davstellungen  die  tiefe  uud  das  packende  des  germa- 
nischen humors  nicht  erreicht.  Als  illustrationen  für  die  hier  gemachten 
ausführungen  aus  der  englischen  uud  schottischen  bailade  verweise  ich 
auf  die  weiter  unten  besprochenen  beispiele  aus  der  Percy  sehen  sam- 
luug,  in  bezug  auf  die  skandinavischen  aber  auf  W.Grimm,  altdän. 
beldenlieder  usw.,  Heidelberg  löll,  und  auf  Warrens,  schwed.  Volks- 
lieder der  vorzeit,  Leipzig  1867,  Der  name  dieser  nordisch  -  germa- 
niacben  volksliederdichtung  komt  merkwürdigerweise  auch  aus  dem 
romanischen.  haUdta  biess  im  älteren  italienisch  ein  tanzUed  (vom 
ital.  hidlo,  span.  bayle,  franz.  bdl  =  der  tanz),  sodann  ein  kleines, 
madrigalartiges  gedieht  in  bestirnter  rhythmischer  form;  in  diesem  sinne 
komt  noch  der  ausdruck  hallafe  vor.  Von  Italien  nach  Frankreich  und 
von  dort  mit  den  Normannen  nach  England  gewandert,  verdrängte  das 
wort  ballade  den  in  diesen  Ifindern  für  das  tauzUod  gebräuchlichen 
ausdruck  lai  (oder  lay),  in  England  besonders  nahm  es  auch  die  weitere 
von  diesem  worte  besessene  bedeutung  des  Volksliedes  überhaupt  an 
und  wurde  almählig  typische  bezeichnung  für  die  episch -lyrischen  lieder 
des  angelsächstscbeu  volkes  im  gegensatze  zu  den  höfischen  dichtungen 
der  Normannen.  So  Messen  die  minstrels  ballad-singers,  and  später, 
als  die  Volksdichtung  verfiel,  wurde  diese  bezeichnung  gleichbedeutend 
mit  Bänkelsänger,  wie  der  zusammeubang  zwischen  Volksdichtung  und 
bänkelgesang  uns  noch  eingebender  beschäftigen  wird.'  Schliesslich 
möchte  ich  den  «igentümlicheu  begriff  der  ballade  uoeh  daliin  ergÄuzen, 
dass  dieselbe,  dem  lebhaft  bewegten  eharakter  entsprechend,  sich  mit 
verliebe  steigender  metra,  der  jambeu  und  anapaesten  bedient,  womit 

1)   M»n  rergleiche  ni  der    obigen  nusfllhrung  »rd.  Wulf,    (iber  die   Wt», 
tniinenztn  und  leioh«,    Hotddlb.  1941,  1.233. 


BALLADE  BIS   BÜBGER  1S3 

wider  ihre  sangbare  form  innig  zusammenhängt.  Jedes  Volkslied  ist 
ursprünglich  aaf  den  gesang  oder  mindestens  die  musicalische  begleitung 
bemessen;  die  nordisch  -  germanische  bailade  hat  diese  verbindmig  mit 
der  mnsik  auf  das  engste  festgehalten,  so  dass  sie  sich  auch  heute 
noch  vorzugsweise  zur  musicalischen  composition  eignet,  während  die 
romanze  des  Südens  weit  weniger  sangbar  ist.  Indessen  gibt  es  auch 
in  der  musik  sehr  zahlreiche  romanzen,  wie  es  dort  bailaden  gibt;  da 
aber  diese  beiden  begriffe  mit  den  poetischen  nicht  ganz  zusammen- 
fallen, so  scheint  mir  zur  noch  weiteren  klärung  dieser  beziehungen 
eine  kleine  digression  in  die  musik  unerlässlich. 

Allerdings  ist  auch  in  der  musik  die  tendenz  in  vielen  romanzen 
die,  die  ideale  ruhe,  welche  aus  dem  siege  des  ethischen  subjectes  über 
feindliche  gewalten  resultiert,  in  entsprechenden  tonreihen  auszumalen, 
in  der  bailade,  vorzugsweise  den  unglücklichen ,  oft  verzweifelten  kämpf 
des  menschen  mit  den  düsteren  elementarmächten  und  seine  niederlage 
entsprechend  widerzugeben,  indessen  ist  dieses  unterscheidungsmoment 
allein  nicht  ausreichend.    Unter  der  romanze  versteht  man  musicalisch 
in  der  regel  ein  strophisch  componiertes  singstück  in  einer  einfachen 
melodie,  also  recht  eigentlich  ein  simples  Volkslied;  auch  der  refrain 
des  Volksliedes  wird   in  entsprechenden  tonwiderholungen   und  einem 
öfters  vorgeschobenen  ritornell  widergegeben;  entstanden  ist  die  romanze 
in  dieser  form  wahrscheinlich  aus  dem  rondo,  einer  musicalischen  gat- 
tung,  welche  von  Eoberger,  kleines  musicalisches  Wörterbuch,  Quedlb. 
und  Leipzig  1833  als  „ein  lebhaftes  tonstück^  erklärt  wird,   „bei  wel- 
chem sich  der  hauptsatz  nach  jedem  nebensatze  immer  aufs  neue  hören 
lässt.^  Nach  der  von  E.  E.  Schneider  („das  musicalische  lied  in  geschicht- 
licher entwickelung"  1.  2.  und  3.  periode,  Leipzig  1863—66)  gegebenen 
dreifachen  stufung  der  liedercomposition  nimt  die  romanze  die  zweite 
stufe  ein,  die  des  ariosen  liedes,  welche  über  die  erste,  einfache  stufe 
der  tonliederdichtung  dadurch  sich  erhebt,  dass  sie,  wie  das  ariose  lied 
überhaupt,   die  grundmelodie  durch  Variationen  lebhafter  ausgestaltet, 
dabei  aber  anderseits  den  grundton  durchaus  beibehält  und  sich  nicht 
zu  selbständigen  tongemälden  fortentwickelt.    Die  bailade  hingegen  ist 
ein  grösseres  tonstück,  welches  die  form  der  strophischen  composition 
verlässt  und,  volständig  durchcomponiert,  die  momente  der  dichtung 
in  grösseren   selbständigen    tonbildern   widerzugeben   und   auszumalen 
versucht;  der  stimmungsgrundton  erklingt  nicht  mehr  in  der  äusser- 
lichen  form  des  romanzischen  refrains,  sondern  ist  zum  leitmotiv  ver- 
arbeitet.   Während  die  romanze  in  der  angegebenen  weise  schon  ver- 
hältnismässig früh  componiert  worden  ist,  z.  b.  die  französische  Operette 
des  vorigen  Jahrhunderts  von  derartigen  compositionen  wimmelt   (vgl. 


HOLIHAOBEK 

Journal  bebdomadaire  ou  recueil  d'Mra  cfaoisis  dans  les  opera  comiques  etc. 
Paris,  1764  fgg),  welche  die  Hiller  nnd  genossen  auch  in  der  deatschen 
komiBchen  oper  einfährten,  ist  die  durchcomponierte  ballade,  die  höchste 

—  dramatische  —  art  einer  liedercompoaition  weit  später  gelungen. 
Während  nämlich  meister  wie  Neefe,  Boichardt  und  Zelter  daa  probiem 
noch  nicht  völlig  zu  iQsen  verstanden,  brach  die  echte  musicalische  bal- 
lado  erst  zu  aufang  dieses  Jahrhunderts  durch  —  nicht  zum  wenigsten 
unter  dem  einflusse  der  romantiker,  der  poetischen  wie  der  muaicalischen 

—  bis  sie  in  Schubert,  Schumann  und  vor  allem  in  Löwe  („dem  gebo- 
renen balladencompositeur",  wie  ihn  Ambros  nent)  ihre  genialsten  Ver- 
treter fand.  Zur  illustration  des  aufgestelten  Unterschiedes  zwischen 
den  beiden  musicalischen  gattungen  verweise  ich  auf  die  bei  Lindner, 
geschichte  des  deutschen  liedes  im  iSten  Jahrhundert,  hrsgeg.  von  Erk, 
Lpz.  1871,  a.  135  tr.  mitgeteilten  beiden  Andr^schen  compositionen  der 
„Weiber  von  Weinsberg ". 

Nach  dieser  abschweifung  in  die  musik  kehre  ich  zur  poetischen 
batlade  zurück.  Nach  Deutschland  kam  der  name  erst  mit  der  Percy- 
schen  samlnng,'  doch  gab  es  lange  vor  dieser  zeit  in  unserin  vaterlande 
einen  reichen  schätz  von  Volksliedern,  darunter  eine  »tätliche  reihe  echter 
halladen,  welche  den  gleichartigen  gedichten  der  andern  nationen  wol 
an  die  seite  gesezt  zu  werden  verdienen.  Das  sind,  wie  schon  oben 
bemerkt,  jene  bOrger-  und  bauern-,  landsknechts-,  Jäger-  und  studeuten- 
lieder,  welche  im  löten  und  16ten  Jahrhundert  aus  allen  huschen  und 
hecken  hervorklangen  und  erst  im  17ten,  wenn  auch  nicht  erstarben, 
so  doch  von  den  gebildeten  misachtet  nnd  vergessen  wurden.*  Das 
deutsche  Volkslied  ist  von  den  germanischen  vielleicht  am  gemüts- 
tiefsteu;  es  vermeidet  in  der  reget  die  oft  grausig  dissonierenden  USne 
der  nordischen  und  englischen  batlado,  durchläuft  abor  im  übrigen  die 
ganze  scala  volkstümlicher  empfindungeu  und  ist  nicht  übet  geeignet, 
das  eigentümliche  schwanken  der  bulladu  zwischen  subjectiver  und 
objectiver,  epischer,  lyrischer  und  dramatischer  darstellung  zu  zeigen. 
Das  kleine  Volkslied  „Ks  fiel  ein  reif  in  der  frühUngsnacht"  ist  volstäudig 

1)  Daa  wort  ballade  künimt  alletdini^B  sphon  einige  rnnl«  früher  in  Deatsoli- 
land  lor,  aber  mit  zirpirdhaftcr  bedciitang;  ommal  bereits  bd  Fisuhart  (Oargantaa 
15T5.  vgl.  Wackemugel ,  Fiscbart  ».  124),  wo  es  aber  nicht  zar  bezeichnung  eine« 
epiBi-h - lyriachen  volkiüedeg,  sondern  als  aberaetinng  dos  franieBischen  (d.  L  roma- 
oücheii)  wurtea  ballade  in  der  üben  ftogegebeiien  bedeutung  gebraucht  wird  (Tgl. 
Babelaia  1,  24j. 

2)  Die  deatBcben  Volkslieder  wurden  zaerat  (aber  ilubritisch)  in  gröaacrer 
menge  gesammelt  in  ,doB  knaben  wunderhoru'  von  Achim  und  Brentano,  seitdem 
Bfter,  am  bwUm  von  L.  Ubiand,  alte  hoch-  und  uiederdeateche  rolkitieder,  I 
nad  Tab.  18U  d.  45. 


BALLADE  BIS  BÜB6BB  135 

episch ;  von  einem  eingreifen  der  Persönlichkeit  des  dichters  keine  spur. 
Ganz  äusserlich  deutet  sich  dieser  oft  im  beginne  der  lieder  an: 

Nun  will  ich  aber  heben  an 

von  dem  Danhuser  zu  singen.  (ühland  II,  s.  761) 

oder  er  wird  am  ende  des  gedichtes  namhaft  gemacht: 

Wer  ist's,  der  uns  dies  liedlein  sang? 
So  frei  ist  es  gesungen, 
das  haben  gethan  drei  jungfräulein 
zu  Wien  in  Österreich. 

(Des  Knaben  Wunderhorn  I,  s.  202) 

oder:  Wer  ist's,  der  uns  den  reihen  sang? 

Matthias  Jäger  ist  er  genant, 
(s.  Prutz,  Göttinger  dichterbund.    Lpz.  1841,  s.  22). 

In  ganz  anderer,  innerlicher  weise  tritt  der  anteil  des  dichtenden 

subjectes  an  seinem  stoffe   in   der  gemütvollen  weise   hervor,  in   der 

dieses  seine  personen  anredet  oder  sie  sich  unter  einander  anreden  lässi 

So   die   bezeichnungen    „o  reitknecht,   lieber  reitknecht  mein,^ 

»0  Annchen,  Uebes  Annchen  mein,«"  u.  a. 

So  auch  in  der  in  den  Volksliedern  überhaupt  nicht  seltenen 
nutzanwendung  am  Schlüsse: 

So  geht's,  wer  wider  die  Obrigkeit 
sich  unbesonnen  empöret  usw. 

(Wunderhorn  III,  236) 
oder:  So  geht's,  wenn  ein  mädel  zwei  knaben  thut  lieben, 

thut  wunderselten  gut. 
Diesen  schluss  hat   das   bekante   lied    „Der  eifersüchtige  knabe^ 
in  den  Herderschen  Volksliedern;  möglicherweise  ist  derselbe  übrigens 
unecht,    da  er  in  dem  „Wunderhorn",   wo  das  lied  I,  328   und   bei 
ühlaird,  wo  es  I,  168  steht,  fehlt. 

In  andern  gedichten  dieser  art  ist  die  subjectivität  des  dichters 
völlig  durchgedrungen,  das  gedieht  völlig  lyrisch  geworden,  und  das 
epische  dement,  die  erzählung  des  dem  stimmungsbilde  zugrunde  lie- 
genden anlasses  nur  noch  in  ganz  flüchtiger  andeutung  gegeben.  So 
in  dem  bekanten: 

Morgen  muss  ich  fort  von  hier, 
wo  das  die  wehmütige  Stimmung  veranlassende  tiefere  Schicksal  (ausser 
dem  aufbruch)  nur  (in  der  dritten  Strophe)  leise  angedeutet  ist: 

Hab  ich  dir  was  leid's  gethan, 
bitt'  dich,  woll's  vergessen, 
denn  es  geht  zu  ende. 


186  noTjnucaicM 

(Vgl.  Falilo,  Ober  dio  deutscho  baÜade,  ia  doii  Fleckeiseu  und  Masiua- 
sübeu  juhrbüchera  band  104,  s.  401  —  423;  das.  414  und  415). 

Endlicb  die  dramatisch- dialogische  ausgestaltung  der  bailade  findet 
flieh  in  dem  volksliede  in  weiter  ausdelinung.  So  in  dem  im  „Wnuder- 
horn"  „Ulrich  uud  ÄiiBchen"  betitelteo  (Uliland  I,  146),  in  „Die  wider- 
gefundene köuigstochter "  (Dhland  I,  273),  „Der  eifersüchtige  kuabe" 
(Uhland  I,  168). 

Scbou  die  wenigen  heispiele  zeigen,  dass  auch  Deutschland  im 
15ten  und  IGton  Jahrhundert,  wenn  auch  nicht  unter  diesem  namen, 
balladeu  hcsass ,  welche  die  charakteristischen  niomente  des  echten 
volkstümlichen,  episch -lyrischen  liedes  aufzeigen.  Diese  volkslieder- 
dichtung  verstumte  mehr  oder  weniger  im  ITten  jahrhimdert,  und  die 
bailade  nikhm  erst  in  der  knnstballade  einen  neuen  aufachwung.  Hier- 
mit bin  ich  <auf  die  eigentliche  aufgäbe  meiner  abliundlung,  die  deutsche 
kuustballade,  gekommen.  Eine  knnstballade  kann  OfTenbar  nur  das 
ziel  haben,  in  irgend  einer  weise  dieselbe  oder  eine  analoge  Wirkung 
auf  den  modernen  menschen  auszuüben,  welche  das  alte  Volkslied  auf 
die  eiufacheii  gemilter  seiner  hörer  ausübte;  es  kann  dieser  versuch 
auf  verschiedene  weise  augestelt  werden,  über  die  ich  weiter  unten 
eingehender  handeln  werde;  das  eine  aber  möchte  ich  gleich  hier  kurz 
bemerken:  eine  grosse  Schwierigkeit  dieser  aufgäbe  liegt  in  dem  wesent- 
lichen unterschiede  unserer  heutigen  culturverhSltnisse  von  denen  der 
zeit  der  alten  ballade;  das  volk  seit  dem  beginne  des  siebzehnten  Jahr- 
hunderts ist  in  zwei  durch  eine  ungeheure  kluft  getrente  hälflea 
gespalten,  die  litterarisch  gebildeten  und  diejenigen,  welche  es  nicht 
sind,  von  deneo  die  leztereu  die  künstlerischen  und  puetischen  geofiseo 
der  ersteren  nicht  mehr  verstehen.  Wie  dem  gegenüber  nun  auch  die 
kunstballade  und  -romanze  ihre  aufgäbe  lösen  mag,  so  viel  darf  man 
vorweg  aufstellen,  sie  ist  ein  episch  -  lyrisches  gedieht,  welches  orgrei- 
fende ereiguisse  mit  oft  dramatischer  unmittelbarkeit  darstelt.  entweder 
mehr  in  dem  aphoristischen,  dßstern  colorit  des  nordischen  Volksliedes 
—  und  dann  ist  sie  eine  kuustballade  im  engeren  sinne,  oder  in 
dem  helleren,  ideal- plastischen  gewande  der  südliehen  romanze —  und 
dann  ist  sie  eine  eigentliche  kunst romanze.  Indessen  gebrauchen  die 
balladendicbter  selbst  die  beiden  bezeichnungeu  ziemlich  unterscbiedslos, 
1  auch  der  name  ballado,  nachdem  er  einmal  in  Deutsi-hland  ein- 
geführt ist,  die  Oberhand  gewint;  bei  der  immerhin  schwankenden 
nomenclatur  möchte  auch  ich  in  dieser  beziehuug  für  kleine  wiUtürlicb- 
keiteu  um  nachsieht  bitten. 

Die  entwickeluDg  der  deutseben  kunsthallade  gebt  nalfirlich  parallel 
mit   der   entnickelung  unserer  classischeu  litteratur  überhaupL     Ihre  j 


BALLADE  BIS  BÜBOISB  137 

geschichte  Hesse  sich  demnach  in  fünf  epochen  einteilen,  entsprechend 
den  hauptepochen  in  der  entyrickelung  unserer  neueren  litteratur  im 
ganzen : 

1)  die  ballade  der  zeit  der  widergeburt  unserer  deutschen  litteratur, 
die  specifisch  so  genante  „romanze^  Oleims  und  der  bänkelsänger ; 

2)  die  ballade   der   geniezeit,   theoretisch  vertreten   durch  Herder, 
practisch  am  grossartigsten  durch  Bürger; 

3)  die  ballade  der  classicität,  Ooethe,  Schiller; 

4)  die  ballade  der  romantiker  und  ühlands; 

5)  die  ballade  der  neuzeit  mit  vielfachen  Vertretern. 

Meine  Specialaufgabe,  die  geschichte  der  deutschen  kunstballade 
von  ihrem  ersten  auftreten  bis  zu  ihrer  ausbildung  durch  Bürger  zu 
schildern,  wird  also  von  den  obigen  abschnitten  den  ersten  und  zweiten 
eingehender  zu  behandeln  haben,  der  dritte  bis  fünfte  sollen  in  einem 
schlusscapitel  wenigstens  in  ihren  hauptzügen  leicht  skizziert  werden. 
Bevor  ich  aber  an  meine  aufgäbe  herantrete,  liegt  es  mir  ob,  dieje- 
nigen bisherigen  bearbeitungen  zu  nennen,  welche  ausser  den  abriss- 
artigen darstellungen  in  grösseren  litteraturwerken  sich  speciell  mit 
meinem  thema  befasst  haben.  Dahin  gehören  ausser  den  genanten 
abhandlungen  von  Qoerth  und  Fahle  eine  schwedische  dissertation  von 
Cl.  Joh.  Emil  Aurell,  Om  bailaden  och  romanzen  usw.  Upsala  1864, 
und  zwei  programmabhandlungen  von  dr.  Hense,  Warburg  in  Westfalen 
1878  und  79  und  eine  desgl.  der  Lauenburger  Albinusschule  1879  von 
dr.  Blume.  Alle  die  genanten  abhandlungen  mit  ausschluss  der  lezten 
beschäftigen  sich  indessen,  auch  sämtlich  ohne  auf  das  wissenschaftliche 
detail,  quellennach weise  usw.  näher  einzugehen,  mit  der  entwickelung 
der  ballade  nur  von  Bürger  an  bis  Uhland,  die  Blumesche  abhandlung, 
auf  eine  volständige  entwickelungsgeschichte  der  deutschen  kunstballade 
angelegt,  behandelt  in  dem  erschienenen  ersten  teile  die  frühere  zeit 
(ausschliesslich)  bis  gegen  1770,  indessen  hat  mir  für  diesen  abschnitt 
ein  bedeutend  reicheres  material  zu  geböte  gestanden,  den  Übergang 
aber  zu  Bürger  und  die  Bürgersche  balladendichtung  in  ihrem  Verhält- 
nisse zu  der  früheren  und  späteren  gleichnamigen  dichtung  glaube  ich 
zuerst  quellenmässig  behandelt  zu  haben. 


^ 


Erster  Abschnitt. 

Die  dentBCbe  romanze  von  llireiu  ersten  aartreten  bis  zu 
den  bestrebungen  Herders. 

g  1.    Oleim. 

Die  erstea  deutscheu  „romanzen"  dichtete  Joh.  Friedrich  Ludwig 
Gleim.* 

£3  sind  diejenigen,  welche  er  1766  herausgab.  (Sie  sind  aufge- 
nommen in  die  samlung  der  Gleimacheu  werke  von  Körte,  Halberstadt 
1811 — 13,  band  3,  89  ff.).  Dass  sieh  der  gute  Gleini  in  dieser  neneu 
dichtungsart  an  die  ausliLnder  wante,  von  denen  er  sie  erst  kennen 
gelernt  hatte,  ist  nicht  besonders  zu  verwundern.  Der  Spanier  Gongora 
und  der  Franzose  Moncrif  waren  seine  Vorbilder.  Es  war  von  vorn- 
herein zu  bedauern,  dass  die  deutsche  romanze  gerade  an  diese  muster 
geraten  war. 

I)  Denn  wie  EoberBtein  (geBchichte  der  deutacbea  Dation&llitteratar T,  32) 
richtig  bemerkt,  ecbeint  die  „RomftDio",  welche  eich  nntei  von  Crooegks  gedichtet! 
befindet  (aiug,  von  1763,  bund  11,  e.  333  ff.,  BufgonaiDmen  in  die  „Romanten  dar 
DentscheD'  I,  123  unter  dem  tilel  „Die  wobl&n »gedachte  nebe")  erst  später  und 
unter  dem  einflösse  der  ersten  Gleimscben  entstanden  zn  sein.  Denn  dieselbe  itoht 
DBch  ihrem  stjjffe  (die  untreue  einer  frau  und  die  komische  räche,  welche  ihr  ehe- 
mann  an  dem  Verführer  uimt),  nach  mehr  aber  in  der  nianicr  der  behandinng  jennn 
oben  erwähnten  Qleimschon  romanien  und  der  durah  sie  bedingten  späteren  rtch* 
tUDg  entachiedeu  nahe.  Die  Vermutung  dieser  vcnrantschaft  wird  noch  mehr  durah 
Am  metnim  best&rkt,    f^J-^^-t-^-L^J-^\ 

\        ^-^\j-^  j^    das   vielfach    imitierto  metruni    der 

Gleimscben  «BlarianDe'.  Nun  aber  liegt  eine  nachahmuDg  t.  Cronegks  dnrch  Gleini, 
von  der  aoch  anderwärts  niemals  etwas  bekant  geworden  ist,  schon  mit  rückaicht 
ftaf  des  leztercn  damals  bereits  erreichte  Stellung  auf  dem  deutschen  Pamasse  und 
seine  notorische  bekantscbaft  mit  fnuizösisclicn  und  spanischen  romanzendicbtem 
(vgl.  KSrto,  Gleims  leben  s.  43)  gänilich  fern,  während  nmgekehrt  bsi  Crouegk. 
dessen  kurzes  leben,  ätmlich  demjenigeo  von  Hölty  und  Körner  eigentlich  nnt  eine 
Vorbereitung  xu  seinem  dichterberufe  gewesen  ist,  eine  anlebnung  aji  die  allcrdingi 
erst  kurs  vor  seinem  (1758  erfolgten)  tode  erschienenen  Gleimscben  romanien  ganz 
natSrlicb  erscheint. 

Was  ein  noeJi  froheres  gedieht  von  J.  A,  Schlegel  (Vermischte  Gedichte, 
ausg.  1787-89,  1,  271)  ,AJax  Oileus*  betrift,  welches  Keberstein  V,  31  oitiert,  w 
kann  dasselbe  meiner  ansieht  nach  kaum  zu  den  romanzen  gezählt  werden,  wenn 
es  anch  etwas  ramacienartiges  an  sich  haben  mag,  jedenfals  ist  es  nicbt  mit  bovust- 
sein  als  romanze  gedichtet,  sondern  als  poetisolie  erzählung.  Denn  es  ist  dem  ton« 
der  ganzen  ersten  tu manzene poche  voUtändtg  fremd,  und  die  behandinng  classiMber 
Stoffe  in  ernster  balladenmanier  war  einer  weit  späteren  epoche  vorbubalten ;  natBr- 
liob  fuhrt  du  gedictit  auch  nicht  den  su 


Don  Luis  de  Gongora  y  Argote  (geb.  1561  zu  Cordova,  stud.  zu 
Salsmanca.  die  rechte,  trat  später  in  den  geistlichen  stand  und  starb 
als  titularcaplan  des  kCoigs  1627)  geborte  jener  zeit  an,  in  welcher 
eine  eigentümlich  schwülstig  -  phantastische  richtung,  von  Italien  aus- 
gehend, die  litteratnreu  fast  sämtlicher  europäischer  vQlker  durchzog 
und  den  marinismus,  euphuiamus  usw.  hervorrief.  In  Spanien  vertraten 
diese  richtung  der  poesie  die  schulen  der  concepücnisten  und  cultu- 
risten;  der  Stifter  der  leztoren  war  eben  Gongora.  Gongora  dichtete  ia 
B^er  Jugend  rooianzen  und  souette,  welche  sieb,  ganz  im  gegensatze 
zu  seiner  sp&teren  manier  durch  einfacbheit  und  Zartheit  der  empÜndung 
auszeichnen.  Daneben  verfügte  er  über  einen  kaustischen  witz,  der 
sich  in  bitterer  Satire  über  die  Zeitereignisse  ergiesst  (man  vergl.  das 
berühmte  äonett  auf  das  madrider  leben).'  Diese  gäbe  verwendete  er 
später  auch  für  die  romanze,  indem  er  statt  der  einfachen  naiven 
behandlung,  welche  sich  an  die  volksromanze  anschliesst,  den  weg  des 
burlesk  -  parodischen  einschlug.  Das  charakteristische  dieser  manier 
besteht  darin,  daas  der  dichter,  wie  der  Ironiker  überhaupt,  über  seinen 
gegenständ  sich  hinauserbebt;  Gongora.  trägt  nun  die  motive  der  volks- 
romanze im  tone  einer  graciösen  ironie  vor.  Diese  manier  ist  aber 
himmelweit  verschieden  von  dem  specifisch  so  genanten  gongorismus 
oder  culturismus  (b.  oben).  Um  seiner  poesie  mehr  ansehen  nu  ver- 
aohaSen  und  unter  dem  eintiusse  der  berscbenden  zeitricbtung  (beson- 
ders der  conceptionisten  und  des  Ledesma)  Hess  sich  nämlich  Gongora 
verleiten,  eine  neue  art  des  von  diesen  gepflegten  gezierten  stiles,  den 
estilo  culto  oder  den  gebildeten  stil  aufzubringen  und  anzubauen.'  Das 
eigentümliche  dieses  stiles  bestand  in  einer  ganz  besonders  metapho- 
rischen darstellung,  die  sich  auch  äusserlich  durch  eine  absonderliche 
Wortstellung  und  eine  unmässige  bäufung  von  fremdw5rtern  charakte- 
risierte.    Diesen  eigentlich  ao  genanten  gongorismus,  welcher  die  in 

1)  Vgl.  über  Gon^ra  F15gel,  Oeacbichte  der  koiaisclien  litteratur,  II,  296, 
dessen  uiteil  aber  vol  CSr  G.  zu  bort  ist,  femor  Erach  □.  Grober,  EncyclopSdie, 
gect.  1,  teil  74,  fl.  12— 17,  Ticknor,  Qeschicbte  der  schönen  litteratur  tu  Spnnioa, 
dentmh  von  Julius,  Leipzig  1852,  II,  s.  148  ff.  und  GoDgoro,  an  easa;  on  the 
times  of  Philipp  Ul  and  IV  of  Spain,  with  tranalatious  by  Ed.  Chnrton.  vol.  !.  2. 
London  1862. 

2)  Von  den  boranagebem  aetner  werke  werden  G.'a  romanxcn  in  llebesromanEen 
(lomances  amorosoe),  lyriacbe  (liricoa)  nnd  burleske  (burleacos)  eingeteilt,  denen 
lieh  noch  romoncee  varioa  onacblieBaen.  Sechzehn  dieaer  Gongoraacben  romanzcn 
(darunter  nur  eine  bnrleske)  gab  Gleims  frennd  J.  0.  Jauobi  berana;  „Remanzon 
ana  dem  Spanischen  des  Gongora"  Halle  1767.  Ob  Gleim  in  irgend  einem  Ver- 
hältnis zu  dieser  herausgäbe  gestanden  bat.  habe  toh  nicht  ermitteln  können.  Man 
Tgl.  über  dieselbe  die  reoenaion  in  Klotsens  Deutscher  bibL  2,  1  ff.  nnd  Hall,  gel, 
leitongen  1767,  334  C 


HO 

dieser  manier  verfasten  stücke  n&lipzu  unverständlich  macht,  hat  Gleim 
nicht  nachgeahait ,  obwol  auch  die  späteren  Gougoraschea  romanzen 
mit  demselheii  getränkt  sind.  Ton  den  drei  romanzen  Gongoras  hin- 
gegen, die  der  deutsche  dichter  nRohbildete.  sind  zwei  einfache  und 
anmutige  liebesrc-innnzßn.  und  die  dritte  trägt  iiher  einen  zierlich  leichten 
und  tändelnden  als  eigentlich  bnrleitlfen  charakter.  Wenn  alao  Gongora 
auch  nichts  weniger  als  ein  geeignetes  vorbild  für  unsere  junge  roman- 
zpDdichtung  war,  so  wSre  die  sache  immerhin  noch  nicht  so  schlimm 
gewesen,  wenn  nicht  durch  die  speci£sch  Gleimsche  marotte,  doss  die 
romanzo  absolut  burlesk  -  parodisch  sein  müsse,  alles  verdorben  wäre. 
Dies  zeigte  sich  auch  in  Gleiins  benuti^ung  seines  zweiten  Vorbildes. 

Franvois  Augustin  Paradis  de  Moncrif  (geboren  1687  zu  Paris. 
«Iccteur  de  la  reine"  und  deren  vertrauter,  t  1770)  ward  für  den 
Schöpfer  oder  vielmehr  den  regenerator  der  romanxe  in  Frankreich  unge- 
sehen, wie  Gleim  dasselbe  in  Deutschland  war.' 

Ich  halte  diese  stelle  für  geeignet,  uja  über  die  franzfisiscUe 
romfinze  im  allgemeinen  einige  bemerkungen  einzuflechten.  Die^^lr. 
französische  laamizc  (vgl.  Paulin  Paris,  le  roinancero  fran^oi»,  Par. 
1833,  und  K.  Bartsch,  Ältfranz.  romanzen  und  paätourollen ,  Leipzig 
IK70).  nicht  so  )!ahlreich  wie  die  altspanische,  trägt  im  grossen  und 
ganzen  ebenfals  jenes  gepräge  ritterlichen  geiates  mit  den  motiven  der 
ehre  und  liebe;  insbesondere  um  die  leztere  drehen  sieh  viele  der  alt^ 
fran^fisischen  romanzen.  Die  neu  französische  litteratur  hat  in  der  grossen 
kunstromanze  vieles,  aber  nicht  viel  hervorgebracht:  die  meisten  inis- 
laltcn  durch  rhetorischen  bombast,  dagegen  sind  die  Franzosen  meister 
in  jener  der  chanson  ähnlichen  lyrischen  romanze.  die  von  leichten 
mclodien  begleitet  wird  und  sich  von  der  reinen  chanson  nur  dadurch 
unterscheidet,  dass  das  die  Stimmung  hervorrufende  factum  noch  immer 
ans  dem  hintergrunde  hervorschaut.  (ZaJilreiche  beispiele  dieser  dich- 
timgsart  weist  der  franzilsischö  Kccueil  de  romances  tendres  et  bur- 
Jj»,        lestjues,  l'aris  1767  —  73,  2  bände  auf.) 

Biese  romanze  cultiviertC' Moncrif  in  ziemlicher  menge  und  mit 
gutem  erfolge  (wie  er  denn  überhaupt  ein  sehr  musicalischer  diditer 
war.  vgl.  Essai  sur  la  musique  ancienne  et  moderne,  tomo  TV.  263—55), 
Daneben  dichtete  er  auch  noch  zwei  längere  romanzen,  einigermassen 
der  art  der  Gougoraschen  ähnlich  —  ob  Moncrif  aber,  wie  in  einem 

1)  Von  einigen  wird  Voitnre  (1598 — 1C4S)  aU  regenerntur  der  runuuim  inier 

Ttclniebr   Akt   b&lIoilD    in  Frankreich  aogegoben   (vgl.  aber  ihn  Pierors  cunv.-lex. 

2.  anfl.  bd  33,  b.  157),   doch  ximl  vrenigstens  dia  beiden  in  der  Elonuchcn  Biu^bn 

Idor  Voitnrescben  wi-rkii   (PariB    läsill    bnllndlicben   zw«i    .b&Uftdou*    Toin    lyrisclie 

f  g<(Uclit«  und  babeo  niobls  mit  ia  liivt  iu  rede  «t«beudea  gattusg  gtmeln. 


BAUilDB  BIS  BÜRGER  141 

aufsatze  der  Deutschen  vierteljahrsschrift,  jahrg.  1857,  heft  2,  8.  91  ff. 
behauptet  wird,  ein  schüler  Gongoias  gewesen,  vermag  ich  nicht  recht 
zu  entscheiden  —  das  parodische  dieser  romanzen  Moncrifs  besteht  in  \ 
einem  über  das  natürliche  hinaus  gesteigerten  pathos,  welches  den 
einen  schritt  vom  erhabenen  zum  lächerlichen  überschreitet  und  so  in  i 
dem  tone  des  lezteren  wirkt.  ^  Gegenüber  der  graciösen  Ironie  aber, 
mit  der  Moncrif  das  tragikomische  mehr  durchleuchten  liess  als  plan 
heraussagte,  zog  der  .^toGleim. alles  ins  platte  ujid  ordinäre.  Dies 
zeigt  die  erste  der  Gleimscheu  romanzen,  zugleich  die  einzige,  in  der 
er  den  Moncrif  nachahmte.^ 

„Tiiurige'  und  betrübte  Folgen  der  schändlichen  Eifersucht  wie 
auch  heilsamer  Unterricht,  dass  Eltern,  die  ihre  Kinder  lieben,  sie  zu 
keiner  Heirath  zwingen,  sondern  ihnen  ihren  freien  Willen  lassen  sollen, 
enthalten  in  der  Geschichte  Herrn  Isaac  Yeltens,  der  sich  am  Uten 
April  1756  zu  Berlin  eigenhändig  umgebracht,  nachdem  er  seine  getreue 
Ehegattin  Marianne  und  derselben  unschuldigen  Liebhaber  jämmerlich 
ermordet.^  Dieses  stück  ist  eine  directe  nachbildung  der  Moncrifschen 
„les  constantes  amours^,  nur  dass  Gleim,  um  die  romanze  populärer  zu 
machen,  den  überkommenen  stoff  mit  einer  Berliner  mordgeschichte 
(s.  den  titel)  in  Verbindung  brachte,  vielleicht  erst  nachträglich,  wenn, 
wie  Körte,  Gleims  leben  s.  43,  sagt,  die  drei  ersten  romanzen  Gleims 
bereits  1744  gedichtet  sind.  Im  übrigen  folgt  Gleim  seinem  vorbilde 
nach  Inhalt,  darstelluug  und  versbau,  meist  Strophe  für  Strophe,  und 
wo  er  von  ihm  abweicht  —  zusetzend  und  erweiternd  hat  er  aus  den 
29  Strophen  seines  Originals  35  gemacht  —  da  thut  er  es  nicht  zu 
seinem  vorteile^  und  es  zeigt  sich  an  stelle  des  eleganten  Franzosen 
der  nüchterne  coaetane  Gottscheds. 

Gleim  hebt  zu  singen  an: 

Die  eh'  ist  für  uns  arme  sünder 

ein  marterstand! 
Drum,  eitern,   zwingt  doch  keine  kinder 

ins  eheband! 

Diese  moralische  betrachtung,  die  quintessenz  der  ganzen  dich- 
tung,  wird  an  dem  exempel  fräulein  Mariannens  illustriert,  der  tochter, 
wie  es  scheint,   aus   einem  gutspiessbürgerlichen  hause  der  damaligen 

1)  Die  beiden  genanten  romanzen,  Les  constantes  amoors  d'Alix  et  d' Alexis, 
das  Vorbild  der  Gleimschen  Marianne  und  das  von  Herder  in  seinen  „Volksliedern** 
nachgebildete  Les  infortunes  inouies  de  la  tant  belle,  honnSte  et  renommee  comtesso 
de  Sanlx,  sind  enthalten  in  Moncrif  *  oeuvres «  Par.  1 708^  tomo  3,  207  ff. 

2)  Ich  beginne  mit  dieser  nachahmung  des  Moncrif,  weil  es  zeitlich  die  erste 
dar  Gleimschen  romanzen  ist;  die  Qongorasdien  folgen  erst  später. 


/ 
/ 

li 

•    4 


^.--^ 


I 

I 

i    I 


142  ROLZHAÜdUt 

zeit  Sie  ist  verliebt  in  herru  Leander  —  die  einfühning  der  graeco- 
französischen  schäfemamen,  der  Daphnis,  Daphnen,  Dämons,  Ismenen, 
Amynte ,  Ghloen  nsw. ,  welche  sich  nachher  in  der  romanzenpoesie  so 
jf  breit  machen,  verdanken  wir  ebenfals  unserm  Gleim  —  also  die  heldin 
'  ist  verliebt  in  herrn  Leander,  und  der  leser  wird  zeuge  einer  häuslichen 
scene,  in  der  Marianne  ihr  „mamachen**  recht  zärtlich  bittet,  ihr  doch 
ihren  herzenswunsch  in  gestalt  des  geliebten  Leander  zu  gewähren. 

„Versprechen  Sie  mir  das,  mamachen, 

sein  Sie  so  gut! 
Dann  weiss  ich  ja,  dass  mein  papachen 

es  auch  gleich  thut!** 
„Leander!*^     9»Ach,  Sie  wollen  schelten, 

ich  seh*  es  schon!** 
„Leander,  kind?    0  nein,  herr  Veiten 

sei  Schwiegersohn! 

Ja,  ja,  herrn  Veiten  solst  du  nehmen, 

denn  der  hat  geld, 
und  du  must  dich  zu  dem  bequemen, 

was  uns  gefält. 
Wie  können  junge  mädchen  wissen, 

was  nüzlich  ist? 
Die  meisten  sind  erpicht  aufs  küssen, 

wie  du  auch  bist." 

„Herrn  Veiten  soll  ich?    Ach,  ich  arme! 

Was  soll  mir  der? 
Ach,  dass  der  himmel  sich  erbarme! 

Was  soll  mir  der?" 
Es  schwilt  von  millionen  thränen 

ihr  schön  gesiebt, 
und  tausendmal  sagt  sie  mit  stöhnen: 

„Ich  will  ihn  nicht!" 

„Du  wilst  ihn  nicht?    Ich  muss  nur  lachen," 

sagt  die  mama, 
„wir  wollen  dir  den  willen  machen, 

ich  und  papa!" 
Man  schlept  sie  fort  in  einem  wagen, 

hält  sie  vermumt, 
man  bittet  sie,  noch  ja  zu  sagen 

und  sie  verstomt. 
(Diese  4  strophen  gehören  beispielsweise  zu  den  vonQleim  eingeschobenen.) 


e  n    (zu  Seite  231). 
iO,  1.  2. 


II  142,  1.  2. 


1  von  den  rosseti,  daz  was 
fche  ritter  unde  Jcneht. 

1 


•' 


» 


tu  np  uvumu  svp  ^oiiou  o 
'^puaq  ui  uvHt  svcn  s^p'in 

fsms  u^pdR  tiQuts  ^m  ayosi-, 
'orypß  dtu  ajm  dip  Bzvup  . 

>^  911V    t€9?l09J  9fp  9piit>J  iU9 

sfop  i9ipiu(  jja  u,ryo9jq  9if9\ 

'^pa  zop  9qtanp)  ptpij.i9 
:  '^pzjß  fpiPrni  jta  nv)  ,}pn9}S 


Wdt  ir,  künecj  erhüben,  c 
diu  tvir  in  da  bringen  y  son 

IV*»  503,  1—3. 
Mine  schaene  swester  suU  \ 
ir  üfdt  ir  Brüt^Hde  und  n 
und  auch  dem  gesinde  und. 

TV"  519,  1.  2. 
Mit  friuntlieher  liebe  ^  vU  e 
enbiutet  tu  ir  dienest  er  un 

510. 
Die  angest  lät  beKben,    tu 
enbiutet  sAnen  dienest  der  X 


den  lie  ich  wol  gesunden;  i 
dag  ich  8in  })ote  waere  mit 

II  222,  2  —  4. 
da  freuten  sich  von  liebe,  i 
dirre  lieben  maere,  diu  in 
da  wart  von  edelen  frcuwe 

II  261*   4  —  262*    4. 


do  wart  vil  michel  ftieen  Vi 
Mit  waete  und  mit  gebendi 
Uote  diu  vü  tiche  diu  moi 
wn  den  sloUfen  recken,  die 
M  wart  üe  der  vaide  vil  r« 


WUa  U9tmp\49p   *U9^90ji  ,ijp  j 


ftl 


^m  np  jiop  stm  *u9pu9vp  9u, 


}j^  P^  Ä<^»SM«i^  9m 


XI  1138,  2  —  4  (s.  auch  oben). 
tit  ir  mir  künec  erloubet,  ich  sol  iu  sagen  mir, 
vaz  iu  min  lieber  hSrre  her  enboten  h&t, 
nt  im  ^n  dinc  nach  Heichen  so  rehte  kummerlichen  stät. 


XVII  •>  .1748. 
Vö  .<?f/  uns  groze  w^illekomen,  ir  zw^ne  degene, 
Volker  der  vU  küefw  und  oucJi  Hagene, 
nir  und  miner  vrouwen  her  in  ditze  lant. 
it  hol  iu  boten  manigen  hin  ze  Rine  gesant 


XV  1593. 
Daz  loteten  do  die  vrouwen  und  wären  sin  bereit 
i  suohten  üz  den  kisten  diu  herlichen  kleit, 
larinne  si  begegene  den  reken  wolden  gän. 
lä  wart  vil  micJiel  flizen  von  schoenen  unben  getan. 


XV'  1603,  1  Sex  unt  drizec  meide  —  1601: 
Diu  edel  marcgrävinne  für  die  burc  wtis  gegän 
nii  ir  sdioenen  tohter,    do  sach  man  In  ir  Mn 
ninwicltche  vrouwen  und  manic  schoene  meit, 
lie  truogen  vil  der  bouge  unde  hediehiu  kleit. 


BALLiDS  BIS  BtBOEft  148 

Sie  sieht  nach  einer  kurzen  reise 

sich  eingespert, 
wo  nach  beliebter  alter  weise 

die  nonne  plärt. 
Da  soll  sie  beten  und  nicht  lieben, 

allein  sie  weint^ 
sie  weint  und  will  sich  tot  betrüben 

um  ihren  freund. 

Bald  geht  „mama  mit  schwarzer  lüge^  zu  ihr,  um  die  arme 
Marianne  durch  ein  gefälschtes  schreiben  von  der  untreue  des  angeblich 
vermählten  Leander  zu  überzeugen. 

Schnell  rolt  in  einem  goldnen  wagen 

herr  Veiten  her, 
auch  komt  ein  man  mit  weissem  kragen 

von  ungefähr. 
Gequälet  ward  von  jung  und  alten 

das  arme  kind, 
und  die  Verlöbnis  wird  gehalten, 

ach,  wie  geschwind! 

Nun  freut  ein  häufen  anverwanten 

sich  auf  den  tanz, 
nun  binden  mütter,  nichten,  tauten 

den  myrthenkranz ! 
Nun  schickt  sich  zu  drei  wilden  tagen 

das  ganze  haus, 
und  priester  gehn  mit  leeren  magen 

zum  hochzeitsschmaus. 

Nur  für  die  braut  ist  keine  freude 

und  keine  lust, 
sie  quält  sich  mit  geheimem  leide 

tief  in  der  brüst! 
Betrübt  hört  sie  des  priesters  segen, 

sieht  Veiten  an 
und  seufzt  bei  lautem  herzensschlägen : 

„Achy  welch  ein  mann!*^ 

Am  abend  mehret  sich  ihr  jammer 

und  ihre  pein; 
denn  ach!  sie  soll  nun  in  die  kammer 

mit  ihm  hinein. 


144  nniJSHkunai 


Wie*  man  ein  lamm  zur  ttchlachtbsnk  führet, 

HO  fahrt  man  sie; 
Huht,  Hpricht  mama,  wie  nie  eich  zieret! 

die  nftrrin  die  I  ^ 


Nii(th  der  lioch/oit  lobt  Marianne  fQnf  jähre  ihrem  gatten  ergeben, 
libor  olino  dun  tunnt  goliobton  vorgoBsen  zu  können.  Eines  tages,  als 
m  widor  uUidn  ihrer  Htillmi  trauer  nachhängt,  wobei  sich  Gleim  zu 
cler  graoiörion  Wendung  verleiten  lAsst: 

KiuHt,  uIh  Hie  sich  dem  gram  ergibet 

und  einaam  nizt, 
und  ihrem  ehmann,  den  sie  liebet, 

durch  Hpinnon  nAxt.  (!) 

da  tritt  dieHor  inn  itimmer,  um  ihr  mit  dem  geschenke  einiger  Juwelen 
eiuo  tVoude  tw  bereiteu. 

Ihm  folgt  ein  kaufkuauu,  der  Juwelen 

und  (»erlen  trügt, 
und  der  im  iuueniteu  der  seelen 

betrübuis  hägt  (suo!). 

Ka  int  uatürlioh,  wie  der  leser  errät,  Leander,  auf  den  iu  dieser  unge- 
ai^hickteu  weisse  hingedeutet  wird,  der  iu  der  venuummung  eines  frem- 
den händlerti  auttritt.  Mariauue  soll  sich  die  juweleu  selber  aussuchen, 
uud  ihr  ehegatte  verlässt  das  haus,  um  awf  die  jagd  zu  gehen  (bei 
Moncrif  geht  er  auf  das  gericht,  wodurch  sein  kurzes  fortbleiben  und 
(»IC^xUohos  ^idererscheiueu  besser  motiviert  wird).  Die  folgende  Strophe, 
die  Schilderung  der  erscheiuuug  des  kaufmauu^*  ist  tür  Gleims  geschmack- 
lose darslellung  bes^tuder^  charakteristisch: 

Nun  steht  mii  ^tcerudeu  geberdeu 

der  kaufmaun  da, 
>oII  furcht«  von  der  gehasst  zu  werden* 

die  je^t  ihn  sah. 
Weil,  statt  der  roseu  seiuer  maogeo» 

eiu  hiuger  hart 
horabhieug  und  wie  er  vergaugeu 

gesehen  ward,  [l) 

Siuit  ;MU  oofur.  Dn>it  ^u  budier. 

^  ihh^  Ik  iMwe  «»(  !;»  crk'  La  pttUTTvcte.  r«B  pUnuvnt  w  Taine 


bALLABB  BIS  BÜBOBB  145 

und:  Er  zeigt  ihr  seine  waaren,  schweiget 

und  spricht  kein  wort, 
doch  geht,  so  oft  er  ihr  was  zeiget, 
ein  Seufzer  fort. 

Marianne,  aufinerksam  geworden,  fragt  ihn  nach  der  nrsache 
seiner  leiden,  and  der  kaofmann  verrät,  dass  er  ein  bild  seiner  verlo- 
renen geliebten  bei  sich  trage ;  auf  ihre  bitte  zieht  er  es  aus  dem  busen, 
Marianne  liest  auf  dem  verschlossenen  kästchen  die  worte: 

Von  meinen  zärtlich  treuen  thränen 

entstand  ein  bach! 
und  floss  auf  dieses  bild  der  schönen, 

ach,  himmel,  ach! 

Sie  öfnet  und  will  in  Ohnmacht  sinken  -^  es  ist  ihr  eigen  bild. 

„Ach,  Marianne,  Marianne, 

ach,  stirb  doch  nicht! 
Ach;  sieh*  mich,  engel,  ach,  ermanne 

dein  blass  gesicht!^ 

Marianne  komt  wider  zu  sich,  sie  bittet  und  beschwört  ihren 
freund,  sie  auf  immer  zu  verlassen: 

Er  eilt,  gehorsam  dem  befehle, 

urplözlich  (!)  fort 
Ach,  seufi&t  er,  ach,  geliebte  seele, 

nur  noch  ein  wort! 
Ich  sterb*  um  dich.    Er  fasst  im  gehen 

die  band  ihr  an, 
zum  lezten  mal  will  er  sie  sehen  — 

da  komt  der  mann. 

^  Stirb ,^  sagt  er,  „räuber  meiner  ehre, 

mit  tausend  schmerz!^ 
Er  tobt  und  stösst  sein  mordgewehre 

in  beider  herz. 
Leander  stirbt  und  Marianne 

seufzt:  „Himmel,  ich 
verdient  es  nicht !^   Sie  spricht  zum  manne: 

„Du  jammerst  nych !  "• 

Der  mann  hat  keine  frohe  stunde; 

des  nachts  erscheint 
das  treue  weib,  zeigt  ihre  wunde 

dem  mann  und  weint! 

KlTtOHB.   F.  DBUTtOBB  PHIIiOLOOIB.      BD.  XT.  \\^ 


A    ^ 


HS  H0t.ZRtÜ8EK 

Ein  kläglidu-a  gewins»!  irret 

um  ihn  herum, 
ihn  reut  die  that,  er  wird  verwirret, 
er  bringt  eich  um! 
Und  nun  konit  die^oral,  die  Gleim  nach  Moncrifs  vorbilde  i 
not^vendigea  ingiediens  der  romanze  annahm,   und  die  iu  der  znkui^ 
so  viel   Unheil  in  der  romanzendicbtung   anrichten   solte,  indem  ! 
„inoralen*'  anhängte  auch  da,  wo  sie  nichts  weniger  als  passend  warai 
ja,  ganze  romanüeu  nur  auf  die  moral  bin   verfertigte   und  zuflohnitl 
Hier  lautet  de: 

Beim  hören  dieser  mordgescbichte 

sieht  jeder  mann 
mit  lieblich  freundlichem  gesiebte 

sein  weiboben  an 
and  denkt:   wenn  ich 's  einmal  so  fände, 

so  däcbt'  ich:  nnn, 

sie  geben  sich  ja  nur  die-  bände, 

das  lass  sie  thnn. 

Neben  der  jqviajjjüjjöiadien  moral  trfigt  znr  Vollendung 

lesken  Zeichnung  in  diesem  gedichte  nicht  wenig  das  aus  dem  Fraui 

siscben   mitentlebnte    und   mit   der    „  Marianne"    in  Dentachland   sei 

beliebt  gewordene  iiietrum  bei,  welches  in  der  folgezeit  unzählige  ml 

nachgeahmt  wurde;  seine  parodiscbe  Wirkung  beruht  in  dem  leiernde 

stets  widerkehrendeu  falle  der  beiden  verse,  des  langen  und  kurzen: 


Das  war  Deutactilands  erste  roroanze,  die  viel  l>erühmte  .Marianne' 
Ivon  den  freunden  und  Verehrern  Gloima  in  den  bimmel  gehoben 
vorherlicht  (vgl.  J.  G.  Jacobi,  Romanzen  aus  dem  Spanischen  us? 
8.  72.  Ober  das  urteil,  welches  ttelbst  ein  Herder  von  ihr  abgeben  konti 
s.  unten),  und  bis  in  die  aiebziger  jabre  stets  als  luuster  einer  ecbtfl 
naiven  und  wolgelungeneu  romanze  anfgestelt  wurde. 

In  ähnlicher  manier  sind  die  beiden  andern  „Romanzen"  der  bq 
gäbe  von  17&G  behandelt.     Die  zweite: 

„Wundervolle,  doch  wahrhafte  Abenteuer  Herrn  Schont  by  Nftcb 
Cornelius  van  der  Tyt,  vornehmen  Bürgers  und  Gastwirths  im  WaUf!«iJ 
7.U  Hamburg,  wie  er  solche  seinen  Gästen  selbst  orzüblet.  Aus  seinf 
holländischen  Mundart  in  hochdeutsche  Heime  treulieb  äbersetzet"  scbij 
dert  iu  ziemlidi  fratzenhafter  weise  die  abenteuer  piues  holländische 
Seefahrers;  die  andere: 


fiAtULDB  filS  BÜRGEB 


147 


„Dämons  und  Ismenens  zärtliche  und  getreue  Liebe,  getrennt  durch 
einen  Zweikampf,  in  welchem  Herr  Dämon  von  seinem  Nebenbuhler  am 
20.  August  1755  auf  Auerbachs  Hofe  zu  Leipzig  mit  einem  grossen 
Streitdegen  durchs  Herz  gestochen  wurde,  wodurch  er  seinen  Geist  jäm- 
merlich aufgeben  müssen.  Zum  Trost  der  herzlich  betrübten  Ismene 
gesungen,^  ist  nach  stoff  und  behandlung  mit  der  „Marianne^  sehr 
verwant,  ebenfals  eine  mordgeschichte  mit  dem  motiy  der  eifersucht. 

Nach  dieser  ausgäbe  von  1756  hat  der  romanzendichter  Gleim 
lange  geschwiegen  oder  wenigstens  mit  der  publication  neuer  dich- 
tungen  zurückgehalten.  Und,  als  er  endlich  im  jähre  1771  die  geprie- 
sene leier  wider  schlug,  da  waren  es  noch  immer  nicht  die  „Romanzen 
nach  Gongora^,  welche  erschienen,  sondern  ein  schäfergedicht,  nach  art 
der  modischen  Schäfereien,  ein  schäfergedicht  in  romanzischer  form,  wie 
„der  blöde**  und  „der  dreiste  schäfer"  (s.  Körte,  Gleims  leben  s.  39  ff.) 
solche  in  dramatischer  gewesen  waren ,  freilich  auch  nicht  glücklicher 
als  diese. 

„Alexis  und  Elise"*  hat  den  eigentlichen  bänkelsängerton  der  drei 
ersten  romanzen  verlassen  und  dafür  jenen  zug  weichlicher  liebes-  und 
freundschaffcständelei  angenommen,  welcher  auch  in  den  zwischen  Gleim, 
Heinse  und  Jacobi  gewechselten  süssigkeiten  herscht;  das  thema  des 
gedichtes  ist  die  überzärtliche  liebe  zwischen  einem  schäferpaar  —  denn 
dieses  sind  Alexis  und  !ßlise  —  die  handlung  besteht  darin,  dass  die 
guten  leutchen  einen  armen  pilger  liebreich  aufnehmen  und  verpflegen, 
dies  ist  der  Inhalt  des  ersten  gesanges;   aus  demselben  einige  proben: 


Alexis  und  Elise 

sind  meiner  muse  lied! 

0  liebet  euch,  wie  diese, 

sagt  man,  wenn  man  sie  sieht. 

Sie  küssen  sich  und  schämen 
sich  artig  auch  dabei, 
und  geben  sich  und  nehmen 
mehr  küsse  nicht  als  zwei. 


Und  einig  so  darüber 
dass  nie  gestritten  ist: 
ob  er  Elisen  lieber, 
ob  sie  ihn  lieber  küsst?  — 

Einst,  als  auf  ihre  weide 

ein  armer  pilger  kam, 

da  liefen  alle  beide 

und  holten  ihm  ein  lamm  usw. 


Ln   zweiten   gesange   werden   die  beiden   von  Wolfen  angefallen, 
welche  durch  Alexis  mut  besiegt  werden.    Man  lese: 


Elise  fleug  zu  scherzen 
mit  ihrem  männchen  an; 
schon  schmelzen  ihre  herzen, 
er,  schon  ein  sanfter  mann. 


Sie,  schon  ein  sanftes  weibeben, 
wie  sonsten  nirgend  ist, 
kehrt  wie  ein  turteltäubchen 
sich  zärtlich  um  und  küsst! 

10* 


148 


HOLZRAÜSBl^ 


ij^jHll 


Und  plözlich  stand  vor  ihnen 
ein  schrecklich  grosses  tier, 
in  keinem  träum  erschienen 
euch  schönen  oder  mir. 

Es  war  ein  wolf ;  zu  scherzen 
war  keine  zeit,  kein  ort; 
Elise,  blass,  im  herzen 
war  all'  ihr  blut,  lief  fort 


Alexis,  mehr  ein  meister 
von  seinem  blut,  ein  held, 
bot  seine  Lebensgeister 
aU'  auf  im  kriegesfeld! 

Er  geht  —  die  erde  bebet  — 
das  tier  zu  boden,  sizt 
auf  seinem  bauch  —  er  lebet 
und  hat  sein  weib  beschüzt  usw. 


In  diesem  läppischen  tone  ist  auch  der  dritte  gesang  des  unend- 
lich langen  gedichtes  gehalten ,  in  dem  der  arme  pilger  wider  erscheint, 
sich  als  hirtengott  entpupt  und  die  beiden  zur  belohnung  mit  einer 
schaferei  beschenkt^ 

Eine  neue  samlung  von  romanzen  gab  Gleim  im  jähre  1777  her- 
aus.' In  dieser  müssen  zuerst  die  „Bomanzen  nachGongora^  erschienen 
sein,  wenn  er  sie  gewiss  auch  schon  früher  gedichtet  hatte.  Es  sind 
ihrer  drei:  „Der  schöne  bräutigam"^  (Todas  las  obras  de  Don  Luis  de 
Gongora,  Madrid  1654,  s.  123,  abgedruckt  in  deutscher  Übersetzung 
bei  Jacobi  s.  72),  „Der  gute  tag^  (ib.  84,  Jacobi  56)  und  „Die  zeit"^ 
(ib.  s.  117,  unter  den  romances  burlescos,  bei  Jacobi  101).  Ich  gebe 
hier  das  erste;  aus  dem  originale,  einer  anmutigen,  hübschen  liebes- 
romanze,  hat  Gleim  in  der  besprochenen  manier  ein  11  strophiges  poSm 
zurechtgemacht,  zu  dessen  scenerie  er  natürlich  wider  die  Sphäre  des 
vulgär  bürgerlichen  lebens  eröfhet: 

Die  kleine  Doris  weinte  laut, 
sie  hatte  recht  zu  weinen! 
Vom  schönen  Daphnis  eine  braut, 
liebt  sie  nur  ihn,  sonst  keinen, 
und  dieser  schöne  bräutigam 
war  jähre  weggeblieben. 

1^  1)  WielAQcL  mag  sein  urteil  selbst  vertreten,  welches  er  Aber  dieses  gedieht 
'^-^^  Gleim  gegenflber  füte:  „Sie  allein  können  ans  nichts  oder  ans  etwas,  das  beinahe 
^«i^  nichts  ist,  das  niedlichste,  anmnthigste,  anziehendste,  interessanteste  (!)  Ding  machen, 
das  jemals  ein  Barde  gemacht  hat.  Wie  liebe  ich  diese  anmnthig  wilden  Noten**  usw. 
Ziemlich  ironisch  mnss  das  nrteil  von  G.  A.  Bürger  gewesen  sein,  wie  ans  Gleims 
briefe  an  diesen  vom  9.  September  1771  (Strodtmann,  BriefireGhsel  I,  nr.  17)  her- 
vorgeht. 

2)  Diese  samlung  war  nach  Joerdens,  Lezicon  der  deotschen  dichter  and 
Prosaisten,  bd  2,  s.  148  nnr  fßr  Gleims  freunde  veranstaltet  und  ist  nicht  in  den 
buchhandel  gekommen,  woraus  denn  auch  zu  erklären  ist,  dass  selbst  der  umsich- 
tige Eoberstein  (V,  32)  das  jähr  des  erscheinens  der  „Romanzen  nach  Gongora" 
mit  bestimtheit  nicht  hat  ermitteln  können. 


BALLADB  BIS  BÜBOBB  149 

Wie  z&rtlich  er  auch  abschied  nahm, 
must*  er  sie  doch  nicht  lieben! 


Denn  ach,  nicht  einmal  schrieb  er  ihr! 

Sie  sass  anf  ihrer  kammer, 

sass  einsam,  sass,  verschloss  die  thür, 

weinf  allen  ihren  Jammer! 

Die  ganze  nacbt  hindurch  weint  sie, 

der  mond  fängt  an  zu  scbeinen, 

und  sieht  die  thr&nen;  morgens  Mb 

sieht  sie  die  sonne  weinen. 


Sie  fält  in  Ohnmacht^  ist  so  blass, 

als  wär*s  ein  kaltes  fieber. 

Die  mutter  holt  ein  ungrisch  glas; 

die  Ohnmacht  ist  vorüber. 

Ein  doctor  komt,  der  doctor  spricht: 

^Das  hat  man  von  dem  lieben, 

die  guten  Mnder  folgen  nicht  !^ 

Und  viel  wird  ihr  verschrieben. 

Ein  tränkchen  und  ein  pülverchen 

wird  ihr  zugleich  gegeben; 

die  Amors  und  die  Grazien 

erzittern  ihrem  leben; 

ihr  liebesgötter,  dass  ihr*s  wisst; 

ihr  leben  ist  in  Polen!  — 

Sie  schwärmen  auf!    Ein  Wettstreit  ist, 

sie  fliegen,  ihn  zu  holen. 

Ach!  dass  man  doch  die  reise  bald 

zurfickgeleget  hätte! 

Er  komt!    In  trauriger  gestalt 

steht  er  vor  ihrem  bette. 

Die  Amors  und  die  Grazien 

sind  froh,  ihn  da  zu  sehen. 

Die  tränkchen  und  die  pülverchen, 

die  stehn  und  bleiben  stehen. 

Sie  aber  sieht  ihn  nahe  nicht, 
ein  böser  verhäng  wehret; 
ihr  blasses,  sterbendes  gesiebt 
ist  an  die  wand  gekehret 


150  H0LZHAÜ8BN 


Die  mutter  winkt:  „Herr  Schwiegersohn, 
nicht  näher  hingegangen! 
Gestorben  sind  die  rosen  schon 
auf  ihren  zarten  wangen.^ 


Der  Vorhang  wirft  sich  selbst  znrfick; 

nach  Daphnis  wird  gesehen: 

ein  blick  auf  ihn,  ein  halber  blick, 

da  war  die  kor  geschehen! 

und  sehty  die  kleine  Ghloris  singt; 

sich  selbst  gesund  zu  mac)ien, 

küsst  sie  die  mutter,  ist  verjüngt, 

die  liebesgOtter  lachen. 

Ihr  schönen,  mögt  nun  alle  gehn 
und  euch  in  tugend  üben, 
mögt  die  gesunde  Ghloris  sehn, 
bereit,  wie  sie  zu  lieben! 
Ihr  männer  aber,  bleibt  mir  nah, 
des  liedes  zweck  zu  hören, 
denn  gute  dichter  sollen  ja 
belustigen  und  lehren. 

Es  lass'  ein  schöner  bräutigam 

nie  seine  braut  alleine, 

dass  sie  vor  Ungeduld  und  gram 

sich  nicht  zu  tode  weine! 

Die  liebesgOtter  möchten  ihn 

aus  Preussen  oder  Polen, 

aus  Rom  und  London  und  Berlin 

nicht  leicht  wie  diesen  holen. 

In  ähnlicher  weise  hat  Gleim  sich  die  beiden  andern  romanzen  nach 
Gongora  zurecht  gemacht;  wie  er  dabei  verfuhr,  lässt  sich  auch  aas 
einem  vergleiche  der  dritten  mit  der  Herderschen  bearbeitung  des 
Originals  in  dessen  „Volksliedern"  ersehen. 

Gleim  hat  in  der  eigentlichen  romanzendichtung  nie  einen  fort- 
schritt  gemacht  (wie  er  auf  einem  sehr  verwanten  felde  um  so  vieles 
weiter  gelangt  ist  s.  unten),  dies  zeigen  auch  die  übrigen  gedichte  dieser 
gattung,  die  wol  meistens  von  seiner  eigenen  erfindung  sind.^     Die 

1)  Vielleicht  sind  in  dem  einen  oder  andern  wenigstens  anklänge  aa  frauL 
originale,   ob  aber,   wie  Hob   (in  dem  Vorwort  za   , Deutschlands  baUaden-  mid 


BALLADE  BIS  BOBQEB  151 

meisten  derselben  sind  läppisch  und  abgeschmackt  (besonders  „Lieb- 
chens geist^),  in  manchen  versucht  er,  einen  volkstümlich  sein  sollenden 
ton  anzuschlagen,  in  ganz  eigentümlicher  weise  in  dem  „Bitterschlag^, 
in  dem  er  einen  populären  ton  durch  die  einmischung  plattdeutscher 
elemente  hervorbringen  will. 

Alle  diese  durchweg  so  gedankenleeren  gedichte  Gleims  sind,  wie 
Qleims  poesie  überhaupt,  durch  eine  glatte  und  gewante  form  ausge- 
zeichnet. Ihrem  Inhalte  entsprechend,  sind  sie  alle  in  leichten  vers- 
massen  geschrieben,  die  meisten  in  jenem  in  allen  sprachen  so  häufig 
vorkommenden  viermal  gehobenen  verse,  der  sich  in  deutschen  godichten 
auf  den  alten  germanischen,  epischen  vers  zurückfahren  lässt,  indem 
je  2  Zeilen,  also  8  hebungen,  ein  versganzes  ausmachen,  mithin  jede 
derselben  einer  vershälfte  des  germanischen  langverses  entspricht  Ob 
indessen  der  von  Gleim  angewante  vers^  auf  historischem  boden  wur- 
zelt oder  nicht  vielmehr  auf  den  französischen  achtsilbner  oder  die 
spanische  redondilie  zurückzuführen  ist,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 
Neben  den  rein  vierfüssigen  zeilen  hat  Gleim  bekantlich  auch  das  in 
der  „Marianne'^  gebrauchte  metrum  für  die  deutsche  romanze  in  schwung 
gebracht,  welches  aus  je  einem  längeren  (4  —  5 f&ssigen)  und  einem 
kürzeren  (2füssigen)  verse  besteht,  welche  durch  ihren  regelmässigen 
Wechsel  und  leiermässigen  tonfall  dem  parodischen  Charakter  dieser 
gedichte  wol  entsprechen. 

Daneben  komt  auch,  wie  wol  seltener, '  eine  Verwendung  eines  3  mal 
gehobenen  verses  in  den  Gleimschen  romanzen  vor,  welche  auch  ana- 
logien  im  Französischen  hat.  Gleims  versmasse  sind  durchweg  jambisch, 
die  Strophen  in  der  regel  4 zeilig,  eine  grössere^  architectonisch  geglie- 
derte Strophe  verwendet  er  nicht,  ebenso  wenig  wie  seine  nachfolger 
bis  Bürger,  welche  überhaupt  in  metrischer  beziehung  wenig  bemerkens- 
wertes und  abweichendes  haben,  so  dass  die  hier  gemachten  bemerkungen 
im  wesentlichen  für  die  ganze  folgezeit  bis  Bürger  gelten  können. 

Ich  kann  den  dichter  Gleim  nicht  verlassen,  ohne  eine  reihe  von 
gedichten  zu  besprechen,  welche,  obwol  sie  dem  namen  nach  ausserhalb 
der  romanzen  stehen ,  dennoch  vielleicht  in  höherem  sinne  diese  bezeich- 
nung  verdienen  als  irgend  eine  andere  romanze  Gleims,^  zugleich  eine 
der  besten  leistungen  des  dichters  überhaupt.  Ich  meine  die  Preuss. 
kriegslieder  von  einem  grenadier,  welche  Lessing  i.  j.  1758  herausgab. 

romanzendichtorn*',  Würzburg  und  Earlsnüie  1860,  s.  IV)  behauptet,  Gleim  den 
Senece  und  Marmontel  bennzt  habe,  vennag  ich  nicht  zn  sagen ,  da  mir  die  romanzen 
beider  dichter  bis  auf  wenige  beispiele  nnzogängUch  gewesen  sind. 

1)  Um  80  mehr  ist  zu  yerwnndern,  dass  Blume  a.a.O.  ihrer  mit  keiner 
nlbe  erwihnt 


152  HOI.SBAIISBH 

Goertb  in  seiner  oben  citierteu  ahbandlung  sagt  (s.  384):  „Wir  babea 
uns  7.U  sehr  mit  dem  gedanken  vertraut  gemacK,  dass  eine  „ballade" 
durchaus  einen  sagenhaftön  inhalt  haben,  womSglicb  eine  alte  sage 
behandeln  müsse.  Dies  ist  dnrcbauü  nicht  n(3tig.  DaBJenige,  was  em 
gedieht  zur  ballade  macht,  ist  allein  die  das  geniüt  rührende  oder 
erschütternde  daratellung  oder  er/äbliiug."  Wenn  er  bierin  recht  hat, 
so  wäre  damit  die  berecbttgung  der  ballade  zur  darstellung  auch  neuerer 
historischer  eroignisse  zugestanden.  Mag  nun  aber  auch  diese  bei  dem 
zu  dicht  vorgerückten  Spiegel  der  nüchternen  wabrheit  immerhin  ihre 
Schwierigkeiten  haben,  für  die  romauKe  der  damaligen  zeit  war  es 
jedenfals  ein  vorteil,  an  einem  grossen,  wenn  auch  nahe  liegenden  histo- 
risoben  Stoffe  erprobt  zu  werden.  Hs  kann  hier  natürlich  nur  von  den- 
jenigen der  Gleimschen  kriegsliedcr  die  rede  sein,  welche,  der  idee  nach 
nach  den  grossen  schlachten  des  siebenjährigen  kriegöB  gedichtet,  deren 
gang  und  ereigniase  episch  darstellen,  die  siegeslieder  von  Lowositz, 
Pr^,  Rossbach,  Lissa  und  das  lied  nach  der  Schlacht  bei  CoUin. 

Gott  donnerte,  da  floh  der  feindl 

Singt,  brfider,  singet  gottl 

Denn  Friederich,  der  menschenfreund, 

hat  obgesiegt  mit  gott. 
So  singt  das  erste   dieser  lieder   den   ersten   sieg   des  grossen 
preussenkCnigs  in   die  weit  hinein.     Nun  folgt  zuerst  die  Schilderung 
jener  nacht,  welche  dem  schlachttage  vorangieng: 

Auf  einer  trommel  sass  der  beld 

nud  dachte  seine  schlacbt, 

den  bimmel  über  sieb  zum  zeit 

und  um  sich  her  die  nacht. 
Der  morgen  bricht  an,  der  kämpf  soll  beginnen: 

Frei,  wie  ein  gott,  von  ftircbt  und  grans, 

voll  menschlichen  gefUbls, 

steht  er  und  teilt  die  rollen  aus 

des  grossen  trauerspiels. 
Da  treten  die  preussischen  regimenter  an: 

So  stand,  als  gott  der  herr  erschuf, 

das  beer  der  steme  da, 

gehorsam  stand  es  seinem  ruf, 

in  grosser  Ordnung  da. 
Das  beer  stürzt  zum  kämpfe,  die  Österreicher  werden  geworfen; 
beim  rückmarscbe  zwar  locken  sie  die  Preussen  in   einen   hinterhalt, 


BALLADS  BIS  BÜRGER    .  153 

auch  der  wird  erstQrmt  und  der  erste  sieg  ist  erfochten;   der   dichter 
rnft  dem  geschlagenen  feldherrn  der  Österreicher  zu: 

Sein  (Friedrichs)  donner  zürnte  deinem  krieg 
bis  in  die  späte  nacht, 
wir  aber  singen  nnsem  sieg 
und  preisen  seine  macht 

Das  ist  ein  ganz  anderer  ton  als  in  dem  kläglichen  mordgeschichten- 
gewinsel;  ein  epischer  schlachtgesang,  durch  die  befehle  der  feldherren 
dramatisch  belebt,  dazu  etwas  von  der  rauhen  spräche  des  grenadiers, 
der  auch  treflich  das  metrum  angepast  ist,  einer  Elopstockschen  ode 
entnommen,  aber  gereimt,  diese  kurzen,  strammen,  man  möchte 
sagen,  preussischen  verse,  in  denen  die  werte  einh ermarschieren. 

Ahnlich  die  lieder  ^on  Prag  und  Gollin;  das  lied  von  Bossbach 
ist,  wie  die  späteren  kriegslieder  überhaupt,  durch  eine  ängstlich  detail- 
lierte beschreibung  des  kampfes  alzu  sehr  in  die  breite  gezogen ;  in  der 
Schilderung  der  flucht  der  Franzmänner  und  der  reichsarmee  hat  es 
wider  burleske  züge,  die  indessen  dort  nicht  übel  angebracht  sind, 
anderseits  hat  das  gedieht  auch  schon  echt  balladenmässige  stellen,  wie : 

Vom  sternenvoUen  himmel  sah*n 
Schwerin  und  Winterfeld,  — 
bewundernd  den  gemachten  plan  — 
gedankenvoll  den  held. 

Gott  aber  wog  bei  stemenklang 
der  beiden  beere  sieg. 
Er  wog,  und  Preussens  schale  sank 
und  Ostreichs  schale  stieg. 

§  2.    Das   typische  der  Gleimschen  manier  und  der  bänkel- 

gesang. 

Sieht  man  von  den  „Kriegsliedem^  ab,  welche  zu  ihrer  zeit  nicht 
mit  unrecht  selbst  von  männern  wie  Lessing,  Herder  und  Goethe  mit 
beifall  begrüsst  wurden,  wenn  sie  auch  für  die  gegenwart  nicht  viel 
mehr  als  die  bedeutung  eines  litterarischen  curiosums  haben  (vgl. 
Pro  hie,  Friedrich  der  grosse  und  die  litteratur  seiner  zeit,  s.  56,  und 
Goedecke,  Grundriss  II,  s.  581),  so  ist  Gleims  übrige  romanzendich- 
tung  trotz  der  bewunderung  der  Zeitgenossen^  einer  verdienten  Ver- 
gessenheit anheimgefallen. 

1)  Über  Wielands  urteil  s.  oben  s.  20  anm.;  dftss  die  Halberst&dter,  die  Jacobi 
md  consorten,  die  Verfasser  der  poetischen  band-  and  lehrbQcher,  die  Eüttner, 
Pölitz,  Yetterlein  und  tausend  andere  Zeitgenossen  die  Gleimsciiea  romanzen  h&ch* 


154  UOLZHAUSBM 

Und  doch  ist  diese  för  die  entwickelung  der  deutsche»  romaazen- 
jioesie  von  eiaem  weit  grüsBeren  einflusse  gewesen  als  die  kri^gsUeder. 
Denn 'während  die  kriegslieder  nur  wenig  iiachabmung  fanden,'  so 
wurde  jene  der  ausgangspunkt  für  die  romanzendicUtung  einea  ganzen 
menschenalters.  Wenn  oben  bei  der  erwähuung  des  Volksliedes  ang»- 
dentet  wurde,  dass  der  weg  der  kunsthallade  ein  verschiedener  sein 
könne,  so  ist  einer  dieser  wege  wol  ohne  zweifei  die  directe  nachbil- 
dung  des  volkstümlichen  liedes  nach  inhalt  und  form ;  diese  moss 
jedoch  von  einer  glücklichen  nachempfind  ung  des  volksgefühls  getragen 
acin.  Gleim  hat  ein  solches  eingehen  auf  die  denk-  und  gefufalsweise 
des  Volkes  entschieden  versucht,  —  hiervon  zeugen  auch  seine  „Lieder 
fürs  Volk"  und  zahlreiche  seiner  auasprücbe  —  aber  er  verwechselte  den 
reinen  und  keuscheu  ton  des  Volksliedes,  welches  erst  durch  Herder 
der  deutschen  nation  wider  erschlossen  wurde,  mit  den  gellenden 
sängen  der  marktschreier,  welche  die  lezten  entarteten  sprossen  de» 
volkstümlichen  liedes  sind  oder  einer  ganz  untergeordneten  kunstdicb- 
tung  ihren  Ursprung  verdanken.  „Je  Öfter,"  sagt  tUeim  seihst  von 
seinen  romanzen,  „dieser  versuch  (nSmIich  spanische  and  t'ranzCsiscbe 
romaazon  ins  Deutsche  zu  übertragen)  von  den  rölunliehen  virtaosen 
mit  den  stäben  in  der  band  künftig  gesungen  wird,  desto  mehr  wird 
man  dem  Verfasser  glauben,  dass  er  die  rechte  spräche  dieser  Spielart 
getrofl'en  habe.'^  Gleim  versuchte  also,  wie  er  hier  ausdrücklich  sagt, 
selbst  bänkelsängerlioder  zu  schaffen,  womriglich,  um  den  hänkelsänger- 
liedern  bessere  texte  unterzulegen.  Da  nun  aber  tileim  das  Volkslied, 
welches  ihm  nur  in  der  gestalt  des  bänkelsängerliedes  bekant  oder 
zugänglich  war,  unmöglich  als  einen  imi  seiner  selbst  willen  würdigen 
Vorwurf  erkennen  konnte,  so  behandelte  er  es  ironisch;  das  bänkel- 
sängerlied  selbst  ist  ja  an  und  für  sich  nicht  ironisch ;  von  den  markt- 
schreiern  werden  die  mord-  und  gespenstergeschichton  mit  pathetischem 
anspruche  auf  glauben  vorgetragen  und  von  der  andächtig  lauschenden 
menge  für  wahr  und,  als  herzerschütternd,  auch  für  schön  hingenommen. 

lieh  prieseD.  wird  man  dclleicht  iiatitrlich  fioden^  dag  orteil  aber,  welches  Herdet 
niioh  im  Jahn  1797  narh  dorn  erscheinen  der  grassartigen  Bfirger,  Goethe  oiid 
Schillerschen  baUadennerko  in  den  Adraete&  (vgl.  Koberttoin  V,  37)  abgab,  .die 
drei  romanzoD,  die  Gleim  zuerst  in  unserer  Hproche  sang,  und  noch  anübertrofleD 
die  artig«t«D,  die  nfuvsten*  wird  man  dem  altonideii,  kranken  und  verstiisten 
Uerder  wol  gern  veraeihea,  aber  nicht  tu  miudesten  als  verbindlich  anorkauaen 
kfinnen. 

1)  Nachgeahmt  worden  sie  in  Lavaters  Schweiterliedcm  am  beBt«n  (vergl. 
Xlotiena  Dentsche  bibl  3,  S3  ff  and  17,  684  ff.},  fomer  in  Gerrtcnbergs  ,Uad«m 
eines  dfin.  gtenadiert*  und  (die  schwilcbste  DAchbildniig)  in  Weisioe  „AmuoDen- 
litjdern". 


BUJiADB   BIS    DeBGER  155 

Pfir  Qleim  aber,  den  poetisch  fohlenden  mann,  wie  für  jeden  gebildeten, 
ist  das  bänkelaängerlied  eine  fratee;  wenn  nun  obendrein  Gleim  auch 
noch  in  seinen  Vorbildern  Qongora  und  Moucrif  die  ironisierende  beband- 
Inng  der  rom&nze  (wenn  auch  in  feinerer  weise)  vorfand,  was  wunder, 
wenn  er  iu  jenen,  der  auffassungsweise  des  gemeinen  volkes  zwar 
adäquaten,  dem  gebildeten  aber  hdchsteng  durch  das  medium  der  ironie 
geniessbaren  poetischen  gattung  das  wahre  wesen  der  romanze  zu 
erblicken  glaubte  und  diese  durch  seine  eigenen  producte  zu  bereichern 
and  zu  Terbessern  suchte;  daaa  er  damit  nicht  in  unserem  heutigen 
geläuterten  sinne  „volkstümlich "  schrieb,  sondern  im  gegenteile  das 
e^eutlicb  volkstümliche  gänzlich  negierte,  ist  klar.  Hiermit  hängt 
auch  zusammen,  was  Gleim  in  der  vorrede  zu  der  ersten  ausgäbe  seiner 
romanzen  sagt:  „Der  Verfasser  fand  in  einem  uralten  französischen  lehr- 
bache  den  namen  und  bald  nachher  iu  einem  tranzOsiscben  dichter, 
dem  Moncrif,  die  sacbe.  Die  erregung  starker  leidenschaften ,  dachte 
er,  ist  der  menschlichen  geselschaft  schädlich,  meine  romanzen  aollen 
nur  sanfte  erregen;  so  entstanden  die  seinigeu  und  wareu  in  unserer 
spräche  die  ersten."  Gleim  hielt  eben  den  umstand,  daas  die  gedichte 
jener  gattung  nur  vermittelst  der  ironie  geniesshar  seien,  die  allerdings 
nur  „sanfte  leidenschaften"  erregen  konte,  für  einen  vorzug  dieser  gat- 
tnag; nicht  für  jedermanns  nerven  sind  tragische  erschütteningen ,  und 
die  abneigung  des  sanften  Gleim  gegen  dieselben  ist  sehr  erklärlich. 

Nun  aber  kam  eine  schar  geistloser  nachahmer,  die,  wie  solches 
in  der  regel  geschieht,  sich  an  das  äusserliche  der  manier  anklammerten, 
den  bänkelgeaang ,  von  dessen  verwantschaft  oder  ideutität  mit  der 
romanze  sie  von  vornherein  überzeugt  waren,  um  seiner  selbst  willen, 
liebten  und  mit  einer  wahren  wut  über  alle  erscheinungen  des  lebens, 
der  geschichte  und  litt«ratur  herfielen ,  um  zu  parodiereu  und  zu  trave- 
stieren. Auch  im  äussern  vergröbei'ten  sie  Gleims  manier  dahin,  dass 
sie  seine  versuche,  durch  vulgäre  Wendungen  die  romanze  der  Volks- 
sprache näher  zu  bringen,  in  der  anwendung  von  provinciallsmen  und 
Vulgarismen  und  durch  eine  tolle  Orthographie  nachzuahmen  und  zu  über- 
bieten suchten:  am  meisten  vergnügen  aber  fanden  sie  au  den  ellenlangen 
titeln,  welche,  an  die  anschlagezettel  zu  den  weiland  haupt-  und  staats- 
actiouen,  wie  auch  au  die  phrasenhaften  ankündigungen  der  bänkelsänger 
auf  den  markten  erinnernd,  als  ein  fast  notwendiges  ingrediens  der 
romanze  angesehen  zu  werden  pflegten;  nicht  minder  an  den  oft  spiesa- 
bürgerlicben,  oft  auch  cynisch  -  frivolen  „moralen"  (vgl.  oben),  Ton 
denen  einer  dieser  dichter  selbst  sehr  richtig  singt: 
Der  fabel  folgt  die  lehre 
als  wie  der  frau  die  magd, 


ein  ding,  bei  meiner  ehre, 
das  oft  den  leser  plagt. 

Ist  in  dem  voiaufgehcnden  im  algemeinen  der  Inhalt  des  färben- 
topfes  angegeben,  in  den  die  häukelsSuger  —  man  bezeicbnet  die  dichter 
dieser  art  romanze  am  besten  kurzweg  mit  dem  titel  ihrer  collegen 
auf  den  Jahrmärkten  —  griffen,  um  in  rohen  kleksen  ihre  bilder  hin- 
zusudeln, so  ist  doch  noch  eine  färbe  vergeseen,  die  auch  in  der 
besprecbung  dieser  epoche  durch  Blume  ganz  flbergangen  wird  und  die 
doch  manchem  dieser  Kweifelbaften  gemälde  erat  seinen  eigentümlichen 
&rhenton  verlieh ,  ich  meine  den  ja  auch  schon  bei  Gleim  beobachteten 
französischen  einfluss,  der  sieb  insbesondere  im  siebenten  Jahrzehnt  des 
vorigen  Jahrhunderts  auf  die  romanzendicbtung  geltend  macht.  So  sind 
z.  b.  die  romanzen  der  Favart,  Marmontel,  Saint  Peravi,  la  Place  n.  a. 
von  den  Deutschen  ei&ig  bennzt  und  unter  anderen  die  L<5wenschen 
romanzen  fast  stück  für  stück  ans  dem  gros^n  französischen  Recueil 
de  romances  tendres  et  burlesques,  Par.  1767 — 73,  2  bde,  entnommen. 
Nun  ist  bereits  in  der  oben  s.  12  gegebenen  kurzen  Charakteristik  der 
französischen  romanzen dichtung  darauf  hingewiesen,  dass  die  hauptstfirke 
der  Franzosen  in  der  leichten,  der  chanson  ähnlichen  romanze  bestehe, 
einer  dichtart,  welche  im  gegensatze  zu  dem  englischen  und  deutschen 
volksliede  nur  flüchtig  die  oberfläcfao  des  lebens  und  der  empgndung 
berührt  and  bei  der  bekanten  vorüebe  der  Franzosen  für  pikanten  witz 
nicht  selten  den  Charakter  jener  unnachahmlichen  gallischen  Schlüpfrig- 
keit zeigt,  deren  nachbildung  im  Deutschen  so  leicht  ins  ordinäre 
abßlt.  Dies  zeigte  sich  denn  auch  bei  den  nachfolgern  Oleima,  welche 
den  graciösen  schritten  der  koketten  französischen  muse  in  plumpem 
cavallerietempo  nachtrotteten  und  die  überkommenen  französischen  stoffe 
benuzten,  um  sie  ins  gemeine  hinabzuziehen  und  zu  verfratzen. 

Der  erste  dieser  nachfolger  Gleims  und  zugleich  der  hauptnach- 
beter  der  Franzosen  war: 

§3.  Löwen. 
Im  jähre  1762  gab  Job.  Friedr.  Löwen  (der  Hambnrger  tlieater- 
regissenr  zur  zeit  Lessings,  geb.  1729  zu  Clausthal,  gest.  zu  Rostock 
1771)  einigp  wenige  bogen  „Romanzen"  heraus  mit  dem  motto:  quia 
talia  fando  temperet  a  lacrymis?  und  einem  titelbilde,  welches  einen 
der  „Virtuosen  mit  den  laugen  stäben"  darstelt,  wie  er  dem  pöbel 
seine  mordgeschicbten  vordeclamiert.  Diese,  übrigens  auch  in  die  176& 
bis  66  erschienene  ausgäbe  der  LAweuschen  schiilleu  aufgenommene 
romanzen  sind  im  gründe  nichts  als  mattere  copien  doijenigen  Gleims. 
Die  beste  und  noch  einigermasaen  erträgliche  ist  die,  welche  von  „dem 


6AtiLAl>E   BIS  Bt^AGBft  16? 

in  dem  blutigen,  doch  mnthigen  Treffen  bei  Bossbach  den  5.  November 
1757  verwundeten  und  von  seiner  gnädigen  Frau  Mama  beweinten 
Junker  Hanns  (!)  aus  Schwaben^  handelt. 

Ein  Junker  aus  dem  Schwabenland 
solt*  nach  des  vaters  willen 
einst  rühmlich  im  soldatenstand 
den  durst  nach  ehre  stillen. 

Während  die  gewöhnlichen  themata  der  bänkelsänger,  mord-  und 
schlüpfrige  liebesgeschichten ,  brandstiftungen  und  hinrichtungen  —  von 
der  ästhetischen  seite  einmal  ganz  abgesehen  —  auch  vom  moralischen 
Standpunkte  entschieden  bedenkliche  motive  für  eine  derartige,  carri- 
kierende  darstellung  sind,  so  ist  ein  ganz  angemessener  Vorwurf  fQr 
dieselbe  das  wirklich  drollige  begebnis  mit  dem  Junker  aus  dem  Schwa- 
benlande, der  zur  armee  geschickt  wird,  nota  bene  zur  deutschen  reichs- 
armee  des  siebenjährigen  krieges  ~  auch  die  anknüpfung  an  diesen  ist 
sehr  glücklich  —  aber  bald  mit  einer  tüchtigen  schmarre  heimkehrt, 
die  er  sich  in  der  glorreichen  bataille  bei  Bossbach  von  einem  schwar- 
zen husaren  hat  auswischen  lassen: 

Da  kam  ein  tapfrer  totenkopf 
dem  Schwaben  auf  die  hacken 
und  spaltete  des  Junkers  schöpf 
und  schlizt  ihm  beide  backen. 

Der  hochnäsige  Junker,  der  „nach  ehre  strebt^  und  als  lieutenant 
des  deutschen  reiches  den  musketer  „entsezlich  prügelt^,  nachher  aber 
bei  Bossbach  mit  seiner  manschaft  um  die  wette  läuft. 

Die  beiden  liefen,  blutend  lief 

ihr  lieutnant  in  der  mitten, 

der  zopf  war  fort,  das  maul  hieng  schief, 

der  (!)  backe  war  zerschnitten, 

das  alles  ist  recht  ergözlich   geschildert,   vor  allem  aber  die  ankunft 
zu  hause: 

Er  kam,  es  sei  dem  hinunel  dank! 

noch  mit  geraden  beinen, 

als  die  mama  grad'  kaffee  trank, 

zu  den  geliebten  seinen. 

Die  Schwester  schreit,  der  vater  kann  eine  ironische  bemerkung 
nicht  unterdrücken: 

Der  vater  rief:  ^Schon  wieder  da! 
Wie,  junge!  so  zerfetzet? 


Doch  so  viel  nie  bei  Pultawa 
hat's  doch  nicht  abgesetzet" 
(la  deQ  späteren  ausgaben  ist  diese  stelle,  nicht  znm  vorteil«  dM 
gedichtes,   verändert,  Löwen  hatte  den  fehler  Bürgers,  gnte  lesarteu 
durch  ängstliche  correeturen  in  schlechtere  zu  verändern.) 

Der  mutter  wird  himmelangst,  was  base  Kosaiuuud,  auf  die  sie 
fSr  ihren  Junker  absichten  hat,  zu  der  zerhauenen  backe  sagen  wird, 
und  der  dichter  schliesst  mit  der  gut  angebrachten  ironischen  mabnnng 
an  adlige  mütter,  ihr  söhnchen,  anstatt  es  dem  kriegsgotte  anzuver- 
trauen, lieber  an  den  nächsten  bof  zu  schicken: 

Doch,  soll  er  ja  auf  kurze  frist 
TOD  hause  sich  entfernen, 
so  schickt  ihn  an  den  nächsten  bof, 
da  kann  er  mores  lernen. 

Hof-damen  zeigen  ihm  die  spur 
galant-  und  feiner  sitten; 
denn  hier  wird  von  der  laudfigur 
kein  Überrest  gelitten. 

Drum  guäd'ge  mütter,  denket  ja 
weit  adliger  und  grösser; 
sonst  geht's  wie  Hannsens  frau  mama 
ench  allen  auch  nicht  besser. 
Cbrigens  ist  das  gedieht  entschieden  zu  lang,  so  dass  es  gegen 
den  schluss  ermfidend  wirkt.  An  dem  gleiclien  fehler  leiden  auch  die 
flbrigen  romanzen  dieser  samlung ,  von  denen  die  zweite  die  entweibung 
eines  nonnenklosters  dnrch  husaren  zum  vorwürfe  hat,  wobei  es  natür- 
lich ohne  Schlüpfrigkeiten  nicht  abgebt;  die  dritte  schildert  die  Schick- 
sale „Elpius,  eines  nach  Vorschrift  weyland  Benjamin  Neukirchs  henker- 
massig  verliebten  Schäfers",  die  vierte  „die  zuverlässige  Geschichte  von 
einem  in  der  Hitze  der  Begeisterung  mit  einem  Federmesser  sich  seihst 
geblendeten  (t)  Dichter"  usw.,  schon  die  titel  bezeichnen  zur  genüge 
den  geist  dieser  romanzen. 

In  demselben  genre  sind  nun  auch  die  romanzen  der  beiden  fol- 
genden samlungen  in  den  ausgaben  von  1769  und  1771.  LiJwen  liees 
sich  nämlich  durch  die  kritik  bestimmen  (Joerdens  3,  416  ff.),  seine 
romanzen  grösstenteils  umzuarbeiten,  er  dichtete  auch  neue  hinzu  and 
veröffentlichte  sie  mit  den  „verbesserten"  zusammen  in  den  geoanteu 
ausgaben. 

Der  französische  eiaflnss  tritt  besonders  in  dieser  3ten  und  3toa 
ausgäbe  hervor,  deren  meiste  stücke  dErecte  na«hahmungen  franzJlsiacher 


•  fiATitADS  BIS  BihtOEB  16d 

dichtnngen  sind,  während  von  den  ersten  meines  wissens  nur  eine,  das 
„Nonnenkloster^  dem  steife  nach  aus  dem  Französischen  stamt;  dieser 
ist  Voltaires  Pacelle  d*Orleans  entnommen  (auch  für  die  spätere  zeit, 
selbst  bis  auf  Bürger,  haben  französische  erzählungen,  der  Gresset  u.  a. 
zuweilen  stoife  für  deutsche  romanzen  abgegeben).  Die  Vorbilder  der 
Löwenschen  romanzen  sind,  wie  schon  bemerkt,  grösstenteils  in  dem 
franz.  Recueil  band  I  enthalten  (daselbst  s.  63,  67,  94,  97,  299^  302, 
304,  die  betr.  angaben  bei  Joerdens  sind  ungenau). 

Von  den  thematen  der  bänkelsänger  ist  fast  jede  art  in  dem 
einen  oder  andern  exemplare  bei  Löwen  vertreten,  die  liebesgeschichten, 
welche  er  neben  dem  später  zu  nennenden  Oeissler  in  besonders  her- 
vorragender weise  cultiviert,  werden  in  seiner  darstellung  um  so  wider- 
licher durch  die  frivolen  moralen.  Besonders  charakteristisch  ist  wol 
für  Löwens  auffassung,  wenn  er  ein  gedieht  „An  eines  freundes  hoch- 
zeitsfeste^  mit  der  mahnung  schliesst: 

Bleibt  nur  im  stürm  und  Sonnenscheine 

einander  treu 
und  macht,  dass  eure  ehe  keine 

romanze  sei. 

Zur  Illustration  meiner  behauptungen  führe  ich  noch  einige 
romanzen  der  späteren  ausgaben  an. 

Ein  würdiges  exempel  ist  gleich  die  erste  der  dritten  samlung 
„Tarquin  und  Lucretia^  (eine  nachahmung  des  französischen  gleich- 
namigen Stückes  von  Saint  Peravi);  welche  sich  durch  ein  besonders 
lüsternes  ausmalen  ihres  sujets  hervortut. 

Sie  begint: 

Stark  war  Lucretia,  zulezt 
liess  sich  ihr  herz  bezwingen. 
Von  ihrem  kämpfe  will  ich  jezt 
ein  rührend  liedchen  singen. 
Schon  lächelt  jedes  weib  und  spricht : 
0  singe  nur,   mich  rührst  du  nicht! 

Ein  echtes  leierlied  nach  ton  und  rhythmik  ist  „Gilbert,  Eunigunde 
und  Landri^,  zuerst  „Der  getödtete  Hahnrey'^  überschrieben ,  nach  dem 
französischen  Fredegonde  et  Landri  von  la  Place  (Recueil  I,  67). 

„Die  spröde  Corinna  und  die  zärtliche  Margaris'^  sowie  „Der 
bli^dgewordene  Anton^  sind  romanzen,  welche  Löwen  seltsamerweise 
episodisch  behandelt  hat,  die  episode  in  der  lezteren  ist  dem  Tom 
Jones  (8,  12)  entlehnt. 


i6ö  fiÖLZHAüBBK  • 

^Hannß  (!)  Robert,  erzählt  von  Ma  Bonne''  ist  merkwflrdig  als 
das  erste  beispiel  für  das  auftreten  des  kehrreims, 

Ma  bonne^  ach,  wie  furcht*  ich  mich! 

der  übrigens  ans  dem  Französischen  des  la  Place  (la  Veill^e  de  la  bonne 
femme,  Becueil  I,  97,  ein  stäck,  dessen  rahmen  wenigstens  Löwen 
benuzte,  um  eine  Schauergeschichte  von  eigener  erfindang  hineinzu- 
dichten)  entlehnt  ist,  dort  lautet  er: 

H^las,  ma  Bonne,  h^las 
Que  j*ai  grand*  peur! 

Die  Stoff-  und  ideenarmut  der  ganzen  damaligen  romanzensftnger 
zeigt  so  recht  das  motiv  des  „Junker  Yeit^,  welches,  dem  Französischen 
des  Favart  (II  ^toit  uue  fille,  une  fille  d*honnour,  aus  dessen  Annette  et 
Lubin)  entnonmien  ist  und  in  der  deutschen  romanze  unzählig  oft  wider- 
kehrt. Gleim  hat  es  in  dem  „Ritterschlag^  behandelt.  Weisse,  der 
bearbeiter  der  franz.  operette,  betitelt  es:  „Der  geprelte  Janker^, 
Schiebeier  „Der  Edelmann  und  das  Bauermädchen ^.  Das  motiv,  die 
selbstrettung  eines  resoluten  landmädchens  vor  der  Zudringlichkeit  eines 
jungen  edelmannes,  leiert  Löwen  in  seinem  beliebten  tone  herunter,  me 
gleich  die  erste  Strophe  zeigt: 

Ein  kind  von  achtzehn  jähren, 
schön  wie  ein  fruhlingstag, 
unschuldig,  unerfahren, 
wie  man  gefiiUen  mag, 
begegnete,  kein  mensch  gieng  mit, 
dem  gnäd'gen  junker,  welcher  ritt 

Den  schluss  bildet  die  classische  moral: 

Dies,  mädchen,  dient  zur  lehre, 
wie  man  Verführer  prelt 
und  jungferschafb  und  ehre, 
wenn  man  nur  will,  behält 
Doch  ritten  wol  in  unsrer  zeit 
die  guten  kinder  nicht  so  weit 

Dass  Löwens  romanzen  zu  ihrer  zeit  beifall  fanden,  darüber  braucht 
man  sich  nach  dem  voraufgehenden  kaum  noch  zu  verwundem;  vgL 
Neue  Bibl.  der  seh.  Wissensch.  Jahrg.  1767,  269  ff.  und  die  beurteflung 
im  32dsten  Litteraturbriefe,  unbegreiflich  aber  sind  die  urteile,  welche 
Joerdens  (3,  429)  noch  im  jähre  1808  (nach  Vetterleins  Jahrbuch  der 
poet  Lit  der  Deutschen  &  424)  und  Bouterwek  (XI,  204)  noch  1819 
über  dieselben  abgaben. 


BALLADE  BIS  BÜBOSB  161 

Löwens  romanze,  namentlich  die  spätere,  ist,  wie  man  sieht,  ein 
grober  bänkelgesang,  besonders  unangenehm  wirkend  durch  die  erzwun- 
gene lustigkeit  des  frivolen  tones  (vgl.  Goedecke,  Grundriss  ü,  572), 
aber  nicht  allein  für  die  entwickelung  der  romanzenpoesie  überhaupt 
von  historischem,  sondern  auch  von  nicht  geringem  cultur-  und  sitten- 
geschichtlichen Interesse. 

§  4.    Baspe. 

Zwischen  Löwens  erster  und  zweiter  ausgäbe  seiner  romanzen 
erschien  ein  romanzenartiges  gedieht,  welches  nicht  zu  den  eigentlichen 
bänkelsängerliedern  gezählt  werden  kann  und  doch  auch  anderseits  durch 
sein  frostiges  äussere  von  dem  romanzen-  und  balladenfrühling,  der 
zehn  jähre  später  überall  bluten  und  fruchte  treibt,  so  weit  entfernt 
ist,  dass  es  seinem  ästhetischen  werte  nach  doch  nur  den  erzeugnissen 
jener  früheren  dichtung  zugezählt  werden  darf,  an  die  es  auch  hin  und 
wider  in  der  form  erinnert;  ich  meine:  „Hermin  und  Gunilde,  eine 
Geschichte  aus  den  Bitterzeiten,  die  sich  zwischen  Adelepsen  und  üslar 
am  Schäferberge  zugetragen,  nebst  einem  Yorberichte  über  die  Bitter- 
zeiten und  einer  Allegorie."  Lpz.  1766  von  Bud.  Er.  Baspe  (dem  Ver- 
fasser des  „Münchhausen'^,  1737  —  94,  vgl.  über  sein  leben  und  seinen 
briefwechsel  Weimar.  Jahrbuch  UI,  1  —  80).  Dass  Baspe  in  diesem 
gedichte  sogar  mit  bewustsein  die  romanze  im  ernsten  tone  anzubauen 
versuchte,  geht  aus  einem  seiner  briefe  an  Herder  (vom  7  juni  1773) 
hervor,  dessen  mitteilung  aus  handschriftlichem  mateiial  ich  der  gute 
des  herrn  prof.  Haym  verdanke.  Baspe  schreibt:  „In  dem  Briefwechsel 
über  Ossian  erkenne  ich  Sie  ganz,  wünsche,  dass  Sie  in  Aufsuchung 
alter  Lieder  fortfahren  mögen,  glücklich  zusein,  vornehmlich  aber,  dass 
man  unsere  alten  Traditionen  und  neue  sangwürdige  Begebenheiten  für 
die  Geschichte  und  die  Poesie  zu  nutzen  anfangen  möge.  Mit  den  Tra- 
ditionen machte  ich  vor  einigen  Jahren  einen  Anfang  im  Komanzenton. 
Weil  aber  Gleim  unsere  Kunstrichter  auf  die  burleske  Manier  gestimmt 
hatte  und  das  Männlein  Jacobi  eben  damals  in  der  Bomanze  berühmt 
werden  wollte  (auch  J.  G.  Jacobi  hat  sich  in  romanzenartigen  gedichten 
hin  und  wider  versucht;  dahin  gehört  z.  b.  „Die  Vestalin",  vgl.  Hall. 
Gelehrte  Zeitungen  1768,  220),  so  erregte  mein  ohnedem  nicht  ganz 
vollkommener  Versuch  in  den  Hallischen  und  conföderirten  Journalen 
einen  solchen  Lärmen  und  Geschrei,  dass  ich  glücklichere  Versuche 
ruhigeren  Zeitläuften  und  glücklicheren  Dichtern  gern  überlassen  habe." 
Diese  werte  beziehen  sich  auf  die  ungünstige  beurteilung,  welche  die 
romanze  Baspes  in  der  Deutschen  BibL  von  Klotz  (I,  27)  erfahren 
hatte.    Baspe  (es  wird  noch  weiter  unten  von  ihm  die  rede  sein,  gele- 

IIUXBCHB.   F.   DBUT80BE    PBILOLOOIB.      BD.   XV.  11 


162  BOLZBAÜSEl^ 

geutlicli  seiner  anzeige  der  Percyschen  samlung)  schickte  gewissermassen 
als  einleitung  seiner  romanze  einen  „Vorbericht  über  die  Bitterzeiten^ 
voraus,  worin  diese  gewaltig  herausgestrichen  und  gegen  die  angriffe 
aufklärerischer  Zeitgenossen  in  schütz  genommen  werden.  Dieser  ein- 
leitung folgt  die  romanze,  gleichsam  als  illustrationsprobe  ffir  die  gfite 
der  gepriesenen  ritterzeiten: 

Gunilde  heisst  die  stolze  schöne, 
der  jezt  mein  lied  erschalt, 
ihr  bild  belebet  meine  töne 
mit  z^ubrischer  gewalt. 

Schön  war  sie,  wie  die  morgensonne 
und  frisch  wie  frühlingsluft, 
ihr  reiz  goss  um  sich  lust  und  wonne, 
wie  rosen  süssen  duft. 

An  ihr  war  alles  zum  entzücken, 
wuchs,  äuge,  brüst  und  haar, 
die  freude  lacht'  in  ihren  blicken. 
Sie  war  kaum  sechzehn  jähr. 

Sie  findet  denn  auch  bald  einen  liebhaber  und  zwar  einen  sehr 
schüchternen : 

Vor  andern  rührte  sie  Herminen, 
wie  walt  ihm  herz  und  blut! 
Allein  wie  solt'  er  sie  verdienen? 
Zu  reden  fehlt  ihm  mut. 

Seine  qnalitäten  und  besonders  seine  Schüchternheit  werden  einige 
Strophen  lang  ausgemalt  —  endlich  fasst  sich  Hermin  ein  herz. 

Seht,  wie  er  kühnlich  sich  entschliesset! 
Die  blödigkeit  wird  mut. 
Seht,  wie  sein  herz  sich  nun  ergiesset 
in  wünschen  voller  glut. 

Sie  möchte  schon,  aber  sie  ziert  sich  etwas  sehr. 

Doch  nein.    Sie  spricht  mit  stolzem  mute: 
„Ein  held  nur  ist  mir  schön, 
den  sieg  und  rühm,  erkämpft  mit  blute, 
weit  über  dich  erhöhn. 

Ein  held,  der  in  turnier  und  kriege 
I  nie  schimpflich  unterlag, 

1  und  dessen  faust,  gewohnt  zum  siege, 

oft.  Schild  und  lanze  brach. 

i 


BALLADB   BIS  BÜBOER  168 

Drum  zieh'  im  kämpf  zum  morgenlande, 

um  Zion  zu  befrein, 

dort  lernest  du  im  ritterstande 

erst  meiner  würdig  sein." 

Nun  solte  man  meinen,  Hermin  würde  sich  schleunigst  im  kämpfe 
gegen  die  ungläubigen  die  sporen  und  die  geliebte  erkämpfen,  Gott 
behüte!  er  geht  in  die  einsamkeit. 

^Eein  elend  soll  mich  weiter  schrecken, 
wolan!  die  einsamkeit 
soll  mich  und  meine  schände  decken, 
die  ihren  stolz  erfreut. 


Da  seufzt  er  traurig  seine  plagen, 
sein  schweres  ungemach, 
und  da  seufzt  seinen  lauten  klagen 
das  echo  traurig  nach. 

Ein  traumgesicht  tröstet  ihn  und  flösst  ihm  neuen  mut  ein;  er 
beschliesst,  schäfer  zu  werden,  um  wenigstens  in  Gunildens  nähe  weilen 
zu  können: 

Er  wird's.    Nun  hatt'  er  stab  und  flöte, 
sang,  wie  ein  tauber  girrt, 
schwärmt  um  ihr  schloss  wie  ein  planete 
um  seine  sonne  irrt. 

Nicht  lang  umsonst  —  denn  welch'  entzücken! 

0  welch  ein  hofnungsstral ! 

Er  hat  das  glück  sie  zu  erblicken 

am  bach  im  buchental. 

Sie  ist  allein,  er  fleht  noch  einmal  um  erhörung,  er  beschwört 
sie,  sich  erweichen  zu  lassen;  mit  ihrer  liebe  will  er  jedes  wagnis 
bestehen : 

„Wenn  einstens  zwerg'  und  ries'  und  drachen 

und  zaubrer  um  dich  sein 

und  dich  zu  deiner  quäl  bewachen, 

dann  will  ich  dich  befrein. 

Wenn  frevler  dir  zum  höhne  sprechen, 
so  bist  du  mein  panier, 
80  will  ich  Speer  und  lanzen  brechen 
in  schlachten  und  turnier.'^ 

11* 


164  H0LZHAU8BK 

Aber  Gunildens   eigensinniges   köpfchen  besteht  nun   einmal  auf 

einem  abenteuer,  wie  die  geliebte  des  herrn  de  Lorges  —  und  da  liegt 

der  riesengrosse   feldstein,   den  der   sage   nach   keiner   auf  die   höhe 

tragen  kann 

als  wer  fromm,  keusch  und  treu, 

den  soll  er  nach  dem  befehle  der  grausamen  den  berg  hinauf  schleppen. 

„Sprichst  du  im  ernste  oder  scherze?" 
frug  da  gereizt  Hermin. 
„Im  ernste."    0!  wie  schlägt  sein  herze, 
er  fliegt  zum  steine  hin. 

„Gunilde  —  gleich  solst  du  es  sehen  — 
wie  stark  —  die  liebe  sei  — 
gerecht  —  und  gütig  —  mir  gestehen, 
dass  ich  —  fromm  —  keusch  —  und  treu." 

Die  last  wird  ihm  sehr  sauer,  allein: 
Er  keicht  den  berg  hinan. 


Gunilde  sah'  es  mit  entzücken, 
fühlt  nie  empfundene  glut, 
sie  folgt  ihm  mit  entbranten  blicken, 
denkt  mit  bewegtem  mut: 

So  schön,  so  frisch,  so  unverdorben, 
mit  gleichem  rühm  geziert, 
hat  niemand  sich  um  mich  beworben, 
hat  niemand  mich  gerührt. 

Ich  könt'  —  ich  will  von  ganzem  herzen 
sein  lohn  —  ihm  eigen  sein. 
Allein  er  stürzt!  —  0  angst!  o  schmerzen! 
Und  ihn  begräbt  der  stein. 

Sie  eilt  herbei,  sie  will  helfen  —  indes  es  ist  zu  spät,  und  der 
spröden  schönen  bleibt  nichts  übrig,  als  ihren  gram  auf  dem  schäfer- 
berge, wo  dieses  geschehen,  in  büssender  einsamkeit  zu  vertrauern,  wo 
sie  denn  noch  jezt  um  den  Bremkerturra  spuken  geht.  —  89  strophen 
hat  es  gekostet,  bis  wir  hierhin  kamen. 

Nun  folgt  eine  (prosaische)  „Allegorie",  in  welcher  das  ganze 
gedieht  dahin  gedeutet  wird:  Gunilde  ist  die  eigensinnige,  wunderliche 
mode.  Hermin  „stelt  den  stolz  des  menschlichen  herzens  dar,"  der 
mit  der  liebe  viel  ähnlichkeit  hat.  Beide  nämlich  erregen  leicht  die 
leidenschaft.   Hermins  leidenschaft  aber  ist  unglücklich,  denn  der  mode 


BAJ.LADK  BIS   BÜBGER  165 

Tornehmste  eigenschaft  ist  es,  laanenhaft  und  unerbitlich  zu  sein,  die 
leidenschafk  führt  Hermin  zu  torheiten,  wie  das  die  leidenschaft  oft 
tut;  schliesslich  aber  wird  Gunilde  umgestimt,  wenn  Hermin  keine 
heldentat  verrichtet,  so  soll  er  wenigstens  den  schweren  stein  tragen, 
wie  auch  im  leben  manche  schöne  die  modeforderungen  an  den  zukünf- 
tigen herabstimt,  wenn  nur  ein  anderer  factor  für  ihn  spricht,  der 
reichtum,  gewöhnlich  aber  endet  dieser  calcul  mit  einer  grossen  diflfe- 
renz  =  quod  erat  demonstrandum!  In  der  tat,  romanze  und  allegorie 
waren  einander  würdig! 

§  5.    Schiebeier. 

Nach  dem  Intermezzo  der  einzigen  ernsten  romanze  Raspes  wird 
die  burleske  romanzendichtung  wider  unser  Interesse  in  anspruch  neh- 
men müssen.  Ein  neuer  Sänger  betritt  die  leichtgezimmerte  jahrmarkts- 
bühne,  Dan.  Schiebeier  (1741  in  Hamburg  geboren,  stud.  in  Göttingen 
und  Leipzig  die  rechte ,  widmete  sich  daneben  mit  verliebe  den  neueren 
sprachen  und  litteraturen,  gest.  in  seinem  geburtsorte  1771).  Seine 
ersten  romanzen  kamen  1767  (fünf  an  der  zahl)  heraus,  „verbessert" 
1768,  eine  neue  samlung  erschien  1771.  Die  sämtlichen  romanzen 
—  sie  waren  mitlerweile  von  5  auf  32  angewachsen  —  sind  enthalten 
in  der  nach  Schiebelers  tode  von  seinem  freunde  Eschenburg  besorgten 
ausgäbe  von  „Schiebelers  auserlesenen  gedichten,"  Hamburg  1773.  Die 
romanze  dieses  dichters  wie  diejenige  Löwens  hat  nur  noch  für  den 
litterar historiker,  far  diesen  aber  um  so  mehr  wert,  als  in  ihr  die 
anfange  verschiedener  richtungen  sich  zeigen,  in  denen  später  diese 
dichtungsart  zu  bedeutungsvoller  entwickelung  gelangt  ist.  Insbesondere 
lassen  sich  zwei  gesichtspunkte  aufstellen,  von  denen  aus  die  Schiebe- 
lersche  romanze  in  fruchtbarer  weise  behandelt  werden  kann,  das  ist 
1)  die  beziehung  derselben  zur  oper  und  2)  deren  beziehung  zur  clas- 
sischen  mythologie. 

Die   operromanze. 

Schiebeier  ist  (neben  Chr.  Fei.  Weisse)  der  erste  deutsche  dichter, 
welcher  die  romanze  in  der  oper  anbaut;  in  der  Eschenburgschen  aus- 
gäbe befinden  sich  zwei  derartige  gedichte,  „Der  prinz  und -die  Schä- 
ferin" und  „Honesta",  die  er  seiner  komischen  oper  Lisnart  und  Dario- 
lette (erschienen  zuerst  in  2  acten  1766,  dann  in  dreien  1767,  auf  dem 
Kochschen  theater  zuerst  aufgeführt)  eingeflochten  hatte.  Wie  kam 
die  romanze  in  die  oper?  In  die  deutsche  durch  nachahmung  der 
französischen,  da  die  eitern  der  deutschen  oper,  mysterien,  sing-  und 
fastnachtspiele  keine  spur  davon  aufweisen;^  wie  sie  aber  in  die  fran- 

1)  Vgl.  Schletteror,  Das  deutsche  Singspiel. 


zöBiscIie  gekomiuen  ist,  darüber  vermag  ich  nur  Vermutungen  aufzu- 
stellen. 

In  der  französiscliim  operette  im  ersten  drittel  des  löten  jahrhun- 
derts  taucht  aia  auf,  scheint  wie  ein  pUz  aus  den)  boden  geBchoaseii  zu 
sein  und  macht  sich  in  den  Operetten  der  Favart,  Sedaiue,  Maimontel  \L  a. 
so  brait,  dass  sie  neben  der  ariette  als  notwendiges  ingrediena  der 
komischen  oper  betrachtet  wird '  and  in  keinem  texte  fehlt.  Nicht  ver- 
gessen hierbei  darf  man  den  dramatischen  cbarakter  der  ballade  und 
romanze,  der  bei  dieser  dichtungsart  einerseits  auf  die  möglichkeit  eines 
ursächlichen  zueammenhanges  mit  dem  dramu  hinweist  (vgl.  Carri^re, 
Ästhetik  II.  B76  ff.,  ausgäbe  von  1859),  anderseits  dieselbe  ganz  beson- 
ders bet^higt,  dramatischen  gebilden  einverleibt  zu  werden.  Man  denke 
an  die  unzähligen,  oft  halbun verständlichen  balladenverse  und  -fragmente 
in  den  stücken  Shakespeares  und  seiner  Zeitgenossen,  der  Uen  John- 
son usw.  und,  um  wenigstens  ein  beispiel  aus  der  neueren  deutschen 
litteratur  gleich  anzufllbren:  stand  doch  Goethes  erste  ballade  „Ca  war 
ein  Buhle  frech  genung"  unter  den  liedern  des  Singspiels  „Claudine  von 
Villa  Bella".  Noch  mehr  aber  als  das  Schauspiel  muste  die  oper  der 
au&ahme  von  balladen  und  romanzen  günstig  sein,  wo  ja  auch  das 
musikalische  elemenl  des  alten  Volksliedes  zur  entsprechenden  kOnst- 
lorischen  Verwendung  kommen  kann.*  Und  nun  bietet  neben  der  beson- 
ders leichten  singburkeit  der  eben  charakterisierten  französischen  romanu 
speciell  noch  die  entstehung  der  komischen  oper  der  Franzosen  einige 
anbaltsponkte  för  die  erklUrung  der  besprochenen  erscheinung. 

Unter  dem  einflasse  der  italienischen  opora  buffa  im  anfange  des 
achtzehnten  Jahrhunderts  entstanden,  wurde  die  französische  komische 
Oper  bald  darauf  durch  die  umtriebe  der  anlibuffonistischen  parte!  in 
Paris  verboten  (vgl.  Arrey  von  Dommer,  Handbuch  der  musikge- 
schichte  s.  407,  vgl.  auch  den  betr.  abschnitt  bei  Brendel,  Gesch.  der 
musik  in  Italien,  Deutschland  und  Frankreich).  Man  half  sich  mit 
Pantomimen,  wozu  der  teit  unter  die  zuschaucr  verteilt  wurde,  der 
denn  natürlich  von  dem  ganzen  parterre  zu  der  gespielten  musik  taliter 
qualiter  mitgesungen  wurde.  Dieser  text  war  erst  prosa,  dann  waren 
es  Chansons  und  vaudovilles.  „Als  das  unsinnige  verbot  anfgehoben 
wurde,  war  die  französische  komische  oper  fertig."  *  Dass  nun  die 
romanze,   die   dem  legeren   Volkslied  der  vaudevilles  und  gassenbauer 

1)  Vgl.  dm  liereiU  abvn  oiÜerU  Journal  litibdunikdaiTe. 

2)  Vgl  Bt-rqaiD  in  der  eiiilfiitnng  ru  seinen  .Boiaanci-s'',  Psn»  1773,  Ubar 
du  veriiältiiiB  i«T  roniBDie  xur  ^ett«. 

3)  Vgl  BUdc,  Prani.  litUtfttur  in  llreclj  u.  GraWr'j  Kucylil.  n^t.  1.  toil  4B, 
6.224—291.  d»,  s,  242. 


BALLADE  BIS  BÜRGER  167 

schon  hinsichtlich  ihrer  abstammiing  verwant  war,  sich  in  diese,  wenn 
man  sie  so  nennen  will,  operntexte  leicht  eingeschlichen  haben  kann, 
wird  niemand  bezweifeln  wollen.  Hält  man  hiermit  noch  die  gelänfig- 
keit  ähnlich  verbreiteter  gassenhauer  und  gesänge  z.  b.  in  unseren  caf^s 
chantants  zusammen,  so  wird  man  die  plözliche  beliebtheit  und  alge- 
meine Verbreitung  dieser  art  operromanze  leicht  begreiflich  finden. 
Ähnlich  wird  auch  wol  die  paradox  klingende  behauptung  zu  erklären 
bzw.  zu  berichtigen  sein,  welche  Prutz  (Göttinger  dichterbund  s.  258 
anm.  1)  aufstelt,  Moncrifs  romanze  sei  aus  der  oper  entstanden;  Moncrif 
wird,  was  seinen  musikalischen  neigungen  durchaus  entsprechen  wurde, 
seine  romanzen  vielleicht  in  der  absieht  geschrieben  haben,  sie  irgend 
welchen  operntexten  einzufügen,  deren  er  selbst  mehrere  geschrieben. 
Ähnlich  wie  mit  den  französischen  stand  es  bald  mit  den  deutschen 
liedern,  welche  Weisse,  der  nachahmer  Favarts^  in  seine  so  sehr  ver- 
breiteten Singspiele  einlegte  und  unter  denen  sich  auch  nach  franzö- 
sischem vorbilde  die  romanze  einbürgerte;  Weisse  hatte  diese  manier 
aus  Paris  mitgebracht  und  seine  romanzen,  von  denen  noch  weiter  unten 
die  rede  sein  wird,  wurden,  wol  nicht  zum  wenigsten  durch  die  Hiller- 
schen  compositionen,  sehr  beliebt  und  giengen  zahlreich  in  den  mund 
des  Volkes  über.^    Neben  Weisse  ist  nun  Schiebeier  der  erste  Vertreter 

1)  Was  so  yielleicht  dem  zufall  oder  der  laune  seine  entstehung  verdankte, 
wurde  in  der  zuknnft  von  grossen  meistern  gepflegt  und  sinnig  entwickelt.  Musi- 
kalisch genommen,  gehört  die  romanze  zum  ariosen  teile  der  oper.  Im  anfange 
ganz  nach  der  weise  des  einfachen  licdes  strophisch  componiert,  gewint  sie  später, 
ohne  zur  völligen  durchcomposition  zu  gelangen,  die  in  der  oper  weniger  angemessen 
sein  würde,  durch  Variationen  eine  weitere  musikalische  entwickelung,  der  musika- 
lische refrain  wird  häufig  zum  einfallen  des  chores  benuzt,  wie  ja  auch  in  alten 
Zeiten  die  lauschende  menge  in  den  refrain  einstimte  (vgl.  oben  s.  133  fg.)* 

Inhaltlich  aber  wird  Öfters  das  erzählende  dement  der  romanze  und  bailade 
in  der  weise  von  Wichtigkeit  für  die  oper,  dass  es  für  den  fortschritt  der  handlung, 
die  exposition  oder  die  klärung  besonders  verarbeitet  wird.  So  schon  das  „Als  ich 
auf  meiner  bleiche'*  usw.  in  Weisses  „Jagd**,  wo  Hanchen  den  gespanten  hörer  durch 
die  erzählung  ihrer  Schicksale  von  ihrer  Unschuld  überzeugt;  ein  besonders  gutes 
beispiel  für  meine  behauptung  ist  auch  eine  romanze  in  Bretzners  „Adrast  und  Isi- 
dore"  (Bretzner,  Operetten,  Lpz.  1779,  bd  I,  s.  197  ff.),  welche  die  handlung  des 
Stückes  komisch  paraphrasiert. 

Das  Studium  einer  reihe  operntexte  der  neueren  und  neuesten  deutschen  und 
ausländischen  bühne  hat  mir  ergeben,  dass  die  romanze  ihre  Stellung  in  der  oper 
behauptet  und  noch  erweitert  hat.  Aus  der  unendlichen  menge  greife  ich  ein  paar 
Meyerbeersche  opem  heraus;  sowol  die  „Hugenotten"  als  auch  die  „Afrikanorin** 
enthalten  romanzen  („Hugenotten'',  akt  I  „Ich  gieng  spazieren  einst"  und  „Afrika- 
neriu",  akt  I  „Leb  wol,  freundlich  gestado'',  und  akt  III  „Hei  Adamastor,  könig 
der  wellen"),  welche  in  textlicher  beziehung  in  nächste  Verbindung  mit  dem  gniigo 
der  dramatischen  handlung  gebracht  sind.    Gewisse  richtungen  vermeiden  übrigens 


163  HOLZHAUBEN 

der  deutschen  operromanze  in  den  beiden  romanzen,  die  er  seiner 
erwähnten  oper  einfügte:^  „Honesta"  und  „Der  prinz  und  die  Schä- 
ferin".   Ich  gebe  den  text  der  lezteren: 

Es  war  einmal  ein  königssohn, 

ein  wutrich,   den  die  menschen  flohn. 

Nicht  bänger  fliehn  die  kinder, 

wenn  Ruprecht  komt,  und  nicht  geschwinder. 

Der  vater  weinte  bitterlich 

und  sprach  vergebens:  „bess're  dich!" 

Die  lehrer  zwang  sein  fluchen, 

die  tore  vom  palast  zu  suchen. 

Einst  fahret  sein  geschick  ihn  hin, 
wo  eine  junge  Schäferin, 
die  hitz'  und  lauf  ermattet, 
des  Waldes  grüne  nacht  beschattet. 

Sie  ruht  im  schlaf.    Ihr  antlitz  lacht 
gleich  einer  heitern  Sommernacht. 
Und  frei  und  immer  freier 
spielt  Zephyr  mit  des  busens  schleier. 

Wie  ward  dem  wilden,  der  sie  sah! 
Wie  eine  säule  steht  er  da! 
Steht  eine  ganze  stunde 
mit  starrem  blick  und  offnem  munde. 

Jezt  glüht  er,  von  verlangen  heiss, 
jezt  zittert  er,  sein  blut  wird  eis. 
Er  glüht,  sie  aufzuwecken, 
und  bebt,  das  mädchen  zu  erschrecken. 

die  romaDze,  so  im  grossen  und  ganzen  die  sehr  lyrische  oper  der  laliener,  ander- 
seits anch  Wagner,  dem  sie  vielleicht  die  volendete  dramatische  einheit  der  oper 
gestört  haben  würde;  die  Wagnerianer  aber  haben  sie  wider  cultiviert,  nnd  ich 
erinnere  znm  schluss  dieser  eingeschobenen  bemerkung  an  die  glanzvolle  Verwendung 
der  Olufballade  in  Kretzschmers  „Folkungern",  akt  IV,  scene  3. 

1)  Welche  nähere  stellnng  diese  romanzen  zu  dem  inhalte  der  Schiebclerschen 
oper  gehabt  haben,  ist  mir  unbekant,  da  mir  der  text  derselben  trotz  aller  bemö- 
hungen  unzugänglich  geblieben  ist;  aus  einem  clavierauszugo  habe  ich  ersehen, 
dass  beide,  wie  vorauszusehen,  einfache  strophische  composition  haben.  Ihrem  poe- 
tischen Charakter  nach  sind  sie  (vgl.  den  obigen  text),  wie  auch  die  Weisseschen, 
gerade  keine  bänkelgesänge,  sondern  leichte,  auch  am  ende  einer  gewissen  anmut 
nicht  entbehrende  lieder,  vom  volke  damals  gern  gesungen,  aber  im  gründe  ebenso 
wenig  wahrhaft  volkstömlich  wie  die  ganzen  landlichen  Singspiele  der  Weisse* 
sehen  sorto. 


% 


BALLADE  BIS  BÜROER  169 


Doch  sie  erwacht,  und  eilt  zu  fliehn. 
Die  ehrfiircht  lehrt  ihn  niederkuien. 
Der  stolze  ruft  mit  trähnen: 
„Verzeuch,  vortreflichste  der  schönen!" 

ünGLSonst,  sie  flieht.    Mit  trübem  blick 
und  mit  gefuhl  kehrt  er  zurück, 
das  nie  sein  herz  beweget, 
seit  ihm  ein  herz  im  busen  schlaget. 

Die  menschenhuld^  des  Wissens  lust 
entflammen  plözlich  seine  brüst 
Der  vater  will  für  freuden 
im  arm  des  neuen  sohns  verscheiden. 

Er  fragt,  wer  hat  dich  so  bekehrt? 
Der  Jüngling  sagt's.    Der  alte  schwört: 
„Ich  setze  sie  noch  heute 
im  hochzeitschmuck  an  deine  seite." 

Sie  reichen  sich  die  frohe  band. 
Noch  izt  hört  man  durchs  ganze  land 
vom  prinzen  und  der  schönen 
das  lob  von  allen  lippen  tönen. 

0  liebe,  deine  wundermacht 
reisst  herzen  aus  des  lasters  nacht, 
Schaft  toren  um  zu  weisen, 
dich  müsse  jede  lippe  preisen. 

Ist  Schiebelers  operromanze  nur  als  erster  versuch  (neben  der 
Weisseschen)  auf  diesem  felde  bemerkenswert,  so  ist  umgekehrt  die 
andere  oben  angeführte  richtung  in  der  romanze  von  ihm  in  der  weise 
ausgebildet  worden ,  dass  er  nach  dieser  seite  hin  als  einer  ihrer  haupt- 
vertreter  gelten  kann.    Ich  meine 

Die  romanze  als   travestierung  der  classischen  mythologie. 

Seit  den  tagen  des  Spötters  Lucian  hatten  die  alten  griechengötter 
und  -beiden  zu  mancherlei  posseuzeug  herhalten  müssen,  und  insbe- 
sondere war  die  travestierung  der  griechischen  götter-  und  heroenweit 
und  der  ihre  taten  feiernden  gedicbte  seit  der  renaissance  in  Italien 
und  Frankreich  sehr  beliebt  geworden.  Man  schöpfte  in  Frankreich 
vorzugsweise  gerne  aus  dem  graciösen  Ovid;  die  travestierung  ovidi- 
scher  scenen  aus  den  metamorphosen  in  romanzischer  form  scheint 
Senec^  aufgebracht   zu  haben  (vgl.  den  betr.  artikel  in  der  Biographie 


170  H0LZHAU8BK 

aniyerselle,  tome  43,  pag.  16  —  21),  wahrscheinlich  waren  schon  seine 
Travanx  d*Apollon  (ib.  pag.  18)  in  romanzischer  weise  abgefasst  (Senecte 
werke  sind  sehr  selten  nnd  mir  nicht  zugänglich  gewesen;  eine  parodie 
nach  dem  Virgil,  ^Orphee"  betitelt,  von  diesem  Verfasser,  ist  abgedruckt 
in  Eschenburg,  Beispielsamlung  zur  theorie  und  litteratur  der  schö- 
nen Wissenschaften ,  bd  5,  s.  145) ;  fortgesezt  wurden  diese  bestrebungen 
von  Marmontel,  Bouffiers  und  vielen  andern,  in  Deutschland  vertrat 
sie  in  der  romanze  besonders  Schiebeier,  der  sie  von  den  Franzosen 
kennen  lernte  und  teils  diese,  teUs  die  metamorphosen  direkt  benuzte. 
Wie  nun  gerade  die  romanze  dazu  kam,  als  medium  dieser  travestie- 
rungssucht  benuzt  zu  werden,  erklärt  sich  leicht,  wenn  man  Gleims 
theorie  und  dazu  noch  Mendelssohns  werte  über  die  romanze  (Bibl.  d. 
seh.  wiss.  bd  III,  st.  2,  s.  330)  kent:  „Der  ton,  der  in  diesen  kleinen 
gedichten  herscht,  ist  ein  abenteuerliches  wunderbare,  mit  einer  possier- 
lichen traurigkeit  erzählt.'^  Allerdings  eine  abenteuerliche  theorie,  aber, 
wenn  man  sie  annimt,  was  liegt  bei  der  geforderten  Verbindung  des 
wunderbaren  mit  einer  possierlichen  traurigkeit  näher  als  eine  trave- 
stierung der  antiken  mythologie?^  und,  abgesehen  davon,  dass  diese 
travestierung  mit  dem  wesen  der  wahren  volkstümlichen  romanze  durch- 
aus contrastiert,  so  kann  sie  immerhin,  wenn  mit  geist  und  feinheit 
angelegt ,  etwas  pikantes  und  interessantes  haben ;  Schiebelers  travestien 
dagegen  sind,  wenn  auch  nicht  so  gemein  wie  manche  der  Löwenschen 
romanzen,  so  doch  grösten teils  wizlos  und  platt.  Die  art  und  weise, 
wie  er  seine  devise  befolgte: 

Wir  singen,  spielen,  lachen, 
die  toren  klug  zu  machen, 
verbessern  den  Ovidius, 
der  es  geduldig  leiden  muss. 

möge  der  vergleich  einiger  seiner  romanzen  mit  den  originalen  zeigen. 

1)  Das  travestierende  element  verband  sich  in  dieser  zeit  in  der  Vorstellung 
der  dichter  so  innig  mit  der  romanze,  dass  man  ein  verbom  „romanzieren''  erfand, 
gleichbedeutend  mit  travestieren;  so  sprach  man  von  Michaelis  „romanzierter  Äneide'' 
(Fratz,  Göttinger  dichterband  s.  261,  anm.  3  u.  s.  262).  Die  wat,  za  travestieren, 
erstreckte  sich  sogar  auf  romane,  wie  den  „Siegwart",  welcher  zu  Millers  gröstem 
kummer  dieses  Schicksal  erfuhr:  „Siegwart  oder  der  auf  dem  Grabe  seiner  Geliebten 
j&mmerlich  erfrome  Kapuziner.  Eine  abenteuerliche,  aber  wahrhafte  Mord-  und 
S^lostergeschichte,  die  sich  vor  etlichen  Jahren  im  Fürstenthum  Oetingen  mit  eines 
Amtmanns  Sohn  und  eines  Hofraths  tochter  aus  Ingolstadt  zugetragen.  Der  christ- 
lichen Jugend  zur  Lehr  und  Ermahnung  in  Beime  gebracht  und  abzusingen  nach 
dem  Lied:  „Hört  zu,  ihr  Junggesellen''  usw."  Vgl.  des  näheren  über  dieses  von 
einem  gewissen  Bemritter  verfasste  litterarische  curiosum  Prutz  a.  a.  o.  s.  372, 
fuunerkung  3. 


BALLADE   BIS  BÜBOEB  171 

Aus  der   lieblichen   erzählung  in  Ovids  Met.  X,  243  —  298   hat 
Schiebeier  folgendes  opus  zurecht  gemacht: 

Pygmalion. 

In  Cypern  war  vor  zeiten 
ein  mann,  der  hiess  Pygmalion; 
im  Bchoss  der  einsamkeiten 
sprach  er  der  liebe  höhn. 

Er  macht  vor  langerweile 
in  seinem  stillen  aufenthalt, 
aus  marmor  eine  säule 
von  weiblicher  gestalt. 

Schön  war  es,  wie  Cythere, 
dies  werk  von  menschenhand, 
schön,  wie  sie  aus  dem  meere 
getreten  an  das  land. 

Er  hielt  oft  ganze  stunden 
das  allerliebste  marmorbild, 
mit  heissem  arm  umwunden, 
von  neuem  trieb  erfält 

Mit  glühendem  gesiebte 
Start  er  es  ganze  tage  an, 
wie  seines  witzes  fruchte 
ein  junger  versemann. 

Er  ruft:  „Verzeih,  verzeihe 
Cupido,  meinen  Irrtum  mir. 
Mein  ganzes  herz  voll  reue, 
Gott  Amor,  huldigt  dir. 

Ach,  dir  ist  alles  möglich, 
hauch  einen  geist  in  diesen  stein  !^ 
So  ruft  der  künstler  kläglich; 
Wird  Amor  grausam  sein? 

Der  Gott  lässt  sich  bewegen. 
Und  von  der  fackel,  die  er  schwingt, 
stürzt  schnell  ein  flammenregen, 
der  durch  den  marmor  dringt. 

In  jedes  glied  strömt  leben, 
die  äugen  öffnen  sich,  die  brüst 
begint  schon,  sich  zu  heben. 
Was  gleicht  des  künstlers  lust? 


1 72  HOLZHAUSEN 

Er  führt  die  junge  schöne 

vom  postament,  auf  dem  sie  stand, 

mit  mancher  freudenträne 

küsst  er  ihr  mund  und  hand. 

0!  wie  aus  seinen  zögen 

des  herzens  mächt'go  wonne  spricht! 

Er  gibt  ihr  mit  vergnügen 

den  ersten  unterriclit. 

Wenn  stets  dich  zu  erhohen 
mein  herz,  Gott  Amor,  eifrig  war, 
so  fleuch  izt  auf  mein  flehen 
zur  Stadt,  die  mich  gebar. 

Statuen  wirst  du  finden, 
so  schöne  macht  der  künstler  nie. 
0  vater,  vom  empfinden 
hauch  zu,  so  leben  sie! 

Auch  stellen,  welche  ihrem  inhalte  nach  zu  travestierender  dar- 
stellung  besonders  geeignet  sind,  wie  z.  b.  der  Wettstreit  der  Uk^hter 
dos  Pierus  mit  den  musen,  hat  Schiebeier  in  ähnlich  geistloser  weise 
widergegeben;  wie  matt  sind  z.  b.  die  Übertragungen  der  verse  Ov.  V, 
318  —  332,  des  gesanges  der  Pierinnon,  und  V,  669  —  679,  der  Ver- 
wandlung der  Jungfrauen  in  elstern,  stellen,  die  doch  zur  travcstie 
geradezu  herausfordern : 

Der  hochmutvolle  schwärm  begann 
mit  lügenhaften  zungen, 
er  sang,  es  habe  Typhons  macht 
den  Zeus  zur  furcht  gezwungen. 

Rauh,  wie  der  eule  todenlied 
und  wie  des  uhus  stöhnen, 
schalt  der  entsezliche  gesang, 
und  alle  nymphen  gähnen. 


Sie  sprachen's  und  der  mädchen  blick 
umströmt  ein  dicker  nebel; 
die  arme  werden  tittige, 
die  lippen  werden  schnäbel. 

Die  neuen  vögel  wollen  schmäh'n, 
und  plappern,  statt  zu  fluchen, 
und  plappernd  fliegen  sie  davon, 
des  vaters  reiQji  zu  suchen. 


DAT.ULDE  BIS  Bt^RGER  173 

So  geht's  denn  weiter,  Phaeton,  Iphis,  Midas,  alles  mögliche  aus 
der  classischen  mythologie  wird  abgehandelt,  auch  die  Narcissussage 
(nach  Ov.  Met.  III,  340  —  510),  ebenfals  eines  der  lieblingsthemata  der 
damaligen  zeit,  wird  vorgenommen  usw. 

Die   übrigen   romanzen   Schiebelers. 

Schiebeier  hat  noch  viele  andere  dinge  romanziert  als  Ovids 
Metamorphosen,  er  kramt  alle  seine  litterarischen  kentnisse  in  der 
romanze  aus,  plündert  neben  Ovid  den  Virgil,  travestiert  auch  die 
sage  von  Eginhart  und  Emma  (vgl.  aber  sie  Wattenbach,  Quellen- 
kunde zur  gesch.  des  mittelalters  I,  143),  singt  den  Rübezahl  an,  auch 
den  Cid,  und  parodiert  Raspes  frostiges  „Hermin  und  Gunilde"  in  dem 
unendlich  langweiligen  „Harlekin  und  Celarabine,  eine  Geschichte,  die 
sich  unweit  Bergamo  zugetragen";  das  wunderbarste  ist,  dass  er  durch 
seine  im  ganzen  recht  wolgelungene  widergabe  der  herlichen  Ines- 
episode  aus  den  „Lusiaden"  nicht  auf  eine  bessere  behandlung  der 
romanze  gekommen  ist. 

Allein  Schiebeier  unterhielt  sich  eben  lieber  mit  dem  „Kammer- 
mädchen der  Musen",  wie  er  die  romanze  nent,  („Reise  nach  dem  Par- 
nass")  als  mit  den  edlen  herrinnen  selbst: 

Da  nahte  die  romanze, 

halb  schleichend,  halb  im  tanze, 

ihr  äuge  tat  betrubnis  kund, 

doch  schalkhaft  lacht  ihr  rosenmund. 

Dies  bild  ist  für  die  Schiebelersche  romanze  nicht  so  ganz  ver- 
kehrt, seine  dichtung  ist,  wenn  auch  noch  weniger  witzig  als  diejenige 
Löwens  —  von  der  ernsten,  echten  romanze  ist  ja  auch  bei  ihm  keine 
rede  —  anderseits  auch  nicht  so  schmutzig;  sie  ist  harmloser  und 
unschuldiger,  und  hält  sich  sowol  von  den  frivolen  moralen  Löwens 
als  auch  von  den  grammatischen  und  orthographischen  absurditäten 
dieses  und  des  unten  zu  besprechenden  Geissler  fern. 

g  6.     Geissler. 

Der  dritte  im  bunde  der  bänkelsängerhaften  nachfolger  Gleims  ist 
der  sonst  unbekante  Geissler,^  der  Verfasser  der  1774  in  Mietau  erschie- 
nenen „Romanzen".     Auch  Geissler  travestiert  am  liebsten  stoffe  aus 

1)  Über  seine  porson  haben  auch  Koberstein  und  Goedecke  nichts  eruieren 
können,  möglich,  dass  seine  öftere  bezeichnnng  als  „Geissler  der  jüngere"  auf  eine 
verwantschaft  mit  dem  bekauten  thoologen  Geissler  oder  mit  dem  halleschen  buch- 
händler  gleichen  namens  hindeutet,  der  sich  in  der  litteratnr  höchst  unglücklich 
durch  seine  schlechte  ausgab«;  der  Höltysclien  gedichte  bekant  machte. 


174  HOLZHAüSEK 

der  classischen  mythologie  und  geschichte,  ungleich  witziger  als  sein 
Vorgänger,  aber  auch  mit  wahrhaft  Claurenscher  Ifisternheit,  so  dass 
die  meisten  sich  zur  widergabe  kaum  eignen.  Als  illustration  seiner 
dichtweise  wähle  ich  den 

Baub  der  Sabinerinnen. 

Kaum  war  das  heil'ge  römische  reich 
aus  seinem  nichts  erstanden, 
als  dessen  Stifter  sich  sogleich 
in  grossen  nöten  fanden. 
Denn  wisst,  zu  jener  goldenen  zeit 
gebrach's  an  weibern,  so  wie  heut' 
der  gold'nen  zeit  an  treue. 

Noch  war  der  Bömer  nam'  ein  höhn 
ohn'  ahnen  und  geschlechte, 
prinz  Romulus  ein  jungfernsohn, 
und  sie  verlaufne  knechte; 
auf  Deuben  (!)  hungervoU  erpicht, 
war  ihr  gewerb'  und  ihre  pflicht, 
die  reisenden  zu  plündern. 

Sie  lechzten  manch  gebrochnes  ach! 
nach  einem  jungen  weibe 
und  gähnten  oft  beim  trocknen  schach 
nach  süsserm  Zeitvertreibe; 
gen  ost  und  westen  schickten  sie 
brautwerber  aus  in's  land  und  die 
bekamen  alle  körbe. 

Die  Väter  sprachen  ungescheut: 
„Lasst  euch  die  lust  vergehen! 
Für  unsrer  töchter  Zärtlichkeit 
sorgt  selbst  der  gott  der  eben; 
nehmt  in  ein  offnes  pilgerhaus 
landstreicherinnen  auf,  daraus 
nach  wünsch  euch  zu  vermählen!^ 

Das  war  den  herrn  ein  schlag  in's  herz; 
krieg!  krieg  war  ihr  verlangen. 
Doch  Bomul  sprach:  ^Yerbeisst  den  schmerz; 
lasst  mich,  ich  will  sie  fangen.'^ 
Und  gleich  stelt  er  komedjen  (!)  an 
und  ladet  dazu  jedermann, 
mit  weibern  und  mit  töchtem. 


DAtLADB  BIS  BÜRGRTl  175 

Da  sparete  man  keine  zier 
von  decorationen ; 
und  liess  nach  griechischer  manier 
sogar  die  bühne  höhnen. 
Ein  seidner  Vorhang  von  filee 
hieng  izt  aus  himmelnaher  höh* 
herab  bis  ins  parterre. 

Als  man  zum  aufziehn  fertig  war 
und  klimpernd  stimte,  kamen, 
in  gallaschleppen ,  paar  für  paar, 
die  schönsten  fremden  damen; 
zwar  alle  waren  sich  nicht  gleich, 
die  eine  jung,  die  andre  reich, 
und  manche  —  gar  kokette. 

Gleich  waren  junge  stutzer  da, 
die  sie  in  logen  brachten, 
und  überall,  wohin  man  sah, 
sich  reverenze  machten. 
Izt  gieng  das  spiel  des  Stückes  an; 
die  frau  vergass  darob  den  mann, 
die  töchter  alF  der  mütter. 

Doch  bei  des  lustspiels  zweitem  akt 
fieng  Romul  an  zu  pfeifen: 
aus  war  das  licht  und  spiel  und  takt, 
und  nun  gieng's  an  ein  greifen; 
dort  rauscht  ein  seidner  palatin, 
hier  winselt  und  dort  jauchzt  man  kühn, 
da  fallen  steckenadeln. 

Die  männer  waren  bald  verscheucht, 
weil  ihrer  wenig  waren, 
und  viele  Hessen  auch  vielleicht 
ihr  schäzchen  sachte  fahren. 
Als  jeder  nunmehr  für  gefahr 
und  widerstände  sicher  war, 
gieng  man  und  holte  fackeln. 

0  welch'  ein  anblick!    Sehet  da! 
Zur  lust  und  zum  erbarmen! 
Hier  hält  die  runzliche  mama 
ein  Seladon  in  armen! 
Dort  drückt  ein  abgelebter  greis 


176  flOLZHAÜSKN 

das  jüngste  mädchen,  glüheud  heiss, 
inbrünstig  au  sein  herze! 

Der  einen  mangelt  schürz  und  latz, 
der  andern  die  saloppe; 
die  dritte  führt  ihr  neuer  schätz 
zum  brautbett  im  galoppe; 
die  vierte  sträubte  sich  mit  macht, 
die  ffinfte  weint,  die  sechste  lacht, 
die  siebente  verzweifelt. 

Ein  liebes  mädchen,  welches  sah 
sich  ihre  mutter  sperren, 
rief:  „Immer  gehen  sie,  mama; 
ich  bleibe  bei  den  herren." 
Die  alten  Jungfern  lachten  laut, 
und  jede  wüste  sich  als  braut 
nicht  stolz  genug  zu  brüsten. 

Zulezt  erschien  herr  Romulus 
und  suchte  sie  zu  trösten, 
doch  trösteten,  schreibt  Livius, 
sie  nacht  und  mann  am  besten. 
Kurz,  dieses  bräutepressen  tat 
f&r  diesmal  treflich  wol,  und  hat 
die  herrn  der  weit  getragen. 

Man  sieht  aus  diesem  beispiele,  wie  Geissler  eine  saloppe  leich- 
tigkeit  und  gewante  diction  nicht  abzusprechen  ist,  auch  versteht  er 
es,  anstatt  langatmiger  moralen  öfter  in  pointierter,  fast  epigramma- 
tischer weise  abzuschliessen ,  und  im  übrigen  erscheint  die  moral  bei 
ihm  weniger  äusserlich  angehängt  als  vielmehr  ein  ganzes  stück  in 
launiger  weise  auf  sie  zugeschnitten ,  wie  z.  b.  „Das  duell  Amors"  (mit 
Momus)  und  das  urteil  des  Zeus,  dass  Amor  den  geblendeten  Momus 
mit  sich  in  der  weit  herumschleppen  muss,  auf  die  bemerkung^  dass 
dem  liebhaber  selten  der  gcck  fehle.  Bei  diesen  Vorzügen  aber  ist 
Geissler  von  einer  cynischen  frivolität,  wie  seine  witzigen,  aber  sehr 
lüsternen  stücke  „Männerbeute",  „Der  pavian  und  die  junge  frau"  u.  a. 
zeigen.  Wie  weit  sich  die  phantasie  dieses  dichters  verirt,  geht  am 
besten  aus  der  stelle  im  „Fall  der  Götter"  hervor,  wo  er  mit  unver- 
kenbarem  behagen  die  aussiebten  beschreibt,  welche  die  von  einem 
wagen  herunterfallenden  göttiunen  bieten !  Seine  eigenen  gedanken  über 
die  romanze  verrät  er  ähnlich  wie  Löwen,  wenn  er  einem  befrenudeten 
brautpaare  als  hochzeitsgeschenk  die  verse  mitgibt: 


BALLADB  BIB  bOBOSB  177 

Liebt  euch  fein  zärtlich  und  dabei 

mit  immer  gleichem  feuer, 
und  zur  romanzensängerei 

gebt  nie  ein  abenteuer. 

Von  seiner  absichtlich  entstelten  Orthographie  war  schon  bei  Schie- 
beier die  rede,  von  seinen  vulgären  formen,  in  denen  er  die  Volks- 
sprache nachzuahmen  versucht,  kommen  einzelne  schon  in  dem  ange- 
fahrten gedichte  vor;  ausserdem  hat  er  auch  formen  wie  „büfchen^ 
(die  niederdeutsche  form  für  bübchen,  „kleine  Junkers^  und  andere,  ja 
gerade  zu  falsche  und  fehlerhafte  hat  er  gebildet,  wie  den  genetiv  „des 
knabens*^  usw. 

§  7.     Zachariä. 

(1726  — 1777). 

Auch  der  dichter  des  „Renommisten^  versuchte  sich  in  dem 
beliebt  gewordenen  genre,  indem  er  ein  paar  sagen  aus  den  deutschen 
Volksbüchern  rQmanzierte:  „Zwey  schöne  neue  Mährlein  als  I.  Von  der 
schönen  Melusinen,  einer  Meerfey.  II.  Von  einer  untreuen  Braut,  die 
der  Teufel  holen  sollen,  der  lieben  Jugend  und  dem  ehrsamen  Frauen- 
zimmer zu  beliebiger  Kurzweil  in  Reime  verfasset."  Braunschw.  1772. 
Dieselben  fehlen  in  der  ausgäbe  der  Zachariäschen  werke,  sind  aber 
enthalten  in  dessen  „Hinterlassenen  Schriften",  herausgeg.  von  Eschen- 
burg.   Braunschw.  1781. 

Ich  beschränke  mich  auf  die  widergabe  einiger  besonders  charak- 
teristischen stellen  und  im  übrigen  auf  die  anführung  der  Überschriften 
der  einzelnen  gesänge,  welche  eigentlich  schon  genug  besagen. 

Das  original  des  ersten  dieser  beiden  gedichte  ist  das  bekante 
Volksbuch  von  „der  schönen  Melusine",  abgedruckt  bei  C.  Simrock, 
^Die  deutschen  Volksbücher"  band  6,  1  — 120,  ebenso  in  den  „Deut- 
schen Volksbüchern"  von  Schwab. 

In  Zachariäs  werke  fuhrt  der  erste  gesang  den  titel:  „Wie  Ritter 
Beimond  die  schöne  Melusine  beim  Nixenbrunnen  antraf  und  sie  mit 
freundlichen  Worten  sich  ihm  züchtig  und  tugendlich  zum  Gemahl  anbot." 

Es  war  einmal  ein  rittersmann^ 
jung,  schön,  geUebt  von  jedermann, 
ein  wahres  wunder  seiner  zeit, 
voll  edelmut  und  tapferkeit 

Sein  name.  Reimend,  war  bekant 
im  Gallier-  und  deutschen  land, 
und  fünfzig  meilen  um  ihn  her 
gab's  drachen  nicht  und  riesen  mehr. 

SBRaOBB.  y.   DBVTSOUB   PHILOLOGIE.      BD.  XY.  12 


178  BOLZHAÜSBK 

Er  reitet  traurig  in  den  wald,  weil  er  seinen  vetter  durch  einen 
fehlschuss  auf  der  sauhetze  umgebracht  hat.  Am  Nixenbrunnen  trift 
er  eine  schöne  fee,  die  sich  ihm  zum  gemahl  anbietet  und  ihm  alle 
schätze  und  freuden  verspricht,  wenn  er  nur  geloben  will,  ihr  tun  und 
treiben  an  einem  tage  in  der  woche  nicht  zu  erforschen,  was  Beimond 
auch  hoch  und  heilig  verspricht. 

2.  Wie  Beimond  des  abenteuers  nachgedacht,  des  andern  tags 
sich  auf  sein  ross  sezte  und  seinen  bruder  Seebald  nebst  seinem  gemahl 
zur  hochzeit  einlud. 

Die  Madame  Seebald  führt  sich  dabei  in  Zachariäs  phantasie 
folgendermasseu  auf: 

Madam  sass  eben  beim  caffee, 

gedankenvoll  auf  ihr  filet; 

und  hob,  indem  der  ritter  sprach,. 

ein  höhnisch  äuge  nach  und  nach 

zu  ihm  empor.    Mit  schnöden  mienen 

sprach  sie:  mein  herr,  wir  danken  Ihnen 

der  schönen  invitierung  wegen 

und  wollen  beid'  es  überlegen. 

Allein  (frug  sie  etwas  sehr  laut) 

wie  nent  sich  denn  die  werteste  braut? 

Sie  ist  von  stände  doch?    hat  geld? 

Wo  wird  die  hochzeit  angestelt? 

Ist  sie  denn  jung  und  hübsch?    Madam, 

(erwidert  ihr  der  bräutigam) 

sie  sollen  alles  morgen  wissen, 

wenn  wir  am  traualtar  uns  küssen. 

Die  hochzeit  selbst  wird,  wenn's  gefält, 

beim  Nixenbrunnen  angestelt. 

Beim  Nixenbrunnen?    Lieber  mann! 

Ich  bitte  dich ,  hör'  einmal  an, 

beim  Nixenbrunn?    Ja,  Ihre  gnaden 

(sprach  Beimond)  nochmals  eingeladen 

zu  meiner  hochzeit!    Morgen  früh 

beim  Nixenbrunn  erwart*  ich  Sie. 

Natürlich  ist  diese  ganze  stelle  auf  rechnung  Zachariäs  zu  schreiben. 

3.  Wie  hierauf  die  hochzeit  beim  Nixenbrunnen  gar  statlich  und 
ehrlich  volzogen  worden. 

4.  Wie  des  ritters  bruder  mit  losen  und  gleissnerischen  Worten 
den  ritter  Beimond  wider  die  edle  Melusinen  aufgebracht 


^aLladb  bis  büboee  l?d 

5.  Wie  der  ritter  die  schöne  Melusine  im  bad  erblicket. 

6.  Wie  der  ritter  sich  vom  zorn  hinreissen  lassen,  dass  er  sein 
ebgemalj  vor  den  leuten  beschämt. 

Hierzu  lässt  sich  im  volksbuche  Baimond  im  zorne  über  die 
untat  seines  sohnes  Geoffroy  hinreissen,  welcher  das  kloster  Malliers 
mit  hundert  mönchen  und  unter  denselben  seinen  eigenen  bruder  ver- 
brant  hat.  Zachariä  parodiert  dies,  indem  er  Reimend  über  Melusinen 
deswegen  zornig  werden  lässt,  weil  sie  ihren  söhn  Häuschen,  der  das 
kätzchen  Wienz  gequält,  derbe  durchgeprügelt  hatte. 

7.  Wie  die  schöne  Melusine  kläglichen  abschied  nahm  und  als 
meerfey  gestaltet  zum  fenster  hinausfuhr. 

Sie  sprach's  und  riss  sich  mit  gewalt 

aus  seinem  arm,  und  alsobald 

fuhr  sie  gleich  einem  zauberduffc 

durchs  offne  fenster  in  die  luft: 

Und  all  das  hofgesinde  sah 

das  wunder,  das  mit  ihr  geschah, 

indem  sie  nach  sirenenart 

am  unterteil  verwandelt  ward 

und  sich  in  einen  fischschwanz  schloss. 

Sie  schwebte  dreimal  um  das  schloss, 

gab  dreimal  noch  mit  ihrer  band 

das  abschiedszeichen  und  verschwand. 


Und  nun  die  unerlässliche  moral: 

Die  neugier  ist  ein  schlimmes  ding, 
wie's  hier  dem  ritter  Reimend  gieng, 
der  mehr  sah,  als  ihm  dienlich  war, 
so  geht's  noch  oft  der  männer  schar. 
Hört  drum,  ihr  herren,  meinen  rat! 
Die  angenehmste  dame  hat 
doch  ihren  fischschwanz.    Trinket  sie, 
scharmiert  sie,  spielt  sie,  zanket  sie, 
mag  sie  mit  ihren  seelenschwestern 
gern  beten^  plaudern  oder  lästern, 
fährt  sie  gern  zu  visiten  aus, 
zu  maskerad,  ins  Schauspielhaus, 
und  tät's  nur,  wie  frau  Melusine, 
die  woch'  einmal,  so  zieht  die  miene 
nicht  alzusauer!  denkt,  fein  klug, 
auch  mit  dem  fischschwanz  gut  genug! 


\V 


180  HOLZUAÜBKK 

Nicht  viel  anders  ist  das  zweite  mährchen,  die  aus  einer  mir 
unbekanten  quelle,  wahrscheinlich  jedoch  auch  aus  den  Volksbüchern 
geschöpfte  „Schreckliche  Geschichte  von  einer  untreuen  Braut,  die  der 
Teufel  holen  sollen." 

Die  geschichte  umfast  drei  gesänge,  der  erste:  Wie  Weimar  und 
das  schöne  Hanchen  einander  zärtlich  liebten  und  ewige  treue  sich 
gelobten ,  iUngt  —  ganz  gegen  die  regel  —  mit  der  moral  gleich  an : 

Ihr  herm  und  damen!  lernt  hier  fein, 

wie  schön  es  ist,  getreu  zu  sein, 

damit  euch  einst  nicht  widerfährt, 

was  ihr  in  diesem  märlein  hört. 
Hanchen  hat  ein  wenig  vermessen  ihren  treuschwur  gegeben: 

und  halt'  ich  nicht,  v^as  ich  dir  sage, 

so  fuhr'  an  meinem  hochzeitstage 

der  böse  feind  mich  durch  die  luft 

Top !  (sagte  Wolmar  drauf)  und  ruft 

den  himmel  und  den  wald  zu  zeugen. 

2.  Wie  der  reiche  herr  Fixen  das  schöne  Hanchen  freundlich  sor 
ehe  begehrte,  und  mama  ihr  töchterlein  beredte,  ihn  zu  heiraten. 

Dagegen  fährst  du  in  carossen! 
hast  zwanzig  Schleuder,  brttssler  kanten 
bei  ganzen  stocken ;  diamanten 
in  jedem  ehr,  in  jeder  locke; 
gehst  stets  gepuzt  wie  eine  docke; 
trägst  deine  brüst  beständig  bloss, 
hast  perlen,  echt,  wie  bohnen  gross, 
um  hals  und  arm,  briUant'ne  ringe 
an  jedem  finger ;  und  der  dinge 
viel  mehr  als  ich  hier  nennen  kann. 

3.  Wie  Wolmar  den  teufel  citiert  und  der  schwarze  auf  dem  tanz- 
saale  erschien,  auch  was  mehreres  sich  eräugnet  (!). 

Nach  deinen  feierlichen  schwären 

solt'  ich  izt  durch  die  luft  dich  führen. 

Doch  diese  strafe  wäre  dir 

nicht  gross  genuug.    Nein!  nein!  bleib  hier! 

Dein  mann  soll  dich,  statt  meiner,  quälen! 

Er  wird  dir  als  tyrann  befehlen; 

wird  stets  voll  eifersucht  dir  dräun 

und  selber  doch  dir  untreu  sein. 

Kein  seufzer  soll  von  dir  ihn  rühren! 

Sein  hab'  und  gut  soll  er  verlieren! 


BALLADE  BIS  BfhlGEB  181 

ÜDd  ob  er  gleich  so  hässlich  ist, 

dass  niemand  sonst  als  du  ihn  küsst; 

so  werd'  er  doch  noch  hässlicher, 

bis  bettelarm,  vom  kummcr  schwer, 

du  ihn  unzählig*  mal  verfluchst 

und  in  Verzweiflung  rettung  suchst!  usw. 

§  8.    Die  übrigen  dichter  der  bänkelsängerischen  richtung. 

„Die  romanzen  der  Deutschen.^ 

Wie  Zachariä,  so  war  noch  eine  ganze  reihe  poeten  in  jener  ersten 
epoche  unserer  romanzendichtung,  welche,  ohne  alle  das  hauptgewicht 
ihrer  dichterischen  tätigkeit  auf  dieselbe  zu  legen,  doch  gelegentlich 
in  dieser  dichtungsart  etwas  verbrachen.  Die  meisten  ihrer  erzeugnisse 
sind  in  einer  in  zwei  abteilungen  1774  und  1778  in  Leipzig  erschienenen 
samlnng  enthalten,  den  „Romanzen  der  Deutschen^.  Dieses  werk,  jeden- 
fals  in  bewusster  nachbildung  des  französischen  Becueil  verfasst,  aber 
nach  auswal  und  anordnung  mit  demselben  nicht  zu  vergleichen ,  wirfb, 
dem  abendgelb  eines  trüben  regentages  vergleichbar,  noch  einmal  ein 
licht  auf  die  ganze  romanzendichterei  des  verflossenen  Zeitalters,  die  es 
gesammelt  umfasst ;  wie  leitversteinerungen  zeigen  die  namen  der  Gleim, 
Löwen,  Schiebeier  und  Geissler  dem  forscher  den  weg  zur  beurteilung 
der  andern  erscheinungen ;  entschieden  am  wertvolsten  ist  noch  der  erste 
band,  der  zweite,  erst  1778,  also  inmitten  einer  neuen  ära  geschrieben, 
sammelt,  fQr  diese  noch  ohne  jedes  Verständnis,  nur  noch  die  spreu  der 
vergangenen  zeit;  der  herausgeber,  ein  gewisser  Hirschfeld,  hat  zwar 
schon  hin  und  wider  ein  herziges  Volkslied  oder  den  sang  eines  kundigen 
aufgeschnapt ,  aber  er  weiss  sie  noch  nicht  zu  würdigen,  hat  er  doch 
z.  b.  von  Bürger,  zu  einer  zeit,  wo  dieser  bereits  einige  seiner  bedeu- 
tendsten balladen  hatte  erscheinen  lassen,  nur  zwei  kleinere  romanzen 
„Robert"  und  den  „Bruder  Graurock"  aufgenommen  -und  sich  lieber 
nach  den  geistlosen  nachtretern  der  Bürgerschen  manier.  Berger  (Rosilde, 
Forelle  usw.)  und  Schink  (Oldar  und  Eätchen)  umgesehen  1  Die  zal 
der  in  dieser  samlung  enthaltenen  gedichte  ist  übrigens,  wie  auch  die- 
jenige der  dichter,  sehr  zahlreich.  Aus  dem  Gleimschen  kreise  ist 
Michaelis  vertreten  („Amors  Guckkasten"  und  „Die  blinde  Kuh"),  von 
den  Barden  Denis  („Mutterlehren  an  einen  reisenden  Handwerksburschen", 
eigentlich  keine  romanze)  und  Eretschmann  („Alcisidorens  Liebeserklä- 
rung an  den  grossen  Ritter  Don  Quixote  von  Mancha"  und  „Ebenderselben 
Abschiedsgesang"),  von  den  Braunschweigern  Eschenburg  („Lukas  und 
Hanchen"),  von  andern  der  schon  oben  citierte  Chr.  Fei.  Weisse  mit 
seiner   operromanze  („Hanchen"    und   „Der  geprelte  Junker"),  ferner 


182  Hoi.xii>rfiM 

Leop,  Heinr.  Wagner,  der  jüngere  („Die  verbotiien  Vei'Wftndluugt'n", 
haum  eine  romanze  zu  nenneii,  und  das  schwülstige  „Mnrat  und  Fritid«- 
ricke"),  Kflttner,  der  Verfasser  der  „Charakteristiken  dentscher  dichter" 
(mit  seinem  langweiligen  „Magister  Knauth"  und  dem  schlfipfrigen 
„Elisabeth"),  Weppen  („Porette"*)  und  wie  die  ganze  schar  der  kluineo 
geiater  weiter  heisaeu  mag,  nnter  andern  macht  sich  noch  ein  gewisser 
Grahl  breit,  welcher  die  alten  Griechen  und  Römer  („Äkt-eou"*,  «DuiU* 
[soll  Duilius  heissen],  „Der  kämpf  der  drei  Horazier")  in  einer  wciso 
ansingt,  auf  welche  dieselben  wenig  stolz  sein  würden.  Lüsst  er  sich 
doch  in  dem  erstgenanten  dieser  gedicbte  zu  der  wendong  verleiten : 

Da  ward  Diauens  wut  entbrant, 

und  (?)  machte  die  döesae: 

sie  schöpfte  wasaer  mit  der  haud 

und  sprüzt'  ibra  in  die  fresse  (!). 
Das  ist  ein  pröbchen  von  den  „besten  romanzen",  welche  der 
herausgeber  „den  freunden  des  Vergnügens  und  der  pocsiC^  mittsiUe. 
Es  Btösst  mir  hier  eine  bemerkuug  aof,  wie  sie  Vilmar  ähnlich  Qber 
die  poesie  Lobenstcins  und  Uoffmannswaldaus  machte.  Man  begreift 
nicht,  wie  ernste  und  gebildete  mänuer  —  denn  solelie  waren  doch 
unter  den  genanten  wenigstens  Löwen  und  Schiebeier  usw.  —  derartig 
schmutzige  und  triviale  geschichten  auskramen  konten:  stehen  doch 
viele  der  in  dieser  samlung  vereiniglen  gedichte  an  anstand  weit  zurQck 
hinter  den  (ästhetisch  freilich  auch  nicht  sonderlich  wertvollen)  roman- 
zen  des  Casseler  grenadiers  und  naturdichtors  Joh.  Tob.  Dick !  (Zwn 
Romanzen  I.  der  bekehrte  Säufer,  II.  daa  Abenteuer  einer  Perräcke. 
Cassel  1772).  Eigentümlich  berührt  aber  fühlt  sich  der  leser,  wenn  er 
unter  dem  luftigen  poetengesindel  in  den  romauzen  der  Deutschen  ein 
paar  männer  Endet,  die  er  sonst  gewohnt  ist  in  den  nobleren  cirkeln  der 
musen  verkehren  zu  sehen.  Ausser  dem  schon  erwähnten  Bürger  sind 
63  Hölty  und  Gotter,  von  denen  die  beiden  lezteren  keinen  schick- 
licheren platz  zu  einer  besprechnng  finden  würden  als  diesen, 

Denn  sie  sind  die  eigentlichen  Vertreter  der  Übergangsperiode  sn 
einer  besseren  zeit;  von  dieser  bereits  beeinllusst,  gühr>ren  sie  in  ihren 
ischauungen  über  die  balladen-  und  romauzendicbtuug  noch  der 
^che  an. 

Die  Obergaiigazelt. 
§  9.     Hölty  (1748— 1776). 
Ludw.  Heinr.  Christoph  HöTty,'  der  Sänger  der  Schwermut  und  dvr 
melancholischen  frende  am   landleben,    war  von  den   mitgliedern  i 
1)  Seine  .BalliLdeu"  EUsken  in  der  krit.  ausgabo  von  C.  ÜBtlD,  hpz.  1069,  •.  1'^ 


BALLADB  BIS  BÜBGEB  183 

hainbundes  keineswegs  einer  der  für  ballade  und  romanze  sehr  bean- 
lagten,  aber,  wie  den  tjrannenbassern  so  zolte  er  seinen  tribut  auch 
den  romanzendichtern.  Dass  sein  so  empföngliches  herz  der  herein- 
brechenden morgenröte  einer  andern  volkstumlichen  balladenzeit  ver- 
schlossen blieb,  beweisen  die  werte,  die  er  noch  im  jähre  1774  an  Voss 
schreiben  konte  (bei  Halm  a.  a.  o.  s.  222):  „Ich  soll  mehr  Balladen 
machen?  Vielleicht  mache  ich  einige,  es  werden  aber  sehr  wenige  sein. 
Mir  kommt  ein  Balladensänger  wie  ein  Harlekin  oder  wie  ein  Mensch 
mit  einem  Baritätenkasten  vor.^  (Freilich  eine  bezeichnung,  wie  sie 
Gleims  nachfolger  nicht  besser  verdient  hatten !)  Und  so  kommen  auch 
die  Höltyschen  bailaden  im  grossen  und  ganzen  nicht  über  die  alte 
manier  hinaus.  Freilich  darf  man  den  cynismus  Löwens  oder  die  freche 
lüsternheit  Geisslers  bei  dem  frommen  Barden  nicht  erwarten,  aber 
doch  nimt  es  sich  verwunderlich  aus,  wenn  man  in  derselben  samlung 
Höltyscher  gedichte,  in  der  das  gedieht  auf  Wieland  „den  Wollust- 
sänger^  steht,  auch  „Leander  und  Ismene^  findet,  welches  in  mancher 
hinsieht  ganz  gut  ein  erzeugnis  des  „Wollustsängers'^  sein  könte.  — 
Höltys  erste  ballade  „Apoll  und  Daphne": 

Apoll,  der  gern  nach  mädchen  schielte, 

wie  dichter  tun, 
sah  einst  im  tal,  wo  Zephjr  spielte, 

die  Daphne  ruhn. 

ist  eine  mythologische  travestie  ä  la  Schiebeier -Geissler,  nur  etwas 
feiner  und  niedlicher  als  deren  meiste  Schöpfungen,  die  romanze  ist 
übrigens  ein  Jugendgedicht  des  Verfassers,  ihr  folgt  „Narciss  und  Echo", 
welche  ausser  dem  gewählten  sujet  auch  in  der  art  der  behandlung 
zeigt,  wie  Hölty  in  der  romanze  einem  dichtergeschlechte  concessionen 
machte,  mit  dem  sein  inneres  wesen  nicht  das  mindeste  gemein  hatte: 

Das  fräulein  Echo  sah  einmal 
den  ahnhem  der  Narcissen, 
der  manches  jungfemherzchen  stahl, 
in  grünen  finsternissen 
sich  einer  badequelle  nahn. 
Stracks  schielten  Ihre  gnaden, 
als  sie  den  schönen  Jüngling  sahn, 
nach  seinen  vollen  waden. 

Nach  und  nach  aber  mischen  sich  —  wol  unter  dem  einflusse 
Bürgers,  um  dies  hier  vorweg  zu  nehmen  —  andere  züge  in  die  bal- 
ladendichtung  Höltys,  welche  mehr  seinem  dichterischen  Charakter  ent- 
sprechen; vor  allem  tritt  eine  freude  am  grausigen  in  diesen  dichtungen 


IM 

lies  jungen  Hölty  hervor,  welcher  ja  bekantlich  schon  als  knnbe  sein 
tergnügeu  daran  fand,  auf  den  kiruhhöfen  abends  „einsam  auf  deo  grl- 
bern  umher  zuwanken."  Solcher  apuk  ist  in  ^Toffel  und  Kftthe"  flTTi) 
mit  den  nüchtern  -  parodiscben  elementen  in  einem  seltsamen  gebilde 
vevmiacht. ' 

Diese  sucht  nach  darstellung  des  förchtertichen  findet  sich  noch 
gesteigert  in  der  bailade  „Ädelstan  und  Röschen"  (1771),  deren  stoff  schon 
volkstümlich  englisch,  während  die  manier  im  ganzen  franideierend- 
frostig  ist,  ohne  indessen  —  besonders  iu  der  schilderang  des  ländlichen 
lebens.  bekantlich  einer  hauptstärke  Hßltys  —  lieblicher  stallen  zn 
entbehren,  bis  gegen  den  schlusa,  bei  dem  ende  des  ungetreuen  Ueb- 
habers,  sieh  alles  ins  entsezliche  verliert.  Worauf  Gbrigens  der  ursprüng- 
liche titel  des  gedichtes  (in  der  fassung  des  manuscriptes)  „Ebentbeoer 
von  einem  Ritter,  der  sich  in  ein  Mädchen  verliebt,  und  wie  der  Ritter 
sich  umbrachte"  hindeutet,  braucht  nicht  erst  gesagt  zu  werden. 

Geradezu  barsträubend  werden  die  Schilderungen  in  der  „Nonne" 
(1773),  besonders  von  atrophe  6  an,  während  die  lezte  „Ballade"  der 
samlung  (in  den  Vossschen  ausgaben  „Der  Traum"  betitelt)  in  einem 
ganz  andern  tone  gehalten,  den  lyrischen  gedichten  nahe  steht 

§  10.  Gotter  (1746  —  1797). 
Diesen  nent  Koberstein  (V,  3S)  neben  Bürger  als  denjenigen 
dichter,  welcher  „in  der  reibe  der  hierher  zu  rechnenden  gedichte  den 
Übergang  von  jener  burlesken  manier  zu  der  edleren,  echt  volksmässigen 
aulfassung  und  behandlung  dieser  dichtart  am  besten  erkennen  lasse." 
(Vgl  auch  Prutz  a.  a.  o.  s.  262  anm.  2).  Nur  darf  man  unter  diesen 
übergangen  kein  bewustes  hinstreben  auf  das  volkstümliche  erwarten, 
wie  es  Bürgers  diehtung  charakterisiert,  zudem  ist  auch,  wie  Prut« 
(a.  a.  0.)  gauz  richtig  bemerkt,  am  zahlreichsten  bei  Gotter  noch  immer 
die  Gleimsehe  französierende  romanze  vertreten.  Und  gerade  bei  Gotter, 
dem  franz'Jsisch  geschulten,  salonm&ssig  glatten  gegner  der  stönner 
und  dränger,  welcher  die  genies  wegen  ihrer  ungebundeuheit  und  Über- 
spannung tadelte  (Gedichte  1788,  hand  2,  vorrede  s.  VI)  ist  ein  liebe- 
volles erfassen  der  volksm&ssigen  englischen  und  deutschen  balladen- 
poesie  von  vornherein  nicht  zu  erwarten,  und  sein  einschlagen  verschifr- 
dener  richtungen  in  der  roroanzenpoesie  scheint  mir  mehr  auf  einem 
unsichern  umhertappen  als  auf  einem  bewuaten,  bestirnten  streben  Dacb 
dem  Volkstöne  zu  beruhen. 

1)  Währenil  ich  b«l  Atn  ^i>dicbten  der  (ruberen,  wie  aucb  itea  wenig«-  zngiD^ 

ftr^lotter  die  guixeii  Uzte  »der  weDigst«ii8  gröB«cr«  eitetu  ircgebcn  Iiabe.  gUab« 

1  übltya  und  Bargeis  nur  kari  verwoisen  xa  mQsscn. 


BATXAOB  BIS  BÜBOER  185 

Die  erste  romanze  Gotters,  „Tarquin  und  Lucretia^  (1769),  ist 
wie  die  gleichnamige  Löwens  eine  nachahmong  jener  französischen  aus 
dem  Becueil  (I,  63),  doch  weiss  sich  Gotter  aof  dem  schlüpfrigen  boden 
der  französischen  dichtung  mit  Sicherheit  zn  bewegen,  während  der 
gute  Bostocker  registrator  in  den  schmutz  ^t. 

Es  folgte  1771: 

Der  Blaubart.^ 

Blaubart  war  ein  reicher  mann, 
hatte  haus  und  hof  und  garten, 
schmauste,  zechte,  spielte  karten, 
lebte  wie  ein  tartarchan. 

Stark  war  seines  körpers  bau, 
feurig  waren  seine  blicke, 
aber  ach!  sein  missgeschicke ! 
aber  ach!  sein  bart  war  blau. 

Doch  durch  seines  geldes  krafb 
trieb  er  jedes  herz  zu  paaren, 
und  schon  zwanzig  weiber  waren 
durch  den  tod  ihm  weggeraft. 

Er  lässt,  immerfort  zu  frein, 
sich  die  mühe  nicht  verdriessen; 
sezt,  den  antrag  zu  versüssen, 
stets  die  frau  zur  erbin  ein. 

Von  zwei  Schwestern  der  galan 
wird  er  jetzo;  schmausereien, 
Schauspiel,  ball  und  mummereien 
stelt  er  ihrentwegen  an, 

Bietet  ihnen  geld  wie  heu  — 
einstens,  als  sie  kaffee  trinket, 
spricht  die  jüngste:  Hum!  mich  dttnket, 
dass  sein  bart  so  blau  nicht  sei. 

Frisch  gewagt  ist  halb  getan; 
hurtig  muss  ihn  TruUe  freien; 
Schauspiel,  ball  und  schmausereien 
gehen  nun  von  neuem  an. 

1)  Dieses  gedieht  bezeichnet  Götzinger,  Deutsche  Dichter  I,  71  als  völlig 
verfehlt,  und  es  ist  es  allerdings,  wenn  man  die  echte  volksballade  als  massstab 
anlegt,  indessen  komt  diesmal  der  burlesken  manier  entschieden  der  stoff  des 
gedichtes  entgegen. 


18G  U0LZHAU6EN 


Drauf  führt  er  sein  Weibchen  fort; 
ein  kabriolet  mit  sechsen 
bringt,  als  könte  Blaubart  hexen, 
sie  an  den  bestirnten  ort. 

Gleich  der  feenkönigin 
lebt  hier  TruUe,  sonder  sorgen; 
vor  dem  Spiegel  geht  der  morgen 
und  beim  spiel  der  abend  hin. 


„Ich  verreise,  sprach  er  einst, 
nimm  die  Schlüssel,  liebe  TruUe! 
Zimmer,  kästen  und  Schatulle 
stehn  dir  offen,  wenn  du  meinst. 

Nimm  dir  einen  Cicisbee, 
um  dich  zu  desennuyieren; 
spier  im  Schachbrett,  geh*  spazieren, 
schaukle  dich  und  trinke  thee! 

Flieh*  die  schwarze  kammer  nur, 
sonst  ist  dir  der  tod  geschworen!" 
Noch  schalt  es  in  ihren  obren, 
so  vergisst  sie  auch  den  schwur. 

Bricht  vor  eile  fast  ein  bein: 
krack!  so  springen  alle  riegel, 
und  der  schwarzen  kammer  flOgel 
i^fnen  sich,  sie  wischt  hinein. 

0  der  gräuel,  die  sie  sah! 
blut  in  strC^men!   tote  leiber! 
Blaubarts  alle  zwanzig  weibor 
hiengen  wie  gewohre  da. 

Vor  schrecken  lässt  Trulle  den  schlüssol  ins  blut  fallen;  ihr 
s;ouK\hl  komt  wider,  entdeckt  den  imgehorsam  und  verdamt  sie  zum 
tode.  Auf  dem  hofe  steht  sie  schon,  ibres  Schicksals  gewärtig,  während 
Änncht'U  nach  dem  turmo  läuft,  um  nach  hilfe  auszuspähen. 

"rmllen  stivkt  des  blutes  lauf 
btMui  gerückten,  scharfen  säbel; 
schon  umringt  von  todesnebel 
seuffet  sie  zum  tunu  hin;iaf : 


BALLADE  BIS  BÜBGER  '        187 

„Schwester  Ännchen,  siehst  du  nichts?" 
„Stäubchen  in  der  sonne  drehen, 
und  des  grases  spitzen  wehen; 
Schwesterchen,  sonst  seh  ich  nichts!" 

„Schwester  Ännchen,  siehst  du  nichts?" 
„Stäubchen  fliegen,  gräschen  wehen," 
„Ännchen,  lässt  sich  sonst  nichts  sehen?" 
„Schwesterchen,  sonst  seh  ich  nichts." 

Trulle  fragt  ohn'  unterlass. 
Ännchen  ruft:  „Sei  guter  laune! 
Dort  beim  hagebuttenbaume 
reitet  man  in  starkem  pass." 

Jetzo  sprengt  man  —  langt  schon  an! 
Trullens  beide  herren  brüder 
kamen  von  der  beize  wider 
mit  dem  schönsten  auerhahn. 

Blaubart  kriegt  den  tod  zum  lohn, 
wird  gekocht  in  heisser  lauge; 
Trulle  kömt  mit  blauem  äuge 
dieses  mal  noch  so  davon. 

Weiber  bleiben  wie  sie  sind; 
ihre  neugier  auszurotten, 
hilft  nicht  predigen,  nicht  spotten; 
weiber  bleiben  wie  sie  sind! 

Mehr  noch  als  das  angeführte,  neigen  die  romanzen  „Sibylle 
oder  die  strenge  Mutter"  (1770)  und  „Die  Trauer"  (1774)  zu  dem 
Charakter  der  von  Gotter  den  Franzosen  abgelernten,  aber  mit  vie- 
lem glück  angebauten,  witzigen  und  pointierten  poetischen  erzählung, 
einer  feineren,  salonmässigen  Schwester  der  bisherigen  deutschen  ironi- 
sierenden romanze;  weniger  gelang  dem  Verfasser  die  nachbildung  des 
tones  der  englischen  (in  „Lukas  und  Röschen"  1775)  und  die  (ziemlich 
kalte)  bearbeitung  eines  klassischen  Stoffes  (in  „Antonius  und  Stratonice" 
1784"),  dagegen  hat  Gotter  einmal  den  naiven  ton  der  volksromanze 
wirklich  getroffen  in  dem  „Edelknaben"  (1786,  also  längst  zu  der  fol- 
genden epoche  gehörig),  einer  nachbildung  des  reizenden 

Mon  coursier  hors  d'haleine, 

Que  mon  coeur,  que  mon  coeur  a  de  peine 

aus  „Figaros  Hochzeit"  (vielleicht  ursprünglich  eines  französischen  volks- 
liedee  ?). 


§  11. 


Die  kritiachen  bemühuDgen  um  die   doatscbe 
romanze    bis  zum   auftreten  Herders. 


So  bin  ich  auf  unerfreulicliem  wege  zum  eratea  Stadium  gelangt, 
dem  Schlüsse  der  ersten  periode  deutscher  romanzendichtung.  Von  der 
verkehrten  theorie  Gleims,  welche  eine  reihe  mehr  oder  weniger  nnter- 
geordneter  geister  bis  zum  überdrusse  ausgebeutet,  hatten  sich  selbst 
die  besseren  nicht  zu  befreien  vermocht.  Auch  der  för  die  erste  periode 
unserer  widererwachenden  litteratur  so  überaus  wichtige  factor  der  kritik 
und  poetischen  theorie  war  für  die  balladen-  und  romauzenpoesie  bisher 
ohne  besonders  erheblichen  nutzen  gewesen.  Die  ersten  auseinauder- 
setznngen  über  das  wesen  der  romanze  fallen  in  die  ära  der  ,,biblio- 
theken".  Die  Ideen  tou  Gleim  und  Mendelssohn  sind  bereits  abgetan. 
Schon  richtigere  Vorstellungen  von  der  romanze  hatte,  im  gegensatze 
zu  dem  von  ihm  ausgesprochenen  (oben  angeführten)  poetischen  Pro- 
gramme Scbiebeler,  der  bereits  die  notweudigkeit  der  burleske  in  der 
romanze  in  abrede  stelle  und  in  seiner  abbandlung  „Einige  Kachrichten, 
den  Zustand  der  spanischen  Poesie  betreffend"  (N.  Bibl.  d.  seh.  Wiss.  1, 
3,  209  ff.)  sich  dagegen  ausspricht,  dass  die  romanze  durchaus  einen 
tragikomischen  Vorwurf  enthalten  müsse,  und  von  den  Spaniern,  die 
schon  damals  als  das  romanzenreichstc  volk  bekant  waren,  nachweist, 
dass  aus  ihren  romanzen  keineswegs  eine  derartige  theorie  abgeleitet 
werden  könne. 

Ebenso  hatte  schon  Raspe  theoretisch  sehr  geläuterte  ansiobten 
von  dem  wesen  der  romanze.  In  der  anzeige,  die  er  (N.  Bibl.  d.  »ch- 
Wiss.  2,  I,  54  ff.)  von  der  Percyschen  balladensamlung  macht.  hMt  er 
diese  seinen  landslenten  als  muster  und  die  fundgrube  der  eigenen 
nationalen  Vergangenheit  als  einen  schätz  vor,  in  den  sie  lieber  greifen 
sotten  als  zu  den  traurigen  mordgeschichten  der  bänkelsftnger. 

Auch  Sulzer  (in  seiner  bekanten  „Theorie",  teil  IV,  s.  Uü  ff.  der 
2ten  aufl.)  weist  den  romanzondicbter  auf  ein  liebevolles  Studium  der 
eigentlichen  „romantischen  zelten";  in  die  naiven  zustände  der  alten 
zelten  habe  sich  derselbe  zu  versetzen,  um  ein  romanzisches  gedieht 
schaffen  zu  können,  auch  er  verwirft  (obwol  er  Im  ganzen  noch  ziem- 
lich confuse  ansichten  hat)  die  rein  burleske  romanzenbehandlung. 
„unsere  dichter  haben  sich  angewöhnt,  der  romanze  einen  scherzhaften 
tou  zu  geben  und  sie  ironisch  zu  machen,  Mich  dünkt,  dass  dieses 
dem  wahren  Charakter  der  romanze  gerade  entgegen  sei.  Eine  schen- 
hafte  erzählung  im  Irrischen  ton  ist  noch  keine  romanze."  Br  fuhrt 
weiterhin  auch  die  ansieht  J.  J.  Rousseaus  an ,  welcher  seiner  aatnr 
und  Veranlagung  nach  ganz  besonders  berufen  schien,  über  die  romanMOt- 


BALLADE  BIS  BÜBOEB  189 

dichtimg  zu  urteilen.  Dieser  —  in  seinem  Dictionnaire  de  musique 
(artikel:  Bomance)  —  betont  besonders  die  musikalische  seite  der 
romanze,  verlangt  zu  ihrem  vortrage  eine  gefällige,  natürliche,  ländliche 
melodie  und  spricht  dann  weiter  von  der  Wirkung  eines  solchen  gesanges, 
wie  er  Strophe  um  strophe  das  herz  ergreife,  bis  man  zu  tränen  gerührt 
sei,  ohne  sagen  zu  können,  woher  sie  kämen. 

Durch  die  angeführten  theoretischen  bestrebungen  Hessen  sich 
die  bänkelsänger  nicht  im  mindesten  in  ihrem  gekreische  stören,  und 
dies  wol  um  so  weniger  als  diese  theoretischen  erläuterungen  zum  teil 
sehr  der  erforderlichen  klarheit  ermangelten.  Wie  Schiebeier  sich  selber 
in  theorie  und  praxis  genugsam  widerspricht,  so  konten  die  theoretiker 
lange  nicht  zu  klareren  begriffen  über  die  bailade  und  romanze  konmien. 
Dies  zeigt  besonders  das  wüste  quodlibet  von  wahren  und  Mschen 
bemerkungen  in  der  vorrede  zu  dem  ersten  bände  der  ,,Bomanzen  der 
Deutschen'^  im  jähre  1774,  —  und  doch  war  bei  dem  erscheinen  der- 
selben bereits  eine  neue  zeit  angebrochen,  welche  in  der  bailaden - 
und  romanzendichtung  herliche  fruchte  reifen  solte. 

Auf  die  epoche  des  bänkelgesanges  folgt: 

Zweiter  Abschnitt. 

Die  ballade  der  stürm-  und  drangperlode. 

§  1.    Die  bestrebungen  Herders  um  die  widererweckung 

der  deutschen  ballade. 

Es  ist  natürlich ,  dass  jede  dichtart  die  phasen  mit  durchzumachen 
hat,  welche  die  gesamtlitt  er  atur  eines  volkes  durchläuft,  und  dass  sie 
den  Charakter  dieser  phasen  im  miniaturbilde  widerspiegelt.  Aber  ebenso 
natürlich  ist  auch,  dass  in  jeder  einzelnen  epoche  bestimte  kunstgat- 
tungen  mehr  oder  weniger  prävalieren,  je  nachdem  der  besondere  Zeit- 
geist die  litterarischen  Vertreter  dieser  epoche  zu  den  einzelnen  dicht- 
gattungen  hinzieht  und  dafür  befähigt.  Die  knospe  der  balladendichtung 
solte  in  der  genie-  und  gefühlszeit  zu  einer  ersten,  herlichen  blute 
erwachen.  Die  vorige  epoche  hatte  ihr  nicht  viel  gutes  gebracht,  selbst 
der  meister  derselben,  6.  E.  Lessing  (ich  knüpfe  wider  an  die  kriti- 
schen bestrebungen  an)  hatte  ihr  nicht  aufgeholfen,  weil  er  sich  gar 
nicht  oder  so  gut  wie  gar  nicht  um  sie  gekümmert  Lessing,  der  mit 
dem  unerbitlichen  seciermesser  des  Verstandes  die  composition  des  dramas 
zerlegt  und  die  grenzen  einzelner  dichtungsgattungen  wie  diejenigen 
ganzer  künste  mit  fester  band  umrissen  hatte,  Lessing,  ein  wie  feiner 
kunstkenner  er  auch  war,  konte  schwerlich  eine  dichtart  auferweckeui 


190  BOLZHiÜSEV 

welche  so  solir  wie  das  Volkslied  auf  dein  schwanken  lioden  der  empfin- 
dung  erwacfaseo,  in  ihren  gGstaltiingon  wie  kaum  eine  andere  von  snb- 
jectiven  eiogebangeu  abhängig  war  und  jeder  regel  tm  Bpotten  Rchieu. 
Diese  —  die  wahre  und  echte  —  lomauze  bedurfte  ja  anch  einer  kritik, 
ohne  Kweifel,  um  wider  erkant  und  gewürdigt  xu  werden,  aber  statt 
des  schneidigen  Leasing  war  der  ninthoddosere.  aber  zartfflblige  und 
gcmütetiefe  Herder  bestirnt,  mit  der  forschenden  sonde  in  den  liedern 
wie  in  den  Sprachresten  der  alten  Völker  herumznfahreD,  überall  anregend 
und  aufstöbernd  und  seine  fände  abgerissen  und  ruckweise  dem  tages- 
licht  etitgegenRirdemd. 

Es  ist  hier  natürlich  nicht  der  ort,  auf  die  widererweckung  der 
volksliederdichtung  durch  Herder  des  genaueren  einzugeben,  und  ich 
verweise  hierüber  auf  die  zusammenhängende  darsteiluiig  in  „Herders 
Leben"  von  Haym;  nur  für  die  besonderen  Verdienste  Herders  um  die 
balladen-  und  romanzenpoesie  im  engeren  sinne  halte  ich  eine  kurze 
erörterong  für  uncrläsdicb. 

Schon  in  deu  „Fragmenten"  hatte  Herder  auf  die  volkslieder- 
dichtung hingewiesen:  etwa  um  dieselbe  zeit  waren  „Ossiau"  und  bald 
darauf  die  berühmten  Percys  Keliques  in  Deutschland  bekaut  geworden. 
Von  Macphersons  werke  nicht  zu  reden,  welches  auf  Horders  volVs- 
tümliche  bestrebungen  immerhin  einen  segensreichen  eiufluss  ausübte, 
ist  Percys  samlung  berechtigt,  unsere  aufmerkxamkeil  für  einige  augen- 
blicke  in  anaprnch  zu  nelimen. 

Auch  in  England  hatte  sich  um  die  mitte  des  acbtzehuten  Jahr- 
hunderts eine  ricbtung  bahn  gebrochen,  welche  lenten  nie  Pope  und 
.lohnson  gegenüber,  die  regelmässigkeit  der  Franzosen  mit  der  genialsn 
ursprün glich k ei t  der  Volksdichtung  zu  vertauscben  bestrebt  war.  Natflr- 
lieh,  dass  diese  die  versunkenen  schütze  der  alten  englischen  und  schot- 
tischen Minstrelsy  überall  anfzusuchen  und  wider  zu  heben  sich  bemühte. 
Aber  alle  seitherigen  versuche  in  dieser  richtung  wurden  tief  in  den 
Hcbatteu  gestelt  durcb  die  Reliques  of  aiicient  pootry.  welche  blBohof 
l'ercy  im  jähre  1765  hei  Dodslej  in  London  erscheioeD  Hess.  In  dar 
vorrode  entschuldigt  sich  der  heransgeber  mit  vielen  worten  wegen 
Heines  Unternehmens;  auch  in  Flngland  waren  romanze  nnd  halladfl  In 
Iniskredit  gekommen,  nnd  das  war  nach  der  bflnkclsängerei  in  der 
revolutions-  und  restaurationsepoehe  kein  wunder.  Aber  Percy  griff 
in  die  vollaufgehäufteu  schätze  früherer  Jahrhunderte,  von  den  blgeo 
ßthelreda  und  Alfreds  singen  seine  balladeti,  von  dem  oft  düsteren  bllit«> 
gründe  des  ritter-,  highway-  nnd  kriegerlebens  hebt  sich  in  Uc^tW 
färben  das  bild  der  liebe  und  treue  (Adam  Bell,  Clym  o'  the  Oloagh 
and  'William  of  Clondesly,  Fair  Rosamond ,  The  spauish  lady's  love  u.  h.), 


BALLADE  BIS  B&BGEH  191 

Ton  den  schauerlichen  scenen  der  leidenschaft  und  eifersucht  (Glas- 
gerion ,  Little  Musgrave)  springt  das  äuge  des  lesers  zu  den  köstlichen, 
wenn  auch  oft  recht  derben  erzeugnissen  des  englischen  humors  (die 
Robin  Hoodballaden,  King  John  and  the  tanner,  The  boy  and  the 
mantle  usw.);  auch  das  reich  der  geister  öfoet  sich;  nun  huschen  seine 
düstem  gestalten  vorüber  (Margareth's  ghost  und  William's  ghost),  nun 
wider  sieht  man  die  zaubergebilde  herbeieilen  (Robin  good  fellow,  The 
fairy  queen),  welche  die  phantasie  eines  Shakespeare  in  dem  „Sommer- 
nachtstraum^  zu  einem  glänzenden  elfenstaate  zusammengewoben  hat. 
Freilich  hat  Percy  selten  die  reinen  originale  widergegeben ;  fort- 
während hat  er  die  lückenhaften  Überlieferungen  ergänzt,  ausgeflickt 
und  Überarbeitet  und  dadurch  nicht  selten  verblasst,  modernisiert,  ja 
yerdorben,  wie  dieses  erst  in  neuerer  zeit  durch  die  Untersuchungen 
yon  Haies  und  Furnivall  (Bishop  Percys  Folio  Manuscript.  London, 
Trübner  1868)  festgestelt  worden  ist,  bei  alledem  aber  bot  Percys 
samlung  einen  unermeslichen  schätz  edlen  goldes,  den  für  Deutschland 
zu  verwerten  die  aufgäbe  Herders  war. 

Mit  Percys  Reliques  bekant  geworden,  wante  Herder  sein  ganzes 
Interesse  der  volksliederdichtung  zu,  in  der  er  statt  der  „klassischen 
luftblase  der  modernen  litteratur"  mit  schwärmerischer  Übertreibung  die 
edelste,  ja  die  einzig  und  allein  echte  und  wahre  poesie  zu  erkennen 
glaubte.  Mit  diesen  gedanken  hatte  er  bereits  in  Strassburg  Goethe, 
nicht  minder  andere  freunde  (Merck,  Gleim  usw.)  zur  samlung  der 
deutschen  Volkslieder  angeregt,  doch  gewann  seine  tätigkeit  auf  diesem 
felde  erst  algemeinere  bedeutung,  als  er  seine  1771  in  Bückeburg  nieder- 
geschriebenen, aber  erst  1773  in  Hamburg  in  den  blättern  „Von  deut- 
scher  art  und  kunst"  erschienenen  briefe  „Über  Ossian  und  die  lieder 
alter  yölker"  herausgab.  In  diesen  zeichnete  er  alle  die  gedanken  und 
empfindungen  über  die  Volksdichtung,  die  jähre  lang  sein  herz  bewegt 
hatten,  in  kühnen  skizzen  der  litterarischen  weit  vor;  in  einer  den 
sprachlichen  Charakter  der  von  ihm  behandelten  gegenstände  nach- 
ahmenden schwunghaften  und  dabei  abgerissenen  spräche  sezt  Herder 
hier  die  seit  fast  zwei  Jahrhunderten  in  den  kreisen  der  gebildeten  ver- 
kante volksliederdichtung  wider  in  das  rechte  licht. 

Yen  Ossian  ausgehend,  findet  er,  dass  bei  einem  noch  rohen,  ein- 
fachen, natürlichen  volke  der  ausdruck  der  inneren  empfindung  an  dem 
äussern,  sinlichen  haftet  in  „form,  klang,  ton,  melodie."  Ein  „wil- 
des** Volk  ist  ihm  ein  lebendiges,  frei  wirkendes  volk.  Je  wilder  also, 
sagt  er,  desto  lebendiger,  freier,  sinlicher,  lyrisch  handelnder  müssen 
auch,  wenn  es  lieder  hat,  die  lieder  des  volks  sein;  vom  lebendigen 
und  gleichsam  tanzmässigen  des  gesanges,  von  lebendiger  gegen  wart 


1$9  UOLZHACIBM 

der  bilder,  vom  zuBamiiieiiliatige  and  gleichsam  notdrange  des  iuhalta, 
der  empfindimgen ,  von  Symmetrie  der  worte,  sÜben,  buchstaben,  vom 
gauge  der  melodie  hänge  die  wundertätige  krat^  und  das  fortleben  dieser 
lieder  durch  Jahrhunderte  ab. 

Herder  spricht  sodann  von  dem  dramatischeu  und  handlungsvollen 
des  echten  Volksliedes,  von  den  „sprängen  und  würfen".  Diese  erklärt 
er  aus  dem  functionieren  einer  noch  unverdorbenen  und  uiiverkünstelten 
Phantasie.  Eine  solche  fast  nämlich  die  dinge  der  aussenwelt  in  ihrer, 
durch  die  natur  gegebenen  räumlichen  trennung  auf  und  gibt  diese 
daher,  nur  nach  räumlicher  associaüon  verbindend,  sprunghaft  und 
scheinbar  uuzusammenhäugend  wider.  Das  kräftige,  geniale,  urwüch- 
sige dieser  „Impromptus"  stelt  Herder  nicht  mit  unrecht  weit  über 
die  schwächlichen  erscheinungen  seiner  coätauen  kuustdichtuug.  er  belegt 
seine  ausluhrungen  mit  beispielen  aus  der  volkspoesie  der  verschiedea- 
sten  Völker  und  komt  schliesslich  speciell  auf  die  romanze  zu  sprechen. 
Er  beklagt,  „dasa  diese  urapröngiich  so  edle  und  feierliche  diobt- 
art  bei  uns  zu  nichts  als  zum  niedrigkomischen  und  abenteuerücbeu 
gebraucht  oder  vielmehr  gemisbraucbt  werde."  In  merkwflrdiger  ver- 
kennung, die  er  bis  an  das  ende  seines  lebens  beibehalten  hat.  lobt  er 
die  Gleimsche  „Marianne",  die  er  gleich  ihrem  französischen  originale 
fQr  ernst  ansiebt,  und  wendet  sich  dann  mit  grosser  energie  und  vollem 
rechte  gegen  die  plumpen  nachsingen  „Vni  so  haben  wir  Jezt  eine 
menge  des  zengs  und  alle  nach  einem  schlage  und  alle  in  der  uneigent- 
licbsten  romanzenart,  und  fast  alle  so  gemein,  so  sehr  auf  ein  einma- 
liges lesen  ~  dass  nach  weniger  zeit  wir  fast  nichts  als  die  Oleim- 
scben  übrig  haben  werden. 

So  hatte  Herder  in  kurzen  zögen  das  wesen  und  den  wert  der 
vulksliederdichtung  nnd  ihre  hervorspringendsten  eigenschaflen  charakte- 
risiert und  anderseits  den  entarteten  bänkelgesang  In  die  gebührendeu 
schranken  gewiesen.  Noch  aber  fehlte  die  Illustration aprobe  der  neaen 
behanptungen  und  damit  eigentlich  das  wichtigste;  Herder  zögerte  Jahr« 
lang,  seine  studieu-  und  sammelhefte,  au  denen  freund  Goethe  und  so 
viele  geholfen  hatten,  herauszugeben.  So  kam  es.  dass  verschiedene 
seiner  balladenübertietzungen,  bevor  sie  in  seinem  eigenen  werke  erschie- 
nen, in  der  von  Kschenburg  nnd  Ursinns  1777  herausgegebenen  samlung 
„Balladen  und  lieder  altenglischer  und  altachottischer  dichtart"  '  heraus- 
kamen und  dass  Herder  in  demselben  Jahre  in  dem  im  Deutschen  Museum 
erschienenen  aufaatze  „Von  ähnlicfakeit  der  mitleren  englischen  und 
deutschen  dichtkrnist"  noch  vor  herausgäbe  seiner  „Volkslieder"  gelegen- 

1)  Vgl,  dpa  Bttrgeraohen  bhefweclucl  hrag.  von  KlroaUiiann ,  II.  nr..33a  n.Ml. 


^AtLABÜ  BIS   Bt^RaSit  l9ä 

heit  hatte,  das  lob  des  mannes  auszusprechen,  welcher  neben  Goethe 
die  edelsten  fruchte  von  Herders  geschilderter  tätigkeit  zu  pflücken 
berechtigt  schien  und  der  ihrer  — -  wer  weiss!  —  vielleicht  noch  in 
höherem  masse  teilhaftig  geworden  wäre,  hätte  er  zur  zeit  der  Jugend, 
wo  er,  noch  unbefangen  von  der  nianier,  aber  auch  plan-  und  regellos 
umherirte,  die  reine  und  lautere  samlung  Herders  zur  sicheren  füh- 
rerin gehabt;  der  aber  das  beispiel  der  Herd  ersehen  „Volkslieder"  nicht 
abgewartet  hatte,  um  mit  eigenen  glänzenden  erzeugnissen  die  theorie 
des  meisters  zu  bewahrheiten,  gegen  die  schon  die  Nicolai  und  genossen 
die  spöttelnden  vernünftlerstimmen  erhoben. 

In  demselben  aufsatze  „Von  Ähnlichkeit  usw."  gebraucht  Herder 
auch  zuerst  das  wort  bailade  (während  er  sich  früher  des  ausdrucks 
romanze  bedient  hatte),  welches  nun  nach  dem  bekantwerden  des  eng- 
lischen epischen  Volksliedes  überhand  nimt  und  die  früher  herschende 
„romanze"  zurückdrängt,  bis  lezterer  die  romantiker  wider  etwas  mehr 
anerkennung  verschaffen. 

In  den  jähren  1778  und  1779  erschienen  denn  endlich  die  „Volks- 
lieder" (über  die  einzelnen  Schicksale  der  mehrfach  umgearbeiteten  sam- 
lung vgl.  Haym,  Herders  Leben  I,  687  ff.),  in  denen  sich  Herder  als 
echter  deutscher  Percy  auswies. 

Herder  hatte  es  verstanden,  Volkslieder  der  ganzen  erde,  wenn 
auch  nicht  mit  metrischer  kleinkunst,  so  doch  ihrem  echten  klänge  und 
tone  nach  widerzugeben,  er  hatte  dem  litterarisch  gebildeten  leser,  wenn 
auch  nicht  der  menge,  gelegenheit  geboten,  sich  von  der  Schönheit  des 
alten  Volksliedes,  der  volksballade  zu  überzeugen,  er  hatte  die  wilde 
Waldblume  aus  den  forsten  der  vorzeit  gesammelt  und  nach  hause 
getragen;  noch  aber  fehlte  der  gärtner,  um  sie  anzupflanzen,  umzubilden 
und  in  der  statte  der  kunst  heimisch  zu  machen. 

Zu  der  zeit  nun,  als  der  junge  Goethe  in  Strassburg  von  Herder 
auf  das  Volkslied  hingewiesen  wurde,  schlug  auch  in  Göttingen  ein 
Studentenherz,  welches,  selber  aus  der  kräftigen  mitte  des  deutscheu 
Volkslebens  hervorgewachsen,  so  recht  geschalTen  schien,  den  von  Herder 
ausgestreuten  samen  aufzunehmen  und  emporblühen  zu  lassen,  es  war 
(las  herz  eines  der  unglücklichsten  deutschen  dichter  und  doch  zugleich 
der  beneidenswertesten  lieblinge  der  deutscheu  nation,  das  herz  Bürgers. 

(Schluss  folgt.) 
HALLE   A/8.  P.   IIOLZIIAUSEN. 


ZKlTSCilR.    V.   OKUTSCHK    FUiU>li001K.     KI).  XV. 


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ZUR   KÜPRUN. 

Im  begriff  eine  neue  teiUnsgabe  der  Kudrun  abziuchliesseo .  IBBBS 
ich  wflnachen.  manches,  was  ich  ?,iir  vervolatäuiligung.  gelegenÜictl 
auch  zur  beridjtigitng  der  aninerhuiigeii  meiner  frfihereD  ausgäbe  bei- 
trt^en  zu  köuiien  glaube,  für  sich  vorzulegen. 

Zunächst  aber  scheint  es  mir  geboten,  anzugeben,  warum  ich  die 
»rgebnisse  einer  Untersuchung  nicht  annehmen  kann,  welche  mit  unleug- 
barem Scharfsinn  die  entstehung  des  gedichts  anders  erVISrt  als  auf  die 
von  MiiUenhoff  vorgeschlagene,  von  mir  uach  eingehender  nacbpräfiing 
festgebaltenu  weise.  Gelingt  es  mir,  diesen  abweichenden  erklärungs- 
versncb  zu  widerlegen,  so  wird  dies  zugleich  wenigstens  ein  indirecter 
beweis  für  Müllenhoifs  ansieht  sein. 

Ich  meine  natürlich  das  buch  von  W.  Wilmanna  .Die  Eutwicke- 
lung  der  Kudrundiohtung",  Halle  1873.  Schon  bei  seinem  erscheinea 
koRte  ich  mich  weder  von  der  richtigkeit  seiner  grundsätzf  übcreeogpa 
noch  auch  ^  abgesehen  von  einzelnen,  iti  der  vorrede  zu  meiner  neneo 
ausgäbe  angegebenen  punkten  —  den  zur  speciellen  kritik  der  Kudruo 
genmuhteu  vorschlagen  anschliessen.  In  wie  weit  Wilmanns  diese  leeteren 
noch  jozt  festhält,  weiss  ich  nicht;  die  principien  seiner  epischeu  kritik 
hat  er  allerdings  inzwischen,  wie  hekant.  auch  auf  die  Nibelungen 
flbertr^en.  In  jedem  falle  glaube  ich  geltend  machen  zu  müssen,  was 
meiüea  erachtena  gegen  seine  ansieht  von  der  entstehung  unseres  gedicht^B 
spricht,  um  nicht  di'm  vorwürfe  ausgesezt  zu  sein,  dasa  ich  die  prüfung  der 
von  anderen  vorgebrachten  gründe  irgendwie  zu  versäumen  mir  erlaubte. 

Wilmanns  nirot  an,  itaas  die  überlieferte  gestalr  der  Kudrun  nicht 
nur  durch  interpolation  eines  abgeschlossenen  gedichta  entstanden  s«, 
sondern  auch  durch  contamination  mehrerer  gedichte,  welche  von  ein- 
nuder  unabhängig  und  abweichend  die  sage  behandelt  hfttteu. 

Ich  mache  EunSchst  nicht  besonders  geltend,  dasa  die  eage  selbst 
um  1200  wenig  verbreitet  gewesen  zu  sein  scheint,  wie  wir  nach  den 
nherans  spärlichen  Zeugnissen  des  13.  jahrh.  annehmen  müssen.  Bedenk- 
lichiT  erscheint  schon,  Jaas  die  verschiedenen  von  einander  unabhängigen 
gedichte  sämtlich  in  der  sonst  durchaus  unbekanten  Kuilnmstrupbe 
ahgefasst  gewesen  aein  müsten. 

Aber  entscheidend  ist  natürlich  erst  die  prüfung  im  einzelnen. 
Werden  wir  wirklich  zu  der  annähme  geführt,  dass  mehrere  derartige 
selbständige,  im  einzelneu  verschiedene  bearbeitungen  der  sage  neben 
einander  bttstaoden  und  dass  stücke  dieser  —  wie  Wilmanns  aonioit 
(s.  67  u.  ö.)  —  bereits  interpolierten  bearbeitungcn  unter  /.ufügung  neuer 
verbindungsatficke  vereinigt  in  unserem  gedichte  vorliegen? 


MARTIN,    2üR   KUDIIÜK  195 

Zunächst  noch  ein  blick  auf  die  Voraussetzungen,  die  Wilmanns 
fBr  notwendig  hält.  Es  ist  nicht  blos  die  eben  erwähnte  annähme  mehr- 
facher interpolationen,  die  vor  und  bei  der  Zusammensetzung  in  die 
alten  zu  gründe  liegenden  lieder  eingedrungen  wären,  eine  annähme, 
die  er  dahin  näher  bestirnt,  dass  diese  interpolationen  selbst  nicht  mehr 
überall  abzugrenzen  wären,  s.  21.  147.  Er  nimt  überdies  vielfach  an, 
dass  die  interpolierten  strophen  beim  abschreiben  an  unrechte  stellen 
gekommen  wären.  Er  komt  endlich  mehrmals  zu  dem  Schlüsse,  dass 
von  diesen  liedern  selbst  einzelne  stücke  weggefallen  und  von  dem  con- 
taminator  (oder  den  interpolatoren  ?)  durch  neue  Strophen  oder  strophen- 
teile  ersezt  worden  wären:  s.  29.  33.  115.  130.  134.  139.  154.  185.  187. 
200.  201.  203.  210.  In  folge  dieser  angenommenen  Verhältnisse  ist 
—  wie  W.  selbst  bemerkt  s.  VIII  —  eine  Sicherheit  in  der  herstellung 
des  echten  überhaupt  nicht  mehr  erreichbar.^  Solche  lücken  auszu- 
füllen kann  man  ja  auf  sehr  verschiedene  weise  versuchen,  und  dies 
geschäft  kann  nur  die  dichterische  phantasie  übernehmen,  nicht  aber 
der  kritische  verstand,  der  nur  die  eine  Wahrheit  sucht.  Aber  die '/ 
annähme  einer  Verdrängung  des  ursprünglichen  textes  ist  jedesmal  eine 
petitio  principii.  Vereinzelt  werden  wir  sie  uns  vielleicht  gefallen  lassen: 
massenhaft  vorgebracht  muss  sie  das  gröste  bedenken  hervorrufen. 

Gehen  wir  zu  den  einzelnen  fallen  über,  in  denen  W.  seine  con- 
taminationstheorie  für  erwiesen  ansieht.  Sie  sind  nicht  eben  zahlreich 
und,  wie  mir  scheint,  sämtlich  anders  aufzufassen. 

W.  begint  s.  2  —  21  mit  der  Schilderung  des  leidens  der  Kudrun 
str.  986  — 1048.  Er  zerlegt  sie  in  zwei  dichtungen  a  und  h,  a  (unvol- 
ständig  erhalten)  erzählt,  dass  Hartmut  die  Normandie  verliess,  vorher 
aber  Kudrun  seiner  mutter  übergab,  welche  ihr  auftrug  den  ofen  zu 
heizen  und  auch  ihre  begleiterinnen  zu  niedrigen  arbeiten  zwang.  Nach 
vierthalb  jähren  kehrt  Hartmut  zurück  und  lässt  Kudrun  rufen,  h  begint 
mit  einer  klage  der  Gerlind,  dass  Kudrun  Hartmuts  geschlecht  gering 
achte;  Hartmut  wünscht,  dass  Kudrun  mild  behandelt  werde.  [In  einer 
interpolierten  strophe  meint  Gerlind,  nur  gewalt  werde  Kudrun  zur 
nachgiebigkeit  bewegen;  in  einer  andern  widerholt  Hartmut  seine  mah- 
nung  zur  milde].  Gerlind  wünscht,  dass  man  ihr  überlasse,  Kudrun 
zu  ziehen.  Ohne  weiteres  verlangt  sie  dann,  Kudrun  solle  den  ofen 
heizen  und  andere  dienste  tun.    Kudrun  leistet  alles  willig,  sieben  jähre 

1)  Diese  Schwierigkeit  der  epischen  kritik,  dies  neben-  und  dnrcheinander- 
liegen  von  bruchstücken  der  verschiedenartigsten  gedichto  macht  W.  s.  Vll  geltend, 
um  die  pädagogische  ansieht  zu  stützen ,  dass  die  mhd.  dichtungen  aus  dorn  volks- 
epoB  sich  nicht  zu  unterrichtsgegenstanden  eigneten.    Aus  demselben  gründe  müste       y.*^-ry 
man  doch  wol  auch  die  homerischen  gedichte  aus  der  schule  verbannen.  // 

13* 


f 


liM)  MAnTlN 

lung.  Als  Hartoiul  zur&ckkubrt,  lässt  i«r  Kadnm  holen  und  macht,  von 
ihrem  Jienst«  uateniobtet,  seiner  mutter  vorwürfe.  Dieac  erwiiit'rt, 
Kmlruu  habu  bestäudig  Hartiiiut  uud  die  seiiiigen  geschmäht.  Hartmut: 
sie  habe  das  recht  dazu  denen  gegenüber,  die  ihr  den  vater  ei'üchlu<;wii 
hStten.  Gertind:  „nur  mit  schlagen  kOnte  man  Kadrun  dazu  bringeu, 
dich  zu  nehmeu".  Darauf  rateu  ihm  seine  freunde,  auch  gegen  deu 
willen  Heiner  mutter  Kudrun  zu  gewinnen.  Kudrun  beruft  sich  auf  die 
niishaudlaijg  durch  Oerlind.  Hai-tmat  verspricht,  sie  zu  entschädigen. 
Kudrun  erinnert  ihn  an  die  gewaltsame  eutl'Übrung,  die  den  ibrigeo 
schlimmen  schaden  gebracht.  [In  zwei  von  W.  als  interpoliert  ange- 
gebenen Strophen  erinnert  Kudrun  ihn  ausdrücklich  daran,  dass  sein 
Vater  ihren  vater  ei'ücbiagen ;  sie  beruft  sich  ferner  darauf,  dass  eine 
ehe  nur  mit  beiderseitiger  einwilligung  geschlossen  werden  köntej.  Hart- 
niut  droht  mit  uotzdchtigung :  keiner  seiner  mauneu  werde  ihn  desbiUb 
strafen.  Kudrun  verweist  auf  die  räche  anderer  fürsten,  Hartmul 
meint,  er  wünsche  nur  die  Zustimmung  der  Kudrun  zu  erlangen.  Kudruit 
erwidert,  sie  sei  mit  Herwig  verlobt.  Hartmut  verdriessücb:  er  sei 
wol  Herwig  ebenbürtig.  Mau  versucht  es,  Kudrun  mit  gntu  uinzu- 
;)timmeu  und  schickt  Hartmuts  Schwester  Ortinn  zu  ihr.  Kudrun  dankt 
dieser,  will  aber  weiter  als  magd  dienen. 

Dies  der  iniialt  der  von  W.  hergestelteu  lieder.  Ich  kanu  nur 
tindeu,  dass  er  iu  bezug  auf  Ordnung  und  Zusammenhang  selbst  unter 
der  überlieferten  form  des  gedichts  steht.  Zunächst  fehlt  dem  eiuou 
liede  der  scbluss,  dem  andern  der  anfang.  Ui  a  ist  der  gi'und  fQr  die 
achmähliche  behandlung  der  Kudrun  nur  durch  Em&,  4  augedeutot.  In 
fi  fehlt  der  erste  Versuch  der  OerÜnd,  mit  einer  freundlichen  muhnuDg 
ihr  ziel  zu  erroicheu,  obschou  Hartmut  lUül  voruusMezt,  dass  dieser 
versuch  noch  nicht  gemacht  ist,' so  dass  er  nicht  etwa  in  die  IQckc 
um  eingaug  gefallen  sein  könt».  In  u  bt,  nachdem  Gerlind  befohlen, 
dass  Kudrun  die  stube  heizen  solle,  uud  uacbdem  Kudrun  sich  daza 
bereit  erklärt  hat  (996.  997),  vou  ihr  nicht  weiter  die  rede,  Bondeiu 
uur  von  ihren  frauen.  In  h  ist  wider  von  den  frauen  gar  nicht  die 
rede,  die  doch  später  nach  l'iOi  (welche  Strophe  W.  s  3S  zu  h  rechoet) 
mit  ihr  guhudet  und  gekleidet  werden;  was  docli  wol  voraussezt,  dasa 
auch  die  mädchou  schlecht  gehalten  worden  waren.  Noch  andere 
oustüäse  bietet  b.  Iu  str.  UIU»  (welche  ttro^he  W.  alierdiug;^  als  inter- 
poliert bezeichnet)  wfinscbt  Hartmut,  dass  Gcrliud  Kudrun  schouungs- 
vuU  iiehc:  in  der  folgenden  str.  (993)  erbietet  sich  Gerlind  erat,  sie 
cieke»  ui  dürfeu.  Den  leisen  [oder  nach  der  F(ir  interpoliert  irkUri«» 
^ilr.  ivyi  den  deutlichen]  hiuweis  der  Kudruu  auf  die  tOdung  Hetelu 
durch  Ludwig  —    den    liinneis    also   auf   i^iu   von  Hurtnmt   selbst 


I 


ZUR  KÜDRÜN  107 

anderen  orten  als  volgiltig  anerkantes  hindernis  ihrer  zusage  soll  Hart- 
niut  mit  der  drohung  der  notzüchtigung  beantworten!  Hartmut,  der 
edle  ritter,  soll  einer  solchen  roheit  fähig  sein,  dass  ihn  die  einfache 
anfnhrung  einer  unleugbaren  tatsache  zum  fürchterlichsten  wutausbruch 
hinreisst!  (Beiläufig  gesagt,  auch  die  lesart  rcechen  1030,  3,  die  Wil- 
manns  adoptiert,  sezt  Hartmuts  Charakter  herab.  Nicht  die  furcht  vor 
der  räche  anderer  fürsten  bändigt  Hartmut,  sondern  die  rücksicht  auf 
seinen  ruf,  auf  seine  anerkennung  als  moralisch  gleichberechtigter  sei- 
tens der  anderen  fürsten). 

Nachdem  Hartmut  seine  drohung  zurückgenommen,  bringt  Kudrun 
nach  W.  sofort  ihren  lezten  und,  wie  W.  selbst  s.  2  gut  ausführt,  den 
schwersten  grund  ihrer  Weigerung  vor :  ihr  Verlöbnis  mit  Herwig.  Hart- 
mut ist  verdriesslich,  aber  er  versucht  es  jezt  noch  mit  Ortrun.  Ich 
glaube,  W.  hat  hier,  um  das  logische  schema  möglichst  hervortreten 
zu  lassen,  den  wirklich  seelenvollen  Zusammenhang  der  Unterredung 
zerstört,  welchen  die  überlieferte  reihenfolge  der  strophen  darbietet. 

In  dieser  erwidert  sie  auf  Hartmuts  directe  Werbung,  zu  welcher 
ihn  der  rat  der  mannen  1025  veranlasst  hat,  zuerst  mit  dem  hinweis 
auf  die  mishandlung  durch  Gerlind.  Vergeblich  erbietet  sich  Hartmut 
zum  Schadenersatz:  Kudrun  weist  ihn  kurz  ab.  Da  braust  er  auf,  aber 
als  Kudnm  ihn  an  seine  fürstenehre  erinnert,  komt  er  wider  mit  bitten. 
Sie  erwidert  mit  der  ernsten  mahnung  an  die  tödung  Hetels  durch  Lud- 
wig. [Interpolierte  strophen  fügen  die  weitere,  aber  matte  begründung 
ihres  benehmens  hinzu,  dass  man  niemand  zur  ehe  zwingen  dürfe.  Hart- 
mut antwortet  in  einer  strophe  mit  cäsurreimen  damit,  dass  er  höhnisch 
bemerkt,  Kudrun  werde  dann  weiter  leiden  müssen.  Sie  erklärt  sich 
dazu  bereit.  Im  echten  lied  weiss  Hartmut  auf  den  völlig  gerecht- 
fertigten einwand  der  Kudrun  nichts  zu  erwidern].  Es  erfolgt  der  ver- 
such durch  Ortrun  auf  Kudrun  zu  wirken.  Kudrun  dankt  ihr.  [Es 
folgen  zwei  Nibelungenstrophen  mit  unpassendem  inhalt].  Indem  sie  ihre 
früheren  einwände  der  freundlichkeit  Ortruns  gegenüber  nicht  mehr  auf- 
recht erhält,  bringt  sie  nun  gegen  Hartmut  den  lezten,  aber  auch 
unwiderleglichen  grund  vor:  sie  wolle  das  Verlöbnis  mit  Herwig  nicht 
brechen.  [Interpolierte  strophen,  drei  davon  mit  cäsurreim  versehen, 
führen  weitere  bitten  Hartmuts  aus,  welche  Kudrun  nur  mit  schroffen 
vorwürfen  beantwortet:  beides  gleich  anstössig].  Da  gibt  Hartmut  seine 
Werbung  auf.  Gerlind  tritt  wieder  ein. 

IUe_umstelljiingder  strophen,  welche  W.  in  grossem  massstabe 
vornimt,  i8t_^aho  nu.L  einejrerscW^  Und  womit  begründet  er 

diese  gewaltsame  umordnung?  Hartmut  hätte  bei  dem  versuche,  Kudrun 
durch  Ortrun  Zugewinnen,  nicht  zugegen  sein  dürfen.    Zugegeben  dass 


Ortruii,  mit  Kodruii  alluin  gelasȊn,  Uobavt  auf  ^ie  uiiiwirkeii  kunte,  ho 
darf  man  doch  wol  auuh  ohne  die  Überliererntig  zu  fliideru  iinuohuten, 
das»  Hartniut  nicht  l)estlln<lig  zugegen  war,  dasi^  er  nur  kam,  um  aicb 
von  Kiidrun  das  le7.te  wort  selbst  zu  holen  lOtu  üerurtiges  koinmea 
und  geho  wiril  j.i  aacli  sonst  in  der  überlieferten  gesLalt  des  gedicbtes 
nicht  besonders  erwübnt.  Ho  wird  di»  Unterredung  KWiscbeu  Hürtmul 
und  Geriind  1014  —  1018  ja  auch  nicht  in  gegfnwart  der  Kucinto  gettihrt 
worden  acin,  die  doch  soeben,  lOi:)  gesprochen  hat,  und  zu  welcher, 
wio  101<»  austli'äckiich  erwähnt  wird,  Oerlind  sich  nachiier  begibt* 
Und  weder  in  der  Sberlieferten  form  noch  in  der  von  Wilmanns  con- 
stmiorteu  dichtuug  /'  wird  gesagt,  duss  Hartmul  nach  der  Unterredung 
mit  seiner  niutter  das  Und  verliess,  sondern  nur  10^23,  dass  er,  nach- 
dem Kudrun  sieben  jähre  lang  gedient,  von  seinen  kriegsziigen  heim- 
köhrte. 
,  Dasä  nun  Hartmut   zuerst  nach   3V(.    dann   nach    vi)l)>Uludigem 

Y  Umlauf  von  7  Jahren  heimkehrt,  erscheint  W.  s.  IS  anstßssig  und  als 
ein  ^rurid  tat  annähme  der  contamination  zweier  verschiedener  dii;btuugi>n. 
Ich  finde  us  ganz  wol  begründet,  dass  Hartmut  die  entfährt»  /uuäcbst 
setuer  multer  übergibt,  damit  Kudran  nicht  durch  seine  auwesenheit 
hestüodig  an  die  erlittene  gewalttat  erinnert,  vielmehr  durch  die  gQtigc 
behandlang  seiner  vcrwanteu  gewonnen  werde.  Nach  3 V^  jähren  (l_on), 
fragt  er  Kudrun.  wie  ea  ihr  ergangeu  sei,  und  als  er,  in  nicht  eben 
deutlicher  weise,  von  ihrem  lose  gehört,  macht  er  seiner  mutter  vor- 
würfe. Heuchlerisch  verspricht  Gerlind  [wenn  wir  von  den  interpoliertet) 
Strophen  lOlö— 1017  absehen,  welche  stark  übertreibend  das  vor- 
bringen, was  un  andern  stellen  bereits  und  passender  gesagt  ist],  sie 
werde  in  zukunft  Kudrun  eine  bessere  bebandlung  zu  teil  werden  lassen. 
Nftch.  7  jähren  kehrt  Hartmut  wider  zurück  und  ohne  seine  mutt«r 
weiter  in  bctracht  zu  ziehn  (1025,  1),  ninit  er  auf  den  rat  seiner  inann«i) 
die  Werbung  selbst  in  die  band.  Dass  Hartmut  von  seiner  muthtr 
getäuscht  wurde,  bemerkt  1018  ausdrücklich:  damit  erledigt  sich  der 
einwand  von  W.  lä;  „unglaublich  ist  die  ertiudung,  dass  Hartmut 
Kudrun  noch  einmal  in  die  bände  seiner  mutter  gegeben  hniie,  nach- 
dem er  sich  übereeugt  hatte,  wie  übel  ihre  zucbt  gewesen  war."  Kbenso 
brig  spricht  W.  IS  davon,  dass  Hartmut  bei  der  erst«n  abreise  Kudntn 
in  die  bände  seiner  mutter  gebe,  „weil  er  die  geduM  verliere**:  totti 
muas  er  doch  die  geduld  bewiesen  haben,  ehe  er  sie  verlii>ren  kann. 

So   uusfQhrlich  wie    biiiber   kann   ich    natürbcb    die    übrigen    vou 
WUmauus  hervorgehobenen  stellen  nicht  bebandeln.     <:ontaminatiOD  BOU 

I)  Vgl.  narh  Wiltnann»  n.  'M6.   nobach  »n  «inirr  andtirii  •Ultn 
iluilictie  nebendiiige  ale  iiiipücite  (iD|fedaut<;t  voiBUgeeett  WDTd«u. 


\ 


ZUR  KUDKUN  lUO 

ferner  (W.  abschnitt  II)  da  vorliegen ,  wo  das  widersehn  der  Kudrun  mit 
bräutigam  und  bruder  und  ihre  rückkehr  zu  Gerlind  geschildert  wird. 
Wilmanns  fasst  zunächst  die  vonMullenhoff  als  Interpolation  beseitigten 
Strophen  1274  —  1279  als  rest  einer  zweiten  selbständigen  dichtung. 
Weil  hier  Gerlind  Kudrun  schilt,  als  ob  diese  mit  niedrigen  knechten 
gesprochen,  so  nimt  W.  an,  Gerlind  habe  das  vertrauliche  gespräch 
mit  den  männern  beobachtet.  Müste  dann  nicht  die  strophe  1322, 
welche  W.  zu  derselben  dichtung  (a)  rechnet,  ganz  anders  lauten? 
Sie  dürfte  dann  nicht  als  Vermutung  aussprechen,  dass  Kudrun  auf 
irgend  eine  weise  botschaft  aus  ihrer  heimat  erhalten  habe ;  die  von  ihr 
beobachtete  Zusammenkunft  mit  unbekanten  mäste  ihren  verdacht  sofort 
auf  die  richtige  spur  fahren.  So  bleibt  nichts  übrig,  als  die  vorwürfe 
der  Gerlind  1275  ff.  rein  für  eine  aus  der  luft  gegriffene  Verdächtigung 
zu  erklären,  und  da  dies  gekeife  mit  der  folgenden  frage  nach  der 
Wäsche  ausser  allem  Zusammenhang  steht,  es  als  müssigen  einfall  eines 
zudichters  aufzufassen. 

Doch  W.  will  zwischen  der  darstellung  des  wiedersehns  in  a  und 
in  h  noch  einen  weiteren  unterschied  gefunden  haben:  in  a  kommen 
die  beiden  am  abend,  in  h  am  morgen.  Für  den  ersteren  Zeitpunkt 
beweise  1225,  3,  wo  Kudrun  sagt  wir  müezen  scheiden  hinnen,  „Aus 
zwei  gründen",  sagt  W.  s.  28,  „tut  eile  not:  einmal  damit  sie  nicht 
zu  spät  kommen,  sodann  damit  sie  nicht  [mit  den  männern  zusammen] 
gesehen  werden".  Warum  soll  dieser  lezte  grund  nicht  genügen? 
Wenn  Kudrun  sagt,  wir  müssen  fort,  anstatt:  wir  und  ihr  müssen  uns 
trennen,  so  ist  der  grund  für  diese  ausdrucks weise  doch  sehr  einfach: 
sie  kann  den  männern  nicht  befehlen  wegzugehn.  (Vgl.  .Klaus  Groth 
„ife  sä  mi  so  v^ü",  wo  aus  dem  strophenschluss  ^Jehann,  ik  mutt 
fori^  auch  schwerlich  ein  schluss  auf  die  tageszeit  gezogen  werden 
dürfte). 

Nach  Wilmann8_8.  32  soll  str.  1320  auf^  1330  folgen.  Danach 
hätte  Kudrun  zunächst  sorgfältig  die  türe  zu  ihrem  und  des  gefolges 
schlafgemache  schliessen  lassen,  dann  erst  übermässig  aufgelacht.  Das 
lachen  ist  doch  wol  ein  unwilkürlicher  ausbruch  des  gefühls,  wie  er 
beim  mahl  der  frauen  inmitten  der  feinde  Kudrun  wol  überwältigen 
konte.  Aber  erst  sorgfältig  schliessen  zu  lassen,  dann  aufzulachen:  das 
wäre  doch  eine  wunderbare,  ja  komische  Verbindung  von  selbstbeher- 
schung  und  sichgeh nlassen.  Ganz  verständig  dagegen  erzählt  die  Über- 
lieferung: Kudrun  lässt  die  türe  schliessen,  dann  teilt  sie  ihren  frauen 
die  künde  von  der  nahen  erlösung  mit.  Natürlich  braucht  sich  1362 
nicht  notwendig,  wie  W.  meint,  auf  1320  zu  beziehen,  sondern  kann 
auch  1318,  4  meinen. 


Ä.3b  nimt  Wiliimntm  duraii  uiimIohs,  t]a»s  131)5  „die  IVauoii  schon 
goaeasen  und  wncker  getrunkeu  üabeu"  aml  131G  ihueii  wider  schenkon 
uiid  truchsesseu  beHtimt.  vmn  und  speise  (gebracht  werden.  AUerdingN 
berichtet  1305  Kwar  nioht  vom  Bitzeii,  wol  aber  vom  trinken  nach  dem 
bade.  Wie  man  bei  den  bauern  auf  dem  SchwajKwalde  noch  jeit 
beobachten  kaiin,  war  es  im  niittelalteV  sitto,  bei  oder  nach  dem  bado 
wein  zu  trinken,  völlig  uiibesebadet  des  trmikes  beim  folgenden  mahle. 
Wider  etwas  andere«  ist  der  nachttruiik  1329,  4,  Man  kann  also  unserer 
Kudiiindichtung  wol  grosse  ausführlicbkeit  in  diesem  punkte,  aber  keinfiit 
Widerspruch  nachsagen. 

Im  absobnitt  Ul  behjiiidelt  W.  den  erstuu  echten  teil,  die_WOT- 
bung  unj^ilde.  Auch  hier  ninit  er  zwei  diclitungen  an:  in  a  geben 
sich  die  boti'n  üi^tels  für  kaufleute  aus,  in  b  für  geScbtete  landes- 
herreu.  Was  hier  zu  h  gereclmet  wird,  bat  Möllenhofl'  grossonteils  als 
Interpolation  augeseben.  Wilmaiins  meint  ä,  i'2,  ein  interpolatnr  k^noe 
iiiclit  aus  freiem  antriebe  auf  den  einfull  gekommen  sein,  wnnn  er 
kaufleute  vorfand,  siu  zu  filmten  zu  machen,  am  wenigsten  im  MA., 
wo  edle  geburt  mit  bürgerlichem  gewerbe  unverträglicher  schien  aU 
heute.  Aber  wenn  das  kein  intorpolator  dmfte,  wamm  durlle  os  der 
^.  coutaminator?  Hat  er  doch  nach  den  annahmen  von  VV.  nach  sonst 
stücke  der  ursprünglichen  dichtung  weggßksseu  oder  v<DIIig  durch  neu- 
gedichtete  ersezt.  Und  nun  lässt  sich  doch  sehr  wol  vorstehen,  wk' 
ein  interpolator  dazu  kam,  die  vorgeblichen  kaufleute  sich  üherdiits  a1» 
vertriebene  fürsten  bezeichnen  zu  lassen.  Wenn  diese  selbst  iu  der 
echten  dichtung  so  verschwenderisch,  so  watt'enknndig  auftreten,  du« 
Hagens  hochmütige  selbstverblenduiig  dazu  gehörte,  uiu  nicht  die  tAa> 
schung  zu  durchschauen,  so  reizte  ei  den  interpolator  noch  mehr,  ihnen 
ein  völlig  fürsten  massiges  benehmen  beizulegen.  Er  verleiht  ihucn  alio 
eine  übermässige  pralerei,  ja  den  ebenso  übermässigen  nuerbiutungen 
Hagens  gegenüber  eine  solche  grobbeit  (323 — 3bü),  dass  es  völlig 
unbegreiflich  wird,  wie  der  wilde  Uagen  sieb  dergleichou  gefalKm  lassen 
kann.  Das  sieht  auch  der  interpolator,  aber  er  macht  die  saeho  nur 
sobliramer,  indem  er  Hagen  im  stillen  klagen  lässt:  »H7.' 

Um  so  weniger  vermochte  der  interpolator  der  vcrsuchllBg  >n 
widerstehen,  als  er  in  andern  vntführungssagen  die  Situation  vorfimd, 
die  er  in  die  Kudrundichtung  hineintrug:  freilieb  war  sie  du  mit  allem 

II  Du  vriliiiaiinti  s  53  »nni.  in  mnincr  pumiihraM  und  der  lidigL'fiJgU-o  bemei- 
knns  dir'  klurbeit  vermist,  su  HkRTBctee  icli  dontlic-hpr  387,  I  dat  un»  hie  u  hon 
niht  tcot  fTtHngfn  die  Am^  #fne  ,dasH  wh  »pinun  ^1's»nf  nicht  gt-m  hflnj'.  Dar 
liKohmiit  der  gLitc  verleidet  •lern  1(i>ui|,'i<  iiu<:li  ilco  gcniihi  dur  kuiistln^tuiig,  dta  *t 
,1^  «du  solclia  aiicrkeDt. 


ZUR   KüDEUN  201 

Übrigen  in  völliger  Übereinstimmung,  nicht,  wie  hier,  im  Widerspruch. 
So  im  gedieht  von  Ruther,  in  den  erzählungen  dei*  Thidriksage  von 
Osantrix  cap.  35,  von  Kodolfr  cap.  48.  Hier  sind  immer  bestirnte  gründe 
vorhanden,  weshalb  die  von  dem  einen  könige  vertriebenen  bei  dem 
anderen  auf  gute  aufnähme  rechnen  können.  Ferner  ist  es  in  der 
Rüther-  oder  Osantrixsage  der  werbende  könig  selbst,  der  sich  für 
einen  seiner  leute  ausgibt,  und  sein  übermütiges  benehmen  wird  von 
dem  gegner  notgedrungen  ertragen;  in  der  Rodolfsage  ist  der  flücht- 
ling  wirklich  ein  dienstmann,  dann  benimt  er  sich  aber  auch  in  der 
fremde  wirklich  als  bescheiden  schütz  suchender. 

Nun  construiert  Wilmanns,   dass  zur  dichtung  a  nur  Frute   als 
kaufmaun  gehört  haben  könne,  während  Wate  im  schiff  verborgen  lag 
(le/teres  eine  ganz  wilkürliche  annähme);  dass  dagegen  in  b  Wate  durch 
die  fechtprobe  Hagens  gunst,   Horand    durch    seinen   gesang  sich    die 
zusage   der  Hilde  gewonnen  habe.      Mir   scheint  die  fechtprobe    ihren 
reiz  grossenteils  einzubusson,   wenn  Hagen,   wie  es  einem  vertriebenen 
fürsten  gegenüber  geboten  ist,   annehmen  muss,   dass  er  einen  waffen- 
geübten gegner  vor  sich  hat.     Was  kann  ihn  danu  veranlassen.  Wate 
belehren  zu  wollen,   wenn  nicht  etwa  latidsmannschaftlicher  hochmut? 
Der  spass,   den  sich   der  könig  in  der  überlieferten  form    davon   ver- 
spricht,  dass  der  kräftige,   aber   ungeübte   kaufmaun  seiner  fechtkunst 
gegenüber  sich   vergebens  abmühen  werde,    geht   hier  völlig  verloren. 
Ablehnen  muss  ich  auch  die  von  W.  46  vorgeschlagene  änderung  365,  4, 
wonach   bei   der  fechtprobe  sich  Wate   dem   könige   überlegen  gezeigt 
haben  solte.     W.  meint,   nur  so  lasse  sich  des  königs  unmut  erklären, 
welchen  er  lediglich  des  anstandes  wegen  unterdrücke.    Schätze  ich  den 
wilden  Hagen  richtig,   so  hätte  er  dies  nicht  so  hingehen  lassen:   sich 
von  dem  herausgeforderten  besiegen  zu  lassen ,  wäre  für  ihn  eine  schände 
gewesen,   die  er  hätte  rächen  müssen.     Aber  er  durfte  es  schon  übel 
nehmen,  dass  ihm  der  erwartete  spass  entgieng,   dass  er  in  dem  nach 
eigner  aussage  ungeübten  gegner  einen  fechter  fand,  den  er  selbst  nur 
mit  vollem  kraftaufwand  bezwingen   konte.     Er  unterdrückt  allerdings 
sein  misvergnügen  „seiner  ehre  wegen",   weil  er  es  unter  seiner  würde 
hält,  den  fremden,  den  er  für  einen  mann  niedrigen  Standes  hält,  dafür 
büssen  zu  lassen. 

Noch  auffallender  ist  es,  wenn  Horands  gesang  ihm  als  vertrie- 
benem lehnsfürsten  zukommen  soll.  Wie  könte  dann  Hilde  so  erstaunt 
sein,  als  sie  hört,  dass  Horand  einen  herrn  habe  (401)?  Das  wäre  nur 
möglich,  wenn  sie  in  völliger  abgeschlossenheit  vom  hofe  lebte,  wie 
dies  ähnliche  sagen  allerdings  erzählen  und  der  Verfasser  der  zuge- 
fügten erzählung   von  Hagens  Jugend   auch   von    ihr    berichtet   (198). 


Aber  (\&7m  stiuji  doch  wiili^i'  iiielit,  duas  äio  mit  liüu  j'ri>miluu  .in»  a» 
reiten  darf. 

Bei  iler  entfOlintug  sollen  wider  zwi'l  lieder  ereilcbtlicti  sein,  die 
WilmaiiDs  s.  71  reconstniiert.  Leider  bezlelit  sich  eine  stelle  dm  olnen 
liedes  auf  das  andre.  IM,  4  {b)  heii^^t  es  von  Hageu;  er  iruoe  nu 
höhe  sine  gfrstangc;  es  ist  natürlich  diejenige,  diti  er  '147  (a)  verlaoj^ 
hat.  Und  warum  siud  a  und  b  zn  trennen?  „In  b  kommen  der  kOuig 
nnd  seine  familio  aus  freien  stückcu  auf  das  schiff  der  H^golingi*,  denn 
sie  wollen  die  ansrfistung  der  reichen  ffirsten  Mßlieii,  in  a  sind  sie  &ti 
den  Strand  gekommen,  um  die  waaren  xu  beschauen,  nnd  Hilde  moss 
aufgehoben  und  gewaltsam  auf«  schiff  geführt  werden'*  (W,  C8  f.), 
Konten  aber  wirklich  nirht  der_kramladen  am  strande  uud  die  echift'e 
zu  gleicher  zeit  besichtigt  werden?  Der  dichter  von  str.  442  nimt  dies 
doch  nnbedenklich  an,  und  die  Vermutung  von  Wilmanns,  dass  die 
Strophe  vom  coutaminator  hcrrfihrt,   entbehrt  jeder  begründung.^ 

Ka  wären  noch  andere  vorachlftge  m  diesem  teile  des  gedicbta  üu 
besprechen,  besonder.^  zahlreiche  Umstellungen,  neae  auslegungen  usw. 
So  soll  nach  s.  90  str.  252,  1  wir  siUn  väcren  veile  wäfcn  undc  w^ 
bedeuten  „wir  wollen  den  kämpf  flbernehmen".  Nun  kann  wol  ein 
ritter,  der  etwa  um  zoll  angesprochen  wird,  um  anzuJeuten.  das»  er 
kein  zollpßiehtiger  katifmaun  ist,  antworten,  er  halte  vielmehr  walTea 
und  rflbtung  feil.  Ohne  eine  solche  Voraussetzung  kfiunen  die  worte 
nur  heissen  „wir  wollen  Waffen  und  kleider  verkaufen":  vgl.  Flore  32HO 
mUte  wät  die  ich  ceile  vilcre  durch  gcmn. 

Bei  den  Umstellungen  wird  fast  durchweg  nach  hiuwegrüumung 
eines  anstosses  ein  anderer  neu  bergestelt.  So  a.  fiO,  wo  Wilmanns 
nach  Wilkeus  verschlag  351  hiuter  353  stellen  will.  Aber  353  steht 
doch  zu  Zhi  in  der  deutlichsten  beziehung,  welche  str.  ;<51  vJSlIig 
durchschueideu  würde.  Nach  s,  63  soll  2!t6  hinter  21)9  treten.  Dann 
hatten  die  fremden  kaufleut«  auf  die  gewähruog  ihrer  bitte  wftrteti 
mfissen,  bis  der  könig  ihre  gescheuke  an  seine  leute  verteilt  hütt^. 

Nur  noch  auf  ein  principielles  xugestSndnis  s.  64  möchte  ich  auf- 
merksam machen.  Von  str.  313  sagt  Wilmanns:  „sie  iat  so  überflQsng, 
das8  man  schwer  begreift,  wie  jemand  dazu  kam.  sie  hinznznfQgeu". 
Eben  diese  Schwierigkeit  ist  aber  in  den  meisten  fSlIen  der  gnind  fOr 
Wilmanns,  nicht  die  von  MflUenhoff  angenommene  Interpolation  der 
überflflasigen ,  anstßssigeu  Strophen  anzuerkenuen,  sondern  contamlnution 
KU  vermuten.     So  gut  wie  er  hier  und  anderwärts  ablehnt,  doii  gnmd 

1)  Anch  ini^  Kntlivr  3J01  ff.  hat  An  apinlmann  itua  Urincbentunil,  der  RnUien 
gviuahliu  eiitfohr»!  wül,  fisine  trtiwt  nm  Imdo,  lockt  ftb«r  die  königin  anfs  Mtbiff. 


ZOB  KUDBUN  203 

für  die  fainzufügung  einer  oder  mehrerer  Strophen  nachzuweisen,  darf 
man  dies  wol  auch  in  andern  fällen.  Sonst  könte  man  ja  auch  bei 
jeder  abänderung  einer  verderbten  lesart  den  nachweis  verlangen,  wie 
die  abschreiber  zu  ihrem  fehler  kamen.  Gewis  verstärkt  es  die  Wahr- 
scheinlichkeit einer  conjectur,  wenn  der  grund  der  Verderbnis  oder  der 
abänderung  ersichtlich  gemacht  werden  kann;  aber  einen  evident  rich- 
tigen Verbesserungsvorschlag  nur  in  diesem  falle  anzunehmen,  ist  doch 
wol  kein  philologischer  grundsatz. 

In  abschnitt  IV  wendet  sich  W.  den  späteren  teilen  des  gedichts 
wider  zu  und  sucht  eine  dritte  bearbeitung  c  als  grundlage  nachzu- 
weisen, in  welcher  die  prophezeihung  des  schwans  an  stelle  der  erken- 
nungsscene  stand  (s.  103),  die  befreiung  bald  auf  den  raub  folgte  (111), 
Ortwin  schon  auf  dem  Wülpenwerder  mitgestritten  hatte  (115),  der 
Mohrenkönig  am  rachezug  teil  nahm  (116).  Wilmanns  selbst  sieht  die 
spuren  dieser  grundlage  als  schwach  an  (112).  Ich  möchte  noch  auf 
den  Widerspruch  hinweisen ,  in  welchem  der  strenge,  einfache,  paralleli- 
sierende  stil  in  der  verkündigungsscene  zu  den  durchaus  modernen  Stro- 
phen steht,  die  wie  jene  zu  c  gehören  sollen  (947.  1654  u.  a.).  Wil- 
manns selbst  hält  s.  164  die  stellen  von  833  ab,  an  denen  der  Mohren- 
könig vorkomt,  für  jung  nicht  blos  in  der  sage,  sondern  auch  in  der 
dichtung. 

Im  V.  und  längsten  abschnitt  werden  die  einzelnen  äventiure 
durchgenommen,  so  weit  dies  noch  nicht  geschehen  ist.  Ich  kann  auf 
das  einzelne  nicht  eingehen,  da  ich  keine  kritik  des  Wilmannsscheii 
buches  schreibe,  sondern  nur  seine  contaminationstheorie  abzuwehren 
suche. 

Der  VI.  abschnitt  behandelt  die  entwickelung  der  sagen  und  der 
dichtung.  Auch  für  die  sage  wird  eine  reihe  von  Wandlungen  ange- 
nommen, deren  spuren  noch  in  unserem  gedichte  sichtbar  sein  sollen. 
Wilmanns  schliesst  aus  jedem  einzelnen  punkte  der  erzählung,  was  wol 
vorausgegangen  sein  müste  oder  folgen  solte.  Er  nimt  dabei  keine 
rucksicht  darauf,  dass  die  dichter,  welche  mit  der  sage  sich  beschäf- 
tigten, gewis  oft  vereinzelte  punkte  abgeändert  haben,  ohne  die  conse- 
quenzen  für  die  ganze  sage  durchzuführen.  Zuweilen  urteilt  Wilmanns 
auch  ohne  genügende  rucksicht  auf  die  anschauungen  der  alten  zeit. 
S.  226  fragt  er  „wodurch  wäre  der  aufschub  der  Vermählung  (Herwigs 
mit  Kudrun)  motiviert,  wenn  nicht  durch  die  abneigung  des  mädchens 
gegen  den  werber?"  Die  nordischen  sagen  erzählen  oft  von  einem 
solchen  aufschub,  den  nur  der  wünsch  des  bräutigams  veranlasst,  noch 
vor  der  Vermählung  etwas  zu  volbringen,  oder  ein  ähnlicher  grund: 
s.  P.E.  Müllers  Sagaeubibl.  übersezt  von  Lachmann  s.  118  (sage  von 


20i  NABTU 

UtOrn  Üitdfolakappi:  die  braut  »oll  3  jatir»  tvnrUtn),  s.  itfi  (Lasdaila- 
saga:  ebenso  3  jahie).  Vgl.  auch  bei  Lachmaun  9.  199,  aoo,  Ebenso 
irrig  scheint  mir  die  betnichtmig  von  Wilmanns  s.  239  anm.  „wie  ist 
ea  mögiicli,  dass  Herwig  die  goliebta  (1262  ff.)  in  der  band  ilpr  feinde 
lasse".  Ähnliche  bedenken,  die  man  gegen  Shakespeares  dnimen  richten 
könte,   hat  Kümelin  treflich  zurückgewiesen. 

Noch  anderes,  was  ich  gegen  Wilmanns  zu  bemerken  habe,  füge 
ich  den  nachtrügen  7.u  meinen  amnerkungen  ein,  welche  ich  nunmehr 
folgen  lasse. 

Zunächst  ist  in  der  einleitung  zu  meiner  ausgäbe  hinzuzufügen: 
zn  s.  IV  f.  Barlfichs  ausgäbe  erschien  in  3.  anfl.  1)^73,  in  4ter  16BU; 
als  Schulausgabe  ohne  anm.  1K75.  Von  Übersetzungen  ist  nachzutragen: 
K.  Barthel,  üebersetzung  der  Kudriin  in  Nibelungenstrophen  in  der 
„Mitteruachtszeitung"  1839;  ferner  die  Qhersetznng  von  H.  A^nng- 
hans,  Leipzig  {1873],  die  von  G.  "L.  Klee,  Lpz.  1878.  Als  selbstflndiger« 
bearheitungeu  nenne  ich  noch  „Gudrun  von  J,  Schöpf*  (dialogisiert). 
Urixen  1858,  2,  auB.  IHüb;  .„Gudrun,  Schauspiel  von  J.  Grosse",  1872 
in  Weimar  aufgeführt;  „Gudrun.  Uifhtung  von  Karl  Niemaun,  MuNk 
von  Aug.  Klughardt",  am  2ä.  jan.  1882  zu  Nenstrelitz  nufgefflhrt:  end- 
lich ^Horand  und  Hilde.  Gedicht  von  K.  ilaumbuch",  Leipzig  1878. 

Zn  s.  XXXIII.  Die  heituat  des  Ititerolf  ist  Ostreich  nach  B.  v. 
Muth  Z-  f.  d.  a.  21,  182  fgg.,  ^  der  Kudrun  aber  wol  Baiern:  Scherer 
UV.  7.  63,  Das  durch  den  reim  herljeigeffihrte  lob  der  Schwaben  (744,  2) 
begegnet  auch  bei  Volrät  Z.  f.  d.  a.  6,  497,  heim  Tanhftaer  HMS.  2.  89*. 
Keliu  ebd.  3.  24'.  Törheim  (Lohmeyer)  s,  ;i7  v,  326.  Vgl  auch  die 
betracbtung  im  Wilhelm  von  Ostreich  Z.  f.  d.  a.  1 ,  225. 

Zu  a.  XXXV  z.  16  lies:  oder  die  stähe  (vendir)  der  Hiadninge. 
Von  den  Schriften  über  die  Kudrunsage  ist  hervorzuheben  G.  L.  Klee, 
Zur  Hildesage,  Leipzig  (diss.)  1873. 

Zu  s.  XXXIX  y..  4  v.  n.  Die  verwantschaft  der  Uildensage  mit  der 
von  Walther  und  Hitdegund  bemerkte  schon  J.  Grimm,  Lat,  ged.  384  ff. 

Zu  8.  LI  z.  12  V.  0.  Die  bevorzugung  des  brnders  vor  dem  brau- 
tigam  begegnet  auch  bei  Talvj,  Volkslieder  der  Serben  (Leipzig  1853) 


Zu  str.  2,  2  vgL  Gedicht  von  der  tmukenheit  v,  99  (Qrinim,  Alt- 
dentsche  Wälder  2,  191)  den  niunden  macht  sie  also  rieh,  itr  geswüer 
wol,  er  half:  si'teti  kunicrich. 

[Zu  Str.  4  und  18  behalte  ich  meine  alte  erkllrmig.  Volksreohto 
nnd  gedichte  unterscheiden  zwei  stufen  der  mündigkeit,  unvolkommeae 
und  Tolkommene:  a)  unvolkommene,  nach  dem  Ssp.  „sie  sinen  järcn 
h/mmeH",  uormul  I4tesjahr,  gibt  das  recht,  waffen  lu  tragen  (str.  4) 


2Ü&  ILUDBÜK  205 

und  für  sich  und  andere  zu  brauchen,  =  kneht,  b)  volkommene,  nach 
dem  Ssp.  „^ere  sinen  tagen  kommen"'^  normal  21te8  jähr,  gibt  die  pflicht, 
waflFen  für  sich  und  andere  zu  brauchen.  Der  mann  ist  vormuud 
seiner  frau,  der  könig  vormund  der  witwen,  waisen,  unterdrückten  etc. 
Darum  muss  er  volle  mündigkeit  haben,  darf  nicht  mehr  bloss 
knecht  sein  (str.  18).  Diese  volle  mündigkeit  konte  auch  vor  dem 
21ten  jähre  erreicht  werden  durch  den  ritterschlag  (swertleäe)^  denn 
volle  mündigkeit  ist  notwendige  eigenschaft  des  ritters,  der  mit 
den  Waffen  für  sich  und  andere  einstehen  muss.  Genau  hierzu  stimt 
Gotfrieds  bericht  über  die  erziehung  des  idealritters  Tristan;  vgl.  Nib. 
25  und  27  „wäfen  tragen"',  und  damit  aufnähme  in  die  geselschaft  der 
erwachsenen,  aber  vor  der  brautwerbung  und  der  ausübung  von  regie- 
rungshandlungen  (40)  ausdrücklich  noch  swertleüe  29  —  34.    Zacher]. 

Zu  6,  1:  Eiliaen  öbersezt  weduwelyclcen  stoel  durch  bona  quae 
mduo  vd  vidtme  post  conjt^gis  mortem  debentur.  Vgl.  Homeyer,  Der 
Dreissigste,  Berlin  (Akad.  Abh.  1864)  s.  244  anm. 

Zu  8,  2  vgl.  ßugge  MF.  105, 15  loan  da^  ich  friunden  volgen  soL 
Greg.  1279  volge  miner  lere  =  Laurin  320.  Der  Schlegel  v.  96  (Kol. 
Cod.  8.  159). 

Zu  15,  4  vgl.  Lohengrin  str.  124  ahi  tvie  rUerltche  ers  sit  erlöste! 
Zu  17,  4  vgl.  Bruder  Wernher  HMS.  2,  234*  mit  hundert  tusent 
Ionen  giltet. 

Zu  18,  1  vgl.  Blanschandin  (Germ.  14,  51)  ist  iemen  hünec  worden, 
phligt  der  niht  ritters  orden,  zware  deist  niht  endelicJi. 

Zu  19,  2:  über  die  attraction  des  pron.  rel.  s.  Benecke  zu  Iw.  7748. 

Zu  20,  3  der  armen  „bauern":  Birlinger  Alem.  1,  287. 

Zu  26,  1:  Tit.  6119  gestapfeit  sint  die  grede  mit  cristallen  ml 
ItUer.  Am  Erlitzbach  heisst  gredel  eine  steinlage  vor  der  türe:  Peters 
And.  zum  stoffsammeln  s.  41.  Am  Strassburger  münster  heisst  die 
Steinterrasse  vor  dem  ostportal  bei  Closener  die  grete:  Chron.  d.  deut- 
schen Städte  IX,  glossar.  Weinhold,  Altn.  leben  s.  219  erwähnt  „die 
süddeutsche  aus  lehm  gestampfte  ffrede^. 

Zu  27  fgg.  Kuther  1543  Ich  ne  weiz  war  zö  der  vurste  sal,  her 
ne  hette  ettewane  schal  mit  vroweden  in  dem  hove  sin. 

Zu  32,4:  Maerlant  Alex.  1,  647  ganst  „verbindet '^  die  wothden 
mit  goede.  5,  757  dan  sullen  giereglie  Grieken  hare  wonden  met  goude 
toieken. 

Zu  40,  3 :  Crestien  de  Troies,  Charette  1662  sor  hoens  chevax  Irots, 
Zu  45,  2:  Lohengrin  169  da;^  man  sin  bleip  gar  äne  schäm  . . . 
diu  viirsiinne  den  künec  hat  da^  er  ez  hieze  wenden. 


Zu  49  vgl.  djp  liitpinisfilien  verse  auf  ein  fest  tles  j.  1180  HM3. 
4,  715  aum. 

Zu  54.  3:  GrieshaWr.  Vaterländisches  381,  2  v.  u. :  der  selbe 
tiudf^  böte  (Zauberer  Simon).  MnL  Oaterspiel  613  Äc  i»  lier  iiuvd«a 
hode  {Antichrist).  Brandau  lig.  v.  Schröder  G93  des  t.  h.  Wackcraagel 
Pred.  281.  19  minnchrieve  (siud)  des  i.  b.  Noch  Ickelssmer  (bei  Wei- 
1,'and  und  Fechner)  dann  mit  dem  andern  tolicn  pf'affm  und  müncl* 
nolck  ists  offenbarlich  am  tag  daas  sie  d&t  imf'els  botfcn  und  koff- 
j/eahtd  sein. 

Zu  66  vgl.  die  achilderuug  des  greifmillugea  Tit.  4805  Ig.  und  di4' 
des  drachenfluges  Siegfiiedolißd  17  fl', 

Zu  67,  4  vgl.  Flore  248  und  Sommer  dazu.  HMS,  2.  211'  durch 
wunder  ich  daz  wunder  schribc.  :i,  278"  nu  müht  man  ir  ungenäde 
schriben.     3.  442  man  müht  iugent  von  im  Rckriben. 

Zu  62,  1  vgl.  Sommer  zu  Flore  1350.  Über  das  weinsn  der 
heldeo  s,  Licbtenstein  QF.  19,  OLXV.    J.  Bekker,  Homer.  Bl.  *J,  165  fg. 

Zu  62,  4:  Ghergang  aus  indirector  in  directe  rede  begegnet  aucfa 
Loliengrin  84.  10.  169,  9  (vom  herausgeber  nicht  bezeichnet).  Altnor- 
dische beispißle  ».  Döring,  Isl.  Saga  31. 

Zu  Gn,  3  vgl.  Üietricbs  Flucht  653  samit  unverscJtröten;  Ilaben- 
schlaiiht  93,  6  diu  cleider  unverschrölen- 

Zu  67,  2.  3  schlägt  H.  Hahn  in  den  tbesen  zu  seiner  diss.  Hall« 
1878.  vor:  welch  ein  swinde  vart  —  reit,  mit  berufiiug  auf  Parz.  492,  1. 
Nib.  1522,  2. 

Zu  73,  3:  drei  edle  Jungfrauen  werden  ao  in  der  wildnis  gefunden 
im  Friedrich  von  Sehwaben  (vgl.  Völundarkv.) :  Ühland,  Sehr.  1,484. 

Zu  98,  2  vgl.  Tit.  467,  wo  auch  die  kinder  laufen  und  springen, 
so  dass  ihnen  kaum  ein  tier  enlrint, 

Zu  98,  4:  Ebenso  wachsen  die  kinder  in  der  wildnis  auf  nach  der 
Schwaurittersage  Ältd.  Bl.  l,  i3l.  Vgl.  auch  Heinrich  v.  Neueustadt, 
Apollonins  :  Schrceders  Ap.  XXIX. 

Zu  99,  2:  Muerlant  Nat.  Bl.  oec  is  daer  een  wie  ghesetim  die  de 
rouwe  vische  cten. 

Zu  99.  4  [„er  lernte  alles,  was  er  wfinschte,  als  er  nach  heendi- 
giing  seiner  bedrflngnis  begann  zu  verstände  zu  kommen".    Zacher). 

Zu  101.  1 :  Über  de»  <famalion  8.  W.  Grimm,  Über  Freidank  71  ffe. 
.I&nicke  Z.  f  d.  a.  IG,  323.  Frauenlob  8.  27  noch  süeser  denne  der  Itt, 
fiamatjdne.  Vgl.  Ovid.  Met,  15,  411  guod  ithÜii  animal  nutritw  • 
aura.  Solinus  40.  22.  Noch  Shakespeare  Hamlet  lU,  2  King.  Soi 
fares  our  eousin  Hamlet?  Hamlet.  Exrrtlmt,  i'  faiih: 
tcons  dish:  I  eat  fke  air,  promise - crnuimfd. 


ZÜÄ  KUDRtK  207 

Zu  101 ,  3  ist  anstatt  Saxo  31  zu  lesen  87. 

Zu  105,  2  [hinter  sinne  punctum!  Nur  die  kräftigung  des  körpers 
und  des  geistes  ist  Wirkung  des  genossenen  gabilün  (101),  die  hier  der 
Wirkung  genossenen  Schlangenfleisches  gleich  gesezt  wird.  Dagegen  ist 
die  Verleihung  der  Schönheit  eine  unmittelbare  gäbe  Gottes,  in  welcher 
er  eben  seine  meisterschaft  zeigt.     Myth>  1,  14.     Zacher]. 

Zu  110,  1:  könte  mit  Salme  der  Solway  frith  bei  Carlisle,  also 
nicht  fern  von  Cardigan  gemeint  sein? 

Zu  114,  2  vgl.  Weinschlund  59  (Z.  f.  d.  a.  7,  407)  ichn  hän  ouch 
niht  so  guot  gewant  des  ich  ze  füeren  in  da^  lant  deheine  fröude  möhte 
hän.  Also  bedeutet  hier  z.  2  „welches  die  pilger  auf  ihrer  reise  an 
sich  und  bei  sich  hatten^. 

Zu  115,  4  vgl.  Kobold  und  wasserbär  Waek.  LB.  827,  1  ist  diu 
selbe  creäHure  gehiure  oder  ungehiure? 

Zu  119,  4:  Erec  3365  ich  hei^  ein  richiu  künigin. 

Zu  120,  3:  iserlant  =  Iserterre,  Clamides  reich  im  Parzival? 

Zu  123,  2.  Doch  vgl.  Nib.  1089, 1.  Etzel  sagt  zu  Küdeger  j^vriunt, 
du  seit  mir  sagen"'.  Klee  Germ.  26,  397  citiert  Klage  1731.  vriunt 
wird  ein  söhn  angeredet  Konrad  Parton.  6756;  der  bauer  im  Arm. 
Heinr.  430.    Eraclius  wird  vom  kaiser  so  genant  1110  (QF.  L). 

Zu  130,  4  vgl.  auch  Parz.  128, 10  dm  volc  er  sluoc  unde  vienc. 
119,  4  vögele  würgn  undvahen.  Diese  lezte  stelle  zeigt  deutlich,  dass 
die  Verbindung  dieser  werte  auch  ein  ^jotbqov  7cq6t€qov  enthalten  kann. 

Zu  132,  4  schade  unde  schände  sind  zahlreiche  beispiele  nachzu- 
tragen: Genesis  Fdgr.  2,  44,  25.  Eilhard  9186.  Lanzelet  116.  Eracl.  4633. 
Amis  2252.  Wigamur  2272.  Neidhard  57,  29  ein  schade  bi  der  schäm. 
Vie  du  pape  Gregoire  p.  16  sans  honte  et  sans  damage.  Noch  Leibniz 
Un vorgreift.  Gedanken  21  Gleichwohl  wäre  es  ewig  Schade  und  Schande. 

Zu  139,  3:  doch  s.  Grinmi  Gr.  4,  419. 

Zu  140,  2  [hinter  süenen  komma,  3  hinter  lande  punkt.    Zacher]. 

Zu  157,  3  vgl.  Kaiserchronik  373,  18  behangen  mit  golde. 

Zu  159, 1  vgl.  Eilh.  1994.  2125.  3061.  Dass  aber  der  versöh- 
nungskuss  altgermanisch  ist,  wie  Lichtenstein  p.  XXVII  sagt,  bezweifle 
ich.  Auch  die  beispiele,  die  Gregor  von  Tours  erzählt  5,  2.  39,  können 
durch  christliche  sitte  veranlasst  sein.  Im  norden  küste  man  bei  gruss 
und  abschied  (s.  auch  zu  284,  1),  ob  aber  auch  bei  der  Versöhnung? 

Zu  159,  4  vgl.  Nib.  34,  3  ze  riter  wurden.  1903,  4  hey  waz  er 
im  ze  vinde  der  Menen  Hiunen  gewan.  VgL  Gramm.  4,  291. 

Zu  161,  2:  BaUyghan  tnde  ich  allerdings  nicht,  wohl  aber  häufig 
BaUjf  in  zusammengesezten  Ortsnamen  Irlands. 

Zu  186, 1  1.  under  helme? 


Zu  188;  aucli  im  Erec  23i;i  emiifiliifjt  flcr  veruiähltL-  söhn  da« 
reich. 

Zu  194,  1  vgl  Tit.  401*0  hunilert  oder  m^rc.     Christoph  1287. 

Zu  196.2  vgl.  Trilhemjus  Ann.  Hiraang,  (ed.  Mabilloii,  S.  GalU 
1690)  2,  472  non  erat  ei  (Friedrich  voü  der  Pfalz  um  1470)  mos  vd 
conaustudo  pauperum  exurendi  domiciHa,  seil  pccuma  reäempta  ., 
intacta  relinquebal. 

Zu  1915.3  vorgeta^ne  hi  wol  verderbt;  aber  etwas  befriedigeadefl 
iflt  dafOr  noch  nicht  vorgeschlagen  worden,  ungeUene?  ungelecie  hat 
Zweter  HMS.  2,  2I7\     HeinKel  Tennutßte  vogetic 

Zu  107,4:  Mutter  und  tochtor  heissen  beide  Hilde;  vgl.  Trist. 
9775  die  smliijcn  Isöle  swo. 

Zu  198,  2  vgl.  Herzog  Friedrich  von  der  Normaudie  1494  ff.,  wo 
die  Icöuigätochter  ebenfals  iu  strenger  abgenchlossenbeit  auferzogen  wird. 
Vou  behüteter  Jungfräulichkeit  werden  ähnliche  ausdrücke  wie  hier 
gebraucht  in  Köckerts  Röstern  und  Suhrab  7,  wo  Teniina  sagt:  wem« 
du  eum  Weibe  mich  begehrst,  bin  ich  dein  Weib;  nie  Mond-  nodt 
Sonneslrahl  berührte  diesoi  Leib.  Von  der  abgeschlossenheit  einer 
aussätzigen  Hör,  Belg.  2,  s.  97  Vaer  in  so  lack  si  sevcn  jaer  dat  tt 
noch  sonne  noch  mane  ensach.     Vgl.  ebd.  101. 

Zu  199,  1  vgl.  Helreid  BryuliUdar  6  vor  ec  vetra  tölf  ..  er  K 
ungom  jfram  eipa  seldac.  HMS.  3,  442*  ich  was  in  dem  ewetften  jän. 
Kbd.  3.  216»  i". 

Zu  203,  2  Hävamäl  64  pd  hmm  pat  finnr  er  mep  fnrcnum  Icomr 
iit  engi  er  einna  hvatastr. 

Zu  208,  1  vgl.  Haupt  zu  Erec'  3106. 

Zu  212,  3  vgl.  Parz.  22,  17  erst  für  küneges  künne  prkant. 

Zu  230,  2  1.  wolle  Wate  si«  gegen  Jrlande  mit  uns  der  lote  (B», 

Zu  240,  2  da^  tuon  ich  gerne  wol;  vgl.  261,  2  vli^icliohen  wot 

Zu  252,  1  Hävam.  40  viipnum  oc  rdäutn  gleäjae. 

Zu  254,  3  Laurin  193  davon  (vou  einem  gfirtel)  hat  er  mielf* 
manne  craft.  Ortnit  IOC  ewelf  m.  sterke  (von  einem  ringe  bewirkt). 
Wolfdietrich  A  31  fänfeic  manne  sterke.  Titurel  137Ü.  1423  fünfmmm 
sterke.     Lohengrin  58  ein  gürtd  der  gap  im  ahte  manne  sterke. 

Zu  257,  3  Friedrich  von  der  Normandio  2255  at  skulde  thd  «f 
aar  um  kring  if  haftvith  vte  fipta,   them  monde  kost  eij  thryta. 

Zu  261 ,  3 :  fiber  galride  ».  Jänicke  Z.  f.  d.  s.  15, 163.  Die  form  ist 
auch  iu  das  Altnord,  äbergegaugen:  galeiil.  Sie  erscheint  ausser  der 
Kudmu  und  Herzog  Ernst  nnr  iu  niedurrheinischen  und  niederländiBcheo 
(juolleii;  ebeu  dort  ist  das  mlab.  ijaldda  m  hause  Dieselbe  eodi 
zeigt  ranl. 


2üB  KUDBUM  209 

Zu  264,  4:  Schönbach ,  Andreas  Kurzmann  26  und  pinden  auch 
den  paum  mit  eisen.    Beöv.  216  vudu  iundenne. 

Zu  269,  1:  Br.  Wernher  HMS.  2,  228^  üf  dremel  wol  gedillet  stät 
gespenget  wol  (ein  haus). 

Zu  275,  4  costliche:  vgl.  1104,  4.  Parz.  750,  30  nach  im  ist  kosten- 
lieh  min  vart.  Doch  auch  listecliehe  hätte  parallelen:  Völs.  s.  XXVII 
peir  büa  nü  ferä  sina  listuliga. 

Zu  280,  4  vgl.  Lohengrin  168  swes  man  da  eines  an  si  gert, 
der  wurdens  voüeclichen  driu  gewert. 

Zu  284,  1.    In  der  stelle  aus  Buodlieb  ist  figunt  zu  lesen. 

Zu  286,  4:  gestaheter  eii  ist  doch  wol  der  auf  den  richterlichen 
stab  abgelegte:  vgl.  den  schwur  auf  das  schwort  u.  ä.  So  heisst  es 
Fastnachtsspiele  591 ,  13  ir  wert  .  .  geloben  ain  Sicherheit  an  disem 
Stab.    Daher  der  scherz  iin  Parz.  151,  27. 

Zu  288,  4:  der  Vorwurf  unsinniger  lüge  mag  doch  auf  eine  Über- 
lieferung gehen,  wonach  Hagen  verächtlich  oder  hassenswert  erschien. 
Freilich  ist  der  mehrfache  rührende  reim  lästerliche  :  tobeliche :  geliche 
nicht  unbedenklich.  Auf  jeden  fall  muss  (wie  schon  C.  Hofmann  vor- 
schlug) die  vorhergehende  zeile  näher  mit  der  4ten  verbunden  werden: 
da^  er  herre  wcerc;  noch  besser  wäre  dann  die  Verbindung,  wenn  z.  4 
begönne  da^  liegents  töbeltcJhe.  Ein  ähnlicher  tadel  abweichender  mei- 
nungen  begegnet  Eraclius  einl.  v.  60  ich  wil  wiz,z,en  das,  si  toben  die 
mir  der  rede  wider  sinf.  Vgl.  auch  0.  Zingerle  zu  Sonnenburg  s.  96.  Zu 
unserer  stelle  passt  ferner  besonders  gut  Alberic  von  ßesan^on  27  Dicunt 
alcun  estrobatour  quel  reis  fud  filz  d^encantatour :  mentent  fcllon  losen- 
getour.    Vgl.  auch  Diemer  Ged.  86,  12  «m  muget  ir  wcenen  da^  ich  tobe. 

Zu  322,  2  vgl.  Kaiserchronik  355,  3  wir  hän  pröt  unde  win. 
ebd.  54,  22.  Eilh.  2616.  Morolf  2140.  Oswald  (EttmüUer)  2241,  wo 
freilich  auch  wUtprcete.  Lohengrin  187.  Gotfr.  Lobgesang  (Z.  f.  d.  a.  4, 
524)  29,  7.  Busant  872.  Neidhart  HMS.  3,  242'  sin  win  und  ouch 
sin  brot  da^  wellet  ir  in  vröuden  mit  im  e^^en.  Friedrich  von  der 
Normandie  2775  Äaw  ßrde  met  sik  viin  ok  brödh  th^  dugher  vcel  fore 
hungirs  nödh. 

Zu  330,  1  vgl.  J.  Zingerle,  biten  und  gebieten  Germ.  8,  381. 

Zu  333,  2  vgl.  Eraclius  1953,  y^o  frauenmäntel  lanc  tief  unde 
wU  genant  werden. 

Zu  336,  3  lies  anstatt  Kudr.  697  vielmehr  767,  1. 

Zu  339,  4  vgl.  besonders  Osw.  2445  diu  juncfrowe  sttwnt  in  aller 
der  gebeer [d]e  ais  ob  e^  die  junge  kUneginne  wcere. 

Zu  349,  1  vgl.  Walther  29,  24.    Nib.  119,  3.    Klage  429  da^  ist 
.Üre.    Fastiiachtsp.  647,  3  das  ist  der  narrenrat  mein. 

^   PBILOLOOXB.      BD.   XY.  ^^^ 


210  MABTXH 

Zu  354,  4  vgl.  MF.  200,  4  man  so  guoten  .  .  noch  so  gemetttehen 
(als  den  dichter).  Hitter  und  frauen  unterreden  sich  in  schimphe  Lohen- 
grin  102. 

Zu  356,  2 :  Erecs  knappen  führen  2347  fg.  ein  jeder  pangier  Uop- 
huot  und  ein  kiule  tcol  besl<igen. 

Zu  360,  4  vgl.  Wartburgkrieg  1,  8  eUsam  ein  kemphe  er  stat. 

Zu  361,  1.  In  einem  meisterlied  (Germ.  3,  319),  worin  das  wett- 
singen mit  dem  fechten  verglichen  wird,  heisst  es:  aus  seinen  scMegen 
hindcr  mich  so  tef  ich  einen  Sprung  . .  wie  bald  ich  wider  auf  in  gang! 
Das  hin  und  her  springen  unterscheidet  die  französische  fechtsdinle 
von  der  deutschen. 

Zu  362,  3  viere  ^ein  paar"^  s.  Wackernagel  Germ.  17,  122.  Benecke 
zu  Iw.  821.  Erich  Schmidt  QF.  4  s.  79.  In  dem  eben  erwähnten  meister- 
lied sind  es  bestimte  zahlen:  drey  geng  mag  ich  wol  für  in  tan  . .  tii 
den  vier  teeren  bin  ich  guot.    Eracl.  1318  starker  siege  viere. 

Zu  364,  2  vgl.  Eilh.  4036  der  koning  von  zome  nedir  sag  icmI 
begundc  bunten  als  ein  kole. 

Zu  366,  1  ane  vride:  Eilh.  865  do  stünf  ez  ane  sone.  VgL  aach 
vriduz  bei  Lexer;  Maerl.  Torec  1544  alle  vrede  si  uuet. 

Zu  366.  4  Franken  unde  Sahsen  sind  auch  bei  Konrad  Engelh. 
702  verbunden.  Franken  im  reim  auf  danken:  Maere  vom  Feldbaner 
Germ.  1,  350  v.  361 :  im  Spiel  von  der  Auferstehmig  Christi  (Mona  Altd. 
Schausp.  s.  123)  v.  465.  Berühmt  war  die  Schlauheit  der  Sachsen: 
Saxones  sagaces  Dünmiler,  Ostfränk.  Reich  207  anm.  Dagegen  schilt 
ihr  bäurisches  wesen  W.  v.  Hildegaersberch  1,  180  Soe  ben  ic  dammer 
dan  an  Sas  of  ccn  Tricsc  ruuf  van  aerde.  Vgl.  auch  Rein.  ed.  Mono 
1,  126  non  Sciftha  non  Saxo  sive  Suevus  ego. 

367,  3  lies  stcti  siz  anders  Uttcn  ? 

Zu  384,  3  Petters  Audeut.  zum  Stoffsammeln  s.  37  vergleicht  den 
Lobedauor  ausdniek  ültcr  Handstceilen.  den  schlesischen  (Weinhold  33) 
i'dtcr  Handsiceile.  Im  Ackermann  aus  B<^hmen  30,  6  hat  die  hs.  B  tu 
einer  hanftcihn.  die  andern  in  einem  handicenden  u.  ä.  Lezterer  wen« 
dnn^r  entspricht  handkehrum  Stalders  Id.  2.  17,  bei  Hebel  kandmmcher. 

Zu  3^4.  4  vgl.  noch  Hartmann  2  Büchl.  558  e  man  da  ein  mUe 

M*'*hti  oerUen, 

Zu  386.  4  v£rl.  Mai  14,  38  bl  dem  kinne  er  si  n>.  L  Bekker, 
Homer.  Bl.  2,  55. 

Zu  3S9  vgl.  Reinfrid  22400  die  ivgel  in  deti  lüften ^  die  vitdbe 
In  mcres  wäge  la<etai  untrage  dem  giifteclicken  done.  Bruder  BerthoM 
] .  öTl.  22  IS.  aUih  13)  Der  vtigcl  singet  in  dem  Infte^  dim 


ZÜB  KüDBÜN  211 

getU  in  dem  toalde,  die  vische  flie^ent  in  dem  wäge,  wurme  Jcrieehent 
in  der  erden. 

Zu  397,  3  vgl.  Konrads  Spott  über  den  Meisner  HMS.  2,  334** 
in  fuorten  über^  lebermer  der  wilden  grifen  zwene  :  da  lerten  under 
wegen  dorne  singen  ein  s^ene.  Dem  gesang  der  Sirenen  wird  öfter 
ähnliche  wunderwirkung  zugeschrieben  wie  dem  Horands.  Morolf  lernte 
seine  weise  zu  Indean:  str.  256. 

Zu  405,  3  lies  anstatt  933  vielmehr  953.  äbenl  unde  morgen 
auch  Exodus,  Fundgr.  2,  97,  45.  Alexander  (Massmann)  6818.  7168. 
Eraclius  2824. 

Zu  406,  3:  Über  die  12  Meistersinger  s.  auch  XJhland  Sehr.  3,  308. 
313.  Bumeland  von  Schwaben  HMS.  3,  69  zwdf  meistersinger  mohten 
niht  volsagen. 

Zu  406,  3  ze  prise:  vgl.  Gotf.  Tristan  2291  (mcA  sanc  er  wol  ze 
prise,  3217.  3588.  Lohengrin  223  der  künde  ez,  wol  ze  p.  Zweter 
HMS.  2,  214**  Untriuwe  und  Schande  singent  vor  ze  p.  Neidhard  HMS. 
3,  215'  reien  wol  ze  p,  Tanhuser  HMS.  2,  88^  unt  stricke  in  (den 
kränz)  wol  ze  p. 

Zu  412,  4  lies  swer  iuch  dar  gevuocte:  vgl.  704,  2. 
Zu  415,  2   vgl  Eonrad  Schwanritter  380   hei^e  ich  unde  hin. 
Hester  1546  da^  Juden  heilen  unde  sin.    Eraclius  4487  da^  er  keiser 
hie^  unde  was. 

Zu  420, 1  vgl.  Wigamur  4167,  wo  zu  lesen  ist:  die  fürsten  giengen 
aber  sä  hin  dan  sundersprächen.    do  sprach  der  künec  von  Vlächen. 

Zu  432,  3  vgl.  Ortnit  67  j^Ich  wil  ouch  gegen  Riu^en^  sprach 
der  küntc  iljas.  „e^  näheni  vaste  dem  järe,  da^  ich  da  heime  was, 
ich  scehe  gern  da  heime  min  wip  und  ouch  min  kint^.  Ruther  4961 
urlof  lier  z6  deme  koninge  nam,  iz  was  der  herzöge  von  Meran  (der 
alte  Berchther)  nach  deme  dar  heime  sin  unf  dicke  weinite. 

Zu  435,  4:  auf  3  jähre  verproviantiert  sich  auch  Ortnit  42.  216. 
Zu  436,  2 :  Die  abschiedsformel  got  der  muo^  dich  bewarn  be- 
gegnet auch  Ortnit  544,  3.  Vgl.  Keinh.  1150  ich  wil  vam  :  got  müe^ 
iuch  aUe  wol  bewarn,  Walther  90,  2  von  dem  ich  habe  die  sele,  der 
nme^  dich  bewarn.  Noch  Gryphius,  Geliebte  Domrose  2:  Ja  Gott 
bewahre  euch,  ich  muss  eilen.  Aschenwedel:  Nei,  es  heisst  nickt: 
Gott  bewahre  ech;  wir  müssen  vun  wos  anders  mit  anander  reden. 
Wolfram  gebraucht  beim  abschied:  got  hOete  din:  Parz.  124, 17.  144,  3. 
159,  3.  Aber  auch  bei  der  anspräche:  got  holde  dich  (iucK):  Parz.  138, 
27.  147,  19.  30. 

Zu  453,  2:  im  Mnl.  heisst  over  wilde  haf  „über  das  meer^  im 
gegensatz  zur  fluss-  und  küstenschiffahrt:  Taalk.  Bydr.  l,  46. 


Z'ä  454.  1  TgL  AüD.  Heinrich  1410  ^'  entcegiem  wie  gMrm 
t::  frcuir       Eracl  3«:'31.  3916. 

Z~  4^r-.  1.  ^  Tgl.  Klage  554  pit  mam^  redten  tmgem.  9ine 
',c.'i:€K  %i>iii  9iioM*^€n  ipflouben  BCD    daz  er  Hagen  gdorsie  begUm. 

Zu  474.  1  fstif  lo^^endem  mH<4e  rgl.  Haupts  anm.  zo  Erec'4745. 

Z_  47^.  ä  i.  an^mt  =  vielmehr:   hier   so  viel   als   (Wilmanns 

Zz  4^X  4  TgL  Fnndgr.  2.  IS.  37  daz  mnffen  wir  KUe  ertiden. 

Zu  4'».  2:  el-ensii  irüiiisch  Oswald  2857  ker  swdker.  sU  mir  goi- 
tciliomi-n 

Za  4?2.  2:  Tit.  124<J  Und  aiU  herg*  rem  gdde  . .  da^  gebe  »cfc 
dir  zi  syndy,  A'oo*':  b^'X  Ä^V^i  rem  oiJde  \des  Witr  er  in  gewerende). 
52o5  'jfiliitn  Uro*:.  Drei  Wünsche  iWact  LB.*  ^16. 3»  so  wil  iA 
mtuehen  zikavii  r-.vN  o-^iU  eineii  Qrozen  herc.  Bosant  fOS  wereni  aOe 
bir^.  g:Jt.  -iiV  ir-.wV  t>/i  itm<:r  durch  dieh  hin:  vgL  anch  229.  HoIEduuui 
Hör.  Belg.  2  $.  51  Dof  all':  bergk^n  goud^  tcaren  en  aOe  waiers  wgn. 

Zn  497.  1 :  ^l  9j'r**h4':ft  an  den  s^nt  ist  zn  früh  enählc:  vgL  503. 

Zu  501.2  :ru>:  -Gr::lg?len:e":  vgl,  Klage  661:  s.  Klee  Genn.  25, 400. 

Z-  5i*.*.  1:  Ül»rr   icL  ^iusge^iehntea  gebrauch  von  Uni  s.  Wacker- 

Li^rl.  Lrt«c:isäl:rr   19 

Zi  512.  4:  hir:  lÄlIei  '>>.<  von  Wates  mannen:  545.  3  sind  fiber- 
iiu::  äu:  >e::r  i-f-r  He^rliiigt-L  o»>j  gefallen. 

Zti  51  o.  4  vr'.   T::.  4*.*62  d\z    Wide    {man   und   ros)  lebten,   den 

was    ffOi   'Ji'^Wi\'Jz'h. 

Zu  523.  4  Tgl.  H.  V.  Türün  Krone  3671  Mai  er  die  rode  gewede. 

Zu  531.  2  Tgl.  Jü!;gere  JuJiih  .Diemer.  Ged.  des  XL  und  AML  Jh.) 
It9.  17  «i-V:  z-r  mir  oibinUi,  >'  *n7  »Vi  iemker  *5it. 

Zu  5o7.  1  Tgl.  uc-ob  Heruiskinierec  2  inseien  iwe  ridders  ene 
•.rr-tur-'. 

Zu   54*  .  2   vgl    Frirdrioh  t.  i.  Normandie  2633   Ow  sfotta  firma 

Zu  541.3:  i^  /.üwis/üf  won  lei^?:  ans  dem  deutschen  ab  Lott- 
Lt:.  Kuhi.5  Zs.  11.  175. 

Z:  ö4^.  1 :  }*ruT':  7u.^  Aihis  C*  >.  Adelheid  Langmann  1^17  do 
*-  d-yi.  r"-r^vr>ri,-:-:  v:.ii.  Für  ias  nordische  bniädrft^.  •paOr  siehe 
•.  .rÄs:*T  -  V.^ .:  ji  1 

Z-  'bA,  i:   3«  Hrideni  is:  eijjeniliob  ein  rrischenmal. 

Zu   5f>;   Tgl   Wcifiirtneh  B  256     sohluss   des  Hngdietrieh):    er 

■hji  ^tner  viAter  i^pi. 

Zu  562.  4  Tel  auch  479.  4 


ZÜB  SUBBÜN  213 

Zu  569,  4  vgl.  Gregor.  729  ein  herrCy  des  namen  ir  tcol  gdich. 

Zu  581,  1:  der  Text  der  Geographie  des  Rad.  v.  Ems  (diese  Zs. 
13;  199)  hat  icaria. 

Zu  583,  3:  Zweter  HMS.  2,  192  stoie  scd  er  an  der  Mute  si,  des 
schcene  stät  vür  maneges  schcene  gehrcenet 

Zu  587,  1:  Auch  in  Strickers  Karl  344  begegnet  die  form  Orme- 
niehlant.    In  historischen  quellen  (mlat):  Mone,  Unters,  zur  HS.  s.  31. 

Zu  588, 1 :  die  nordische  form  Sigrltnnr  spricht  für  germ.  nj). 

Zu  596,  4:  vor  439,  4  ist  einzuschalten  81,  4.  116,  4.  330,  4.  Im 
cäsurreim  erscheint  spise  :  tvise  I131i 

Zu  598,  4 :  über  die  bezeichnung  gemischter  gefühle  s.  Lichten- 
stein zu  Eilhard  CLXXIV. 

Zu  610  vgl.  Lohengrin  33  ein  hoher  gräve  der  warp  umbe  ir 
minne.  sie  sprach  „icÄ  wände  da^  min  vater  iuwer  herre  wcsre.  LAcifer 
der  het  iuwer  muot,  da  von  er  viel,  als  ir  vü  lihte  selbe  tuot^. 

Zu  611,  3  minem  herren  =  „vater":  zu  777,  4.  Etwas  anders 
Ort.  217,  1  vaier   tmde  herre!    72,  2  vater  unde  herre,   man   unde 

kindelin, 

» 

Zu  619,  3  ist  zu  lesen:  hetumngen  mit  swtere?  vgl.  zu  MF.  s.  233. 

Zu  623,  4  vgl.  Wackernagel,  Poetik  393.  Ein  unzweifelhaft  ge- 
suchtes Wortspiel  bietet  der  Tit.  4639  so  waer  von  Kumberlande  ium- 
hers  fri  vor  im  der  kronebaere;  vgl.  auch  4650,  4. 

Zu  637  über  rücke  s.  Lachmann,  Kl.  Sehr.  1,  173. 

Zu  637,  3  vgl.  Kummer,  Erlauer  Spiele  XVlI ;  wozu  Z.  f.  d.  a.  8, 
382  noch  einige  beispiele  bietet.  Dieser  gebrauch  des  inf  anstatt  des 
part.,  der  sich  für  die  verba  praeterito  -  praesentia  im  Nhd.  aus  den 
älteren  starken  participialformen  erklärt,  ist  besonders  im  Niederrhei- 
nischen und  Niederländischen  verbreitet.  Beinaert  11  3699  als  wi  nu 
hebben  hören  spreken;  vgl.  4177.  Volksbuch  von  ßeinaert  s.  98  tote 
my  hadde  leeren  deylen. 

Zu  639,  3  vgl.  Ben.  X,  1194  Gonmanda  la  bare  en  sus  trere 
^den  schlagbaum  aufziehn,  um  jemand  in  eine  bürg  einzulassen". 

Zu  641,  3.  4:  auch  Heinrich  v.  Türlin  Krone  2208  fg.  unterscheidet 
Galois  und  Walois:  jener  völkemame  bezeichnet  Parzival,  dieser 
Kalogreant. 

Zu  643,  1 :  Der  eddische  Spruch  begegnet  zwar  nur  in  papierhss., 
wird  aber  bestätigt  durch  Völs.  s.  XXI  Berst  heldr  vid  üvini  pina  en 
pü  ser  brendr.  Andere  altn.  stellen  bei  Heinzel,  Saga  s.  41.  Vgl.  Parz. 
356,  11  veltstrUs  sol  uns  doch  baz  gejsemen  dan  da^  se  tms  üg  der 
märe  nemen. 

Zu  644,  3  vgl.  Walther  89, 17  owi  der  ougenweide! 


214  MABTIN 

Zu  644,  4:  Eindh.  Jesu  1523  werhaft  alse  biderbe  Uute. 

Zu  645,  3  vgl.  Yeldeke  En.  6413  lumus  dede  onrechte. 

Zn  649,  2:  Übeles  Weib  240  salde  diu  ist  sinewd  und  waUet 
umbe  als  ein  rat  Spervogelsche  spräche  im  anhang  zu  Freidank  8 
(Müllenhoff  Sprachproben*  113)  Gdukke  die  sint  sinewel. 

Zu  651,  4  vgl.  Klage  390  min  allerbeste^  künne. 

Zu  652,  2:  gewafiiet  vor  die  frauen  zu  treten  ist  gegen  die  euht. 
Haupt  zu  Erec*  8966.  Zamcke,  Gato  s.  132,  Tisehzucht  v.  138  so  sdUu 
niht  für  frauwen  gän  gestcertot. 

Zu  656,  3 :  über  lihte  als  Standesbezeichnung  s.  auch  Bech  Germ. 
7,  86. 

Zu  657,  4:  Bock  QF.  27  s.  20  begründet  Vollmers  lesart  holder 
danne  ich  uxere  tu  deliein  maget  die  ir  ie  gesähet.  Wenn  er  aber  aus 
der  handschriftlichen  Überlieferung  toeib  magi  das  erste  wort  vorzieht» 
weil  maget  wol,  aber  nicht  toip  glossem  sein  könte,  so  ist  vielmehr 
zu  beachten,  dass  der  Schreiber  der  Eudrun  öfters  nach  gntdfinken 
einen  satz  weiterführte  und  erst  nachträglich  die  lesart  der  vorläge 
hinzufugte:  226,  1  es  ist  mir  vil  tcol  gesait  erkant,  532,  3  sam  es  ein 
regen  tet  ioäre.  547,  2  manig  frowe  wayse;  vgl.  ferner  287,  3  sein  unäe 
wesen,  wo  ein  überflüssiges  und  hinzugekonmien  ist,  606,4.  747,2. 
882,  2.  1029,  3.  1094,  3.  1122,  3.  1155,  1.  1158,  3,  wo  wegen  des  wil- 
kürlich  gewählten  tretce  das  richtige  eide  weggefallen  ist,  1644, 1,  wo 
geßeget  zugesezt  ist,  1674, 1.  Einige  der  angeführten  f&Ue  hat  auch 
Bartsch  irrig  als  glosseme  aufgefasst:  Uerm.  10,  51  fg.  Zu  uiserer 
stelle  vgl.  auch  Hausen  MF.  54,  30  sU  daz  ich  im  holder  bin  danne 
in  al  der  fcerlte  ie  frauwe  eitlem  tnan. 

Zu  663:  1^  ist  überflüssig  nach  653,  1.  Dass  Hetel  abwesend 
sein  soll,  erscheint  nach  659  sonderbar. 

Zu  670,  2 :  die  stelle  aus  Strickers  Karl  entspricht  dem  Rolands- 
lied 5,  32  die  lant  ItestHnten  aller  meist  l<erc. 

Zu  673.  3  vgl.  Mone  Schauspiele  2,  52  (Redentiner  Osterspiel  v. 
513  fg.'i  tce  is  desse  ureldcftere  de  dus  kämet  airepide  here  oft  dai  al 
de  fccrlde  S9fn  egetie  $y?  Thid.  s.  liS9  rida  skulu  peir  mega  #  friäi  um 
alla  verold. 

Zu  674,  4  vgl.  buggean  ferahn  Hei.  309.  vulnera  mereri  Tac 
Genn.  14. 

Zu  680.  1:  rromce  gebraucht  Gernot  Kriemhild  gegenüber  Nib. 
1050,  2.  Siegfried  gegen  seine  mutter  Nib.  62,  3:  beides  in  interpo- 
lierten Strophen.  Die  mutter  wird  so  von  der  tochter  angeredet  "inilolL 
148, 19,  vom  söhne  161,  11.  m%u>ter  unde  froufce  Ortn.  71, 1.  74»  1  v.  0. 

Zu  692,  3  lies:  bezeichnet  hier  nur  — . 


ZUR  KUBRÜN  215 

Zu  695,  2 :  ituri  in  prodia  canunt  Tac.  Germ.  3.  Vgl.  Müllenhoff, 
de  poesi  chorica  s.  23. 

Zu  706,  3*:  als  dftö  i^oivod  aufzufassen:  Haupt  zu  Erec^  393. 

Zu  711,  4  vgl.  Tit  4200  die  dicke  machte  er  dünne.  Lohengrin 
692  die  dicke  rüme,    166  die  enge  rümet. 

Zu  725,  3  vgl.  Lohengrin  53  swar  ich  ze  stürmen  quam  oder 
in  strUen. 

Zu  744,  3:  richtiger  interpungiert  Wilmanns  s.  156. 

Zu  754,  4:  tilge  Das  —  versprechen. 

Zu  757  vgl  Crestien  Perc.  7936  ains  me  lairoie  trestoute  vive 
destrender:  andere  afr.  beispiele  bei  I.  Bekker,  Homer.  Bl.  2,  70.  Bruder 
Berthold  1,  27,  19  Und  wcere  ez  din  eigen  bruoder,  du  sottest  in  e  ze 
tüsent  stücken  lä^en  sniden  (als  für  ihn  einen  falschen  eid  schwören). 

Zu  763,  4  bemerkt  Wilmanns  s.  184  „das  Schreckliche  soll  man 
nicht  aussprechen",  und  vergleicht  1363, 1.  Aber  hier  heisst  Ludwig 
Gerlind  schweigen,  weil  er  erst  selbst  sich  von  der  gefahr  überzeugen 
will,  ehe  er  weiteres  anordnet.  Was  an  unserer  stelle  gemeint  ist, 
bleibt  unklar  und  die  richtige  Überlieferung  zweifelhaft. 

Zu  767,  2  soll  es  heissen  schenken  man  in  hie^  . .  vor  den  mceren. 

Zu  775,4:  Wolfr.  Will.  261,  20  da  si  den  heiden  schänden. 

Zu  782,  4  8.  B^tzer,  Zur  Gesch.  des  deutschen  Kriegswesens 
(Strassb.  Diss.)  Leipz.  1877  §  11. 

Zu  790,  4:  laststeine  hat  auch  die  Überlieferung  bei  Eilhard  8619. 

Zu  801,  3:  der  attributive  genitiv  scheint  mir  doch  bedenklich  und 
die  Änderung  minnecUche  sehr  naheliegend.  Etwas  anderes  ist  Nib. 
352,  2  ir  pmcfrouwen  dri^ic  meide. 

Zu  805, 1  vgl.  2  Büchl.  659  stcie  uns  scheiden  driu  lant.  Etwas 
abweichend  Parz.  744,  5  durch  vier  künecriche,  und  wider  Osw.  2167 
swenn  er  ez  (das  hom)  erschalte  creflidiche,  so  horte  man  e^  in  dem 
dritten  kwnicriche. 

Zu  808, 1  lies :  erzählung  von  den  gefallenen  rittern  Hetels. 

Zu  825,  4  vgl.  M.  V.  Craon  1749  fro  gesetze. 

Zu  862, 1  vgl.  Veldeke  En.  7159  doe  wart  da  begonnen  ein  sper- 
tcessel  vde  grot. 

Zu  863:  Saxo  (Müller)  s.  118  Hotherus  tunica  ferrum  spemente 
succindus.    Ebd.  122.  179. 

Zu  875, 1 :  Solche  rhetorische  fragen  begegnen  besonders  in  der 
geistlichen  dichtung  des  12.  jahrh.,  daher  sie  auch  E.  Schröder  QF.  44,  28 
aus  der  predigt  ableitet:  Exodus  (Diemer)  155,  23  une  moht  in  immir 
wirs  geschehen?  Friedberger  Christ  MSD.*  s.  78  wi  motiher  immer  wirs 
gsätm?    Bolandslied  56,  25   wie  maechte  iz  da  wunnechlicher  ^n? 


216  XASTTN 

Anegeiige  (s.  QP.  4-k,  28).  Doch  auch  Morolf  774,  5  tcie  mocMen  $i 
kuoner  sin  gewesen?  Eilhanl  vgl.  QF.  19,  CLXXVIII.  Selbst  noch  Erec 
2869  wie  möht  e^  ha^  zU  sin?  Stricker  in  Pfeiffers  Obongsbuch  s.  31 
V.  48  tvie  mähte  er  immer  richer  shi? 

Zu  888,  1  möchte  ich  die  annierkuug  so  fassen:  nH>rt  stm.  und 
n.  ist  an  sich  „widerrechtliche  tötung^,  naturlich  das  recht  im  sinne 
der  altor-  und  volkstümlichen  anschauung  genommen,  wonach  die  offene 
tötung  eines  feindes  etvas  durchaus  berechtigtes  war.  Was  Herwig 
meint,  wird  durch  die  nächsten  zeilcn  erläutert:  das  blinde  morden, 
welches  auch  der  freunde  nicht  schont. 

Zu  888,  4:  Tit.  2925  üz  drizigen  niht  der  dritte  kumt  nimmer 
hin.  3575  si  hringefit  niht  den  dritten  von  Plenanze.  4272  Er  brähfe 
niht  den  dritten,  Ludwigs  Kreuzfahrt  2132  ir  quam  der  drt^igisie 
niht  hin;  5931. 

Zu  893,  2:  eine  schwierige  stelle.  Wie  1348,  4,  so  legt  man  sich 
auch  sonst  mit  dem  haupt  in  die  schilde,  um  still  zu  schlafen :  Beinout 
261  leiden  hacr  hooft  in  hure  scilde  ende  sliepen;  vgl.  Heemskinderen 
49.  Allein  hier  muss  es  sich  um  die  oft,  auch  in  historischen  quellen 
erwähnte  kriegslist  handeln,  den  feind  durch  lärm  und  hello  fener 
glauben  zu  machen,  man  wolle  dem  Schlachtfeld  nahe  bleiben,  während 
doch  ein  entweichen  oder  ein  nächtlicher  angriiT  von  anderer  Seite  her 
beabsichtigt  ist.  Lezteres  ist  der  fall  Ruther  2684  fgg.  Der  lierzoge  v(m 
Merän  hie^  Dieteriches  man  vUzeelkhe  wachen  unde  großen  schal 
machen  . .  Dieterich  . .  der  reit  umme  die  hcideiischaft.  Zu  unserer 
stelle  und  zu  str.  894  gibt  ein  seitenstilck  die  erzählung  W.  Scotts, 
Tales  of  a  grandfather  1,  9  Tlic  Scofs  army  kindlvd  grcat  fires  througk 
their  encampmvnt  and  made  a  noise  and  shouting  and  hlowing  of  homs 
as  if  they  meant  to  rrmain  all  night  there  as  heforc.  Ein  geschicht- 
liches beispiel  s.  Winckelmaiin,  König  Philipp  s.  328.  Steht  also  in 
unserer  Strophe  z.  1**  und  2'  in  Widerspruch  mit  dem  folgenden,  so  muss 
die  Verderbnis  in  jenen  halbzeilen  gefunden  werden.  Aber  wie  ist  zn 
ändern?  na  Icgd  iuch  niht  zttal  itcer  houhet  üf  die  sehilde.  »» 
hahet  usw.? 

Zu  011,  2.  Zu  den  von  J.  Grimm  und  Jänicke  gesammelten 
stellen  fuge  hinzu  Eneit  0455  sl.  bclcvcn  onbegraven.  si  äten  krän  ende 
raren,  wun  ende  gire  end  ander  ondirrc,  die  si  den  soldeft.  Eilhard 
6046  den  rogclin  wart  da  ire  sjnse  uf  lange  Sit  gegeben.  Titurel  3823 
Da  lac  so  vil  der  toten  den  raben  ze  einer  spise. 

Zu  916  vgl.  Titurel  5852.  5862 ,  wonach  an  einer  begrUbni 
ein  kUster  und  ein  spitid  gebaut  werden. 


ZCB  KÜDBÜN  217 

Zu  925,  2  vgl.  Rol.  296,  18  Ter  kaiser  antwurt  ir  sä  „liebiu, 
liebiu  Alda,  ich  netar  nicht  lieg  in  .  .  laider  dune  gesest.  in 
niemir. 

Zu  940,  3  vgl.  Klage  320  vil  maneger  riche  weise. 

Zu  956,  1  s.  Langguth  Ava  20,  wo  aus  Hesler  eine  ausdruckliche 
bestätigung  dafür  beigebracht  wird,  dass  vrie  als  flickwort  dient. 

Zu  959,  1  vgl.  Valentin  Boltz  (Wackernagel  LB.  2»  145,  18)  0  wce 
du  tviester  grimmer  todt,  es  ist  nit  zyt^  laß  mich  on  nodt. 

Zu  961,  3  vgl.  Riither  1812  hundert  megede  lossam  die  volgeden 
ir  swären,   alle  valehere  (1.  valehäre). 

Zu  970,  2  vgl.  Lohengrin  77  daz,  sich  ir  aller  vreude  begunde 
riehen. 

Zu  986,  3:  über  den  conjunctiv  nach  dem  comparativ  s.  Bock 
QF.  27,  s.  7. 

Zu  990,  1  vgl.  Hartmanns  Greg.  381  und  tröste  si  harte  wol  als 
nian  den  frii^nt  nach  leide  sol  da^   nieman  erwenden  Ttan, 

Zu  z.  3  vgl.  Oswald  2333  da^  habe  üf  al  min  ere. 

Zu  996,  4  vgl.  Wackernagel  Z.  f.  d.  a.  6,  140.  Daher  in  den 
parodien  des  minnesangs:  Winterfreuden  mit  einer  Stuhenheizerin  Stalin 
Wirtemb.  Gesch.  3,  759.  Vgl.  die  topicka  des  Tkadleßek  in  der  Parodie 
des  Ackermanns  von  Böhmen. 

Zu  1011,  2  vgl.  Nib.  1046,  1.  2  Sus  sa^  si  nach  ir  leidCy  da:^  ist 
alwär,  nach  ir  mannes  tode  tool  vierdhalp  jär.  Gfutrünarkv.  2,  14  Sat 
ec  mep  poro  sjau  misseri. 

Zu  1015,  2:  diu  alte  tvülpin  wird  eine  böse  schwieger  auch  genant 
im  König  von  Reussen  (Pfeiffer,  Mai)  s.  XII.  XIV. 

Zu  1017,  2  vgl.  Neidhard  78,  1  solher  vlüste  hän  ich  her  geseilt 
wol  driz,ic  jär;  vgl.  67,  14.  Marner  (Strauchs  ausg.)  XII,  18  tvie 
stät  e^  über  drizic  jär?  Georg  4345.  5733.   Heidin  1009.   Titurel  6053. 

Zu  1018,  1  vgl.  Rol.  1,  24  ie  ba^  unde  ba^.  Br.  Wernher  HMS. 
3,  15^  ie  lenger  ie  ba^  unde  baz,,     Reinh.  F.  754.    Jüdel  103. 

Zu  1021,3:  über  die  siebenjährige  frist  s.  ühland  Sehr.  4, 
166.  7  jähre  ist  Salme  in  Pharaos  besitz:  Morolf  929  (Vogt  CLVI). 
Vgl.  die  Heidin  (Bartsch  Md.  Ged.)  595.  In  der  Schwanrittersage  (Altd. 
Bl.)  1,  131  ^söben  ganczen  j/ner'^  leidet  die  junge  frau.  S.  auch  Grimms 
Märchen  3^  s.  84.  154  Wie  in  den  Nibelungen  1327,  so  rächt  sich 
auch  ThS.  359  Grimhild  nach  sieben  jaliren.  Sprichwörtlich  MF.  67,  3 
Ich  lebt  e  mit  unge^nache  siben  jär. 

Zu   1030,  3    vgl.   Eilh.  4299   da^  im   wart  gesprochen  manch 

lasUr  in  dem  lande.  Wolfdietrich  A  127,  4  fg.  swenn  ez,  (die  aussetzung 

iAo)  (2ti»  weit  gefreischety   so  bist  du  der  liute  spot     Und  bist 


218  luiiTix 

auch  eetnem  hünege  Immer  m^e  enwiht.  Seghelyn  5536  %.  sondt  men 
ons  daerom  ontliven,  sttJc  soudcn  sprcJcen  die  nu  swiijhen  tta  den  rechten 
van  dm  lande. 

Zn  1033,  3  vgl.  Wigaraur  5126  fg.  äne  man  wdlt  ich  immer  sin 
p  da^  ich  wurde  Sin  wip.  mtnem  vater  nam  er  den  tip  ...  er  wwre 
»»n  gar  vil  richer  geschol  (Rudr.  1406),  ob  ich  haie  mannea  lip. 
Vgl.  anch  Parz.  414,  14. 

Zu  1036,  2  vgl.  Nib.  1730,  2  swa^  im  da  von  geachtht,  da%  itt 
mir  vil  tinmare. 

Zu  z.  4  vgl.  Wolfr.  Willeh.  380,  fi  stocr  daz  suocht,  da^  van- 
der,  ein  puneis  stach,  der  ander  stich.  Parz.  593,26  auch  sol  «fn 
suochen  vinden.  Wigamur  3714  er  vindet  da^  er  saochei.  6228  des  si 
beide  gerlen  da^  heten  si  gevunden.  Oswald  2807  st  wurden  beidenl- 
halp  geteert  alles  des  ir  herze  gert.  Maerlant  Torec  J569  die  didheit 
soect,  vintse  onlanc.  Jßngeres  Hildebrandslied  (Waek.  LB.  1*  1424,  3) 
wes  sie  begerien  forten,  des  wurden  si  gewert.  Aber  auch  in  freund- 
lichem sinne:  Georg  1708  ir  vindet  an  mir  swes  ir  gert  (gaBtfreund- 
ßchaft).  Stofl'eln  (Germ.  6,  396)  der  vant  daz  er  da  suoeJUe  (bewirtung). 
Röinfried  21628  ir  vtndetit  swae  ir  sttochent.  Lohengrin  237  dae  er 
suocht  dae  cander  (in  der  brautnacht).  Ist  die  redensart  parodie  tob 
Ev.  Mathaei  7,  7  Quaerite  et  invenietis? 

Zu  1089,  1 :  die  form  Holtseten  gebraucht  Hermann  (von)  der 
Damen  HMS.  3,  170". 

Zu  1096,  4:  Vogelbeize  als  vergnügen  der  Jugend  in  Ulrich,  Lanz. 
466  (ein  junkherre).  Huon  336  Gerars  li  menres  rejiaisi  un  esprevier. 
Lohengrin  177  beizen  vater  und  söhn.  Als  vergnügen  der  alten;  Erec 
2032  fg.    Doch  auch  der  eben  verheiratete  Tristan  beizt:  Eilh.  7196. 

Zu  1101,  4:  die  60000  Diannon  Hildens  mit  den  20000  Ortwina 
(1100,  3)  ergeben  zusammen  die  öfters  erwähnten  80000.  Eine  andere 
zählang  1120. 

Zu  1109,  2:  über  glockenspise  s.  Schßnbacb  Kurzmaun  27. 

Zu  z.  3  vgl.  M.  V.  Oraon  680  sin  anker  wären  messinc 

Zu  1117,  4  vgl.  M.  Y.  Craon  760  sine  mamtere  die  sungen  unde 
ruoten. 

Zu  1119.  4:  Kftaigsfaoven  (Regel  Chr.  d.  d.  St  1.  338)  das  ghiff 
im  oueh  zuo  kanden.  Trimnnitas  (Kömer«  Volksl  s.  76)  auch  /»ej  und 
leid  ffieng  im  euo  hand. 

Zu  1126,3:  gegen  C.  Hofmanns  ansieht  über  das  Lebermeer  a, 
MüIlenhofT,  Alterthumsk.  420  anm. 

Zu   1128:  (iber  das  tcazzermeere  s.  Uhland  Sehr.  .S.  338  aam.  273. 


ZÜB  KÜDBUN  219 

1129,  2  1.  vliezen;  vgl.  Tit.  2950  der  grie^  ist  edd  gestetne  swä 
dm  wa^er  vliezen t 

Zu  1138,  1  ach  ach  s.  zu  MSD.  XXXII,  1,  45.  QF.  35, 16.  Vgl. 
auch  Kindh.  Jesu  (QP.  43)  660.  930. 

Zu  1141  vgl.  auch  Otfrid  5,  25,  5  then  segal  nitharläean. 

Zu  1154  fg.  Im  Morolf  kundschaftet  Salman  nach  seinem  weib: 
384  fgg. 

Zu  1154,3:  Amis  526  ehint  von  vater  und  von  muoter. 

Zu  1155,  2:  Henneberger  HMS.  3,  39^  ich  hoere  sagen  und  ist 
war:  man  sol  durch  vriunde  sterben  unde  genesen.  Merswin  Neun 
Felsen  s.  133  sterben  noch  genesen.    Lievl.  Chron.  554. 

Zu  1185,  1  vgl.  Genesis  Fdgr.  2,  19,  1  da§  leii  gieng  ir  zuo. 
Georg  4395  so  gel  dir  vreude  zuo  =  Ortnit  507,  3**  {im). 

Zu  1220:  Walewein  1425  ende  omboot  hem  goeden  dach  . .  Die 
cnape  seide  j^god  lone  u,  here!  Goet  dach  ne  wert  mi  nemmermere; 
ic  bem  den  goeden  daghe  ontgaen^. 

Zu  1225,  1:  Wolfdietrich  B  621  din  lant  si  dir  smlic.  De  Bo, 
Westvlam.  Idiot.  Zdlig  somuylen  gebruikt  voor  rampzalig,  eUendig: 
dat  z.  proces  kan  nag  lang  aanslqpen.  So  sagen  wir  auch  ablehnend 
ironisch  „danke".  Ähnlich  wird  aivm  und  bei  Virgil  laudare  für 
ablehnen  gebraucht. 

Zu  1247,  3  lies:  anders  aufzufassen  ist  1487,  3  so  (dagegen)  bin 
ich  Herunc. 

1254,  4  stelt  Klee  mit  recht  das  handschriftlich  überlieferte  nemen 
wider  her. 

Zu  1259,  1  vgl.  Eilhard  6679  wä  tut  ir  hen  üwem  sin?  Crescentia 
(Ges.  Abent.  1,  138)  v.  125  war  tuostu  herre,  dinen  sin?  Eraclius  2944. 
2987.   Z.  f.  d.  a.  7  Beisp.  X,  70. 

Zu  1263,  3  vgl.  W.  Grimm,  Über  Freidank  s.  68.  Stricker  Karl 
880  diu  boeste  noch  diu  beste.  Amis  914;  vgl.  auch  Bartsch  zu 
Karl  XLVm.    Georg  4286. 

Zu  1263,  4  vgl.  Sommer  zu  Flore  2730.  Tschechisches  Volkslied 
(Erben  FisnS  155)  komu  ste  nds  poruöüa. 

Zu  1283,  3  vgl.  Friedrich  v.  d.  Normandie  2053  jak  skal  idher 
da  a  idhra  hwdh  ok  göra  swa  at  man  ma  se  her  idhart  blodh. 

Zu  1290,  1  vgl.  Thidr.  S.  160  segiä  satt  ok  liugid  eigi. 

Zu  1292,  1:  dem  boten  ist  auffällig,  da  zwei  boten  gekommen 
sind.    Vgl.  aber  auch  816,  1  Er  sprach. 

Zu  1300,  4:  Wolfr.  Willeh.  289,  29  seht  wiech  bin  erzogen. 
HMS.  3,  222*  sich  wie  uns  her  NUhart  hat  erzogen.  König  von  Reussen 
(Mai  ¥•  Pfeiffer)  s.  XL 


'J2()  MABTUI 

Zu  1316,  2  Vgl.  Parz.  581, 11  Arnive  diu  alte  gebot  mit  ir  gewcUte 
dati  ir  mhnniu  riefe,  die  tvUe  der  heÜ  sliefe,  also  =  laut  spräche- 
Vgl.  Parz.  160,  27. 

Vax  i:uh,  4:  Ober  das  lachen  der  Schadenfreude  s.  ühland  Sehr. 
1,  \VM\  Hahn,  Sagwissonschaftl  Studien  373  vergleicht  Odyss.  18,  163 
(Ponolo])(0  r^^^^'oi'  {V  fyikaae.  Zu  unserer  stelle  passt  besonders  Rüther 
:J875,  wo  auch  das  hieben  der  entführten,  welche  befreiung  hoft,  ver- 
ilaoht  orweokt. 

ia22,  4:  ansprechend  ist  Klees  Vermutung,  dass  van  ir  vriunden 
atis  z.  2  widorholt  ist;  der  vors  lautet  dann  da^  du  ihi  verliesest  beidiu 
dt^ii  lip  Miirf  ouch  die  fVr. 

Zu  inai  Vgl  Völs.  s.  XXYIII  BrynliUdr  ak  Ounnarr  sätu  vid 
5ilrwi/fiM^  ok  df^fA'H  g()it  vin,  —  Der  reim  ^est  :  herest  ist  in  den 
I^HÜchtou  dos  12.  jahrh.  nicht  selten.  Vgl.  auch  Lucifer  und  Jesus 
^v.  d.  Hag.  OornK  9)  w  25%'>  an  dem  akten  tage  vergoß  er  erest  sin  Unat 
aller  h^riit.  Kud.  v.  Kms,  vorrede  zum  Buch  der  Könige  61  (Mass- 
mauu,  Kaiserchr  H.  184). 

Zu  l»a%S.  1  vgl  Maerhmt  Torec  754  (/c)  sal  van  Tartdte  scriven 
i\tr#  Iks  fßi  nikA  niW  cnhebt  gekört.  Ebenso  am  scUoss  des  X.  ab- 
s^rhnittj^  2244  j%V 

Zu  i;^4i^.  1  vgl  Hdvaniil  153  brmnrni  srd  brtiit  {Icfiy 

Zu  i:i60  vgl,  die  Warnung  des  wicht<^rs  Osw.  2079. 

Zu  i:^6t%:  nur  teich<>skopie  vjrl  Thidr.  s.  200.  wo  die  scUUe  anf- 
g^4ÜiU  w^rd«u^  und  die  i<li$ehau  ebd.  $28. 

Ku  l.^T2.  1  Tgl.  Samsin  QF.  ;^\  lO.  Der  Walküramane  Snm- 
hrffr  b^^i^ijgt  den  v^Ji^i^^b  ak  ahg^rmaiiisieh. 

F,«  l,^7.\  i  Tgl.  TRv  fll:i^  Wtf  «vttm. 

7.ti  U^TT,  4  Tjrl  ^jv^ker  rfwff«^  Cbo&gsha^  5^.  53,  t  tS'i  Der 
A^  r^'m   hffr^rm   U^^   d^r  wunvz    /hmkA    himrv   «ywm.     Xesssttafiseh: 

^•U^i^  T^^n  Ka$):  \>r?ikJ::^  :^  ^>  v     K^un  I  äfCtf  Tts  m  yiiwra  fv 
riß-  rm  **^ 

Jx  l,<i^\.  ^  ^rl  Tit.  >J4^1    i/    «'/"•^    mmk   3ter  a^p^mm   nf   utr. 
y.irr  tTÄCf  ':*a'*4  vcl  Ra/oil  w  Ourtvra:  *.  aJ^  r*^-  ns-  ,-*<  i 


2T7R  KüDBXm  221 

getan  mir  nicht  zu  sagen)  wer  du  bist  und  was  dich  antreibt  mich 
herauszufordern"  ironisch  =  „du  hättest  besser  getan  mich  nicht 
herauszufordern".  Zu  Uhte  vgl.  besonders  Wackernagel  Kl.  Sehr.  1 ,  309 
anm.  16.    Der  vergleich  begegnet  wesentlich  in  späteren  quellen. 

Zu  1441 :  dass  gegenwart  der  frauen  die  kämpfer  zur  höchsten 
tapferkeit  entflamt,  ist  altgermanisch:  vgl.  Tac.  Germ.  7  (gegen  Wil- 
manns  s.  196). 

Zu  1455,  3  vgl.  Ulrich  Lanz.  154  Si  ahten  deine  da  toider  da^ 
man  si  warf  unde  scho^. 

Zu  1463  vgl.  Aegidius  (Z.  f.  d.  a.  21)  1132  tote  gerne  ich  under 
die  erden  vüre  oh  ich  mohte.  Unser  Frauen  Klage  (Z.  f.  d.  a.  1,  37) 
117  dat  si  fluen  ob  si  mohtin  undir  die  erde,  Edolanz  (Altd.  Bl.  2,  151) 
117  si  sint  tot,  si  h^ten  danne  gevider  da^  si  oben  ü^  flugen,  Crestien 
Chev.  au  lyon  1110  fgg.  que  ceam  n^a  huis  ne  fenestre,  Par  ou  riens 
nule  s^an  alast,  Se  ce  n^ert  oisiaa:  qui  volast,  Ou  escuriax  ou  cisemus 
Ou  beste  ausi  petite  ou  plus.  Bestem  und  Suhrab  von  Rückert  abschnitt 
106:  Doch  sei  ein  Fisch  im  Meer,  ein  Vogel  in  der  Luft,  Die  Räch' 
ereilet  dich,  wo  ich  lieg'  in  der  Gruft. 

Zu  1476,  1  vgl.  Flore  7152  der  vil  ungemuote  zage  (der  admi- 
ral,  welcher  die  wehrlosen  kinder  erschlagen  will). 

Zu  1476, 1:  verwante  eines  Verbrechers  mitbestraft:  Reinaert  2538 
aXle  die  hem  ten  tiende  Jede  syn  belanc,  suUent  becopen.  Ghaucer,  Troy- 
lus  and  Chryseide  1,  13,  6  And  sayden  thai  he  and  alle  his  kyn  atoones 
Ben  worthy  for  to  brennen  alle  fei  and  bones. 

Zu  1491,  3:  Apollonius  von  Tyrland  bei  Schröder  XXXIII  pider- 
man  er  nie  wart  wer  sein  veint  lange  spart. 

Zu  1538:  sol^atenleichen  ins  wasser  geworfen:  Germ.  17,  215. 
Auf  dem  ersten  kreuzzuge:  Henning,  Nibelungenstudien  49. 

Zu  1621,  4:  undertän  ist  die  geliebte  MF.  16,  2.  Gesam.  Abent. 
XXXV,  499.     Der  mann  MF.  43,  5.  51,  24;  vgl.  PB.  2,  394  fg. 

Zu  Tit.  4863  den  west  er  in  der  unse  da^  er  in  entsag. 

Zu  1642,  4:  geben  unde  Wien  erscheint  verbunden  auch  Klage 
der  Kunst  HMS.  2,  336*.  337*.  Kaiserchronik  495,  19.  Spervogel  MF. 
25,  29.    Osw.  2063  Z.  w.  jf.     Stricker  Frass  Wack.  LB.  811,  1  u.  ö. 

Zu  1644, 1  1.  anstatt  „grammatisch  falsch"  vielmehr  „eine  jün- 
gere form". 

Zu  1664,  3  vgl.  QF.  35,  11.  31.  Partonopier  8648.  Noch  Wick- 
ram, Goldfaden  ir  goltfarbes  har  . .  ein  gespunnen  türkisch  gold. 

Zu  1675,  1  vgl.  Nib.  42,  4  und  besonders  Gerbers  Perceval  (Pot- 
vin  6,  204)  Et  quant  assee  orent  jue  Bien  sont  li  menestrel  loe  :  Car 
taut  vaUet  et  chevallier   8e  penoient  de  despoiUier  Et  de  doner   lor 


paremenii  Cotes  aorcoe  et  reu&es  vaires  . . .  Tela  i  vint  pauvrcs  et  mendis 
Qui  fu  riches  de  graiti  avoir. 

Zu  1678,  'A  vgl.  Parz.  ää,  16  swie  verwüestet  vkbt  s^n  lant,  doch 
künde  Gahmuretes  kant  stoenken  sölher  gäbe  solt  als  ai  die  hohtme 
trüegen  gdt. 

Zu  1685.  4  ?gl.  Burcard  Waldis  (Wackernagel  LB.  2,  164,  29} 
das  er  seins  guts  ein  Ilerre  sey.  Walewein  10257  Bi  jk  hen  ic  mytu 
go^  here.    Seghelyn  1197  dats  al  dat  goet  daer  ic  af  ben  heer. 


Äla  die  vorliegenden  bemerktiugen  bereits  zum  druck  ahgeaant 
waren,  kam  mir  die  abhandlung  von  B.  Symons,  Zur  Kudrun  (Paul 
und  Braune,  Beitr.  9,  I^IOO)  vor  äugen.  Auf  s.  9  wird  mit  recht 
bemerkt,  dass  ich  in  der  eiuleitung  zu  metner  grösseren  ausgäbe  s.  XXI 
unter  den  fallen,  iu  nelcheu  die  Satzverbindung  von  einer  strophe  zur 
andern  übergeht,   auch  str.  73.  74;  274.  275:  1326.  1327  hätte  nennen 


STBA88BURO,    9.   NOVEMBER    1882. 


E.   MARTIN. 


t 


ZUR  KENTNIS  DER  ALEXANDERSAGE 
IM  MITTELALTER. 
Es  ist  in  mehr  als  einer  beziehnng  von  grosser  Wichtigkeit,  sn 
wissen,  wie  weit  sich  die  kentnis  der  Alexandersage  im  mittelalter 
erstreckte  und  worauf  sie  beruhte.  Die  frage  ist  eine  ausseiordentlicli 
verwickelte  und  eine  annähernd  sichere  beantwortung  wird  noch  lauge 
auf  sich  warteu  lassen,  da  unsere  bilfsmiltel  noch  gar  zu  unsichere  aind. 
Das  bauptwerk,  die  Historia  de  preliis  Alexandri  Magni,  jene  bearbei- 
tung  des  Paendokallistbenes  durch  den  arcbipresbyter  Leo  aus  der  mitte 
des  10.  Jahrhunderts,  ist  noch  immer  nicht  herausgegeben,  und  i>s  wird 
auch  einer  dnzelnen  ausgäbe  schwer  gelingen,  ein  klares  bilil  von  den 
vielfachen  text^estaltungen  zu  geben,  welche  das  werk  im  laufe  von 
etwa  fünf  Jahrhunderten  durchgemacht  hat  Nicht  nur  im  einzelnen  hat 
jeder  abschreiber  den  Wortlaut  des  teites  wilkQrlich  verändert,  soudem 
die  Anordnung  des  ganzen  hat  wol  mehr  als  bei  irgend  eiuem  andern 
werke  jener  xeit  die  freiest«  Umgestaltung  erfahren.  Die  hauptsftcb- 
lichsten  im  einzelnen  festzustellen,  die  handschriften  und  drucke  dem- 
gemäsa  zu  gnippiereu,  wird  die  vomebmlicb^te  arbeit  des  herausgebers 
sein.     Wichtiger  aber  ist  es,  dem  ursprünglichen  werke  Leos  uahe  zu 


ZÜB   ALBXAHDBBSAOE  223 

t 

kommen,  fals  uns  das  original  wirklich  verloren  sein  solte.  Da  ist  es 
denn  unumgänglich,  auf  den  griechischen  grundtext  zurück  zu  gehen, 
aus  welchem  Leo  übersezt  hat.  Hier  sind  wir  aber  widerum  nicht 
weniger  Übel  daran,  denn  „der  griechische  text  des  sogenanten  Pseudo- 
kallisthenes  ist  nur  in  sehr  mangelhafter  Überlieferung  auf  uns  gekom- 
men. Von  seinen  nachweislich  noch  vorhandenen  zwölf  handschriften 
scheint  nur  eine  einzige  die  Pariser  nr.  1711,  noch  die  älteste,  die  alexan- 
drinische  textgestalt,  und  auch  sie  nicht  mehr  in  ursprünglicher  fassung 
darzubieten.  Alle  übrigen  gewähren  —  soweit  sich  aus  den  freilich 
meist  nur  spärlichen  über  sie  vorhandenen  nachrichten  erkennen  lässt, 
entweder  eine  zweite  jüngere  und  mannigfach  veränderte,  wahrscheinlich 
in  Griechenland  entstandene,  oder  gar  eine  dritte,  noch  jüngere,  durch 
andrangen^  auslassungen  und  zusätze  noch  mehr  entstelte  recension^ 
(Zacher,  Julii  Valerii  epitome  Halle  1867  p.  HI).  Die  sache  wäre  ein- 
fach, wenn  dieHistoria  auf  eine  dieser  recensionen  zurückgienge.  Aber 
„der  griechische  von  Leo  aus  Konstantinopel  mitgebrachte  text  gehörte 
zwar  noch  zur  älteren  alexandrinischen  recension  des  Pseudokallisthenes, 
hatte  aber  einerseits  doch  schon  manche  einbusse  durch  auslassungen 
und  ändrungen  erfahren,  und  andrerseits  auch  schon  manche  zusätze 
von  bestandteilen  der  jüngeren  recension  aufgenommen^  (Zacher,  Pseudo- 
kallisthenes p.  109).  Hier  liegt  also  reichlicher  stoff  für  eine  kritische 
arbeit  vor  und  es  wird  von  Interesse  sein,  zu  sehen,  wie  sich  Leo  seiner 
vorläge  gegenüber  verhielt,  besonders  ob  er  sie  durch  benutzung  andrer 
quellen  aus  der  Alexandersage  oder  aus  seiner  kentnis  derselben  ver- 
mehrte. 

Die  Historia  war  zweifellos  die  hauptquelle  für  Alberichs  franzö- 
sisches werk.  Liesse  es  sich  feststellen,  welchen  text  derselbe  benuzt 
hat,  so  läge  die  sache  weniger  schwierig:  es  würde  sich  nachweisen 
lassen,  dass  auch  er,  wie  er  nach  freiem  ermessen  gewisse  seinem 
geschmacke  nicht  entsprechende  stücke  (z.  b.  die  Nectanebus  -  geschieh te) 
ausmerzte,  aus  weiterer  kentnis  der  sage  ergänzungen  machte.  Es  ist 
dabei  nicht  ohne  weiteres  anzunehmen,  dass  ihm  noch  ein  älterer  unver- 
fälschter text  der  Historia  vorlag,  da  auch  die  erweiterte  und  veränderte 
textgestalt,  wenigstens  wie  sie  die  Pariser  handschriften  der  Historia 
bieten,  bis  ins  12te,  wenn  nicht  11.  jahrh.  zurück  zu  reichen  scheinen. 
Aber  Alberichs  werk  ist  verloren,  und  so  tritt  die  frage  bei  der  beur- 
teilung  Lamprechts  in  ein  erneutes  schwieriges  Stadium.  Denn  gerade 
soviel  ist  uns  von  dem  Französischen  erhalten,  um  uns  vor  der  annähme 
zu  bewahren,  als  habe  sich  der  deutsche  dichter  alzu  sklavisch,  ohne 
eigenes  urteil  und  ohne  eigene  kentnis  der  Alexandersage,  an  seine 
Vorlage  gehalten. 


\ 


224  KUffZEL 

\ 

Baut  sich  so  auf  eine  uns  onbekante  recension  des  Pseudokal- 
listhenes  ein  ganzes  reich  gegliedertes  gebäude  von  Alexanderbearbei- 
tungen auf,  das  seine  weitere  gliederung  in  allen  abendländischen 
(französischen,  deutschen,  englischen  etc.)  und  morgenländischen  litte- 
raturen  findet,  so  bleibt  ein  nebenbau  nicht  ohne  einfluss,  der  auf  dem- 
selben gründe  entstanden  ist.  Zwar  kann  sich  seine  gestalt  an  Üppig- 
keit mit  jenem  nicht  vergleichen,  aber  auch  des  Julius  Valerius  Über- 
lieferung ist  keineswegs  so  sicher,  dass  wir  in  allen  fällen  einen  sicheren 
schluss  über  seinen  einfluss  ziehen  können.  Besser  sind  wir  über  seinen 
epitomator  unterrichtet,  der  nach  Zachers  meinung  früh  die  Übersetzung 
des  Julius  Valerius  verdrängte  und  zu  einer  grossen  Verbreitung  gelangte 
(vgl.  Zacher,  Julii  Valerii  epitome  p.  IV). 

Ob  und  wie  weit  diese  lateinischen  werke  von  Alberich- Lamprecht 
benuzt  seien  und  dass  auch  noch  andere  uns  noch  unbekante  quellen 
von  einfluss  gewesen  sind,  wird  an  anderer  stelle  nachgewiesen  werden. 
Auf  die  gleiche  beobachtung  führen  auch  einige  stellen  deutscher  werke, 
welche  genauere  kentiiis  der  sage  verraten  und  mit  unserm  Lamprecht 
in  keiner  directen  beziehung  stehen. 

Alberich -Lamprecht  verlässt  bekantlich  nach  der  geschichte  der 
königin  Candacis,  an  welche  sich  in  übereinstimnmng  mit  der  älteren 
gestalt  der  Historia  die  berührungen  Alexanders  mit  den  Amazonen 
reihen,  die  darstellung  seiner  quelle  und  folgt  der  erzählung  des  Iter 
ad  paradisum  von  vers  6597  fMassmann,  Gedichte)  an.  Eine  reihe 
fabelhafter  geschicliten  sind  dadurch  in  wegfall  gekommen.  Der  Basler 
bearbeiter  fugte  dieselben,  einer  andern  darstellung  folgend,  wider  an, 
und  wir  dürfen  darin  keine  zufällige  neigung  desselben  sehen,  da  wir 
darunter  episodeu  finden,  welche  schon  vor  Laraprecht  in  Deutschland 
bekaut  und  beliebt  waren.  Es  sind  die  von  den  bäumen  der  sonne 
und  des  mondes,  von  der  luftfahrt  und  von  der  erforschung  der  meeres- 
tiefe durch  eine  taucherglocke.  Wir  finden  sie  am  ausführlichsten  im 
Anno,  womit  die  darstellung  der  Kaiserchronik  im  wesentlichen  stimt. 
Die  eiugeklammerten  worte  fehlen  in  der  Kaiserchronik  Diemer  17,  22. 
Anno  (ed.  Bezzenherger)  v.  203  fg.  heisst  es  im  gesicht  des  Daniel: 

Das  dritte  tier  war  ein  leopard  mit  adlerflügeln.  Der  bezeichnet 
den  griechischen  Alexander,  der  mit  vier  beeren  durch  die  länder  fuhr, 
bis  er  der  weit  ende  (bei  den  goldnen  Säulen)  kennen  lernte.  (In  Indien 
brach  er  durch  die  wüste,  mit  zwei  bäumen  besprach  er  sich  dort). 
Mit  zwei  greifen  fuhr  er  in  die  luft.  Mit  einem  glase  liess  er  sich  in 
das  meer.  Da  warfen  seine  treulosen  leute  die  kette  in  das  wasser. 
Sie  sprachen:  wenn  du  wunder  sehen  wüst,  so  bleib  auf  dem  gründe. 
Da  sah  er  [drei  tage  lang  (fehlt  im  Anno)]  manchen  grossen  tisch,  halb 


ZUR  ALEXANDBRSAGE.  225 

fisch,  halb  mann  (Kaiserchr.  ein  wunderbares  tier,  das  ihn  gar  oft 
umwälzte).  Da  wolte  er  sich  am  leben  erhalten  (das  meer  riss  ihn 
zu  gründe.  Durch  das  glas  sah  er  manches  wunder),  bis  er  sich  mit 
einem  blute  an  das  scharfe  meer  wante.  Als  die  flut  das  blut  empfand, 
warf  sie  den  herrn  ans  land.  Er  kehrte  zurück,  von  den  seinen  wol 
empfangen. 

Während  die  ersten  geschichten  nur  dem  namen  nach  erwähnt 
werden,  und  man  darf  annehmen,  auf  diese  weise  nur  dem  eingeweihten 
verständlich  waren,  wird  die  meerfahrt  ausführlich  erzählt.  Anders  im 
Basler  Alexander.  Nach  dem  zug  ins  paradies  folgen  die  Taucherglocke, 
die  Luftfahrt,  die  Sonnenbäume;  erster e  mit  folgenden  abweichungen, 
vers  4247  fg.: 

Alexanders  geliebte  hält  die  kette  mit  dem  glase,  in  welchem  der 
könig  ins  meer  steigt.  Er  hoft  sich  auf  diese  verlassen  zu  können. 
Einen  hund,  habn  und  eine  katze  nimt  er  mit.  Drei  tage  und  drei 
nachte  gieng  ein  fisch  vor  ihn.  Die  frau,  umworben,  wirft  die  kette 
ins  wasser.  Alexander  tötet  die  katze,  das  meer  wirft  ihn  ans  land. 
Er  kehrt  zurück,  von  den  seinen  froh  empfangen. 

Bei  aller  Verschiedenheit  in  der  anordnung  der  stücke  wie  in  der 
darstellung  des  einzelnen  ist  eine  gewisse  Übereinstimmung  nicht  zu 
verkennen.  Auffällig  ist  es  zunächst,  wie  diese  stücke  zusammenge- 
kommen sind.  Dies  findet  seine  erklärung  weder  in  den  uns  vorliegenden 
texten  des  Pseudokallisthenes,  noch  in  der  erweiterten  gestalt  der  Historia, 
wie  sie  durch  die  drucke  (Strassburger  und  Utrechter)  repräsentiert  wird, 
mit  welchen  hier  die  Pariser  handschriften  im  algemeinen  stimmen. 
In  den  drucken  wird  erzählt:  1)  säulen  des  Hercules  und  wüste,  cap.  94. 
95;  2)  arbores  solis  et  lune,  cap.  112;  3)  per  grifones  in  aerem  leva- 
tus,  cap.  127;  4)  profunda  maris,  cap.  128.  Im  Pseudokallisthenes  stehen 
nr.  1  und  2  zusammen  im  dritten  buche,  nr.  3  und  4  aber  getrent  im 
zweiten  buche  und  zwar  die  meerfahrt  vor  der  luftfahrt.  Julius  Valerius 
komt  hier  nicht  in  betracht,  weil  nr.  3  und  4  in  seiner  Übersetzung  mit 
dem  ende  des  zweiten  buches  überhaupt  fehlen. 

Anders  nun  in  der  kürzeren  fassung  der  Historia,  wie  sie  sich 
in  einer  Münchener  und  Bamberger  handschrift  (abschrift  der  lezteren 
mir  durch  die  gute  des  herrn  director  Volkmann  in  Pforta  zugänglich 
gemacht)  findet.  Hier  steht  nach  der  erzählung  von  Antipaters  verrat 
und  dem  briefwechsel  Alexanders  mit  Aristoteles  ein  brief  des  königs 
an  seine  mutter,  welcher  mit  ausnähme  der  sonnenbäume  alle  unsere 
stücke  vereinigt  enthält  und  zwar  in  der  reihenfolge  des  Anno.  Der 
Wortlaut  ist  folgender: 

ZEITSCHB.    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.      BD.  XT.  1 5 


1  Olimpiadi  umtri  Bue  dilecte  gaudium.    quantutn  fecimua  s  prin- 

cipio  usqtie  iliun  veDiSBeinns  Asiam  BiguifiGAtam  est  tibi,  itemm  Qotnm 
tibi  sit  quantuDi  fecimus  antea  (?).  a  Babilouia  cepi  ire  coadunato  popalo 
nieo  numerü  CM.  venimus  autem  ad  columnas  Eraclii.  iuvenimas 
b  columnas  duas.  uaam  auream  et  aliam  argenteam,  habentes  in  longitu- 
dine  X  cubitos  vt  in  latitudine  cubitos  II  (moTimas  inde?)  et  perfo- 
rautes  eas  inveuimas  eas  ex  auro.  penitoit  autem  me  quod  perforasaem 
Gas  et  clauai  Toramen  illarum  et  posui  ibi  solidos  mille  quiugeotos  auri. 
moTimus  inde  et  ingressi  sumus  desertnm,  invenimus  loca  frigida 
10  atqne  obscura,  ut  pene  dod  agnosceremus  n08.  et  exinde  iter  egimus 
VII  dies  et  venimus  ad  äuvium  calidum  invenimusque  ibi  mulieres 
Amazonas  speciosas  nimis  portantes  horrida  vestimenta,  tenentes  amu 
argentea  in  manibus  earum,  equitantes.  es  et  ferrum  non  invenitor  ibi. 
iungentes  nos  ad  ipäum  fluvium   minime    transire   potuimus  eo  qDod 

15  es8<^t  altitado  et  latitudo  illins  magna  valde,  plenus  beatiia  magnia. 
abinde  venimus  ad  mare  rubrum,  et  erat  ibi  mons  altus.  ascendimm- 
que  eum  et  eramas  quasi  in  celo.  cogitavi  cum  amids  ut  inetraerem 
tale  iiigenium,  quatenus  asceDderemna  in  celnm  et  vidoremus  n 
hoc  celuin  est  quod  videmus.    preparavi  griphas  at((ue  ligavi  eas  com 

20  catenis  et  posui  vectes  ante  eos  et  in  summitate  illorum  ciltaiia  (V) 
et  ceperuiit  ascondere  in  celum.  diviiia  quidem  virtus  deiecit  eoa  ad 
terram  longius  ab  eiercilu  meo  iter  dierum  X  in  loco  campestri  et 
nuUam  lesionem  sustinui  in  ipsis  cancellia  ferreis.  tantam  autem  alU- 
tudiuem  ascendi,  ut  sicut  area  videretur  esse  terra  sub  me.    mare  autem 

S5  ita  yidebatur  mihi  sicut  ciroco  (I.  draco)  girans  eam  et  cum  fort! 
aogustia  iunctus  sum  miliübus  meis.     videntes  autem  me  clamavenint 


Veait  iterum  ia  cor  meum,  ut  meusurarem  profundum  maris 

et  feci  venire  astrologos  et  geometricos.     precepique  illia  ut  construe- 

30  tetar  mihi  vaaculum,  in  quo  valerem  desceodere  In  profundum   maris 

et  perquirere    admirabiles   beatias,   qae  ibi    habitant.    feceront  autem 

Aliwoichongen  in  B;  1  0.  dileot«  matri  g.  2  notnm  üt  tibL  3  in  aatei. 
4  antem  fehlt.  6  babent«».  6  cobite  doodedm.  oabitat  dno,  perfoiaiu  eaa  Ist. 
1  antem  teUlt.  S  ibi  aomin  p«nBaDte  solidos  mille  qningenti.  auri  fehlt  10  eiinda 
itcmviinus.  13  BTgeot^a  arnia.  13  eamm  fehlt.  inveDiatnr  ibi  iacgeatea  non 
invenipntiiT  ibL  iaogeiilM  nos.  16  plamsqac  erat  reptUiboa  ot  bestüe  mognla 
ralde.  10  ascendimae  enm  et  qnasi  essemiu  in  eolo.  17  aniicis  mein.  18  aacen* 
damn  cnlam,  Tidercm  si  «st  hoo  eelis.  19  prepaiari  ingoniniD  abi  s^derem  al 
apprahondi  gripbaa.  20  twrum  oibaria  iUonun.  dbaria  aach  di«  druck«,  il  mci 
G«lnm,  virtoa  abunibrana  coa  d«iecjt  ad.  23  autem  fehlt.  24  ridebatui.  26  sint 
draco.  IK  mo  eieroitui  meo»  accIamaTBnmt.  28  fundum.  39  «t  fehlt  vor  ftci. 
'  j  tali  modo:  IbaUmtu  dolawa. 


iBIJB  ALEXANDRBBAOB  227 

mihi  dolittm  (oli)vitrenm  et  ligatar  catenis  et  regitur  a  fortissimis  mili-  1 
tibos.  (hoc  andito  Alexander  precepit  talia  fieri  et  tali  modo  perqui- 
8iyit  profondam  maris).  vidi  ibi  et  alias  bestias  habentes  imaginem 
terrenarttm  bestiarum  ambulantes  in  profunde  maris  quasi  quadrupedia 
vaniebantque  usque  ad  me  et  Aigiebant.  vidi  ibi  et  alias  admira-  5 
blies  causas  quas  recitare  non  possum.  gaude  mi  donüna  mater 
carissima. 

Schwerlich  wird  diese  Verknüpfung  der  behandelten  züge  ganz 
zuftUig  in  den  verschiedenen  werken  übereinstimmen.  Die  behandlung 
der  ineerfahrt  zeigt  aber,  dass  wir  in  dem  abgedruckten  stück  der 
Historia  die  ursprüngliche  quelle  nicht  zu  sehen  haben.  Im  Anno  und 
der  Historia  halten  die  Soldaten  die  kette,  im  Basl.  Alex,  die  geliebte. 
Anno  und  Basl.  Alex,  erzählen  von  einer  durch  treulosigkeit  hervor- 
gerufenen gefahr,  wovon  die  Historia  nichts  weiss.  Anno  und  Historia 
erwähnen  furchtbare  tiere ;  die  Hist  weiss  nichts  von  vergossenem  blute, 
welches  Anno  und  Basl.  Alex,  übereinstimmend  efwähnen.  Die  Überein- 
stimmung erstreckt  sich  bis  auf  die  „drei  tage^,  die  zwar  im  Anno 
fehlen f  in  der  Kaiserchronik  und  dem  Basl.  Alex,  aber  stehen,  und  bei- 
läufig mit  dazu  beitragen,  zu  beweisen,  dass  Anno  und  Kaiserchronik 
nicht  in  unmittelbarer  abhängigkeit  stehen,  sondern  aus  gemeinsamer 
quelle  geschöpft  haben. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  die  quelle,  in  welcher  unsere  stücke  aus 
der  Alexandersage  zusammen  und  die  meerfahrt  in  den  hauptzügen  so 
behandelt  war,  wie  es  Anno  und  Basl.  Alex,  zeigen  —  auf  obige  recen- 
sion  der  Historia  zurückgehend  in  selbständiger  weise  dichtend  die  meer- 
fahrt ausgestaltet  hat,  oder  ob  wir  neben  der  Historia  noch  eine  andere 
quelle  annehmen  müssen. 

Dass  die  drucke  wie  die  Pariser  handschriften  der  Historia  den 
ursprünglichen  text  mannigfach  umgestaltet  haben,  ist  besonders  in 
bezug  auf  die  anordnung  der  geschichten  schon  dargetan.  Eigentümlich 
aber  ist  es,  dass  sie  im  texte  selbst  oft  prägnantere  züge  enthalten  als 
die  kürzere  fassung.  Die  episode  von  der  meerfahrt  bestätigt  dies.  Wir 
geben  den  Strassburger  druck  mit  den  abweichungen  des  Utrechter: 

Quomodo  Alexander  petiit  profunda  maris.  Post  hec  ascendit  in 
cor  Alexandri  ut  maris  profunda  quereret  et  omnium  piscium  genera  35 

1  ligetor.  regant  emn.  fortissimi  milites;  2  precepi,  cito  talia  facere.  per- 
qniaivL  8  ibi  diversas  figaras  piscium  atque  ex  diversis  coloribus  vidi  ibi  et  alias  b. 
imagines.      4  ambulantes  per  fondam.      5  veniebant.      6  gaude  mi  kmä  mater. 

Abweichungen  des  Utrechter  dracks:  34  ftberschrift:  de  descensu  in  mare. 
pott  hoc  autem.  in  corde.  35  ut  perquireret  profundum  maris.  et  —  scruta- 
letor  fehlt 

15« 


*J*.>K  KINZKL,    ZUB  ▲LBXAin>BBBl(nS 

1  srrutarolur.  statiuKiuc  iussit  vitrarios  ante  se  venire  et  precepit  eis  nt 
tart^ont  lioliuiii  ox  vitro  clarissimo  et  splendidissimo  ut  possent  a  foris 
oinniii  i'liirissiino  conspici.  factumque  est  ita.  deinde  iussit  enm  cathe- 
nis  t\MT(Ms  rolo^ari  et  a  fortissimis  militibuar  teneri.    at  ille  intrans  ipsnm 

f)  (loliuiu  ohiusii  ]>orta  ox  pice  composita  descendit  in  profruidum  maris, 
viditiiuo  ihi  (livtTäUR  iiguras  piscium  et  diverses  colores  habentes  ima- 
ufinos  host  in  rinn  torro  et  per  terram  in  profunde  maris  tanquam  bestie 
poilihus  anibulantos  et  eomedebant  fiructus  arbomm  que  in  profunde 
maris  iiascobantur.  ipso  autem  belue  veniebant  usque  ad  eum,  postea 
10  ru^obant.  viditquo  alia  mirabilia  que  nemini  voluit  enarrare  eo  qaod 
lumünibus  inorodibilia  viderentur.  tempus  vero  mansionis  sue  in  aqnis, 
i(uoii  nülitibus  suis  prodixit  Alexander,  completum  erat  et  traxenint 
oum  nüliios  ad  suporiora. 

Vor&;Ioiobon  \Yir  hiermit  nun  die  darstellung  des  Pseudokallisthenes 
II.  .U"^,  so  orpbt  sich,  dass  sie  nicht  nur  die  ausführlichste  ist.  sondern 
auoh  momonto  biotoi.  auf  welche  die  erzühlung  der  deutschen  werke 
ohno  /woifol  /urüoksxoht:  *  ^uucl^wr  .irx^t^  fiunor  fOLoaty  ix^^  f^y^ 
\hi'/,%h   Kt'tt  n]  x^\)/i »  crrrt>r  KQOtxia^  rdr  kÜUoSov^  är/yctyov  airdv  Sia  td 

»M  r.K'.iUi  ux(Hix^^hixt,  Die  Soldaten  zogen  ihn  also  herauf«  weil  er 
boiV'l  sTOjrobon  butto,  Jios  zu  tun.  sobald  die  kette  bewegt  würde. 
»'>  .V^  '/»o^iii^vv  i^k^Wif^^f  laiji  xflTajtJjw  crrror.  itai  al&i^  rd 
*i:fc  .»*;ci#ii\  1^*11*^1  i>r»  xcrf ciac  iJiiii  rrx€i<^  dtCTÄoaic^^  fßiJtrrtw  dta 
I  .r  foi.v  u^in:  jLuC'nn  aviCn  iz/x^'  i/^Vx;«  "  luxi  Idot  fi9inr  rrauuB- 
;*C^^«T|,Ti.v  i;:*Wc  vV'a:,Tffi  crrioi  itiV  rö  xJic^i^  fr  r^  Cfouan  orrof  Tun 
«:»» ;(:;«!  ii:tOi  ^^  i ;  rh  -fi  ucoLQÖ^n  rc3r  rrioio^irfr  m/iOc-  h6$^ 
'OiM    sV   ..J    Ä«rfir  .'»i^C    «Tri Ol    fXirrot     ifrrrxt'iT«-     Xfii     rcerrcsc  <Süa-«er 

:•>    i^x.»       K>  vixlArvn  >vh   äu>    d:r?^r  dirst^liusg  f.Ureisie  paukte: 

V      .>  .:>  .:  .^_:.       .*  —  ?  :iSi:;tJi   :.v  Lvicsöj  .•»jÖ;c/M;*  i»^3t:tL  hbts» 

:f-^w  .'.      .  -jax     .•-.:..•:.  r:Äm?f  irociTi*  ;i»f  i^xa";  a  iwö;  m&rif».       ?  ^^^ü  imrät 
«i;  \i\,i.t'L'i-r.  x:;k>  a  .'^jt.i;>   .-ibiA^te   ^i«i»  4l»ni».  £kikv  h/üu:  ^  ^miL  apBPwcnnfcw 


^^.    LUfc  ^*i  t1•;•'-c^tlif  Sammc   ?Siwr4aMK«8iK!«ii»  ^  Vi3  y 


X.  KETTNEB,    EMPFANG  DBB  GlSTB  IM  NIB.  229 

Da  nun  eine  directe  benutzung  des  Pseudokallisthenes  ausge- 
schlossen, es  auch  unwahrscheinlich  ist,  dass  mehrere  Schriftsteller 
selbständig  zu  einer  solchen  auslegung  und  auffassung  dieser  darstellung 
kommen  können,  da  endlich  in  beiden  deutschen  werken  sich  der  cha- 
rakteristische zug  der  blutsühne  findet,  welcher  in  keiner  der  zugang- 
lichen queUen  einen  nachweisbaren  anhält  findet,  so  müssen  wir  anneh- 
men, dass  es  im  11.  Jahrhundert  noch  eine  andere  auf  Eallisthenes 
zurückgehende  darstellung  der  Aleiandersage  gab. 

BERLIN,  OCTOBER  1882.  KARL  KINZEL. 


ZUR  KEITIK    DES   NIBELUNGENLIEDES. 
DEE  EMPFANG  DER  GÄSTE. 

Die  Verschiedenheit  des  stils  sowol  als  die  ungleichmässigkeit  in 
der  behandlung  des  sagenstofTes  ist  von  jeher  als  ein  hauptgrund  ange- 
führt worden  gegen  die  ansieht,  dass  unser  Nibelungenlied  die  Schöpfung 
eines  dichters  sei.  Schon  bei  einer  flüchtigen  prüfung  wird  man  bald 
auf  eine  einteilung  der  dichter  nach  drei  klassen  geführt  werden.  Es 
sind  dies  erstens  solche,  welche  noch  an  der  sage  selbst  ihr  volles 
genügen  finden  und  dieselbe  in  würdiger  form  zur  darstellung  bringen. 
Auch  hier  Hessen  sich  noch  Unterscheidungen  vornehmen:  von  einer 
echt  altepischen,  sprunghaften,  zuweilen  bis  zur  Unklarheit  knappen 
widergabe  der  überlieferten  züge  der  sage  (z.  b.  XIV  1466  fgg.,  XVI*, 
XVII')  erhebt  sich  die  dichtung  in  anderen  teilen  zu  einer  ausbildung 
der  sage  in  lebendiger,  voller,  zusammenhängender  handlung  und  psycho- 
logischer Vertiefung,  wobei  auch  zugleich  manche  härten  der  Überliefe- 
rung gemildert  sind  —  z.  b.  XX.  —  Anders  die  dichter,  welche  zur 
zweiten  gattung  gehören:  sie  waren  einer  rechten  Würdigung  der  alten 
sage  nicht  mehr  fähig,  sie  fühlten  sich  veranlasst,  dieselbe  teils  zu 
beschneiden,  teils  zu  erweitem  oder  in  die  länge  zu  ziehen;  und  so  sind 
eine  menge  höfischer  Schilderungen  hineingedrungen,  zu  gunsten  derer 
der  alte  stoflF  entfernt  oder  verflacht  ist  —  z.  b.  III.  Immerhin  aber 
sind  diese  darstellungen  von  ansprechender  form ,  oft  sogar  gewant  und 
durch  eine  gewisse  anschaulicbkeit  ausgezeichnet.  Eigentümlich  ist,  dass 
solche  abschnitte  in  der  ersten  hälfte  des  liedes  einen  ebenso  grossen 
platz  einnehmen,  wie  sie  gegen  ende  mehr  und  mehr  zurückweichen.  — 
Die  dritte  art  der  dichter  sind  endlich  die  urheber  jener  abschnitte  oder 
Strophen,  wo  die  dichtung  im  algemeinen  in  kleinigkeiten  und  äusser- 
Uchkeiten  sich  verliert,  zuweilen  zwar  noch  alte  sagenstoffe  heranzieht, 


SSO 

viel  häutiger  aber  nur  den  zweck  verfolgt,  den  inhalt  zu  vermElireQ 
[larcb  einfühning  von  Statisten  oder  dnrcb  eine  derartigs  verwenduug 
der  haupthelden.  Die  daretellung  ist  roh  oder  ermüdend  und  wird  oft 
so  geschmacklos,  wie  es  nur  bei  ganz  poesie-  und  formlosen  liandwerks- 
massigen  spielleuten  und  dilettanten  möglich  ist.  Dieses  sind  jene  inter- 
polatoren  Lachnianns,  deren  machwerk  er  ans  den  andern  atrophen  als 
uueeht  ausgeschieden  bat.'  Freilich  gibt  es  auch  unter  den  jüngsten 
dichtem  ausnahmen  hiervon,  und  selbst  solche,  die  mit  vollem  recIitG 
den  namen  eines  dichters  verdienen,  z.  b.  861*  fgg. 

Es  scheint  mir  nun  von  besonderer  Wichtigkeit,  die  zweite  klame 
der  dichter  näher  kennen  zu  lernen,  weil  dadurch  die  mSglichkeit  gegobea 
wird,  nach  jenen  beiden  andern  selten  hin  um  so  klarer  die  grenzen 
festzustellen.  Da  aber  hei  diesen  abschnitten,  die  so  arm  an  sagen- 
gemäsaem  inhalt  sind,  eine  von  der  sagenuberlieferung  ausgehende  kriUk 
uns  nicht  genügende  aufachlüsse  geben  wiirde,  so  sind  wir  angewiesen, 
den  algemeinen  inhalt  zn  prüfen.  Fasst  man  hierbei  einen  in  den 
verschiedensten  teilen  des  liedes  behandelten  gegenständ  ins  äuge  und 
untersucht,  wie  er  jedesmal  dai^estelt  ist.  so  muss  sich  dabei  die  zahl 
und  der  eharakter  der  dichter,  die  daran  gearbeitet  haben,  erkennen 
lassen:  denn  jeder  neue  dichter,  der  denselben  gegenständ  angreift, 
wird  ihn  natürlich  m  mehr  oder  weniger  abweichender  weise  gestalten. 
Für  diese  Untersuchung  scheinen  mir  besonders  geeignet  zn  sein  die 
Schilderungen  von  dem  empfang  der  gaste,  ein  gegenständ ,  der  einerBeits 
im  einzelnen  sehr  ausführlich  behandelt  ist  und  anderseits  durch  den 
grösten  teil  der  lieder  sich  hinzieht,  wie  folgende  übersieht  zeigt 
I    75  —  127.    Siegfried  in  Worms. 

n    140—  151.    Die  sächsischen  gesanten  am  hofe  Günthers. 
222.     Die  boten  der  siegreichen  Burgunder. 
242—260.      Die    siegreichen   Burgunder    und    die    gefangenen 
Sachsen  in  Worms, 
III     2ßl*  — 266.     Die  festgäste  in  Worms. 
IV'  377*— 398.     Günther  usw.  in  Isenstein. 

477* — 481*.    Dio  Nibelungen  in  Isenstein. 
IV "  5U8  —  522.    Siegried  als  böte  Günthers  in  Worms. 

527—559.    Günther  und  Brunhild  in  Worms. 
V    647* — 655".    Siegfried  und  Kriemhild  in  Xanten. 
VI    683  — G99.    Gere  als  böte  bei  Siegfried. 
(710  fg.    Gere  in  Worms). 

725 — 742.    Siegfried,  Siegmund,  Kriemhild  in  Worms, 
vn    820  —  824.    Die  falschen  Sachsenboten  in  Worms. 
1]  Ich  beioictin«  im  folgenden  diese  steUan  mit  '. 


SMFFANO  DBB  0Ä8TB  IN  NIB.  231 

XI     1115  —  1139.     1164  —  1172.    Büdiger  in  Worms. 
1236*  — 1238*     Kriemhild  in  Passau. 
1240*— 1260.    Eriemhild  vor  und  in  Bechlaren. 
Xn     1277  —  1299.  (1301.  1302).    Kriemhild  und  Etzel. 

1319  —  1322  in  Etzelnburg. 
Xm    1370  —  1387.    Werbel  und  Swemel  in  Worms. 
XV'  1682  —  1607.    Die  Nibelungen  in  Bechlaren. 
XV'  1652.  XV^  XVI'— XVn^  1755.  Die  Nibelungen  am  hof  Etzels. 
Alle  diese   Schilderungen  bieten  ein  reiches,   kulturgeschichtlich 
wichtiges  material,  das  sich  leicht  zu  einem  einheitlichen  bilde  grup- 
pieren lässt,  wie  ich  dies  in  dem  jezt  erscheinenden  Programm  des 
Gynmasiums  zu  Mühlhausen  in  Th.  versucht  habe.     Dass  aber  in  einer 
solchen  gesamtdarstellung  die  einzelnen  handlungen  sich  so  zusammen- 
fBgen  lassen,  dass  sie  eine  folgerechte  entwicklung  bilden,  beruht  auf 
der   gleichmässigkeit   der  Vorstellungen  und  auffassungen ,   welche   in 
diesen  darstellungen  waltet.     Noch   auffallender   als   dieses   sachliche 
zusammenstimmen  ist   die  ähnlichkeit,   teilweise   sogar  gleichheit   der 
form.  ^  Folgende  Zusammenstellung  der  parallelsteUen,  für  deren  anord- 
nung  im  ganzen  die  in  der  erwähnten  abhandlung  aufgestelten  gesichts- 
punkte  massgebend  gewesen  sind,  wird  dieses  erweisen. 

(Hier  folgt  die  tabeilarJBche  fibersicht  der  pgr^elstellen;  s.  einlage). 

Wie  ist  diese  fülle  von  parallelen  zu  erklären,  die  mit  ausnähme 
des  liedes  V  durch  alle  lieder^  deren  Inhalt  die  mOglichkeit  dazu  bietet, 
sich  hinziehen  und  besonders  zahlreich  uns  entgegentreten,  wenn  wir 
die  lieder  IY\  VI,  XI,  Xm,  XVH^  mit  einander  vergleichen?  Diese 
parallelen  sind  viel  zu  bedeutend,  als  dass  sie  sich  auf  die  fast  unbe- 
wuste  einwirkung  eines  algemein  verbreiteten  und  herschend  gewordenen 
epischen  stils  gründeten.  Auch  in  den  gedichten  der  früheren  periode 
finden  sich  nie  so  durchgreifende  Übereinstimmungen,^  obgleich  bei  den 
kurzzeilen^  die  so  oft  das  bezeichnendste  wort  im  reime  haben,  eine 
gleichmässigkeit  in  der  darstellung  gleicher  gegenstände  noch  viel  näher 
liegt  als  in  den  langzeiligen  Strophen.  Auch  müste  doch  von  der  ein- 
wirkung eines  so  gebieterischen  algemeinen  epischen  stils  etwas  zu 
merken  sein  in  gedichten  wie  Alphart,  Gudrun  und,  wenn  auch  in 
geringerem  grade,  in  den  kurzzeiligen  Klage  und  Biterolf.  Man  muss 
also  diese  ansieht  schon  von  vornherein  beschränken  auf  die  annähme 
eines  stiles,  der  unter  epischen  dichtem  einer  gleichen  zeit,  einer 
gleichen  landschaft,  in  gleichen  äusseren  Verhältnissen  und  aus  dem 
gleichen  stände  zur  geltung  gelangte.  Und  so  hat  man  auch  in  der 
tat  diese  eigentümlichkeit  erklärt.    Es  bestände  denmach  ein  indirecter 

1)  8.  Wackemagel»  Litg.«  s.  125  anm.  83. 


Zusammenhang  itwischen  den  dichtem.  Es  lebte  also  in  Ostreich,  ato 
Wiener  hofe  oder  wenigstens  in  heziehung  zu  demselhun  eine  ansaht 
von  diditem  ritterlichen  Standes,  unter  ihnen  einer  oder  einige,  di« 
als  mustergiltig  augesehen  waren  und  einen  stil  und  ton  der  epieohoo 
darstellung  angescblagi>u  hatten ,  mit  dem  die  andern  dnrch  lesen, 
hßren  oder  U-rnen  vertraut  geworden  waren  und  in  den  sie  daher  öfter 
last  uuwilkürlich  hineingeiieten,  wodurch  ihre  diobtungen  eine  gewisse 
fonuelhaftigkeit  uad  üboreinatimmung  erhielten.  Sehen  wir  ans  nun  im 
Nibelungenliede  nach  solchen  fonneln  und  wendnngun  nm,  die  jeder 
dichter,  der  diesem  kreise  angehörl-e,  verwenden  koute,  gleichviel  in 
welchem  gehtete  der  volkssage  er  dichtete.  Zu  solchen  lassen  sich 
rechnen:  IV  389,  2  —  4  =  I  75.4,  76,  3.  4;  I  79,  4  =  XI  1125,  3; 
XI  1259,  1.  2  =  SVn-  1675.  1.  2;  XV'  1593,  4  =  II  261*.  4;  HI 
278,  3.  4  =  IV  532,  3.  4;  IV-  640.  4  ^  XT  1255,  4;  IV"  648,  4  = 
VI  737,  4;  IV"  551,  3.  4  =  XU  1296,  1.  2.  An  allen  diesen  stellen 
lässt  sich  eine  gewisse  notwendigkeit  des  Inhaltes  erkennen .  diese  bringt 
bestirnte  w3rt«r  oder  ausdrücke  mit  sich,  und  diese  wider  bewirken, 
dass  die  überlieferten,  im  gedScbtni.'!  des  dichter»  zunächst  noi^h  schlum- 
mernden formen  in  sein  bewnstsein  treten;  auf  diese  weise  schliesRen 
sich  an  jene  Wörter  oder  ausdrücke  die  entsprechenden  sütze  mit  den 
entsprechenden  reim  Verbindungen. 

Übereinstimmung  berscht  jedoch  nicht  bloss  in  Strophen  oder  vereen 
algemeisen  inhaltes,  die  mit  leichter  andemng  in  jedem  anderen  epOB 
von  gleicher  versform  angowant  werden  köntcn,  sondern  auch  in  Stro- 
phen, die  einen  entschiedenen  Nibelungenstoff,  womSglteh  noch  durch 
reime  gebunden,  enthalten.  Solche  sind  XI  1115  — lllß^XIII  1370 
—  1373,  XV'  1606  =XVII'-  1742,  Gehören  aber  diese  atrophen  unbe- 
dingt zum  Nihelungenepos.  so  muss  der  tonangebende  diuhter  ein  Nibe- 
lungendichter gewesen  sein.  Seite  nun  in  jenem  kreise  ein  original- 
dichter  den  mittelpnnkt  gebüdet  haben?  Das  ist  nicht  denkbar,  bb 
mnste  sonst  dieser  In  der  Schilderung  des  empfitnges  eine  wunderbare 
Vielseitigkeit  entfhltet  haben.  Wenn  es  aber  mehrere  tonangebende 
diKhter  gewesen  sind,  solte  man  es  da  i»  der  tat  für  möglich  halten, 
dass  gerade  diese  kein  iloniment  ihrer  tStigkeit  hinterlaast-n  haben,  und 
nur  das  werk  ihrer  schQler  ans  voriiegtP  Das  ist  doch  höchst  unwahr- 
scheinlich: einer  oder  der  andere  würde  sicherlich  in  nnserem  Nibelungen- 
liede vertreten  sein.  Dann  aber  würde  der  Zusammenhang  der  parallel- 
Stelleu  schon  ^um  teil  «in  directei  werden,  und  allerdings  kann  man 
es  sich  nicht  vorstellen,  wie  ebne  einen  solchen  so  gleichmSssige  Strophen 
sich  gebildet  haben  »ölten.  So  würde  die  nächste  frage  mn:  welch« 
der  stellen  sind  original  und  welche  ahmen  dies«  nach? 


EMFFA5G  BEB  GlSTE  IN   XIB.  233 

Zunächst  müssen  natürlich  diejenigen  unechten  strophen  nach- 
ahmungen  sein,  welche  mit  echten  übereinstimmen.  Und  dieses  müste 
sich  durch  nachweis  von  realen  oder  formalen  mangeln  bestätigen 
lassen. 

IV'*  zeigt   mehrere  sehr   starke  anklänge  an  I.     Als  Günther 
Siegfrieden  und  seine  recken  im  hofe  sieht,  ist  es  ihm  leid,  dass  er  sie 
nicht  kent   (denn  jedenfals  wünscht   er  sie  angemessen  begrüssen   zu 
können)  81.     Als  Günther  die  Jungfrauen   in  den  fenstem   der   bürg 
Bmnhilds  sieht,  ist  es  ihm  auch  leid,  dass  er  sie  nicht  kent  377'".    In 
I  fragt  er  deshalb  Hagen,  in  IV*  Siegfrieden.    Das  motiv  ist  aber  in 
IV*  gleich  wider  benuzt,  und  zwar  möglichst  unpassend.    In  I  87.  102 
gibt  der  weltkundige  Hagen   die  antwort:   ich  habe  Siegfrieden  zwar 
noch  nie   gesehen,   aber  es   kann  kein  anderer  sein  als  Siegfried,    der 
dort  so  herlich  geht:  wir  sollen  ihn  gut  empfangen  —  wie  kurz  und 
treflFend  ist  dadurch  die  erscheinung  Siegfrieds  charakterisiert!    In  IV 
394*,  das  sich  im  ausdruck  imd  reim  sehr  eng  an  87  hält,  wendet  sich 
Brunhild  an  eine  ganz  beliebige  ihrer  mägde  —  die  natürlich  Siegfrieden 
viel  besser   kent   als  Brunhild  selbst!  —  sie  erhält  den  bescheid:  ich 
habe   zwar  sonst  keinen  von  jenen  beiden  früher  gesehen,   doch  einer 
ist   darunter,    der  Siegfried  gleicht,   den  solt   ihr  gut  empfangen.     In 
unechten  strophen  begegnet  dieses  motiv   mit  dem  reim  gesehen  :  ver- 
jehen  noch  zweimal:  XI  1118*    1.  2   und  XIII  1372*   1.  2,  beidemal 
ist  Hagen  die  auskunft  gebende  person;   auch  diese  zwei  stellen  sind 
für  beabsichtigte  nacbahmungen  anzusehen.     Am  leichtesten  lässt  sich 
dieses  bei  XI  nachweisen.    Die  antwort  Hagens  komt  in  ganz  entspre- 
chender form  zweimal  vor,    1118*  und  1120.     Die  erste  ist   an   sich 
überflüssig   und   leer   und   dient  nur   dazu,   eine  bemerkung  über  die 
kleider  der  gaste   einzuleiten;   dabei  wird  auch   zum  zweiten  mal  das 
herbergen  erwähnt,  und  hierzu  komt  noch  eine  widerholung:  das  zwei- 
malige fragen  1117,  4  und  1115,  4*.    Also  bildet  1115,  3*  — 1116,  2* 
nebst  1118*.  1119*  einen  zusatz,  bei  dem  der  ungeschickte  interpolator 
widerholungen  nicht  zu  vermeiden  vermochte  und  sich  mit  1118*  1.  2 
ziemlich  genau  an  I  87  anschloss,  während  1120  freier  ist.     Mit  diesem 
zusatz  hängen   nun  auch    die  unechten  verse  an  jener  stelle   in  XIII 
zusammen.     1118*   1.  2  stimt  zu  1372*    1.  2,  ebenso  1370,  3*  4*  zu 
1115,  3*.  4*,   beide  in  die    schon    an  sich   ziemlich  gleichen   strophen 
1115,  1.  2  +  1116,  3.  4  und  1370,  1.  2  +  1373,  3.  4  an  derselben  stelle 
einsetzend.     Beide    erweiterungen   sind   daher  offenbar  von    demselben 
interpolator,  der  die  anmeldung  an  den  könig  nach  dem  Vorgang  von 
I  und  VI  (683)  nicht  unerwähnt  lassen  wolte   und  zugleich  einen   hin- 
weis  auf  die  prächtigen  kleider  für  wünschenswert  hielt.     Dabei  nahm 


SM  ■.    KBTTICKB 

er  jenes  motir  ron  I  87  wider  auf,  ohne  dabei  zu  beradEsichtig«!/ 
dieses  in  XI  schon  an  jener  stelle  verw&nt  war. 

Eine  andere  stelle  von  IV".  die  sich  als  nacbahmang  verrtt,  M 
396*.  397*.  hundert  oder  m&e  steht  an  derselben  stelle  in  396'  wie 
in  m  278,  die  truogen  stcert  enhatä  397*  imd  277;  dabei  hat  aber  der 
interpolator  nicht  recht  beachtet,  dass  es  sich  dort  tun  einen  restanüng 
handelt,  und  lässt  so  fSr  den  empfang,  der  doch  ein  einfacher  ist  und 
jedenfals  in  eioem  gemach  Bicb  volzieht  (?gl  397*  4),  aber  sechs  hoo- 
dert  menseben  als  Bmnhilds  gefolge  zusammentreten,  während  dort  nur 
faondert  recken,  fiber  hundert  fraaen  und  eine  entsprechende  anzafal 
Jungfrauen  Uten  und  Kriemhilden  begleiten. 

n  260* — 263*  zeigt  eine  solche  armseligkeit  des  ansdrudn 
(z.  b.  die  im  komen  solden  260*,  4.  da  si  nu  &>ldeu  kernen  261*,  1. 
dat  si  da  sMen  tragen  262*,  1.  die  dd  soläen  honten  262*.  3),  da» 
man  annehmen  mnss,  der  ioterpolator  hat  die  in  IV'  und  XV'  widw» 
kehrenden  verse  sich  zusammengeborgt. 

Ist  man  also  befugt,  das  Terhaltnis  der  mit  echten  par&IlaleD 
unechten  stellen  als  ein  directes  and  zwar  als  aacbahmong  anzosehen, 
so  muss  man  uon  weiter  tragen,  was  für  eine  beziehung  zwischen  deo 
Tielen  parallelen  echten  stellen  waltet. 

Die  darstellungen  zeigen  nicht  alle  in  demselben  grade  &hnlicb> 
keit.  Wesentlich  unterscheidet  sich  der  empfang  in  IV*  von  den  andeni. 
In  drei  zeilen  wird  389  ganz  knapp  und  formelhaft  der  empfang  dordt 
die  dienerschaft  bezeichnet,  dann  folgt  unmittelbar  396,  die  begrüssnng 
durch  Bruohild.  Äncb  diese  scheint  mir  in  ihrer  jetzigen  form  nicht 
die  ursprüngliche  za  sein:  der  sUI  der  atrophe  stjmt  öberein  mit  dem 
ron  VI  732,  und  deshalb  ist  sü  (Lachmann  si)  auch  wol  zu  halten. 

Dieselbe  formet  für  den  empfang  durch  die  dienersehaft  komt  nur 
noch  einmal  vor  mit  ganz  leichter  Sndening  I  75.  76,  aber  durch  zwei 
andere  dazwischen  stehende  yeree  in  zwei  stropheu  verteilt  Die  ver- 
hindong  riter  unde  knehi  :  daa  was  michel  rehl  begegnet  beim  empfang 
noch  einmal  XV"  1660.  l.  3.  Wie  1  76.  1  unterscheidet  auch  XV  reelm, 
riter  und  knehle  1&87,  nicht  so  bestirnt  1744.  1513.  Vielleicht  waren 
die  zwei  verse  urspnlnglich  nicht  mit  jener  formet  Terbuoden.  Sicher 
ist  aber,  dass  der  folgende  abschnitt  77  —  101  nicht  frei  ist  von  einem 
bineingearheiteten  stücke,  auch  abgesehen  von  den  unechten  Strophen. 
Es  liegt  nämlich  ein  Widerspruch  in  der  ttandlung,  der  nur  durch  irgend 
einen  zusatz  bervorgfrufen  sein  kann.  Gleich  nach  dem  emptang  fragt 
Siegfried  nach  Günther  und  wird  in  den  eaal,  wo  der  kSnig  sich  auf- 
bfilt,  gewiesen.  W&hrend  desaeo  spielt  sich  im  saal,  wo  man  Siegbied 
bereits  gesehen,  oino  tiemlioli  lang»  goeue  ab,  87  wird  noch  ausdrück- 


EMPFANG  DSB  0Ä8TB  IN  HIB.  235 

lieh  von  einem  aufenthalt  Siegfrieds  auf  dem  hof  geredet.  Es  ist  ent- 
weder das  hinzutreten  von  strophe  77  —  79  oder  von  81  —  85  (86) 
gewesen,  das  diese  Störung  veranlasst  hat.  —  Das  Verhältnis  von  87. 
102  zu  den  unechten  Strophen  ist  schon  besprochen  und  dabei  auf  die 
freiere  widerholung  in  den  echten  XI  1120  hingewiesen.  Aber  auch 
diese  steUe  ist  ihrem  wesen  nach  von  87  durchaus  verschieden.  87  hatte 
eine  tiefere  bedeutung;  was  aber  hat  es  fär  einen  zweck,  wenn  Günther 
sich  an  Hagen  wendet  wegen  der  angekonmienen  fremden,  und  dieser 
erklärt:  ich  habe  zwar  Rüdeger  lange  nicht  gesehen,  aber  er  scheint 
es  zu  sein?  Solte  es  ein  hin  weis  auf  Hagens  Vergangenheit  sein,  so 
wäre  der  doch  zu  unbedeutend.  Ohne  zweifei  hat  hier  der  dichter  von 
XI  das  motiv  aus  dem  älteren  liede  I  nachgeahmt,  zum  teil  mit  bei- 
behaltung  der  form.  —  Noch  eine  Übereinstimmung  mit  einem  späteren 
verse  ist  zu  bemerken:  127,  3  =  1600,  3  —  also  zum  dritten  mal  mit 
XV.  Die  beiden  verse  gleichen  sich  ganz  merkwürdig  und  sind  dabei 
doch  in  etwas  verschiedenem  zusammenhange.  Seinem  ganzen  Charakter 
nach  ist  XV  jünger  als  I :  aber  weshalb  solte  der  sehr  gewante  dichter 
von  XV  diesen  einen  vers  entnommen  haben?  Und  die  werte,  gerade 
an  dieser  stelle  der  strophe  sind  so  zufällig,  dass  auch  an  eine  epische 
formel  nicht  zu  denken  ist.  Ich  glaube,  man  kann  sich  der  ansieht 
nicht  verschliessen ,  dass  der  dichter  von  XY  noch  nachträglich  an  I 
geändert  hat  Sonst  aber  fehlen  in  diesem  liede  wie  in  lY*  die  meisten 
der  bei  den  übrigen  empß.ngen  vorkommenden  züge ,  das  verlangen  des 
gastes,  gleich  selbst  zum  könig  zu  gehen,  und  eine  begegnung  von  wirt 
und  gast  wie  103,  4  steht  nicht  in  einklang  mit  den  fSrmlichkeiten,  die 
sonst  beobachtet  werden.  So  nimt  also  auch  der  empfang  in  I  eine 
Sonderstellung  ein. 

In  der  jüngeren  fortsetzung  von  V  schildert  647*  — 656*  einen 
empfang,  ohne  eine  parallelstelle  zu  haben  mit  ausnähme  von  655*,  4: 
der  den  schoenen  unben  mit  ftiise  dienen  began.  Doch  ist  dieser  vers 
mit  dem  vorhergehenden  syntaktisch  verbunden  und  unterscheidet  sich 
insofern  von  den  selbständigen  formelhaften  Strophenschlüssen  XI 1248, 4. 
1250,  4.  VI  735,  4.  736,  4.  IV^  557,  4.  Auch  rUer  unde  hneht :  dan 
was  michel  reht  646*,  1.  2  begegnet  hier  wider,  aber  nicht  beim  empfang 
und  hat  auch  durch  das  zugefQgte  meide  unde  vrouwen  einen  etwas 
anderen  Charakter.  Es  ist  dieses  stück  also  nicht  bloss  durch  seine 
weit  geschicktere  form  von  den  meisten  übrigen  jüngeren  Zusätzen 
unterschieden,  sondern  auch  durchaus  selbständig  gegenüber  den  älteren 
abschnitten  gleichen  Inhaltes. 

Nach  abzug  dieser  abschnitte  bleibt  aber  noch  eine  menge  von 
darsteUungen  übrig,  die  sich  so  ähnlich  sind,  dass  es  zwischen  ihnen 


236  K.  KETTNEB 

(uiie  iliroctc  boziolmug  geben  mnss.  Mit  diesen  wollen  wir  uns  im  fol- 
f^endon  ausschliesslich  beschäftigen. 

Durch  eine  sehr  weit  verzweigte  verwantschaft  zeichnet  sich 
uHmcntlicli  die  darstellung  des  empfanges  in  XI  aus,  darauf  folgen  XIII, 
VI,  IV^  \WIV\  XV;  hierzu  kommen  noch  U,  ni,  VII,  XH;  auch  diese, 
ui\(i  biolhst  solche  darunter,  bei  denen  der  Charakter  des  empfanges  eine 
h'ln^^^ru  Schilderung  nicht  zuliess,  zeigen  immer  noch  zahlreiche  und 
autTallonde  ahiilichkeiten.  Hätte  hier  eine  nachahmung  statgefbnden, 
so  niüsto  doch,  wie  bei  dem  Verhältnis  der  jüngeren  Strophen  zu  den 
onts|>rechonden  älteren,  wenigstens  bei  einigen  sich  priorit&t  und  ab- 
hängigkoit  nachweisen  lassen.  Welche  strophe  aber  solte  wol  den  Vor- 
rang verdiiMien  unter  VI  698,  XIII  1385,  XI  1253,  XVII^  1751,  unter 
XV  U\Oi\  und  XVir  1712,  unter  VI  733  und  XI  1254,  unter  IV*  532 
und  XY  1601V  Man  kann  von  keiner  dieser  Strophen  behaupten,  dass 
sie  nacli  form  oder  inhalt  hinter  den  andern  zurückstände  oder  zu  ihren 
nachl)arstrophon  nicht  recht  passte.  Bei  den  kleineren  Übereinstimmungen 
ist  OS  vollends  nicht  möglich,  eine  spur  der  nachahmung  aufzufinden. 

Ks  wurde  sieh  aber  auch  eine  solche  annähme  mit  mehreren  gründen 
entschioden  zurückweisen  lassen.  Zunächst  sind  die  ähnlichkeiten  nicht 
anf  cinzolno  gruppen  beschränkt,  sondern  leiten  zwischen  den  verschie- 
densten abschnitten  hinül>er  und  herüber.  Wie  soll  man  sich  eine  so 
eomplieierte  naehi\hmung  erklären  ?  Die  lieder  selbst  sind  auch  gar  nicht 
so  ungeschickt ,  dass  ihre  dichter  das  bedürfhis  gehabt  haben  solten ,  sich 
ausdrücke,  verse  und  strophen  von  andern  in  solchem  umfange  zu  erborgen. 
Ferner  dürfte  doch  wol  unter  all  diesen  dichtem  in  folge  äusserer  umstände 
eiuer  oder  der  andere  nicht  ganz  unter  gleichem  einfluss  mit  den  übrigen 
gestanden  habeu,  und  selbst  wenn  man  hiervon  absieht,  würde  schon 
die  versohiedeue  individualität  der  dichter  es  mit  sich  gebracht  haben, 
da>s  Ihu  dem  einen  die  aulehnung  an  den  musterdichter,  oder  sagen  wir 
selbst  die  beeinHussung  durch  einen  herschend  gewordenen  epischen  süL 
uiohi  dieselbe  war  wie  l)ei  dem  andern,  so  dass  je  nach  der  gr(^sseren 
clor  o'rinsrereu  freiheit  der  behandlung  jene  aK>ohnitte  sich  von  ein- 
av..:';r  v.uterschoi.ien  müsten.  Vollends  aber  win?  nicht  zu  begreifen. 
wit^  ;s  !n%:lioh  is:.  dass  sämtliche  dichter  bei  der  anirabe  von  gewissen 
i:lei>her;  ceco:i>täu-:ea  fast  deiche  formelhafte  verse  und  rwar  an  sdei- 
eher  stdiO  ^obr.iv.vriü.  dass  ferner  einreine  g;inz  zutüMp»  wendung«& 
sich  iv.  cleivhor  stelle  der  Strophe  widerholen  imd  unter  diesen  sogar 
solche,  die  überbiurt  fast  nur  beim  empämg  und  nsr  hier  an  der- 
selbe:; stelle  verkommen 

Ich  werde  diec>e  bemerkungt^n  niher  erldim  und  k^giüBikii.  Der 
-rt; rViic  der  k';ea  wird  be»chrieba  U*  IT%  VI»  TD«  XI.  SIL   DiM 


EMPFANG  DBB  GASTE  IN  mB,  287 

darstelluügen  sind,  auch  II  und  VIT  soweit  wie  möglich,  sämtlich 
stereotyp  gehalten.  Wie  ist  es  denkbar,  dass  sechs  dichter  diesen 
verlauf  so  analog  darstellen  und  sich  dabei  in  den  ausdrücken  so  sehr 
widerholen?  Die  bo tschaften  stehen  aber  auch  nicht  isoliert  da,  XVII ** 
z.  b.  zeigt  sehr  starke  anklänge  an  dieselben. 

Bei  den  grossen  empfangen  in  IV^  VI,  XI  spielen  die  firauen 
eine  bedeutende  rolle,  die  galanterie  der  ritter  muste  füglich  dabei 
berücksichtigt  werden,  warum  aber  wird  bei  jedem  jedesmal  im  vierten 
verse  (1248.  1250.  737.  736.  557)  dieses  mit  fast  demselben  algemeinen 
formelhaften  ausdruck  bezeichnet? 

II  222,  3  und  XV  1590,  3  heisst  es  an  derselben  stelle  der  stroplie 
dirre  lieben  maerey  diu  in  da  wären  komen  :  vernomen  und  diu  lieben 
maere,  diu  er  hete  vernomen  :  Jcomen.  Hieran  schliesst  sich  das  schon 
erwähnte  I  127,  3  und  XV  1600,  3  Sifrides  knehten,  nian  schuof  in 
guot  gemach  und  überal  die  knehte,  si  heten  guot  gemach.  Beides  ist 
für  eine  nachahmung  zu  unbedeutend,  für  eine  epische  formel  aber  das 
erste  zu  nichtssagend,  das  zweite  zu  sehr  durch  zufuU  zusammenge- 
bracht. Und  selbst  wenn  man  diese  stellen  für  formein  ansehen  wolte, 
schreiben  wol  solche  eine  aufnähme  in  den  dritten  vers  vor?  Dieselbe 
frage  würde  entstehen  bei  VI  744,  3  und  XVIP  1755,  3  alles  des  si 
gerteny  des  was  man  in  bereit  :  geseit  und  verseit 

XI  1127  stimt  zu  XVII**  1750;  an  eine  nachahmung  würde  hier 
am  wenigsten  zu  denken  sein:  1750,  3  ist  entschieden  kräftiger  als 
1127,  3,  obgleich  XI  sonst  das  werk  eines  geschickten  dichters  ist. 
Auffällig  ist  auch  der  jedesmalige  zusatz  an  gleicher  stelle:  vil  gerne 
iet  man  dajs  und  mit  vlize  tet  man  daz^  und  in  ganz  entsprechender 
weise  sezt  widerum  an  gleicher  stelle  der  dichter  von  VI  zum  schenken 
hinzu :  niht  langer  man  daz  liez  (697,  2).  Dieselbe  Wendung  begegnet 
im  Nibelungenliede  noch  dreimal,  nämlich  bei  der  jagd  VIII  902,  1 
(Ke),  rV  556,  2  (lie),  XVTI**  1746,  2  daz  langer  niht  enlie.  Warum 
komt  nur  bei  Schilderungen  des  empfanges  diese  wendung  an  der  glei- 
chen stelle  der  Strophe  vor,  und  warum  an  derselben  stelle  sich  wider- 
holend die  entsprechenden  Wendungen? 

Es  gibt  far  alles  dies  keine  andere  erklärung,  als:  die  sämtlichen 
analogen  Schilderungen  des  empfanges  sind  von  einem  dichter  verfasst. 
So  ist  die  merkwürdige  Übereinstimmung  der  form  leicht  erklärlich 
Wenn  man  heutzutage  bei  widerholter  darstellung  einer  und  derselben 
Sache  schon  in  gewöhnlicher  ungebundener  rede  sich  bemüht,  mit  dem 
ausdruck  zu  wechseln,  wieviel  mehr  muste  ein  dichter  Schwierigkeiten 
haben,  der  in  einer  durch  metrum,  reim  und  strophe  gebundenen  rede 
und  in   einer  immer  noch   etwas  formelhaften  poetischen   diction  sich 


bewegt,  deren  faandhabung  innerhalb  jener  form  ihm  an  und  für  äch 
schon  nicht  leicht  war.  Selbst  in  ein  und  demselben  liede  kommen 
solche  widerbolungen  vor,  z.  b.  I[  161,  L  und  247.  1 ;  IV"  510,  1.  3  and 
519,  1.  2:  XI  1248.  4.  1250,  4.  1243,  3.  4.  1259.  3.  4.  Die  häufigkeit 
derselben  nnd  ihre  grössere  oder  kleinere  Ähnlichkeit  ist  natflrlicb  ein 
massBtab  für  das  talent  des  dichters;  dämm  erscheinen  sie  zuweilen  in 
ganz  auffälliger  weise  in  unechten  Strophen  auch  bei  verschiodenem 
inhalt,  z.  b.  II  200*.  VI  739»,  XIII  1428*,  ferner  VI  734*  (vgl.  XI 
1126*,  3),   I  3*,   II  210*. 

So  ist  auch  der  gnind  der  sonstigen  gleichmässigkeit  dieser  ab- 
schnitte klar.  Selbst  bei  einer  chronologischen,  lokalen  und  sozialen 
Zusammengehörigkeit  einer  mebrzahl  von  dichtem  wfirde  sich  aus  den 
vielen  parallel  laufenden  und  sich  einander  auschliessenden  handlangen 
nicht  ein  solches  System  von  regelu  des  empfanges  ableiten  lassen,  ea 
würde  eine  Verschiedenheit  des  intereases  und  der  erfabning  zur  geltung 
kommen,  sodass  teils  manche  schwerer  vereinbare  zQge  neben  einander 
stehen  würden,  teils  lücken  eintreten  würden,  well  der  umfang  der  ^- 
zelneu  scbildernngen  nicht  so  gleicbmflssig  ausgefallen  sein  könte.  Form, 
inhalt  und  Charakter  stimmen  aber  durchaus  zu  einander. 

Hat  sich  also  somit  ergeben,  dass  diese  ^cbildornngen ,  soweit  sie 
sich  ähnlich  sind,  sämtlich  von  demselben  Verfasser  herrühren,  so  ist  damit 


nicht  gesagt,  dass  auch  die  iieder 
1  dichters  seien.    Es  lässt 
i  ein  dichter,  welcher  etwa  verei 


u  denen  sie  vorkommen,  erzeugnisse 

ich  recht  wol  die  mögUchkeit  denken, 
inigend  und  deingemäss  auch  erwei- 


ternd am  Nibelungenliede  tätig  war,  solche  Situationen,  die  sein  Inter- 
esse in  anspnich  nahmen,  nach  seinem  geachmack  umformte  und  erwei- 
terte. Als  eine  solche  erweiterung  bebt  sich  sehr  deutlich  aus  XVU 
der  abschnitt  XYIP  1742^1753  und  1755  heraus,  namentlich  wenn 
man  ihn  an  XVII*  anscbliesst,  aber  auch  die  übrigen,  besonders  die 
mit  der  Thidreksaaga  übereinstimmenden  teile  stechen  mit  ihrer  ein- 
facheren darstellung  und  ihrer  rasch  sich  entwickelnden  handlung  sehr 
ab  gegen  diesen  breit  geschilderten  und  in  aller  form  sich  bewegenden 
empfang.  Wie  hier,  kann  der  dichter  noch  Öfter  verfahren  sein :  er  mag 
manchmal  an  einzelneu  atrophen  umgemodelt  und  zugeeezt  haben  — 
so  wird  ihm  auch  die  botachaft  Küdegers  im  wesentlichen  schon  vor- 
gelegen haben  —  an  anderen  stellen  hat  er  grössere  etflcke  hinzugefügt 
wie  z.  b.  in  1V^  Auch  in  I  76,  1.  2,  127.  3  und  IV*  308  kann  man  die 
band  dieses  dichters  erkennen  (vgl.  s.  234  fg.).  Selbstverständlich  wird 
er  sich  nicht  damit  begnügt  haben ,  bloss  empfange  au  beschreiben ;  wir 
sahen  bereits,  wie  aucb  die  featscbilderung  in  in  eine  verwantschaft 
mit  diesBa  empfaDgaBchilderangen  zeigt     Hiennit  ist  auch  gleich  die 


KHPPANC^  DXft  gIbTS  tN  HIB.  289 

tendenz  des  dichters  bestirnt.    Er  gehört  eben   zu  denen,  welche   das 
volksepos  in  höfischem  geschmacke  ausgebaut  haben. 

Gehen  wir  nun  darauf  ein,  die  Stellung  des  dichters  in  der 
entwicUung  der  höfischen  poesie  und  des  in  ihr  zum  ausdruck  gebrachten 
ritterlichen  lebens  näher  zu  bestimmen,  so  stossen  wir  gleich  bei  den 
Schilderungen  der  grossen  festlichen  empfange  auf  einen  höfischen 
Charakter  des  lebens  und  der  darstellung  desselben.  Dieser  zeigt  sich 
ganz  besonders  in  der  art  und  weise,  wie  der  minnedienst  bereits  sich 
geltend  macht  Die  galanterie  in  den  diensterweisungen  gegen  die  trauen 
wird  stets  geübt  und  öfter  als  nötig  erwähnt  (IV **  557,  4  u.  ö.),  die 
recken  zeigen  ihre  kfinste  vor  den  frauen  (VI  738,  4.  XI  1247,  4),  sie 
jfinden  grosses  vergn&gen  an  der  Unterhaltung  mit  ihnen  (IV^  556), 
überhaupt  an  ihrer  geselschaft  (556,  4),  sie  freuen  sich  an  ihrer  Schön- 
heit, an  ihrem  feinen  benehmen ,  es  ruft  dies  ihr  lob  hervor  und  fordert 
überhaupt  ihre  kritik  heraus  (IV  *^  548,  4.  549.  550.  VI  736.  737).  Höfi- 
scher prunk  ist  in  massvoUer  weise  angewendet:  die  zurüstungen,  der 
Ueiderschmuck ,  der  festaufzug,  dazu  die  waffenspiele  bilden  die  haupt- 
momente  dieser  feste. 

Die  algemeinen  formen  des  empfanges  aber  sind  durchaus  frei 
Yon  höfischer  etikette  und  lassen  sich  wol  erklären  aus  naheliegenden 
äusseren  umständen  und  natürlichen  gefühlen  des  anstandes  und  der 
freude.  Selbst  da,  wo  ein  gewisses  ceremoniell  diesen  formen  anhängt, 
ist  es  nicht  neue  höfische  sitte ,  sondern  zugleich  brauch  früherer  zeiten. 
Eigentümlich  ist  nur,  dass  solche  selbstverständlichen  handlungen  uns 
jedesmal  mit  gleicher  Umständlichkeit  angegeben  werden.  Fast  regel- 
mässig wird  bei  den  gesantschaften  das  nachsuchen  und  erteilen  des 
Urlaubs  erwähnt,  stets  wird  hervorgehoben  das  vnlkommen,  das  grüssen, 
danken,  neigen  und  alle  die  sonstigen  höflichkeitsformen  und  -formein. 
Auch  die  im  leben  üblichen  erweiterungen  des  grusses  oder  dankes  lässt 
der  dichter  sehr  häufig  seine  personen  aussprechen,  so  z.  b.  die  freuden- 
und  freundschaftsbezeigung  des  bewilkonmenden  wirtes  VI  698,  3.  4. 
732,  4.  XI  1253.  XIII  1385.  XV  1596,  4.  XVÜ'*  1751.  1752.  An 
diesen  formen  selbst  ist  also  nichts  speciell  höfisches  wahrzunehmen; 
auch  ist  ja  natürlich ,  dass  diese  grundformen  sich  in  der  zeit  ziemlich 
gleich  bleiben,  so  dass  sie  wol  selbst  bei  einem  entschieden  höfischen 
dichter  nicht  höfischer  sein  könten.  Aber  die  ganze  behandlungsweise 
ist  es,  welche  die  höfische  tendenz  des  dichters  bekundet.  Denn  offenbar 
will  er  die  formen  als  solche  hervortreten  lassen,  um  uns  zu  beleh- 
ren, wie  in  dem  leben  der  höfischen  kreise,  das  er  schildert,  von  den 
formen  des  anstandes  nichts  unterlassen  wird.  Freilich  ist  er  hierbei 
ausser  stände,  über  die  gewöhnlichen  formen  viel  hinauszugehen,  daher 


dieae   wiilerholungeii ,    dieses   verweilen    l 
diese  gleichfürmigkeit  des  ausdracks. 

Der  dichter  begnügt  sich  aber  nicht  danait,  unn  nur  von  dem 
mass  dor  anwendung  jener  formen  eine  aiiitcbaauug  ?.n  geben,  er  will 
lus  auch  die  Überzeugung  beibringen,  dass  die  art  und  w«ise  ihrer 
anwendung  durchaus  den  regehi  höfischen  austaudes  entsprach.  Schon 
die  handelnden  personen  nahmen  es  hiermit  recht  gewissenhaft,  rv* 
lässt  Guntlier  sehr  ausdrückliche  bestimmungen  über  den  hergang  des 
L-mpfanges  an  Ute  und  Kriemhild  überbringen,  in  demaelben  sinn  ermahnt 
VI  Günther  Brunhilden,  seine  gaste  schön  zu  empfangen;  XV  erteilt 
Küdeger  genaue  bestimmungen  Über  die  form  der  begrüBBung.  Niemals 
aber  versäumt  der  dichter  in  algemeinen  ausdrücken  die  art  und  wei>e 
des  empfanges  als  eine  feine,  höfigcbe  za  bezeichnen.  In  allen  dar- 
stellungen  stehen  neben  dem  enpitäJten,  grüeee»,  sprechen  ausdrücke 
wie  vil  tcol,  schone,  güeiliche,  mirMediche,  geeogenlkJte ,  zühtedich», 
mit  tren  usw.;  dazu  so  minneclic3^  enphähen  gehörte  man  noch  nie 
646.  9  und  ganze  Strophen  wie  VI  730.  XlII  Vilü,  auch  I  104  (abwti- 
chend  von  dem  sonstigen  Charakter  dieses  lieilcs).  Ebenso  werden  die 
mit  dem  empfang  verbundenen  nebenbandlungen  charakterisiert:  mit 
vil  grözcn  xühten  vrou  KriemhUt  dö  ^  IV  ö44,  I.  <iä  wart  mitinec- 
lichen  gmomen  U  der  hont  647,  2,  8.  such  654.  in  eüiiten  ffröze  itigm, 
und  küsse»  minnficlichen  VI  737,  2,  3.  der  kirre  stuotU  von  seäde, 
daz  was  durch  gröse  zuht  gdän  XI  naö.  4.  mit  gühten  sm  einander 
fixe  vil  manic  meit  XI  1356,  1.  vil  minnecÜcheti  dienest  Süediger  dö 
liiit  12ü'2,  l.  hei/  was  man  größer  ti^te  an  dcti  von  Biirgonden  vant 
XV  1602,  i. 

Man  sieht  also,  wie  der  dichter,  nm  eine  Vorstellung  von  des 
feinen  formen  dieses  hoflebens  stu  erzeugen,  einerseits  immer  wider  die 
formen  als  solche  vorführt,  anderseits  uns  unablllssig  auf  die  feinheit, 
die  bei  der  .lusfübrung  derselben  beobachtet  wird,  nachdrücklich  blo- 
wetst.  Aber  auch  was  dieses  leztere  betrift,  so  wendet  er  vorwiegend 
die  ulgemeinen  bestimmungen  an  stelle  der  bezeichnenden  handlung  an. 
Fasgen  wir  dieses  alles  zuBamiiien,  »o  müssen  wir  über  die  Stel- 
lung des  dichters  in  der  entwicklung  der  hdÜachen  poesie  folgender- 
masKen  urteilen.  Der  dichter  will  hotisclies  leben  zur  darstellung  briageu, 
er  weiss  sclion  von  demselben  und  ist  dafür  «inguuomuien ,  aber  er  kent 
es  nur  aus  der  ferne:  seine  erfahrungeu  darin  sind  noch  nicht  so 
umfangreich,  dass  er  seiner  iihanlasie  eine  genügende  fülle  von  Vor- 
stellungen zugeführt  hätt<>,  um  bunte,  wedisetvolle  bilder  des  hOfisi^eD 
lebens  za  entwerfen.  So  erhalten  seine  Schilderungen  eiuerseit^  etwa» 
gleicbföroiiges,  anderseits  etwas  gesuchtem,  da  sein  boatreben,  höfisch 


DITTBNBBBOBB,  ÜBRB  CAB8AB  B.  6.   BD.   HOLDEB  241 

ZU  sein,  zu  oft  und  auch  an  nebensächlichen  umständen  sich  geltend 
macht.  Es  fehlt  noch  die  Unbefangenheit  und  frische  der  eigentlichen 
höfischen  dichter,  welche  dem  sie  umgebenden  schönen  dasein  mit  voller 
seele  sich  hingegeben  haben  und  ihrer  freude  daran  fast  unwilkürlich 
in  ihren  dichtungen  ausdruck  geben. 

Ein  solcher  dichter  muss  entweder  einer  zeit  angehören,  wo  das 
höfische  leben  noch  nicht  in  seiner  ganzen  reichhaltigkeit  oder  zu  einer 
solchen  geltung  sich  entfaltet  hatte,  dass  es  auch  den  vorstellungskreis 
der  dichter  beherschte,  oder  er  muss  einer  landschaft  angehören,  in 
welcher  das  höfische  leben  noch  keinen  rechten  boden  gewonnen  hatte. 
Berücksichtigen  wir  diese  beiden  forderuugen  zusammen ,  so  werden  wir 
auch  hierdurch  hingewiesen  auf  das  ende  des  12.  Jahrhunderts  und  auf 
Ostreich.  Am  Wiener  hofe  scheint  die  volle  höfische  galanterie  und 
etikette  nie  so  ganz  durchgedrungen  zu  sein,  da  in  Ostreich  in  folge 
seiner  läge  wie  bei  dem  naiveren  Charakter  seines  Volkes  die  Verhältnisse 
flir  die  entwicklung  des  feinen  ritterlichen  geselschaftlichen  lebens  weniger 
günstig  waren  als  im  westen  und  in  Thüringen. 

MOHLHAUSEN   I.  THÜR.  EMIL  KETTNER. 


LITTERATUR. 

C.  Juli  Caesaris  belli  Gallici  libri  VIT,  accessit  A.  Hirti  liber  octa- 
YQs.  Recensuit  Alfred  Holder.  Ereiburg  i.  B.  und  Ttkbiugen  1882.  Aka- 
demische verlagsbuchbandlung  von  J.  C.  6.  Mohr.    396  s.  8^ 

Obwol  drei  neuere  ausgaben  des  bellum  Gallicum  mit  kritischem  apparat 
(von  Nipperdej,  Frigell  und  Dübner)  existieren,  so  komt  die  vorliegende  dennoch 
einem  lebhaft  gefühlten  bedürfhisse  entgegen.  Denn  abgesehen  davon,  dass  Nipper- 
deys  grössere  ausgäbe  längst  vergriffen  und  sehr  selten  geworden  ist  und  auch  bei 
den  beiden  anderen  äussere  gründe  einer  weiteren  Verbreitung  im  wege  stehen,  ist 
auch  von  keinem  dieser  gelehrten  die  au^abe,  aUe  überflüssigen  handschrifben  aus- 
zuscheiden, von  den  für  die  textesgestaltung  massgebenden  dagegen  absolut  zuver- 
lässige und  genaue  collationen  zu  geben,  in  vollem  umfange  erfült  worden.  Dies 
hat  sich  Holder  vorgenommen,  und  bei  seiner  bekanten  akribie  und  seiner  reichen 
erfahrung  im  handschriftenlesen  dürfen  wir  dies  buch  mit  dem  vertrauen  zur  band 
nehmen,  endlich  ein  ganz  sicheres  fundament  für  die  tezteskritik  des  Cäsar  gewonnen 
zu  haben.  Wenn  ich  dies  als  das  hauptverdienst  der  arbeit  bezeichne,  so  soU  damit 
keineswegs  geleugnet  werden,  dass  auch  die  gestaltung  des  textes  mit  gewissen- 
hafter benutzung  der  leistungen  anderer  und  mit  besonnenem  urteil  vorgenommen 
ist,  dass  sich  dem  herausgeber  im  ganzen  ebenso  wenig  wUkürliche  neuerungssncbt 
als  ein  ängstliches  und  vorurteilsvolles  festhalten  an  jedem  buchstaben  der  Über- 
lieferung vorwerfen  lässt.  Druck  und  papier  sind,  wie  bei  aUen  neueren  Unterneh- 
mungen der  rührigen  Verlagshandlung,  vortreflich. 

HALLB  A/s.  W.   DITTENBISBOEB. 


SB1T80I1R.   P.    DKUTSCHK    PHILOLOOIB.    BD.    XV. 


16 


tsleudzk  Aevontyri.  iKlimdische  logenden  nuvcllen  und  mirtibtii 
lierftusgeguben  vod  Hugo  tierluf.  Erstär  Ijandr  Text.  lUlte  n.  S.,  Bodi- 
banOliing  duä  WaiseohaoHüs,  l88Si.    XXXYIII,  311  ü.  8«     Jt  5,t0. 

Durch  di«  Horgfältige  samlung,  lieiea  ersten  band  ich  vdrläafl^'  kura  aueign 
IKüulitu,  indem  icb  nian  eingcliendore  bcsprecltimg  bis  zam  ersuheitieD  des  iWOiMn 
iiurUcIclialte,  bat  Gering  eiu  neues  gebiet  der  islnDdischeu  litterariAchiin  Utigkdt  im 
niitt«l&ltur  dem  studimn  zugänglith  gemacht.  Isländisch  sind  die  legenden,  novall«n 
und  schwanke  —  kztersr  ausdruck  suheint  mir  den  vuriug  zu  verdienen  vur  .ml^ 
eben"  — ,  die  teftnljfri  der  vorliegenden  gamlaug  (reilicli  nur  der  spraclui  UHh. 
Ihrou  atuffen  naeb  sind  aie  graste ntcil ei,  wenn  aueh  nicht  üusnohmslus,  intematiulial. 
Allein  äe  waren  jchen  deswegen  uiner  veiütfuiitlichung,  auch  vuia  litteraturguaclilolit- 
liuben  standjiunkb)  aus  gvsulicn,  durubaos  wert,  weil  Bio,  wiv  es  den  auBohein  htt, 
Kum  teil  naüh  verlorenen  aaalSndiduhiin  quellen  iLbgeCssEt  aiud.  Audurariieita  lisd 
auch  die  wfmt$ri  von  beträclitlicliem  wert«  für  unsere  kentnis  des  islündiechen  wott^ 
ttohatzes:  sie  enthalten  eine  xiemliehe  aiizahl  von  ausdrileken ,  die  in  den  Wurtei- 
bächern  fohlen.  Beide  punkte  solten  hier  nicht  erörtert  werden,  da  der  hcrausgebar 
einen  zweituu  band,  der  die  annicrliiuigen  und  ein  ausführliches  gtoasar  bringen 
wird,  far  eine  nahe  üukunft  in  aussieht  gestelt  liat.  In  den  anmerkuugen  wird  ober 
die  quellen  der  cinieluen  atfivke  und  Über  verwoute  enählungen  anderer  litteratar«a 
gehandelt  werden.  Uiu  bekanta  eorgliilt  dos  verfasaurs,  suwin  diu  unterntützuBg' 
Reinhuld  Kohlers  sind  uns  bärge  für  die  reich  haltig  keit  nud  den  wert  derselben. 

Der  vorliegende  ersta  band  enthält  den  t«xt  von  4d  lügenden  urid  44  kleinna 
aovellen  und  erx&blongen,  von  denen  äS  aus  der  OiBcipUna  clericaÜB  stammeo 
Datu  kommen  noch  8  tragment«.  Vuu  diuxeu  IUI  stucken  waren  bisber  bloss  oean 
veiSfFentlicUt ,  welche  ich  xur  leiolitercn  thorsicht  hier  insaimnenstetle: 

Nr.  8  «f  MarixUino  pd/'a:  Heilagra  mauna  sögnr  [Chrietiania  1677)  I,  TU 
—7101  vgl.  Postola  sögur  (Christ.  1874),  s.  467  ff.  [Möliius,  Veraeichnies  b.  ää). 

Nr,  11  fird  Karlamagnüni:  KarlaniogiiDs  sitga  udg.  af  C.  E.  lingor  (Cbriat. 
ISfiO),  «.  MI  —  47.  Jeduch  beruht  üngers  text  aujjseblieselich  auf  zwei  papieriuuid' 
suhrifton,  während  Gering  fUr  den  anfusg  die  pergamenthandBuhriften  cod.  AH  657  B 
4"  und  uod.  AU  238  fol.  benutzen  kontc  (vgl.  Cederschiöld ,  Germ,  ib,  141  and  ÜeriiiK 
s.  XXXll  f.). 

Nr.  Vi  af  ägimd  Abnalont  erkü/inkups  ok  af  eiiium  Itimda:  Furnmanna  c&|pir 
XI.44U-446  und  in  G.VigFüssoos  leelundie  Prose  Reader  (Oxford  187»),  >.  284-830. 

Nr. 23  JÖTiaP^tT Uithtpv HaOd^anunvr :  Biakupa  sügur  II.  (Kph.  1878),  2S3-a80- 

Nr,  34  af  lÄskujn  ok  püka:  Pustula  »ögur  (Chciat.  1874),  6.  383—389. 

N'r,  79—82  in  K.  Gislasons  44  Prover  (Kph.  1860),  s.  ilO-48fl.' 

Alles  Gbrige  Badet  sich  hier  xum  ersten  male  godrackt.  üb^r  die  beaaztdi 
haudschrift«n  —  19  im  gauxen  —  gibt  dio  vonede  (N.  VUl  —  XXXIIX]  die  oöüg« 
aiiskunft.  Die  hunptsäcbliclutu  ausbeute  gewährten  zwei  amaoiagnlUsche  niembnuMD 
nnd  eine  ritoukliolmer  papiurbandsuhrift.  Ein  teil  dos  maUrials  wnrde  dem  faenns- 
gubcr  von  Möbius  flberlassen ,  das  meiste  hat  er  jedoch  selber  abgcseli rieben  oder 
abactiTeiben  lassen,  nnd  olk  abschrift«n  giad  nachträglich  mit  dun  buudaehriflMi 
Vergliohen. 

Die  teite  sind  normalisiert,  und  «war  naeh  mawgabe  der  ältcreu  teile  du 
od.  AU  667  B,  4".  Diese  handsohrift,  deren  Inhalt  O.  Coderachl&ld,  Germ.  25, 189  C 
v«Tj!«icbuet  hat,  besieht  aus  bructutückon  vuo  twei  Iih-,  von  denen  diu  altnrn  (TOn 

1)  AuB)crd«m  dai  Furväli  A  (Dacb  Cod.  AH  667  B,  4")  in  der  •'iiiUituiig  tu 
l-'i^üarBehiiilili  ausgäbe  der  Cluru*  4afa  (LuuJ   1SI9)>  *.  lU- 


&BBB  GBRIN6,   tStBNDZK  ASVENTYBl  243 

Herausgeber  mit  B  bezeichuet)  der  mitte  des  XIY.  jahrhs,  die  jüngere  (C^)  dem 
ende  des  XIY.  oder  dem  anfange  des  XY.  jbs  angebört  Die  Orthographie  von  B 
ist  ausführlich  von  Gering  besprochen  (s.  Xni  —  XXIII),  welcher  mit  recht  bemerkt, 
dass  sie  überall  noch  die  traditionon  des  XIII.  jbs  erkennen  lässt.  Dennoch  hätte 
meiner  ansiebt  nach  die  entscbeidung  für  die  rechtschreibung  dieser  hs.  bei  sämt- 
lichen texten  einer  eingehenderen  rechtfertigung  bedurft.  Die  durcbführung  einer 
normalisierten  Schreibung  war  allerdings  hier  ebenso  geboten,  wie  G.  sie  in  seinen 
ausgaben  der  Finnboga  saga  und  des  Olkofra  pättr  mit  recht  gemieden  hat.  Ich 
weiss,  dass  diese  leztere  ansieht  nicht  von  allen  geteilt  wird,^  allein  über  die  Zweck- 
mässigkeit der  normalisierten  texte  der  vorliegenden  publication  wird  es  kaum  streit 
geben  können.  Yen  den  hauptquellen  ist  die  eine  (Cod.  AM  624,  4°,  von  G.  mit  A 
bezeichnet)  erst  um  die  mitte  des  XY.  jbs  geschrieben  und  zeigt  im  lautstande, 
der  formenlehre  und  dem  wortvorrat  schon  vielfache  annäherungen  an  die  neuere 
spräche  Islands  (Gering  s.  IX  f.) ;  eine  zweite,  der  Cod.  Holm,  chart.  66  fol.  (a),  ist 
im  jähre  1690  geschrieben;  und  auch  der  jüngere  teil  des  Cod.  AM  657  B,  4^  zeigt 
bereits  einen  „etwas  verwilderton  Charakter**  (s.  XXI II).  Es  muste  also  eine  ein- 
heitlicbe  Orthographie  gewählt  werden,  zumal  der  herausgeber  mit  recht  bei  den- 
jenigen stücken,  welche  in  drei  alten,  von  einander  unabhängigen  hss.  überliefert 
sind  (namentlich  nr.  81,  1.  2.  82)  den  versuch  einer  kritischen  reconstruction  des 
archetypus  gewagt  hat.  Inwiefern  nun  dieser  einheitlichen  Orthographie  die  hs.  B 
mit  recht  zugrunde  gelegt  wurde,  muss  eine  Untersuchung  über  die  zeit  der  ent- 
stebung  der  samlungen  lehren,  welche  in  diesem  bände  vereinigt  sind.  Yermutlich 
wird  der  zweite  band  hierüber  näheres  bringen.  Dass  die  ältere  samlung  des  Cod. 
657  B,  4®  vom  bischof  Jon  Halldorsson  (1322 — 1339)  aus  dem  Lat.  übersezt  sei, 
bat  Cederschiöld ,  Germ.  25,  130  vermutet,  weil  die  von  Gering  auf  s.  3  gegebene 
Torrede  (formdU  Ä;  Cederschiöld  betrachtet  sie  als  „nachrede**)  unmittelbar  auf  die 
Clarus  saga  folge,  welche  wahrscheinlich  von  dem  bischof  übersezt  ist  (vgl.  Clarus 
saga  ed.  Cederschiöld,  Lund  1879,  s.  II).  Allein  jene  vorrede  bezieht  sich  wol  eher 
anf  die  Übersetzung  der  Disciplina  cloricalis  des  Petrus  Alfonsi ,  welche  sich  ursprüng- 
lich in  der  hs.  an  sie  angeschlossen  hat  (Gering  s.  XII.  XXX). 

Die  textesberstellung  gibt  mir  zu  keinen  bemerkungeu  anlass.  Wie  in  den 
früheren  arbeiten  des  herausgebers  erhält  man  auch  hier  den  überaus  woltuenden 
eindruck  äusserster  Sorgfalt.  Wo  mehrere  hss.  vorlagen,  ist  in  jedem  einzelnen 
falle  mit  umsiebt  verfahren  (vgl.  nr.  11.  16.  17.  23.  24.  26.  78.  81.  82.  83.  90).  Im 
übrigen  ist  vieles  glücklich  gebessert,  in  den  aus  a  aufgenommenen  stücken  nament- 
lich nach  dem  lat.  originale,  kleinere  lücken  sind  in  eckigen  klammern  ergänzt. 
Auf  einzelheiten  einzugehen  unterlasse  ich,  so  lange  nicht  die  aunierkungen  und 
das  glossar  erschienen  sind. 

Ich  berichtige  schliesslich  einige  versehen  der  vorrede.  Auf  s.  XXYIII  findet 
sich  die  angäbe,  die  hs.  H  (Cod.  AM  764  A,  4«)  sei  vom  herausgeber  „nur  für 
nr.  XXIII  benuzt**.  Dagegen  ist  nach  s.  24  das  stück  7  (af  Tiberio  keisara)  aus 
dieser  hs.  aufgenommen.  Wo  steckt  das  versehen?  —  Auf  s.  XXX,  z.  6  v.  o.  ist 
in  der  angäbe  der  reihenfolge  der  in  a  erhaltenen  afitityri  das  stück  LXXYI  (s.  198 
—  200)  vergessen.  —  Nicht  ganz  genau  ist  die  bemerkung  auf  s.  XXXIY  „dagegen 
erwiesen  sich  in  nr.  LXXXI,  1.  2  und  LXXXII  neben  C  die  handschrifton  FL  als 
gleichwertige,  unabhängige  repräsentanten  des  archetypus**,  denn  nur  das  stück  81, 
1.2  ist  in  CPL,  82  dagegen  in  CFG  (und  a)  überliefert,  vgl.  s.  232. 

1)  Ygl.  diese  Zs.  11,  373  und  Gerings  bemerkungen  in  den  Beitr.  zur  deutschen 
phU.  (Hfdle  1880),  s.  :)  f. 


Da«s  man  dem  iweiteu  bände  des  iutoresa&iilm  «erkcB  mit  dvn  betten  Nwar- 
tiiu);eD  eutifcgenaehon  darf,  liraoclie  ich  nitch  dorn  gesagten  nicht  AuddrUoklicb  li«r- 
vorxnheben,  Meise  besten  wünsche  begleiten  den  heran sj;eber  bei  der  Tollendung 
einer  arbeit,  die  sich  durch  ruhige  Sberle^ung  und  sortcHiltige  feile  vorteilhaft  au»- 
xeichnet  für  andi^ren  deutschen  pnblioatianen  auf  altn.  gebiet  ans  aJlemenratcr  Mit. 
we]clie.  f&r  den  anßnger  bestirnt,  dieaen  dunsh  unklare  und  apranghnfte  dnTHteHitng 
mehr  verwirren  als  fördern  mSasen. 


1.  J 


18S3. 


Altboi 


* 


iches  lesehiich.    Zasammengeittell t  und   mit  ^losaar  ver- 
sehen Ton  Wilhelm  Braune.    Zweite  aufläge.     Halle,  Niemejer  1881.    Vni. 
228  BS.  8".     Preis  JH  3, 
Die  Sprache    und  Litteratnr  BentschlaDdi    bis   zam  xwjilften   Jahr- 
hundert.    FCr  Vorlesungen  nnd  zum  gelbstantiTricbt  bearbeiUit  von  Dr.  PmÜ 
Piper.    Erster  Theil*.  Litteratnrgeschichte  und  Grammatik  des  AltliuchdentMlini 
und  Aitsänhaiscben.  IX.  471  ss.    Zweiter  Theil;  Lesebuch  des  AltbochdeutaohAti 
und  Altaachsischen.   VItl.  256  es.    Paderborn,  Schöningh,  1880.     Preis  jn.M. 
Über  die  anläge  des  Brauneschen  althochdentseben  Ipsebuehs,  doucn  iwidt« 
aaflage  rasch  auf  die  erste  (18T5)  gefolgt  ht,  sind  die  leser  dieser  zeiUohrifl  bereite 
durch  die  eingehende  besprechnng  von  K.  Zacher  |bd.  TU.  459—456)  uii1«ni<liteL 
Diu  auKwahl  der  texte  iat  in  der  neueu  aiiHagc  ira  wesentlichen  dieselbe  geblieben. 
Hinzugefügt  sind  die  ven  Bsruck  aufgefundenen  beiden  gedichte,  Memonto  niori  uud 
Ezzos  gesang  nach    dem  Strasaburger  fragment.    die  Hanielborger  nml  Warxboi^r 
markbcschreibuDgun  (der  eigeunameii  halber) ;  die  stBcke  ans  Isidor  oind  etwas  ver- 
mindert, die  Auswahl  aas  den  Fragmenta  theotisea  nach  den  Friedländ  ersehen  ent- 
deckungen  etwas  verändert  worden.    Zu  einem  cspitel  ans  Isidor  und  lur  EihortaÖo 
sind    die    Ist.  teitc  hinzugefügt,    entsprechend   einem   a.  a.  o.  geäusserten  wuna^e, 
ausserdem  ist  die  lateinische  xuacbrift  Otftids  au  Liutbert  in  die  aninerknugen  aaf* 
genommeu.  was  sehr  xn  billigen  ist    Teit  und  glosiar  sind  im  wesentlichen  die- 
selben geblieben,  nur  das«  im  leztemn  der  Wortschatz  der  neu  aiifgenuromenen  stQekD 
und,  was  der  an^ger  besonders  dankbnr  bcgrftssen  wird,  der  des  nioderdeaUeheii 
anhange  volstSndig  eingetragen  ist.    Lücken  sind  dem  ref.  nach  längerem  gobraaclie 
des  bnchea  nicht  aufgefallen ;  doch  m&gen  ein  paar  andere  punkte  aus  dem  glouaf 
hier  noch  gelegentlich  zur  spräche  gebracht  werden. 

In  der  einordnang  der  mit  tonloser  partikel  beginnenden  coniposita  Ist  der 
Verf.  nicht  ganx  nonseqnent  gewesen;  wAlircnd  er  im  algnmeinen  nach  der  tonsüb« 
ordnet,  finden  wir  f&llo  wir  äbölganhid  s.  1G8,  antgÜnmla  170  unter  a,  fbr^'fom 
183  unter  f,  wShrend  irbolgorio  ndr.  173  unter  h  vcneichnet  ist  FDr  eine  nena 
aufläge  würde  ck  sich  empfehlen .  liier  volle  cunsngueuz  bermstcllen,  oder  doch  Ter- 
weise  einiufügen,  wndnrch  x.  b.  in  den  gegebenen  fSIIen  die  xudammengebörigkeU 
von  ^HilgaiMd  nnd  irMgono,  anitAwnia  und  ahd.  »ihauo  s.  20ti  xufurt  hertor- 
träte.  S.  IPi!)  h&tte  unter  nltiA  vielleicht  neben  ags.  tiM  auch  got.  iifAs  gnnda 
wegen  ueines  a1>w><irhenden  geachlechtos  mit  vorteil  «ngeftihrt  worden  kODiieii. 
S.  ITO  wird  antltUti,  antluMt  mit  gut.  aUls  etc.  Kasammeiigcrtelt,  Mass  man  nicht 
vielmehr  in  anttiitti  diu  gut.  ludja,  alt«,  lud  erkennen,  nnd  in  den  foniien  mit  a 
eine  Umgestaltung  ditMi.T  bildung  dnrch  dun  einfluts  einer  in  Ihrer  reinen  geatolt 
verloren  gegangenen  ahleitnng  von  «rfitnn,  wie  ags.  ondteliota'f  —  S.  171.  ».4L 
äilmn.    Ebenda  wird  «.  v.  irhntim  die  alle  erldimng  widergegeben .   wouacli  die* 


ÜBSB  BRAUNS,   AHB.  LBSBBÜCH  245 

yerbam  eigentlich  „beissen,  weiden  lassen^  bedeute;  vielleicht  denkt  man  aber  rich- 
tiger an  ags.  bdttm  „zäumen*',  so  dass  irbei^^en  eigentlich  „abzäumen **  hiosse;  so 
komt  auch  die  präposition  ir-  besser  zu  ihrem  rechte.  S.  173^  dürfte  als  älteste 
form  nicht  sowol  bruHhen  als  bruhhan  anzusetzen  sein,  da  das  präsens  dieses  ver- 
bums  ohne  zweifei  ursprünglich  stark  ist,  wie  bringan;  alts.  ags.  brucan  im  verein 
mit  dem  mangel  des  umlauts  im  hochdeutschen  beweisen  doch  mehr  als  got.  brük- 
Jan,  —  S.  174*»  sind  thanän,  thanana  und  thawne  zu  einem  artikel  vereinigt,  was 
gewis  nicht  zu  billigen  ist  (wie  denn  Braune  selbst  htoanän,  -cma  von  hwarme 
trent).  —  S.  177*  wird  ein  fem.  ebana,  ebina  angesezt :  ich  weiss  nicht,  ob  auf  andere 
bel^e  gestüzt,  als  Otfrids  mit  ebinu,  welches  wie  mir  scheint  von  Kelle  samt  dem 
dativ  zi  ebine,  mit  ebme  richtiger  zu  einem  stn.  &fmi  gestelt  wird.  —  S.  178^  sezt 
Braune  entert  als  f.  an,  es  könte  aber  auch  stn.  sein  (so  Kelle).  —  S.  179^  wird 
fangan  neben  fähcm  doch  wol  nur  auf  grund  von  fangentemo  s.  22,  14  angesezt; 
im  text  hat  Braune  selbst  mit  recht  die  notwendige  besserung  fräghntemo  aufge- 
nommen; fangan  im  glossar  ist  also  zu  streichen.  —  S.  180 ''  fers  m.;  in  der  älteren 
zeit  scheint  das  wort  vorwiegend  n.  zu  sein;  jedenfals  muss  schon  wegen  Otfr.  I, 
1,  44  (Braune  s.  89)  das  neatrale  geschlecht  mit  angegeben  werden.  —  S.  181*  unter 
viginscapM  1.  fiantacaf;  ebenda  fehlt  n.  hinter  fUz-hus.  —  S.  182'»  bringt  unter  fUtoh- 
hSn  auch  ,,got.  flekan*^;  es  genügt  hierzu  auf  Braunes  Got.  gr.  §  179,  anm.  4  und 
Bezzenberger,  Got.  .4 -reihe  (1874)  s.  56,  anm.  4  zu  verweisen.  —  S.  182 '^  1.  fräno 
statt  frano.  —  S.  187»,  z.  10  ist  13,  20  statt  13,  18  zu  lesen.  —  S.  194 »»  hat  sich 
•Braune  wol  durch  die  bemerkung  Scherers  in  den  Denkmälern  s.  632  f.  mit  dem 
verweise  auf  trahta  trachten,  Graff  Y,  514,  verleiten  lassen,  crücithrahto  in  der 
LoTscher  beichte  mit  „trachten  nach  dem  kreuze"  zu  übersetzen  und  mit  Scherer 
zu  trahta  einen  ganz  unglaublichen  nebenstamm  auf  -t  anzunehmen,  während  das 
wort  doch  offenbar  gleich  mhd.  kriuzetraht,  kreuztragen,  ist,  wofür  das  mhd.  wb. 
III,  78  f.  und  Lexer  I,  1743  hinlängliche  belege  geben.  —  S.  197  lies  Ud  n.  statt 
Ud  m.  und  got  *leißu  statt  leißua,  vgl.  Graff  II,  192  und  Gallee,  Gutiska  I,  38.  — 
S.  202  ist  mtmtburt  wol  als  f.  anzusetzen  nach  alts.  mtindbvrd,  ags.  mundbi^rd,  — 
8.  218»,  z.  10  v.u.  Für  got.  *8taß{8)  ist  das  geschlecht  nicht  belegt.  —  S.  214»»  1. 
sistrutten,  zistruddan  statt  zistntten,  zistrudan  (wenn  nicht  etwa  das  u  lang  sein 
Bolte).  —  S.  217  wäre  besser  trittwa,  gitriuwi  als  älteste  form  anzusetzen  gewesen, 
statt  triwa,  gitriwi;  bei  hrtuwa  s.  189  nimt  ja  auch  Braune  die  gruppe  iuw  wie  es 
scheint  als  ursprünglich  an;  und  dass  got.  iw  und  iggw  auch  im  deutschen  geschie- 
den waren,  lehrt  ja  die  verschiedene  behandlung  von  werten  wie  deo,  kneo  einer- 
und von  triufjoa,  hriutoa  u.  ä.  andererseits  sofort.  Bei  irüwen  etc.  würde  ich  (wie 
Braune  dies  auch  bei  büan  s.  174*  tut)  umgekehrt  lieber  trüen  voranstellen,  da 
gerade  die  ältesten  denkmäler  das  w  nicht  zu  haben  pflegen  (Paul -Braune,  Beitr. 
VI ,  569).  —  S.  218  ^  wäre  umbitourft  trotz  des  dativs  umbittuurufli  Rh  (Ahd.  gll. 
I,  541,  42)  doch  nach  ags.  ymbhwyrft  vielleicht  als  m.  anzusetzen.  —  8.219^  1. 
%mkund  statt  unkunt,  vgl.  kund  s.  194  *». 

Zwischen  die  beiden  auflagen  des  Brauneschen  lesebuches  fält  das  erscheinen 
des  handbuches  von  Piper,  dessen  zweiter  teil,  das  lesebuch,  hier  im  anschlusse 
an  Braune  zunächst  besprochen  werden  möge.  Das  werk  ist  im  wesentlichen  dem 
Braunes  nachgebildet;  insbesondere  folgt  Piper  seinem  Vorgänger  in  dem  praktischen 
verfahren ,  im  glossar  den  ostfränkischen  lautstand  zu  gründe  zu  legen.  Die  auswahl 
der  texte  ist  selbstverständlich  im  grossen  und  ganzen  dieselbe.  Zweckmässig 
erscheint  mir  die,  sichtlich  Müllenhoffs  Sprachproben  nachgeahmte,  stärkere  heran - 
Ziehung  urkundlicher  namensamlungen ,  zweckmässig  auch  die  ebenfals  nach  Müllen- 


316  sisvma 

hiifls  vorgungL'  eingeClthrtc  nebuneinnndorstdlluug  i-ntspreuhendet  stödiu  kil*  dui 
Monaeor  fnigroentüti  ond  Tatiati  In  iiamll «loa I immun.  Dagegeu  nürde  ni&ii  du 
etüuka  aus  dem  Aniioliod .  der  Wienur  GeiieaiB  und  das  Melker  Harienllid  ulviii>  scludaii 
eutbehroo.  Ist  somit  was  d«u  tituff  anlangt,  Piiiere  buch  ebeoM  briiuelibar  &ls  daa 
Braunes,  »o  nteht  vb  tin  it&uberkait  der  ansflthrnng  w«it  hinter  diasum  zurück.  Dia 
bei  P.  berdchendu  iiiigonituigkeit  der  quellen  nidergabe  berührt  aber  aiu  ho  widrigM, 
Als  der  Verf.  dnrch  die  für  die  zwecke  eines  bandbiiiihes  innist  ganz  fiberfl&iiEigo 
vorzeicbnuDg  von  luinutioD  der  btuidachriCtliiben  überlieferting  {wir  corrcuturcn  nnd 
TMinri'n)  den  schein  einer  ungewöhnliuh  surupulnsen  Burgfult  i^rwockt.  loh  will  »10 
belege  die  rcsultatc  einer  vergleidiung  der  stücke  aus  der  Benediutini!rr«gel  (4'/* 
cvlumnen),  Isidoi  (B' ,  seit«»)  and  den  Ujuinen  (b  eulauineu)  mit  den  urlgin&l«n 
heraetsen.  Bcnedictinurregel:  27,10  lies  giv  für  jfiu.  2S  4ali»uaitö  f&r  «ä- 
hwutö,  28, 1  tni»nlih/ui  tfii  tnisfilihc,  !t  itesero  nir  ikttTt,  29,  1  farlaiusuntt  fb 
farlatuanU,  31  etlo  fQr  diu;  dazii  ao  falschen  quantititen  37,  ISl  pliv««  atatt  pU- 
vve»,  ä7,  '20  kruuähhete  (ao  s.  S5B  bericlitigt  für  heuu«iAA«t«  dea  toites)  statt  knuuilh- 
hete,  X7. 29,  ä8,  31  tmiRiianf,  37,  31  uutmnanl  statt  »iiäntuifti  et«,  (im  glo«Bar  faUt 
das  wort),  30,  12  vriui  statt  iviati  (xu  30,34  ist  derselbe  fehler  s.  3&6  bnriobtjgt); 
31,  7  ieduht  statt  ktdiht,  13  iuKmA/ui»  statt  intlühhan;  falsche  vrortabteilungen; 
^,  'M  cot  ckunäUhlui  für  cotclmndllhho  divinitas,  äU.  IS  iiankan^anU  statt  ccon 
kanffonU  sed  aiiibulantuB,  30,  30  /i(u  »prahhu  statt  filusprähhit  multiloquto.  Kemei 
ßnde  icli  27,  IS  die  abküranng  k  aurgelQut  durch  ikcHiiMso,  sonit  hewiniio;  and  in 
sonderbarem  widersprach  zq  des  tcrfaii«crs  soastigor  maiiier  stvbt  Heine  gowotmlielt«. 
nicht  ausgoach rieben 0  werte  der  hst,  einfach  lu  ergänzen,  ohne  die  handschriftUcbo 
lesart  kentlich  zu  machen ,  sobald  nicht  anndracklich  ein  ab kürtnngez eichen  ataht, 
So  wird  z.  b.  zwar  kmviiwu  gesezt.  weil  die  hs.  k  hat,  aber  27,  33  m\midwt,  29, 14 
trxAtfn  ^hiuiidit  in  einfachem  antiquadruck  uhne  kuntlichmachung  der  iirgEnzang, 
obwol  die  hs.  nur  diu  endungen  cko,  (in,  dU  bietet.  ~  Ähnlich  iüi  Isidor:  ä4i9 
lies  gkvUtiUkht  fär  -UiAe,  11  hhrAuomt  für  herduomf,  14  IiiAAc  für  tnA«,  16.  2i  Mr< 
(fwm  fQr  her-.  Vi  ehibot  für  ^ol;  35,  3  oh  fttr  of',  31  ^muatliUiho  ßr  ernM«diM(>> 
SS  offariiihhö^  für  -tttAwf;  34!,  4  dhoj»  fQr  «ttasf,  23  miti  dir  en'k,  30  ^r  Oi  fr; 
97.  1  fnAU  für  ItAi,  11  cirin  fUr  ö-rm,  29  f >iAtJt  f^r  fdhüi;  3»,  10  ->rAt>  ror-oM, 
17  guidkit  flir  quhidit,  19  A«brin«cAin  Ar  hebraruiJuu,  31  aerdh-  ftvr  iwrd-,  39.  i 
cAunne  fkiichi»  für  cAunnra  fintche,  10  rühhcn  fQr  riihes,  '21  noh  für  im;  41),  1 
UHUxsiTitti  für  uuunnttn,  !>  («vuin  für  mnti»,  15  fuun  fflr  cu4r,  lä  riiA/ie  fhr  niA^ 
37  riihhviön  f3r  rühisön,  30  er  flir  er,  H  orm^i^rin  für  -/wrzin:  13,  U  frwtttnak 
für  er-,  16  atrlühho  iru  statt  lurlnho  ff«,  19  «frrmscfttrt  für  ebriritchin.  Unter  diatui 
fehlern  iat  besonders  die  gänzliche  nichtbeachtung  dea  ;  iii  rtlgen,  das  doch  (^imaii 
danaolben  wert  hat  wie  •"  uod  oe,  udiI  bei  Isidor  deswegen  sprach g^scbichUieli 
boBonders  iutereasant  iat,  weil  es  lieweiat.  dnss  schon  (Inntala  das  ai>genfinte  grtiru- 
uhene  e  den  iifToDeu  ä-laut  gehabt  hat;  s.  die  beiBpielu  bei  Weinhold  )>.  I>S  f  (m 
fehlt  daselbat  h.  63  ^ruairdkic  39,  24):  die  beiKiiiels  tBr  re,  ae  in  dcntäch«n  worton 
iind  «er  1 1 ,  7.  28.  17.  4.  21 .  19,  23,  9.  27,  23,  maer  25,  20,  orrliAho  3»,  18,  «r- 
UMm  41.  2,  aeruttirdighiH  39,  28.  -irkti  29,14;  es  steht  also  der  0-Uut  einmal 
(wie  in  Pa.  etc.)  tHr  den  ans  ai  contrahiertcn  monophtliongen ,  sodann  aber,  mit 
einziger  ausnähme  »u»  ^dfiüi  27,  27,  neunmal  flir  i  (douu  *nitis(-  »ird  von  Wein- 
hold  a.  B.  0.  mit  unrecht  rntn  umgelautotun  e  gesielt.  —  liam.  unklar  Int  mir  dsa 
verhiUtnis  Pipers  zu  der  collati«»  Külbjiigs.  Fünfmal  aezt  er  lounngen  K&lbiuga,  I 
nie  ea  acheint  »Ih  conjertaren,  in  den  Icit  (34,  30  dbes,  35.  22  dhrortindiu,  28  Ittngb«, 
37,9  üSB,  3»,S  gheba)  und  bemerkt  in  den  Varianten  die   abweichenden   toBungea 


ÜBKB  PIP£B,    SPRACHE  DEUTSCHLANDS  247 

Holtzmanns,  dann  lasst  or  wider  die  39,  17  in  üzsonöndem  die  falsche  lesang  im 
texte  stehen,  und  merkt  au,  dass  Eölbing  uzssonondem  liest;  39,20  schreibt  er 
endlich  im  text  antdhecchiteTO  ^  dazu  wird  als  lesart  ohne  weitere  bemerkung  der 

t  d 

hs.  antdhec  cht.  dero  angegeben,  obwol  Kölbing  ausdrücklich  antdhec  chi.  tero  als 
lesung  der  hs.  aufführt.  Sonst  merke  ich  an  die  falschen  circumflexe  in  psalmscöf- 
(fes)  38,30.  42,  22  und  smalero  41,27.  Auch  fenc  ist  nach  isidorischer  Schreib- 
weise zum  mindesten  nicht  wahrscheinlich.  Da  mir  das  princip  der  quantitäts- 
bezeichnung  im  Isidor  noch  nicht  hervorgehoben  zu  sein  scheint,  so  will  ich  hier 
in  kürze  einige  statistische  angaben  darüber  machen.  Die  regel  ist,  dass  langer 
Yooal  in  geschlossener  silbe  durch  doppelschreibung  bezeichnet  wird,  in  offener  silbe 
aber  einfach  gesezt  wird.  So  zähle  ich  in  geschlossener  silbe  (auch  im  wortinnern 
vor  doppelconsonanz ,  wie  in  boohhum,  riihhes  etc.)  16  oa,  112  «t,  7  oo^  5  uu, 
zusammen  140  doppelschreibungen  in  geschlossener  silbe;  für  langes  e  wird  in 
geschlossener  silbe  ae,  ee,  ^  gesezt:  die  ligatur  oder  die  combination  der  beiden 
zeichen  gilt  für  hinlänglich  um  die  länge  anztizeigen;  so  kommen  noch  22  beispiele 
zu  den  obigen  140  hinzu;  dagegen  finde  ich  sicher  langen  vocal  in  geschlossener 
betonter  silbe  nur  21  mal  nicht  bezeichnet;  dazu  kommen  allerdings  noch  zwei  belege 
für  herro,  wo  vielleicht  bereits  Verkürzung  vorhanden  war,  zwei  für  uph,  dessen 
quantitat  obenfals  nicht  sicher  ist ,  und  6  für  den  enklitischen  dativ.  pl.  dhem.  Das 
Verhältnis  der  doppelschreibungen  zu  den  einfachen  ist  also  ungünstig  gerechnet 
etwa  wie  6:  1  (dagegen  finde  ich  in  offener  silbe  nur  31  doppelschreibungen,  dar- 
unter fallen  19  auf  die  kurzen  wörtchen  see,  sii,  dhrii,  denen  man  durch  die  dop- 
pelung  offenbar  etwas  mehr  körper  geben  wolte).  Wenn  nun  Isidor  ausnahrolos 
fünfmal  fenc  schreibt  (Paul -Braune,  Beitr.  I,  507),  so  ist  damit  für  ihn  die  kürze 
des  vocals  erwiesen.  —  Ich  komme  endlich,  mit  übergehung  einiger  punkte,  über 
die  sich  streiten  liesse,  zu  den  Hymnen.  Hier  ist  zu  lesen  8,  2,  2  tak  für  tac, 
10, 1  farlihc  (imperativ!)  für  farlihe;  19,  3,  4  sigouudUo  für  -tMoita  (das  leztere 
ist  druckfehler  meiner  ausgäbe,  aber  s.  105  von  mir  berichtigt) ,  7,  2  chmiedan  für 
ehuedan,  12, 11  iwte  für  inti;  24, 10,  1  simblum  für  simblnm;  dazu  sind  wider  sechs 
nnausgeschriebene  werte  ohne  andeutung  ergänzt. 

Wenn  ich  hinzufüge,  dass  das  glossar  an  ähnlichen  mangeln  leidet  wie  der 
text,  so  kann  ich  mein  urteil  über  Pipers  lesebuch  nur  dahin  zusammenfassen,  dass 
demselben  die  notwendige  philologbche  akribie  fehlt,  zu  der  anzuleiten  (das  buch 
ist  für  studierende  bestirnt!)  eine  der  hauptzwecke  und  hauptpfiichten  des  akade- 
mischen Unterrichts  ist.  Was  würde  wol  Piper  sagen,  wenn  er  fehler  wie  die 
gerügten  bei  einem  andern  nachweisen  könte? 

Ich  gelange  endlich  zu  dem  ersten  teile  des  werkes,  der  littoraturge- 
schichte  und  grammatik  des  althochdeutschen  und  altsächsischen. 
Während  seit  dem  erscheinen  von  Braunes  ahd.  lesebuch  ein  bedürfnis  nach  einem 
neuen  werke  derselben  art  nicht  vorhanden  war,  so  gehörte  in  der  tat  eine  die 
massenhafte  und  zerstreute  litteratur  über  ahd.  nach  einheitlichen  gesichtspunkten 
Zusammenfassende  arbeit  zu  den  dringendsten  bedürfnissen  unserer  studierenden. 
Der  plan  dieser  abtcilnng  von  Pipers  werk  ist  also  ein  sehr  zeitgemässer,  und  es 
kann  dem  verf.  auch  das  lob  nicht  versagt  werden,  dass  er  mit  unverdrossenem 
eifer  die  litteratur,  die  ihm  zu  gesiebte  gekommen  ist,  für  seine  Übersicht  excerpiert 
hat.  Das  buch  ist  also  brauchbar  als  ein  repertorium  über  die  verschiedenen  mei- 
nungen,  welche  bisher  über  die  einzeliragen  der  ahd.  resp.  alts.  litter aturgeschichte 
und  grammatik  aufgestelt  sind.  Aber  gerade  die  art  der  repertorisierung,  welche 
der  verf.  befolgt  hat,  macht  den  nutzen  des  buches  in  den  bänden  von  studierenden 


■jiH 


siKmBS,  Ohkb  pipkr,  spbachk  dbi:t«cb[.a-iii6 


wliler  llliisurisuli;  ijcnii  nirgriidH  findi.-t  Hich  ciii  einigermaeBcu  cinlioilJicbor  stMil- 
[•uiiltl  diirrliKefflhrt,  dor  n»  liem  IcTnendcn  ermöglichte,  gIcI)  in  dein  ^winv  der 
*or)[atriticen<^u  mcinuiignu  innicht  zu  finden.  Dub  di^iii  verf-  anaaer  ßr  OIMd  setk- 
Ntindifco  Mtnlungen  »af  nhd.  gebiete  niuht  xu  gebule  gestauden  2a  hithcn  «cheineD, 
iUm  wir  alMu  nicht  ein«  Übersicht  Über  da«  za  behaudolndc  gesiuiitg«biot  bcliuni- 
iiien,  aondiTti  oinu  üburiiiisht  Über  diu  in  der  Utteriitur  xufUlig  nnd  ran  den  ver* 
«vhi»deiut«u  »Undpiiukton  au«  bnreits  bea^bc^il«t«n  teile,  ist  Mbon  von  St«tnidB]«T 
hervorgnlKibcbn  worden.  Vkui  wiiuint'lt  du  buch  an  tahlloKcn  ungeaauiglieiten  oder 
undeatliohkuituii  liu  einxetnen  [tu  denoo,  beilltuflg  bemerkt,  die  üuBBorHt  salopp« 
■vbrelbweiau  dos  verfAsaera  nicht  wenig  beitrügt). 

Ein  oliaraktortatlachi»  beiapiel  von  der  art  des  Torrasaera,  widersprechenda 
illnge  mit  oinatid«T  zu  mlso1ii:'n,  aeigt  sieb  t.  b.  sdion  auf  a. 'i.  Dort  leaon  wir; 
.Da«  gurnianiBcbo  unterscheidet  aich  ...  von  den  urverwandten  sprachen  dnrch  . . . 
dm  vokallsolii:  anHUubigflaatx  (wolcfaea  aber  auch  erat  (!)  in  den  einzelnen  genua- 
ni*r,beii  aprachoii  wirkt]."  Wonii  da«  vocaliachc  anslautageaetx ,  oder  riidnehr  die 
■iialaatagiiaatxu ,  erat  in  dun  ei nael spräche n  wirken,  ao  geboren  sie  eben  nicht  m 
■l«ii  obarakteriaticiii  dea  gennnniaoben.  Oder  meint  der  verf.  etwa,  daai  auch  naeli 
dem  sintritt  des  algonieiDon  germ.  aaaUutageaetEes  einEelne  vooale  in  den  etoMt- 
apraclitin  furtKefallen  seiun,  die  das  germnniaehe  nocli  baaaaa?  Dann  gehört  die 
vrwiUinnng  diuasr  tataauhc  erat  rouht  nicht  hierher.  —  S.  6  berichtet:  ,Die  West- 
gutoii  beuutai-n  diu  rununschrifl .  wie  das  Tondernscbc  taoni,  der  Bokare^iler  ring  and 
vlii  Sobiiuuiiacliur  brakteat  beueiseii."  Ah«r  was  haben  denn  das  erste  und  daa  dritU 
dieser  denkinftler  mit  den  Westgoten  xn  tnn?  Im  engen  ansclduss  daran  wird  »af 
deraelben  »^iU^  ii«  alte  lehro  von  der  entwiekelung  des  runenalpliabeta  von  M  leielua 
aUB  dnin  von  nur  16  leicheu  mhig  wider  vorgetragen,  von  den  abachlieMandan 
untonuchuugcn  WJmmers  idt  nicht  «inmal  die  rode!  —  N'adi  s  S  tollen  unter  bera- 
fung  BQf  Ohrinffa  abhaudlang  in  dieser  is.  vn.  378  S.  (nieht  VII.  36.  wie  IHp«T 
dmekt)  die  gotischen  geistlichen  äuqja  and  Fri|>ila  „den  Hieionjmus  um  rat  wtgim 
einrir  geplanlen  jiealiui'nüberaetxung*  angegangen  haben:  aber  davon  atubt  nioliU  tn 
dem  briet«  des  Hieruntnius,  es  handelt  sich  nm  «ine.  wenn  auch  noch  ■< 
vemiatung,  nnd  das  bütt«  aDgi<deut«t  werden  mtkasen;  vielleicht  soll  du  . 
eiD  paar  aeilen  vortier  das  audiikcken,  nur  wird  niemand,  der  den  saekterlil 
kent,  daa  aoa  den  wurten  heiaualeaen.  ~-  S.  IS  erfahren  wir,  data  in  C 
dec  nnlant  noch  nicht  so  gewirkt  hat  wie  Im  ahd.  —  S.  13:  .Fortaa  | 
41*m  beiden  dlalckte  (hodi  -  unJ  Dtederdvqtaeli)  «tc  gveonderte  «fnekta  \ 
«Inuider  her,  and  daaa  dioM  iprachliehc  Mibudtuig  aoch  nno  politiicbe  mtfi 
Ui  («telf«  hktta,  nigwa  dl«  SaebMokriege  Karla.*  Saite  da«  wirklich  der  n 
MMalMait  der  diage  aeiaT  —  Ick  Uittere  aab  gnatewol  na  nnd  rtn— e  i 
gehfmtbtti  Je*  laider  esf  die  BMdcvtei«  beaeffckng,  iaaa  tm  1 
n  Uftttar«  *m  ranile  die  deutecfcc  tUntUng  be^geeohneba.  aaf  des  I 
4*Ar  mw  fnli^nm  aaL  Wo?  bift  ■■■  eolMat;  mnaiet  Da  wv  intkÜi 
heU  vvnkMipr.  nk  «r  BelüBMu  jiA  ta*M  nfacdyh*  aalt  .,«■  di»  s«tU  g*- 
iibriik  III'  ttmerte:  (a.  mtk  OMT  to  *.  4.  Bafani  &mm.  I,  K.  4as  famaS»  ia 
«bwetw»  MMcrapbie  «aivwaeO«  «ar  im  twtt  <nl  akte  nc«a«lkb>. 
Tattaa  «n4n  wir  a.  79  brfehrt.  tos  Tletav  vM  Oapaa  4ea  jeit  ta  PaUa  \^aH- 
befaea  Coia  geacbiiebM  ^i  iaaa  aata»  kaaa  aua  dach  Pifm  «Mt«.  imm  m  \ 
V«  4«  laL  harMwe  M6  m*  itekrift  nafeftict  habe.  afaU  nntaka.  Hat  4 
PiKe  Beb  eiebl  «^mI  daa  vw««ct  ia  Baakea  «a«  »m  dtStgtti  aaareb«  «sCb 
F%MMia   m  ni>ia  («|mcM  *.  tS  (.)   w4«r  aae*   am  **  «erwett  TtcSaca   ui 


AHER8BACH,  PHILOL.  VEBSAML.  1882.  249 

gelesen?  —  S.  80  wird  gesagt,  ref.  habe  erkant,  dass  der  text  der  SGallor  Tatianhs. 
▼on  6  Schreibern  geschrieben  und  von  einer  siebenten  corrigiert  sei ;  das  ist  abermals 
ungenau,  der  sechste  Schreiber  des  textes  ist  der  eorrector,  von  dem  siebenten 
Schreiber  rühren  vielmehr  die  Praefatio  des  Victor  von  Oapua,  die  angäbe  der  ca- 
nones  etc.  her:  was  einem  aufmerksamen  leser  der  beschreibung  der  hs.  in  des  ref. 
ausgäbe  s.  1.  2  sicher  nicht  entgangen  wäre. 

Ich  habe  die  vorstehenden  boispiele  aus  wenigen  selten  herausgegriffen ,  nicht 
um  alle  anstösse  zu  erschöpfen ,  die  selbst  diese  wenigen  selten  bieten ,  sondern  nur 
um  eine  vorsteUung  von  der  überaus  lockeren  arbeitsweise  des  Verfassers  zu  geben, 
die  ganz  mit  dem  mangel  an  akribie  harmoniert,  der  dem  lesebuch  zum  Vorwurf 
gemacht  werden  muste.  Widerholt  betone  ich ,  dass  das  buch  das  resultat  emsigen 
(freilich  sehr  auf  das  äusserliche  gerichteten)  samlerfleisses  ist,  dass  es  dem  vor- 
sichtigen und  bereits  kritisch  geschulten  benutzer  vielfach  bequeme  auskunft  gewährt. 
Aber  für  den  gebrauch  der  studierenden  kann  es  wegen  seiner  unmethodischen 
anläge  und  der  daraus  sich  ergebenden  Unübersichtlichkeit,  und  wegen  der  zahllosen 
ungenauigkeiten  in  keiner  weise  empfohlen  werden. 

JBNA,    12.  DBC.   1882.  B.   BIEVBBS. 


BEBICHT    ÜBER    DIE    VERHANDLUNGEN    DER   DEUTSCH  -  ROMANISCHEN 
SECTION    DER   XXXVI.  VERSAMLUNG   DEUTSCHER    PHILOLOGEN   UND 

SCHULMÄNNER   IN   KARLSRUHE, 

vom  27.  bis  30.  September  1882.^ 

Die  germanisch -romanische  section  constituiert  sich  mittwoch,  27.  September, 
12  uhr.  Erster  versitzender  geh.  hofr.  Bartsch  von  Heidelberg,  zweiter  versitzender 
prof.  Behaghel  von  Heidelberg.  Der  erste  versitzende  begrüsst  die  mitglieder 
der  section.  Hierauf  wähl  der  Schriftführer:  als  solche  werden  prof.  Amersbach 
aus  Eonstanz  und  prof.  R.  Meyer  aus  Karlsruhe  vorgeschlagen  und  angenommen. 
Anzeige  von  begrüssungsschriften :  der  versitzende  legt  50  exemplare  des  20.  Jahr- 
gangs seiner  Bibliographie  vor,  welcher  der  section  gewidmet  ist;  und  von  prof. 
Funck  in  Karlsruhe  eine  anzahl  exemplare  seiner  schrift:  Beiträge  zur  Wieland- 
biographie.  Die  zahl  der  in  das  album  der  section  eingetragenen  mitglieder  beträgt 
52.  Der  versitzende  macht  einige  mitteilungen  über  das  jezt  vollendete  mittel- 
niederdeutsche Wörterbuch.  Die  section  beschliesst,  ein  dankschreiben  an  das  reichs- 
kanzleramt  und  ein  glückwunschschreiben  an  dr.  Lübben  abzusenden.  Der  ver- 
sitzende gibt  eine  kurze  Übersicht  über  die  geschichte  der  germanisch  -  romanischen 
section;  das  andenken  der  verstorbenen  wird  durch  erheben  von  den  sitzen  geehrt. 
Man  stelt  die  tagesordnung  für  die  erste  sitzung  der  section  fest.    Schluss  1  uhr. 

Erste   Sitzung.    Donnerstag,  28.  sept.,  8  uhr  morgens. 

Vortrag  des  geh.  hofr.  Bartsch:  Die  gründung  germanischer  und  roma- 
nischer Seminare  und  die  methode  kritischer  Übungen. 

Der  vortragende  begint  mit  einer  Übersicht  der  germanischen  und  romanischen 
Seminare,  wie  sie  nach  Rostock,  wo  neusprachliche  Übungen  unter  Wilbrandt  ge- 
halten wurden  und  1858  durch  Bartsch  einen  strengen  philologischen  Charakter 
erhielten,  an  den  deutschen  Universitäten  im  laufe  der  lezten  Jahrzehnte  entstanden 

1)  Unter  benutzung  der  protokoUe  und  eigenhändiger  aufseichnuogen  der  herren 
prof.  Bechstcin,  archivrat  Wülcker,  dr.  Rieger,   prof.  Fischer  und  dr.  Kluge. 


230 

dad.  Gleioh^ttg  ist  die  art  Aet  beEeJnhuung ,  ob  semiusr  oder  «uuietnt,  loAnt- 
ohon  eto.,  triehtig  dagegen  der  basitz  oinor  besouderu  bibliotbek  iiDtl  didub  BrbvJb- 
limmers,  In  dorn  dleaulbc  aufgestult  ist.  Eine  einseitige  rkhtang  der  QbitnKOD  i»X 
xtt  veriueidon,  vor  allem  die  nach  der  prahtiscbeu  scite.  Diese  geCobr  Hegt  bnuo- 
dera  nahe  in  den  fninzöaiaohen  und  engliaohen  Übungen.  Üai  richtige  i«t  ancli  biet 
diu  Verbindung  pbilulugiscber  and  jiSdagagiscber  auabildung.  Für  den  späten)  leiirOr 
den  Deutaobvn  ist  die  gesisliicbtliehe  entwiddiuig  des  Nunhocbdeatacben  and  das 
Verhältnis  x«ri«chon  Bcliriftsprach«  und  munilarten  wichtig.  QrgMeru  «iaseOKdi&ft- 
licbn  arbeiten,  wie  sie  in  den  seminarou  der  ulasaisckcti  pbilologie  Bblich  rind, 
soltcn  erst  Im  lezten  etudienjahre  verlangt  werden  nnd  können  passend  der  prometioiM* 
Schrift  oder  der  wissenschaftlichen  arbeit  beim  staatseiamen  als  unterläge  dicoeu- 
Im  Obtigen  sind  roferate  xwockmässiger.  —  Für  die  textkriti«chen  Übungen  empfohlen 
■ich  einfache  bandschriften abdrücke,  wenn  nicht  die  iis.  selbst  bcnuxt  werden  kaiui. 
Die  verschiedenen  teile  der  arbeit  sind  nnter  die  niitglioder  zu  verteilen.  Üi<^  tcit- 
oonstitution  ist  von  allum  nnnStlgen  conjicieren  Areixnbalteu ,  alles  urthogmjduscbv 
bei  der  algeineinen  Charakteristik  der  h8.  xu  geben,  nickt  unter  den  lesartuu.  QegiUL 
BchlnsH  des  Hemeaters  künuen  aasorboitiingun  Über  das  duichgcnommene  atatfiudtoi. 
Auf  diese  weise  wird  man  das  erreichen,  iras  vur  .-ülem  der  studierenden  jugond 
not  tnt:  methodisches  arbeiten. 

Der  Vorsitzende  teilt  hierauf  den  leit  des  glL'ickwnnsch:ichTeihens  an  dr.  lilib- 
bnn  mit,  dasselbe  wird  in  dieser  form  angenommen  und  von  simtlichen  scetionn- 
mitgliedern  unterzeichnet. 

Vortrag  von  prof.  Bcchstcin  aus  Kostock:  Die  Floia,  das  älteste  mAccnro- 
uische  gedieht  der  deutschen  litteratnr. 

Dieses  einst  beliebte,  öftere  gedruckte  nnd  in  ältere  sauünngen  aufgenommene 
gedieht  (ältester  druck  aus  dem  jähre  1593],  dessen  deuteche  bestftndteilü  nieder- 
deutsch sind,  wurde  sowol  von  Genthc  in  seiner  Geschichte  der  inacoarüaischen 
poesie  (1829)  als  auch  von  Schade  in  seiner  schrift  Fercula  macoarouiua  (ISöb) 
besprochen  nnd  im  teite  mitgeteilt^  von  Qenthe  ohne  angäbe  der  qnellc,  von  Suhade 
aus  einer  jüngeren  hochdeutschen  bearbeltung  vom  jähre  108^.  Eine  neue  auagabs 
warde  veranstaltet  von  dr.  SabelUcus  (bachhändler  dr.  Eduard  Wilhelm  Sabell).  ICt 
ihr  lugleich  erschien  von  demselben  herausgeber  ein  xwcitos  ahnliches  bücUoiDt 
eine  ausgäbe  der  bekaiiten  Dissertatio  juridica  über  die  flübe.  Der  vortragende 
bokante.  das»  et  diese  leztere  ausgäbe  mit  besonderer  freude  begrUsst  hatte,  wdJ 
er  in  ihr  die  ersehnte  gnte  nnd  carrecte  ausgäbe  dieses  unseres  ällenten  maockro- 
niscben  gedicktes  zu  finden  hotte  (Oenthes  test  Ist  schleckt  nnd  unzuverliUBig, 
Schade  benuite  eine  jüngere  hochdeutsche  boarbeitnng  vom  jähre  1G89),  zumal  aocb 
auf  dem  titel  tu  lesen  stand:  „Ein  macearonisclies  (iedicbt  vom  Jahre  1593,  nach 
den  ältesten  Ausgaben  revidin."  Untt>r  i)en  .Sltestcu  ausgaben"  war  doch  ohne 
zweifei  anch  die  älteste,  nur  in  einem  i-inzigen  Wnllcnbfitteler  uxemplar  bekant« 
vom  jähre  lö93  verstanden.  Diese  etwnrtnng  erfülte  sich  tudesBcn  nicht,  KrwiM 
Mch  also  auch  die  neni.-  ausgäbe  als  recht  iinvolkuninien.  so  erbObtu  sie  diwb  doa 
vortragenden  Interesse  wesentlich  und  zwar  beiunders  auch  dasluüb,  well  der  hertan- 
fcber  tiD  ansohlnss  an  eine  schon  im  vorigen  Jahrhundert  ausgespruubeno  verrnntung 
di(  ansieht  anfstelto,  der  altnst«,  ohne  ortsangab«  eTschisntne  drnck  von  t5S3  a«! 
wabrseheiulick  In  ftostuek  bei  Angustin  Ferbcr  gedruckt.  Da  die  Kostuek«r  biblio- 
Ihek  kein  alt«  oiemplar  der  Flola  besizt.  «<i  want«  »ich  Bcchateiu,  bextndera  wogen 
der  frage  nach  dem  dniikar  und  druckurt  nach  Wolf' nb&ttel,  Herr  oherblbliotliekar 
dr.  von  Heineranno  «ante  nicht  allein  das  oiniige  eieiajiUc  vun  ir>ys,  *i>udnrn  hatte 


PHILOL.   VBRSAML.    1882.  251 

auch  die  grosse  gute,  eine  zweite  ausgäbe  von  1627  beizulegen,  aus  deren  lesarten 
höchst  wahrscheinlich  hervorgeht,  dass  dem  druck  von  1593  noch  ein  andrer  voran- 
gieng.  Die  vergleichung  des  vor  der  band  ersten  druckes  von  1593  mit  verschie- 
denen drucken  aus  Augustin  Ferbers  officin  führte  zu  gar  keinem  resultat.  Es  ist 
möglich,  dass  die  Floia  in  Rostock  gedruckt  wurde,  aber  es  bietet  sich  hierfür  gar 
kein  äusserer  anhält.  Dagegen  lassen  sich  innere  gründe  hierfür  beibringen.  — 
Die  lesarten  der  ausgaben  von  1593  — 1627  ermöglichen  nun  erst  eine  betrachtung 
der  spräche.  Der  vortragende  beabsichtigte  keine  genaue  darlegung,  sondern  wolte 
nur  wenige  beispiele  anführen.  Wie  alle  niederdeutschen  Schriftstücke  des  ausgehen- 
den 16.  und  17.  Jahrhunderts  nicht  einen  einheitlichen  lautstand  gewähren  und  den 
einfluss  der  hochdeutschen  Schriftsprache  zeigen,  so  finden  sich  auch  im  ältesten 
druck  der  Floia  unter  den  correcten  niederdeutschen  stammlauten ,  vocalen  und  con- 
sonanten  auch  hochdeutsche  und  neben  den  specifisch  niederdeutschen  vocalen  auch 
gemeinniederdeutsche.  Als  besonders  charakteristisch  für  den  vocalismus  der  Floia 
hob  der  vortragende  hervor,  dass  ei  für  hd.  ie,  gemeinniederd.  e  erscheint;  au  für 
hd.  uo,  gemeinnd.  ö;  eu  für  hd.  öü,  gemeinnd.  oe,  also  ganz  wie  im  mecklenbur- 
gischen dialect  Fritz  Keuters.  Bezüglich  des  titeis  ist  Bechstein  der  ansieht,  dass 
Floia  festzuhalten  sei  —  die  beiden  Wolfenbütteler  exemplaro  schreiben  Flöia  —  stelt 
indessen  die  frage  zur  discussion.  Schliesslich  führte  er  einiges  charakteristisch 
niederdeutsche  aus  dem  wertschätze  an.  Hierauf  fanden  die  lateinischen  formcD, 
in  denen  die  deutschen  stamme  auftreten,  eine  nähere  betrachtung.  Der  bis  jezt 
geltenden  annähme  gegenüber,  dass  in  der  maccaronischen  dichtung  regellose  frei- 
heit  hersche,  will  der  vortragende  zeigen,  dass  nach  seinen  beobachtungen  wenig- 
stens zunächst  in  der  Floia  keineswegs  alles  regellos  und  wilkürlich  sei.  Die  ver- 
schiedenen latinisierten  formen,  die  der  dichter  aus  den  deutschen  stammen  bildet, 
sind  nebenformen ,  die  er  aus  technischen  gründen  schaft  und  braucht.  Näher  gieng 
der  vortragende  auf  die  wähl  des  geschlechts  der  Wörter  ein,  da  öfter  das  deutsche 
geschlecht  mit  dem  geschlocht  des  latinisierten  nicht  im  einklang  steht,  weil  der 
dichter  ein  bestirntes  lateinisches  wort  im  sinne  hat  und  an  dasselbe  erinnern  will. 
Hierin  liegt  ein  gut  teil  der  humoristischen ,  der  parodistischen  Wirkung.  Eine  reihe 
solcher  Veränderungen  des  genus  werden  beigebracht,  ebenso  ein  boispiel  von  nach- 
geahmter lateinischer  construction. 

Von  einer  besprechung  einzelner  stellen  sah  der  vortragende  ab  und  wante 
sich  der  frage  zu:  „wer  und  was  war  der  dichter,  wo  haben  wir  ihn  zu  suchen?** 
Verschiedene  erwägungen  führen  auf  einen  professor  der  medicin  in  Rostock.  Der 
vocalismus  des  gedichts  stimt  mit  der  mecklenburgisclien  mundart.  Aber  unter  den 
eingeborenen  professoren  jener  zeit  findet  sich  keiner,  dem  man  die  Verfasserschaft 
der  Floia  zutrauen  könte.  Jene  lautverhältnisse  finden  sich  auch  sonst  noch  in 
Westfalen  und  im  herzogtum  Berg.  Unter  den  gelehrten  von  Rostock  hatte  bezie- 
hnngen  zu  jenen  gegenden  Wilhelm  Lauremberg,  der  vater  des  berühmten  Johann 
Lauremberg,  Verfassers  der  niederdeutschen  Scherzgedichte.  Der  vortragende  sucht 
im  einzelnen  diese  Vermutung  näher  zu  begründen  und  will  sich  genauere  nach- 
forschung  vorbehalten. 

Herr  Ar mi tage  von  Heidelberg  bespricht  in  seinem  vortrage  über  die  Docli- 
nation  der  Parisyllabica  im  Provenzalischen  den  oft  belegbaren  unterschied  eines 
cas.  rectus  der  participia  auf  -h  (ereventah)  und  eines  cas.  obliquus  auf  -t  (ere- 
ventat);  h  wird  als  resultat  der  Vereinigung  *  +  t  in  der  endung  -ti  erklärt-  Ver- 
wante  erscheinungen  wie  tuh  =  toti  usw.  werden  in  den  kreis  der  erörterung 
gezogen.     Schluss  der  sitzung  10  uhr. 


Zweite  sitiung.    Freitag,  39.  »ept.,  morBens  8  ohr. 

Den  vortng  Ton  archivrat  Wülckor  auHWeimar:  „Über  Latbeis  Btcllaiig  zar 
kDriäohBischen  kanzlai*  faut«  der  vortragende  in  atiinen  reanltaten  in  folgender  v«ise 
EDBammen.  Dio  kötiigliuhe  res)),  kaiserliche  kanzlei  ist  es,  die  den  anatoss  nr  ent- 
wioklaug  des  modernen  HcliriftdentiHsli  gegeben  liat.  In  directer  vermitluDg,  nicht 
durch  dio  rei(^llsl4tgBka^lIei  gewann  sie  einlluw  mnäcbat  auf  die  einzelneD  fDretlichon 
Q&d  atSndiaclien  kansleien,  dann  aaf  die  geEcli&ftsiiprache  anderer  cerporalionen  und 
nurde  alinfthlich  überhaupt  aprache  der  gebildeten.  Da  nun  aber  die  kaneleien 
nicht  eine  fertige  spräche  tlbernabmen ,  sondern  nur  die  ihnen  äberkommcne  mund- 
artliche redeweise  dem  Hochdeutschen  anzuähuliohen  strebten,  ao  war.  ubgeeehen 
Ton  einigen  oberdeutschen  eigen tS mlichkeiten ,  welche  alle  annahmen,  doch  «nem 
jeden  achreiber  ein  gresHCr  Spielraum  bcIasBCn,  vrie  weit  er  seine  mundart  der  könig- 
lichen apraohe  anboijnemcn  weite.  Es  entstehen  iladnrch  versohiodeDi'  richtangen 
in  ein  and  derselben  kandei. 

Schon  vor  Lntbcr  hatt*:  diese  spräche  ihren  oiiigang  in  die  litterntrir  gefiui> 
den.  Aber  da  die  gelehrten  nnd  ihre  verleger  aich  nach  der  jeweUigen  kanalei 
ihrer  heimat  richteten,  mnste  immerhin  noch  eine  grosse  rielgeataltigkeit  der  drucke 
verschiedener  städte  entstehen,  lagen  auch,  bei  den  Schwankungen  in  den  ksnileien 
selbst,  unterschiede  iwischen  den  drnckeii  derselben  stadt  nahe. 

Dieser  heillose  wirwar  konte  nur  dadurch  gebessert  werden,  duss  eine  gewal- 
tige aat«ritfit  gesett  nnd  anaschlag  gebend  dazwischen  trat.  Sie  fand  sich  in 
Lnther.  dessen  Schriften  durch  zahl  and  geist  die  titteratur  beherschton,  dessen 
Sprache  von  dem  damals  zeitweilig  ganz  Deutschland  dnrch dringenden  protestan- 
tismUB  als  eine  von  Gatt  eingegebene  angeaehoD  wurde.  —  Luther  aber  hatte  ainh 
die  dem  Mittel dentscbcn  zunächst  stehende  Schreibweise  der  kuraKchaischen  kanzlel 
angeeignet,  hatte  sie  aber,  nälirend  voriäuHg  die  kanzloi  bei  der  allen  schwanken- 
den schreibueise  verblieb,  selbständig  weiter  entwickelt. 

Rineni  Luther  beagtn  sich  anch  Niederdeutsch I and ,  da«  sein  plattduntsch 
geraduzu  aufgab,  und  s»  bleibt  dem  grossen  refornutor  der  mhm  und  das  ver- 
dienst, die  Schwankungen  der  achreibnng  beseitigt  und  eine  feste  basia  geaehalTen 
XU  haben,  mit  der  ein  wesentlicher  teil  der  einheitlichen,  ganz  Deutachlaiiil  umfaa- 
senden  aohriftsprache  gegeben  war. 

Der  Vorsitzende  gibt  einige  g'-achäftliche  mitteil nngen ,  legt  die  eben  eracMe- 
nene  Götz-ausgabe  von  Baechtold  vor  und  steh  die  tagesordnuog  für  die  dritt« 
Sitzung  fest.    Schluss  9'/,  nlir. 

Dritte   aectionsaitiong.     Samstag,  30.  supt.,  tnorgeua  8  uhr. 

Dr.  Hai  Rieger  entsprach  dem  wünsche  des  versitzenden,  eine  probe  aus 
der  fortsetzung  seiner  arbeit  (iber  Kliniker  mitzuteilen,  und  wählte  dazu  die  bespre- 
ohung  des  1786  erschienenen,  ein  oder  zwei  jähre  vorher  verfassten  satirisohen 
mfcrchens  „Der  goldene  Hahn",  daa  nachnials  selir  wesentlich  umgearbeitet  unter 
dem  titel  „Sahir*  in  der  reihe  der  philosophischen  roniane  widerkehrte. 

Der  vortragende  gab  eine  analysc  des  Werkes  nnd  teilte  verschiedene  inter- 
essante stellen  deast^Ibon  mit.  Aus  seiner  bespreohung  hoben  wir  eine  beciebnng 
au  Goethes  Faust  hervor,  die  er  in  einem  uiutive  dos  KUngerschen  närcheus  kq 
erkennen  glaubt.  —  Ans  dem  Zusammenbruche  des  glücklichen  natnrzuitandea ,  in 
welcbem  das  volk  der  Cireasaier  bb  zur  entzanbornng  des  goldenen  hahna  dahin 
lebte,  rettet  sich  ein  unschnldigea  tiebeupaar  in  ein«  ]>i>hle.  Aus  dem  gründe  dieMT 
h&hle  ertönt  die  stimme  eines  geisies,  der  »ich  dem  liebenden  paare  nicht  zeigt, 


PHILOL.  VER8AML.  1882.  253 

aber  zu  ihm  spricht  und  ihm  eine  vorstellimg  von  seinem  wesen  zu  geben  sucht. 
Dieser  geist  unterscheidet  sich  von  Goethes  erdgeist  dadurch,  dass  er  nicht  nur  als 
physikalisches,  sondern  sehr  stark  als  ethisches  princip  in  Rousseaus  sinne  hervor- 
tritt. Aber  da  Kiinger  alles,  was  am  Faust  bis  zum  herbst  1775  gedichtet  war, 
notwendig  gekaut  hat,  kann  man  schwerlich  umhin,  in  einer  Vereinigung  formeller 
anklänge,  eine  freie  reminiscenz  des  crdgeistes  zu  erkennen.  Es  wird  diese  Über- 
einstimmung an  verschiedenen  stellen  nachgewiesen.  Nun  komt  hinzu,  fährt  der 
vortragende  fort^  dass  der  geist  bei  Klinger  sich  in  einer  höhle  offenbart  und  der 
erdgeist  in  der  scene  „wald  und  höhle^,  wenigstens  für  den  anthropologischen  teil 
seiner  Offenbarung,  das  gleiche  local  wählt.  Vor  den  eintritt  in  die  höhle  fallen 
bei  beiden  dichtungen  furchtbare  naturerscheinungen ,  die  grosse  ähnlichkeit  auf- 
weisen. Jener  monolog  Fausts  nun  ist,  wie  man  übereinstimmend  mit  recht  annimt, 
1787  in  Italien  gedichtet,  war  also  dem  Verfasser  des  goldenen  hahns  nicht  bekant. 
Das  übereinstimmende  in  der  erfindung  scheint  daher  auf  eine  der  ursprünglichen 
dichtung  angehörige  prosascene  zurückzugehen,  die  der  gereifte  dichter  in  blank- 
versen  umarbeitete.  Redner  hält  es  deshalb,  unter  hinweis  auf  die  gereiftheit,  die 
sich  in  diesen  versen  ausspricht,  im  gegensatz  zu  dem  ursprünglich  Faustischen, 
dem  ungestümen  dränge  die  schranken  der  persönlichkeit  zu  sprengen  und  in  das 
naturleben  einzudringen,  für  wahrscheinlich,  dass  die  Schrecknisse  der  natur  beim 
eintritt  in  die  höhle,  einst  wie  bei  Elinger  probe  der  entschlossenheit  waren,  wäh- 
rend sie  jezt  nur  die  bedeutung  von  zufalligem  schlechtem  wetter  haben ,  wofür  die 
höhle  dem  naturforscher  als  Zufluchtsort  dient.  Es  wird  wahrscheinlich,  dass  die 
höhle  selbst,  deren  leistung  jezt  darin  besteht,  als  abgeschlossener  stiller  aufent- 
halt  die  betrachtung  auf  ihr  subject  zurück  zu  lenken,  einst  wie  bei  Elinger  die 
wunderbare  offenbarungsstätte  des  naturgeheimnisses  nach  allen  seinen  richtungen 
war.  —  Die  Offenbarung  selbst  zu  schildern  war  eine  aufgäbe,  die  am  ende  jedes 
dichterische  vermögen  überstieg;  es  Hess  sich  davon  nur  in  Versicherungen  oder  in 
zerfliessenden ,  nichts  aufklärenden  bildern  reden.  Klinger  vorsucht  es.  Man  mag 
sich,  meint  redner,  eine  adlerhöhe  vorstellen,  um  welche  Goethe  Klinger  in  einem 
versuche  dieser  art  habe  übertreffen  müssen ;  in  einem  einigermassen  ähnlichen  stile 
wird  immerhin  in  der  ursprünglichen  höhlenscene  die  sache  behandelt  worden  sein. 
Der  vortragende  weist  nach,  dass  es  überhaupt  auffallend  sei,  dass  Klinger  sich 
auf  dieses  schwierige  feld  begeben ,  da  es  bei  der  anläge  seiner  dichtung  ganz  un- 
nötig war.  Daher  scheint  es,  als  habe  Klinger  die  Offenbarung  nur  beibehalten, 
weil  sie  ihm  in  der  erinnerung  an  Goethes  Faust,  vom  erdgeist  und  dessen  höhle 
unzertrenlich  vorkam;  was  denn  voraussezt,  dass  sie  mit  beiden  bei  Goethe  wirklich 
verbunden  war. 

Nach  beendigung  dieses  Vortrags  schreitet  man  zur  wähl  der  versitzenden 
der  section  bei  der  im  nächsten  jähre  in  Dessau  statfindenden  versamlung.  Die 
wähl  f&lt  auf  prof.  Zacher  und  prof.  Elze  in  Halle.  Der  versitzende  macht  femer 
mitteilung  über  ein  in  Weissenburg  geplantes  denkmal  für  Otfrid. 

Hierauf  begint  prof.  Fischer  aus  Stuttgart  seinen  vertrag  über  den  voca- 
lismus  des  schwäbischen  dialects. 

Redner  versteht  hier  unter  schwäbisch  den  dialect,  der  zwischen  Schwarz- 
wald. Bodensee  und  Lech  gesprochen  wird,  und  der  mit  den  bairischen  und  frän- 
kischen dialecten  die  nhd.  diphtongierung  von  t  und  ü,  bezw.  iu,  zu  ei  und  au 
bezw.  eu  gemein  hat.  Abzurechnen  sind  die  grenzgebiete  im  nordwesten,  wo  Über- 
gang ins  Rheinfränkische,  im  Südwesten  und  Südosten  ins  AUemannische ,  und  längs 
des  Lech,   wo  Übergang   ins  Bairische   statfindet.     Im  nordosten   dagegen  ist  die 


254  AMEB8BACH 

grenze f  der  alten  Aagsborg- Würzbnrger  diöcesangrenze  gleichlaufend,  haarscharf 
zwischen  üchwäbiüch  nnd  ostfräokiHch.  Da  die  vocale  des  Schwäbischen  nördlich 
and  südlich  dor  Alb  im  wesentlichen  dieselben  sind,  so  ist  nicht  eine  trennnng  in 
Ober-  (südlich  von  der  Alb)  und  Niederschwaben  (nördlich  von  der  Alb)  Yorzn- 
nehmen,  wol  aber,  wie  man  sehen  wird,  eine  solche  in  Ost-  und  Westschwaben. 
Der  grosse  reichtum  des  schwäbischen  dialects  an  lauten  wird,  dem  mhd.  gegen- 
über, noch  gesteigert,  nicht  zum  vorteil  der  Schönheit  des  dialects  durch  die  neignng 
zum  nasalieren,  die  nur  in  wenigen  fällen  sich  auch  ohne  eine  sprachgeschichtlich 
richtiges  n  geltend  gemacht  hat  (näs  =»  nase),  dafür  aber  vor  n  und  m  regelmässig 
eintritt  und  erstercs  in  geschlossener  silbe  auch  bei  nachfolgendem  zweitem  conso- 
nanton ,  wie  im  Französischen  in  den  nasalierten  vocal  aufgehen  lässt  {mä  =  mann, 
hod  — >  huud). 

Die  alten  kürzen  ä,  i,  ü  sind  der  qualität  des  lautes  nach  durchaus  erhalten, 
während  die  quantität  schwankt  {vdter,  bäl  =^  ball).  —  B  als  umlaut  von  a  ist  ge- 
blieben. —  e,  die  brechung  von  ta  ist  zu  äa  geworden.  —  ö  ist  geschlossen;  zu  ä 
wird  es  vor  r.  —  ö  ist  zu  c,  u  zu  i  verdünt. 

Die  alten  längen  sind  von  den  alten  kürzen  streng  geschieden. 

d  ist  zu  ä  geworden  (vor  »i  zu  ö):  fräga  =^  (Tagen,  dagegen  säg»  =^  sägen, 
(ß  ist  geblieben.  —  i  und  ü  sind  wie  im  Nhd.  diphtongiert  worden,  aber  von  altem 
ei  und  ou  genau  unterschieden,  i  lautet  n;  ei  dagegen  in  gebildet  schwäbbcher 
ausspraclie  ue  (bib  «=»  corpus ,  laeb  ^=s  brot ;  nnf  --=  pruina,  maturns,  raef  =  anulns). 
Dieses  ae  ist  im  volksdialect  orsozt  durch  ein  oe  oder  äe  {loeb,  lad)).  —  Das  oe 
(äe)  herscht  unbeschränkt  östlich  einer  linie,  welche  zwischen  Tübingen,  Esslingen, 
Schorndorf  westlicher-  und  Reutlingen,  Kirchheim,  Gmünd  östlicherseits  verläuft. 
Westlich  dieser  linie  dagegen  herscht  statt  oe  der  andere  diphtong  oa  oder  <lo, 
welcher  ganz  analog  dem  französ.  oa  (tw)  in  roi  u.  ü.  die  äusserste  stufe  der  laut- 
verschicbung  ist:    ei  —  «i  —  ae  —  oe  —  oa, 

Mhd.  ü  wird,  dem  n  analog,  zu  ^u;  ebenso  ou,  parallel  ae  zu  ao.  Mit  alt 
ei  und  o^  sind  ja  die  einfachen  längen  e  und  ö  ursprünglich  identisch.  So  ist  es 
auch  im  Schwäbischen ,  wenn  wir  statt  oe  und  oa  ein  älteres  ae  statuieren.  Uedner 
fllhrt  dies  weiter  aus. 

Die  umlaute  der  diphtonge  m,  öu  sind  consequent  entwickelt:  tu  wird  zu  91, 
weil  es  kein  ü  gibt,  ebenso  öu  zu  ae.  Redner  gibt  eine  historische  entwicklung 
dieser  laute,  wie  sie  nach  seiner  ansieht  allenfals  statgefnuden  hat. 

Neben  ti«,  dem  umlaut  von  u,  gibt  es  mhd.  ein  originäres,  aus  u  gesteigertes 
IM.  Dieses  m  ist  schwäbisch  vom  umlaut  m  streng  geschieden;  es  lautet  ui.  Die 
brechung  dieses  ii«,  mhd.  ie,  ist  als  1^  erhalten  und  von  einfachem  t  streng  geson- 
dert. Ebenso  sind  auch  m  und  ie  noch  getrent.  Gleich  ie  ist  auch  uo,  als  u», 
erhalten  und  von  h  durchaus  geschieden;  sein  umlaut,  mhd.  üe,  HLlt  mit  io  zusammen. 

So  stelt  sich  uns,  folgert  redner,  der  schwäbische  dialect  als  eine  einheit 
dar,  und  seine  untordialecte  sind  von  einander  weit  weniger  verschieden  als  z.  b.  die 
innerhalb  des  allemannischen  dialects.  Redner  bestreitet  die  ansieht  Birlingers,  daas 
nur  die  Schwaben  östlich  einer  linie  von  Marbach  über  Kirchheim ,  Ehingen ,  Leut- 
kirch  usw.  an  die  Allgäuer  Alpen,  Schwaben,  d.  h.  luthungen  seien,  die  westlich 
davon  aber  alle  Allemanuen,  und  schliesst  mit  den  Worten:  Wir  worden  also  das 
rocht  haben ,  die  jezt  „schwäbisch**  redenden  gebiete  als  eine  einheit  innerhalb  der 
grossen  allemannisch- schwäbischen  dialectgruppe  anzusehen,  wie  das  elsassische  und 
das  südalleniannische  je  eine  siUche  bilden. 


PHILOL.   VS&SAltL.    1882.  255 

An  diesen  Vortrag  schliesst  sich  eine  kurze  discussion  zwischen  prof.  Be Ch- 
at ein  und  dem  vortragenden  bezüglich  des  umlautes  im  Schwäbischen. 

Da  die  für  die  sectionssitzung  bestimte  zeit  bereits  abgelaufen  ist,  so  richtet 
der  Vorsitzende  an  die  mitglieder  der  section  die  frage,  ob  dieselben  gewilt  sind, 
sich  in  die  algemeine  sitzuug  zu  begeben,  oder  dem  auf  der  tagesordnung  stehen- 
den vortrage  des  herrn  dr.  Kluge  aus  Strassburg  über  „deutsche  etymologie"  noch 
anwohnen  wollen.  Man  beschliesst  das  leztere.  Der  vortragende  weist  darauf  hin, 
dasB  die  deutsche  etymologie  sich  noch  nicht  die  achtung  und  liebe  erworben  habe, 
wie  die  romanische  etymologie,  welche  —  auf  der  bequemer  zugänglichen  lateinischen 
oder  germanischen  grundlage  leichter  controllierbar  —  die  weitesten  kreise  sich  gewon- 
nen hat.  Dass  dem  Deutschen  eine  solche  grundlage,  d.  h.  eine  historisch  erreichbare 
nrsprache  fehlt,  und  dass  die  complicierten  gesetze  der  linguistik  unsere  wortge- 
schichte  nicht  leicht  machen,  ist  an  der  abneiguug  gegen  deutsche  etymologie  ebenso 
gut  schuld,  wie  die  Unsicherheit  der  mothode  der  altern  grammatik.  Nach  dem 
volständigen  Umschwünge  der  grammatischen  Studien  darf  auch  auf  germanischem 
Sprachgebiet  jene  von  Diez  geübte  kritische  etymologie  arbeiten,  deren  grundlage 
die  lautlehre  ist.  Aufgabe  dieser  etymologie  ist  nicht  die  frage  nach  dem  Ursprung, 
sondern  nach  der  eutwicklung  eines  wertes ;  das  einzelne  soll  den  gebührenden  platz 
in  der  Sprachgeschichte  bekommen.  Redner  hebt  hervor,  dass  die  lehnwörterfrage, 
wo  diese  aufgäbe  am  bequemsten  erreichbar  scheint,  noch  nicht  die  verdiente  auf- 
merksamkeit  gefunden  hat.  In  der  lehnfrage  gibt  nach  Rud.  Hildebrands  Studien 
im  DWb.  nicht  der  laut,  sondern  der  begriff  den  ausschlag,  der  Sprachhistoriker 
hat  über  dem  einzelnen  lehnwort  eine  kulturströmung  zu  suchen,  welche  es  mit 
andern  verwanten  begriffen  importierte;  eine  solche  kulturströmung  muss  für  uns 
zunächst  aus  der  spräche  gewonnen  werden,  indem  wir  die  gleichalterigen  entleh- 
nungen  zu  gruppen  sondern.  Erst  in  zweiter  linie  muss  der  Sprachhistoriker  die 
geschichtlichen  documento  verwerten.  Redner  führt  dies  weiter  aus.  Neben  der 
lautlehre,  fährt  redner  fort,  muss  die  etymologie  auch  die  fiexions-  und  suffixlehre 
behufs  genauer  fixierung  der  wortgenesis  berücksichtigen.  Das  princip  der  neu- 
Bchöpfung,  von  Diez  für  das  Romanische  längst  anerkant,  von  Paul  für  das  Ger- 
manische vertreten,  muss  der  etymologe  unter  dem  gleichen  gesichtspunkt  der  gruppe 
betrachten,  wie  die  lehn  werte:  es  sind  wesentlich  bezeichnungen  für  schallarten  und 
arten  der  bewegung,  welche  die  spräche  neu  schaft.  Ein  eigenartiges  etymologisches 
princip  ist  endlich  das  der  ncubelobung  untergegangener  worte  unter  dem  einflusse 
einer  archaisierenden ,  oder  auch  puristischen  litteraturbewegung.  Auf  manche  der 
erwähnten  punkte  und  andere  für  die  kritische  etymologie  wesentlichen  momente 
(Volksetymologie,  dialectmischung)  konte  der  vortragende  aus  mangel  an  zeit  nicht 
näher  eingehen,  weshalb  auch  von  einer  discussion  abstand  genommen  werden  muste. 

Der  versitzende  dankt  den  sectionsmitgliedern  für  ihr  zahlreiches  erscheinen 
und  erklärt  die  Sitzungen  für  geschlossen.  Prof.  Förstemann  erhält  nochmals 
das  wort,  spricht  seine  befriediguug  aus  über  den  angenehmen,  durch  keinen  mis- 
klang  gestörten  verlauf  der  Sitzungen  und  fordert  die  sectionsmitglieder  auf,  den 
beiden  versitzenden  für  ihre  bemühungen  den  dank  der  versamlung  durch  erheben 
von  den  sitzen  kund  zu  geben.  Ebenso  wird  auf  anregung  von  prof.  Bechstein 
den  Schriftführern  der  dank  der  section  ausgesprochen. 

KONSTANZ    IM  OCTOBEK    1882.  PROF.   AMEBSBACH. 


PREISAUSSCHREIBEN. 
Der  unter  dem  Protectorat«  Direr  KSnigl.  Hoheiten  dos  GrussbprzoKs  Karl 
Aleiauder  von  Sachsen  und  des  Prinzen  Georg  von  FrensBeii  8t«bende  ..Verein 
riir  Deutsche  Literstnr"  (gegrBndet  IST3),  in  dem  Bestreben,  den  Ut«ratur- 
trenoden  immer  Gediegeneres  in  allen  dcDJenigen  DiscipÜnen  duzabiet«'» .  die  dem 
Ziel  und  Streben  einer  Nution&l  •  Liternttir  in  nrnfasacndereni  Sinnr  niitH)irrclitai, 
Bi-hreibt  drei  Preise  aus: 

Erster  Preis:  4000  Mark 
Zweiter  do.  3000  do. 
Dritter  do.  2000  do. 
f&rdrei  aUTOtzfiglich  erkannte  Monographieen  bdb  derDentecben  Geachiuht* 
oderKnltargeechichte,  die  ansehenden  StolF  mit  Tiefe  des  Gedankens  and  fesaelo- 
der,  in  bitherem  Sinne  des  Worts  populärer  Darstellung  verbinden.  Dem  Zwecke  würden 
n.  A.  Themata  entsprechen,  die  eine  bedentaame  Entwickeliingsperiode  unseres  Votka 
oder  eines  deutseben  StammeH,  das  Leben  einer  deutschen  Reichs8t»dt  in  der  Epoche 
ihrer  Bl&the  und  Macht,  daa  Wirken  bahnbrechender  Geister  anf  politischemw 
socialem,  literarisobem  oder  künstleriscbnn  Gebiete  behandeln.  AnsgescbloBsen 
sind  kirchengeschichtlichc  Themata  nnd  blosse  Sammlnngea  von  Anfaätüan,  eowit 
Alles,  was  keinen  einheitlichen  pcreSnlichcn  oder  sachlichen  Hitt^lpankt  darbietet, 
überhaupt  Specialitäten ,  die  nnr  kleine  ansgenählt«  Büdnngskreiae  intereuireii 
dorrten;  ferner  Themata,  die  in  früheren  Pablicatiouen  iles  Vereins  bereits  bearbeitet 
wurden.  Die  Arbeit  aoU  nicht  weniger  als  30  Drnckbogen  und  woinOgliob  niebt 
mehr  als  23  Drnckbogen  im  Format  der  Voreinapublicationen  nrnfassun. 

Der  Einsen  dun  gstcrmin  an  den  unterzeichneten  geschäftlichen  Leiter  den 
Vereins  endet  am  1.  October  1888,  Die  Veröffentlich ong  der  PreiszuerkenntDiwe 
erfolgt  am  15.  Decembor  1883. 

Zn  jedem  Manuscriptc  wird  ein  Hotto  erbeten  und  ein  mit  demselben  Hotta 
bezeichnetes  aber  gescbtossencs  Courert,  welches  den  Namen  des  Verfassers  entbUt. 
Die  drei  Courerta  werden  geQlfnct.  deren  Motti  die  Preisempßnger  bezeichnen. 
Unleserliche  Hannscripte  werden  nicht  geprüft.  Durch  die  Znerkennnng  eines  PretsM 
wird  das  auMchliess liehe  Eigenthams recht  der  drei  Werke  yoni  nVerein  fBr  Dentach« 
LiteratTir'  auf  die  Dauer  »on  5  Jahren  erworben. 

Das  Preisriehteramt  haben  öbemommen  die  Herron: 

Radolf  Gneht,  ordentlicher  Professor  an  der  Universität  Berlin. 
Wilhelm  Scherer,       .  .  .  .  . 

Julius  WelzeBi^ber,     .  .  .  .  - 

unter  Zuziehung  des  Schriftführers  des  Vereins,  Herrn  Dr.  Lndwii;  l^nt. 
BiBun,  im  Deiember  1S83.  I.  A. 

Der  gosch&ftsfUhrende  Director 
Verlagsbudihändler  B.  Hoftnaim. 


Der  IV.  Jahrgang  des  von  der  Gesellschaft  für  dentscho  Philologie  au  Berlin 
heraasgc^bcneu  .  Jalireiberidit  Über  die  Erschein nngm  auf  dem  Gebiete  der  0er- 
maniacben  Philolngie"  wird  demnächst  im  Verlage  von  Carl  Beissner  in  Leipxlg 
>r*okeben. 


•  IL  8. ,  Hni4utra(itn«l  iti 


BRUCHSTÜCKE   AUS    DER  SAMLUNG   DES   FREI  HERRN 

VON  HARDENBERG. 

VIERTE   REIHE. 
Fortsetzung  zu  bd.  XIV  g.  63  fgg. 

1. 
PREDIGTEN   AUF   DIE  FEST-    UND  HEILIGENTAGE. 

ERSTE    HANDSCHRIFT. 

Vier  pergamentbläUer  in  4^,   das  volle  blatt  ungefähr  20  centi- 
meter  hoch  und   15  centinieter  breit     Das  erste  und  das  vierte,  und 
ebefiso  das  zweite  und  das  dritte  blatt  bilden  je  ein  zusamnienhä/ngendes 
doppelblatt;  zwischen  dem  zweiten  und  dritten  scheint  nur  ein  doppel- 
blatt,  das  mittelste  einer  läge,  zu  fehlen.    Jede  seite  eiithäU  2  spalten^ 
von  je  Sl  Zeilen  j  ohne  liniierung.     Die  schrtft,  von  einer  geübten  hand 
aus  dem  anfange  des  13,  Jahrhunderts  j  ist  fest,  regelmässig  und  deut- 
lieh.     Kurze  s  begegnen  auch  im  auslaute  nur  vereinzelt;  das  i  ist  fast 
nur  neben  n,  m,  u,  zu  bequemerer  Unterscheidung,   mit  einem  feinen 
striche  versehen.     Die  abkürzungen  beschränken  sich  innerhalb  des  deut- 
sehen  textes   auf  die  algemein  üMichen;  reichlicher  sind  sie  verwendet 
in  den  eingestreuten  lateinischen  Sätzen;  sie  auch  im  drucke  beizube- 
halten   war  unnötig.      Für   die  interpunction    genügt   der  punct,    in 
massiger  Verwendung.     Der  anfang  neuer  sätze  wird  bezeichnet  durch 
rot  durchstrichene ,   die  textschrift  nicht  überragende  capitalbuchstaben, 
Predigtanfänge  sind  hervorgehoben  durch  rote,  die  höhe  von  zwei  text- 
Zeilen  einnehmende  initialen,  und  durch  kurze  rote  Überschriften ,  welche 
aber  nur  dann   eine   besondere  zeile  erhalten,    wenn   in  der  vorange- 
gangenen textzeile  nicht  mehr  räum  genug  für  sie  übrig  geblieben  war. 
—  Das  erste  blatt  hat  ungefähr  2  centimeter  seines  vorderen  randes 
verloren  j  und  dadurch  in  seiner  zweiten  spalte  einige  buchstaben  an  den 
enden,  und  in  seiner  dritten  spalte  an  den  anfangen  der  Zeilen  einge- 
büsst.     Für  den  druck  sind  diese  kleinen  lücken  wider  ergänzt ,  und 
die  ergänzungen    durch    einschliessung    in    eckige    klammern    kentlich 
gemacht  worden.     Durch  abreibung   und  andere  beschädigung   haben 
gelitten  die  Vorderseite  des  dritten,   die  rückseite  des  vierten,  und  am 
meisten  die  rückseite  des  zweiten  blattes,  jedoch  sind  nur  wenige  Wörter 
auf  der  rückseite  des  zweiten  llattes  völlig  unleserlich  geworden. 

SBIT8CHB.    F.    DEUT80UB   PHILOLOOIK.      UD.  XV.  f^ 


968  fSB,  von  t 

Diese  vier  blättrr,  wdche  aus  de»*  nachlasse  des  archivdirecicrs 
dr.  Mone  in  Karlsruhe  slammen,  gewähren  3  vohtändig  und  3  unvol- 
ständig  erhaltene  Predigten  auf  Fest-  und  auf  Iteiligenfage, 
geordnet  tjoc/»  ihrer  retkenfolge  im  kirchenjahre;  und  gwar: 

1)  Be  Matthia  apoatolo:  24.  februar.  Vohtändig  erhalten 
—  Aus  einer  perijamenthandschriß  des  14.  Jahrhunderte,  nr.  7G0  der 
Leipziger  Universitätsbibliothek,  welche  auf  303  zweiapnUigen  quart- 
tiäitern  über  anderthalb  hundert  predigten  auf  sonn-,  fest-  und  hei- 
ligentage enthält,  h/it  Herrn.  Leyser  (Deiäsche  itredigien  des  XIII. 
und  XIV.  jh.  Herausg.  von  dr.  Herrn.  Leyser.  Quedlinburg  n.  Lciptig 
1638)  eine  auswahl  verüff entlieht.  IHe  Aier  folgende  predigt  über  den 
apostel  Matthias  stimt  mit  der  von  Leyser  s.  86  unter  nr.  17  nus  der 
Leipziger  handschriß  (W,  ÖS'  — fl9*)  entnommenen  wörtlich  iiberein; 
nur  dass  der  schreBier  des  Leipziger  textes  mehrfach  andere,  sinnver- 
teante  ausdrücke  gebraucht,  und  nanietitlich  Wörter  und  antschen  ein- 
gesehaltd  hat,  die,  ohne  den  sinn  zu  ändern,  lediglich  zur  crteeittrvng 
dienen,  und  dem  Leipziger  trjte  ein  etwas  jüngeres  gei>räge  geben.  — 
Leider  sind  LeyserS  angaben  über  die  Leipziger  handschriß  (s.  XXJIIfyg.) 
so  mangdhaß  und  unzulänglich,  dass  sich  aus  ihnen  genügend«  aus- 
kunft  über  charakter  und  inkalt  derselben  nicht  gewinnen  lässt.  — 
Zwei  andere  predigten  auf  S.  Matthias  verzdehnet  Steinmeyer  in 
dem  zum  30.  bände  der  Hatiptschen  zeitschriß  gehörenden  Anzeiga-  für 
detäsckcs  alterthum  {Berlin  1876).  bd.  2,  s.  233. 

2)  In  capite  jejunii,  am  beginne  der  fastenzeU,  an  ascher- 
mittcoch,  an  dem  milumch  vor  t^adragesimae  oder  Invacaoit;  demnach 
in  die  texten  Wochen  des  februars  mler  in  die  ersten  des  mdrz  fallend. 
Volständig.  —  Andere  predigten  auf  Caput  jejunii  and  Quadrage^mae 
verzeichnet  Sleinmeger  a.a.O.  s.  239. 

3)  In  annunciatione  S.  Marias,  an  Mariae  Verkündi- 
gung; 25.  märz.  ünvolständig -.  nur  wenige  seilen  lies  anfanges,  der 
schluss  fehlt.  —  Andere  predigten  auf  Mariae  Verkündigung  verzeichnet 
Steinmeyer  a.  a.  o.  s.  232. 

4)  Ünvolständig.  Erhalten  ist  nur  ein  geringer  teil  des  Schlusses, 
und  nur  vermuten  lässt  sieh,  dass  dieser  zu  einer  predigt  in  eoena 
domini,  am  gründonnerstage,  oder  etwa  in  parasceue,  am 
charfreitage,  gehört  haben  tnöge;  denn  darauf  führt  die  sleUung  der 
predigt,  unmittelbar  vor  der  oslcrpredigt ,  und  auch  der  inhaU  rf« 
erhalteneti  Schlussstückes,  welcher  für  gründonnersiaij  otUr  charfreitag 
wol  passend  erscheint.  Auf  dem  vor  diesem  bruehstücke  fehlenden  miU 
leisten  doppdldatte  der  läge  wird  mithin  wahrscheinlich  der  schluss  von 
nr.  .V  loui  der  anfang  von  nr.  4  tjcstnnden  hibe».  —  Andere  predigten 


bbüohstOokb  iv.    predigten.  259 

für  gründonnerstag  und  charfreifag  verzeichnet  Steinmeyer  a.  a,  o. 
s.  229.  230, 

5)  In  die  Paschae,  am  Osterfeste;  ftUt  demnach  in  die  Uzte 
woche  des  märz,  oder  in  die  ersten  des  april.  Vol ständig  erhalten.  — 
Diese  predigt  stimt  widerum  mit  einer  der  Leipziger  handschrift 
nr.  760  (bl.  64''  —  65^),  welche  Leyser  a,  a.  o.  s.  61  fgg.  unter  nr,  7 
mitgeteilt  haty  ganz  in  der  seihen  weise  über  ein,  wie  es  oben  unter  nr.  1 
angegeben  tourde  von  der  predigt  auf  den  apostel  Matthias.  Nur  ist 
die  reihenfolge  in  der  Leipziger  handschrift  eine  ganz  andere,  sofern 
die  predigt  auf  Matthias  nicht  der  osterpredigt  vorangeht^  sondern  erst 
34.  blätter  hinter  dieser  erscheint. 

6)  De  Letania,  am  tage  Letania  major  oder  an  Rome- 
crüze,  am  tage  des  meren  criuzeganges,  d.  i.  am  St.  Marcus- 
tage  des  evangelisten,  am  25.  april.  Unvolständig ;  nur  der  anfang 
ist  hier  erhalten.  —  Dieser  feierliche  bittgang  ist  im  jähre  590  von 
dem  pabste  Gregor  dem  grossen  eingesezt  worden,  als  die  pest  in  Rom 
unUete  Durandus,  in  seinem  Rationale  divinorum  officiorum,  sagt 
darüber  in  einer  bei  Haltaus,  Jahrzeitbuch  des  deutschen  mütdalters 
{Erlangen  1797.  4^)  s.  100  ausgehobenen  stelle:  y^Litania  Jiaec  dicUur 
Gregoriana  vel  Romana.  Vocaiur  etiam  cruces  nigrae,  quoniam  in 
Signum  moeroris  ex  tanta  hominum  strage  et  in  Signum  poenitentiae 
homines  vestimentis  nigris  induebantur  et  cruces  et  cUtaria  nigris  vela- 
bantur^. 

Franz  Karl  Grieshaber,  professor  am  lyceum  zu  Rastatt  in 
Baden,  hatte  Javier  halbe  bogen  in  4^"'  von  bücherdeckeln  abgelöst,  und 
hat  den  darauf  vorgefundenen  text  mitgeteilt  in  seinem  1842  zu  Rastatt 
erschienenen  buche  ^^Vaterländisches  aus  den  Gebieten  der  Literatur, 
der  Kunst  und  des  Lebens^  s.  257 — 292.  Die  sehr  sorgsame  und 
genaue  beschreibung,  welche  er  s.  259  fg.  von  diesen  pergamentblättern 
gibt,  passt  in  allen  einzdheiten  so  volkommen  auch  auf  die  Harden- 
bergischen, dass  sich  schon  daraus  sofort  die  Vermutung  ergibt,  dass 
beiderlei  blätter,  die  Hardenbergischen  wie  die  Grieshaberschen ,  aus 
einer  und  derselben  handschrift  stammen.  Und  diese  vermutwig  wird 
noch  bestärkt  durch  die  Wahrnehmung,  dass  die  erste  zeile  des  ersten 
Grieshaberschen  bruchstückes  sich  an  die  lezte  des  lezten  Hardenbergi- 
schen unmittelbar  und  genau  anscMiesst.  Zur  veranschauiichung  dieses 
Verhaltens  ist  hier  im  drucke  dem  anfange  der  predigt  de  Letania  nach 
dem  Hardenbergischen  blatte  auch  deren  schluss  na^ch  dem  Grieshaber- 
schen beigefügt  worden.  —  Wohin  die  blätter  nach  Grieshabers  tode 
gelangt  sein  mögen,  ist  mir  unbekant. 

17* 


Aus  den  GrieshtAer sehen  hläliem  ergeben  sich  folgende  predigten 
{deren  iüierschrißim,  teenn  sif-  in  den  hruckstücken  wrloren  und  dtshaih 
von  Grieshaber  ergänzt  sind,  hier  tw  klntmntrti  gescfdossen  sind): 

1)  S.  266  (Marci  evangeliatae)  —  de  Letania;  35.  april. 
Igt  »war  unvolständig,  aber  der  kirr  fehlendi:  unfang  ist  auf  dem  hiten 
Hardenhergschert  blatte  erhalten. 

2)  S.  269.  Philipp*  et  Jacobi;  1.  mai.  Unvolständig;  es  fehlt 
der  schlttss. 

3)  S.  ä7ä.  {In  die  ascensionis),  am  himmelfahrtstage.; 
also  im  mai.     Unvolständig;   es  fehlt  der  anfang. 

4)  S.  27a.  In  die  Penfecostes,  an  pfingsten;  also  in  de» 
testen  Wochen  des  mai,  oder  den  ersten  des  Juni.  Untiolständig;  es 
fehlt  der  schluss. 

6)  S.  279.  {De  Johanne  Bapiisia);  24.  Juni.  Unvolständig; 
es  fehÜ  der  anfang. 

6)  S.280.  Petri  et  Pauli  apostolorum;  29.  juni.  Unvol- 
ständig; es  fehlt  ein  beträchtliches  stück  in  der  mitte.  —  In  der  Leip- 
tiger  handselmft  nr.  760  erscheint  diese  predigt  auf  bl.  137'*  in  sehr 
verbürgter  fassung.  Sie  ist  aus  dersdbcn  veräffenÜicht  durch  Leyser 
in  den  Altdeutschen  blättem  von  Haupt  und  Hoffmann  Leipx.  1840. 
2,  187  —  189. 

7)  5.  284.  De  Maria  Magdalena;  22.  Juli.  Unvolständig; 
es  fehlt  der  schluss. 

B)  S.285.  (S.  Petri  ad  vineuta),  Petri  ketlenfeier;  l.august. 
Unvolständig;  es  fehlt  der  anfang  und  oMch  der  schluss. 

9)  S.  289.  (In  die  assumpttonis  B.  Martae  virginis), 
Mariae  himmelfahrt;  15.  august.  Unvolständig;  es  fehlt  der  anfang. 
—  Die  von  Leyser  aus  der  Leipziger  handsehriß  nr.  760  (bl.  117* 
— 119")  unter  nr.  19  auf  s.  93  —  98  mitgeteilte  predigt  In  asaumpcione 
beate  marie  ist  eine  völlig  andere. 

10)  S.292.  De  sancio  Bartholomeo;  34.  august.  Unvolstän- 
dig; es  fehlt  der  schluss. 

R.  Cruel  hat  in  seiner  reichhaltigen  „Geschichte  der  deutschen 
predigt  im  mittdalter'*  {Detmold  1879)  auf  s.  151  —  155  auch  diese 
Orieshaberschen  hruchstücke  besprochen,  und  dabei  xugleich  darauf  hin- 
gewiesen, dass  auch  bruchstikcke  einer  anderen  handsehriß  desselben 
predigtioerkes  bereits  gedruckt  sind.  Es  hatte  nämlich  AdaB/ert  Jett- 
teles  von  Josef  Diemer  in  Wien  erhalten  „fünf  ganee  und  zwei  durdi^ 
schniUene  blätier  vott  doppellugen  einer  iiaabcr  gesdtriebenen  perga- 
mcnthandschrift  des   13.  Jahrhunderts  in  klein  4",   welche  aus  Klagen- 


BRUCBSTOOXB  IY.      PRBDIOTBIV.  261 

furt  stammen  soü,^  und  hat  den  inhaU  der  fünf  ganzen  Uätter  im 
jähre  1872  mitgeteilt  in  der  von  Bartsch  herausgegebenen  Germania, 
Jahrg.  17,  s.  335—  354,  eine  genaue  beschreibung  der  Uätter  hineuzu- 
fügen  aber  leider  unterlassen.  In  diesem  abdrucke  erscheinen  die  pre- 
digten nicht  in  der  reihen  folge  des  kirchenjahres ,  sondern  bunt  durch" 
einander  gemengt  {november,.  mai,  december,  august,  September ,  august), 
und  es  lässt  sich  nicht  Mar  und  sicher  erkennen,  ob  der  herausgeber 
nur  die  einzelnen  blätter  in  unrichtige  reihenfolge  gelegt  hai,  oder  ob 
die  chronologisclie  Ordnung  der  pi'edigten  schon  in  der  handschrifl  selbst 
aufgegeben  und  in  Verwirrung  geraten  war.  —  Ordnet  man  sie  nadi 
dem  verlaufe  des  kalenderjahres ,  so  ergeben  sich  folgende  predigten: 

1)  S.  343  —  346,  (Inventio  crucis),  kreuzer findung ;  3,mai, 
Unvolstandig ;  es  fehlt  der  anfang  und  der  schluss. 

2)  S,  352,  (S,  Petri  ad  vincula),  Petri  kettenfeier; 
1.  august.  Unvolstandig;  es  fehÜ,  wie  bei  Orieshaber  nr.  8,  der  anfang. 
Dagegen  ist  der  bei  Grieshaber  fehlende  schluss  vorhanden  y  und  das 
diesem  varangehende,  ungefähr  eine  druekseite  (s,  352—  353)  befassende 
stück  stimt  mit  dem  entsprechenden  stücke  des  Grieshaberschen  bloMes 
(s.  287  — 288)  volkommen  überein,  bis  auf  zwei  geringfügige  abwei* 
chungen  des  ausdruckes,  welche,  ohne  den  inhalt  und  sinn  zu  ändern, 
bald  auf  diesem j  bald  auf  jenem  blatte,  entweder  fehlerhaftes  oder  rieh- 
tiges  bieten,  so  dass  sich  die  beiden  texte  einander  gegenseitig  berichtigen, 

3)  S.  349,  (De  sancto  Bartholomeo),  24.  august.  Unvol- 
standig; erhalten  sind  nur  wenige  zeUen,  kaum  zehn,  des  Schlusses;  so 
dass  zwischen  diesem  Schlüsse  und  dem  hei  Grieshaber  {nr.  10,  s,  291  fg) 
erhaltenen  anfange  noch  ein  beträchtliches  stück  fehlt, 

4)  S,  350.  8,  Mathei  apostoli  et  evangel.,  21.  September^ 
Folgt  auf  voller  seile,  unmittelbar  nach  der  predigt  auf  Barthdomaeus, 
und  ist  volständig  erhalten, 

5)  S.  351.  Sermo  in  dedicande  dS  (?  da?  =  dominica?) 
ecclesie,  auf  das  kirchweih  fest,  Unvolstandig;  es  fehlt  der  schluss. 
Diese  predigt  geht  über  den  text  Ps.  86,  1.  2:  Fundamenta  ejus  in 
montibus  sanctis;  diligit  dominus  portas  Sion  super  omnia  tabemacula 
Jacob,  und  ist  gänzlich  verschieden  von  der  durch  Leyser  s.  115  unier 
nr.  24  aus  der  Leipziger  Jiandschrift  nr.  760  (U.  128''  — 130^)  mitge- 
teilten. Daraus,  dass  sie  si<ih  hier  auf  voller  seile  unmittelbar  anreiht 
an  diejenige  auf  S,  Matthaeus,  lässt  sich  vermuten,  dass  damit  ein 
kurz  nach  dem  21,  September,  mithin  grade  in  diejenige  zeit  fallendes 
fest  gemeint  sei,  während  welcher  noch  jezt  in  Mitteldeutschland  die 
välKg  weltlich  gewordenen  kirmesen  von  den  landleuten  mit  schmaus 
und  tanz  gefeiert  u>erden. 


S63  FBH.    VOH    UAHDEIlBBBa 

6)  S.  340.  (De  sancto  Martino):  11.  novetuber.  Unvotstimdig ; 
es  feUt  der  anfang. 

7)  S.341.  S.  Andree  apoatoli;  30.  november.  Folgt  in  ivller 
säte  untm'ltelbar  auf  S.  Martinus,  ist  aber  unvolständig;  es  fehit  der 
schbtss. 

8)  S.  346.  (De  S.  Nicoiao);  6.  decembcr.  Unvolständig;  es  ft^t 
der  anfang  und  nucA  der  schlusn.  J.  Z. 

Erstes  Halt. 
VW.  a.  1.    De  Matbla  apostolo. 

In  loi;ttm  iutle  traditoris  fttbßUutus  est  Mathias  aposloius  im 
imperfectus  remaneret  duodenarins  tmmerus  apostolorum.  —  Zwelf  finl 
der  zeichin  da  zu  himile.  di  di  rniine  vrabe  flrichit.  in  idicbirne  loufet 
(ie  drizic  Aage.  zwelTe  ßnt  der  tuaiide  di  daz  iar  teilent.  zwelfe  fint  der 
wind)  di  den  luft  tribeut.  zv  di^r  ft^lben  wis  wolde  unfer  herre  zwelf 
apOBtolOB  hau.  di  hat  er  irwelt  dj  wile  er  iü  dirre  werlde  was.  di  belie- 
ben alle  bi  uunine  herreii  in  Tiiier  miiine  un  iu  lioer  warbeite.  biü  an 
iudam  aleinin,  der  in  vernt  der  in  verkofte.  der  irhinc  fich  lelbiD  et 
crepttit  mediuf.  et  diff'ufa  funt  omnia  uifcera  eins  {Aci-,  t,  18).  Er  ze- 
bralt  allir  ufl  llne  daniie  viliii  iiz  ime.  Do  UDfer  herre  zv  himele  gevarn 
wii»,  uA  fiuin  heiligen  geill  fineii  heiligen  apostolia  gefante.  daz  11  allir 
bände  zvDgin  kvnden  fprechen.  un  li  da  genellit  würden.  Doz  6  den  dot 
oit  fohten  \l.  forhtenj,  Do  Hunt  fancte  petir  nf.  un  deth  (ine  rede.  Q 
warin  da  gefaiiiinel  di  anfirii  herrin  meinetiD.  zwenzic  un  hundert.  Do 
fprach  fancte  petir.  vaßr  herre  bat  unfer  zwelfe  irwelit.  der  ift  einer 
an  dem  un 

b.  rehten  vnndin.  iudas  der  in  [verjrit.  wi  ez  dem  irgaugtn  ift 
[daz]  wizzit  ir  wole.  vQ  alle  di  zv  [ihejrim  lint  daz  er  ßch  irbinc.  Ns 
fngit  unr  di  fcrift  an  de[me]  Talter,  daz  er  vertlucbit  &  vor  (go]te.  un 
lin  anunit  dar  zv  er  g[e|ladit  warb  mit  unl'  audini.  daz  er  verwort  |/. 
verworbt|  hat.  un  verlorn,  daz  Tal  ein  ander  be&zzen.  et{esjlichRr  nnder 
den  Inten,  di  got  [hie]  gefamrait  hat.  deme  l[und[ieh|  fi,  alliz  daz  unfer 
herre  getan  [ha|be.  fider  dem  male  daz  er  get(oQft]  wart  ime  iordan« 
uon  fancte  |io]hanne  baptilta.  Oo  er  daz  |h.itte]  geredit.  da  namin  [fehlt 
a\]  zwene  h[erren.  der]  biz  einer  iofeph.  un  bäte  ein[en]  zvnainin.  daz 
er  ein  gere|htj  man  were.  qq  der  undir  daz  [was]  der  gut«  fancte  Ma- 
thias, un  tiiftin]  ir  gebet  un  fprachin  zv  unfjerml  herren  alfus,  Herre 
der  almeb[tige]  got.  du  alle  tngende  wole  [weist]  du  zoug  unf  welicli 
dirre  [zwei]  ir  oinir  ü  der  dir  gevalle.  an  |der|  zwelllen  »tat  di  iuda« 
verlor[en]  hat  da  lizin  ti  werfen  daz  lo[zJ  do  vil  ez  uffe  fancte  M&tbiaro. 
u[fl]  alin  wart  er  gezalt.  daz  er  [der]  /welf[i'r|  einer  folle  lin.   M|an| 


bbuchbtOckb  iv.    pbbdioten.  263 

rw.  c,  [lijsit  an  dem  [l.  den]  buchin  daz  er  uil  [d]emfitic  were. 
un  gotir  wortis  [ui]l  vlizec.  Groze  zeichen  det  got  durch  in.  ull  do  er 
di  ciiftinheit  [vijl  wole  hate  geueftint  mit  d6  gotis  werten,  do  multe  er 
dnn  alle  di  andirn  zwelfbotin  datin.  er  gab  finin  Hb  uü  fin  bluth 
[d]urch  unfirs  herren  minne.  vn  [djurch  der  crifteuheite  willen,  vü  [w]art 
gemartirt  inrae  ^  zv  ihe[r]ufaleni.  Sin  heiligiz  gebeine  [u]dm  fider  di 
kuniginne  helena  [di]  daz  heilige  cruce  vant  ufi  [v]urte  daz  mit  ir  zv 
coltenop[e]le.  dannin  quam  ez  zv  trire.  Wan[n]e  fimiliche  buch  fagint. 
daz  [8i]e  dannin  burtic  were.  daz  in  [g]eturre  wir  betalle  nit  sprechin. 
[da]z  d  iz  dar  fente.  un  daz  i\  dau[n]en  geborn  were.  wanne  wir  [iz] 
an  den  alten  fcriften  nit  hau.  [djanne  daz  wir  wole  wizin  [d]az  ez  dar 
quam,  fit  quam  ez  zv  [gjoflar.  wi  ez  dar  queme  des  in  [wjizze  wir  nit 
uon  keinen  din[g]en.  Nv  bitte  wir  den  heiligen  [apostojlum.  daz  er  uch 
gnedic  fie  [v]mbe  unfirn  herren.  daz  ir  nit  [verjwifit  werdit  aiime  iun- 
giften  [ta]ge  der  ewigen  gnadin.  p.  x"".  d. 

d,  2.    In  eapite  Jenll  {l.  Jejunii). 

Derelinquat  impius  uiatn  fuam  et  uir  iniquus  cogitationes  fuas, 
et  reuertatur  ad  dominum,  et  miferebitur  eius  et  ad  deum  nostrum 
quoniam  multus  est  ad  ignoscendum  {Jes,  55,  7).  —  non  enim  uüt 
mortem  peccatoris.  sed  ut  conuertaiur  et  uiuat  (Eeech.  33,  11).  —  Dife 
wort  di  fprach  ein  heilic  man  her  ysaias.  ufi  manet  unf  daz  wir  zv 
gote  kerin.  vfi  unreht  lazin.  ufi  quit  alfus.  Der  unreht  man  der  laze 
finen  unrehtin  wec.  vfi  der  ubele  man  laze  finen  ubelin  gedanc.  ufi  kere 
wider  zv  gote.  ufi  er  irbar[met]  fich  über  in.  wände  er  michil  ift.  ufi 
gnedic  zv  vergebene  alliz  unreht.  ufi  gerit  nit  des  fündigen  menfhen 
dot.  funder  daz  er  sich  bekere  ufi  lebe.  Diz  ift  unf  ein  michil  troft. 
daz  unfir  herre.  der  unf  nach  rehte  uil  wole  mochte  verteilin.  daz  der 
uns  bitet  ufi  manet.  daz  wir  unf  bekerin.  ufi  lazin  unfer  unrehten  wege. 
Ufi  ubele  gedenke,  ufi  kerin  wider  zu  ime.  Wilich  fmt  di  unrehtin  wege 
di  wir  lazin  fuln.  daz  ist  der  ubele  wille.  daz  fint  di  uppegen  were. 
wände  der  wec  den  man  leitet  dar  er  fal.  alfe  dut  der  ubele  wille.  ufi 
der  gute  wille.  leitit  den 

Zweites  blatt. 

VW,  a,  menfchen  entweder  zv  dem  ewigen  libe.  oder  zv  dem  evrigen 
dode.  Weliz  fint  aber  di  ubele  gedenke,  daz  fint  di.  di  den  uberhur 
trahtint.  di  manflaht  gedenkent.  di  untruwe  virretnille.  gelogin  vrkunde. 
Meineide,  trügenheit.  uberaz.  uberdranc.  den  mort  div  dube.  den  hohen 
mut  tragen.  So  getane  wege.  ufi  fo  gedane  gedanke.  di  fuln  wir  lazin. 
ufi  fuln  wider  kvmen  zu  unfime  herren.  Wo  mite,  mit  den  almufen.  ufi 

1)  inme  ist  rot  dnrchstrichen.  Das  richtige  ergibt  sich  ans  dem  lieipzij^er 
texte  bei  Leyser:  inme  lande  zv  ihemsalem. 


4  HARPBKBBKQ 


mit  gutin  werken,  ulfu  da  gefcribeu  ilt.  Abfcondite  demofinam  in  fintt 
pavperis.  ut  ipsa  orel  pro'uobis  ad  itominum  (EccUsiasi.  39,  15).  — 
Quia  ficHt  aqua  ejtinguit  itfnem  ita  clcmoßna  exÜnguit  peccatum  (Kccle- 
siast.  3,  33).  —  Berget  uwer  ttlmuaeti  in  der  anneii  Thoz  dornh  dax  S 
biteii  vor  ucb  zu  unfime  lierreii.  wände  alfe  daz  wazzer  daz  für  ledit- 
airo  lefi'et  di  alinure  di  Tunde,  Merket  wole  daz  di  fcrifl  rprichit.  Daz 
man  di  almnfHn  fulu  hrerige»  ufl  iRTgen.  daz  ijl  airo  gel^rocliin.  das 
wir  di  gvteii  werc  ne  Tuln  nit  diin.  den  werten  daz  G  di  liite  Teblti,  wir 
Tuln  fi  tun  den  worten  daz  fi  got  aleine  Tehe.  nfl  ß  inphahe.  wer  durch 
rum  wole  tut.  deme  inlo 

b.  net  got  nit  in  tiin»  riche.  Ime  newirt  andirs  nit  loues.  wan 
daz  uppege  lou  dor  lute.  als  vnrei  herre  quit  in  dem  ewangelio :  Amen 
dico  uobis  receperunt  mercedem  fuam  {Matlh.  G,  2).  —  Zware  Tag  ich 
uch  di  ir  almufeu  alfo  gebeut,  di  hant  ir  Ion  inphaugen.  Dife  dage  ßnt 
unf  gefazt  z?  buze.  daz  wir  nu  Tuln  buzeu  alliz  daz  wir  miO'e  taa  hau 
in  allime  iure,  wir  fuln  maze  han  in  difeu  dagen  ullir  boliu  dinge,  ob 
wir  ü  betalle  nit  inoiogeu  gelazen.  Wir  I'uln  dicke  unfer  bihte  dun.  wir 
Tuln  minre  ezzen.  minre  trinken,  minre  Tprocbin.  wir  fuln  kuHiche  Ivben. 
US  di  almufen  gut  goben.  uS  fuln  des  gedenken,  daz  wir  ein  alTe  unde 
ein  erde  liu.  zv  alTen  ufl  zv  erden  ful  wir  werden,  daz  beceicliinit  uuch 
di  alTe  di  wir  inphan.  da;(  wir  da  mite  gemanet  werden  wannin  wir 
bekumin  ön.  UQ  war  wir  kumen  I'uln.  VQ  daz  wir  ouch  dife  buze  otoiu- 
ticliche  loillen.  wände  daz  ilt  unfer  kerrine  di  wir  gen  fulu  uor  difen 
oltern.  uor  uil  manige  manflat  di  wir  getan  ban.   an 

rto.  c.  unrer  uil  armen  feie.  Alfo  dicke  fo  wir  honbetfuiidin  (9) 
dvn  fo  irflabe  wir  di  arme  feie,  der  den  hat  treget  ßme  neben  criltuu. 
der  iH  manflehtic.  ulfe  S.  Johannis  quit.  Omnis  qui  oiUt  frtUrem  fuum 
homicida  est  (1  Jok.  3.  15).  Swer  finen  ebencrillen  bazzit  der  ill  man- 
riehtic.  alle  di  funde  di  wir  ie  getaten  di  ful  wir  walTen  in  fontc  laeri- 
uHtrum  gui  est  secundus  baptifmus.  in  dem  burnen  der  treh^ne.  du 
ilt  der  ander  touf,  der  gefehlt  alTo  dicke  fo  lieb  der  aiTue  iiieufcbe  r-Iagit 
Ufl  in  fme  fvnde  räwent  ufl  di  beweinet  dau  abo  fpracb  her  danid  (?) 
Lauabif  me  et  fuper  niw-in  dealbnbor  (Ps,  60,  H).  Herre  got  du  fall 
mich  waTcben  fo  werde  icb  wizir.  dan  der  fne.  Ni  ne  wart  kein  Tue  fo 
wiz.  fo  di  feie  ill  di  mit  deme  ruwen  unde  mit  den  trebenen  gewaXTen 
Wirt,  dan  abe  fpriehit  ein  {'f)  heilige  propbeta  Lauamini  mundt  estate 

{Jes.  1, 16).  Walllt  ucb Maniger  wefchet  Geh  vn  ne  blibet  nit 

reine.    Swer kv  bicbte  kumit  un  di  funde  (V)  bewwnet.    der 

hat  Geh  wol  gewafohen.  Vellit  (fehlt  er)  aber  widere  fo  gefehlt  ime  alfe 

d.  dem  fwine.  daz  Geh  wefchet  ud  aber  wider  in  den  phul  velUt. 
der  oist  nit  reine.  Swer  abir  ßne  funde  clagit  un  di  beweinet  nn  buu 


BBUGHBTOCKS   IV.     PBBDIOTBN.  265 

inphehit  ufi  di  geleiftit.  ufi  iz  ouch  danne  midit.  der  hat  fich  gewaffen 
ufi  der  irt  reiue.   der   mac  ouch  froliche  zu  den  oftern  zu  gotif  tifche 

gen  ufi den  gotif  lichamen fiuer  armen  feie,  vnde  sime  übe. 

vnfer  herre  des  gnade  grozer  ift  dan  unfir  unreht  der  ruche  unf  alfo  ze 
waHene  alfo  zv  reinegene  daz  er  nit  an  unf  invinde  daz  ime  miffevalle. 
Qui  cum  patre  et 

3.  In  annuncione  (l.  anniiiiciatione)  8.  Marie. 
Ucee  dominus  nouum  faciet  in  terra,  femina  circumdabit  virum. 
(Jerem.  31,  22),  —  Dife  wort  di  fprach  der  heilige  prophet  unfirs  her- 
ren  her  iheremias.  damite  hat  er  unfirs  herren  gehurt  iroffint  ufi  di 
gnade  di  er  tun  wolde  mit  uniir  vrowen  fancte  Marien,  do  fprach  er 
dife  wort  alf  ime  der  heilige  geift  gebot,  unfer  herre  fal  tun  ein  nvwe 
dinc  uffe  der  erdiu.  ein  wip  fal  einen  man  umbeuahin.  Mit  den  werten 
was  di  gehurt  bezeichint  unfirs  herren»  Der  was  werliche  ein  man  über 
alle  man.  wände  er  groze  manheit  ufi  groze  knehtheit 

*  « 

* 

Drittes  blatt. 

4.    (In  coena  domlnl?) 

VW,  a.  fe  valle  fo  fin  wir  felic.  zware  habe  wir  des  niht  getan 
fo  ift  ez  unf  vreiflich.  Hute  ful  wir  di  waren  minne  haben  zu  vnfirn 
ebincriften.  Quia  Karitas  operit  multitudineni  peccatorum  (1  Petr.  4,  8). 
alfe  fancte  Jacobus  (/.  Petrus)  sprichit  in  finer  epiftelen.  Di  minne 
bedeckit  di  mannicvaltigen  funde.  von  der  minne  sprichit  ouch  fancte 
paulus.  Si  diftribuero  in  cibos  pauperum  omnes  facultates  meas.  et  ß 
tradidero  corpus  meum  ita  ut  ardeam,  caritatem  autem  ß  non  habuero, 
nichil  michi  prodeft.  {1  Cor.  13,  3).  Er  quit.  Gebicli  alliz  min  getregde 
armen  luten  zv  ezzene.  vfi  gebich  mich  felben  zv  der  martile  alfo  daz 
ich  verburne  vfi  hetich  danne  der  minne  nit.  iz  envrumete  mir  niht. 
Durch  daz  so  rate  wir  uch  daz.  daz  ir  di  wäre  minne  habet  vnder  ein 
ander,  werfit  von  veh  den  haz  ufi  den  unrehtin  zom.  wände  daz  ift 
ignis  alienus  quem  fufflai  ignis  urens.  Daz  ift  daz  vremede  vur.  daz 
blefit  der  burnende  wint.  daz  ift  der  leide  tuvel.  der  birnet  di  armen 
feie.    Swo  er  den  nit  ufi  den  haz  ufi  den 

b.  zoru  inzvnden  mac.  dan  abe  kumit  er  feltin.  er  inbrenge 
fcheltin  vfi  manflaht.  raub  vfi  braut,  vfi  zv  allir  iungift  gotis  zorn. 
so  verwirket  sich  der  arme  menfche  vfi  ftirbet  in  den  funden  vfi  vert 
ZV  der  helle.  Dar  vor  rauzc  uch  bewaren  vfi  helfe  uch  des.  daz  ir  hüte 
alfo  irfchinet  in  allir  reinikeite.  alf  uch  gut  si  zv  deme  übe  vfi  zv  der 
feie.  Ipö  adiuvante  q,  v.  &  R,  {d.  i.  Ipso  adjuvante  qui  vivit  et 
regnat). 


5.    Id  die  pafce. 

Htc  est  dies  qttam  fecit  dominus  exultcmus  et  letanur  in  ea. 
{Fs.  117,  24).  —  Liben  di  heilige  fcrift  div  fpricWt  zv  uns  airiis.  Dii 
Ul  der  dac  den  got  gefcbafSu  hat,  nv  vrowe  wir  unf  an  ime.  Alle 
tage  hat  got  gercbaftüi.  idouh  netneliche  bat  vnrer  herre  dilen  dac  ime 
felbiu  7,v  lobe  va  zv  trofte  vns  vnde  allir  der  crirtonheito  zv  ertn  HB 
ZV  gnadiu.  Wände  alfo  hvte  wolte  er  irrten  voonie  tode  mit  deine 
Felbin  vleifche  daz  er  durch  uns  zv  der  uiartile  hale  gegebio.  Er 
zebrach  di  helle  nnde  baut  darinno  den  tiwel  deii  leiden  viant.  Vll 
vurte  als  hüte  eiiien  kunicklichen  rovb 

rw.  c.  der  feligen  Tele  sv  hiniüe.  di  dariune  beriozzen  warea. 
nemeliche  der  di  iioeu  willen  getan  baten.  Älfe  hate  mrt  der  iangift« 
dac.  alTe  hüte  M  wir  irHeu  mit  Up  un  mit  Tele,  eintweder  zv  dem 
ewigen  lihe  oder  zv  deme  ewigen  dode.  Vor  dem  iuugeftiu  dage  alTo 
Tancte  Jeronimus  vus  gagit.  So  Tuln  vunfcehen  dage  Qu  an  der  ieiichime 
ein  zeichin  fal  werden,  daz  ift  eiflich.  Des  erftiu  dages  Fat  daz  mer 
uf  ftigen  vber  di  berge  vtrzic  ctaftirn  hoch.  Des  audirn  dagia.  fal  ex 
linken  aKo  tife  daz  man  iz  kume  geFehen  mac.  Des  tritten  dage»  wirt 
iz  eiflich  alfe  zvm  erfben.  Dee  uirden  tages.  alle  di  tir  di  da  fint  io 
dem  mere  oder  in  den  f€n  oder  in  andirn  wazzeru.  vtt  di  viscbe  fulli 
Qch  famnen  obene  vf  daz  wazzer.  iifi  i'ulu  niicbil  gedoze  machen  mit 
ir  nimme.  waz  duz  bezeichene  daz  wmz  got  wole  Des  funteii  ({.  fünf- 
ten) tages.  fo  fiiln  di  wazzer  alle  verbirnen  alTo  wit  fo  di  werlit  UL 
Des  febftin  tages  di  crut  vii  di  bovine  di  werdint  alle  tovwie  aon 
blute.  De»  Qbinden  tagis  alliz  daz  gezimere  daz 

d.  dar  ift.  alüo  wit  fo  di  werlt  ilt  daz  fal  alliz  zevariu.  Des 
abtin  tages  fo  intflizeu  üch  di  velfe  vn  vallont  di  berge,  UQ  daz  wirt 
grvwelieh  ze  febene.  An  dem  uvndun  tage.  Io  wirt  groz  ertbibe  vD  fo 
getan  gevelle  daz  nine  wart  uon  anegeuge.  An  dem  zebinden  tage. 
fo  wirt  daz  ertriche  alliz  ebenfiebt  Des  elfttn  tagis  so  vallint  di 
fterren  von  deme  bimele.  Au  deme  zwelftin  dage  fo  falu  die  Inte 
hervur  gen  di  lieb  verborgen  hant  nor  den  groziu  vorhtin.  vt  gen  alTe 
II  fin  vnrmuic.  An  deme  drizebindime  tage,  fo  fumnit  lieb  alliz  dai 
gebeioe  der  toten,  vn  di  grober  fuln  lieh  ufdvu.  An  dem  virzehinden 
tage  fo  fterhint  alle  di  dannoch  lebendic  ürit.  An  dem  vunzehinden 
(l.  vuüfz.)  dage.  Co  Tal  brinnen  alliz  daz  ertriche  oftern  vn  weften.  dar 
nach  kumit  der  tungilte  dac,  Sicherliche  fwur  fo  hüte  reinecliche  den 
gotis  lichameu  iuphehit.  der  mac  lieh  darzv  wole  trollen,  daz  er  dauae 
iRfte  mit  dem  almebtigen  gote.  der  abtr  vnwerdekliche  dar  zv  get.  d»r 
inhat  kein  teil  mit  gote.  Alfe  faucte  paulu»  i|uib.  Aiiu-n  dico  «obii. 
yuod 


BRTTCHSTÜCKB  IV.      PBBDIGTEN.  267 

Viertes  hlatt 

VW,  a,  omnis  (fehlt:  fornicoitor)  aut  inmundus  aut  auart^s  non 
habet  heredidatem  in  regno  dei.  {Ephes.  5,  5).  Ich  fage  uch  zware 
qait  er.  daz  hurere  vfi  vnreiae  menfchen  di  hant  dekein  erbe  in  deme 
riche  des  almehtigen  gotis.  Iz  was  gefcriben  iu  der  altin.  e.  daz  unfir 
herregot  gebotin  bäte  dem  finen  volke  daz  fi  in  den  oftern  folden  ein  lamp 
riahen.  daz  folte  ane  vlecken  fin  vn  folde  ein  fterre  ün  mit  des  blute, 
folden  &  beftrichint  (l.  bestrichen)  di  fwellen.  uü  daz  ubertore.  daz  felbe 
lamp  folden  ^  ezzen  gebratin.  nit  gefotin  noch  ro.  Wurdes  ich  (l.  iht) 
über  daz  folte  man  verbirnen  in  dem  vure.  daz  lamp  folden  ^  ezzen 
gefchuht.  yf)  vnbegurt.  ufi  fbebe  folden  ^  han  an  den  henden.  diz  ift 
alliz  bezeichenlich.  Daz  lamp  daz  ift  nnfer  herre  ihesus  cristus  von 
deme  fprach  sancte  Johannes  der  toufere.  Sehent  wo  daz  lamp  get  des 
almehtin  gotis.  daz  fal  abe  nemen  allir  dirre  werlde  fmide.  mit  des 
blute  ful  wir  unfirn  lip  un  unür  feie  zeichinen,  gelobe  wir  werliche  üne 
martile.  un  intfan  wir  wirdecliche  finen  heiligen  licfaamen.  vfi  fin  heiligiz 
Wut.  fo  ift  unfir  truffchubel  wol  gewihit  mit  des 

b.  lambis  blute,  tunc  non  nocebit  nobis  angdus  perctdiens,  Sone 
mac  unf  nit  gefchaden  der  flahinde  engeL  daz  ift  der  tuvel.  WoUe 
wir  daz  lamp  ezzen  alf  uns  gebotin  ift.  fo  fuln  wir  unf  fchuhn.  vfi 
fuln  vafte  geloubin  daz  got  menfche  wolde  werden  durch  unf  vfi  fuln 
euch  gerne  volgen  den  gvten  bilden  der  heiligen  di  ^  uns  vorgetragen 
haut,  di  als  wole  menfchen  warin.  alf  wir  andirn  fo  fin  wir  wol  gefchuht. 
Wir  fuln  unf  euch  gurtin.  wilich  wis.  wir  fuln  unfir  vleif  twingen  von 
bofir  geluft  vfi  ftebe  in  den  henden  han.  daz  fint  di  geiftlichen  werc. 
daz  ift  der  kirchganc.  daz  ift  di  vafte.  daz  ifb  daz  gebet,  da  mite  ful 
wir  unf  weren  den  vnfihtlichen  hvnden.  daz  fint  di  ubelen  tuvele.  Wir 
fuln  euch  merken  daz  wir  daz  lamp  fuln  ezzen  gebratin.  Wir  nefuln 
iz  nit  fiden  oder  ro  ezzen.  Der  izzit  iz  ro  der  gelovbit  daz  got  unfiR 
herre.  ockirs  ein  luter  mensche  were.  Der  fudit  iz  fwer  irgrunden  wil 
di  gotheit  mit  menf lieber  wifheite.  Der  aber  uafte  geloubit.  daz  unfer 
herre  ihesus  cristus 

rw.  c,  si  ein  war  got  ufi  ein  war  menfche  ufi  daz  er  unfir  armiz 
vleif  inphinc  von  vnfir  vrowen  fancte  marien  mit  der  gnadin  des  heiligen 
geiftis.  der  izzet  iz  gebratin  afi  .  . .  liehe  ufi  ... .  liehe.  Daz  da  belibet 
daz  burne  man  in  dem  vure.  Swenne  wir  alliz  daz.  daz  wir  uon  unfirs 
herren  gotheite  horin  nit  uollin  grundin  mvgin.  daz  ful  wir  deme  hei- 
ligen geifte  lazin.  der  alle  tuginde  wol  weiz.  Wir  geturren  iz  uch  nit 
lengen.  Wanne  der  almehtigot  helf  uch  des  daz  ir  daz  lamp  alfe  hüte 
muzit  ezzin.  ufi  inphan  daz  ir  den  ewigen  lip  besizzent.  ipö  pft  (d.  i. 
ipso  praestante) 


26» 

6.     De  letaiüa. 

ConfUeimnt  alUrutrutn  peccaia  vcstra  et  male  pro  mttican  ut  falue- 
mini.  {Ep.  Jac.  5,  Ui).  Dur  heilige  apostolus  Tancte  Jacobus  der  manit  nnf 
m  fioev  epifteln.  mit  tlifen  worteo  di  wir  nu  fprachio.  Er  quit  bihtet  nwer 
faude.  uworä  unielites.  vo  bihtet  vor  eia  auder  daz  nch  DDfer  lierre 
helfe  durch  Tme  gnade.  Der  oberftt;  arzit  uiiruK  herregot.  der  hat  ut>r 
ein  arziteie  verlihin.  ane  di  wir  iiit  genulin  luugen.  da/,  ift  div  bihte.  di 

d.  wir  tun  Tuln  unrem  prlfteru.  vou  der  fprach  her  dauid  Dixi 
confitcbor  aduerfttm  »le  iniußiciam  meam  domino.  e(  tu  remi/ifti  impie- 
totem  peccaii  mei.  {Ps.  31,  5).  Er  quit  daz.  Ich  fprach  das  \<äi 
beiehin  fal  min  unrehl  DDÜiiie  lierreii  wider  mir.  uü  dv  übe  herre  ver- 
gebe mir  mine  runde.  Merkit  üben  duz  er  quit.  Daz  er  beiehen  wil 
tio  uni'fht  uniime  harren,  wider  ime  Felbin.  Zware  Tage  wir  uch  dos. 
wil  {l.  vil}  miiljch  ift  vn  vil  awere.  wider  des  menfcben  gemute.  dax 
er  lieh  felbin  rüge  ufl  daz  gote  offine.  U(l  üuen  priftere.  iz  Ift  ablr 
troftlicli.  Waude  fo  er  der  funden  zv  bihte  tcumit.  fo  verkufit  II  anfir 
herre.  ua  fo  ue  weiz  er  der  tuvel  nit  ez  ne  ß  dannu  fo  vile.  daz  er 
aber  wider  dir  iugevalle.  Iz  ift  bitte  der  dac  daz  wir  an  den  buchin  heixin 
Letaniam  niikioreiii  den  aber  ir  beizit  roiucruce.  daz  folt  ir  vernemen 
wammbe  der  dac  alfo  genant  fi.  In  fnncte  Gregoriou  cite  des  hei- 
ligeu  babiTtes.  da  hato  fich  daz  lut  verworlit  gegen  dem  ulmehün  gote. 
durch  daz  fo  quam  ein  vreiflich  urteil  abir  diz  lut.  daz  was  der  gehe 
dot.  der  quam  mit  einer  fuchede.  di 

{Grieshaher  S.  266.) 

di  btKh  heixini  pestem  igwinariam  (l.  inguin.).  er  bcstunt  di  lote 
unibe  di  hegetruse.  und  an  dem  dünnen,  also  <ier  steche  mit  eime  sperv. 
oder  mit  eittic  pßtc.  und  also  schire  so  sie  bestunt.  so  musten  st  sterbet. 
Di  not  di  was  mictiel.  unde  dae  ItU  «il  nider  ulsf  es  utU  were.  Do 
vur  der  bainst  xu.  der  vor  sanetc  gregorün  was.  der  hix  pelaius.  ttade 
was  ein  redcUch  man.  und  ein  gut  man.  unde  manele  dag  lut.  unde 
kit  beide  paffin  unde  leien.  mwniche  unde  tiunnmi  mit  den  crucm  gen. 
unde  mit  detue  heilicduome.  unde  hie  si  goi  biten  dae  di  groee  not  g^ 
stiüel  wuorde.  due  inhaif  allie  nit.  utider  des  das  si  mit  den  eruce» 
gingen.  ivuUin  unde  baruuz  so  quam  ein  wetir  und  ein  dumeslae.  uade 
kIuc  den  hubist  selben  ne  tode.  unde  diu  M  wart  eeslovbit.  also  di  adutf 
so  si  den  hirthe  verliscnt.  Jdoeh  nach  der  wisen  herren  rathe  di  da  n 
rome  warin.  So  gmih-n  si  genteinltche  daran  dai  si  sancte  gregorium 
kuren  tu  einem  babistc.  der  wag  ein  edil  man.  und  ein  gut  man.  und 
ein  urise  man  der  buche,  unde  minnete  unsim  herren  twi  aUime 
sime  hergen.  der  bäte  gestißei  sehs  düster  inn  sicUicnlajtde.  und^  haU 
den  lUlin  sines   eigenes   also   vil  gegebin.   alse  si  u  bedurften  sv  no^ 


BBUCHBTOOKB  IV.   PBKDieTRN.  269 

durfte,  dae  sibinde  doster  das  macht  er  älda  ev  rome.  und  alda 
munichete  er  sich,  do  er  da  vemam  das  si  in  zu  babiste  sezeen  wolden. 
do  wcus  ig  ime  uil  leit.  unde  vloch  unde  bare  sich.  Alda  vermddite 
in  der  aimehtigot  selbe  mit  eime  lihte,  dag  schein  über  in.  eise  liht. 
(üse  di  sunne.  do  wart  er  uunden  tmde  gewihit  zv  babiste  mit  grogin 
eren.  unde  mit  grozgir  zvuersicht.  aUir  dirre  werlde.  Dannoch  newas 
nit  gestillet  die  groz  ungnade  des  gehin  dodis.  under  deme  lute.  Do 
gedahte  sancte  gregorius.  wi  er  dem  lute  soUe  gehelfen,  vnde  hig  alle 
di  samnvnge  di  gv  rome  waren,  unde  da  bi  im  {l.  in)  keiner  nehede. 
unde  hig  si  gen  mit  den  crucen.  von  latran  von  sante  paule.  dannen 
ZV  sante  petro.  unde  sanc  selbe  di  messe,  unde  machte  nvon  köre  von 
dem  Volke,  in  vnsirs  herren  ere  unde  den  (l.  der)  nvon  köre  der  engile. 
In  eime  köre  warin  di  paffin.  In  eime  di  muniche.  In  eime  di  nun- 
nen.  In  dem  uirden  di  einsidde.  In  dem  vunfien  die  regelere.  Inme 
sesstin  di  meide.  Inme  sibindin  witewen,  Inme  achten  di  reifte  kint. 
Inme  nvnden  dag  lut  algemeitüiche,  Do  inmitten  stunden  bischove 
unde  di  gelerten  herren  und  bevesprten  (bevesperten?)  dag  lut.  unde 
maneten  unsim  herren  sinir  gnadin  dag  er  gestillen  wolle  di  ungncide. 
Vnder  des  quam  der  slac.  unde  uil  des  lutis  ein  michü  teil  nidir  dot. 
also  uü  dag  (fehlt:  man?)  brivefe  achzic  menschen  di  da  dot  lagin.  in 
einer  kurcen  stunden,  Do  karte  sich  sancte  gregorius  unibe.  unde  hig 
si  ir  hende  nimmer  nider  gelagin.  wanne  allig  gv  gote  ufheben.  unde 
rufen  unde  sprach.  Herregot  dig  lut  ingeswiget  nimmer  du  negestüles 
dise  Ungnade.  Do  gestunt  det  unser  herre  dem  lute  gnade,  unde  wart 
der  gehe  dot  betalle  gestillet.  Do  gebot  sancte  gregorius  über  alle  div 
*  Christenheit,  dag  (fehlt:  si)  den  dac  uirete  unde  beginge  mit  vroner  uaste. 
unde  mit  den  crucen  gingen,  uor  den  gehen  dot.  unde  vur  alle  di  not 
di  in  der  heiigen  cristenheite  were  über  alle  di  werU.  Durc  dag  heigit 
dirre  dac  rome  cruce.  Hute  sult  ir  alle  uwer  not  unde  der  heiligen 
cristenhett  beuelen  unsime  herren.  unde  suU  demtUliche  get  (l.  vlegen?) 
uwem  heiligen  den  Worten  dag  si  uwer  botin  sin  gu  dem  almehtingote. 
dag  er  uch  sin  riche  verlihe.  unde  den  ewigen  lip.    QtMd  ipse  prestet. 

2. 

PREDIGTEN  AUF  DIE  PEST-  UND  HEILIGEN -TAGE. 

ZWEITE  HANDSCHRIFT. 

Zwei  aus  dem  na^lass  des  archivdirectors  Mone  in  Karlsruhe 
stammende  eingdne  pergamentblätter  in  4^,  jedes  22  ceniimeter  hoch 
und  gegen  14  ceniimeter  breit;  die  seile  gu  36  durchgehenden  geilen, 
ohne  liniierung  und  Spalteneinteilung.    Die  sdirift,  von  einer  geübten 


hoMd  aus  tlem  ende  des  12.  oder  dem  anfange  des  13.  jnhrkunäerta,. 
iti  kräftig,  retjelmäsitig  und  deutlich,  aber  nemiich  gross  und  sehr 
gedrängt,  und  deshalb  nicht  eben  schön.  Die  s  sind  durchweg  Itmg, 
die  i  nur  selten  mit  einem  feinen  striche  versehen:  die  t  ragen  mxA 
nicht  über  die  mle  empor,  unterscheiden  sich  aber  deutlich  von  den  e; 
die  auslautenden  e  sind  oben  rechts  an  der  schleife  mit  einent  anffe- 
fügten  haken  vers^ien,  welcher  dem  des  r  sehr  ähnlich  ist.  Die  ab- 
käreunge»  beschränken  sich  im  deutschen  texf^  auf  die  üblichsten  und 
tügemcin  gebräuchlichen,  begegnen  etwas  reichlidier  in  den  eingestreu' 
ien  lateinischen  lextsteVen.  Als  interpunetionsteichen  ist  nur  der  tmuct 
verwendet,  aber  ziemlich  häufig.  Neue  satte  beginnen  mit  rot  durdt- 
strichenen  capitalbuchstaben. 

Von  jedent  blatte  ist  nur  eine  seite  lesbar.  Von  der  schrifi  der 
andere»  seilen  ist  nur  ein  sclnmmer  iihrig  geblieben;  doch  würde  » 
gründliche  reinigung  und  vorsichtiger  antvendung  eines  guten  reagens 
noch  manches  lesbar  werden.  Die  lesbare  seite  des  ersten  blatles  sckeitU 
dessen  rückseite  zu  sein ,  zu  sehiiessen  nach  den  freilich  nur  unsi<Aere» 
vcrmtdungcn,  welche  sich  der  sehr  übel  besdiaffenen  anderen  seile  nock 
abgeunnncn  lassen.  Die  lesbare  seite  des  anderen  blattes  ist  deSicn 
Vorderseite:  denn  in  der  legten  xcile  der  anderen  seite  lassen  sich  noch 
die  zwei  Wörter  „groze  buniie"  erkennen,  und  diese  gehiireH  in  di« 
fortsetenng  iler  legende  von  Petrus  und  Simon  Magus. 

1)  Die  lesbare  aeite  des  ersten  blattes  ergibt  ein  bruchstück  der 
predigt  In  die  ascensionis  domini,  auf  himmelfahrt,  fdU 
demnach  ungefähr  in  den  mai.  Anfang  und  sckluss  g^rechen.  Das 
erhaltene  stimt,  mit  geringen  und  unerhebliche»  ai/weichuagon,  zu  dem' 
texte  be(  Grieshttber  s.  273  zetle  12  bis  zur  lezten  eeile  iler  s.  274. 

3)  Die  lesbare  seite  des  zweiten  blattes  enthält  ein  bruchstäek 
der  predigt  auf  das  fest  Petri  et  Pauli  apostolorum.  gehört  dem- 
nach zum  29.  Juni,  entbehrt  aber  gleichfais  des  anfanges  und  des  scht»^ 
ses.  Das  auf  dieser  seife  erhaltene  entspricht,  widerum  mit  germj/en 
und  unerheblichen  tdtweickungen ,  zunächst  deni  texte  bei  Grieahaber 
von  s.  381  geile  20  bis  seite  282  zeile  8.  Dann  aber  folgt  im  Grtes- 
haberschen  texte  eine  lücke,  und  in  diese  hinein  reichen  die  letU» 
32  geilen  dieser  seite,  und  auch  die  gesamte  unlesbar  gewordene  rüdl- 
seite  dieses  blattes  fält  noch  in  den  ftereich  derselben  liicke. 
Erstes  bltdt. 
(lu  die  asooiiHlonb  donilni.) 

die  (iaz  tivr  inbreaaen  Tal,  Daz  itl  der  tiafel.  ufJ  alln  fine  vollere. 
Oie  fnleL  ewecUche  brinnen  in  dem  fivre.  Von  deine  fivre  iFt  gescriben. 
fgnifrorum  »on  eiiivgwtur.  H  unmif  em-um  uon  morirtur.  {Marc.  !t,  44 


BBÜ0H8TÜ0KB  IT.    PBBDIOTBK.  271 

et  Jes.  66,  24).  Der  ubelen  fivr  wirt  aimer  verlefchet.  ufi  ir  wunn  der  ir- 
Itirbet  nimer.  Lieben.  Der  ubele  wnrm  deift  der  leide  tivfel.  der  &e  fal 
nagen,  un  marteren,  naht  ufi  tac.  Daz  wir  da  fprechen.  nabt  nfi  tac.  daz 
fprechen  wir  umme  daz  niht.  daz  da  iemer  werde  tac.  oder  tages  liecht. 
da  daz  ewige  vinftemifTe  ift.  wände  ez  ift  alfo  gefprochen  daz  ir  ungenade 
iemer  mer  weren  fal.  Nv  fulen  wir  hude  biten  unferen  herren.  der  durch 
unfich  in  dife  werlt  wolde  kumen.  daz  er  unf  def  volle  helfe,  daz  wir  dar 
muzen  kumen  da  er  die  ewigen  genade  bereidet  hat.  allen  finen  holden, 
die  in  minnent  Lieben.  Diy  uifart  unferef  herren.  die  waf  bezeichenei 
manege  wif.  in  der  heiligen  fcrifde.  dannen  abe  fprach  der  wife  falomon 
in  eineme  buche,  daz  er  gemachet  bade,  von  unferme  herren.  ufi  uon 
der  heiligen  cristenheide.  Simäif  factus  est  dileclus  ineus  capree  hin^ 
ntdoque  ceraarum  puper  montef  aromatum,  (Cant.  2,  9).  Lieben.  Min 
liebe,  der  ift  gelich  worden,  eime  rehe.  ufi  eime  hint  chalbe.  uffe  deme 
berge  guter  würze.  Daz  reh.  ufi  daz  hintchalp.  daz  ünt  zwei  fnelliv 
thir.  ufi  varent  al  mit  fprungen.  ufi  weidenent  gerne  an  den  bergen. 
Lieben.  Daz  bizeichenet  unferen  herren.  def  fnellecheit  div  ift  groz. 
wände  minner  wilen.  danne  ein  oucbrawe  die  anderen  berure.  fo  umme 
wert  {L  umbevert).  unfer  herre.  alle  die  werlt.  mit  finer  wifheide. 
Alfe  da  gefcriben  ift  Attingit  a  fine  usque  ad  finem  foriiter  et 
difponit  omnia  fvauiier.  (ßap,  8,  1).  Er  triffet  uon  eineme  ende*  der 
werlte.  ufi  aller  der  dinge,  die  er  gefchaffen  hat  biz  an  daz  ander  ende, 
ftarche.  ufi  fezzet  allez  zefaze  gemehliche.  Sine  fprunge  waren  feltzene. 
der  waf  einer  von  deme  himele.  in  dife  werlt.  durhc  unfere  funde.  Der 
ander  an  daz  cruce.  da  er  fine  hende.  an  fbracte.  ufi  die  durhcflagen 
wurden  mit  nagelen.  ufi  damite  gewann  er  den  namen.  Qiwd  eft  fuper 
amne  namen.  Der  da  ift.  über  alle  namen.  daz  er  ein  herre  ist  gehei- 
zen  def  himelef. 

Zweites  blatt. 
(Petri  et  Pauli  apostolomm.) 

in  der  ewigen  verluft.  wände  du  def  wandef.  daz  man  die  genade 
def  heiligen  geiftef.  folte  koufen  ufi  verkoufen.  diu  herze  ift  fprach  er. 
yol  aller  unreinecheite.  un  div  bittere  galle.  def  unrechtef  div  hat  dich 
betalle  irivuUet  (l.  irvuUet).  Lieben  alfo  wart  er  vertriben.  ufi  fider 
malef.  fwa  er  fancte  petrif  werke  iht  vemam.  da  fchalt  er  in.  ufi  fprach. 
er  were  ein  trigere.  ufi  ein  bofe  vifchere.  Do  derfelbe  tivfelef  böte, 
dar  quam,  do  tet  er  manic  zeichenlich  zouber.  da  die  houbet  ftunden 
irgraben.  in  den  fulen.  da  fchaffeter.  daz  die  livte  duchte.  daz  fie  lebeten. 
Die  er  wolte  ftecken.  die  ftecketer.  allen  gahef.  daz  ^e  von  der  ftat. 
niht  kumen  mohten.  un  machte  fich  ungefichtlich.  ufi  verfwant  den  luten 


272  FSH.   VOK    BAROBHBBRd 

nnder  den  hsiiflen.  vß  ver  mnx  ßcfa  def.  daz  er  die  toten  wolde  injuicken. 
ufl  ander  nianic  dinc  tete  (l.  tet  er),  die  die  Inte,  wunderlich  diichtea. 
Saucte  peter  nfi  Tante  paulnf.  die  ne  würben  niht.  mit  decheiner  tru- 
gene.  die  taten  die  toten  ut'ften.  in  unferef  herren  nameii.  qB  maht«n 
die  ficben  gerant.  uD  predigiten  aller  tegelichef.  daz  godefwor  (^  wort). 
ufl  fprachen.  fwer  ßeli  an  zouberere  icht  hefte,  dei-  mulle  gotef  hulde 
verlorn  han.  All'ur  hub  lieh  in  der  (tat.  ze  rome.  midiel  gezoc  nü  worf- 
nilte.  un  zweiunge  under  deme  üvte.  SumeUche  volgeten  saocte  petro 
un  lUncte  panlo.  die  god  irkanten.  den  aber  idelcheit  lip  waf.  die  wol- 
gelen  (/.  volgeten)  deme  goukelere.  Diz  quam  dn  für  den  keifer  M 
rome.  der  bioz  nero.  ud  war  untiure.  def  libef.  un  unreine  des  muteC 
umme  die  Tele,  fo  nebat  {l.  hat«)  er  decbeine  achte.  Er  waf  nngelUlt 
er  fchilhete.  er  war  kale  un  hate  eine  andere  uureiDecbeit.  die  die  buch 
heizent.  Erinfi  {d.  i.  heruiam)  inteftänorum  rcilieet  demiflionem.  Er  Hao 
Gne  muter.  ufl  ßnen  bnider.  ufl  iinen  meiller  fenecam.  uude  lucannm 
poetam.  ufl  die  burc.  hiez  er  inftecken  in  zwelif  enden,  mit  fiure.  durch 
anderer  nit  mere.  wände  durch  fine  gelnil.  die  eideilen,  ufl  die  bozelten. 
die  ze  rome  waren  den  nam  er  den  lip.  unrchuldic.  mit  verretniffe.  Ni« 
mochte,  geborn  werden  Tnlich  hurore.  Tulich  vraz.  fnlich  trenkere,  ufl 
aller  bofheite  waf  er  vol.  der  waf  do  ze  rome  keifer.  ufl  daz  riche.  waf 
mit  ime  gelatleret.  ufl  verfchelcbet.  Der  hiez  do  für  Geh  gewinnen 
(^monem  den  zouberere.  ufl  fancte  Petnim.  ufl  fancte  Pauliim.  nß. 
Ipracb  zu  in  allen  drin.     Ir  herren  waz  ill  diz 


Es  haben  sich  demnach  herausgesfrlt  Itruchsiücke  aus  drei  ver- 
schiedenen pergamenlhatidschriflm  p-mrs  und  dexxclhcn  jirtdigtfmthes, 
welche  einander  gegenseitig  teils  bestiUigm,  teüs  ergänzen;  und  etear 
1)  die  der  ersten  von  Hardenbergischen  bläüer  und  die  der  Gries- 
habersehen.  die  beiderseits  aus  einer  und  derselben  bandschrift  stam- 
men; 3)  die  von  Jeitteles  bekatii  gemachten;  3)  die  der  eweiten  von 
Hardenbergischen  blätter. 

In  dem  Missale  Romanum  ex  decreto  sacrosandi  conctUi  Trvi0n~ 
tini  restiiutum,  Pii  V.  pont.  tnax.  jussu  ejJitum,  et  Clementis  VIII.  pri- 
mum,  ntme  denwt  Urbani  papae  VIII.  audorifate  reeognititm.  Alit~ 
werpiae,  ex  officina  PlanUniana  Salthasaris  Moreti.  J€45,  teelehes  mir 
eben  eur  band  ist,  bvgivt  (s.  505)  das  .Proprium  missarum  de  sanetii' 
mü  „In  vigilia  S.  Andreae  ajiosldi"-  am  29.  november,  und  sehlteul 
(s.  752)  mit  ^In  feslo  S.  ftJri  Alexandrini  cpiscopi  et  morfyrts",  am 
36.  november.    Demnach  wird  in  diesem  Missale  das  kirchettjahr  ofßäel 


BBÜCH8TÜCKB  IV.   PRBDIOTBM.  273 

t 

gerechnet  vom  29.  noveniber  bis  zum  28.  november,  so  dass  S.  Andreas 
(29.  november)  bereits  in  das  neue,  dagegen  S.  Martinas  episcopus 
{11,  november)  noch  in  das  alte  kirchenjahr  fält.  Wenn  nun  in  den 
von  Jeitteles  veröffentlichten  bruchstücken  die  predigt  auf  Andreas  (s,  341) 
sich  auf  voller  seile  unmittelbar  anschliesst  an  diejenige  auf  S,  Martinus 
episcopus,  so  kann  zwischen  diesen  beideti  docti  nicht  füglich  ein  ganzes 
kirchenjahr  liegen  soUen,  vielmehr  möchte  man  auf  die  Vermutung 
geraten,  dass  für  den  Verfasser  diesei*  predigten  das  kirchenjahr  nicht 
erst  mit  Andreas  j  sondern  schon  mit  dem  uralten  haupt feste  des  unnter- 
anfanges,  mit  dem  christlich  umgetauften  feste  S.  Martini  episcopi 
begonnen  habe.  Bringt  man  nun  unter  dieser  Voraussetzung  sämtliche 
bruchstücke  der  drei  hier  erwogenen  handschriften  in  die  Ordnung  des 
kirchenjahres ,  und  bezeichnet  man  zugleich  fehlenden  anfang  einer  pre- 
digt durch  einen  ihrem  titel  vorangesteUen ,  fehlenden  scJduss  durch 
einen  ihm  nachgestelten^  lücke  innerhalb  einer  predigt  durch  einen  ihrem 
titel  eingesclholteten  stem,  und  ebenso  kleinere  oder  grössere  lücken  zun- 
sehen  je  zwei  predigten  durch  steme  zunschen  ihren  beiderseitigen  titel- 
Zeilen y  so  ergibt  sich  folgende,  21  predigten  befassende,  chronologische 

Ober  sieht  des  erhaltenen: 

Jeitteles. 

1)  11.  november  {s.  340)  *  De  S.  Marttno. 

2)  30.  november  (s.  341)  S.  Andree  apostoli*, 

3)  6.  december  (s.  346)  *  S.  Nicolai  * 

von  Hardenberg.  L 

4)  24.  februar  (1.)  De  Matthia  apostolo. 

5)  Februar  (2.)  In  capite  jejunii. 

6)  25.  märz  (3.)  In  annunciatione  S.  Mariae*. 

7)  März  —  aprU  (4.)  *  In  coena  domini. 

8)  März — aprü  (5.)  In  die  paschae. 
y)  25.april  (6.)  De  Letania*. 

und  Orieshaber  (s.  266)  *(De  Letania). 
10)  1.  mai  (Griesh.  s.  269)  Phüippi  et  Jacobt"^. 

J  eitteles. 

\\)  3.  mai  (s.  343)  *Inventio  crucis*. 

«  « 

Grieshaber. 
12)  Mai  {s.  272)  *In  die  ascetisionis. 
tmd  von  Hardenberg.  II.    *In  die  ascensionis*^ 

SBIT80HB.   r.   DBUT8CHB    PHILOLOGIE.      BD.   XY.  \^ 


974  fBa.  VON  HiBDBKSKBa 

13)  Mai  (s.  375)  In  die  pmiecostes'^. 

U)  24.  jani  (s.  279)  *De  lohannc  Bajitista. 

16)  29.  jani  (s.  380)  Petri  et  *  Pauli  <tpostolorum. 

und  von  Hardenberg.  II.  "Petri  et  Pauli apostolorum 
Grieshaher. 
Ifi)  33.  juli  (s.  284)  De  Maria  Magdalma*. 

17)  1.  august  (s.  285)  *8.  Petrt  ad  vinculn*. 
und  Jeitteles.  (s.  353)  *S.  Petri  ad  vincula. 

*  • 

(irifishabfir. 

18)  15.  augu!>t  (s.  289)  *Assuiiiptio  Mariae. 

19)  24.  august  {s.  291)  De  saticto  BartJxdotmeo*. 
und  Jeitteles.    (s.  349)  'De  sancto  BaHholomaeo. 

Jeitteles. 

20)  21.  September  (s.  550)  S.  Matthaei  aposloli. 

21)  {s.351)  In  dedicatida  ecdesia*. 

Aus  dieser  Oheisiclit  ist  zu  cntnaknuyn,  dass  in  diesem  predigt- 
buche diejenigen  fe.'it-  und  heiligentage  vertreten  waren,  welche  schon 
von  alters  her  bis  in  das  12.  Jahrhundert  algemeine,  oder  doch  wäi 
verbreitete  kirchliche  feier  erhallen  hatten.  Zugteich  aber  läsat  itit^, 
nach  massgahe  dieser  Wahrnehmung,  auch  mit  leidlicher  Wahrscheinlich- 
keit eine  Vermutung  aufstellen  betrcfs  der  übrigen  fest-  und  heiligat- 
tage,  welche  in  denselben  predigtbuche  mögen  berückBirJiHgung  gefunden 
haben,  wäJirend  die  bis  jezt  aufgefundenen  und  bekant  gemachten  frrttcA- 
stücke  desselben  nirJUs  mehr  von  ihnen  dnrbielen. 

Zieischen  nr.  2  und  3,  nofb.  30  S.  Andreas  und  decb.  6'  S.  Nico- 
laus,  leird  scJiwerlich  eine  ganze  predigt  fehlen.  —  Dagegen  bestdU 
eine  sehr  beträchüidie  l&cke  ewischen  nr.  3  und  4,  decb.  6  S,  Nicolam 
und  febr.  24  S.  Matthias;  Hier  fehlen  möglicherteeise :  decb.  8  concepth 
Mariae,  21  Thomas,  25  nativitas  dotnini,  26  Stcphanus,  27  Johannes 
evangelista,  28  Saneii  Tnnocentes,  Jan.  6  Epiphania,  fehr.  2  purifieatio 
Mariae,  22  cathedra  Füri;  jedoch  könlen  die  predigten  auf  25.  — 3$, 
december,  Nativitas  domint,  Stephanus,  Johannes  evangelista,  Inno- 
cenies  in  dieser  samlang  ülierhaupt  gefehlt  haben,  als  gehörig  bu  äat 
Sermones  de  tempore,  unter  welche  sie  von  alters  her  gewönlich  eing^ 
reiht  wurden.  —   Zwischen  nr.  6  und  7,  mö/ee  25  annunciatio  MariM 


BBÜGHSTÜOKS  IT.      PBBDIOTBN.  275 

und  coena  domini  fehlt  wol  kaum  eine  ganBe  predigt;  und  eben  so 
wenig  etvischen  nr.  10  und  11,  mai  1  Philtppi  et  Jacobi  und  3  inventio 
crucis.  —  Umfänglich  können  auch  die  lücken  nicht  sein  zwischen 
nr,  11  und  12  y  und  wünschen  nr,  13  und  14.  In  betracht  kanten  hier 
etwa  kommen  mai  6  Johannes  ante  portas  und  mai  25  Urbanus,  Auf-- 
fallen  aber  könte,  dass,  nach  den  Qrieshabei'schen  blättern  zu  schliessen, 
juli  13  Margaretha  im  predigtbuche  wahrscheinlich  nicht  aufnähme 
gefunden  hatte ;  es  scheint  jedoch  dieses  fest  erst  nach  dem  12,  jähr- 
hundert  eingefiihrt  worden  zu  sein;  une  auch  visitatio  Mariae,  2.  juli, 
erst  vom  pabst  Urban  VI.  {1379  —  1389}  angeordnet  worden  ist.  — 
Zwischen  nr,  16  und  17,  juli  22  Maria  Magdalena  und  aug.  1  S.  Fetri 
ad  vincula  scheint  eine  predigt  auf  juli  25  Jacobus  zu  fehlen.  —  Ob 
zwischen  nr.  17  und  18 j  aug.  1  S.  Petri  ad  vincula  und  aug.  15  assumptio 
Mariae,  etwa  eine  predigt  auf  aug.  10  Laurentius  fehlen  möge,  erscheint 
tmsicher.  —  Dagegen  ist  sehr  auffällig,  dass,  nach  den  blättern  von 
Jeitteles  zu  schliessen  (fals  nämlich  diese  chronologische  anordnung 
darbieten,  was  freilich  nicht  festgestdt  ist),  zunschen  nr,  19  und  20, 
zwischen  aug.  24  Bartholomaeus  und  sept,  21  Matthaeus  im  predigt- 
buche gefehlt  haben  solte  sept,  8  nativitas  Mariae.  —  Endlieh  hinter 
nr.  21  folgt  underum  eine  sehr  beträchtliche  lücke.  Hier  fehlt  möglicher- 
weise sept.  22  Mauritius,  und  wahrscheinlich  sept.  29  Michael  archan- 
gduSj  oct.  18  Lucas,  21  Ursula  et  11000  martyres,  28  Simon  et  Judas, 
fwvb.  1  omnium  sanctorum  und  2  omnium  animarum.^ 

Die  bruchstOcke  der  hier  besprochenen  drei  handschriften  sind 
sämtlich  in  Oberdeutschland  aufgefunden  worden,  aber  ihre  spräche 
trägt  nicht  oberdeutsches^  sondern  mitteldeutsches  gepräge.  Und  in 
Mitteldeutschland  mag  auch,  und  noch  im  12.  Jahrhunderte  dies  pre- 
digtbuch  selbst  entstanden  sein.  Aus  der  bemerkung  in  der  predigt 
nr.  4,  auf  S.  Matthias  apostolus,  24,  februar,  dass  y^daz  heilige  gebeine"' 
dieses  apostels  nach  Goslar  gekommen  sei,  Hesse  sich  die  vermtUung 
schöpfen,  dass  der  Verfasser  nicht  gar  fem  von  Goslar  gelebt  haben 
möge.  Es  scheint  aber  sein  werk  alsbald  grossen  beifaU  und  ziemlich 
weite  Verbreitung  gefunden  zu  haben,  woraus  sich  die  fölgerung  ergibt, 
dass  es  einem  wirklichen  bedürfnisse  in  befriedigender  weise  entsprochen 

1)  Möglich  bliebe  aber  auch,  dass  für  diese  predigtsandvmg  jene  in  älteren 
sacramentarien ,  vor  abfassung  des  Missale  Bomanum,  begegnende  anordnung  mass- 
gd)end  gewesen  wäre,  nach  welcher  das  kirchet^ahr  nicht  mit  den  adventssontagen, 
sondern  mit  der  weih^uichtsvigüie  begann.  Dann  würde  die  oben  angenommene 
reihenfolge  und  bezifferung  nur  d)en  dahin  zu  ändern  sein,  dass  die  nummem  1 
bis  3  nicht  an  den  anfang^  sondern  an  den  scJüuss  des  ganzen,  hinter  nr,  21  zu 
stellen  wären. 

18* 


»8 

vnreht.  ir  haint  vngelimpi'  vfl  allpf  tw'  geflehte.  fwaz  ir  teche  ' 
noch  vr  gizogen.  «läz  iü  gelicb  wie  ef  aller  li  erlogen,  daz  ir  in  lieänt 
daz  dftite  mich  gft  vis  nH  virgoflint  daz  vufchvldige  blH.  ir  bant  och 
gefproüben  vor  mir.  er  habe  vw'  u  vn  vw'  Fabbatii  gebrochen,  daz  bant 
zwelf  erb"  man  wider  rprocben  mit  gemainem  mvnde.  daz  er  nvwon 
ßecbe  Ivte  mache  gefvnde.  vn  DVt  anderf  habe  getan,  mich  dvnket  git 
daz  ir  iu  lazent  gau.  die  iudea  fcbrvwen  g^  fere  do.  zi  yylAUy  alfo. 
er  hat  nvt  allaine  daz  lahbatQ  gebrocheu.  er  hat  ein  wort  blarfeniis 
gefprochen.  daz  im  noh  enkainem  menchen  gezimet.  waii  er  gotc  da 
mite  ßn  ere  beuimet  er  Tprichet  er  li  eiu  kvnig  gar  üffenlich.  vn  & 
Seh  gotef  Ivn  vö  liimehicb.  Do  pylatus  <1eu  biTchof  vi^  did  iuden  alTa 
herte  Tab.  zi  in  allen  er  Jo  l'prach.  lanl  in  gan  er  hat  deu  tot  nvt 
v'rrchull.  ich  Tcbalen  wol  daz  er  doch  groze  b^ze  dvidet.  vfl  lant  die 
clage  l^en  iiider.  die  iuden  Tcbrvwen  alle  nider  li  drÖten  im  vf  den 
kaiTer  liuen  herren,  Twie  er  in  wolti  von  deme  tode  genereti.  pylatus 
ibesum  aurach.  alftir  er  do  zf  im  Tprach.  wie  Fol  ich  mich  mit  dir  ge- 
baren,   ihesns  Fprach  alF  dir  von 

rw.  gote  iJt  gigeben,  wau  nio;l'er  vfl  alle  wilFagen.  haut  giwill^et 
vor  manigen  tagen,  vö  der  uiarter  die  man  an  mir  Fol  bigau.  vR  wie 
ich  dar  nah  von  deme  tode  fol  erllan.  die  iuden  iivwen  aber  gar  Fere 
do.  vfl  Fprachen  zf  pylato  alfo  daz  wir  dir  nv  von  iiu  faifcin  viL  fe 
horelt  dv  felbe  daz  er  gote  liri  ere  binemen  wil.  wan  fwaz  alle  wiiragen 
hant  von  dem  gew'rcn  melliaf  geF^t.  daz  hat  er  allel'  vf  ßch  felber  gelait. 
Pilatus  l^racb  bat  er  da  mite  vwern  goL  biFcholten  ald  im  geflSchot. 
To  ribte  Felbe  ab  im  zwie  vwer  wille  girvchet.  deF  antwrteu  die  luden 
aber  do.  pylato  vn  Fprachen  alfo.  wir  haben  daz  von  der  ultrn  e.  die 
vnf  got  Fante  bi  vnFerm  vatcr  nioyFe.  fwa  ein  menche  deme  andern  hat 
geä?chet  alder  gefeholten.  daz  Fol  im  mit  gaiCel  fchelegen  werden  vir- 
golten.  fwer  aber  gote  benimet  line  ere.  den  Fol  mau  fvritainen  nah  her 
moyFel'  lere  daz  hat  ihesus  offenlich  getan,  nv  wellen  wir  daz  dv  in 
baizeft  crvcegon  aU  man  Fcbaher  vn  morder  tvt.  daz  dvnket  vnf  vf 
vnfer  warhait  gSt,  pjlatua  llfnt  VB  gie  vi"  zf  deme  volke  fvr  daz  riht»- 
bvr.  er  wolte  ft'rFfcben  wie  Fv  Gnen  tot  woltin  maineu.  do  fub  er  vil 
Ivte  gar  Fere  wainen.  vfl  do  er  daz  wainen  von  den  iHen  Fach,  do  gie 
er  wider  in  zen  rtrllen  vfl  Fpracb.  ich  ßhe  vil  Ivte  gar  fere  waineo. 
mich  dvnket  daz  d(  gantaiue  nvt  ellv  Hoen  tot  welle  mainen.  def  ant- 
wrten  die  iuden  do.  pylato  vfl  fprachen  alfo.  wir  klagen  enkaiu  dincfa 
fo  fere  fo  daz  er  hat  daz  volk  virkeret.  mit  (iner  valFchvu  lere,  er  iA 
von  galylea  da  het  er  angivangen  vn  ill  mit  finer  lere  vm  her  gegangen. 
Vn  do  pylatus  erhörte  daz.  daz  ei'  von  galylea  deme  lande  waz.  do 
berodef  ricbfot  iu  den  ziten.  er  wolte  lieh  mit  im  ^rffnen    wan  Ü  batoi 


BRUCHSTÜCKS  IV.      PA88ION80B8CHICHTB.  279 

groze  vieDtrchaft    gegin   en  ander,   herodef  der  kvnig  vn  pylatus  der 
rihter. 


Zweites  blatt. 

VW,  die  riter  daz  giwant  daz  fv  ihesu  haten  ab  gizogen.  fi  tailton 
ef  daz  iegelichern  ein  tail  wart  finer  wat.  do  haton  Q^  noh  do  einen  rok 
der  waz  ane  alle  nat  alf  fi  gifahin  den  rok  fo  ganzen  do.  G  fprachen 
z^  einandren  alfo.  wir  fon  in  lazen  ganze,  vfi  fon  ein  lof  werfen  wem 
er  werde  zetaile.  daz  belcha  dar  vmbe.  daz  d\^  gefchrift  ervvUet  wrde. 
die  der  wifage  andeme  falter  fprach.  do  er  den  felben  tail  vor  lange 
in  dem  gaifte  fah.  diuiferunt  fibi  veltiroenta  mea.  et  fuper  neltimenta 
mea  miferunt  fortem.  entvche  ef  alfo  fprichet.  &  hant  min  gewant  vnder 
fleh  getailet.  vn  hant  ein  lof  giworven  dar  vber  dif  fprichet  dauid  andeme 
falter.  nv  hat  öch  pylatue  haizen  gefchriben  vber  ihesum  df  wort  fpra- 
chen alfo.  ihesus  nazarenu8  rex  iudeoruni.  dv  wort  fprechent  alfo  entvzche 
hie  ift  ihesus  nazarenus  ein  kvnig  der  ivden.  dv  gefchrift  die  ivdeu  gar 
fere  m^te.  &  giengen  fvr  pylatum  mit  grozem  zorne.  vfl  fprachen  war- 
vmbe  er  heti  gefchriben  daz  er  were  ein  kvnig  der  inden.  ef  were  nvt 
enwarhait.  wan  daz  ef  ihesus  von  im  felber  heti  gefait.  do  antwrt  pyla- 
tus den  iuden  er  fprach  daz  ich  han  gefchriben  daz  ift  gefchriben.  die 
iuden  baten  pylatum  aber  do.  vü  fprachen  zv  im  alfo.  ez  ift  morne 
fabbatQ  vn  vnfer  öftren,  vfi  ift  nvt  billich  daz  an  den  crvzen  biliben  die 
licham.  dv  folt  haizen  daz  man  ir  gibaine  zerflahe.  daz  fi  fterben  daz 
man  fv  noh  hvte  bigiabe.  pylatus  tet  daz  in  die  iuden  baten  er  hief 
fin  ritter  daz  fv  ir  gebain  zerflügen.  die  ritter  taten  alf  in  ir  herre 
gibot.  fv  giengen  hin  do  waren  die  fchaher  noh  do  nvt  tot.  ir  gebaine 
zf  zemvrton.  daz  fv  balde  mfzen  fterben.  fv  weiten  ihesus  och  han 
getan  daz.  wan  do  ü  fahin  daz  er  von  im  felber  tot  waz.  enkaine  im 
do  fine  gebaine  brach,  wan  daz  in  ain  ritter  mit  ainem  fper  dvr  die 
fitvn  ftach.  daz  blft  vn  wazer  von  im  vloz.  die  erde  ef  vnder  deme 
crvce  bigof.  Do  gie  der  herre  centvrio.  zf  deme  rihter  pylato.  er  fait 
im  waz  grozer  zaichen  er  heti  gisehiu.    wie  die  ftaine  an  finem  ende 

VW,  werin  zerfpalten.  wie  daz  ertrich  het  fich  erfchvtet.  vfi  wie 
der  vmbehank  in  deme  tempel  was  zerzert.  wie  dv  vinftri  angie  do  man 
in  ze  fexte  an  das  crvze  nagelen  ane  vie.  Vfi  do  pylatus  erhörte  daz.  vor 
klvphfe  waz  er  den  tag  an  allef  maf.  er  bifante  die  ewarten  vfi  die 
fvrften  do.  vfi  fprach  zf  in  allen  alfo.  Ir  herren  hant  ir  dv  grozen 
zaichen  gifehin.  dv  an  ihesus  tot  fint  bifchehin.  fi  fprachen  vil  dike 
bifchehin  ift  dif.  daz  dv  fvnne  ift  worden  eclipsif.  daz  bifchit  fo  dv  fvnne 
dem  mane   zenahe  iSfet.  ir  lieht  üe  den  ein  wile  fvrbozet.    mit  den 


jrorten  wolteii  f?  pylatum  botrigen.  alfvr  li  von  im  giengen.  Dar  n^ 
Hr  [lylatum  gigaugen  kao.  joreph  von  aroiuatbia  ein  gvter  man.  der 
tTrilon  er  ainer  von  der  iurfchait  {l.  iutsctibeit)  waK.  wan  er  och  nie 
geftSnt  iiüch  gefaf.  fwa  Aie  mden  lerate  giengen.  wie  ihesua  mit  valche 
wrde  givangen.  er  bat  pylatani  Aaz  nr  im  ihesns  Hcbam  göbe.  daz  er 
&  bi  der  felbvn  tage  Kit  bigr^be.  pjlatua  tet  vil  gerne  daz.  doch  wndert 
,  daz  er  fo  halde  tot  waz.  iofeph  gie  hin  vil  balde.  er  nam  ihesum 
f«h  deme  crvce.  ein  rainer  tvch  er  mit  im  nam.  dar  in  wander  den 
balligen  licham.  dar  kon  och  nicodemus  der  iuden  fvrrte,  vfl  brabt  von 
edilen  wrzen  ("in  kcfper  Talbe.  die  er  in  üue  bende  naui.  vf!  bedraich 
da  mite  den  balligen  lichnm.  nv  hate  och  iofepli  der  gvte.  ein  grabe 
gewrket  in  ainen  ftain.  da  trvgen  Tv  ihesum  hin.  fi  begrvben  in  da  vn 
laiten  ainen  giozeu  ftain  vber  in.  ioFeph  vA  nicodemas  11  baide  va 
glengeu  wider  hain  mit  grol'eni  lalde.  vfi  do  die  iuden  borten  Tagen, 
daz  iofeph  ihesum  hate  begraben,  li  zalten  im.  ef  ze  ainer  milTetat.  va 
giengen  vber  in  zerate.  daz  rt  in  dar  vmbe  wolten  vahen.  vfl  nicho- 
r  demum  den  fvrften.  ü  träten  6ch  den  zwelven  die  profeliti  gahaisen 
die  vor  pylato  biwarton  da^  iliesu8  waz  ein  e  kint.  vfl  allen  den 
i  im  vor  pylato  gertfnden.  G  iahen  ß  müen 


AU^i  BRUDER  PHairPS  MAEIENLEBEN. 
(  emea  pert/amentfnen  doppelblaltes  In  4'*,  ufdches  alg  emi 
I  drei  (inger  starken  bandes  in  klein  8"  gedient  hat,  und  in  folge 
1  stark  beschädigt  und  ü>)cl  euf/eriehtet  ist.  Die  volle-  breüe  des 
voUtändiger  trhaltenen  blattes  beträgt  17'!^  centimeter,  die  höhe, 
utchdem  der  obere  und  der  untci-e  rnnd  bin  in  die  Schrift  hinein  ver- 
oren  itind,  noch  18  ctnitintete};  Von  dem  anderen  arg  verstümmtiteu 
Hatte  ist  die  iwdere  hälße  giaiz  weggesehnUten.  Dienchrifl,  ron  einer 
geübten  iiand  des  14.  jalirhunderts ,  ist  fest,  regelmässig  and  sehr  deut- 
lich, etoeispaltig ,  xu  ursprünglich  wahrscheinlich  je  34  teilen,  von 
n  jezt  am  oberen  und  unteren  rande  Je  2  Ins  ■?  durch  verstümme- 
verloren sind.  Die  versc  .sind  abge^c^.  beginncti  stets  mit  einem 
f  durchstrichenen  capitalbuchstaben ,  und  hinter  jedem  folgt  ein  pund. 
'  Überschriften  geben  den  Inhalt  der  eineclneti  absättc  an,  weiche 
ich  mit  roten  durch  rtcei  Meilen  reichettden  inHialen  anh^ien. 

tm-gleichung  mit   der  ausgäbe   „Bruder   f%üip]>8   des  Car- 
ters Marienkben,   herauag.    von  Heinr.  RütJiert     Quedlinburg  und 
g.    1843"   ergibt,  dass  noch  erhalten  sind  die  verse  8011—8042, 
-8074,  8077  —  8110,  8113  —  8145;   8714  —  8747;  8822—8854. 
mncuh  wurden  twischen  dem   ersten  und  dem  iweiten  blatte  wahr- 


M 


BBÜCH8TÜCKB  lY.      MABUSNLBBBN.  281 

scheinlich  4  blätter  fehlen  Mit  hilfe  der  ausgäbe  ist  es  auch  gelungen, 
selbst  an  den  recht  übel  zugericMeten  stellen ,  besonders  auf  der  rück' 
Seite  des  ersten  und  auf  der  Vorderseite  des  eweüen  blaues  das  meiste 
noch  mit  genügender  Sicherheit  eu  lesen.  Durch  abnutzung  oder  Ver- 
letzung völlig  unlesbar  gewordene  oder  ganz  ausgefallene  Wörter  und 
verse  sind  nach  Rückerts  ausgäbe  ergänzt,  und  die  ergänzungen  in 
eckige  klammern  eingeschlossen  worden. 

Der   text  des  bruchstückes  zeigt  zwar  jüngere  Schreibweise  und 
sprachformen,  ist  aber  im  ganzen  doch  noch  ziemlich  cotrect.    J.  Z. 

Erstes  blatt. 


VW,  a. 


Daz  du  woUes  bi  mir  sin. 

Daz  ich  mich  genyten  din. 

Mit  [freuden  nach  dem  leide  m]in. 
8015    Ich  wil  vmmer  bi  dir  sin. 

Ihefus  sprach  dfl  mfiter  min. 

Du  falt  min  nnmmer  werden  an. 

Doch  mit  dem  übe  den  ich  han. 

Macht  dfi  gefehen  nit  stede  mich. 

Biz  dfl  kumes  zy  himelrich. 
8020    Maria  fprach  wa  von  [ist]  daz. 

Ihefus  fprach  die  wile  ich  waz. 

In  deme  leben  daz  doetlich. 

Was  do  mochte  man  ftede  mich. 

H6ren  grifen  vnd  fehen. 
8025     Daz  en  mach  n&  nie  gefehen. 

Wan  ich  bin  nfl  vnt6tlich  worden. 

Vnd  bin  in  gotlichem  orden. 

Dar  Uterus  loreph  erfcheln. 

Tj^yn  man  geheizen  iofeph  waz. 

^  Zo  dem  die  iuden  dmgen  haz. 
8030    Wan  er  zo  pylato  quam. 

Vnd  urlop  von  pylato  nam. 

[Daz]  er  zo  deme  Cr[uce  qu]eme. 

Vnd  ihefum  von  dem  Cruce  neme. 

Iofeph  der  vil  heiige  man. 
8035    Vrloup  von  pylato  nam. 

Vnd  legete  ihefum  in  ein  grab. 

Vnd  vil  fchone  beuild  gap. 

Wan  er  daz  hatte  be[gan]gen. 

An  ihefft  crift  vmme  [fekU  daz  ge]vangen. 


S' 


282  FHE.  VOM  HAEDimtwm 

8040    Von  den  bofen  [luden  er  w]art. 
In  [ei]nen  kerk[er  yaste]  gespart 
Ihefus  dem  felben  manne  vnime  daz. 

«  « 

b.    8045    Von  der  luden  [kerker  loste]. 

In  (in  hfls  hin  heim  In  f[ande]. 

Daz  waz  den  luden  groze  fc[ande]. 

Wan  des  anderen  dages  frü. 

Zo  dem  kerker  quamen  du. 
8050    Vnd  In  da  nlt  Infänden. 

Des  nam  üe  alle  wunder. 

Dar  Ihefas  fent  lacob  erfehein. 
^ente  iacob  hatte  fich  vermezfen. 
Daz  er  die  wUe  nlt  wolde  ezfen. 

Bit  daz  Ihefos  von  deme  tode. 
8055    Erftflnde  daz  gehlz  er  gode. 

Ihefus  erfehein  Ime  vmme  daz. 

Zo  hand  do  er  Irltanden  was. 

Daz  Uterus  fent  peter  errehein. 
'o  petro  auch  Ihefus  quam. 
Vnd  Ime  üne  groze  clage  benam. 
8060    Daz  det  er  alleine  vmme  daz. 

Daz  er  fin  Iflnger  worden  was. 

Dar  Ihefus  den  drin  marien  erfehein. 
arien  der  magt  fwefbern  zwa. 
Vnd  marien  magdalena. 

An  dem  dritten  dage  quamen. 
8065    Zo  dem  grabe  vnd  mit  in  namen. 

W&rtze  vnd  gftte  falbe  M  daz. 

Daz  ^e  ihefum  wulten  baz. 

Beftrichen  die  vll  hellge  wip. 

Der  in  dem  grabe  den  heiigen  lip. 

Nit  wfirde  fmekin  in  dem  ftelne. 

Noch  fulen  mochte  der  lip  reine. 

Do  üe  z&  dem  grabe  [nahen]. 

Quamen.  einen  fteln  fie  fa[hen]. 
8074    Groz  ligen  fib[er]  üme  grabe. 

rw,  c.    [Do  z4  dem  grabe  die]  frauwen  quamen. 
[Ein  engel]  bl  deme  grabe  las. 
[Sin  ge]want  foe  wis  was« 


z 


M 


BRUCHSTÜCKS  IV.   MABIBHLBBBN. 


288 


8080    [Davon]  der  frauwen  [herze  erschrac]. 

[Si  trost  der  engel  unde  sprach]. 

Wen  [suocht  ir  hie  vil^  heilegen]  frauwen. 

Ger[ne  weit  ir  ihesom]  fchauwen. 

Er  ilt  hie  nit  er  ift  erfkanden. 
8085    Lebendic  von  des  dodes  banden. 

Zo  finen  i&ngeren  get  hin. 

Da  ir  He  vindet  vnd  Taget  in. 

Daz  von  dem  dode  erftanden  ift. 

Ire  lieber  herre  ihesu  crift. 
8090     Daz  ^e  varen  zo  galile. 

Da  füllen  Re  alle  fehen. 

Bälde  die  feibin  frauwen  lieffen. 

Den  iungern  allen  zofamen  rieffin. 

Vnd  fageten  daz  erftanden  were. 
8095     Von  deme  dode  ire  lieber  herre. 

Die  iungeren  lieffen  in  den  ftunden. 

Vnd  die  tücher  auch  da  vunden. 

Da  ihefu  lip  waz  in  gebunden. 
8100    Einen  [floir  ouch]  da  funden. 

Da  ihefus  haubt  waz  in  gebunden. 

Vnd  daz  grab  ledich  funden. 

Sie  gingen  heim  vnd  wiften  nit. 

Vmme  die  wunderliche  gefehlt. 

Wa  daz  ir  vil  lieber  herre. 
8105     Ihefus  [hin]  komen  auch  were. 

Wider  [maria  ma]gdalena. 

[Zo]  dem  [grabe]  gienc  dar  [na]. 

[Vnd  da  ihesum  stende  vant]. 

[Sie  viel  m]der  alzo  haut 

8110     [Vnd  wolde]  ime  küfTen  fine  fäzze. 

«  • 

d,     Zo  minen  iungeren  ganc  [nu  hin]. 

Daz  fie  gen  zv  galyle. 
8115    Da  füln  [^  mi]ch  lebenden  f[ehn]. 

[Maria  gienc  do  sa  zehant]. 

[Da  si  die  iunger  alle  vant]. 

Vnd  [sagete  daz  erst]anden  [were]. 

Von  [deme  dode  ir  lieb]er  herre. 
8120     [Zo  ir]  do  quamen  andere  frauwen. 

Die  wolden  [gerne  ihe]fum  fchauwen. 


284  FHB.  VON  HABDBNBERG 

Sie  begunden  [wider]  gehen. 

Zo  deme  [grabe  vnd  vunden]  ften. 

Ibefum  [do  G]  quamen  wider. 
8125    Alle  vor  in  vielen  nider. 

Vnd  fine  fäze  kufben  sie. 

Vnd  fine  wunden  auch  da  bi. 

Crift  trofte  Ge  mit  ffizzen  wor[den]. 

Da  von  g[efreut  die  franjwen  wor[de]n. 

Daz  Ihefas  den  ellf  inngem  erschein. 
8130    "Tvie  iunger  von  der  iuden  f[orgen]. 

^  Waren  [in  ejim  hufe  verb[orgenJ. 

Die  duren  waren  alle  ver[fpart]. 

Die  floz  die  [waren]  wol  bewart. 

Durch  beno[zzen  tur]  ihefus. 
8135    Quam  [zu  in  in  daz?]felbe  hucs. 

Zwifchen  den  iungern  ftunt  er  enmiten 

Vnd  fprach  [nu  fi  in  mite]  godes  fr[ide]. 

Die  iungeren  erschraken  alle  fe[re]. 

Sie  wau[den  daz  ez  e]in  geift  w[ere]. 
8140    Ihefus  [fprach  her  z]o  mir  get. 

Mine  he[nde  vnd]  mine  füze  fet. 

[Vnd  alle  mines  libes  wundJen. 

[Die  find  noch  vrifch  vnd  vnverbunden]. 

Nit  fal  fich  f[orht]en  uwer  kein. 
8145     Ein  geift  hat  nit  fleisch  ader  bein. 

» 

Zweites  blatt, 
«  « 

i>iv,  a.     Claretum  vnd  win  da  schen[ket]. 
8715     Ihefus  vnd  die  heiigen  dren[ket]. 

Derfelbe  clarete  ift  alfo. 

Daz  er  nummer  wirt  vnfro. 

[Der  fin  getrinket  einen  trunc]. 

Der  ift  vmmer  ftar[c  vnd  iunc]. 
8720    Der  ist  vmmer  [fchone  vnd]  minneclich. 

Der  fflnnen  vnd  dem  ma[nen  gli]ch. 

So  groze  freude  mach  er  drinken. 

Der  nummer  hertze  mach  gedenken. 

Noch  z&nge  gefan  noch  [....]  fchriben. 
8725    Die  freude  sal  ewiciiche  bliben. 

Die  felbe  freude  tegeUch. 


BBÜCHBTOCKE    IV.      KABIENLBBBN.  385 

Emuwet  unde  meret  fich. 

Als  von  der  andacht  marie[Q  g]edano. 

Na  der  tercien  vnd  Texten  fauc. 
8730    Als  man  in  deme  ral[tere  vint]. 

Die  tercie  vnd  fexte  gehei[zeu]  tint. 

Dar  nach  wirken  ^e  beg[vnde]. 

Die  arbeit  die  üe  wol  kun[de]. 

Alle  di  werc  die  frolicb. 
8735    Waren,  vnd  auch  zimelich 

Flizelich  irs  Werkes  pf[lach]. 

Von  Texten  vz  (l.  vnz)  an  den  mit[ten  djacb. 

Auch  die  heiige  fchrift  ^e  [las]. 

Als  fie  von  werke  mäzich  [w]az. 
8740    Solde  fie  zo  dem  tempel  gan. 

Vnderwilen  müfte  daz  gefch[e]n. 

An  dem  mitten  da[ge  none]. 

Sprach  maria  [die  maget  vron]e. 

Darnach  mit  dem  [engel  got]. 
8745     [Sande  ir  das  himelische  brot]. 

Mit  grozen  freuden  nam  r[i  daz]. 

Vnd  mit  Tuzzer  andacht  az. 

*  * 

b.    Erhalten  sind  nur  die  anfangslmchstahen  der  verse  8756 — 8779, 
rw.  c,    Erhalten  sind  nur  einzelne  endbuehstaben  weniger  verse. 

d.     8822     [swa  sie]  daz  horde  da  von  (fehlt  sie)  floch. 

[vnd  sich]  von  bofer  rede  zoch. 

[numm]er  fie  zo  reden  plach. 
8825     [ ]  fie  nie  wort  gefprach. 

[ ]  die  wort 

Die  maria  die  magit  hort-e. 

Alle  zit  z&  gode  kerte. 

Daz  £iQ  auch  da  mide  merte. 
8830    Den  gelauben  der  criftenheit. 

Der  waren  minnen  reinikeit.* 

Hinderrede  nit  enplach. 

Nfimmer  nit  die  fAzze  fprach. 

Da  ieman  mide  betrübet  würde. 
8835    Alfo  hüte  ^e  ire  worte. 

Daz  ^e  (fehÜ  redt)  alle  zit  daz  hefte. 


386 


FHB.  VON  HARDBHBIBe 


Von  den  Iflden  da  (L  daz)  &e  wifte. 

Als  yman  leit  vnd  yngemach. 

Ader  ein  beträCTal  gefchach. 
8840    Daz  half  He  mit  trAwen  clagen. 

Sin  leit  begande  ^q  niide  dragen. 

Vnd  troft  in  afich  mit  füzzer  rede. 

Wie  ^e  mochte  ime  helfe  dede. 

Daz  ift  die  regel  nach  marien. 
8845    Die  reine  magit  godes  amien. 

Nach  ires  f&nes  uffart  plach. 

Mit  rein(Z)ichem  leben  manchen  dach. 

Daz  rente  panlus  zr  marien  quam. 

panlus  in  den  felben  ftunden. 

^    Ward  bekert  von  finen  fundeu. 
8850    Do  quam  er  zo  iherufalem. 

Bamabas  der  quam  mit  ime. 

[vnd  mjarien  die  magit  fach. 

[vnd  vr]aüwete  fich  daz  er  den  tach. 

[Hete  ge]lebet  daz  er  fchafiwen. 


5. 

AUS  DEM  WILLEHALM  ULRICHS  VON  TÜRHEIM. 
Die  hälfte,  eine  spalte,  eines  pergamenthlattes ,  7^1^  centimeter 
breit,  27  centimeter  hoch.  Der  obere  rand  ist  bis  in  den  iext  hinein 
weggeschnitten,  und  ein  senkrechter  schnitt,  der  die  schrift  jedoch  nur 
wenig  verlegt,  geht  durch  die  ganze  spalte.  Die  grosse,  ziemlich  regel- 
mässige und  sehr  deutliche  schrift  des  14.  Jahrhunderts  steht  zunschen 
wagerechten  und  senkrechten  mit  der  feder  gezogenen  linien.  Die  verse 
sind  abgesezt,  und  beginnen  mit  durchstrichenen  capitaibuchstaben. 
Die  Vorderseite  zeigt  bei  v.  SO  eine  blaue,  die  rikkseite  bei  v.  25  eine 
rote  initiale,  Erhalten  sind  auf  jeder  der  beiden  seilen  40  verszeilen, 
so  dass  am  oberen  rande  kein  vers  zu  fehlen  scheint,  denn  zwischen 
den  beiden  spalten  fehlen  etwa  80  verse. 

Da  herr  dr,  Ed,  Lohmeyer  in  Kassd  so  gütig  gewesen  ist,  den 
text  dieses  bruchstikkes  mit  dem  der  Kasseler  handschrift  zu  vergleichen, 
ist  es  möglich  geworden  seine  durcth  beschädigung  entstandenen  lücken 
aus  der  Kasseler  handschrift  zu  ergänzen,  und  aucli  durchweg  die 
abweichenden  lesarten  der  Kasseler  handschrift  hinzuzufügen.  In  der 
Kasseler  handschrift  finden  sich  die  entsprechenden  stellen  auf  bl.  235  *  ^  *" 
und  236^''. 


BBU0H8TÜCHB  lY.   WILLKHALM.  387 

Nach  herm  Lohmeyers  urteile  gehört  der  text  dieses  hruchstückes, 
obgleich  er  nicht  frei  von  Verderbnissen  ist,  doch  eu  derjenigen  hand- 
Schriftengruppe  j  welche  einen  reineren  und  echteren  text  darbietet ,  tmd 
stelt  sich  am  nächsten  eu  einem  kürzlich  in  Müncheti  aufgefundenen, 
53  verse  darbietenden  pergamentquerstreifen :  cgm.  5249,  7/      J,  Z. 

Vorderseite. 

Der  [selbe  in  die  barken  fprang] 

Das  was  [an  der  knappen  dang] 

Vur  die  barcke  er  fie  ftiez 

Dekeinen  er  darinne  liez 
5    Daz  mer  ir  leben  künde  zem 

Bennewart  der  begnnde  vem 

Vil  vafte  gein  dem  fchiflfe 

Daz  er  daz  da  ergriffe 

Da  er  bekam  hin  an  daz  fchef 
10    Sin  rtange  div  gap  manic  tref 

Die  in  dem  fchiffe  waren 

Ein  fterben  da  nit  verbaren 

Ane  eine  deine  parte 

Div  bot  Bennewarte 
15    Daz  houbt  vf  die  faezze 

Yfi  fprachen  nim  ze  buezze 

Von  nns  herre  daz  wir  han 

Yfi  ruche  vns  daz  leben  lan 

Dannoch  me  fie  taten 
20    Mit  ylizze  ^e  in  baten 

Daz  er  &q  leben  liezze 

Swar  er  Glb  glouben  hiezze 

Dar  wolten  &e  glouben 

Er  fprach  ir  woltent  rouben 
25    Aber  Sante  lolianen 

Yß  fines  gutes  anen 

Daz  han  ich  iuch  vnder  varn 

luwer  genifet  niemmer  barn 

Ir  muezzet  alle  ligen  tot 

Cass,  1)  Bennewart  irgreif  daz  schif  |  Daz  was  ein  vil  selig  grif  |  Der  selbe  usw. 
4)  Keiner  5)  Hern  muste  daz  leben  da  vercem  6)  Kunde  8)  her  onch  daz 
begr.  9)  hine  quam  a.  d.  schif  10)  diu  fehlt  uil  maningen  trif  12)  da  fehU 
17)  waz        22)  Swaz     23)  Des     24)  wollet      27)  v     29)  Im 


288  FBH.  VON  HARDENBBBQ 

30    pBuchan  ime  die  hende  bot 

^  Der  was  der  was  des  fchiflfes  herre 

Vü  fprach  wir  han  vil  verre 

Her  gefueret  diz  golt 

Daz  du  ze  rehte  haben  folt 
35     Ez  were  anders  her  nibt  braht 

Die  gote  hant  es  dir  gedaht 

Mabamet  vn  dar  zv  apolle 

Ez  lit  manic  guldiu  knolle 

Dort  in  ienen  fchriuen 
40     Der  folt  du  dich  gefinen 

Rückseite. 

*  « 

[Irboten  als  ich  im  habe]  getan 

Dem  ich  [fiu  gut  genojmen  han 

Daz  ich  ime  die  toten  fende 

Er  fol  noch  von  miner  hende 
5    So  grozzen  flag  [enphjahen 

Daz  gein  [ime  beginnet]  nahen 

Sin  felbes  totlichiv  vart 

Saget  ime  er  heizze  Rennewart 

Der  ime  die  gäbe  habe  gefant 
10    So  bin  ich  ime  fa  bekant 

Des  antwurte  ime  do  cruchan 

Swes  ir  vns  nit  weit  erlan 

Herre  daz  muz  wefen 

Wan  wir  mugen  nit  genefen 
15    Ez  enfi  danne  iuwer  willet  gut 

luwer  mut  ift  vnTer  mut 

Wir  (in  iv  alfo  verfeit 

Daz  wir  iv  leiden  swaz  ir  weit 

pRvchan  du  bift  vil  wis 
20         Witze  vü  eilen  mac  pris 

Beiagen  fwa  er  ift  veile 

33)  Yz  g.  daz  35)  inwere  anders  dir  36)  hattens  37)  Mahumet  dar  zv  fehU, 
39)  In  ienen  schrinen  binnen  40)  Nu  s.  d.  d.  versinnen  |  Helt  vfi  lazen  vns  den 
lip  I  Ere  an  vns  di  reinen  wip  j  Di  man  zn  rehte  sol  eren  vor  1)  Ich  in  wil  des 
nicht  inpem  |  Im  bringet  di  toten  gente  |  Van  mir  in  einen  prisente  |  Deme  ku- 
ninge  Terramere  |  Iz  wart  ni  kunige  di  ere  7)  Sins  lebens  9)  hat  10)  znhant 
bekant    13)  moz  alliz  w.    18)  in  feMt    19)  sere  wia    20)  mag  din  pris    21)  iz  ist 


BBU0H8TÜCKS  IV.      CATO.  289 

Nv  varnt  mit  gutem  heile 

Gein  dem  yogete  von  Baldac 

Dem  nieman  wider  legen  mac 
25    An  kuniclichem  werde 

Der  na  lebet  vf  der  erde 

Wolte  got  daz  er  erkande 

Werne  er  finer  manigen  lande 

Solte  iehen  vfi  wer  er  were 
30    Wie  gar  in  danne  verbere 

Daz  er  Mahamete  ytl  hamone 

Nienmier  keiner  finer  crone 

Deheinen  dank  gefagete 

S  wanne  iefv  daz  behagete 
35    So  wurde  er  ir  vil  gar  behert 

Wer  ift  der  die  weite  nert 

Erkennen  du  den  Cruchan 

Nein  du  alTo  iil  min  wan 

Ob  ich  dir  in  nu  nande 
40    Din  lip  fin  nit  erkande 


6. 
CATO. 

Ein  papierblatt  in  folio,  gekauft  hei  einem  antiquariatshuchhändler 
in  Frankfurt  a\M.;  28  centimeter  hoch,  21  centimeter  breit;  von  einer 
hand  des  15.  Jahrhunderts  deutlicJi  aber  nicht  schön  geschrieben;  zwei- 
spaltig, die  spalte  zu  49  bis  53  Zeilen.  Nur  die  spalten  sind  in  feine 
linien  eingeschlossen,  die  Zeilen  dagegen  entbehren  der  Uniierung,  Die 
verse  sind  abgesezt  und  beginnen  mit  capitalbuchstäben  j  die  sich  von 
der  Schrift  des  textes  in  grosse  und  gestalt  jedoch  nur  wenig  abheben. 
Auf  der  vierten  spalte  ist  der  anfang  des  zweiten  buches  nur  dadurch 
angedeutet  j  dass  räum  gelassen  ist  für  eine  durch  zwei  Zeilen  reichende 
initiale  (T).  Von  den  zu  gründe  liegenden  lateinischen  versen  sind 
stets  nur  die  anfangswörter  aufgenominen. 

Das  blatt  enthält  von  einer  jungen  erweiterten  gestalt  des  deut- 
schen Cato  den  schhiss  des  ersten  und  den  anfang  des  zweiten  bucJies. 

25)  kaninclicher  30)  her  dan  31)  mahumete  hSmonen  32)  Nummer  siner 
minneste  cronen  34)  ihesuso  35)  ir  fehlt  37)  Irkentes  38)  Ich  wil  iz  aber 
dar  vore  han        40)  in  nit 

SEITSCHB.   P.   DEUTSCHE   PHILOLOOU!.      BD.  XY.  19 


290  FBR.  YOR  RABDnffBSBO 

Die  Strophen  1 ,  37  und  39  und  die  vorrede  des  ewoUen  huches  gestatten 
eine  vergleichung  mit  den  von  Fr.  Z am  che  (Der  deutsche  Cato.  Leip- 
zig 1852)  s.  92,  93  mitgeteilten  entsprechenden  stdlefiy  und  dartuich 
lässt  sich  vermuten,  dass  der  text  dieses  blattes  am  nächsten  stimme  zu 
dem  texte  der  von  Zarncke  mit  F  bezeichneten  und  auf  s.  71  kurz 
beschriebenen  papierhandschrifl  des  15.  Jahrhunderts  der  königl.  biblio- 
fhek  in  Berlin,  Cod,  germ.  man.  in  8®,  nr,  101. 

Um  die  benutzung  bequetner  zu  machen  y  sind  hier  im  abdrucke 
die  nicM  eben  zahlreichen  und  auf  das  gewöhnliche  sich  beschränkenden 
abkürzungen  aufgelöst  worden.  Ferner  sind  am  rande  daneben  gesezt 
worden  die  Zahlung  der  distichen,  und  bei  der  vorrede  des  zweiten 
buches  die  Zahlung  der  verse,  nach  dem  von  Zarncke  s.  174  fg.  gege- 
benen abdrucke  der  Züricher  lateinischen  handschriß.  Endlich  sind, 
ebendaher  entnommen,  unter  dem  texte  auch  die  volständigen  lateinischen 
verse  hinzugefügt  worden,  J.  Z. 

{Liber  l) 


VW.  a.    So  setze  dynen  czu  vorficht 
Czu  eynis  audirn  tode  nicht 

20  Exiguum  munus.        Accipito  placide 
Hat  dyn  armyr  frunt  den  mut 

Daz  her  dir  gebit  eyn  cleynis  gut 
Czu  fruntfchaft  daz  faltu  enphan 
Svnder  allen  bofen  wan 
Gutlich  vnd  lipplich 
Vnd  lobe  is  ouch  volleclich 
Nem  auch  den  wyllen  vor  dy  tat 
Der  von  getrewen  herczin  gat 

21  Infantem  nudum.        Paupertatis  onus 
Wen  du  wordift  nakt  geborn 

So  la  dir  nicht  wefin  zorn 
Ab  dyr  bywyln  dyn  armut 
Eczlichin  gebrechin  tut 
Daz  trag  geduldeclichen 
So  wirt  deyn  zele  reychen 

20)  Exiguum  munus  cum  dat  tibi  pauper  amicus, 

Accipito  placide,  plene  laudare  memento. 

21)  Infantem  nudum  cum  te  natura  erearit 

Paupertatis  onus  patienter  ferre  memento. 


BBUCHSTOCKB  IV.      OATO.  291 

22  Ne  timeas  iUam.        Qui  mortem  dtc. 
Yorchte  nicht  dy  letzte  not 

Dy  geheyfin  ift  der  tot 
Wer  des  todis  verebte  hat 
Der  verluit  daz  her  gelebit  hat 

23  Si  tibi  pro  merüis  nemo       Incusare  deum 
Hoftu  deyner  vrvnde  keym 

Lyp  getan  dvrch  belfir  heyl 
Lonit  her  dir  nicht  der  tftt 
Der  deyn  dinft  enphangin  hAt 
Doch  habe  keyne  vngedoolt 
Tnd  gyb  auch  gote  nicht  dy  fchoult 
So  manchis  tvmmys  menfche  tut 
Den  vngelucke  zere  mflt 
Der  do  fprichit  harthe  fchir 
Weide  is  got  her  lonit  mir 

25  QiMd  praestare  potes.        Ne  ßs  ventosus 
Was  dv  geleyftin  macht  czu  hant 

Daz  fpare  nicht  wiltu  genant 
Welin  eyn  gerechtir  man 
Der  feyne  worheyt  haldin  kan 
Lug  nicht  vnd  habe  fteten  mut 
Wiltu  daz  man  dich  heyfe  gut 
Wenne  wer  do  vyl  gelobin  wyl 
Der  m&s  ligin  ane  czil 

26  Qui  ßmtdcU  uerbis.        Tu  quoque  fac  fimile 
Wer  mit  fuzen  worthen  fich 

Stellit  fruntlich  wedir  dich 
Der  (l.  des)  hercze  dir  nicht  gunftik  ift 
Begene  em  mit  zulchir  liil 
So  man  vyndit  hy  befchrebin 
b.   Lift  mit  liften  wyrt  vortrebin 

22)  Ne  timeas  ülam,  quae  vitae  est  viltima  finis; 

Qui  tnortem  metfät,  quod  vivü^  perdit  id  ipsum, 

23)  Si  tibi  pro  meriHs  nemo  respond/U  amicus 

Incusare  deum  noli,  sed  te  ipse  coerce, 

25)  Quod  prestare  potes,  ne  bis  promiseris  uiU, 

Ne  sis  ventosus,  dum  vis  bonus  esse  videri, 

26)  Qui  simulat  verbis,'  nee  corde  est  fidus  amicus, 

Tu  quoque  fac  simvies  (hs.  $imiks)\  sie  ars  dduditur  arte. 

19* 


292  nm.  VON  HASDsiraBBo 

24    Ne  tibi  quid  defit,       Idque  quod  est  tempta  (?) 
Dy  zalt  czeren  auch  czu  maze 
Wiltu  daz  dich  daz  gut  nicht  laze 
Waz  dv  halt  daz  behalt 
Tultu  daz  zo  wyrilu  alt 
keynen  kvmmer  darfftu  hau 
daz  pblegin  alle  weyfe  man 

27  Noli  homines  nimium.        Fistula  dulce  dtc. 
Laze  dich  an  keynen  man 

Der  do  vyl  fuffyr  rede  kan 
Dy  pheyfe  fingit  zufes  fpil 
Dy  den  vogil  betrigin  wyl 
Daz  phlegen  valfche  lute 
Tor  den  faltu  dich  hüten  hflte 

28  Cum  tibi  fint  nati.        Instrue  quo  possiut 
Wer  kindir  hat  vnd  arm  ift 

Der  Tal  fy  leren  kflnfte  lift 
Do  methe  fy  gut  irwerbin 
Daz  fy  nicht  verterbin 

29  Quod  vüe  est  carum,       Sic  tibi  nee  cupidus 
Gebit  dir  ymant  fyne  gäbe 

Dy  nicht  vyl  nuczis  habe 

Daz  fal  dich  dünken  harthe  gut 

Ouch  faltu  habin  zolchin  mut 

So  dv  wylt  ouch  gebin  ymant  icht 

Das  dich  dyne  gäbe  dunkyt  eyn  wicht 

So  mag  nymant  heyfin  dich 

Gyrig  adir  wundirlich. 

30  Que  culparc  foles,        Turpe  est  doctori 
Waz  dich  dunket  milTetan 

Daz  faltu  nymmer  ane  gan 

24)   Ne  tibi  quid  desii,  quod  quaeriSj  hoc  (var.  quaesitis)  utere  parce, 
Utque  quod  est  serves,  semper  tibi  deesse  puiato, 

27)  NoU  homifus  blando  nimium  sermone  probare; 

Fistula  dulce  canit,  rolucrem  cum  decipit  auceps, 

28)  Oum  tibi  sitU  vutti  nee  opeSy  tunc  artibus  ülos 

Insirue,  quo  possint  inopem  def endete  ritom. 

29)  Quod  vUe  est,  carum,  quod  carum,  vUe  puMo; 

Sic  tibi  nee  cupidus  nee  aivarus  nosceris  tdli. 

30)  Quae  euipare  soles,  ea  tu  ne  feceris  ipse; 

Twrpe  est  doctori,  cum  culpa  redarguit  ipsum. 


BRUCHSTÜCKE  IV.      CATO.  293 

Dem  lerer  is  nicht  wol  an  (tat 
Tut  her  waz  her  vorbathin  hat 
Wer  do  lere  gebin  wyl 
Der  tu  auch  gutir  werke  vyl 
Sint  dy  wort  den  werkin  gleich 
So  ift  dy  lere  zeldin  reich. 

31  Quod  iustum  est  petita.       Nam  stuUum  &c. 
Wiltu  bete  feyn  gewert 

Vnd  waz  deyn  hercze  begert 
Zv  bethe  waz  fey  mogelich 
Erlich  vnd  czemelich 
Welchis  bete  iA  alczu  gros 
Der  wyrt  allir  bete  blos. 

32  Ignotum  tu  tibi  noli        Cognita  tudicio 
Du  falt  keynen  fremdin  man 

Werdir  wen  den  bekanten  hau 
Eeynis  fremdis  mannis  lebin 
Machtu  nicht  irkennen  ebin 
rw.  c.  Daz  dir  an  dem  bekant  ift 
Offinbar  an  arge  lift 

33  In  morte  aUerius.      Pro  lucro  tibi  pone  dient 
Sint  vns  eyn  vngewiffes  lebin 

In  fteten  furgen  ilt  gegebin 
Mit  manchirley  erbeyt 
Dy  dynem  lybe  ift  uf  irleyt 
So  fecze  dir  vor  den  gewen 
Dy  czyt  vnd  habe  czulchin  fen 
Daz  dv  in  erbeyt  gerne  ftrebin 
Wellis  dorch  eyn  langis  lebin 

34  Vincere  cum  possis.        Obsequio  quoniam 
•  Haftu  einen  kumpan 

Der  keygen  dir  hat  miiletan 
Biflu  fterker  wenne  her 

31)  Quod  justum  est  petäo,  vel  quod  videatwr  honestwn; 

Nam  stultum  est  petere,  quod  posstt  jure  negari. 

32)  Ignotum  tibi  tu  noli  proponere  notis; 

Cognita  judicio  constant,  ineognüa  casu. 

33)  Oum  dubia  incertis  versetur  vüa  pericHs, 

Pro  lucro  tibi  pone  diem  quicumque  (var.  quocumque)  laboras, 

34)  Vincere  cum  possis,  interdum  cede  sodaU, 

Obsequio  quoniam  dülces  retincntur  amid. 


294  FRH.   VON  HAKDBMBBRa 

Wortrag  em  daz  ilt  dir  wer 
Do  yon  werdin  frunde  gut 
Daz  eyns  dem  andim  Übe  tut 

35  Ne  dubites  cum  magna  petas.     hys  etenim  rebus 
Dv  falt  eyns  cleynen  den  gewem 

Von  deme  dv  wylt  eyns  grofin  gern 
Man  iai  mit  fulchin  dingen 
Front  czu  famene  brengen 
Wer  daz  grofe  wyl  enphan 
Der  fal  auch  daz  cleyne  lan. 

36  Litern  inferre  caue.        Ira  odium  generat 
Mit  dem  dir  frunfchaft  ift  geborn 

Czu  dem  trage  keynen  czorn 
Mit  em  dich  auch  nicht  genithe 
Mit  keynerley  ftreythe 
Mit  dem  dir  genade  ift  gegabin 
Mit  dem  fultu  gutlich  laben 
Von  czome  kompt  has  vnd  neyt 
Do  by  auch  grofir  fchade  leyt 
Is  tut  eyn  man  in  grymmekeyt 
Daz  em  domoch  wirdit  leyt 
Frunde  eyntrechtig  füllen  feyn 
Dy  laflirs  eynik  wellin  feyn 
Fruntfchaft  vnd  lybe  gancz 
Wirt  eyntrechtik  an  alle  fwancz 

37  8en4arum  ob  culpam  cum  te.      Ipse  tibi  moderare 
So  dich  der  knecht  in  mifletat 

So  grobeclich  irczomit  hat 
So  faltu  czornis  mofen  dich 
Daz  dv  dir  nicht  feyfk  fchedelich 
An  Übe  vnd  auch  an  gute 
Tnd  rtuwer  dyme  gemute 
Daz  deyn  knecht  icht  fcheyde 
Von  dir  in  czornis  leyde 

35)  Ne  dubites,  cum  magna  petas ,  impendere  parva; 

Eis  etenim  rdnis  cof^ungit  gratia  caros, 

36)  Litern  inferre  cave,  omü  quo  tibi  gratia  juneta  est; 

Ira  odium  generat,  concordia  nutnt  amorem, 

37)  Servorum  eulpis  cum  te  dolor  urget  in  iram, 

Ipse  tibi  moderare,  tuis  ut  pareere  postis. 


BRUCHSTÜCKE  IV.       CATO,  295 

38  Qt^m  fuperare  potes.      Maxhna  etenim  morum 
Dem  dv  dich  mochtis  gleychen 

Dem  faltu  auch  entweychen 
Wer  do  hat  gedoldege  fethen 
d.  Dem  volget  grofe  toguath  methe 
Gedult  vorwindit  alle  not 
Dy  brengin  euch  nicht  den  tot 
Wer  do  wol  verwindin  wyl 
Der  fal  ouch  vortragen  vyl 

39  Conserua  pocius.        Cum  labor  in 
Behalt  ouch  wol  czu  rote 

Beyde  vrü  vnd  fpote 

Daz  mit  gi-olir  erbeyt 

Gewunnen  halt  vnd  in  gelet 

Wem  fyn  ermut  (?.  erbeit)  knmpt  czu  fchadin 

Der  wirt  mit  ermut  obirladin 

So  daz  her  mit  kummirs  not 

Verdynet  eynen  bofen  tot 

Daz  mage  ich  Tagen  folchin  luten 

Dy  fich  vor  fchadin  nicht  en  hüten 

40  Dapsäis  tnterdum.        Cum  fueris  felix 
Biftu  zelig  vnd  wirft  reychin 

La  dir  dy  ere  nicht  entweychin 
Vnd  tu  ouch  dyme  lybe  gut 
Czu  vordirfb  vnd  habe  milden 'mut 
Keygin  den  nefbin  frundin  deyn 
Den  faltu  ouch  gehulfig  feyn 

(Liber  IL) 

(praefcUio) 

81     /nn\eKwm  ß  forte        Virgilium  legtto 
V    /  Wyltu  lichte  irwarbin  lop^ 
Wy  man  den  ackir  buwin  fal 

38)  Quem  superare  potes,  interdum  vince  ferenda ; 

Maxifna  enim  morum  semper  patientia  virtus. 

39)  Conserva  potius,  quae  sunt  jam  parta  Idbore; 

Cum  lahar  in  damno  est,  crescit  mortdlis  egestas. 

40)  DapsiUs  interdum  notis  et  cariM  amicis, 

Dum  fueris  felix,  semper  tibi  proximus  esto. 
81    Tdluris  si  forte  velis  cogfwscere  cuUtts 

Virgilium  legito;  quod  si  mage  nosse  läboras 
1)  Corrigiert  in:  irvaren  wol. 


296  VBH.  VON  HARDENBERG ,  BBÜCHSTÜCXE  lY.  CATO. 

So  fache  dir  virgilium 
Der  fclireibit  do  von  grofen  r&m 
83    Herbarum  vires.     Si  romana  cupis,     LtAcanum 
Wiltu  irkennen  crutis  craft 
Wol  nach  rechtir  meyflirfchaft 
Daz  kan  dir  macer  wol  gefagen 
Welche  craft  die  erfite  tragen 
Wiltu  abir  darnach  ftrebin 

Daz  dv  noch  dem  vromen  (Z.  von  der  romer)  lebin 
Eunneft  Tagen  mere 
Wy  fy  do  erbere 
Eeyn  eren  vindin  Ilrethin 
Dor  vmme  faltu  fere  bethin 
Lucanom  der  von  ritterfchaft 
Schribet  grofer  Ilrite  craft 

86     Si  quid  amare  libet,      Nasoneni  petito 
Haftu  abir  in  dynen  fynnen 
Dy  vrouwen  lip  czu  gewynnen 
Wiltu  des  eyn  meyftir  wefin 
Des  bete  dir  nasonem  lefin 
Der  fchrybit  von  der  mynnen 
Wy  man  ir  fal  begynnen 

*  88     Ut  sapiens  viuas.        Per  que  fenwtum 

Haftu  abir  fdlchin  mut 
Daz  dich  wyfhayt  dunkit  gut 
So  volge  meyner  lere 


Herharum  vires,  Macer  tibi  carmine  dicit. 
Si  Romana  cupis  et  Punica  noscere  hdla 
85  Lucanum  quaeras,  gut  Martis  pradia  dixit. 

Si  q^iid  amare  libet,  vel  discere  amare  Ugcndo, 
Nasonem  petito ;  sin  autem  haec  est  tibi  cura, 
Ut  sapiens  vivas,  audiy  quae  discere  possis 
Per  quae  semotum  vitiia  deducitur  aevum; 
90       Ergo  ades  et,  quae  sit  sapientia,  disce  legende. 


297 


DIE    BALLADE    UND    ROMANZE  VON  IHREM    ERSTEN 

AUFTRETEN    IN    DER    DEUTSCHEN    KUNSTDICHTUNG 

BIS  ZU  IHRER  AUSBILDUNG    DURCH  BÜRGER. 

(SohluBS.)  ' 

Die  auslblldiing  der  deutsehen  Iballade  dureh  Bflrger. 

§  2.     Bürgers  persönlichkeit. 

Bei  der  besprechung  der  Bürgerschen  balladendichtung  möchte 
ich,  dem  historischen  gange  der  bisherigen  Untersuchung  treu  bleibend, 
zunächst  die  hauptwerke  dieses  dichters  durchgehen  und  durch  eine 
analyse  des  Inhalts  und  der  composition  derselben  ihre  bedeutung  und 
ihren  gehalt  nachweisen,  in  einem  zweiten,  mehr  theoretischen  teile 
die  eigentümlichkeiten  der  dichtweise  Bürgers  und  ihren  Fortschritt  gegen 
die  romanzendichtung  der  früheren  zeit  entwickeln.  Da  aber  Bürgers 
dichtung  wie  die  weniger  deutscher  dichter  pathologisch  ist  und  die 
eigenen  lebensumstände  des  autors,  ans  denen  sie  hervorgegangen, 
beständig  widerspiegelt,  so  möchte  eine  ganz  kurze  darstellung  der- 
jenigen lebens-  und  bildungsverhältnisse  Bürgers  hier  am  platze  sein, 
aus  deren  schösse  seine  dichterische  persönlichkeit  hervorwuchs,  und 
welche  das  zusammenwirken  jener  zwei  scheinbar  so  weit  auseinander- 
liegenden demente  bedingten,  welche  —  um  es  kurz  vorweg  zu  neh- 
men —  das  wesen  der  Bürgerschen  poesie  zusammensetzen,  ich  meine 
die  bereits  oben  angedeutete  richtung  auf  das  volkstümliche  und  zugleich 
sein  streben  nach  äusserer,  fast  in  antikem  sinne  aufgefasster  form- 
vollendung. 

Gottfried  August  Bürger  war  von  hause  aus  eine  kräftige, 
natürlich  sinliche  harzernatur,  so  recht  aus  der  gesunden  mitte  des 
Volkes ;  zuerst  auf  dem  bäuerlichen  pfarrhofe  seiner  eitern ,  dann  in  dem 
hause  seines  grossvaters,  des  biderben  Ascherslebener  „hofisherrn'' 
Bauer  aufgewachsen.  Hatte  die  romantische  unterharzer  heimat  in  der 
nähe  des  Falkensteins  und  des  Selketales  die  empfängliche  phantasie 
des  knaben  schon  frühe  mit  frischen  waldbildern  und  mit  den  sagen - 
und  spukgestalten  der  gebirgs-  und  raubrittergegend  erfült,  so  lernte 
er  in  Aschersleben  die  in  der  dortigen  gegend  noch  lebende  volkslieder- 
dichtung  kennen,  die  neben  der  bibel  und  den  alten  kirchenliedem  sein 
gemüt  schon  frühe  anregten.  Der  formensinn  des  Jünglings  wurde  auf 
dem  Pädagogium  in  Halle  durch  den  talentvollen  lehrer  Leiste  und  auf 
der  dortigen  Universität  durch  die  philologischen  Vorlesungen  des  pikanten 
IQotz  geweckt,  dessen  umgang  freilich,  wie  später  derjenige  im  hause 
von  dessen  Schwiegermutter  in  Qöttingen,  der  starken  neigung  zum 


X 


ltOI.EHADatUI 


sinUchen  in  dorn  jungoa  Bürger  ein  bedeukliche»  Übergewicht  gab.' 
In  Gfittingen,  wnhio  sich  Bürger  von  Hallo  aus  begab,  wurde  er,  wie 
damalB  alle  weit,  ein  glühender  verebrer  von  Ossian  und  Shakespeare, 
die  er  in  dem  sinne  der  auHerwählten  aufzufasseD  wnste,  sein 
lieblingsstadiuni  aber  wurden  eine  geraume  /.eit  lang  die  englischen 
volksballudeu,  die  ibm  in  den  oben  erwähnten  Percjs  Keli()uea,  mit 
denen  er  sieb  indessen  erat  bei  seinem  aufentbalte  in  Gelliebausen  nnd 
WöUiuerahausen  eingebender  beachäftigte ,  obwol  er  sie  schon  in  Göt- 
tingen kennen  gelernt  hatte '  und  in  einer  andern  samlung  (Old  ballada, 
Evans  editioii  1T77)  zugänglieb  wurden;  sein  formales  talent  fand 
widtTum  pflege  in  dem  umgange  mit  Götter  und  Boie,  sein  sinn  für 
die  natur  wurde  in  der  wald-  und  burgenreicben  umgegend  von  Göt- 
tingen  angeregt  und  unterhalten,^  während  er  auch  für  seine  leiden- 

1)  Vgl.  aber  Bürgers  aufenthalt  auf  dem  pädogo^nm  zn  Holle:  Daniel ,  Bflr^or 
auf.  der  Soiiiilc,  Protamin  dca  Königlieben  Fädagoginma  1845,  abgedruckt  bei 
Daniel  .Zerstreute  Blätter",  Halla  1866.  a.  47—72.  in  betreff  dca  Verkehrs  mit 
Klotz  Strodtmann .  Briete  ven  und  an  G.  A.  Börjfer  1874.  bd.  I.  iir.  l  ff,  und 
bd.  IT,  nr.  897  (im  anhang),  Über  die  Göttinger  verliMtulaee  spcdcl  I.  nr.  7  n.  40 

Innd  IT,  anbang  ur.  892.  Der  ktne  wegen  werde  ich  die  Strodtmannsrhe  avnlang 
der  brii'Ic  Bürgere  mit  8.  B.  bezeichnen,  die  einzelnen  briefa  nach  den  unmineni 
(nicbt  Seiten]  citieren. 

9)  Vgl.  S.  B.  11.  318,  336,  338.  341  uiw.  Obrigens  glaube  icb,  das«  Iffirger 
in  GSttingen  gleioh  die  ganten  Reliques  kennen  lernte;  denn  wimm  mit  Qrise- 
bach  (G.  A.  Bürger.  Biographiacb-Iiterarische  Skizie  vor  deseoD  ausgäbe  von  BBTg4r« 
Werken,  Berlin  1872.  e,  XIII)  Dr  die  erste  BeJt  diu  medium  des  aohwiclilieben  aiia- 
zuges  annehmen ,  welcbtr  von  den  ßeliqnee  IT67  In  Götting«n  bei  Victorinns  Boa- 
eiege]  orscbienen  war,  den  auch  Tittmann,  Gottfried  Augnst  Bürger,  einleitirag  itn 
■einer  kritiaehen  anegabe  der  Bürgerscben  Gedicht»  1868.  s,  XLV  citiert.  nnd  wel- 
cher im  ganien  nur  11  von  den  Percyromanzen ,  darunter  nur  zwei  der  uniwoifel- 
b&ft  von  Bürger  bennzten  enthält.  Übrigens  entlich  nach  Goedeeku.  Bürger  in 
GStUngen  nnd  Gelliehaueen ,  1873,  a.  17  rur  zeit  des  anfenthaltes  io  Q&tUiigen  sulbrt 
niobt  er  die  Bcliqnes  von  der  GBttinger  bibliothck.  Modern  UOlty.  ^orch  den  ste 
den  übrigen  dichtem  erst  bekant  wurden*  (seit  dem  33.  no*.  1770).  Oeedecke  bat 
die  nlton  Biisleihebflcher  nachgesehen ,  unter  den  «.  79  ff.  aufgeführton  von  Bürger 
entliehenen  werken  befinden  sich  die  Relitjues  nicht;  Bürger  bescbränkt«  sicli  bher- 
haupt  in  der  benntzang  der  bibliothek  als  stndent  beinahe  ansscbliosalich  auf  jori- 
stischo  Bachen,  während  Holt?  fast  nnr  dichtoristlie  werke  in  anaproch  ualun. 

3)  Der  einfliiBs  der  romantischen  gegend  von  Gellichnnann  etc.  nnf  Bürgere 
dicbtung  iat  nicht  hoch  genug  anzuschlagen:  es  linden  sich  in  dem  Bärgerivhen 
biiefwechse!  lalilrejobo  daninf  beifiglicbe  andeutnngen  vim  ihm  selbst  nnd  van  selten 
«einer  frenndc.  Die  Gleichen  t.  b.,  die  er  ven  GolUebanaen  aus  auf  tügUeheE 
I  Spaziergange  erreiehen  konte.  beabsichtigte  er,  in  einer  nach  ihrem  namen  s: 
I  benennenden  ballade  zu  verherbeben.  Tgl.  S.  B.  III,  6<)U,  003  n.  &.<&,  vgl.  auch 
den  brief  Cramera  vom  october  1773.  S.  B.  I,  124.  wo  ea  von  der  Lonore  li 
„Kor  in  der  Geisterstunde  nnd  hei  den  Ruinen  der  ultcn  Gleichen  kennte  • 
mtück  enU}iinaaii  mm.' 


BALLADE   BIS  BÜBOER  299 

Schäften  dort  nahrung  fand;  insbesondere  die  leiden  und  freuden  der 
liebe  bis  zur  neige  kostete. 

Das  war  der  amtmann  Bürger,  den  das  „Actum  usw.^  und  „In 

Sachen  Gelliehausen ^'    nicht  abhielt,    einen   balladenton  in    die    weit 

hinauszusingen ,   wie    er   in  der  deutschen   kunstballade   nimmer  war 
erhört  worden. 

§  3.    Die  ersten  balladenversuche  Bürgers. 

In   der  Bürgerschen   balladendichtung  ist   eine   regelrecht  fort- 
laufende   entwickelung   nicht    zu    constatieren ;    einige   jugendversuche    ) 
abgesehen,   erreicht  er  die  höhe  seiner   dichterischen  production  sehr 
bald,  von  da  an  geht  es  hinab  und  hinauf  und  wider  hinab  wie  das    , 
leben  des  dichters.  .  ' 

In  seinen  allerersten  versuchen  freilich  steht  auch  Bürger  noch 
auf  dem  boden  der  Gleim  - Löwenschen  manier,  ja,  auch  er  ist  sich 
über  die  begrifTe  der  ballade  und  romanze  nichts  weniger  als  klar 
das  beweist  seine  1769  oder  1770  gedichtete  „Stutzertändelei",  ein 
burlesk -lyrisches  gedieht,  welches  er  anfangs  „Stutzerballade"  betitelte 
(vgl.  Döring,  Bürgers  Leben  s.  18  und  den  bekanten  brief  Boies  an  Gleim 
über  Bürger,  S.  B.  I,  11),  das  zeigt  vor  allem  seine  „Europa"  oder 
„Neue  weltliche  hochteutsche  Beime,  enthaltend  die  ebeutheuerliche 
und  wahrhaftige  Historiam  von  der  wunderschönen  Durchlauchtigen 
Kaiserlichen  Prinzessin  Europa  und  einem  uralten  heidnischen  Gözen 
Jupiter  item  Zeus,  genannt  usw.  Also  gesetzet  und  an  das  Licht 
gestellet  durch  M.  Jocosum  Hilarium,  Poßt.  caes.  laur."  Dieses  gedieht, 
über  dessen  entstehungszeit  viel  gestritten  wurde,*  unterscheidet  sich, 

1)  Althof  deutet  sie  nur  ungenau  an:  „ungefähr  um  1773  oder  1774",  Rein- 
hard im  register  zum  1.  teil  von  Bürgers  Gedichten  nent  „vermuthlich  1773", 
Götzinger,  deutsche  dichter.  Lpz.  1844,  8.200  behauptet ,  sie  läge  zwischen  dem 
entwürfe  der  „Lenore"  und  dem  „Raubgrafen";  diese  angaben  sind  falsch.  Auch 
Koberstein  (V,  38  anm.  28)  weiss  sich  nicht  recht  damit  zu  helfen.  Der  Jahreszahl 
1773  widerspricht  der  umstand,  dass  die  „Europa"  bereits  im  jähre  1771  in  dem 
erwähnten  briefe  Boies  an  Gleim  über  Bürger  als  fertiges  gedieht  Bürgers  auf- 
geführt wird  (vgl.  Grisebach,  oinl.  XV),  sie  scheint  demnach,  wenigstens  in  ihrer 
frühesten  fassung,  etwa  aus  dem  jähre  1770  zu  stammen,  wohin  sie  auch 
Strodtmann  in  dem  register  zum  Briefwechsel  (IV,  s.  293)  sezt.  Das  stück  ist 
in  der  folge  verschiedentlich  umgearbeitet,  wurde  viel  bewundert  und  ist  deshalb 
in  dem  ersten  bände  des  Briefwechsels  häufig  citiert.  Abschriftlich  scheint  es  schon 
vor  1775  verbreitet  gewesen  zu  sein ,  welch  leztere  Jahreszahl  Tittmann  s.  320  nent. 
Gedruckt  wurde  es  nicht  1774,  wie  Döring  angibt,  sondern  erst  1777  zu  Göttingen 
(ohne  Ortsangabe),  nachdem  es  Boie  für  das  deutsche  museum  zurückgewiesen  hatte 
(vgl.  S.  B.  I,  287).  Bürger  benuzte  in  diesem  stücke  die  romanze  zu  polemischen 
zwecken,  indem  die  verse  „Eu'r  batzen  soll  euch  nicht  usw."  gegen  Nicolai  und 
genossen  gerichtet,  spedel  auf  des  ersteren  vorrede  zu  „Danyel  Wunderlichs  Alma- 
nach"  gemünzt  waren.    Vgl.  S.  B.  1 ,  285  und  286. 


wie  BChou  dor  litel  besagt,  in  nichts  von  der  bänkelflftngermanier  der 
voraafgeheude«  {leriode,  ja.  es^iat  vielleiclit  das  gemeißato  gedieht^ 
wcjlches  in  dieaer.  manier  verfasst  worden^  ist  und  nur  durch  den  witz 
tmd  die  gewäute  form  dor  darstellung  den  unterschied  dos  dichtera 
gegen  jene  frostigen  reimer  erkennen   lilsat. 

Ein  unverkenbari's  streben  nach  dem  voUfstümlichen  verrüt  bereits 
„Der  Uaiihgraf**.^  Voss  bemerkt  zu  dem  briefe  vom  22.  april  1773, 
in  welchem  Bürger  dies  neue  stück  an  Boie  mitteilt,  der  dichter  habe 
angestanden,  „ob  er  ballade  die  scherzhafte  und  romanze  die  rührende 
erzShlnng  des  vniksliedos  nennen  solte  oder  umgekehrt,"  Boie  habe  za 
dem  lezteren  geraten. 

Von  dem  „ Ranbgrafeu"  weiss  man  freilich  auch  nicht  recht,  ob 
man  ihn  als  oine  scherzhafte  oder  rührende  erzählnng  bezeichnen  soll. 
Schlegel,  Charakteiistiken  und  Kritiken,  KSnigsberg  1801,  hd.  II,  s.  61 
will  ihn  sogar  eine  idylle  genant  wissen ! 

Was  znnachst  den  stoff  angeht,  so  knfipft  dies  gedieht  an  die 
geschieht«  des  wilden  grafen  Älbrecht  vom  Regenstein  bei  Quedlinburg 
an;  knüpft  an,  sage  ich,  denn  es  schildert  dessen  erlebuisse  durchaus 
unhistorisch ;  die  ganze  Regenateiner  gescbiclite  iat  aber  nur  episodisch 
behandelt,  wider  angeknüpft  an  die  scbanersageo ,  welche  diese  bürg 
umgehen,  und  welche  ein  vorn  herfahrender  postitlon  seinem  mixenden 
erzählt;  diese  erzäblung  läuft  in  eine  spitze  anu  gegen  die  franzlIsiBchen 
ranbritter  aus  Bürgers  tagen,  die  douauiers  Friedrichs  H.,  deren  einer 
au  den  wagen  tritt,  um  ihn  nach  ungegtempeltcm  tabak  zu  untersuchen! 
Die  erzSblung  des  „Schwagers  Matz"  wird  im  sinne  und  tnne  eines 
solchen  ungebUdeteu  rosaelenkors  reebt  gemütlich  und  mit  manchen 
fuhrmannsausdrGcken  und  -witzen  untermischt,  vorgetragen,  aber  es  ist 
ein  unterscbied  zwischen  fuhrmannswitz  und  volksmüssiger  darstellung! 
and  das  ganze  schon  durch  seinen  wunderlich  gemischten  Charakter  in 
der  tat  ein  ziemlich  abgeschmacktes  product,  wie  es  von  Probte  be- 
zeichnet wird, 

§  4.     Borgers  Lenore. 

Mit   dem   „Raubgrafen''    ziemlich   gleichzeitig  hatte  Bürger    ein 

ueuus  werk  concipiert,   welches  der  deutscben  romauzeu wir  sagen 

Ton  nun  au  besser  balladendichtung  —  eine  glAnzende  wcndung  zum 
bOBsem  geben  und  den  nanien  seines  Verfassers  als  des  tatsächlichen 
reformators  dieser  dichtungsart  für  alle  zeit  unvergänglich  machen 
soUo:  die  Lenore.     „Ich  habe  eine  herrliche  Romanzengescbichte  i 

I)  Die  iticbtnng    cntsUnd    im    april    1773 ,  vgl.  8.    ß.  1 ,  75.    Die   uigsbs 
Uütziiig;erB  (i.  SOO),   „Der  Ranbgnif'  mi  lucrtt  im  VossficbeD  mosDiialniaiudi  1 
ursebieBeji,  ist  tuuichtdf. 


1 


BALULDB  BIS  BÜ&GEB  801 

einer  uralten  Ballade  aufgestöbert,"  so  berichtet  er  über  diesen  neuen 
fund  an  Boie  am  19.  april  1773.^  Bürger  hatte  ihn  schon  im  voraus- 
gehenden Winter  getan,  als  er,  wol  ganz  zufällig,  einzelne  werte  aus 
einem  alten  volksliede  oder,  wie  sie  in  der  dortigen  gegend  genant 
werden,  „sginnstubenliede"  singen  hörte.  Er  forschte  weiter  nach, 
vermochte  jedoch  von  der  Sängerin  —  der  hausmagd  Christine  —  ausser 
den  zeUen:  Der  mond  der  scheint  so  helle, 

die  toten  reiten  schnelle 
und  den  werten  des  gesprächs:  „Graut  liebchen  auch  vor  toten?  Wie 
solte  mir  grauen?  Ich  bin  ja  bei  dir"  nichts  als  eine  —  wol  sehr 
abgerissene  —  mitteilung  über  den  Inhalt  des  Volksliedes  zu  erfahren, 
von  der  art,  wie  man  nachrichten  über  solche  gegenstände  aus  dem 
munde  ungebildeter  leute  zu  erhalten  pflegt;  an  den  text  der  ballade 
selbst  konte  er  nicht  kommen ,  wie  er  ausdrücklich  angibt.  Eine  freundin 
aber,  bei  der  er  sich  nach  dem  liede  weiter  erkundigte  —  vielleicht  die 
hofrätin  Liste  oder  fräul.  von  Bülow?  —  teilte  ihm  aus  einem  andern, 
wahrscheinlich  denselben  stoflf,  nur  in  einer  Variation  behandelnden, 
übrigens  niederdeutschen  volksliede  die  melodiösen  zeilen  mit: 

Wo  liese,  wo  lose        ^i  }ü{>. 

rege  hei  den  ring 
(vgl.  Pröhle,  s.  101  anm.  und  A.  W.  v.  Schlegel  im  Neuen  deutschen 
Mercur  1797,  s.  393  flf.).  Schon  Schlegel  weist  auf  die  Ungerechtig- 
keit des  zweifeis  an  dem  ehrlichen  namen  ß.  A.  Bürgers  hin,  wenn  man 
nach  dem  vorbilde  einiger  kritiker  immer  und  ewig  nach  einem  origi- 
nale der.  JiCnpre  sucht;  die  benutzung  eines  solchen  stelte  Bürger  ihm 
gegenüber,  abgesehen  von  einigen  zügen  des  alten  Volksliedes,  durchaus 
in  abrede.  Dasselbe  tut  er  in  einem  briefe  an  Boie  vom  6.  mai  (S.  B. 
I,  79):  „Herr,  das  ist  euch  eine  Ballade!  das  ist  ein  Minnelied,  die 
sich  gewaschen  haben!  und  ganz  original,  ganz  von  eigener  erfindung!" 
Jedenfals  ist,  was  Bürger  an  gegebenem  steife  benuzte,  zu  seinem 
grösseren  teile  auf  dem  boden  des,  wie  es  scheint,  verklungenen  deut- 
schen Volksliedes  zu  suchen,*  wie  Bürger  das  widerum  selbst  andeutet 

1)  Vgl.  S.  B.  I,  73.  Bürgers  briefwechscl  über  die  Lenore  wurde  mit  anmer- 
kungen  herausgegeben  von  Voss,  abgedruckt  unter  anderen  in  dem  7ten  bände  von 
G.  A.  Bürgers  „Sämmtl.  Werken",  herausgeg.  von  Reinhard,  Berlin  1824,  s.  51  —  89, 
in  der  ausgäbe  der  Bürgerschen  werke  von  Bohtz,  Gott.  1835,  s.  463—471;  er  ist 
femer  enthalten  in  S.  B.  bd.  I. 

2)  Das  im  Wunderhorn  „Lenore"  betitelte  sogenante  „Volkslied"  ist  zuver- 
lässig gefälscht.  Vgl.  Wackernagel,  Zur  Erläuterung  und  Beurtheilung  von  Bürgers 
Lenore  in  W.  Wackernagels  „Kleinen  Schriften*',  Leipzig  1873,  bd.  2,  s.  399—427, 
daselbst  s.  421  und  „Des  Knaben  Wunderhorn*"  herausgeg.  von  Birlinger  und  Cre- 

^     celius  U,  8.  264  anm. 


(S.  B.  I,  82,  in  dem  briefe  an  Boie  vom  10.  mai):  „Der  StöfT  ist  aus 
einem  alten  Spinn stubenlioile  genomineu".  Schwerlich  dagegen  wird 
au  eine  bonutznng  des  englischen  SufTolk  miracle  an»  der  schon  dam&ta 
sehr  seiteneu  balladensamlung  von  1723  zu  denken  Hein,  die  ftärger 
wol  nicht  zugänglich  gewesen  ist,  wie  I'röhle  lü3  6.  glaubhaft  gemacht 
hat.  (Diexe  sauiluog  beßndct  sieh  auch  jezt  nicht  auf  der  QAttinger 
bibliotbek).  Ich  habe  dieser  bailade,  wenigstens  des  ganzen  tettes, 
nicht  habhaft  werden  köunao,  vielleicht,  dass  aus  derselben  direct  eine 
Widerlegung  des  englischen  kritikers  möglich  wäre,  welcher  (in  ITie 
Montbl>  Magazine,  sept.  1796,  vol.  II,  nr.  f*,  e.  C03)  diese  ansieht  auf- 
gestelt  hat.  Der  Iftruieude  streit,  der  sich  nach  Bürgers  tüde  über  die 
Originalität  der  „Lenore"  erhüben  hatte,  ist  überhaupt  längst  in  hjper- 
kritischer  diftelei  versumpft  und,  ihn  noch  einmal  aufrühren,  Messe  nur 
den  quark  breiter  treten. 

Viel  wiclitiger  als  diese  ganze  frage  ist  die  tutsache,  dass  der 
dichter  mit  si^iner  „Lenore"  einen  beneidenswerten  griff  in  einen  unge- 
heuren sageucomplex  tat  (welches  Wackernagel.  Zur  Erklärung  und 
Uetirtheilung  vou  Bürgers  _Lenore"  in  Wuckernagels  „Kleioeu  Schriften'* 
Leipz.  1873,  bd.  U.  399—427)  und  Pröhle  (0.  A.  Bilrger,  Leipz.  185G. 
77  — 115)  philologisch  eingebend  erörtert  haben.  Dieser  sugeiicomplei, 
etwa  demjenigen  der  Parzival-  oder  wilden  jügersage  vergleichbar,  ist 
ein  gewaltiger  baura,  dessen  Jiste  sich  über  die  volkslitteratur  fast  der 
gesamten  arischen  Völker  erstrecken,  deutsche,  englische,  skandinavische,* 
I  bretonische,  serbische,  neugriechische  Volkslieder  sind  aus  seinen  Eweigeo 
l  ersprossen,  von  denen  einige  selbst  die  heissen  tüler  Indiens  Oberschatten, 
wBbrend  andere  und  nicht  gerade  unbedeutende,  in  den  deutschen  Harz 
und  in  die  gegcnd  von  Göttingen  gewachsen  sind,  wo  sie  G.  A.  Bürger 
zu  gesiebte  kamen.  Dieser  sagencomplex  verdankt  seine  gewaltige  aus- 
dehuung  seiner  ethischen  tiefe  und  der  algemein  empfundenen  Wahrheit, 
auf  der  er  ruht,  der  Wahrheit,  dass  das  leben  beziebungen  von  einer 
feste  und  inuigkeit  zu  knüpfen  vermag,  dass  sie  selbst  der  tod  aufziT-" 
lösen  nicht  im  stände  ist.  Unter  diesen  beziebungen  nimt  wie  begreiflich 
die  liebe,  speciel  die  geschlechts-  und  gattenliebe  eine  hervorragende 
stelle  ein.  Daher  die  zahllosen  sagen  des  beiden-  wie  des  christen- 
tuines,  dass  gestorbene  widererscheinen  und  lebende  durch  den  uuignug 

1)  E*  ist  mir  gplnagen,  «q  ileD  mblrricli-^n  vnn  Wackernagel  und  PrOhl« 
mit^tciltflii  licdcrn  unil  liederresten  Biia  tlnr  alten  volkasng«  tmcii  das  frKgiiicnt 
(■iti«s  RcbwinliBchcn  vulksHcdcs  d«r  protinx  Sclion«n  iu  ennitti^lii  iiaitgi'tuilt  in  dur 
vorrMe  ta  der  ächnDiligohen  VulbsUedeTBaiultuig  foa  UeijcT  ond  Afielluii)i  ea  lautet: 

M&Dui  skiuet. 

DOdmu  rider: 

Ar  da  icJte  räddec  liii.  Holla? 


^ 


BALLADX  Bli  BÜBOBB  803 

mit  diesen  abgeschiedenen  selbst  dem  tode  anheimfallen.  Dahin  gehört 
das  verschollene  Göttinger  Volkslied ,  dahin  die  William  und  Margareth- 
balladen  in  dem  Percy,  welche  Bürger  zweifelsohne  gekant  und  (nament- 
lich Sweet  William's  ghost,  Percy  3,  126  [ich  eitlere  die  Reliques  nach 
der  zweiten  ausgäbe,  London,  Dodsley  1767])  in  einzelnen  zügen  bei 
der  ausarbeitung  seiner  „Lenore^  benuzt  hat. 

Der  umstand,  dass  Bürger  eine  so  tiefsinnige  und  wahrhaft  volks- 
mässige  sage  von  so  algemein  menschlicher  Wahrheit  erfasste,  verbürgte 
einerseits  von  vornherein  die  beliebtheit  und  popularität  seines  werkes, 
während  er  anderseits  durch  die  richtung  auf  die  tiefe,  welche  er  der 
kunstballade  gab,  für  diese  bedeutungsvoll  wirken  muste.  Ein  glück- 
licher. Zufall  fügte  überdies,  dass  Bürger  gerade  in  jener  zeit,  im  mal 
1773,  die  „Fliegenden  Blätter  von  deutscher  Art  und  Kunst"  bekant 
wurden,  welche  alles,  was  bis  dahin  von  sinn  und  drang  zur  volks- 
poesie  in  dumpfer  ahnung  in  seinem  busen  geschlummert  hatte,  zu 
freudiger  klarheit  erweckten.  Das  spricht  er  selbst  aus  in  dem  briefe 
an  Boie  vom  18.  juni  (S.  B.  I,  89):  „0  Boie,  Boie,  welche  Wonne!  als 
ich  fand,  dass  ein  Mann  wie  Herder  eben  das  von  der  Lyrik  des  Volkes 
und  mithin  der  Natur  deutlicher  und  bestimmter  lehrte,  was  ich  dunkel 
davon  schon  längst  gedacht  und  empfunden  hatte.  Ich  denke,  „Lenore" 
soll  Herders  Lehren  einigermassen  entsprechen."  —  Und  bald  darauf 
lernt  er  ein  anderes  werk  kennen,  dessen  unmittelbaren  einfluss  auf 
die  „Lenore"  Bürger  selber  wider  ausdrücklich  angibt  (brief  an  Boie 
vom  8.  juli,  S.  B.  I,  93):  „Dieser  „Götz  von  Berlichingen"  hat  mich 
wieder  zu  3  neuen  Strofen  zur  „Lenore"  begeistert!  —  Herr,  nichts 
weniger  in  ihrer  Art  soll  sie  werden,  als  was  dieser  „Götz"  in  seiner 
ist."  Und  sie  ist  in  der  tat  nichts  weniger  geworden,  nur,  dass  „Lenore" 
Bürgers  bedeutendste  Schöpfung  war  und  blieb,  während  Goethe  den 
rühm  seines  „Götz"  durch  grössere  werke  verdunkelte! 

So  wuchs  denn  die  „Lenore",  von  dem  deutschen  volksliede  ange- 
regt, von  den  werken  der  stürm-  und  drangperiode  gezeitigt,  unter 
den  veredelnden  eindrücken,  die  eine  romantische  natur  schon  vor  der 
gehurt  auf  das  kind  der  phantasie  ausübten;  nicht,  wie  die  meisten 
werke  der  stürmer  und  dränger  war  sie  eines  tages  da,  sondern  in 
harten  wehen  rang  sie  sich  aus  dem  schösse  des  dichters,  und  der 
ganze  Göttinger  bund  hat  bei  der  gehurt  geholfen.  Der  einfluss  dieser 
begeisterten,  phantasie-  und  gemütvollen  Jünglinge,  sowie  derjenige  des 
nüchternen,  aber  formgewanten  Boie  auf  die  lezte  äussere  gestaltung 
der  „Lenore"  ist  immerhin  nicht  gering  zu  achten,  wie  aus  dem  betref- 
fenden briefwechsel  (S.  B.  I,  109.  111.  115.  117  flf.)  hervorgeht,  wenn 
auch  nicht  alle  von   den  freunden  vorgeschlagenen  änderungen  verbes- 


SOi  B0LZHAÜ8EK 

serungon  waren.  An  den  bildem  und  ausdrücken,  sowie  am  rhytbmus, 
wurde  fortwährend  geändert  —  „Lenore  kreischt  unter  der  Feile",  heisst 
es  an  einer  stelle  jenes  briefwechsels  —  aber  auch  ganze  atrophen 
wurden  umgeworfen,  umgeschafien ,  andere  eingeschoben.  So  lautete 
bekantlich  —  um  nur  ein  beispiel  anzuführen  —  der  frühere  anfang 
abweichend  von  dem  jezt  in  aller  munde  lebenden: 

Lenore  weinte  bitterlich, 
ihr  leid  war  unermesslich, 
denn  Wilhelms  bildnis  prägte  sich 
in  s  herz  ihr  unvergesslich. 

Erst  im  September  1773  war  ^.Lenore'',  die  im  frühjahr  begonnen 
worden,  druckreif,  und  es  lässt  sich  nun  übersehen,  was  Bürger  aus 
seinem  stoffe  gemacht  hatte. 

Ein  gewaltiges  bild  verzweifelter  liebesleidenschaft  hatte  er  ge- 
zeichnet, welche  in  ihrer  stärke  zu  raserei  und  frevel  wird  und  dadurch 
ihre  trägerin  dem  tode  überliefert.    Aber  wie  wird  dieser  geschildert! 

Das  hineinwogen  der  geisterweit  in  die  irdische  wird  zu  einem 
zweiten  grossartigen  gemälde  neben  dem  ersten,  dem  bilde  der  ver- 
zweifelten, und  diese  gemälde  sind  durchaus  in  dichterische  bewegong 
gesezt;  alles  ist  handlung,  echte,  dramatische,  sich  immer  steuernde 
handlung,  welche  mit  einer  furchtbaren  katastrophe  abschliesst^ 

Seiner  composition  nach  zerfalt  das  gedieht  in  drei._hauptteile. 
Zuerst  wird,  nach  den  kurzen  einleitungsworten,  die  scene  eines  aus 
dem  kriege  heimkehrenden  heeres  in  epischer  ruhe  entwickelt;  alsdann 
die  Verzweiflung  der  unglücklichen  braut  geschildert,  welche  den  geliebten 
unter  den  einziehenden  nicht  gefunden:  diese  und  die  folgende  scene 
sind  völlig  in  dialoge  aufgelöst,  die  erste  in  das  Zwiegespräch  zwischen 

1)  Es  ist  übrigens  nicht  zu  vorkonnen.   dass  die  gruadidce   des   Volksliedes 

oilor  der  Volkslieder  des   tranzen   aajronkreises  durchaus   umgestaltet  jsj,    In  allen 

jenen    ist  os  die    liebe  selbst.    wi^Iche  den  andern  teil  zu   dem  geliebten   ins   grab 

zieht,  und  derselbe  fol^  bi:;  zum  lezten  augeublicke  im  innern  willig,  wenn  er  sich 

ai'.«*h  vielleicht  vor  dem  grabe  entsezt.     Lenorens  tod  aber  ist  eine  strafe  för  das 

fffvoliide  aullehuen  ihrer   leiden schaft   gegen  gott   und  die  göt liehe  ordnang.     Über 

die  ethische  berechtigung  dieser  moilcmi'n,  etwas  theologisierenden  auffassang  Hesse 

sich  streiten,  jedi-nfals  i>t    fin  zug.    wie  Giazinger  (s.  VXi)  und  andere  angemerkt 

haben  —  der  einzige   in  der  »Lenore"  —  geschmacklos .  dass  nämlich  der  geliebt« 

am  Schlüsse  selb>t  als   der  tod  tmd  volzieher  des  götlichen  Strafgerichts  enchfiiot 

(str.  30).     Auch  das  dortige  bild,    die  Verwandlung   des  reiters   in   die   (moderne) 

Schreckgestalt  des  tinlcs  als 

gerippe 

mit  Stundenglas  und  hippe 
Ist  meiner  ansieht  nach  als  abstossend  zu  bezeichnen. 


fiALLlDX  BIS  Bl^BOSll  S06 

töchter  und  matter,  die  leidenschaftlichen  aasbrüche  der  einen  und  die 
trostversuche  der  andern,  die  zweite,  der  geisterritt,  in  den  dialog  zwi- 
schen Lenore  und  Wilhelm,  die  angstreden  des  mädchens  und  die  immer 
grässlicher  klingenden  werte  des  gespenstischen  reiters. 

Mit  genialer  meisterschaft  ist  die  Charakterschilderung  in  der 
„Lenore^  ausgefQhrt;  die  Charaktere  sind  voll  individueller  Wahrheit 
und  mit  realistischer  schärfe  aufgefasst,  die  einzelnen  züge  fast  alle 
wahr  und  würdig;  eine  eigentliche  so  genante  mani^r  ist  allerdings  im 
werden  begriffen,  aber  sie  taucht  noch  unter  in  dem  lebendigen  ringen 
und  schaffen  des  Jünglings  und  ist  von  jeder  beengenden  starre  noch 
weit  entfernt. 

Vorzüglich  wirkt  gleich  der  anfang: 

Lenore  fuhr  ums  morgenrot 

empor  aus  schweren  träumen, 

„Bist  untreu,  Wilhelm,   oder  tot? 

Wie  lange  wüst  du  säumen?^  — 

Mit  einem  schlage  steht  der  leser  mitten  in  der  Situation.  Und 
nun  die  glückliche  anknüpfung  an  die  schlacht  der  Soldatenlieder,  die 
populärste  des  siebenjährigen  krieges: 

Er  war  mit  könig  Friedrichs  macht 
gezogen  in  die  Prager  schlacht 
und  hatte  nicht  geschrieben, 
ob  er  gesund  geblieben. 

Es  ist  friede  geworden  und  das  beer  zieht  heim: 
Geschmückt  mit  grünen  reisern. 
Allüberall  ist  freude,   nur   das  arme  kind  läuft  vergebens  die  reihen 
auf  und  ab,  ohne  den  geliebten  zu  finden,  bis  sie,  von  der  Verzweiflung 
übermant,  sich  zu  boden  wiifb.    Diese  steigert  sich  in  reissender  climax. 

Erst,  als  die  mutter  sie  in  die  arme  schliesst,  klingt  es  noch 
sanft  und  resigniert,  wenn  auch  aus  völlig  verödetem  herzen: 

„0  mutter,  mutter,  hin  ist  hin! 
Nun  fahre  weit  und  alles  hin! 
Bei  Gott  ist  kein  erbarmen. 
0  weh,  0  weh  mir  armen!" 

Die  trostworte  der  mutter  aber  reizen  sie  zum  Widerspruche,  der 
sich  mit  dem  grade  der  trostgründe  immer  mehr  steigert: 

„Was  Gott  tut,  das  ist  wolgetan" 

sagt  die  mutter  und  Lenore  entgegnet: 

„0  mutter,  mutter,  eitler  wahn! 
Gott  hat  an  mir  nicht  wolgetan." 

suTtoB».  y.  BB*i»^  ""«^eia.    bd.  xy.  ^^ 


ao6 

Die  mntter  erinnert  an  das  sacrament,  welches  ihren  jammer  lindem 
werde;  sie  antwortet: 

^0  nintter,  mntter,  was  mich  brent. 
das  lindert  mir  kein  sacrament, 
kein  sacrament  mag  leben 
den  toten  widergeben.*^ 

So  wuchst  Lenorens  wilde  leidenschaft.  bis  sie  auf  den  lezten 
trost^Tund  der  mntter  mit  den  wilden«  wnnderscht^nen  worten  himmel 
nnd  h^lle  heransfordert : 

^O  mntter!   Was  ist  Seligkeit? 
0  mntter  I    Was  ist  hölle? 
Bei  ihm«  bei  ihm  ist  Seligkeit 
nnd  ohne  Wilhelm  höUe! 
Lisch  ans,  mein  licht,  anf  ewig  ans! 
Stirb  hin«  stirb  hin  in  nacht  nnd  grans! 
Ohn*  ihn  mag  ich  anf  erden, 
mag  dort  nicht  selig  werden.' 

So  wütei  sie  weiter  gegen  sich  seltner«  bis  naeh  sonnemmtergang  am 
himnic^l  viie  steme  heranf  liehen.  Ton  einem  nachhansegehen  der 
Leuore  meldet  der  dichter  nichts:  er  hat  hier  nnbewnst,  aber  mit  rielem 
clück  die  s^rnnghaäe  weise  des  Tolksliedes  nachgeahmt  und  hat  dies 
anch  ge^n  die  Gvtüaärf r  frennde  Teneioigt.  *  Lenore  ist  offenbar  allein 
in  ihn^m  klmmeivheu,  als  es  dranssen  an  die  tnre  pocht: 

Uni  horch!  nnd  horch!    Der  pfonenring 
«nj  I051?«  Irise  klinirliaditc!* 
Dann  kamen  disnrh  die  pfone 

TrTLehsilicb  dies*?  wone  nsw. 

Und  snn  steht  d^r  c?l:t^:e  vor  der  itr^  u:ii  schon  wird  er  dem  lesn; 
dem  a&:h  eii:e  c>^vi^i^,^  kil:<  ar  ihm  iiich«  ezitsreiit.  ia  anheimlidier 
arde-fir.c  aiier  ieT*.'it: 


Weit  rin  ::h  b*r  v:-  B:^!i 
Ich  biir^e  sri:  nici  azf^&aci;: 

zzi  w«i  ux*  ti:t  mr  ZH 


i    Tvtrsis  :.n7  fiiif  :f fc/:ifcrf.  Wfuz.  ü?i  iJÄi  cmj  ;«^iidn< 


fiALLADB  BIS  b4b6B&  807 

Lenore  versteht  weder  diese  noch  auch  eine  zweite,  ebenso  geheimnis- 
volle andeutang: 

„Sieh'  hin,  sieh'  her,  der  mond  scheint  hell, 

wir  und  die  toten  reiten  schnell. 

Ich  bringe  dich  zur  wette 

noch  heut'  in's  hochzeitsbette.'' 

Die  beiden  ersten  Zeilen,  eine  Variation  der  stelle  des  Volksliedes, 
widerholen  sich  in  den  folgenden  Strophen  mit  leisen,  aber  charakte- 
ristischen änderungen.  Das  erste  mal  sagt  Wilhelm:  »Wir  und  die 
toten  reiten  schnell^,  eine  Zweideutigkeit,  deren  wahren  sinn  das  mäd- 
chen  ganz  und  gar  übersieht  und  den  nur  der  achtsame  leser  mit 
grausen  zu  verstehen  glaubt. 

In  den  folgenden  Strophen  aber  heisst  es: 

Hurrah,  die  toten  reiten  schnell, 

welches  wider  zu  dem  dahin  jagenden  reitersmanne  treflich  passt. 

Lenore  aber  hat  sich  nichts  ahnend  zu  dem  reiter  aufs  ross 
geschwungen : 

Und  hurre,  hurre,  hopp,  hopp,  hopp! 
ging's  fort  in  sausendem  galopp, 
dass  ross  und  reiter  schnoben 
und  kies  und  funken  stoben. 

Ist  vielleicht  in  dem  hurre,  hurre,  namentlich  in  der  öfteren  widcr- 
holung  dieser  klangmalerei  etwas  zu  viel  des  guten  getan,  so  ist  ganz 
vorzüglich  der  gespenstische  ritt  eingeleitet,  der  im  folgenden  mit  voll- 
endeter kunst  geschildert  wird: 

str.  20        Zur  rechten  und  zur  linken  band, 
vorbei  vor  ihren  blicken, 
wie  flogen  anger,  haid'  und  land! 
wie  donnerten  die  brücken! 

Str.  24  jagen  sie  noch  schneller:. 

Wie  flogen  rechts,  wie  flogen  links 
gebirge,  bäum'  und  hecken! 
Wie  flogen  links  und  rechts  und  links 
die  dörfer,  städt'  und  flecken! 

Str.  27  geht  es  vollends  in  rasendem  fluge: 

Wie  flog,  was  rund  der  mond  beschien, 
wie  flog  es  in  die  ferne! 
Wie  flogen  oben  über  hin 
der  himmel  und  die  steme! 


H(kK  HOLtllAÜSlM 

Alior  mohr  noch  als  diese  Schilderung  muss  der  dialog  die  auf- 
luorksainkoit  in  ansprueh  nehmen;  das  furchtbare,  in  balladenmässigem 
rotVain  immer  widorkehrendo: 

^Graut  liobchen  auch?  der  mond  scheint  hell! 
hurrah,  die  toten  reiten  schnell! 
Graut  liobchen  auch  vor  toten ?** 

\\{\\\  dio  sioli  von  minute  zu  minute  steigernde  angst  des  mädchens. 
woloho  j»ich  in  den  kurzen  antworten  spiegelt  Das  erste  mal  (str.  20) 
antwortet  sie: 

««Ach  nein! doch  lass  die  toten!* 

l>as  andere  mal  i^str.  24): 

,,Aoh!    lass  sie  ruhn,  die  toten.*' 

IKis  le/te  mal  ^^str.  ül"^  kreischt  sie  auf: 

,.0  weh!   lass  ruhn  die  toten!* 

Tnd  da/.wisohen  die  luttigen  gespensterbilder,  der  leiohenzug  und  das 
,,i;esiu.lel-  am  hoobgericht •  welche  auf  des  reiters  aufforderung  alle 
hin:erdreiu  irerasselt  und  geprasselt  kommen  —  die  fürchterlichen  hc-ch- 
zoits^üste!  —  Auch  der  eintritt  auf  den  kirehbof  wird  meisterhaft 
ireschil.iort : 

Kasch  auf  eia  eisern  gittertor 
giug's  mit  verhängtem  lügel. 
Mit  schwanker  gert*  ein  schlag  davor 
versprengte  schloß  und  riegeL  ^ 
IHe  tlügel  dogea  klirrend  auf. 
U3'i  über  griber  ging  der  lauf. 
es  blinkten  leicaensteine 
rundum  im  monienscheiie. 

t     V'i  J*e«?e  *EtfiIe  iiiüt^  *i»:ii    iie  sa^.    Lui<  iIs  Büryir  btiim  Tnre-Ka    ier- 

%ri^    tjcrr-v^vlic  i3«l  -.»a&wzc  Ti|in    »crtiilt«  AiU^«pniK«m  wi.   -fines    ier  iiüinriien, 

Lcii'  r*.:vsjr>vaan;^a    ^rtiäsiert    t^   ien  brltjt  Boieü  an  Abtaut.   5.  3.  IV    ir.  '*:*:i 

im   i.:;u.»:,'   .     Ais  itju  brvfVn  >.  S.  l.  l»}?.  Z*}*y  imi  MT  ^hc  Aövr  in^-wt-'i-iaiit 

iicrv«  r     ..k>c^    ■•  .    .iciif  l^oor*;^  ."He^un;^  im  ixnüiinät*  BUrsper  iiit    iva  im^a  x- »- 

-••«*■"  Wr^  jiOi-    ;  tsaainun  ^**»«o    -win  ükoa,   ia  Bür>pir  üe  :Mt2^  ,LdD«-r*-*    'r<    un 

sC'i". j'ii   "in  i'T  •.•iroiii^'r  nirvrsität  u  Bürger  ▼»>«  iem  «aönicstf   »c.ir-.  >•*»!. 
Ich    i^<  \  '^ei    ter  «T^cOir?'   x\t(  sie  ^«»tii^aLÜr  bsui«*.    Tai  iitf   iem  Jncfe  'iür:;*^^ 


4 


BALLADE   BIS   BÜRGER  309 

Ebenso    das   zerfallen   des    statlichen   reiters,    bis  auf  den   oben     JryÄn^ 
erwähnten  punkt  und   die  schon  von  A.  W.  Schlegel  (Charakteristiken 
und  Kritiken  II,  48)  gerügte  zeile: 

Huhu!  ein  grässlich  wunder! 
Nicht  minder  echt  balladenmässig  ist  das  verschwinden  des  gespen- 
sterrosses  und  das  geheul  der  tanzenden  geister.    Auch   der  schluss^ 
—  man  mag  über  die  idee  urteilen  wie  man  will  —  wirkt  entschieden 
ergreifend: 

Geduld,  geduld!  Wenn's  herz  auch  bricht! 

Mit  Gott  im  himmel  hadre  nicht! 

Des  leibes  bist  du  ledig, 

Gott  sei  der  seele  gnädig! 

Das  war  die  „Lenore",   die  erste,   echte  deutsche   kunstballade, 
welche  Bürger,     „wenn  er   sonst    nichts    gedichtet    hätte,    allein    die 
Unsterblichkeit  sichern  würde."     „Sie  bleibf*,  nach  Schlegels  treflichem  \ 
ausspruche,  „immer  der  kostbare  Ring,  wodurch  er  sich  der  Volkspoesio,  \ 
wie  der  Doge  vpn  Venedig  dem  Meere,  für  immer  anvertraute." 

Eine  solche  dichtung  muste  einen  stürm  von  beifall  in  Deutsch- 
land hervorrufen ,  und  gerade  dem  umstände ,  dass  die  erste  eigentliche 
deutsche  ballade  eine  „Lenore"  war,  ist  nicht  zum  wenigsten  das 
algeraeine  interesse  zuzuschreiben,  welches  von  nun  an  die  gattung  der 
ballade  und  romanze  in  unserem  vaterlande  in  den  dichterischen  wie 
in  den  weiteren  kreisen  der  gebildeten  bevölkerung  gewann  und  be- 
hauptet." * 

1)  Über  den  albemon  Vorwurf,  „Lenorc"  habe  keinen  schluss,  möchte  ich 
nur  kurz  auf  Götzinger  (s.  195)  verweisen. 

2)  Über  den  erfolg  der  Bürgorschen  dichtung  geben  die  berichte  der  Zeit- 
genossen die  unzweideutigsten  nachrichten.  Dass  der  hainband  ihr  zujauchzte  und 
dem  dichter  die  angeroasste  poetische  condorwftrde  von  nun  an  gern  cediertc,  ist 
leicht  begreiflich;  wie  wenige  litterarische  erzcugnisse  durchflog  die  „Lenore"  ganz 
Deutschland,  wie  unter  dem  landadel  auf  dem  Eichsfelde»  so  findet  sie  in  den  kreisen 
der  adeligen  damen  in  Holstein  bcwunderung  (vgl.  S.  B.  I,  lö6),  ein  andermal  hört 
sie  Bürger  selbst  auf  dem  dorfe  von  einem  Schulmeister  vorlesen ;  auch  der  umstand, 
dass  sie  in  dem  Göttinger  Musenalmanach  erschien,  ist  nicht  unwichtig,  da  sie 
wesentlich  beitrug,  diesen  in  den  verschiedensten  kreisen  beliebt  zu  machen  und 
för  die  zahlreichen  bailaden  der  folgenden  Jahrgänge  von  vornherein  ein  lebhaftes 
interesse  erweckte.  Aus  den  musenalmanachen  wanderte  „Lenore"  gar  bald  in  die 
Chrestomathien  und  lesebücher  und  wurde  im  eigentlichen  und  edelsten  sinne  ein 
liebling  der  deutschen  nation.  Ich  übergehe  die  zahlreichen  Übersetzungen,  nach- 
bildungen,  illnstrationon  usw.  des  gedichtes,  möchte  aber  doch  die  compositionen 
mit  einem  werte  erwähnen.  Bürgers  bailaden  wurden  sehr  vielfach  componiert, 
strophisch  und  melodramatisch,  obwol  dieselben  durch  das  aufgeben  der  sanges- 
massigen,  einfachen  form  des  Volksliedes  zu  der  ersteren  art  der  composition  sich 


310  HOLZHAUSBN 

§  5.    Die  übrigen  balladen   Bürgers. 

Hatte  Bürger  mit  der  „Lenore^  die  bailade  im  grossen  stile 
eröfnet,  die,  wenn  auch  nach  inhalt  mid  form  in  vieler  beziehung 
volksmässig,  doch  durch  die  grossartigkeit  der  auffassung  und  dar- 
Stellung  einenstandpunkt  einnahm,   auf  den  sich  das  Volkslied  unmög- 

}3iL  lieh  stellen  konte,  so  trat  der  dichter  dem  einfachen  volksliede,  soweit 
es  künstlerisch  angebaut  werden  kann,  auf  eine  andere  weise  näher. 
Es  geschah  in  jenen  kleineren  gedieh ten  unter  seinen  ^balladen^, 
welche  er  seit  1773  neben  der  grossen  balladendichtung  herlaufen 
liess  und  welche  mehr  das  specifische  wesen  der  romanze,  namentlich 
im  lyrisch -musikalischen  sinne,  an  sich  tragen.  Diese  gedichte  haben 
übrigens  nicht  den  springenden,  abgebrochenen  Charakter  der  alten 
Volkslieder;  es  sind  stille  anspruchslose  blumen,  manche  durch  ihre 
lyrische  färbung  den  Claudiusschen  liedern  ähnlich.  Dahin  zähle  ich 
z.  b.  das  reizende  „Spinnerlifid**,  welches  Schlegel  mit  recht  gelobt 
hat.  Andere  sind  episch,  aber  sie  sind,  ihrem  umfange  nach  doch 
nur  genrebilder,  kleine  balladische  genrebilder,  die  eine  weiche,  träu- 
merische Stimmung  hervorrufen ,  wie  z.  b.  „Bobwt"  (1775),  das  liebens- 
würdige gegenstück  zu  Claudius'  ^Fhidile^ ;  zuweilen  erheben  sie  sich  zu 
dialogischer,  fast  dramatischer  ausgestaltung,  wie  „Der_ntter  und  sein 
liebchen"  (1775),  und  das  sinlich  derbe,  aber  gesunde  „Der  wolgesinte 
liebhaber'^  (1792)  nach  The  silent  night  her  sables  wore  in  den  Ancient 
and  modern  songs,  Edinb.  1776.   I,  289. 

73'/  Den  gang  der  Bürgerschen  grossballade  der  ernsten  richtung  werde 

ich  von  jezt  an  weiter  zu  verfolgen  haben,  wie  sich  dieselbe  nach  der 
Lenorecomposition  zwar  nicht  eigentlich  höher  entwickelt,  aber  doch  in 
verschiedener  weise  ausgestaltet,  auf  wegen,  welche  far  die  entwickelung 
der  deutschen  balladenpoesie  überhaupt  nicht  unwichtig  geblieben  sind. 
Der  zeit  nach  früher  fölt  indessen  ein  rückschlag  in  die  manier  der  ironisie- 
renden romanze,  in  welche  Bürger  überhaupt  öfter  zurücMält,  und  von  der 
einzelne  spuren  auch  den  meisten  seiner  ernsten  balladen  sich  anhängen. 
Freilich  forderte  nicht  leicht  ein  stoff  so  zur  burlesken  behandlang 
heraus  wie  die  sage  der  „Weiber  von  Weinsberg"  (die  romanze  ent- 
stand nicht,  wie  Griesbach  angibt,  1774,  sondern  1775  —  76,  vgl.  die 
briefe  Bürgers  an  Boie  vom  19.  aug.  1775  und  15.  juli  1776,  S.  B.  I,  183 
und  255),  welche  Bürger  wahrscheinlich  aus  der  ,.Allgem.  Geschichte  von 

wenig  eigneten.  Es  zeugt  diese  erschoinuDg  übrigens  widemm  von  dem  auch  in 
den  componisten  lebenden  gefühl  des  Zusammenhanges  der  bailade  mit  dem  gesange; 
Bürgers  „Lenoro*'  wurde  zuerst  von  dr.  Weiss  in  Qüttingen  componiert,  dann  von 
Andre  und  weiterhin  von  Zumsteeg  (Leipzig  1798,  querfolio).  Vgl.  hierüber  Döring, 
G.  A.  Bürgers  Leben,  s.  68  anm. 


BALLADE   BIS   BÜBGEB  311 

Schwaben  und  der  benachbarten  Lande^,  Lindau  und  Ghui*  1772,  teil  I, 
601  fgg.  und  Crusius,  AnnaL  Suevici  (Dodecas  2,  p.  382,  ed.  Prancofurt 
1595)  kennen  lernte.  (Vgl  F.  W.  VaL  Schmidt ,  Balladen  und  Romanzen 
der  deutschen  Dichter  Bürger,  Stolberg  u.  Schiller.  Berlin  o.  jähr,  s.  24flF.). 
Die  zärtlichen  weiber,  welche  ihre  männer  „huckepack"  aus  der  bela- 
gerten veste  schleppen ,  in  der  tat  eine  lebhafte  illustration  des  du  sublime 
au  ridicule  il  n'y  a  qu^un  pas!  Auch  zeigt  Bürgers  dichtung,  die  sich 
durch  einheit  und  einstimmigkeit  über  den  „Baubgrafen"  unvergleichlich  iv^ . 
erhebt,  wie  man  auch  das  bänkelsängerlied  durch  humor  und  geistvolle 
behandlung,  wobei  einige  derbheit  immerhin  nicht  ausgeschlossen  ist, 
zu  einer  ästhetisch  nicht  übel  wirkenden  dichtung  verarbeiten  könne. 

Einen  entschiedenen  missgriff  dagegen,  nicht  sowol  in  der  wähl 
seines  Stoffes  als  vielmehr  in  der  behandlung  desselben  tat  Bürger  in 
einer  bailade,  welche  von  minder  begabten  dichtem  in  der  folge  alzu- 
häufig  nachgeahmt,  zu  traurigen  .verirrungen  auf  dem  gebiete  der  bsd- 
l^en-  und  romanzendichtung  führen  solte,  in  seinem  „Lenardo  und 
Blandine".  Bürger  entnahm  den  stoff  aus  einer  novelle  Boccaccios 
(Decamerone  4,  1,  die  gleiche  materie  ist  in  den  romanischen  littera- 
turen  sehr  vielfach  behandelt,  vgl.  F.  W.  Val.  Schmidt  a.  a.  o.  s.  43  ff. 
und  desselben  „Beiträge  zur  Geschichte  der  romantischen  Poesie"  Berlin 
1818,  s.  30  ff.),  welche  die  geschichte  der  liebschaft  einer  jungen  witwe, 
der  königstochter  Sigismunda,  mit  ihrem  diener  Guiscardo  erzählt.  Von 
dem  vater  belauscht  und  zur  rede  gestelt,  weist  Sigismunda  mit  weib- 
licher würde  jede  schwächliche  äusserung  des  gefuhls  zurück,  und  als 
ihr  der  fürst  das  herz  des  getöteten  liebhabers  in  einem  goldenen  geßsse 
übersendet,  trinkt  sie  das  bereit  gehaltene  gift,  drückt  das  geliebte 
herz  an  die  brüst  und  stirbt,  den  unglücklichen  vater  in  der  läge  des 
sophocleischen  Kreon  zurücklassend. 

Aus  diesem  einfachen  Stoffe  hat  Bürger  unter  luxuriöser  ausmalung 
der  gegebenen  und  einflechtung  mancher  neueren  züge  ein  82strophiges 
balladenopus  geschaffen.  Tragen  nun  jene  zusätze  Bürgers  schon  im 
ganzen  den  Charakter  theatralischer  effecthascherei,  so  ist  im  einzelnen 
alles  so  überladen  und  schwülstig,  die  ausbrüche  der  leidenschaft  sind 
so  sehr  ins  furiose  und  tobende,  die  schreckensscenen  so  ins  gi'asse, 
schauerliche,  körperlich  angreifende  hineingemalt,  dass  die  bailade  kaum 
anders  als  einem  groben,  an  dicke  pinselstriche  gewöhnten  geschmacke 
wol  behagen  kann,  den  feineren  leser  indessen  durch  eben  diese  züge 
unangenehm  berühren  muss. 

In  dieser  beziehung  verweise  ich  insbesondere  auf  str.  8  — 11,  wo 
Blandine  —  auch  ein  zusatz  Bürgers  —  in  dem  briefe  den  geliebten, 


312  HOLZHAUSEN 

anstatt  gleich  in  ihre  kammer,  zuvor  nächtlicher  weile  anter  den  apfel- 
baum  bestelt,  und  auf  str.  14  — 16,  die  scene  unter  dem  bäume,  and 
19  —  20,  die  Schilderung  des  ^spanischen  molches^,  des  Mhochstolzie- 
renden  prinzen^,  der  gekommen  ist: 

mit  perlen,  gold,  ringen  und  edelgestein 

die  schönste  der  schönsten  prinzessen  zu  frein; 

ferner  auf  str.  33  —  52 ,  die  im  höchsten  grade  bombastische  und  von 
der  einfach  treuherzigen  weise  der  volkserzählung  himmelweit  entfernte 
darstellung  der  liebesscene  in  dem  gemache  der  prinzessin.  Auch  die 
raserei  der  lezteren  (64— -76),  „die  zum  sprunge  singt  und  zum  sänge 
springt^,  ist  entsezlich  übertrieben,  wie  auch  die  erscheinung  der  drei 
gespenstischen  junker  (60—62)  nicht  im  entferntesten  der  echt  balladen- 
mässigen  behandlung  ähnlicher  gegenstände  in  der  „Lenore^  gleichkomt. 
Dass  Bürger  in  diese  ausschweifende  manier  verfiel,  hat  seine 
guten  litterarischen  Ursachen.  Dem  einflusse  Shakespeares,  des  miss- 
verstandenen Shakespeare,  haben  wir,  wie  die  tumultuarischen  dramen 
von  Lenz  und  Eliuger,  so  auch  das  furiose  gebahren  der  neuen  ballade 
/  zu  verdanken;  auch  hat  Bürger  in  der  liebesscene  an  einer  stelle 
(str.  47  —  50)  wahrscheinlich^  die  berühmte  scene  aus  „Romeo  und 
Julie''  act  III,  scene  5: 

„Wilst  du  schon  gehn?  der  tag  ist  ja  noch  fern; 

es  war  die  nachtigall  und  nicht  die  lerche^  usw. 

nachgeahmt,  freilich,  wie  ein  vergleich  mit  dem  originale  zeigt,  nicht 
recht  glücklich;  insbesondere  hat  er  sich  die  schönste  weudung  am 
Schlüsse  der  Shakespeareschen  scene  entgehen  lassen !  Wichtiger  indessen 
ist  die  Shak^spearomanie  und  der  stürm  und  drang  in  dieser  ballade 
überhaupt;  wenn  „Lenore**,  zusammen  mit  den  „Fliegenden  Blättern'^ 
und  dem  „Götz''  die  stürm-  und  drangperiode  in  gutem  sinne  ankün- 
digt, d.  h.  den  fortschritt  bezeichnet,  den  das  geniewesen  gegen  die 
dürre  regelmässigkeit  einer  früheren  epoche  unleugbar  gemacht  hat, 
so  ist  „Lenardo  und  Blandine''  die  Vertreterin  der  stürm-  und  drang- 
ballade  im  tadelnden  sinne  des  wertes,  welche  die  auswüchse  und  Ver- 
kehrtheiten jener  litterarischen  epoche  widerspiegelt.* 

1)  Für  ganz  sicher  erwiesen  halte  ich  diese  behauptung  Schlegels  (a.  a.  o. 
8.  53)  Dicht,  da  dasselbe  motiv  nnabhftagig  vou  einander  in  der  litt^ratar  öfter 
Torkomt,  besonders  in  der  volkslitteratnr,  vgl.  Uhland,  Alte  hoch-  und  nieder- 
deutsche Volkslieder,  teill,  173  ff.  Unter  den  neueren  dichtem  kehrt  dasselbe  unter 
anderm  bei  Tegner  in  der  Frithiofsage,  im  7ten  gesange,  wider. 

2)  Mit  den  meisten  producten  der  stürm-  und  drangperiode  teilt  „Lenardo 
und  Blandine^*  auch  die  Schnelligkeit  der  abfassung  gegenüber  dem  monatelangen 
schweren  ringen  um  die  „Lenorc**.    Ebenso  contrastiert  wundersam  die  fast  vorlaute, 


BALLADE  BIS  BÜBOBR  313 

Abermals  eine  gauz  andere  behandlang  der  ballade  oder  vielmehr 
die  behandlung  eines  ganz  andersartigen  balladenstoffes  versuchte  Bürger 
in  zwei  neoen  dichtungen,  von  denen  die  eine  sich  zeitlich  an  ^Lenardo 
und  Blandine^  ziemlich  nahe  anschliesst,  die  andere  zwar  bei  weitem 
später  abgefasst  wurde,  aber,  der  passenden  gegenüberstellung  halber, 
mit  hintansetzung  der  in  dieser  besprechung  im  ganzen  befolgten  histo- 
rischen aufeinanderfolge,  hier  mit  eingefügt  werden  soll ;  in  rede  stehen 
„Das  lied  vom  braven  mann"  und  „Die  kuh''.  Es  ist  die  ballade  J7T^. 
der  gegenwart  und  des  täglichen  lebens,  welche  Bürger  in  diesen  dich- 
tungen  anbaute  und  — wenigstens  in  ernster  behandlung  —  zuerst  in 
Deutschland  heimisch  machte.  Hat  die  darstellung  von  ereignissen  des 
heutigen  lebens  in  einer  form,  die  doch  wesentlich  der  Vergangenheit 
angehört,  immerhin  ihre  Schwierigkeiten,  so  bot  deren  noch  grössere 
der  Stoff,  den  sich  Bürger  für  die  erste  ballade  dieser  art  ausgewählt 
hatte.  Diesen  stoff  erklärt  F.  W.  Val.  Schmidt  (a.  a.  o.  s.  50)  für  eine 
Zeitungsnachricht,  Bürger  selbst  aber  antwortet  auf  Boies  bemerkung  in 
dem  briefe  vom  26.  juni  1777  (S.  B.  II,  345),  dass  ihm  derselbe  aus 
Marmontels  poetik  bekant  sei,  er  kenne  ihn  auch  nur  aus  derselben; 
ich  habe  indessen  die  geschichte  in  diesem  werke  nicht  gefunden. 
Übrigens  pflegte  Bürger  in  dergleichen  angaben  nicht  immer  ganz 
zuverlässig  zu  sein,  wie  er  denn  in  der  vorrede  zur  ersten  ausgäbe 
seiner  gedichte  auch  selbst  sagt,  dass  „die  handlnng  als  wahr  erzählt 
werde'^.  Die  mitgeteilte  begebenheit  aber  war  die  rettung  einer  armen 
zoUeinnehmerfamilie  bei  einer  wassersnot  unweit  Verona  durch  einen 
landmann,  der  die  ihm  dafür  angebotene  belobnung  ausschlug. 

Aber  nicht  jede  in  den  „Vermischten  Nachrichten"  mitgeteilte 
guttat  ist  poetisch  zu  verwerten,  am  wenigsten  aber  ist  eine  solche, 
wenn  sie  keine  gelegenheit  zur  darstellung  eines  sitlichen  conflictes 
bietet,  ohne  weiteres  für  eine  so  dramatische  gattung  wie  die  ballade 
nuzbar  zu  machen.  Anstatt  nun  diesem  mangel  etwa  in  der  weise 
abzuhelfen  wie  Goethe  in  „Johanna  Sebus",  der  dem  stoffe  eine  psycho- 
logisch interessante  seite  abzugewinnen  wüste,  versuchte  Bürger  den 
seinigen  zu  beleben  durch  widerholte  rhetorische  anpreisung  des  beiden 
und  seiner  tat.  Eine  solche  bildet  schon  den  inhalt  der  ersten  strophe, 
wo  held  und  tat  noch  ganz  unbekant  sind.     Str.  2  —  8  treten  epische 

aber  alsobald  wider  in  leiseD  zweifei  überschlagende  anpreisung  des  gedichtes  (8.  6. 
I,  232)  mit  dem  natürlichen  auQaachzen  einer  echten  sangesfreade  nach  jedem  stück 
Lenore.    Sonderbarer  weise  zieht  nicht  nnr  Boie  (S.  B.  I,  235),  sondern  anch  Herder  . 
(ib.  I,  265)  und  anch  Bürger  selbst  (ib.  I,  231  n.  ö.)  diese  ballade  gegen  „Lenore*"  ' 


vor  und  lezterer  wül  dieses  geschraubte  und  schwülstige  gedieht  zum  belege  hinter  i 
seinen  „Herzenserguss  über  volkspoesie"  gedruckt  wissen  (ib.  I,  232). 


314  HOLZHAUS  E3J 

rl-rment«  ein.  die  H-höne  Schilderung  de?  eisganges  mit  seinen  folgen, 
der  t*eir^i}.rrii>  d^r  armen  zr-lnenamiii^.  Die  eicgeflochtenen  knncB 
:ra;?en  Lävh  dem  l^nTen  manne  kann  man  zar  belebung  der  seene  sieh 
hier  ^eme  gefallen  lassen.  Xan  aber  werden  str.  9  nnd  11  schon 
^idi-r  mii  diesen  fragen  und  den  fatalm  re-ien  über  die  brarheit  ans- 
Crfuii.  ur.d  nachdem  Lnn  endlich  die  kiihne  tat  des  braven  in  krftftigei 
Zügen  v-.rgerragen  ist.  wird  der  leser  wider  unangenehm  berührt  darcfc 
die  {ä<\  taktlose  an  ni:d  weise,  wie  in  str.  17  das  motir  der  bdohnong 
hervorgezogen  wird«  und  die  Wirkung  der  herzigen  Strophen  18  imd  19 
wird  piaralT^iert .  wenn  man  in  der  ersteren  wider  eine  der  viden 
unballadenmässigen  rhetorischen  Wendungen  h':*rt^  nnd  nach  der  leztem 
die  Schlussstrophe  liest,  welche  durchweg  rhetorisch  gehalten  ist  wie 
der  eingang. 

Borger  hat  diese  rhetorischen  parrien  mit  voller,  bewnster  absieht 
so  stark  h-rvom-eten  lassen:  er  beabsichtig;*?  ein  Tolles  durchdringn 
der  epischen  durch  «üe  lyrischen  teile  des  gedichtes  zur  spedfisch  lyri- 
schen romanze.  wie  dies,  abgesehen  von  dem  titel,  auch  ans  einer  stelle 
der  von  Carl  v.  Keiihard  herausgegebenen  Bürgerschen  Aesthetik  (teil  IL 
s.  261)  hervorgeht,  wo  er  das  -Liei  vom  braven  mann*^  neben  ^Des 
armen  Suschess  träum-  einer  der  kleineren  romanzen.  gedichtet  1773), 
als  Vertreter  der  echt  Irrischen  unter  seinen  romanzen  anfuhrt.  In 
Wirklichkeit  aber  stehen  die  lyrisch  -  rhetorischen  nnd  die  epindwn 
bestaniteile  in  dem  -Lied  vom  braven  mann*  ziemlich  nnvermittdt 
neben  einander,  das  gedieht  ist  bei  seiner  Verarbeitung  znr  bailade 
gewissenuassen  auf  halbem  w ege  eiLgefroren.  und  die  Tenmalgamienuig 
der  epischen  und  lyrischen  bestaniteile  des  gedichtes,  welche  sich  in 
der  allen  volksballade  von  seltner  volzoe.  die  aber  der  moderne  halla- 
den«licht<T  immer  erst  auf  künstlichem  weüe  erreichen  mnss,  ist  rem- 
glückt,  überhaupt  ist  das  .Lied  vom  braven  mann^  dem  begriffe  dncr 
ballade  nicht  recht  en:i>-  rechend .  immerhin  aber  als  erster  Temch  in 
seiner  ar:  für  die  geschichie  der  balladenp«>esie  wichtig,  nnd  wenn  anch 
dies?  baüade  in  der  ge^el»enen  form  nicht  recht  popnllr  werden  koate, 
so  ist  sie  anderseits  durch  ihren  i-ha":  wie  wenige  von  Bürger,  fir  den 
unierrch:  ks-:nder«  geeignet,  uid  mancher  der  späteren  balladaidickter 
mag  d-irch  sie  am"  iiiS  trebie:  dieser  dichtnngsan  hingeffihrt  worden  aaa- 

M::  leirv/.riii  t^esseren:  erf.Ije  Lrelang  es  Bürger,  einen  stoff  znr 
bailade  zu  gr>:a':rr..  der  n-ch  wei:  mehr  als  derjenige  des  .Liedes  vom 
braven  m^ir.n-   dem  gew-'h-üchen.  ;a  sogar  dem  trivialen  altagndaaon 


1    I*&hiz.  rf-:ir.v  :;h  vn    .0  :ri'-;r  saüt:!   braver 
.«^  r.:r.rr!  rener:  lirir:  ^rfKi^iri:-  .Su:  ir.  ^nr  djÄ  akiit  btar 
YjtI.  Scilr^cl  Ä.  1.  ;•.  «.  57. 


BALLADB  BIS  BÜRGER  315 

entnommen  ist,   in  der  bailade  „Die  kuh^  (zuerst  im  Masenalmanach 
für  1785  erschienen,  nach  Pröhle  1784  verfasst).*     „Eine  Kuh,  die  von 
einem  wohlthätigen  Manne  einer  armen  Frau  in  den  Stall  geführt  wird,^ 
fragt  Götzinger,  „was  macht  das  auf  die  Phantasie  weiter  für  einen  Ein- 
druck?"   Aber  der  dichter  der  „Lenore"   hat  diesen   stofif  behandelt,  , 
mit  der  genialität,   die  er  in  der  „Lenore"  bewiesen  hatte,  und  merk-  J 
würdiger  weise  ist  das  stück  auch  nach  demselben  plane  im  kleinen 
angelegt,   nach  dem   die  „Lenore''   im  grossen  gebaut  ist;   eine  ganz    ' 
genau  mit  jener  correspondierende  dreiteilung. 

In  dem  ersten  teile  folgt  auf  eine  ganz  kurze  exposition: 

Frau  Magdalis  weint  auf  ihr  leztes  stück  brod, 

die  episch  gehaltene  Schilderung  der  heimkehrenden  dorfherde: 

Heim  kamen  mit  lieblichem  schellengetön  usw. 

Das  bild  der  herde  muss  den  schmerz  des  armen  weibes  um  ihr  treues 
tier  auf  das  lebhafteste  erregen.  Der  dichter  lässt  durchblicken,  dass 
die  kuh  der  witwe  mehr  als  ein  blosses  Versorgungsmittel,  dass  sie 
ihr  ein  lieber  hausgenoss  gewesen. 

Wie  die  eingangsscene  mit  derjenigen  in  der  „Lenore",  so  stehen 
auch  die  verzweifiungsscenen  in  beiden  gedichten  in  pai*allele.  In  dieser 
scene  unserer  ballade  zeigt  sich  des  dichters  kunst  am  grösten.  Dadurch, 
dass  er  frau  Magdalis'  kummer  und  angst  zum  mittelpunkt  seiner  dar- 
stellung  machte  und  diesem  eine  sitliche  beziehung  zu  geben  wüste, 
hat  er  seinen  widerstrebenden  stoff  poetisch  geniessbar  und  balladen- 
gemäss  gemacht.  Anfangs  erzählt  er  auch  hier  rein  episch  die  leiden 
der  armen  witwe ,  in  schlafloser  nacht  (str.  4  —  6).  Als  aber  (str.  7) 
bei  erster  dämmerung  das  hirtenhorn  die  witwe  von  neuem  an  ihr  elend 
erinnert,  bricht  diese  in  lautes  jammern  aus,  und  die  scene  wird  dia- 
logisch-dramatisch im  dritten  teile;  den  angstv^orten  des  weibes  ent- 
spricht das  inmier  vernehmlichere  bi-üUen  des  tieres  im  stalle.  Auch 
frau  Magdalis  hat  in  ihrer  Verzweiflung  gegen  Gott  gehadert  und  diese 
Sünde  findet  ihre  strafe  in  den  fürchterlichen  ängsten,  welche  ihr  das 
brüllen  des  tieres  im  stalle  verursacht;  aber  man  fühlt  doch,  dass  die 
in  der  angst  hervorgestossenen  werte  der  armen  witwe,  die  sie  in 
heissem  gebete  abbittet,  eine  alzu  harte  strafe  nicht  verdienen,  und, 
während  bei  Lenore   alles  in  dunkel  und  grauen  sich  verliert,   findet 

1)  Eine  äussere  veranlassang ,  allerdings  nur  eine  solche,  zu  diesem  gedichte 
kann  Bürger  die  „Cpantryman's  lamcDtation  for  the  death  of  bis  cow"  in  den  oben 
citierten  Old  ballads  (Evans  edition  1777)  gegeben  haben  (in  der  ausgäbe  der  Old 
ballads  von  1810  steht  sie  bd.  1,  s.  268  ff.).  Auf  die  benutznng  der  Old  ballads 
durch  Bürger  neben  den  Percy^s  Rellques  hat  meines  wissons  zuerst  Weinhold 
(„Heinr.  Chr.  Boie''  1868,  s.  200  anm.  ö)  aufinerksam  gemacht 


liier  in  ^ük»  tnorgi^nü  erlVuulicIicr  helle"  dio  gescliicbte  einen  erfreu- 
liclidii  abschlu»»,  und  «iur  dichter  wagt  —  (Hesiiial  ganz  leiKe  und  daher 
echt  bttUadeumäsaig  —  seinen  eigenen  anteil  und  »eine  persilulichkeit  in 
d*r  weise  anzmleuten,  wie  ea  auch  in  manchen  volksliedoTn  (s.  p.  13ß 
dieaea  laundcs)  dichter  oder  »chreiber  tun  (vgl.  Schlegel  a.  a,  o.  a.  58). 

Koch  eiiien  andern  weg  schlug  Üürger  ein,  der  in  der  folge  zu 
reicher  befniclitang  des  balladen-  und  romanitengefildeB  führen  aolte, 
die  dircote  umbüdung  alter  voDcstümlicher  balladendichtuiigen.  Nacli 
seiner  Gbvrsiedelting  nach  WGllmershausen  nümlicb  hatte  er  Bich  mit 
erneutem  Aeisse  den  alten,  von  der  univerHit&t  her  lieh  gewordenen 
Percystudien  '  wider  zugewant,  und  —  die  folge  hiervon  —  eine  reihe 
hearbeitungeu  altengliacher  balladen  unternommen.  Ich  Qltergehe  die  erste 
(„Bruder  Graurock  und  die  pilgerin,  mai  1777,  nuorst  erwähnt 
in  dtim  balladenbriefe  vom  19.  mai  desselben  jahres)*  und  die  letzte 
„Graf  Walter"'  (in  dem  Hürgerscheu  briefwechael  von  Strodtmann 
gar  nicht  erwähnt,  wenn  sie  nicht,  wie  mir  allerdings  sehr  wahrschein- 
lich ist,  in  dem  briefe  des  advokaten  Bollmann  an  Uürger  |S.  U.  IV,  824| 
unter  „die  maid"  verstanden  ist:  zuerst  erschienen  in  der  zweiten  aus- 
gäbe der  Bürgerschi'U  Oedichto  von  1783,  das  gedieht  ist  nach  dem 
englischen  Child  Waters  Hei.  III,  54).  welche  nichts  weiter  als  ziemlich 
wortgetreue  fibertragungen  sind,  um  ausschliesslich  diejenigen  lü  bespre- 
chen, welche  Bürger  durch  freie  Umarbeitung  und  durch  eigene  zutaten 
von  seiuem  gut  und  blut   ku  ecliten  kindern  seiner  muso  gemacht  hat. 

In  der  „Kntführung"  (december  1777,  nicht,  wie  Pröhle  a.  MO 
angibt,  jannar  177ö,  da  Burger  indem  briefö  vom  2fi.dccomber  1777  anm. 
die  ballade  bereits  als  fertig  anführt)  —  s.  S.  B.  11,  nr.  419  —  versuchte 

1)  Zu  tief  beliftiifitnng ,  tlats  Furcy,  tlen  Bflrger  ituhoo  auf  der  niii*emtit 
Etndiort.  erst  in  don  splturen  jähren  imclihaltigor  anf  ihn  eingewirkt  faabe,  vg\. 
oben  8.  ■IdÜ  lind  Boiea  brief  an  Attliof  8.  B.  IV,  anhiing,  nr.  899. 

2)  In  betrnlT  dieaor  ballmtn  müclito  iah  mir  vinvn  interewanten  litl^niriBtlwn 
irtnm  anfahren.  Diewlbo  int  iiftmlich  lieulich  würtlicli  an»  Pcrcjs  Iteliia««  1,243 
The  friw  of  orilers  gray  Qbenest,  in  dem  Neuen  deatai^hen  M^reur  bd.  3,  n.  143  It 
»ber  onrhiijii  t-iiif)  Abhandlung  von  F.  D.  Omter.  wolvhc  der  liQrgcrwibm  ballade 
«ine  teilweise  origiiuliC£t  vindieinrte,  indvui  Griter  siu,  ahn«  diu  eratgtrnanto  stUr.k 
KU  kennen,  frischweg  ton  dem  zwar  stuflich  verwauten,  aber  ganz  anders  1aQt«a- 
den  üentle  berd^man  (Reli<|iicB  II,  78)  ableitete.  D&ring  (o.  a.  o.  arnn.  zu  s.  106). 
Wf'Icber  otToubiir  beide  gedichte  nicht  aclbat  eingeMbnn,  oiliort  die  Gr&teraebc 
abhandlung  aU  iinetlonnacbweiHun^  des  Uttrgurschen  gedichteB.  Audi  dur  »rtikal 
.Bürger*  in  Krach  und  Gnil-cn  Encj'kloiiUdi«,  Beet  1,  tull  13,  s.  371—379,  das.  s.  379 
anm.  31  zählt  den  ganz  krllikluseo  Oräterschen  wtntt  unter  den  quellennoch- 
weiien  tilr  du  getlleht  auf. 

3)  Vgl.  Qbor  dieae  balbuld  Selileget  a.a.O.  b.  42  dd<1  Bbthup  Parcy'a  Folio 
MaDQSDTiiit  ed.  by  Halt»  luid  Fumivall  U,  378  mm.    Londou,  TrUbnor,  18€e. 


BALLAD«  BIS  BÜBOBB  dl7 

Bürger,  das  eoglische  The  Child  of  ElP  (Percys  Eeliques  I,  107)  durch 
er  Weiterung  des  inhaltes  und  durch  detaillierte  maierei  auf  eine  form 
zuzuschneiden,  welche  hinsichtlich  der  kraft  mid  ausfuhrlichkeit  der 
darstellung  mit  der  „Lenore**  concurrieren  solte.  Wie  er  das  einfache 
vierzeilige  versmass  der  Percyballade  mit  dem  architektonisch  geglie- 
derten strophenbau  der  „Lenore^  vertauschte,  so  hat  auch  die  handlung 
in  manchen  zögen  anklänge  an  diejenige  seines  meisterwerkes  erhalten 
(vgl.  Götzinger  a.  a.  o.  s.  237).  Durch  diese  von  dem  dichter  angestrebte 
kraft  der  Schilderung  erhielt  indessen  das  gedieht  ein  von  dem  schlichten 
wesen  einfacher  Volksdichtung  ausserordentlich   verschiedenes  aussehen. 

Schon  Percy  hatte  das  vorgefundene  Volkslied  inhaltlich  wie  formal 
bedeutend  umge^j^tet,'  und  manches,  was  die  früheren  beurteiler  des 
Bürgerschen  Werkes  bei  Percy  noch  für  volkstümlich  hielten ,  war  schon 
merklich  von  der  ursprünglichen  fassung  des  Volksliedes  verschieden.' 
Immerhin  aber  hatte  das  gedieht  auch  nach  Percys  redaction  noch  eine 
gewisse  einfachheit  behalten,  welche  durch  die  Bürgersche  Überarbeitung 
völlig  verloren  gieng. 

Bei  der  besprechung  dieser  komt  es  mir  nun  weniger  auf  eine 
vergleichuug  der  einzelnen  kleinen  züge  an,  welche  original  (Percy- 

1)  Dieses  ist  der  richtige  titel  des  alten  Volksliedes,  nicht  das  gewöhnlich 
geschriebene  Child  of  EUe.  Vgl.  Bishop  Percy's  Folio  Manuscript  ed.  by  Haies  and 
Purnivall  ,1,8.  182. 

2)  purnivall  äussert  sich  —  nicht  ganz  mit  nnrecht  —  über  die  art  der  Percy- 
schen  bearbeitung,  „ein  Wachspappenfabrikant  wfirde  ebenso  wohl  versuchen,  die 
Venus  Milo  zu  restauriren.** 

3)  Auch  hier  stioss  Bürger  auf  ein  sehr  beliebtes  und  in  vielen  Versionen 
verbreitetes  nordisches  Volkslied  (vgl.  Haies  and  Furnivall  a.  a.  o.  s.  132  — 134). 
Merkwürdig  ist  das  Schicksal  derjenigen,  welche  Thomas  Percy  vorgelegen  hat. 
Der  inhalt  derselben  ist  folgender:  Die  geliebte  sagt  dem  ritter  von  £11,  dass  ihr 
vater  ihm  den  tod  geschworen ;  der  anfang  des  gedichtes  ist  abgebrochen ,  augen- 
scheinlich ist  die  scene  unter  den  fenstem  des  Schlosses  des  fräuleins.  Der  Junker 
sezt  diese  auf  sein  ross,  um  sie  zu  entführen ;  vor  der  stadt  von  dem  vater  und  dem 
bruder  derselben  eingeholt,  bittet  er  die  geliebte  abzusteigen,  um  während  des  bevor- 
stelienden  kampfes  sein  ross  zu  halten.  Hier  bricht  das  gedieht  ab,  fragmentarisch, 
wie  es  begonnen.  Aus  diesem  fragmente  nun  hat  Percy  unter  wilkürlicher  benutzung 
der  einzelnen  teile  ein  ganz  neues  zusammengeflickt,  welches  im  wesentlichen  fol- 
gende Züge  enthält:  Der  ritter  wird  auf  seinem  schlösse  von  dem  pagen  seines 
fräiileins  benachrichtigt,  dass  der  vater  sie  einem  andern  bewerber,  dem  Junker  von 
Nordland  geben  wolle.  Darauf  hin  beschliesst  er  des  fräuleins  entffthrung,  welche 
auch  gelingt,  aber  dann  durch  die  zofe  verraten  wird.  Die  liebenden  werden  ein- 
geholt, und  der  ritter  von  Ell  tötet  den  Junker  von  Nordland,  worauf  ausserdem 
durch  das  erscheinen  seiner  vasallen  eine  für  ihn  günstige  Wendung  des  kampfes 
eintritt;  diese  benuzt  er,  um  seine  bitte  um  Versöhnung  an  den  vater  der  geliebten 
zu  unterstützen,  welche  denn  schliesslich  gewährung  findet. 


318 

redaotion)  and  Bürgers  Dachdielitimg  untorschciden ,  and  ich  vemoisG 
in  dieser  beziehung  auf  die  eingebenden  erSrteruiigen  bei  Sclilcgel  (&.  A,  o. 
s.  26  ff.)  nnd  Qötziuger  (a.a.O.  s.  231  ff.),  nur  liügt  mir  daran,  die- 
jenigen punltte  hervorzuheben,  welche  für  die  spüter  zu  besprechende 
manier  BQrgers  von  Wichtigkeit  sind. 

Etwas  verdächtig  ist  dem  an  den  bänkclgetiaiig  guwOhnten  äuge 
schon  der  längere  titel  „Die  Entführung  oder  ilittar  Karl  von  Eichen- 
Uorst  und  Fräulein  Gertrude  von  Hochburg." 

Die  von  Percy  neu  zugefügte  epische  anfannsstrophe  bat  Bürger 
mit  glacklichem  instiuct  weggelassen,  und  echt  balladiaeb  -  dramatisch 
begint  er  mit  den  kräftigen  worteu : 

„Knapp,  saile  mir  mein  dEinenross"  u«w. 

Von  böser  ahnung  urahergetrieben  (vgl.  Child  of  Ell,  atr.  1.  2) 
begegnet  der  ritter  der  zofe  des  fränleins,  welche  ihm  die  binde  von 
der  durch  den  vater  begünstigten  werhnng  eines  andern  bnhlen  bringt. 
Aus  der  echt  ritterlichen  Stimmung,  in  welche  die  Percyballade  ver- 
BCzt,  wird  der  leser  des  Bürgerschen  gedichtes  bald  herausgerissen, 
wenn  er  den  vulgären  ton  hört,  in  welchem  die  personen  der  dicbtung 
mit  einander  verkehren,  und  der  name  Plump  von  Pommerland  versest 
voUendg  in  die  atmospliäre  der  roden  junker  des  sicbzehnttm  oder  acht- 
zehnten Jahrhunderts  oder  deren  nachkommen  in  den  Spielhagenschen 
ronmuen.  Den  mangel  eines  scharf  gezeichneten  zeitcolorits  und  die 
dadurch  entstehende  unBicImrbeit  in  der  stimranng  würde  mau  nun  frei- 
lich noch  gern  in  linuf  nehmen  gegen  den  lebendigen,  dramatisch- 
helebton  aufbnu  der  handlung,  welche  bei  Bürger  gegen  die  Percy- 
ballade an  strafflieit  und  gescblosaenheit  gewonnen  und  darum  die  frei- 
lich zweifelhafte  Vergünstigung  erfahreu  bat,  in  J.  J.  Engels  Poetik 
(Engels  Schriften,  Beriin  1806,  bd.  11  s.  321  ff.)  als  muster  einer  poeti- 
schen handlung  aufgestclt  zu  werden.  Aber  es  ist  nicht  zu  leugnen, 
dass  Bürger  bei  dem  nachzeichnen  an  vielen  stellen  die  färben  zu  dick 
anfgetragen  und  das  zarte  der  englischen  dichtungen  grQslonteils  ver- 
wischt, dass  er  auch,  um  dem  ganzen  mehr  cffect  zu  geben,  dorch 
mlkflrliche  änderungeu  allerlei  Übertreibungen  in  das  gedieht  gebracht 
iinfl  endlich  gar  zu  viel  Vulgarismen  als  Volkstümlichkeiten  auftischt. 

So  packt  es  den  ritter  (str.  2)  bei  der  roeldung  der  zofe 
wie  mit  krallen  an 
und  schüttelt  ihn  wie  Heber 
hinüber  und  herüber. 

Ebenso  ungebärdig  beträgt  sich  der  vater  dos  fränleins  (str.  4) 
und  dies«  „zuckt  von  herzenawehen"  (str.  5). 


BALLADB  BIS  BÜROBB  319 

So  verschwendet  der  dichter  gleichsam  alle  ihm  zu  geböte  ste- 
henden mittel:  die  bilder  (str.  7),  die  ausdrücke:  In  str.  8  wünscht  der 
ritter  der  zofe  den  gotteslohn  gleich  „zu  hunderttausend  malen^,  und 
die  geliebte  will  er  aus  „tausend  ketten  erretten"  und  „riesen  gegen 
hieb  und  stich  abgewinnen". 

So  verschwendet  er  auch  die  effectvollen  reimwörter:  körn  und 
dorn,  laub  und  staub,  kling  und  klang  usw. 

An  stelle  der  gegenüber  dem  schlichten  volksliede  schon  ziemlich 
sentimentalen  (und  deshalb  von  Fumivall  getadelten)  Percystrophe : 

And  thrice  he  clapsed  her  to  his  brest 

And  kissed  her  tenderlie, 
The  teares  tbat  feil  from  her  fair  eyes, 

Banne  like  the  fountayne  free 

lässt  Bürger  die  noch  weit  überschwänglichere  strophe  18  mit  dem  an 
dieser  stelle  kaum  zu  rechtfertigenden  langen  herzen 

mit  rang  und  drang,  voll  angst  und  lust 

treten;  st.  24  und  25  lässt  er  die  ritter  sich  vollends  wie  schifferknecbte 
gegenseitig  anfahren,  wobei  in  sonderbarer  Verwirrung  der  zeitverhält- 
nisse  (vgl.  oben  s.  318)  erst  die  mittelalterliche  lanze  saust  und  nach- 
her die  modernen  säbel  geschwungen  werden,  wie  denn  nachher  aus 
dem  alten  ritter,  Gertrudens  vater,  ein  „freiherr"  wird,  der  —  ein  bild 
k  la  Lenardo  —  im  zome  „einer  feueresse  gleicht"  (str.  31),  aber  nach- 
her in  thränenströmen  zerfliesst  (str.  35),  nachdem  ihm  seine  tochter  in 
einer  für  ein  adeliges  fräulein  immerhin  recht  derben  weise  ihre  abnei- 
gung  gegen  den  gefallenen  Plump  ausgesprochen  hat  (str.  32). 

Wenn  nach  der  voraufgegangenen  besprechung  Bürger  sein  original 
durch  die  vielfachen  änderungen  im  grossen  und  ganzen  vielleicht  ver- 
schlechterte,^ so  ist  dabei  nicht  zu  übersehen,  dass  er  nur  durch  akkli- 
matisierung  seiner  beiden  und  eine  allerdings  übertriebene  annäherung 
an  das  deutsche  landbaronentum  der  neuzeit  seine  Übertragung  populär 
zu  machen  hoffen  durfte,  und  wenn  Schlegel  gerade  mit  bezug  auf 
dieses  gedieht  den  einfluss  der  zu  spät  erschienenen  Herderschen  ^^Yolks- 
lieder"  vermist^  so  ist  doch  dagegen  einzuwenden,  dass  noch  so  vor- 
zügliche Übertragungen  poetischer  erzeugnisse  fremder  Völker  im  origi- 
nalen geiste  wenig  hofhung  haben,  in  einer  nation  völlig  heimisch  zu 
werden.*  v 

1)  Tgl.  Doch  Doenniges,  Altschottische  und  altenglische  Volksballaden,  Mün- 
chen 1852,  8. 145  anm. 

2)  Bürger  selbst  schreibt  über  die  „Entführung''  an  Boie  (5.  jannar  1778| 
S.  B.  II,  421):  „Die  Entfühmng  kommt  dem  Ideal  meines  Geistes  von  veredelter, 


Bevor  ich  7.u  iler  besten  der  Bnrgeracben  nach  bil düngen  engliscbi^r 
originale  übergehe,  iiiö[-,hte  icb  noch  eine  andere  von  diesen  besprechen, 
welche,  wenn  auch  durch  die  gemeinheit  ihres  touea  nicht  seltea  an 
die  niedrigsten  DürgerBchen  balladeu  erinnernd,  dennoch  als  das  er^te 
beispiel  humoristischer  (nicht  komisch -paroilischer)  behandlung  der 
hnllade  in  Deutschland  interessaat  ist. 

„Frau  Schnips"  (juli  1777,  vgl.  S.  B.  II,  350  n.  ö.)  ist  eine, 
wie  die  „Eiitfahrung"  ihr  original  vergröbernde,  allein  auch  wie  diese 
dasselbe  treflich  in  deutsche  anachauurig  fibertragende  bearbeitang  von 
„The  wanton  wife  of  Bath"  (Percy  lll,  145),  einem  schwankartigen 
gedichte  ans  der  späteren,  etwa  der  nacheliaabelhanischen  zeit,  welches 
in  der  damals  aufkommenden,  dem  deutschen  bänkelgesang  in  mancher 
be/Jehmig  ühnlichim  mauier  die  Schicksale  eines  zankafichtigen  weibes 
nach  dem  tode  —  als  folie  dient  jene  ergözliche  figur  aus  Chaucers 
Canterbury  Tales  —  schildert.  Das  ganze  Ifiuft  allerdings  auf  eine  art 
moral  hinaus,  doch  möchte  ich  nicht  mit  Schlegel  hierin  eiu  bindernis 
tür  eine  romanzen artige  behandlung  sehen;  denn  nach  meiner  ansieht 
ist  nur  die  gezwungene  art  des  bänkelgesangea,  eine  romanze  der  moral 
wegen  zu  dichten,  oder  die  ganz  äusserlicbe  anhängung  einer  solchen 
zu  verwerfen,  nicht  die  anfügung  einer  derartigen,  durch  die  Situation 
wirklich  nahe  gelegton  bemerkung  am  Schlüsse  eines  godichtes,  wie  ja 
derartige  reflexiouen,  welche  bei  ergreifenden  oder  irgendwie  merkwür- 
digen Vorgängen  sich  dem  denkeudi^n  menschen  aufdrängen,  in  der 
form  kuraer  audeutungen  auch  in  der  volkspoesie  vorkommen  (vgl  einl. 
s.  135  dieses  bandes).  Weniger  gerechtfertigt  vom  ästhetischen  Stand- 
punkte halte  icb  die  angehängte  „apologie",  welche  aber  Bfirger  um  ao 
notwendiger  schien,  als  er  durch  seine  mutwillige  und  lascive  behand- 
lung des  gegenständes  —  bei  seiner  ohnehin  exponierten  Stellung  —  zu 
litterarischen  und  persönlichen  augrifl'en  herausgefordert  hatte.' 

lobftiidigvr,  dttrBUll«odt.'T  Volksiioosie  «i-lir  nftli».    Mit  wi-oigen  von  tncioen  Qndicht«ti 
bin  iüb  dosfalU  ta  diirchftaH  ^ufricdeo  als  init  diecein.'' 

K)  Diese  Hiod  ihm  Dicht  erspart  gobli^hcn,  cboDso  wenig  darch  die  „Apologio* 

uls  durch  did  im  ioliAitgrogiBtar  des  HutunalDiauecbe  von  1182  abgedruckt!'  berufnoK 

nuf  dcii  vcriiicintliehen  gDr,  thcul.*  P«ro}',  der  das  origiuiü  in  »einoD  tUliqac«  aligo- 

ilmckt,  und  nur  den   ,eniatbaft«n  Addison",  der  e>b  in  dem  Spectator  nr  34S  cinu 

I  troflielie  balladn  genant  batto-    .Fran  SchnipB"  erlebte  das  sehickial  d«r  olIordiDga 

j  ^S£l*.iiTerwaDten  „Gurupa'.  daas  uiemaiiil  nie  In  «eine  xeitMbrift  auriiehiiirn  wultu, 

iibnol  mehrere  kritikcr.  unter  andern  I^cbtoubor^,  sieb  K«br  mr  aio  ausgoBprocbeii 

^  hittten.    a&ckini,'  wies  sie  (In  drtu  brlofe  *om  ^.  juli  ITT7,  8.  B.  II,  853  für  «ejneu 

Almoaach  mrOok,  itueh  Boia  (20.  juH  1T17,  S.  B.  II,  851)  mabntn  aar  rorsidit  in 

betreff  des  dmckra.   Bürger  selbst  liens  sie  ans  der  erst««  ansgahe  seiner  (iedichte 

{ort  (vgl.  3.  B.  II.  405]  1  sie  vrubien  erst  in  dc^u  oben  geuooton  Jahrgang  den  Oül- 

liDK«r  Manuualuianaebs. 


BALLAOB  BIS  BÜBGfiB  321 

Mit  seiner  ballade  ^Der  Kaiser  und  der  Abt^  dagegen  tat 
Bürger,  analog  der  „Lenore^,  abermals  einen  sehr  glücklichen  griff, 
diesmal  nicht  in  einen  umfangreichen  sagencomplex ,  aber  in  einen  nicht 
minder  ausgedehnten  kreis  schwankartiger  darstellungen,  welche  diesel- 
ben oder  ähnliche  motive,  zum  teil  schon  im  altertum,  behandelten.^ 
Eine  eingehendere  besprechung  der  litterarischen  ausbildung  und  Ver- 
breitung dieses  schwankes  wie  sie  in  der  anmerkung  gegeben  ist, 
bietet  um  so  mehr  Interesse ,  als  Bürgers  dichtung  gewissermassen  als 
schlusstein  den  ganzen  kreis  der  darstellungen  dieses  durch  die  zeit 
sanktionirten  litterarischen  Stoffes  harmonisch  abschliesst ;  auch  über  die 
letzte  und  beste  gestaltung  desselben  in  der  englischen  yolksballade  — 
und  diese  hat  Bürger  (ausser  vielleicht  dem  Burkard  Waldis)  allein 
benuzt  —  weit  hinausgehend. 

1)  In  der  algemeinsten  form,  der  rettang  aus  einer  Verlegenheit  durch  die 
auflösong  bestimmter  fragen  erscheint  der  der  Bürgerschen  ballade  zu  gründe 
liegende  stoff  bereits  in  der  antike,  unter  anderm  inPlutarchs,  Symposion  (moralia 
I,  6 — 10)  und  dessen  queUen,  morgenländischen  erzählungen,  aus  denen  er  in 
„Tausend  und  £ine  Nacht",  gekommen  ist.  („Die  Geschichte  des  weisen  Heykar".) 
Ich  übergehe  den  „Ffa£fen  Amis"  und  „Eulenspiegol",  welche  beide  dasselbe 
motiv  ohne  bedeutende  originale  zusätze  behandeln,  und  bemerke  aber  gleich  hier, 
dass  das  mittelalter  überhaupt  zwei  neue  zöge  hinzufügt,  erstens  den  gegensatz 
zwischen  weltlicher  und  geistlicher  macht,  welche  letztere  von  der  ersteren  durch 
die  fragen  in  Verlegenheit  gesezt  und  zugleich  mit  unverkenbarer  ironio  behandelt 
wird  (edelman  oder  fürst,  könig,  kaiser  usw.  und  abt)  und  femer  den  zweiton 
gegensatz  zwischen  geisÜoser  studiertheit  (des  abtes)  und  urwüchsig  genialem  mut- 
terwitze  (eines  müUers  oder  schafers).  In  dieser  form  ist  die  geschichte  —  die 
romanischen  darstellungen  sind  überhaupt  sehr  zahlreich  —  zuerst  von  dem  ita- 
liener  Fr.  Sacchetti  (Novelle  di  Franco  Sacchetti ,  Cittadino  Fiorentino)  bald  nach 
1370  behandelt  worden.  Der  erste  der  genanten  gegensätze  muste  den  protestan- 
tischen Burkard  Waldis  besonders  anziehen ,  während  er  den  zweiten  (er  behandelte 
den  Stoff  in  seinem  „Esopus,  ganz  new  gemacht  und  in  Heimen  gefasst"  1557, 
Beb.  III,  Fabel  92)  durch  die  geschmacklose  ändorung,  dass  er  den  schäfer  zu 
einem  heruntergekommenen  gelehrten  macht,  völlig  verwischt  und  das  ganze  in 
eine  nicht  minder  geschmacklose  fabel  auslaufen  lässt.  Treflich  behandelt  ist  die 
Sache  von  Pauli  („Schimpf  und  Ernst",  Fft.  1563).  Das  neue  motiv  aber,  dass 
der  abt  durch  seine  Üppigkeit  und  faulheit  zu  einer  bestrafung  eigentlich  heraus- 
fordert, tritt  zuerst  in  der  englischen  volksballade  auf  (bei  Sacchetti  lässt  er  dem 
fürsten  zwei  zur  pflege  übergebene  doggen  räudig  werden).  Die  englische  volks- 
ballade lernte  Bürger  in  Percys  redaction  kennen.  (Reliques  II,  306.)  Die  ballade, 
wie  Fercy  sie  vorfand,  war  nach  dessen  angäbe,  wahrscheinlich  bereits  zur  zeit 
Jacob  I.  abgekürzt  aus  einer  altem ;  Joseph  Ritson  hat  sie  nach  den  vorgefundenen 
restcn  wieder  abdrucken  lassen  (A  select  collection  of  English  songs.  Second 
edition.  Lond.  1813,  11,  317).  Ein  anderer  abweichender  text  war  nach  Percys  \ 
raanuskriptnote  in  der  Collection  of  old  ballads  1726,  vol.  2,  p.  43,  no.  YIII,  ein 
eben  solcher  in  den  Historical  ballads  1727  unter  der  Überschrift  King  Olfrey  and 
the  abbot. 

Z£ITSOHB.   F.  DSUTSCHS   PHüiOLOOIB.    BD.  X?.  21 


322 

Denn  noch  in  dem  englischen  gedichte  nach  der  rediktion  Percys 
ist  ein  gnt  teil  mittelalterlicher  roheit,  welche  den  modernen  leser 
nicht  wenig  Mrt,  ihm  zum  mindesten  den  reinen  gennss  der  homo- 
ristischen  darstellnng  trfibt.  Im  englischen  ist  King  John  —  wie  in 
Tielen  andern  englischen  balladen  ist  der  vermfene  Johann  ohne  land 
damit  gemeint  —  ein  roher,  gewaltthädger  forst,  der  eigentlich  dem 
reichen  abte  aus  Scheelsucht  am  zeuge  flicken  wilL 

And  he  ruled  England  with  maine  and  with  might, 
For  he  did  great  wrong  and  maintain'd  littte  right 

Der  deutsche  kaiser  dagegen  ist  offenbar  einer  Ton  den  guten 
herrschen!  und  dabei  ein  wackerer  kriegsherr,  der  sich*s  sauer  werden 
lässt  in  „Hitz*  und  in  Kälte"",  (str.  2). 

Und  nun  die  gemütliche  Schilderung  des  feisten  pfäffleins  im 
vergleiche  zu  dem  stolzen  englischen  prälaten!  (str.  3  u.  4  bei  Bürger 
=  str.  2  u.  3  bei  Percy). 

Im  englischen  lässt  Johann  den  abt  nach  London  rufen  und  ver- 
dächtigt ihn  ohne  grund  des  geheimen  Verrates  an  seiner  kröne;  als 
der  arme  abt  seine  Unschuld  beteuert,  erwidert  der  könig  ziemlich 
unmotiviert: 

Yes,  yes,  father  abbot,  thy  fault  is  highe, 
And  now  for  the  same  thou  needest  must  dye, 
For  except  thou  canst  answer  me  questions  ihree, 
Thy  head  shall  be  smitten  from  thy  bodie. 

Das  ist  unleugbar  eine  brutalität,  welche  den  leser  empört,  da 
ja  der  abt  eine  solche  strafe  durch  nichts  verdient  hat. 

Ganz  anders  bei  Bürger,  wo  der  kaiser  in  brennender  Sommer- 
hitze vorbeireitet,  wärend  das  pßLflflein  gemächlich  vor  seiner  abtei 
spaziert  Da  kann  man  es  freilich  diesem  kaum  verdenken,  wenn  er 
den  geistlichen  herrn  ein  wenig  necken  will,  und  schliesslich  wäre  es 
vielleicht  der  abtei  und  dem  lande  kein  schade,  wenn  sie  statt  des 
gemütlichen,  aber  faulen  abtes  einen  anderen,  strammeren  herrn 
bekämen. 

Auch  die  fragen  hat  Bürger  um  einen  glücklichen  zug  vermehrt 
(str.  10): 

.    .    .    .    „allein 
Es  soll  auch  kein  titelchen  wahres  dran  sein.^ 

Natürlicher  ist  auch  die  länge  der  dem  abte  gewährten  frist, 
welche  überhaupt  in  der  litterarischen  entwickelung  dieses  schwankes 
stets  gewachsen  ist,  bei  Sacchetti  sind  es  drei  tage,  bei  Percy  drei 
Wochen^  bei  Bürger  drei  monate.    Vortrefflich  ist  femer  die  angst  des 


BALLABB  BIS  BÜBGBB  323 

armen    pfaflfen    geschildert    (str.  13  —  15);     wie    aber  Götzinger  aus 
str.  15: 

Da  tra^  ihn  auf  selten  betretener  bahn 
Hans  Bendix,  sein  schäfer,  am  felsenhang  an 
die  andentung  eines  Selbstmordversuches  herauslesen  will,  kann  ich  bei 
dem  temperamente  des  abtes  nicht  begreifen,  während  er  anderseits 
mit  recht  einen  fehler  darin  gefunden  hat,  dass  Bürger  die  Übertragung 
des  englischen  in  das  deutsche  colorit  und  die  angleichung  seines 
Stoffes  an  die  gegenwart  so  weit  treibt,  dass  er  den  von  trübsinn  ver- 
zehrten abt  einen  „bleichen,  hohlwangigen  Werther"  nent. 

Die  rede  des  schäfers,  der  es  dem  abte  gleich  ansieht,  dass  ihm 
etwas  fehlt  (str.  16)  und  insbesondere  die  art,  wie  der  abt  die  fragen 
des  kaisers  reproduciert ,  sind  von  Bürger  unter  entschiedener  Verbesse- 
rung seines  Originals  vortreflich  behandelt.  Der  abt  gibt  in  seiner 
komischen  Verzweiflung  die  ganzen  fragen  des  kaisers  wieder,  fügt 
natürlich  auch  hinzu,  was  gar  nicht  zur  eigentlichen  frage  gehört  (vergL 
str.  18  —  21);  darin  ist  also  die  refrainartige  widerholung  der  ballade 
zur  erreichung  einer  humoristischen  Wirkung  benuzt. 

Während  sich  nun  Bürger  allerdings  den  günstigen  zug  des  eng- 
lischen Originals  (str.  17  bei  Percy),  die  ähnlichkeit  des  abtes  und  des 
Schäfers,  entgehen  liess,  hob  er  dagegen  den  mutterwitz  des  leateren 
in  seiner  Überlegenheit  über  die  Schulweisheit  (str.  23)  sehr  geschickt 
hervor.  Auch  die  komik  der  antworten  des  vermeintlichen  abtes  hat 
Bürger  glücklich  gesteigert:  (str.  29) 

„So  setz'  ich  mein  kreuz  und  mein  käppchen  darein," 
da  ja  kreuz  und  käppchen  für  den  schäfer  im  gründe  ganz  wertlos  sind. 

Die  antwort  des  kaisers  in  str.  30,  welche,  besonders  in  ihrem 
letzten  theile,  fast  sprichwörtlich  geworden  ist  (vgl.  Grimm,  deutsches 
Wörterbuch  IV,  11,  S.  106),  ist  ganz  von  Bürgers  erfindung  und  eine 
sehr  passende  erwiderung  auf  die  bedingt  gehaltenen  worte  des  abtes, 
welche  eine  derartige  antwort  herausfordern. 

Nicht  minder  kann  es  eine  Verbesserung  genannt  werden,  wenn 
Bürger  den  schluss  des  schwankes,  der  bei  Percy  nur  zwei  strofen 
einnimt,  bedeutend  erweitert  und  dadurch  die  persönlichkeit  des  Schä- 
fers noch  mehr  in  den  Vordergrund  gerückt  hat,  der  nicht  nur  einen 
hellen  köpf,  sondern  auch  das  herz  auf  dem  rechten  flecke  hat. 

Wenn  mich  bisher  eine  Zeitlang  gedichte  beschäftigten,  an  denen 
der  genius  Bürgers  nur  in  sofern  beteiligt  ist,    als  er  fremde  originale, 
wenn  auch  mit  starken  eigenen  zuthaten,  umformte,  so  ist 
„Des  Pfarrers  Tochter  von  Taubenhain" 
diejenige   seiner  balladen,    an  welcher    am  meisten    von   des  dichters 

21* 


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BALLABB   BIS  BÜBGEB  325 

ner  momente  behandeln.  *  Vielleicht  eher  berechtigt  ist  dieser  Vorwurf 
Schlegels  von  der  seite,  dass  dieser  stofF  speciell  für  Bürgers  behand- 
langsweise  der  bailade  etwas  verßLngliches  hatte;  konnte  er  doch  bei 
seinem  streben  nach  ausführlicher  behandlung  der  grossballade  leicht 
in  eine  peinigende  detailmalerei  der  psychologischen  wie  körperlichen 
zustände  der  unglücklichen  heldin  verfallen ,  wie  es  in  der  tat  in  dieser 
dichtung  der  fall  war,  wodurch  diese  ein  gewisses  criminalistisches 
gepräge  nicht  verkennen  lässt.  Anderseits  ist  es  Bürger  gelungen,  die 
Schilderung  dieser  seelenzustände  so  in  den  lyrisch -dramatischen  teil 
der  bailade  hineinzugiessen  und  diesen  wiederum  so  geschickt  mit  der 
epischen  erzählung  zu  verflechten,  dass  von  diesem  Standpunkte  aus  das 
gedieht  gerade  als  ballade  eine  nicht  verächtliche  stelle  einnimt;  schade, 
dass  sich  Bürger  auch  hier  der  einmischung  von  vulgären  dementen 
nicht  ganz  entschlagen  konte! 

Meisterhaft  ist  der  eingangs  welcher  mit  der  aus  der  erzählten 
geschichte  erst  resultierenden  schauersage  anhebt ,  wodurch  der  eigent- 
liche Inhalt  der  ballade  zur  episode  wird.  Das  gedieht  verläuft  nun 
rein  episch  bis  zu  dem  briefe  des  Junkers  an  Bosette  —  ein  glanz- 
punkt  in  diesem  ersten  teile  ist  die  Schilderung  des  Schlosses  und  des 
Junkers  (str.  4  u.  5)  —  und  nach  diesem  bis  zu  der  scene  auf  dem 
schlösse  nach  der  verstossung  der  pfarrerstochter  Auch  die  liebes- 
scene  in  der  laube  ist  episch  gehalten,  nicht  ohne  raffinierten  realismus, 
aber  auch  nicht  ohne  tiefe  poesie.  Dasselbe  finde  ich  in  der  meister- 
haften beziehung  der  aufblühenden  und  reifenden  natur  zu  dem  zu- 
stande Bosettens  (str.  15  — 17).  Dagegen  zeigt  der  lezte  teil  —  er 
ist  dem  inhalte  entsprechend  grossenteils  lyrisch  -  dramatisch  —  in  der 
roheit  der  geschilderten  Charaktere  und  sitten,  in  dem  übertriebenen 
realismus  der  reden,  endlich  in  dem  häufen  grässlicher  Vorstellungen 
(vergl.  str.  30,  32,  35,  37)  eine  Ssthetische  verirrung,  welche  den  viel- 
jfältigen  tadel  einigermassen  rechtfertigt,  welchen  dieses  erschütternde 
und,  ohne  diese  zutaten,  poetisch  befriedigende  gemälde  eines  echt 
tragischen,  dem  volksieben  entnommenen  geschickes  bei  den  meisten 
litterarhistorikem  gefunden  hat. 

Nur  kurz  erwähne  ich  „das  Lied  von  Treue"  *  (sommer  1788), 
welchea  zwar  eine  der  besseren  balladen  des  dichters  ist,  aber  litterar- 

1)  Ich  erinnere  boiläofig  auch  an  eine  kunstbaUade,  Schülers  „Eindes- 
mörderin." 

2)  Der  der  baUade  zn  gmnde  liegende  stoff  ist  im  mittelalter,  besonders  in 
französischen  werken,  vielfach  behandelt.  Mitgeteilt  wurde  die  geschichte  in  lo 
Grand  d'Anssys  Fabliaox  oa  contes  du  12i^me  et  Idieme  sibcle.  Paris  1779,  t.  1, 
pag.  34,  und  femer  dreimal  (in  verschiedenen  Versionen)  in  der  bibliothöque  des 
Bomans,  das  erste  mal  1775  nov.  pag.  84,  alsdann  durch  den  grafen  Tressan  1776, 


a26 

historisch  wenig  bemerkenswertes  enthält,  um  die  wandening  dareh 
die  Büi^rschen  bailaden  mit  der  dichtong  zu  beschliessea,  welche, 
das  zweitgr(>sste  balladenwerk  des  dichters,  den  r«gen  würdig  be- 
schliesst  der  mit  der  «Lenore*^  am  besten  wäre  er51biet  worden. 

aml  I.  p.  159  ^naeb  dem  rittem>iiiaii  ron  Tiistaa  und  der  icböBCB  Tsc«h),  enfflidi 
1777.  ferr.  I ,  pjLjr.  S7  imeh  einem  Cibliau).  Ver;^  F.  W.  VaL  SdimidC  a.  a.  o. 
p.  111  ü  Veigl.  Dimlop,  ,Geädi.  dor  rn>sadichnuigeii  usw."  öbenut  toa  lieb- 
nMrht.  Berl.  1851.  s.  S4  tg.  und  111,  rergL  Mich  Gnsw.  lelubudi  der  titeratnr- 
g«tsehichte  3>.  abt  1.  heft  1S42.  s.  250.  Ejb  ähnliches  abentecer  vixd  sater 
andern  aneh  im  deatseben  PamTml  Wolframs  roa  EgchenbaA  mxtfetoh.  BärfreT 
vmrde  aaf  die  belauitmaebanfir  des  gniea  Tressaa  bereits  im  jähre  177S  dmrdk 
Boie  aafmerksim  gemacht,  (Yer>d-  dea  brief  Boies  aa  Btiiger  vom  10.  dex.  177)$. 
S.  B.  n.  519.  Wie  veit  ihm  die  indem  pablikitiiMien  bekant  gevesen  sia>i.  Ter- 
mag  ich  nicht  azuixgvKrn).  scheint  al^r  zn  seinem  gedichte  ent  durch  die  dessel- 
ben st<>ff  behandelnde  ballade  ,Sch«~«  CUrchen"  seines  freim>les  Stclko^g  aas  dem 
jahrv  17^1  iWerke  der  l-rnder  Stoiheig.  ans^.  Toa  läS7.  1,  273  —  ??"»  afeie^gt 
vordea  in  sein. 

Was  Stolbefvrs  behandlung  betrtft.  so  kann  ich  Schle^eel  nicht  «nrecht  g«bem. 
der  (a.  a.  o.  s.  ^~<0'  dieselbe  an  s»!  fvr  sich  gegen  die  B4rger'scfe  T>:r3äehL. 
Die  erxähl:i£^  ist  bei  Su^lberg  anmsrlg^sfr  ^  doftigi»,  da«»  cckris  ist  alterömlkiaer. 
Dabei  ist  J^ks  s.tiv  mh  den  huxni<en.  abveiche&l  v^vn  den  altem  enähl-zadces .  ik«>- 
tischer  as-s^bilict :  B&rgers  dichtan^  aber  steh:  speciäsch  als  baLfcie  klher.  bei 
ihm  ist  all'f:»  krafti^r.  lebendiger,  dramasisctiAr :  allerdings  »t  sieht  n  InpMB. 
das»  vider  Üe  tes*iett2  aof  eine  moralischie  virruig  etwas  Wrvvrtntt.  Z*mt  oikcit 
hat  Borger  Kkrh  seiner  schon  mehrfach  be!«pric&»en  gev*jaheit  wsa^haw^eiX^ 

Eine  stelle  in  «lern  gedSchte  eri?ner^  jjl  die  Hriseh-rhetonaehes  parciA  ^es 
^Liedes  jQm.  braven  Maan"^.  ^  säch  mit  'Um  beides  «ad  seiner  %at  3esduftfg«B: 
der  dächter  scheint  aoeh  hier  afti  don  ech&fs  bolladenton  heraiuge£illea  la  se«. 

£s  ist  Str.  23: 

.0  sLinaer  der  tietie.  jezt  vara*  ich  euch  last. 
n  fesft  nik'ht  aof  biedermaoms-vOrtiahes  getttat« 
djiSiS  iher«  liebe  xkht  rjtftet!* 

Ebeffiä-?  i5C  T^rf-hlt  str.  33: 
^r»?r  herr  vom  Sretne  T«r^*hnKnt  den  stieh^.  vekhe»  kh  dem:  Jfcfihiz.  ein  £Tw»fi*:h 
vTsd^r!**    T^r^-efichen    m*'chce.     Der    feser   veü»    ^lüch.   das»  die  Ttifaa$ir*hesiie 
iuihs    ■'Ar.    itica  aa:  den   Junker  virn  ^teine    sein  soL.    jber   «i    aic    mdAÜM!»- 
luvscjir.  -im.  £:-;5o  1 1  «iävn.  AOiai  i-iriien  üe  jteile  üp*  virisn^  tcainp:iL 

Im  ür^n  iss  ^<ta^  Lied  tju  Tr?ae*  Ji  tch'em  boUafiencuiM  wiüj&«n:  t.jk 
ien  T-;Li.*3!i»:g  Tr."ijl'jn  ind  ibertrieben  aiaair.rrtirn  LLssemnijivn  lad  v>fndTinir!a 
itft  iaöscl-e  ivir  aieat  gana  firei.  liKh  tp-fen  iieselben  niirht  ^frade  lini  swhr 
!lenr  r.  5l>  lui  iCr.   li : 

Die  scsrme  <ier  iüb^ 
imi  str    l^ . 


,rad  niutfCesc  i*i  ewi|t  .ia  tiacküra .  in  huai, 
vQm  leh  bis  sani  irirbel  bmehweäsiK.*' 


ud  sa.  :S} 


BALLADB  BIS  BÜRGER  327 

^Der  wilde  Jftger*^  ist  das  produkt  langer  jähre,  wie  die  ^Lenore" 
die  frucht  vieler  monate  gewesen/  man  hat  deshalb  wohl  nicht  mit 
unrecht  auf  eine  ungl6ichmässigkeit  der  behandlung  aufmerksam  machen 

nnd  endlich  str.  21  das  scheussliche : 

„Wir  haan,  als  hackteD  wir  fleisch  zur  bank." 
Ich  benutze  diesen  ort,  um  noch  kurz  auf  zwei  wenig  bekante,  interessante 
balladenfragmente  hinzuweisen,  die  Bürger  in  dem  briefe  an  Boie  vom  30.  april 
1778  mitteilt,  aber,  wie  es  scheint,  nie  vollendet  hat  (vorgl.  S.  B.  TI,  483  u.  484 
und  Weinhold,  Boie  s.  204).  Das  erste  hätte  ein  „Lenardo"  werden  können,  nach 
dem  anfange  zu  schliessen;  er  lautet: 

Ines  von  Eastro. 
Husch,  hin  und  her,  huschhuscht*  ein  träum, 

und  stört*  ein  prinzenbotte/ 
Drin  lag  ein  paar,  auf  seid*  und  flaum 

In  fester  liebeskette. 
Don  Pedro  war*s,  der  königssohn, 
und  kronenerb*  von  Lissabon, 
der  heimlich  sich  Agnesen 
zur  gattin  auserlesen. 
Die  zweite,  „Der  Hecheltrager",  die  Bürger  selbst  eine  „äusserst  schnurrige 
(nicht  schaurige,  vrie  irtümlich  bei  Weinhold  steht,)   Romanze'*    nent,    wäre  eine 
coUegin    der    „Europa",    „Frau   Schnips**    usw.    geworden.     Bürger    teilt   in  dem 
erwähnton  briefe  eine   ganze    reihe  durchaus    burlesker   strofen  aus  derselben  mit 
ich  führe  die  erste  zur  probe  an: 

Zu  Brüssel  hei!  gieng*8  lustig  her, 
auf  herzog  Philipps  schmause. 
Sie  zechten  eimershumpen  leer 
und  vol  (!)  sich,  bis  zur  krause. 
Sie  trieben  recht  das  kälbchen  aus, 
auf  gottes  weit  kein  fürstenschmaus 
war  diesem  zu  vergleichen. 

1)  Nach  Reinhards  leichtfertiger  angäbe  ist  er  „vermutlich  aus  dem  jähre 
1785**,  vergl.  Götzinger  (a.  a.  o.  269). 

„Der  wilde  Jäger**  wurde  zuerst  angekündigt  in  dem  briefe  an  Boie  vom 
11.  october  1773,  kurz  nach  der  LenorevoUendung  (S.  B.  I,  123):  „Kund  und  zu 
wissen  männiglich,  insonderheit  denen  es  zu  wissen  von  nöthen,  dass  ich  wieder 
ein  rasches,  muthiges  Gefieder  ausgebrütet  habe.  Es  hat  scharfe  Fänge,  einen 
gierigen  Schnabel  und  sein  Geschrei  verrät  einen  nicht  wenig  innerlichen  Grimm. 
Sobald  ihm  noch  einige  Schwungfedern  gewachsen  sein  werden,  solPs  zu  Urnen 
fiiegen.**  „Der  wilde  Jäger**  wird  von  da  an  nicht  wider  erwähnt  bis  zum  sommer 
1775  und  nach  diesem  erst  wider  ende  1776.  Im  jähre  1777  hat  Bürger  wieder 
eifrig  daran  gearbeitet,  aber  erst  1778  wurde  das  gedieht  in  der  ersten  gcstalt 
fertig.  Vergl.  die  briefe  vom  12.  und  26.  märz  1778  (S.  B.  U,  454  und  465),  wo 
er  noch  nicht  vollendet,  und  denjenigen  vom  30.  april  1778  (S.  B.  II,  483),  wo  er 
in  der  ersten  redaktion  fertig  ist;  diese  ist  etwa  derjenigen  der  „Lenoro**  zu  ver- 
gleichen, wo  diese  noch  anfängt:  „Lenore  weinte  bitterlich.**  Bürger  nahm  den 
„wilden  Jäger**    in   die  erste    ausgäbe   seiner  gedichte  noch    nicht  auf,    und  vom 


m  niüstmn  geglaubt,  immerhia  aber  wurde  in  dem  yrerko  die  ewar 
im  Tfirgteicliu  zu  der  „Lenore"  ruhige,  aber  mutig-frohe  echafTenalust 
gekrönt,  weictie  sich  in  dem  briefwechsel  Öfters  ausspricht.  So  in  dem 
briete  an  Boie  vom  19.  august  1775  (S.  B.  I,  183):  ^Mein  wilder 
Jfiger  wild  entweder  ein  gewaltiger  Jäger  vor  dem  Herrn  oder  eia 
Hundsvott.  Je  länger  und  je  mehr  ich  daran  arbeite,  je  höher  steigt 
mein  Ideal  von  der  lebenden  und  webenden  episch-lyrischen  Poesie. 
Wenn  iuhs  erreiche,  so  wird  hinfort  Lenore  nur  mein  Mond,  dies  aber 
meine  Sonne  sein,"  und  am  19.  mai  1777  (S.  B.  II,  336),  wo  er  von 
mehreren  balladenprojekten  spricht:  „Der  wilde  Jäger"  dürfte  ver- 
mutlich die  kröne  werden,  well  seine  ausrQhmng  bis  jezt  meinen  ideen 
von  dem  wesen  wahrer  lebendiger  poesie  mehr  als  irgend  ein  anderes 
stQck  entspriciit. 

Noch  einmal  griff  der  geniale  dichter  in  einen  grossen  und  weit 
verbreiteten  Sagenkreis,  aber  es  ist  nicht  daran  -in  denken,  daas  er 
über  denselben  irgend  welche  kritischen  Studien  gemacht:  zweckloser 
noch  als  bei  der  „Lenore"  wäre  hier  ein  forschen  nach  den  einzelnen 
sageoqnelleu.'  Von  der  heidnischen  Urbedeutung  der  wilden  jSgersaga 
hat  BQrger  noch  nichts  gewusst,  konte  auch  za  seiner  zeit  noch  nichts 
von  ihr  wissen ;  er  hat  den  wilden  Jäger  in  der  echt  populären  gestalL 
aufgefasBt,  in  der  er  noch  jezt  unter  dem  volke  als  der  tolle  Hackel- 
berend  umgehl,  populärer  noch,  als  ihn  in  neuester  zeit  sein  landsmann, 
der  geistvolle  Harzer  Wolff  auH'aBste;  das  niotiv  der  beiden  ritter  hat 
er,  wenn  nicht  frei  erfunden,  ans  einer  ähnlichen  fassung  der  BackeU 
bergsage  umgestaltet,  *  ähnliches  gilt  von  dem  motiv  der  klausuerhUtte 
in  bezug  auf  die  von  Pröhle  mitgeteilte  sage  vom  Kehbergor  graben; 
in  dem  versinken  des  wilden  Jägers  aber  einen  erdfall  oder  sogenanten 
nobiskrug  beschreiben  zu  wollen,  wie  Pröhle  (a.  a.  o.  e.  128)  ihm  zu- 
mutet, daran  hat  der  ehrliche  Bürger  sicherlich  nicht  gedacht  Eine 
bestjmte  gegend  ist  in  dem  gedichte  nicht  gezeichnet,  doch  mag 
Bürger    an    den  Huusrück    gedacht   haben,    wo  die  wild-  und   rhein- 

la  mai  1779  ab  (8.  B.  IT,  542)  vorschwindet  die  ballade  aqb  den  erhaltenen  brief- 
wochMl  g&ntlfcb,  h\»  zu  den  späten  briofen,  welche  tiftch  der  pabllkatioo  des  gt- 
dichtes  im  miueaaliiiBnach  (jnhrgang  1786)  geschrieben  wurden.  „Der  wilde  Jäger' 
in  der  una  vurljegeeden  form  iet  «in  jodcnfalls  vielfach  iiiti'  und  überarbeitete 
werk,  mSglieh,  düa  din  Inzto  beuboitDOg  erst  im  jobra  1TB5  geBcblossen  wurden; 
dieae»  aber  mit  (lütiinger  kui  der  tstaauhe  des  1786  erfolgton  dnickes  felgotn  xu 
wollen,  ist  sehr  i^ewsgt,  weil  Bürger  Dacbweislich  mchri^rc  gedichte  auch  nach  Ihrer 
leiten  vuUeudung'eine  leitlang  in  pulte  behielt  oder  wenigsten*  nur  nntcr  seinen 
rreunden  drcnlierea  lies«,  bevor  eie  gedruckt  wurden. 

l]  Siehe  FtöUe  %.  a.  o.  e.  124—129. 

2)  Daeelbot  s.  186. 


BALLADB  BIS  BÜBOBR  829 

grafen  hausten  wie  auf  der  andern  rheinseite  die  sagenberühmten  Ro- 
densteiner.  ^ 

Die  composition  des  gedichtes  ist  der  der  „Lenore^  ähnlich,  doch 
ist  die  ballade  eigentlich  monodramatisch,  die  andern  personen  haben 
nicht  viel  mehr  bedeutung  als  der  eher  in  der  antiken  tragödie,  das 
ganze  Interesse  concentriert  sich  auf  die  wüste,  aber  imposante  gestalt 
des  wilden  grafen. 

Meisterhaft  ist  wiederum  die  exposition: 

„Der  wild-  und  rheingraf  stiess  ins  hörn." 

Meisterhaft  auch  ist  der  schwere,  aber  charakteristische  bau  der 
strofe  und  besonders  die  Verwendung  der  reime  in  den  beiden  anfangs- 
strofen;  die  erste  malt  in  der  offenen  o-assonanz  die  klänge  der  jagd, 
die  zweite  in  dem  a  den  klaren  klang  der  domesglocken,  welcher  zu 
dem  wilden  treiben  des  grafen  einen  friedlichen  gegensatz  abgibt 

Und  nun: 

Bischrasch  quer  übern  kreuzweg  giengs 
mit  horridoh  und  hussasa. 
und  schon  kommen  auch  die  beiden  seltsamen  reiter;  keine  trockenen, 
bleichen  allegorien  sind  sie,   sondern  lebenswarm  und  voll  gezeichnet; 
man  denke  nur  an  die  Schilderung  ihrer  rosse: 

des  rechten  ross  war  silbersblinken, 
ein  feuerfarbner  trug  den  linken. 

In  geschicktester  weise  ist  nun  im  verlaufe  des  gedichtes  das 
epische  und  das  lyrisch  -  dramatische  balladenelement  zu  einem  äusserst 
lebensvollen  ganzen  verflochten.  Wie  eine  wand  durch  gitterwerk  und 
Verzierungen,  so  ist  die  erzählung  des  jagdverlaufs  durch  die  reden 
der  fremden  reiter  und  des  grafen  und  die  bitten  des  durch  die  rohheit 
des  lezteren  bedrängten  landmanns,  hirten  und  klausners  durchbrochen. 
Der  Wechsel  zwischen  erzählung  und  rede  findet  auch  innerhalb  der 
strofe  statt,  deren  bau  zur  aufnähme  verschiedenartiger  demente  sehr 
geeignet  ist.  Die  ersten  vier  zeilen  sind  männlich  gereimt,  kurz  ab- 
schneidend, die  beiden  endzeilen  klingen  weiblich  aus;  in  diesen  teil 
sind  die  reden  gewissermasson  als  resultat  des  voraufgehenden  ge- 
schoben. 

So  z.  b.  str.  10: 

„Lass  stürzen!  lass  zur  höUe  stürzen!"  usw. 
oder  11: 

„Erbarmen,   lieber  herr,    erbarmen!"  usw. 

1)  Eine  rheinsage  liegt  nicht  zn  gmnde,  verschiedene  bearbeiter  poetiscber 
rheinsagen  haben  sich  in  dieser  beziehnng  durch  die  baUade  täuschen  lassen. 


•JI»er  rrtf  Terstc-binLii:    o**  tü^^^sl  ▼Dien 
VüLÖtfr^iC  is;  d*  sdliiäfiroLr  6»   ihrQirßKi*btt  dnrdi  fit  kcm- 
fiiKTFexELh .    TT  AT   ii'in  irirkäci.   vi*-   Bcrppr   «?   vnnsciß*-    fi*  l***^ 

^^jt  tt'isri  ist  c&^  ?T«trFL  D*r  rctä*    sir  2f    änrcäi  fie  «md- 

Tdc  ür  ruc  htc  CLrci  frr  ntt  vüc 
mc  bsr  lac  üi  cet^i  viic  rxic  irr. 

> TT  -^  ö*  D:-i_i^r>nizi'f  rr-w^^s  f^r*-i<  :2•f^'.>p5i^i  rfifirr«":  cm  fie  rer- 

crr.i  "--i-t  :i2>:iL::^  rt  T>*fr  fkr':»:i:>i-'  tSfc^Ai?«!:    is^scx»?«    is4  fcier 
»iiii  i&$  zDr-rr  it-r  n-eiSfiiiii:!: .  »Tvr!>=   ^tCL^-^^f-z  jirsr  äfft  kvf^  vm* 


L<  ±3l:  tTi  fir::  r^: .:  i.;::  :ri.  inc 


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S:*. >:  »VÄ^.Aurrji'.iNxy    :'^:    V^^y-^^    .mV;*:: T.cxin.iu:    i:«    in  der 
mit«    -.-  '-•   v.^.Ni*"-^  N.^.i,    M.'.  ...  ,:.\n;.'v-.   -üvi:  :rxiifa  xftck  hause 


BALLADB  BIS  BÜBGBB.  331 

§6.    Die   dichtart   G.  A.   Bürgers, 
ihr    unterschied    und   ihr    fortschritt    gegen    die    balladen- 

dichtung  der  früheren  epoche. 

Nach  der  Wanderung  durch  die  Bürgerschen  balladen  komt  es 
darauf  an ,  die  algemeinen  eigenschafben  seiner  dichtart  zusammen  zu 
fassen  und  zu  einem  bilde  zu  vereinigen,  welches  geeignet  ist,  die 
stufe  zu  bezeichnen,  auf  die  die  ballade  durch  Q.  A.  Bürger  gehoben 
wurde,  den  fortschritt  gegen  die  frühere  und  wenigstens  im  algemeinen 
auch  die  anknüpfungspunkte  an  eine  spätere  balladendichtung.  Erst 
durch  eine  solche  mehr  theoretische  betrachtung  wird  die  bedeutung 
Bürgers  in  ihrem  ganzen  umfange  ans  licht  treten. 

Bürgers  balladendichtung  unterscheidet  sich  von  der  dichtung 
einer  früheren  epoche  schon  durch  den  ungleich  weiteren  kreis  der 
Stoffe. 

Mit  genialer  Vielseitigkeit  schöpfte  Bürger  aus  dem  vollen  borne 
alles  dessen,  was  poesie  heisst,  griff  in  die  lieder  und  sagen  des  Volkes, 
des  eigenen  sowol,  denen  er  in  den  spinnstuben  und  unter  den  linden 
des  dorfes  lauschte,  ^  wie  auch  des  englischen,  die  er  besonders  in 
Percys  Sammlung  vorfand;  daneben  weiss  er  sich  anderseits  der 
begebnisse  des  lebens  für  seine  balladendichtung  zu  bemächtigen;  im 
algemeinen  sind  es  einfache,  nicht  verwickelte  begebenheiten,  die  er 
behandelt,  aber  solche,  welche  das  einfache  gemüt  ergreifen  und  er- 
schüttern. Zugegeben  nun  auch,  dass  sich  Bürger  in  den  Stoffen  hin 
^V.  und  wieder  vergriffen  —  so  hätte  er  z.  b.  unstreitig  den  Percy  aus- 
giebiger und  zugleich  mit  sorgfältigerer  auswahl  benutzen  können  —  so 
bleibt  die  tatsache  bestehen,  dass  Bürger  der  balladonpoesie  anstatt 
der  bisherigen  engen  sphäre  ein  freies,  grossartiges  gebiet  würdiger 
Stoffe  erschlossen. 

j 

Hinsichtlich  der  darstellung  ist  Bürger  der  erste,  der  in  grösse- 
rem massstabe  und  consequenterer  durchführung  seine  balladenstoffe 
als  ernste,  um  ihrer  selbst  willen  der  darstellung  würdige  gegenstände 
auffasste  und  damit  zugleich  die  ballade  und  romanze  aus  der  komi- 
schen gattung,  zu  der  sie  bisher  in  Deutschland  ausdrücklich  war 
gerechnet  worden,  unter  die  ernsten  gattungen  der  poesie  versetzte. 
In  dieser  seiner  tätigkeit  knüpft  er  an  die  vorhandene  Volksdichtung, 
wie  schon  oben  gesagt,  gerne  an,  geht  aber  jp  „der.  anaffibrung  über  ^>^, 
sie  hinaus  und  erreicht  seine  hauptsächlichste  bedeutung  als  schöpfer  der 
V7Ü.  grossballade ,  d.h.  derjenigen  dichtung,  welche  die  epischen,  lyrischen 
und  dramatischen  demente ,    die  in  den  kleineren  balladen  mehr  oder 

1)  Yergl.  HerzeDsergQss  über  Yolkspoeüe,  Werke,  Bohtz,  s.  320. 


3;^ 

weiiig»fr     ^tniQt    aaftreceQ.    mh    künstlen^schem   bewnscaeoi    m    siA 
vereinig. 

Die  •ioTi.-krlliniiig  di**«es    prinoips    isc  Böiger   ixi  Tn.mfhm 
biilLidea  in  iKrrorr&geader  weiie  gelangen.    (.JjeiLore' 
•Pt':irrer?tooh:er*.  •Wilier  jslger".) 

I>is  dnm.iäiohe    elemeas    inibe^adere  cricc  ausser    iii 
in  -ier  Bärzer^ciieii  irr?säbAlLiile   aa«-'ii    in  der   compa^aci«»  im 

Die  omniogrekherea  seiner    balLhieTi  ^ind    ciäC    alL!  Oiiek 
iTio^    be$tiin:en  pLme    gebaa::.    ier  sich    mk  'ie!]!    latban  Gnes  faiif> 
i&:ig^ii    T-i!T!:L<  verrieichea    liesi^e.    veLcheoL    aar  •üe   penpede    feUL 
üaa  7:frjri.  üe  •Lenopfl   1.  iki:   kone  exp^jäicioa.    ^Lemm  iabr 
ni.jr^QTMu-     i  iir:   iiiiog    rriiciitfa    aiaiser   ind  3uch 
-H-h  il«L  "jeginaeade  Terv-L-kelaag     :).  lir: :  rorÄar^iEea'ie  ▼« 
ier    z^a:scerr::i.     4.  lin     pedpeci»f     :>fiiiL.     5.  ok:::    kJOAPipdis.     ^am 
ixiuii>c  üud  JDiü  "nii*.  ,r»ie  enüTirirmir*.  «I^r  wude  jag»ir*.  ja^  v«m 
jioa  -^<  Terr'ijür; .  nisC  ille  3ärz<irH:aea  biiHüiiea  :oaip^nin. 

Die  auve  Lir?WLlaag  ies  ilten  T..ä5g»singw<  !nic  Barjeria 
■i*finer  lalLide  iur.'h'vevr  beibeiialr^n .  -vihrfnd  •j.)edie  ae  in  -»im^pHi 
-s^mer  bailudea.  :.  "j.  jh  •Erik^aig*.  in  iie  T.^ricin£g^  lofEiäeai&r  Abt 
z»-biliier-fa  ims^^rr«.  In  üeser  bt^zieiiing  <£}nimHa  besonder?  -irtiuri»"*. 
^Dttr  Tude  ;üir?r-.  -  ia«:h  -Lenartu  md  3Lui«iine"'  äe  •ersdieiiiaiK  'iör  ^ 
tr*i  "unkcT  ji  )»*tmeiit:  ji  iie<*fni  'leibeiiuiten  ier  naiven  TijIksvoF* 
KviliniT  ie'zr  ^S^abür  -fii  .TTnd  iar  iie  ponaÜLrrar   iie*«er  baÜaitiHL 

Zadiir*ii  liLrs   3nmr  iie  neiso^a    ?ein»*r    ^cjie  sor  zr.'S&bailaA  ?f 
"-rLTHeiret*? .   mi^ri-  -r.    i^o^a    mu    ?ung^iirea    ies    tdicen  T.i£kijiedaB 


ir 'Ä-^ncrü::  )»•!  md  ii>^ct  rt'.ii  iDtriüapr  SU  iie  :»»nnen  le*  7«iik;». 
ir'ir-  ziui»?  iü^Ua<.dniifii»  a.  ..  jLüii'i  -L^Svana  -**  ii*i  ipb'.'irsische  "w^^s^ 
i*-^  ■  'Lk^Üe-it"?  -n  uau^aejx  ?eintr  "•maajfra  i'.üi.iviifj  ;a  "Twifen.  Sn* 
loiiLr  -r-iTTn  ii^r  '•nkicümÜ«'j»-'i  *.<'fiu;L^  lu-i  vir'e*  ier  ^ten  Vau»- 
Ltn  TH'^rii  -iLi:    wilcrünc^  i^^-'J    ^^   .5ii:'v:»?r      <•    :.  ?.     n    ier    ^eaora"*" 


BALLADB  BIS  BÜRGSB.  S33 

balladen,   wo  er  unmittelbar  an  das  Volkslied  anknüpft,    die  „Lenore'^ 
und  die  „Entführung^). 

Das  Volkslied  deutet  zeit  und  ort  seiner  begebenheit  und  die 
Umgebung  seiner  personen  nur  an,  ganz  anders  Bürger: 

Er  war  mit  könig  Friedrichs  macht 

gezogen  in  die  Prager  schlacht 

und  hatte  nicht  geschrieben, 

ob  er  gesund  geblieben, 
und  dann  die  ganze  einzugsscene ! 

Auch  seine  örtlichkeiten  führt  Bürger  in  sauber  ausgearbeitetem 
detail  vor:  dahin  gehört  die  Schilderung  des  Schlosses  Falkenstein  in 
der  „pfarrerstochter^  und  des  eisgangs  in  dem  „lied  vom  braven 
mann"   usw. 

Tor  allem  scharf  und  ausführlicli  gezeichnet  sind  die  Bürgerschen 
gestalten  und  Charaktere,  Bürger  fahrte  eine  individualistische  charak- 
terbehandlung  zuerst  in  die  baUade  ein.  Mit  recht  bemerkt  in^  dieser 
beziehung  Götzinger  (a.  a.  o.  400) :  „Lenore  hat  mit  frau  Magdalis  und 
mit  Bosette  nichte  gemein,  obwol  die  Umgebungen  gerade  dieselben 
sind,  und  wie  unendlich  verschieden  sind  der  wildgraf  und  der  mar- 
schall  von  Holm,  Karl  von  Eichenhorst  und  der  brave  mann,  das 
pilgermädchen  und  Gertrud ,  Hans  Bendix  und  der  kaiser!" 

Die  superiorität  der  dem  echten  Volksleben  entnommenen ,  lebens- 
vollen Charaktere  Bürgers  über  die  trockenen  Schattenbilder  der  bän- 
kelsänger  tritt  besonders  in  den  dialogen  seiner  balladen  hervor.  Auch 
in  diesen  hat  Bürger  die  form  der  Volksdichtung  aufgegeben  bezw. 
völlig  umgearbeitet.  Hfir^dialog  des  Volksliedes  ist  abgebrochen,  die. 
psychologische  motivierung  nur  undeutlich  angegeben,  oft  geradezu  un- 
verständlich ;  Bürger  dagegen  glänzt  in  grossartigen,  die  gedanken 
i  ^f/:völlig  erschöpfenden  dialogen  (vergl.  die  berühmten  dialoge  in  der 
„Lenore"  und  im  „wilden  Jäger"),  und  in  diesen  liegt  gerade  eine 
hauptstärke  der  Bürgerschen  balladendichtung;  anderseits  ist  er  der 
erste,  welcher  versucht,  4l5__  Ballade  zur  darstellung  einer  sittlichen  ^  ^U$\ 
idee  zu  benutzen  (^Lenore",  „wilder  Jäger"),  wenn  auch  mit  geringe-  >tw-6  ^ 
rem  erfolge. 

Ich  habe  bereits  bei  der   besprechung  von  Bürgers  persönlichkeit  ^A7> 
auf  zwei   fär   seine   behandlungsweise   poetischer  stoffe  besonders  cha- 
rakteristische merkmale  hingewiesen,  die  richtung  auf  das  volksmässige 
und  das  streben  nach  äusserer,  formaler  correctheit. 

Was  den  lezteren  punkt  angeht,  so  teilen  Bürgers  balladen 
begreiflicherweise  die   seine  übrige  dichtung  auszeichnende  formvollen* 


\\ 


334  ROLsnifssx 


dung;  das  ängstliche  streben  Bach  äusserer  correctbeit  indessen, 
ia  der  lektilre    der    späteren  gotlichte  Biirgers  oft   so  peinlich 
tritt  in  den   balladen  um  so  weniger  hervor,    abi  diese  (mit   ausnähme 
einiger  der  kleinen  roman7,enartigen  gedichte)    sämtlich  vor  der  Schil- 
1  Igrachen^ecension  erschienen    waren,    welche    beVantlich    den   dichter 
I  erit  veranlasste,  diese  art  hyperkritik  an  seinen  werken  zu  üben;  auch 
y  haben  sich  für  die  bailaden  keine  Varianten  nach  der  ausgäbe  fou  1789 
vorgefunden,  wühreud  ifwiscben  der  ersten  und  zweiten  ausgäbe  immer- 
liiti    nicht  unbeträchtliche  verschiedenheiteu  in  den  balladent«xten  exi- 
stieren.    Indessen  ist  anzunehmen,    dass  die  balladen  bei  ihrer  ersten 
verSITentliebung    gri^atenteils   schon    in   einer  mehrfach  und    sorgfSltig^ 
ßberarbeiteteti  fassung  erschienen,    wie  solches  von  der  „Leuore",  dem 
„wilden  jilger",  auch  der  „Europa"  u.  a.  feststeht. 

Ia  seinen  yolkatüin liehen  bestrebungen,  welche  so  ganz  dem 
gouius  Bürgeri  entsprachen,  waren  dessen  eigene  dunkle  gefühle  und 
ahnuugen  zuerst  durch  Herder  zu  klarerer,  hewuaater  anschanung 
erweckt  worden.  Wie  nun  Herder  durch  den  an  und  für  sich  ganz 
berechtigten  kämpf  gegen  die  steife,  conventionelle ,  verzopfte  poesie 
seiuer  zeit  b|s  zu  äet  übertriebenen  ansieht  von^  der_aliaiB_bereclitigung 
der  Tolkspoesie  gekommen  war,  so  suchte  auch  Bürger  —  em_ejjedenk- 
licheTfippe  seiner  dichtung  —  die  grosse  des  dichters  in  der  volks- 
tQmlicben  dichtung  und  das  kriterium  seiner  poesie  in  der  pojmlaritäL ' 
Ein  volksdichter  aber  in  dem  sinne  der  alten  miuütrels  oder 
balladenaüuger  ist  in  unserer  zeit  bei  der  treunung  unseres  Volkes  in 
die  kilasseu  der  Htterariscb  gebildeten  und  nicht  gcbildeteu  nicht  uiefar 
mJiglich.  Ein  volksdiclitor  im  modernen  sinne  kann  also  nur  derjenige 
Kuin,  der  entweder  mit  angaben  der  ersterou  klasse  in  der  ideen-  und 
empfindungssphäre  der  zweiton,  des  „voIkes",  dichtet,  oder  dem  ea 
gelingt,  seine  dichtung  so  zu  gestalten,  dass  sie  dem  ungebildeten  zu- 
länglich, zugleich  aber  dem  gebildeten  geschmackvoll  genug  ist;  denn 
ein  dritter  weg,  den  Ooerth  (in  seiner  citiorten  abhandliing  s.  382)  so 
M  nont ,  die  denk  -  und  emplindungawcise  des  zwoiteu  teiles  In  den 
'  nur  dem  ersten  teile  zugänglichen  kunslformen  darzustellen,  d.  h.  die 
empGndungsweise  des  Volkes  nur  al^  objekt  der  dichtung  zu  benutzen, 
kann  doch  unmöglich  als  wirkliche  volksdiohtnng  bezeichnet  werden. 
Nun  ist  von  den  beiden  oben  angegebenen  arten  die  orsle  entscliiedea 

I)  POr  Boiiio  tSbrigi-n»  njcbt  xa  Bjstematiwlior  klarbeit  tintwicVsltfln  th«ore.  . 
ttaehnn  Minchten  Gbor  illn«an  iiantl  aiad  besondcrB  soln  .HerOTn»ergasB  UhorTulks- 
VO^o'  nnil  liio  lieidan  vorn^Jivii    m  dtui  aiispibmi  •'•i''er  gMcUU  zu  vergldcben, 
(Werke.  Bohti.  ■.  31»  fg.) 


BALLADl  BIS   BÜBGBB  835 

SO  niedrig,  dass  sich  ein  wahrer  dichter  kaum  zu  ihr  verstehen  wird; 
die  zweite  aber ,  die  von  Schiller  in  seiner  bekannten  recension  ^  als 
forderung  aufgestelte ,  so  schwierig ,  dass  sie  kaum  in  der  einen  oder 
andern  dichtung  durchzufuhren  ist  —  am  ersten  noch  im  einfachen  liede, 
wie  es  Claudius  u.  a.  anbauten  —  am  wenigsten  aber,  wie  Schiller  in  über- 
stiegenem  idealismus  von  dem  dichter  verlangte,  in  allen  gedichten 
desselben  oder  auch  nur  in  der  mehrzahl.  Ein  volksdichter  also  als 
dichter  für  den  zweiten  teil  des  Volkes,  den  litterarisch  nicht  gebilde- 
ten, ist,  wenn  er  nicht  bei  der  ganz  niedrigen  aufgäbe  stehen  bleibt, 
seine  bezüglichen  gedichte  nur  far  diesen  zu  verfassen ,  in  unseren  tagen  m 
nahezu  eine  Unmöglichkeit,  und  das  bestreben  eines  dichters,  volks-  "^^ 
tümlich  zu  sein,  kann  sich  allein  darauf  richten,  durch  eine  möglichste 
enthaltung  von  allen  positiven,  specifisch  der  klasse  der  gebildeten 
angehörenden  elementen  und  durclF  eine  klare  y  algemein  verständliche  ^ 
darstellung  die  grenze  der  zugänglichkeit  für  seine  dichtungen  mög- 
lichst weit  in  den  besseren  teil  der  zweiten  klasse  des  volkes  hinein- 
zuschieben. Bürger  aber  fasste  die  aufgäbe  volkstümlicher  poesie  ' 
vielmehr  als  die  einer  durchschnitsdichtung  auf,  wie  aus  seinem  ver- 
gleiche des  Volksdichters  mit  einem  Schuhmacher  hervorgeht,  welcher 
fertige  schuhe  zum  markte  liefert  und  sich  dabei  für  das  gros  derselben 
eines  durchschnitsroasses  bedient.' 

Bei  dieser  auffassung  wird  man  es  erklärlich  finden,  dass  Bür- 
gers dichtung  viele  elemente  aufnahm ,  die  dem  gebildeten ,  ich  will 
nicht  sagen y  ganz  ungeniessbar  sind,  aber  die  ihn  doch  abstossen; 
anderseits  aber  wäre  trotz  des  erwähnten  strebens  seine  dichtung  bei 
weitem  weniger  in  das  volk  eingedrungen ,  wäre  Bürger  bei  seinen 
absiebten  von  kahler  theorie  ausgegangen,  und  nicht  vielmehr  sein 
wesen  und  seine  ganze  dichterische  persönlichkeit  mit  diesen  be- 
strebungen  auf  das  innigste  verwachsen  gewesen. 

Als    ein    echter    söhn    des   deutschen  volkes,    mit    welchem   im 

innigsten  verkehr  er  den  grösten  teil  seines  lebens   verbrachte ,  brauchte 

er  die  empfindungs-  und  anschauungsweise  des  volkes   sich    nicht  erst 

anzueignen,    da  er  sie  in  den  meisten  beziehungen  teilte;   daher  seine 

>v/^!8inliche,  packende  art  der  darstellung,    sein  Interesse  an  der  frischen, 

1)  In  betreff  dieser  rielbesprochonen  recension  verweise  ich  des  näheren  auf 
Schlegels  ansieht  in  der  seinigen  (Charakteristiken  und  Kritiken  2,  1  fg.)  femer  auf 
Eoberstein  Y,  39,  anm.  31;  die  von  dem  lezteren  dtierte  nochmaUge  entgegnnng 
Bürgers  (ausser  in  der  „vorlfiufigen  Antikritik")  ist  keine  prosaische,  sondern  eine 
poetische,  „der  vogel  ürselbst,  seine  Recensenten  und  der  Genius **  (Gott,  mnsen- 
almanach  f^r  1793). 

2)  Siehe  die  „Vorrede  zur  2.  ausgäbe  der  gedichte**,  Werice,  Bohtz^  s.  329. 


•  •■•• 


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i::i  l:»»-:  fL- Z  Ltjt:  Lr  r-riulr  i^r.  iü  t::£.  irrLi  ^-cii  licfat  gende 
ZLS.  irrZL  "/..*-'..  ^.r  -.'l—  Tirrrwjriri  -w.rirz.  15: .  >.'  -ic-eh  mit  den 
L-r ih^rrri  rlrZLri:^!.  It^  '  jl?  ii  üriT-iiirrf-L.  ^Z-L  wie  er  selbst 
JL-r-Lr  TLi-:  rrliiTcriT  ii.  i  i":  i rilirr-r    Lirir  "tl.-.   z.    fra  nziremen,   ja 

riiT    :eir-il::ir    T;rlir':»r    nr  dir    dArstellong 

ir,    LzTirz.  rrlss^chsie  iDomente 


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-:  ^rTZr  ItTt  rfi:i-  z:z.  f.r  ii.  jriÄ=*f:.  ZTZirZ-Li^üf^itT  weise  zu 
-li-iTn.  r»ii-i  --i":*  i.-:'i  iir  i":rfr:rr::-LLj  i::  s-riLri  >difldenuigeD 
^•.•rrLiir^-^  Lt  TTr^.iT-il-i^  t;i  ■:L;irn-  zii  ^Irichiissen  and  far- 
"T—  iir  ii.i-i.  LÜ  :'.zz-:-^L  :ii>rl.-:r.:ir-  r.«:  if^fi  er  mali  und  mit 
I^iT-    irrri^T  r-ilri  Liiiif.  irT  Li:!:  fl:  rirri  Ttririzrncn  eesohmack, 

-  Li'.n  ft:  :>  rrir-ri.  ItITti  ie?  Tf—^rr  rfrilirTci:  ^bellet 

I'ir  iTriifi'r?:-  ':il:  ':i  Bir^Tr?  T:lk>:t ■■■',: :hrn  l*e5trebangen 
j'iriir:  ?^:1t  i:r-:'ir.  "Wi^  r^irr^:  ii  ^fizri  rrlrfen.  besonders  in 
.---i1j:-i  LZ  T-nr-.t'T  ::r^:.ii  :.  *:■.  SlI  '/ivv'rli^.  an  den  hofrat 
L.r-rr.  iL  fTii-i  ?.'i--jr:  ».iv: T^  Lr. I.': ij"i  ..?w  fi^i  mit  Vorliebe 
.1  -•  i?:i2rrljTi  zil  irri-ti  rrlri.^Ärir::  trcei:.  >:■  iriLCt  er  auch  in 
■T.iri  "i^liiTi  i'^n-  Irrirt^r  wrii;:L^tr.  i.r.i  szsiricke  an.  welche 
i-.i-:  r.ir:  f:  >.i":.ri  "iI  ^rr-^xir::^:-  >::^:-if  lichi  eben  zum  Tor- 
>^r  ^'Tz..'l-:^  D-j.i  üefr  i.tzl  l.s  .:r.:i::LÄl:«:.i^:öLes  sind  aller- 
ir-   i-    -.-1  Tr    :-:  i;tr^rr?.i_rL  ic'.li.;::.  srhr    lr:itL?wihr  und  indi- 

-  — 1.-: .^  ':.  jrfirrt-  i  -t  ::.  I..s  r. ..";.  \//.r:.ir;<r  uni  reiner  kunst 
'^Lr'rzL  -'.r  ?.•/:.  i'/i:  äiir.  l':f>  ^ ür  ti:.?:  .itT  « tSt-nilichsien  punkte, 
-L  l-:-i  .r:  ilti- :-::.;.>  S.i.ul::^  .i:.>:^Ä>  :.Ähn;  ;:ni  uehmen  muste; 
i ■_:;:►:  ..*:•?:  r.it*.:  >:/:.  .u  i  ::.■.:  i ::.*";:'::: ;:yc  .:;ri7;:c«r  elemente  in  die 
i.^ii-L-.  "i.iuz.j  :n.  >■  ::.oV.:  Ktwh:.^:.  ;'i*.>  iT  iv.t^^er.  entsprechend 
ctiii  ^Tr:  ,i:..:  ^.  r  äl'k,*.:.:^  iicr  ;il:r:i  ^»  *Asl .:.;;:.  r.;-vh  \v«r  aller  anderen 

3  P.:  :.;.  :..r::  »x:  :-.M,:v.  •.,-.vJ  v..*:  ^  .*■  \.o*'..>:  :■■  jviricn  wi^Ttzusam- 
i:.-  is^vT-c:  i-;  -.  •..;  .;  -  *«:!  .■.-,*..:  j,.  r  .  /,.  ms  'v  iV  — .  v.  '  ^.  .\  ^  y  -.."j,-^  ^J^  landes 
hrfr>tr»»ni '.         rA^i'w>»•hA1^'^^ ",      .. » ,i;*:»H.s  V,  v!.  ..*-.  .:.,..<,  r,;;hrureiunTis"     ubw., 

wi>jTviiti  Aij»ior>tii*  >,*iiKMi  «.MHuKhiwik«'«  kv«'*''«*«  »•^>!  AVius^rwiiea  i»t,  und  die 
meUun  »u:>;it«»'«  *U    iwtit  oni^nu-l)     lum,  1..'  .■«»;,■■  ä'.>   n,.\:    cf'ciu:*«  bezeichnet 


BALLADl  BIS  BÖ&OBB  837 

(lichtung  das  recht  vindicieren  zn  müssen  vermeinte,  gewisse  rauheiten 
au  sich  zu  tragen  oder,  nach  seinem  ausdrucke,  ,,  etwas  rostig  zu  sein."  ^ 
Ja,  Bürger  treibt  das  streben  nach  Volkstümlichkeit  in  diesem 
punkte  so  weit,  dass  er  einerseits  ausdrücke  gebraucht,  die  nur  in  der 
Vulgärsprache  üblich  sind ,  anderseits  seine  spräche  geradezu  dialektisch 
zuspitzt  ^ 

1)  Vergl.  ^ Herzenserguss  über  volkspoesie*^,  Werke,  Bohtz,  s.  320,  S.  B. 
I,  183  und  n,  361. 

Za  dem  angedeuteten  zähle  ich  unter  andern  redewendungen  und  aus- 
drQcke  wie: 

„Sie  hatten's  ein  küssen,  sie  hatten^s  ein  spiel ** 

(„Lenardo,^  str.  33,  erste  ausgäbe). 
„Da  stinkest  nach  stinkender  hoffahrt  mich  an.*' 

(eb.  str.  68;  hoffahrt 
ist  eine  schlechte  ändemng  Bürgers  in  der  2.  ausgäbe,  wenn  es  überhaupt  etwas 
anderes  als  ein  druckfehler  ist;  die  lesart  ist  in  alle  ausgaben  der  BQrgerschen 
gedlchte  übergegangen,  indessen  ist  die  ursprüngliche  lesart  der  ersten  ausgäbe, 
^hofart",  wie  leicht  einleuchtet,  bei  weitem  vorzuziehen.)  usw. 
Die  realistische  art  der  meidung  von  Blandinens  tode: 
„  Prinzessin  ist  hin  **  (eb.  str.  77). 

„Kind  Gottes."  („Bruder  Graurock  und  die  Pilgerin"  str.  4). 
„Ein  bürschchen,  das  den  ganzen  tag 
durch  koth  lief  und  durch  moor, 
speist  wol  sein  nachtbrod  von  der  faust 
und  sinkt  am  herd  aufs  ohr." 

(„Graf  Walter«  str.  32). 
„Herzenskarl."  („Entführung"  str.  14). 
„Herunter,  Junker  Grobian!"  (eb.  str.  25). 
„Der  Ungeschliffene"  (eb.  str.  27). 
„Kein  armer  Verbrecher  fühlt  mehr  Schwulität." 

(„Der  Kaiser  und  der  Abt"  str.  12). 
usw.  usw. 

2)  Zu  dem  ersteren  möchte  ich  den  von  Bürger  mit  Vorliebe  gebrauchten 
unedlen  ausdruck  „schmcissen"  („Entführung"  und  „Lenardo"  öfter)  und  Wörter 
wie  „huckepack"  („Weiber  von  Weinsberg"  str.  9)  u.  ähnl.  rechneu;  auch  braucht  er 
„klepper"  für  ross  („Entführung"  str.  13),  „köter"  für  hund  („Tied  von  treue" 
gern  öfter)  u.  dergl. 

Zu  dem  letzteren  zähle  ich  die  häufige  an  Wendung  niedorsächsischer  Wörter 
und  Wendungen,  die  Bürger  sowol  von  seiner  hcimat  her  als  auch  durch  seinen 
langen  aufenthalt  in  Göttingen  und  umgegcnd  geläufig  som  musten.  Ein  Studium 
des  „Wörterbuchs  der  niederdeutschen  mundart  der  fürstentümer  Göttingon  und 
Grubenhagen"  von  Schambach,  Hann.  1858  hat  mir  denn  auch  gezeigt,  dass  eine 
menge  von  Bürger  gebrauchter  volkstümlich  dialektischer  ausdrücke,  dem  nieder- 
sächsischen,  speciell  dem  in  Göttingen  und  umgegend  gesprochenen  dialckte  ent- 
stammen, und  ist  mir  dieses  noch  durch  mündliche  mitteilungen  bestätigt  worden. 
Als  beispiele  citiere  ich: 
den  medersuchsischen  Provinzialismus  „Ach  und  Krach"  („Entführung"  str.  26), 

ZEITSCHB.   V.    DEUTSCHE   PHrLOLOOIS.    BD.   XY.  ^^ 


^ 


338  H0LZHAÜ8BN 

Wenn  auch  manche  dieser  versuche,  durch  solche  äusserliche 
mittel  auf  volksmässiges  dichten  hinzustrehen,  recht  wirkungsvoll  sind, 
so  hat  anderseits  durch  Übertreibung  und  unkünstlerische  Verwendung 
derselben  die  spräche  des  dichters  manchen  flecken  erhalten.  Immer- 
hin aber  sind  diese  gering  anzuschlagen  gegen  das  verdienst  G.  A. 
Bürgers ,  nach  den  rohen  tönen  des  bänkelsanges  der  deutschen  bailade 
eine  grosse,  geniale  und  edle  spräche  gegeben  zu  haben.  Berühmt  ist 
die  musik  der  Bürgerschcn  spräche  überhaupt,  und  gerade  die  ans- 
führlichkeit  der  grossballade  gab  dem  dichter  gelegenheit,  seine  poeti- 
schen mit  grossartigen  ton-  und  klanggemälden  zu  begleiten.^ 

„ einbotzeln '^  („Kaiser  und  Abt"  str.  16,  Scbambach  s.  86). 

„fickfacker"  („Frau  Scbnips,«  str.  10,  Seh.  269). 

„jappen"  („Wilder  Jäger"  str.  35,  Seh.  94). 

„kliffen"  („Wilder  Jäger"  str.  1  u.  ö..  Seh.  103). 

„ klimpcrklein "  („Frau  Schnips"  str.  23,  Seh.  103). 

„kurrig"  („Kaiser  und  Abt"  str.  1,  Seh.  117). 

„prachorn"  („Kaiser  und  Abt"  str.  26,  Seh.  158). 

„verklomt"  (vom  niederdeutschen  verbum  verklomen,    „Pfarrerstochter"  str.  32, 
Seh.  263.    Man  vgl.  das  bei  Reuter  öfter  vorkommende  „vcrklamt."). 
„Die  Muthung"  („Lied  von  Treue"  str.  31.    Vgl.  Weigands  Deutsches  Wörterbuch, 
2.  aufl.  1876,  2,  166  —  7,  und  andere. 

Auch  altertumliche  und  seltene  Wörter  gebraucht  Bürger,  wo  sie  ihm  durch 
fülle  des  lautes  oder  andere  Vorzüge  wirkungsvoll  erscJieinen: 

Den  imperativ  „bis"  („Entführung"  str.  9),  die  form  „ entfleuch *"  (Lied  vom 
„braven  Mann"  str.  4),  „nifte"  („Wilder  Jäger"  str.  1,  vergL  Weigands  deutsches 
Wörterbuch,  3.  aufl.  1878.  2,  499),  „leugst  du"  („Entführung"  str.  25,  vergl. 
Schmellcr,  bairisches  Wörterbuch,  2.  ausg.  von  Frommann,  München  1872,  I,  1461), 
„die  Muthung"  („Lied  von  Treue"  str.  31.  Vgl.  Weigands  deutsch,  wb.«  2,  166  u.  a. 

1)  So  verwante  Bürger  mit  grosser   meisterschaft  die  assonanz  (.,Tjonoro*' 

Str.  21): 

Was  klang  dort  für  gesang  und  klang. 

Was  flatterten  die  raben? 

Horch!  glockenklang I  horch  todtensang: 

Lasst  uns  den  leib  begraben  I 

Auf  die  anfangsstrofen  des  „wilden  Jägers"  wurde  bereits  hingewiesen. 

Man  vergl.  femer  „Das  lied  vom  braven  Mann":  str.  1  reine  a -assonanz, 
dann  str.  2  und  3  in  der  Schilderung  der  heranwachsenden  Wasserflut  die  vielen 
o,  ebenso  in  str.  6  das  herlichc: 

„Die  schollen  rollten  stoss  um  stoss." 
In  gleicher  weise  ist  Bürger  meister  in  alliterationen : 
So  „Lenore"  str.  18  das  wundervolle: 

„still,  kühl  und  klein." 
wo  neben  der  k  -  alliteration  auch  das  milde  1  ausserordentlich  melodiös  wirkt. 

Ähnlich  im  „Lied  vom  braven  Mann"  str.  2: 

„Er  fegte  die  Felder,  zerbrach  den  Forst" 


BALLADE  BIS  bObGXB.  339 

Auch  im  reime  weiss  Bürger  vortreflich  zu  wirken;  er  liebt  volle 
und  bedeutungsvolle  reime.  * 

Nicht  minder  versteht  es  der  dichter,  in  metrischer  hinsieht  seine 
balladen  in  ein  angemessenes  und  schönes  gewand  zu  kleiden  und  mit 
grosser  kunst  weiss  er  die  metra  dem  gedankoninhalte  seiner  gedichte 
anzupassen.  Bßrgers  balladen  sind  in  steigenden,  jambischen  oder 
anapästischen  metren  abgefasst,  dem  lebendigen,  stürmenden  Charakter 
der  nordisch -germanischen  und  insbesondere  seiner  ballade  durchaus 
angemessen. 

In  der  „Lenore*^  wie  in  manchen  andern  wendet  Bürger  jenen  in 
jeder  vershälfte  viermal  gehobenen  vers  an,  welcher  auf  den  alten 
germanischen  epischen  langvers  zurückzufuhren  ist.  Metrisch  betrachtet 
ist  jede  vershälfte  eine  jambische  dipodie,  abwechselnd  akatalektisch 
und  katalektisch.  In  der  zweiten  hälfte  der  achtzeiligen  strofe  folgen 
in  der  „Lenore^  je  zwei  akatalektische  und  zwei  katalektische  zeilen 
parweise.     Dieses   metrum   gibt    in    seiner   epischen  ruhe   einen  vor- 

„Pfarrerstocliter  **  str.  36: 

„Das  flimmert  und  flammert  so  traurig.'' 
„Wilde  Jäger"  str.  1: 

„Laut  klifft'  und  klafPb'  es,  frei  vom  koppel." 

Auch  verwendet  Bürger  in  grosser  fülle  die  alten  germanischen  reim- 
worterverbindungen ,  welche  neben  den  allitcrationen  eine  grosse  roHe  in  den  rcchts- 
altertümem  spielen.  (Vergl.  Grimm,  die  deutschen  rechtsalterthümer  1828,  s.  13). 
Derartige  Verbindungen,  worunter  viele  Bürgersche  neubildungen ,  sind:  „Ach  und 
Krach"  (vgl.  s.  337),  „Korn  und  Dom,"  „Iiaub  und  Staub,"  „Rang  und  Drang," 
,,Sang  und  Klang,"  „Stiel  und  Stein"  usw. 

Endlich  wirkt  Bürger  sehr  gerne  durch  die  realistische  einführung  von  natur- 
lauten.   Dahin  gehört  sein: 

„Und  aussen,  horch!  ging's  trapp,  trapp,  trapp."  (Ijenoro  str.  13) 
„Hurre  hurre,  hopp,  hopp  hopp"  („eb."  str.  19). 
„Trarah!  trarahl  durch  Flur  und  Wald." 

(„Entführung"  str.  28). 
„HaUob,  halloh  zu  Fuss  und  Kossl" 

(„Wilder  jäger"  str.  1). 
„Susu,  Inllul,  sasu." 

(„Graf  Walter"  str.  47). 

Ich  mochte  diese  anmerkung  nicht  schlicssen,  ohne  auf  die  berühmte  com- 
binierte  klangmalerei  in  der  ersten  strofe  der  „  Pfarrerstochter"  verwiesen  zu  haben : 

Da  flüstert  nnd  stöhnt's  so  ängstiglich, 
da  rasselt,  da  flattert  und  sträubet  es  sich, 
wie  gegen  den  falken  die  taube. 

1)  Ich  erinnere,  um  die  beispiele  nicht  allzusehr  zu  häufen,  nur  an  die 
bedeutungsvollen  reime  in  der  ersten  strofe  der  „Lenoro"  und  die  klingenden 
reime  daselbst  str.  14  „wachst  du  —  lachst  da." 


340  HOLZHAÜSSK 

trof liehen  hintergrund  ab  für  das  wildbewegte  leben  der  ^Lenore.' 
Besonders  wirkt  auch  die  Verschiedenheit  der  beiden  strofenh&lften; 
dem  bewegteren  ersten  teile  folgt  ein  weiches  ausklingen  durch  die 
weiblichen  reime  am  Schlüsse. 

„Das  Lied  vom  braven  Mann^  ist  in  einer  sechszeiligen  strofe 
gedichtet,  die  ersten  vier  zeilen  bestehen  aus  jambischen  dipodien,  in 
denen  die  jamben  ganz  rein  gehalten  sind,  während  diejenigen  der 
lezten  beiden  zeilen  mit  anapaealbn  versezt  sind.  Dieses  metmm  ist 
sehr  glücklich  auf  den  inhalt  des  gedichtes  zugeschnitten.  Jede  strofe 
desselben  bildet  ein  inhaltliches  ganze,  welches  durch  die  Verschieden- 
heit des  metrums  in  zwei  hälften  geteilt  ist  und  zwar  so,  dass  der 
inhalt  der  zwei  lezten  zeilen  gewissermassen  das  resultat  des  in  dem 
ersten  teile  gesagten  ist.  So  str.  1  z.  1 — 4:  Das  Lob  des  braven 
Mannes ,  worauf  in  5  und  6  das : 

„Gottlob,  dass  ich  singen  und  preisen  kann^  usw.  folgt. 

So  sind  auch  alle  die  fragen  nach  dem  braven  mann,  kurze 
ausrufe  und,  soweit  es  geht,  kürzere  reden  dem  zweiten  teile  einverleibt 

Eine  analoge  Zweiteilung  weist  die  strofe  des  „wilden  Jägers*^ 
auf,  worüber  ich  oben  (s.  329)  zu  vergleichen  bitte. 

Anapaestisches  mass  ist  unter  andern  im  „Kaiser  und  Abt*^ 
angewant,  ein  zum  launigen  volksschwank  treflich  passendes  metram, 
im  einzelnen  mit  vieler  kunst  ausgeführt;  man  vergl.  unter  anderm 
die  hübsche  metrische  maierei  str.  3. 

str.  1  —  3  waren  in  lauter  reinen  anapaesten  gebaut,  nun  aber  folgt 
3,  3  der  gewichtige  spondens  bei  der  Schilderung  des  behäbigen  abtes: 
„Wie  Vollmond  glänzte  sein  feistes  Gesicht." 

Weniger  gut  gewählt  ist,  wie  auch  der  inhalt  dieses  gedichtes, 
das  metrum  von  „Lenardo  und  Blandine,"  dagegen  möchte  ich  noch 
in  dem  „Lied  von  Treue"  auf  die  mit  fliegenden  anapaesten  durch- 
sezten  jamben  und  die  nach  weise  des  kurzen  kehrreims  vieler  däni- 
schen heldenlieder  eingeschobene  zweifüssige  zeile  dieses  reiterstOckes 
aufmerksam  machen. 

Folgte  Bürger  in  dem  masse  der  „Lenore"  und  ähnlichen  bewusst 
oder  unbewusst  den  grundformen  deutscher  epischer  poesie,  so  richtete 
er  sich  in  seinen  Übertragungen  aus  dem  englischen  ganz  im  allge- 
meinen nach  den  dort  gegebenen  massen ,  die  er  aber  in  seinem  bestre- 
ben nach  correktheit  zuschnitt  („  die  Entfuhrung "  z.  b.  auf  das  Lenore- 
metrum),  auch  in  dieser  beziehung  von  der  einfach- volkstümlichen 
weise  der  englischen  volksballaden  abweichend. 

Noch  möchte  ich  kurz  darauf  verwiesen  haben,  dass  manche  der 
Bürgerschou  masse   und  besonders  strofen  mit  denen  bekanter  kirchen- 


BALLADE  BIS  BÜBOEB  341 

lieder  eine  grosse  ähnlichkeit  haben;  ein  jBinfluss  des  kirchenliedes  in 
(^eser  beziehnngjtuf  Bürger,  der  sich  schon  in  seiner  jugeud  für  das- 
selbe lebhaft  interessierte  (vergl.  Grisebach,  biogr. -lit.  einleitong 
s.  YIII)  ist  durchaus  nicht  unwahrscheinlich. 


Schluss. 


Die  weitere  entwlekelimg  der  deutsehen  ballade  bis  zur 

gegenwart. 

Mit  der  besprechung  der  Bürgerschen  bailade  ist  meine  aufgäbe 
erledigt.  Indessen  möchte  ich  diese  abhandlung  nicht  schliessen,  ohne 
wenigstens  einen  blick  auf  die  ferneren  Schicksale  der  ballade  in  unse- 
rem vaterlande  zu  werfen  und  zugleich  den  einfluss  der  Bürgerschen 
ballade  auf  die  weitere  entwickelung  dieser  interessanten  dichtungs- 
gattung  flüchtig  zu  skizzieren. 

Wie  Gleim  der  erfinder  der  schwächlichen  französischen  romanze 
in  Deutschland,  so  war  Bürger  der  schöpfer  der  echten  ballade.  Wenn 
im  vorigen  des  öfteren  darauf  hingewiesen  wurde,  dass  Bürger  in  sei- 
nem streben  nach  volksmässiger  behandlung  der  ballade  in  mancher 
beziehung  irte ,  so  war  doch  dieses  streben  för  eine  gesunde  entwicke- 
lung der  balladenpoesie  in  Deutschland  sehr  wichtig.  Bürger  machte 
die  ballade  einem  grossen  teile  des  Volkes  zugänglich,  er  machte  sie 
auch  unter  den  dichtem  populär  und  beliebt.  In  den  siebziger  und 
achtziger  jähren  des  vorigen  Jahrhunderts  fieng ,  besonders  durch  Bürger 
angeregt,  alles  an,  balladen  zu  dichten:  die  musenalmanache ,  beson- 
ders die  Göttinger,  sind  dafür  sprechende  zeugen.  Insbesondere  Bürgers 
dichtweise  wurde  nach  ihren  verschiedenen  richtungen  nachgeahmt  und 
fortgesezt. 

Ich  übergehe  die  nachahmung  der  burlesken  ballade  Bürgers,  wie 
sie  unter  andern  Lichtenberg  in  seiner  „Simplen,  jedoch  authentischen 
Belation  von  den  curieusen,  schwimmenden  Batterien  usw.^  versuchte 
und  wie  sie  in  ähnlicher^  wiewol  veredelter  manier  Langbein  in  das 
gebiet  der  poetischen  erzählung  überführte,  ebenso  die  durch  „Lenardo 
und  Blandine^  besonders  angeregte  schauer  ballade ,  welche  dem  romane 
gleichen  namens  vergleichbar,  von  Schink,  Weppen,  ürsinus,  Schmidt 
von  Werneuchen  u.  and.  cultiviert  wurde. 

Den  ton  der  edleren,  insbesondere  der  ritter  -  ballade ,  suchte, 
unzweifelhaft  unter  Bürgers  einflusse ,  Fr.  Leopold  v.  Stolberg  zu  treffen^ 
während  sein  bruder  Christian  ziemlich  schwülstige  erzeugnisse  in  die- 
ser gattung  zu  wege  brachte ;  überhaupt  machte  sich  der  ganze  haiubund 


3i^  fiOLZHACBKM 

daran,  uacli  dem  boispiule  Bürgers,  balladen  m  dichten  —  aat  Hflll;) 
hierher  gehöiigo  versuche  ist  ja  böreits  Mugewiesen  —  auch  Voss  unA 
Miller  haben  kleine,  mehr  lyrische  versuche  gemacht.  Aber  diese  dich- 
ter so  weuig  wie  die  andern  bei  Koberatein  V,  41  gouauteo,  maler  M&Iler 
und  JuDg-Stilliug  erreichten  nur  annäberml  den  meiüter,  obwol  die 
leztgenauteu  in  anerkennenswerter  weise  sich  bemühten,  einen  volfca- 
mäasigen  ton  in  ihren  balladen  und  ronianzen  einzuschlagen.  Ober- 
haupt liegt  das  wesentliche  des  einflnsses  der  Bürgerachen  balladen 
nicht  in  ihrer  einwirkung  auf  diese  dichter,  welche  noch  onmittelbar 
unter  seinem  banne  stehen:  das  epochemachende  der  Bürgerachen  besUc 
bungen  für  die  ballade  war  die  Universalität  derselben  rncksichtlich  der 
Stoffe  und  der  behandlungsweise.  Wie  in  der  folgezeit  von  begabt«» 
dichtem  alle  möglichen  gegenstände  in  den  kreis  der  balladendichtung 
hineingezogen  wurden,  so  wurde  auch  die  ballade  mehr  als  rein  &aaser- 
liche  form,  als  ein  episches  gedieht  mit  lyriscb-dramatisehcr  darstel- 
Inng  gefasst.  eine  form,  in  die  man  jeden  möglichen  stoff  voq  einiger 
bedeutung  giessen  könne,  dem  zugleich  der  dichter  je  nach  seiner  Per- 
sönlichkeit viel  oder  wenig  subjecüve  zusätzo  geben  mochte. 

Die  anknüpfuug  an  das  Volkslied,  die  Bürger  begonnen,  FBhrU 
in  der  ballade  Goethe  durch,  welcher  eine  reihe  unserer  schönsten  ondi 
sinnigsten  Volkslieder  umdicbtete,  wobei  er  teils  nur  mit  leiser  band 
an  der  form  veredelnd  änderte  (wie  in  dem  „  Haideröslein  "  und  vielen 
andern),  teila  die  naive  volkavorstelluug  iu  diejenige  der  gebildeten 
umaezte  (wie  z.  b.  im  „Erlkönig");  auch  in  den  nicht  aus  dem  volks- 
liede  entlehnten  balladen  lässt  er  gern  leise  anklänge  an  dasselbe  in 
Wendungen  und  sprachformen  walten. '  Dabei  sind  Goethes  balladen 
meist  nur  scenen;  wenig  tritt  der  handelnde,  individuelle  charaktoE 
hervor,  öfter  ist  der  vor  der  macht  der  naturgewaltea  erliegende,  l 
passiv  sich  verhaltende  mensch  gezeichnet.  Iu  diesem  genre 
Goethes  erste  balladen  „der  Fischer,"  „der  König  vonThulo,"  „Erlkönig** 
u.  and.  und  die  spAtesten  gehalten,  während  die  in  dem  sogenaatea 
halladenjahr  (1707)  gedichteten  sich  zum  teil  der  maniet  des  mitarbei-i 
tenden  freundes  Schiller  nähern,  wie  „der  Zauberlehrling, "  „dteBraofe 
von  Corinth,"  „der  Gott  nud  die  Bajadere." 

Die  ^jllersche  balladeumanier  bestand  im  wesentlichen  darii 
das»  er  von  einem  anschluss  an  das  Volkslied  und  volkstümliche  did 
tung  völlig  abstrahierend,  die  ballade  und  zwar  die  grossballade  & 
form  zur  darstetlung  von  ideen    benutzte.      Seine  Charaktere,  obwol 

I)  Vergl.  den    Creilich    nicht    ilbcmll    eticbhaltigen    aufaatx    «in   it.  Pi 

„Quethoc  Lj'rik  and  üaa  VotkRlied'    in  der  „  AilgemelDeu  eonatnratJT 
-  von  U.  V.  NttbuiiiuB,  aqiUtuber  188t. 


BALLAJ>B  BIS  BÜ&GBB  343 

wellig  individuell  verschieden,  treten  gleichwol  als  träger  dieser  ideen 
bedeutsam  in  den  Vordergrund.  Der  darstellung  von  ideen  entspre- 
chend wählt  Schiller  seine  stofiFe,  gewöhnlich  grosse  und  vor  wickelte 
begebenheiten:  „der  Taucher,"  „der  Ring  des  Polykrates,"  „die  Kra- 
niche des  Ibikus,"  „der  Gang  nach  dem  Eisenhammer,"  „die  Bürg- 
schaft," „der  Graf  von  Habsburg"  usw.,  wie  man  sieht,  nicht  wenige 
aus  dem  altertum. 

Ton  den  antiken  Stoffen ,  welche  Schiller  in  weiterem  umfange 
zuerst  in  die  ballade  eingefährt  hatte,  wanten  sich  die  romantiker 
wider  mehr  den  seit  Bürger  in  der  ballade  und  romanze  beliebt  gewor- 
denen mittelalterlichen  und  ritterlichen  Stoffen  zu,  die  sie  auch  wie 
dieser  mit  verliebe  zu  darstellungen  des  gespenstischen  und  grausigen 
benuzten.  Aber  es  ist  ein  greller  unterschied  zwischen  dem  gesunden 
realismus  Bürgers  und  den  meist  unklaren,  verschwonmienen ,  häufig 
mystisch  allegorisierenden  darstellungen  der  meisten  der  romantischen 
balladen,  deren  Unwahrheit  nicht  selten  auch  äusserlich  durch  aufputz 
mit  fremdartigen  versformen,  spanischen  assonanzen  statt  des  reimes 
u.  dgl.  sich  kenzeichnet.  Am  besten  sind  diejenigen  von  Aug.  Wüh. 
v^ Schlegel,  der  übrigens  noch  besonders  viel  antike  Stoffe  behandelt 
(Sibylle/'  „Arion,"  „Pygmalion,"  „Kampaspe"  usw.),  die  meisten 
balladenwerke  der  Fr.  Schlegel,  Tieck,  Arnim,  Brentano,  Fouquö  da- 
gegen lassen ,  wenn  auch  manche  hübsche  ausiiLhrung  eines  mittelalter- 
lichen Stoffes  unter  ihnen  ist,  wegen  ihrer  Unwahrheit  und  manieriert- 
heit  völlig  kalt 

Von  der  mystischen  Unklarheit  der  romantik  wurde  die  ballade 
und  romanze  durch  Ludwig  ühland  erlöst,  welcher,  eine  echte,  kernige, 
deutsche  natur,  Bürger  nicht  ganz  unähnlich ,  und  gestüzt  auf  das  von 
den  brüdem  Grimm  begründete  sagenstudium ,  die  alten  deutschen 
sagen,  mährchen,  schwanke  und  züge  aus  der  deutschen  geschieh te, 
auch  altfranzösische  romanzen  herzhaft  aufgriff,  ^  und  sie  in  oft  kecker, 
kurzer,  drastischer  manier  zu  balladen  und  romanzen  verarbeitete.  Bei 
Uhland  stehen  nicht  wie  bei  Bürger  die  begebenheiten,  sondern  die 
Charaktere  im  Vordergründe,  aber  die  Charaktere  um  ihrer  selbst  wil- 
len, nicht  wie  bei  Schiller  bloss  als  träger  sitlicher  oder  historischer 
ideen;  Uhlands  Charaktere  sind  scharf  und  individuell  gezeichnet  und 
in  dieser  beziehung  den  Bürgersclien  zu  vergleichen;  überhaupt  ist 
Uhland  in  mancher  hinsieht  erst  von  Bürger  der  weg  gezeigt  worden, 
so  in  der  balladischen  behandlung  der  alten  volkssagen  und  der  Um- 
setzung fremder  romanzendichtungen  in  deutsche  anschauuugsweise, 
ebenso   in   der  mehrfach  von  ihm  versuchten  humoristischen  behand- 

1)  Yergl.  Eichholtz^  qaellenstadien  zu  Uhlands  balladen.    Berl.  1879. 


Sa  UOLZILVIISSK  ,    BAEXADK    KU   xOBOItR 

lung  der  ballade;  auch  Uhliuid  liebt  wie  Bürger  voIkstQmliche  wi'irter 
iiiid  wendangon,  pronnzialismon  und  archaiäuien.  Von  Uhlands  bedeu- 
tendsten ieistungen  auf  diesem  g;ebiete  erw&kne  ich  nur  „Klein  Uoland,'* 
„  Goldachmidts  Töchterlein , "  „  Graf  Eberhard  Raaachebart , "  „  Tail- 
lefer,"  „des  Sängers  Fluch,"  „Bertrand  de  Born,*  „das  Schlots  am 
Meere,"  „das  GlUck  von  Edenhall"  usw. 

Die  zahl  der  balladeudichter  nach  Uhtand  ist  legion;  fast  jeder 
der  bedeutenderen  dichter  des  neunzehnten  Jahrhunderts  hat  eine  anzahl 
gedichte  in  dieser  gattung  hinterlassen.'  So  schlössen  sich,  um  nur 
pinige  zu  erwähnen,  Kerner  und  Schwab  als  getreue  schiidimappeii  au 
Uhtand  an;  Chanüsso  näherte  sich  in  manchen  hierher  gehörigen  gedich- 
ten  der  poetischen  erzählung  und  der  fabel,  H.  Heine  schuf  mehr  spc- 
cifische  romanzcn,  die  er  auch  so  nante,  manche  von  eigentümlicher 
Schönheit  („die  Grenadiere,"  „Belsazer"  usw.)i  Sirachwitz  dichtete 
gläuzende  Nordlanda-  und  Eirenballaden  und  „Historien."  Während 
Annette  von  Drosde  eigenartige  baüaden  aus  dem  westtäliacben  haide- 
und  Stilleben  („der  Haideniann,"  „die  Junge  Mutter,"  „dio  beschränkte 
Frau"  u.  a)  lieferte,  luhrte  Freiligraths  glänzende  phantasie  die  bal- 
lade in  den  wllstensaud  der  asiatischen  und  afrikaDischen  steppe  („der 
Scheik  vom  Sinai,"  „der  Löwenritt,"  „der  Mohrenfürst"),  die  Oeibal, 
Schack,  AuasL  Qrfin  und  andere  bemfihten  sich,  den  Deutschen  auch 
die  schätze  englischer  nnd  romanischer  dichtung  zugänglich  zu  machen. 
In  so  manchen  dieser  bestrebungeu  findet  man  die  fäden  wider,  die 
einst  aus  den  bänden  Rürgers  giengen ;  nm  aus  vielem  emes  noch  anzu- 
luhren;  wäre  wohl  Z^dlitz'  „nächtliche  Heerschau"  oline  die  „Lenore* 
und  Sjmrocks  „Eicheuaaat"  ohne  den  „Kaiser  und  den  Abt"  möglich 
gewesen?  Ob  die  ballade  noch  eine  groase  zukunft  habeq^  wird ?  Nach 
dem  grossartigen  anbau  dieser  dicbtiuigsart  in  unserem  Jahrhundert 
ist  es  fast  zweifellos.,  und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  gerade 
dem  Jahrhundert  der  oiseubahnen  und  der  electricität,  welches  das  reine 
epos  nicht  mehr  kennt,  das  schwelgen  in  reiner  stimmungslyrik  gerne 
als  schwächlich  verurteilt  uud  im  drama  uichU  sonderliches  leistet, 
wie  manche  andere  Zwischengattungen  auch  jene  episch-lyrisch-drama- 
tische  gattung  der  ballade  und  romanze  mit  dem  weiten  felde  der 
Stoffe,  welches  sie  eröffnet,  der  buntheit  und  Vielseitigkeit  der  cumpo- 
sitton  und  dem  spriugenden  und  onstäten  der  manier,  welches  äe 
gestattet,  auch  fiirderhin  nicht  wenig  zusagen  wird. 


1)  Ich    vorweise    nur   die 
ballaiten-  iinit  romamendichtcr  t 
bürg  und  CaiUmhe  1860. 
IiELTZ  A.'u, 


reichhalügo  B&mliiiig  Ton  J.  Hub,    DeDtsohUnils    i 
iD  G.  A.  BBrgeT  bis  auf  diu  neneaU  c«it.  WBtx- 


P.    HOLZIUirSEN. 


3iÖ 


ZUM  AKNSTEINER  MARIENLEICH, 

Was  MüUenhofiF  und  Soherer  („Denkmäler"  und  „Geschichte  der 
d.  Dichtung  im  11.  und  12.  Jh.")  und  Eobersteins  litteraturgeschichte 
über  den  sogenanten  Amsteiner  Marienieich  sagen,  fusst  auf  dem  texte, 
welchen  Benecke  im  jähre  1842  im  zweiten  bände  von  Haupts  Zeit- 
schrift s.  193  fgg.  veröffentlicht'  hat.  Da  dieser  text  und  das  wenige 
was  Benecke  über  die  handschrift  mitteilt,  durchaus  nicht  den  eindruck 
macht,  als  habe  derselbe  grossen  wert  auf  eine  volständige  uud  genaue 
widergabe  gelegt,,  so  habe  ich  denselben  von  neuem  verglichen.  Aus 
der  ehemaligen  Fraemonstratenser-abtei  zu  Arnstein  an  der  Lahn  ins 
archiv  zu  Idstein  gebracht  befindet  sich  das  psalterium,  in  welchem 
das  lied  steht,  seit  eiuigen  jähren  im  königlichen  archiv  zu  Wiesbaden. 
Durch  die  gute  des  directors  der  k.  archive,  herrn  professor  von  Sybel, 
des  herrn  Staatsarchivars  dr.  Sauer  zu  Wiesbaden  und  des  herrn  biblio- 
thekars  dr.  Steffenhagen  habe  ich  sie  auf  der  hiesigen  königlichen 
bibliothek  benutzen  können. 

Sie  ist  vorn  und  am  Schlüsse  defect  und  war  es  wahrscheinlich 
bereits,  als  ihr,  nicht  vor  dem  15.  Jahrhundert,  der  jetzige  einband 
gegeben  wurde.  Blatt  1  bis  111  enthält  die  lateinischen  psalmen. 
Blatt  1,  zeile  1:  nem  dierü  in  seclü.  Bl.  29  links  ist  leer.  Mit  bl.  30 
begint  eine  neue  läge.  Hier  allein  findet  sich  eine  zwei  drittel  der 
Seite  ausfüllende  initiale  mit  bild.  Die  schrift  bleibt  dieselbe.  Bl.  111 
bis  119:  Ganticum  Esaie  prophete,  Anne  pph.  etc.  Bl.  119:  ymnus 
Ambrosii.  Bl.  120:  Cauticum  Marie.  Bl.  121:  fides  Athanasii.  Bl.  123: 
Paternoster.  Bl.  123  links:  Letania.  Bl.  126  links:  Preces.  Bl.  127 
links  folgt  auf  rasur  von  anderer  band:  Hymnus  de  nativitate 
domini  (Corde  natus  ex  parentis).  Bl.  128 :  De  passione  domini  (Rex 
Christe  factor  omnium).  Bl.  128  links:  In  Pascha  (Ad  cenam  agni 
pro  vidi).  Bl.  129:  Veni  creator  Spiritus.  Bl.  129  links  ist  radiert  und 
leer.  Ohne  zweifei  hat  auf  allen  blättern  von  127  links  an  deutsches 
gestanden.  Auf  bl.  129  links  erkent  man  noch:  z.  4  den  anfangsbuch- 
staben  A,  z.  9  M,  z.  14  D,  z.  21  D.  Auch  auf  bl.  130  rechts  erkent 
man  nur  noch  die  anfangsbuchstaben  der  absätze,  nämlich  z.  2  Jf, 
z.  7  jB,  z.  10  Ä,  z.  13  S,  z.  16  H,  z.  18  Jf,  z.  22  D  (oder  0). 
Bl.  130  links  begint  nicht  mit  einem  grossen  anfangsbuchstaben. 
Daher  muss  das  auf  dieser  seite  auftretende  deutsche  gedieht,  der 
Amsteiner  Marienieich,  wenn  nicht  schon  129  links  hinter  dem  hym- 
nus  „Yeni  Creator,^    doch  bereits  auf  bl.  130  rechts  begonnen  haben. 


916  JKLUItUIULS 

Z.  2  begiitt  sifie.     Z.  i  h.    Do  alle  duse.    Das  tblgende  ist 

uur  hiö  lind  da  oburliäcliUcli  imradiort.  Uie  schrifl  ist  recht  deutlich 
und  von  Benocke  ziemlicli  gouau  gelesen  worden.  Docb  steht  bl  131 
links  z.  23  daf:  Bl  132  recht»  z.  5  gejingmi  frouie  diner,  z.  10  gde, 
die  i»  godef,  z.  15  kercn.  de,  z.  22  cofa,  z.  23  is  nif.  Bl.  132  links 
■i.  i  otniSde,  z.  19  uvrtcn  ig,  1.21  cedir.  Bl.  133  z.  la  geduUHga. 
heßer,  i.  14  bedragcdcn.  Bl.  133  links  /..  17  ist  sul  übergeschrioben. 
Bl.  131  rechts  (Miülüuhüfl'  v>  237)  ist  derc  nicht  „durch  daruntergesezte 
punkte  getilgt,"  sondern  hnlb  rudiert.  Bl.  134  links  ist  alles  übtir- 
radiert.    Jedoch  iat  noch  zu  lesen :   ?..  l  güilen  fuH.    der  fal  unf  alle 

gcuade,    z,  2  de ßle  wir  gercn.    der  unf,    i.  3  er...gc».    tum 

allen  unfcn  »öden:  z.  i  .  . .  dick  . .  nden.  das  fint  def,  z.  b  .  .ef  vnders 

^n,    z.  G  hilf  vns  mcgcdin.    Hilf    z.  7  dincM  armen  luden,    die 

dich  uan...  z.  8  ...  der  ...  ne  aner&fent  unde,  z.  9  def  an  dir  gefu* 
chenl.  kerc  das  din,  z.  10  ..ge  ce  dienen  ...,  z.  11  ...  gode  ...  cdw». 

wut  allen  guden,    z.  12 en.   die die,    %.  13  ...  d^  dir  bit 

uorte  ...    z.  14  . ..  ci((j  dig  bii  —     z.  15  en.    N«  müse  dine  mädi- 

eheit.  le     z.l6   de  ..  en  unfe  brodicheU:   td   unfe  not     z.  17 

de  mir  armen,    ?.  18 llc  bcgr . . .  en  fm.    nu,  hilf,    z.  19  ...  UHjfe- 

din.    l.(h  bcnelen,    z.  20 funder  ...     z.  21  alfe  ...     z,  22 

—  an  unfen  hören i.2'Ä  ...  dcf  gcuaücn.  das  er  (ie  ...    Wa» 

auf  bl.  135  rochtfi  steht,    iat   von   Bcnocko   genau    gegeben    worden. 

Bl.  135  links  •£.  1   lof z.  2  here  he  gotrofte  mig  ogcstu  an    z.  3 

mich  dm  lof  der  if  etvedih  ....     z.  4   dem  funder  der  iemcr  . . .  gelik 

z,  6  detn icmer  grün.    Bc     z.  6  nedictus  fi fun  gelouel 

z.  7  unfe  here  ß  z.  S  den  z.  9    ....  fange  ...    z.  11 

bit   ßncm,    z,  12 Ich  ge    z.  14 gelove  ig  in.    z.  15 

De  spiriiu  scö.  z.  16  begint  mit  S.  Zu  erkennen  iut  noch,  das»  eis 
deutseber  test  folgte.  Das  Marioulied  itit  von  derselben  band,  welche 
das  Psatterium  scbneb.  Verschieden  ist  die  hundschrirt  dor  hileiiüscfaon 
hymuen  auf  bl.  127  bis  129.  Die  rasuren  ia  dem  Marieuüedu  stam- 
men von  dem  Schreiber  der  Uymnen.  Derselbe  weite  für  andere  platz 
gewinnen,  wie  er  den  räum  für  die  vorhandenen  durch  radieren  gewon- 
nen bat 

Auf  den  beiden  selten  bl.  139  links  und  bl.  13U  recht»  mit  samt 
den  ersten  drei  zeilen  von  bl.  130  links  haben,  aus  den  erhallonen 
anfangsbucbstabcu  zu  scbliesscn,  zwOlf  Strophen  oder  abschnitte  gestan- 
den,  welche  höchst  wahrscheinlich  zu  uuserm  gedichte  geborten, 
fehlen  also  zu  beginn  desselben  nicht,  wie  Bunecko  glauben  tnacbte, 
drei  zeilon,  sondern  über  zwei  blattseitcu,  etwa  68  reimpaare. 
dem  abstände  zu  rechnen ,   den   die  einzelnen  initialen    von 


ZUM  ABM8TSIMEB  MAaUKLEICH  847 

haben,  ähnelten  die  fehlenden  Strophen  an  umfang  nicht  denen  zu 
anfang  des  erhaltenen  teiles,  sondern  den  späteren  von  v.  63  des  tex- 
tes  der  ^Denkmäler "^  an.  Nimt  man  hinzu,  dass,  was  auf  bl.  134 
links  erhalten  ist,  fast  nur  ein  gereimtes  gebet  zu  nennen  ist,  so  trift 
die  Charakteristik  des  gedichtes,  welche  in  den  „Denkmälern'^  im  ver- 
trauen auf  den  Beneckeschen  text  gegeben  ist ,  nicht  zu. 

In  den  längeren  verszeilen  v.  4— 11,  16—- 31,  36  —  43,  56  —  63 
(des  textes  in  den  „Denkmälern'^)  hat  man  algemein  dactylen  gefunden. 
(Wackemagel,  Literaturg.  133,  21,  Eoberstein  s.  107  fg.  und  Müllen- 
hoff  und  Scherer ,  Denkmäler  s.  433.)  Vergleicht  man  die  in  rede  ste- 
henden verse  des  Arnsteiner  gedichts  mit  den  dactylen,  welche  in 
andern  liedern,  z.  b.  in  der  Sequenz  von  Muri  auftreten,  so  fält  auf, 
wie  sich  die  dactylen  dort  leicht  der  deutschen  betonung  anpassen, 
wie  dagegen  die  dactylische  betonung  im  Arnsteiner  liede  starke  ton- 
verrenkungen  hervorbringt.  Nun  schliessen  sich  die  formen  der  Sequenz 
von  Muri  teilweise  direct  an  eine  bekante  lateinische  Sequenz  an  und 
dieselbe  hat  recht  künstliche  formen  und  eine  gezierte  ausdrucksweise. 
Das  Arnsteiner  gedieht  erscheint  schlicht  in  der  spräche  und  in  seinem 
längsten  teile  höchst  einfach  in  der  anläge.  Es  fragt  sich,  ob  die 
dichterin  in  jenen  versen  wirklich  dactylen  im  sinne  gehabt  hat.  Viel- 
leicht lässt  sich  jede  langzeile  ansehen  als  aus  zwei  halbversen  beste- 
hend, von  welchen  der  erstere  vier,  selten  drei  hebungen,  der  leztere 
drei  hebungen  hat,  denen  nicht  mehr  als  einsilbiger  auftakt  vorangeht. 
Die  wichtigsten  änderungen,  die  in  den  „Denkmälern''  an  den  betref- 
fenden versen  vorgenommen  sind,  werden  unnötig,  wenn  man  den 
dactylischen  rythmus  fallen  lässt. 

V.  7  Dkm.:  alsia  godes  hinde  aUeine  geeam, 
Text:  alzis  godes  kinde  aUeineme  gejsam. 

Es  ist  auch  nicht  begreiflich,  wie  ein  abschreiber  dazu  gekom- 
men wäre,  für  aUeine  yjaüeinetne^  zu  setzen. 

V.  9  Dkm.:  sine  wirt  umbe  dem  du  dunkelet  nid. 
Text:  sine  wirdet  umbe  dem  du  dunkelere  niet, 

Wirdet  ist  grade  mitteldeutsch.    Vgl.  Weinhold,   mhd.  Gramm. 
§  351. 
V.  11  Dkm.:  aUeine  gebere  du,  heiliges!  wif. 
Text:  allein  gebere  du  daß  kint^  heiligez  unf. 

Ob  gebeten  so  früh  ohne  angäbe  des  objectes  vorkommen  kann? 
V.  19  Dkm.:  iz  is  älinc  und  liUet  sint  tüsiz  &  was. 
Text:  iz  is  alinc  unde  lutet  sint  alsiz  e  des  was. 

Man  sieht  nicht  ein,  warum  der  Schreiber  e  in  e  des  verändert 
haben  solte. 


MH  JBI.LIM0HAÜ8 

V.  21   Dkm.:  daz  vincstcrnisse  is  verdrivet  dar  uz. 

'I\jxt:  d(us  vinvdernissc  verdrivet  is  dar  uz, 

V.  !>H  Dkni. :  an  der  hluonieth  sal  ruowen  der  heilige  dreJden. 

Toxt:  an  der  bluomen  aal  geruon  der  heilige  geist. 

litwH  lludüt  «ich  schon  Mh  (Mhd.  Wb.  II,  819).  Das  gedieht 
/oi^t  vorlit^hü  fftr  das  vorbulpraefix  ge-. 

V.  U)  Dktn.:  van  ime  8(d  ifie  die  craft  godes  etUfan. 

Toxt:  van  ime  S(U  sie  die  godes  craft  entfan. 

V,  12  Dkm.:  heilig  mcidin,     Text:  Iheilig  niegedin. 

Wonn  die  in  den  „Denkmülern**  getroffenen  emendationen  wirk- 
lich in  oinom  urtoxte  gestanden  haben,  so  hat  der  abschreiber  das 
daet)iisoho  motrum  nicht  mehr  gefühlt  und  die  verse  dem  entsprechend 
verändert. 

Innerhalb  nnsen^s  godichtes  besteht  eine  sprachliche  verschieden- 
heil  y.wisohen  v.  1  101)  und  von  da  an  bis  zum  Schlüsse:  v.  47,  66, 
68,  KHK  loa  steht  c/c  ^=  der,  welcher.  Dagegen  v.  38,  202,  203, 
-MIK  *,*67  dtr.  Das  der  in  v.  17  steht  betont  und  hinzeigend.  In  v.  86 
wird  «/«r  in  dvr  hiiHtlischcr  hof  besser  als  genetiv  gefasst  Her  =  er 
»teht  v.  :i*K  \\K  ru>,  dagegen  <r  128,  252,  277.  V.  99  steht  heren, 
nachher  v.  1*K^,  20*>,  221  kcrrt^n.  V.  33,  53  steht  rti«^  =  von-  Nach- 
her nur  «MM,  Das  ln1nkisch-s;1ohsische  der  (y\  22  iia  der  dnrg  quam, 
V.  1%^  «/m  ihr  ki^i^ei.  \\  57  Mumie  der  din  miuh'iiuom)  komt  nach  v.  110 
nichi  mehr  vor. 

HemvKe  hatte  hinsichtlich  der  abfa^i^un^isieit  des  Amsteiner  lie- 
des  l^nnerKt,  die  spräche  und  die  nnme  wiesen  auf  eine  bedeutend 
ftuheu'  «cu  als  das  13.  U.  jahrhuuden,  welchem  die  handschrift 
ai^^vhx^tw  sv«  dass  \\ir  als^^  nur  eiuo  aKi^^hritt  einec»  von  einer  fraa 
jCxHlichtotcu  lusU^  \cr  uns  h;i^t:e:v  Mülleuhoff.  IVnkmller  s.  XXXV 
s«"«!  als  s^nuo  eutsstchuiv^r^ei;  \\  lUO  au«  ;juler\iiu^  niic  einem  frage- 
jeichc«  Vuch  Ss'hcivi  a.  a.  vv  ^  ;^7,  Kolvrs;eitts  lusenturgeschichte 
und  ^\eulhold  lu  sputet  iuil)eIhvvKs;cu:>\-hea  ^rarumASTJ  M^heinen  für 
aus^caucit*,  au'.uuchu\'tt«  das^  ecs  ::t  si:e  ttiiue  c^  12.  ^ihrhanderts 
f*lW*     IV  >fcci*.Vi:vu  \fcvMte.  au*  Ih'::c\Io  t'J^r  cia  i;ieni*  al:er  des  gedieh- 

a^K\«yK «    .^^    >'.a;;    ,«>*    >;ui    >v^Iev'^:^'ri;^^    xxbüS    Ju^en^Luilkli   im 

jtle^v^e  a^,^^^^i,';tiÄ*^v  v>v^ilc    i*:»ivi.:^i:va  Ij^s^ii  «\?^ifa«  wird  asoh 
n^ei^Uäsl   wvj  IVoivvKe  c^-xnä  \\i>*Xk>5v   a:(:   ^ti^  >*/  rrriitj  fa2scrt;u^:^eit 


ZUM  ABK8TXINBB  MABnBNLBICH  349 

forschung,  MQüchen  1850  s.  36  gegen  Benecke,  „dass  man  bei  dicli- 
tungen  von  klosterfraaen  deren  Zeitalter  nicht  nach  der  spräche  "und 
Schrift  allein  bestimmen  dürfe,  weil  beide  altertümlicher  zu  sein  pfleg- 
ten,  als  bei  gleichlebenden  mönchen  und  weltlichen  dichtem.  Auch 
die  reime  der  ersteren  seien  ungenauer  und  roher. '^  Die  schrift  der 
frauen  mag  einer  etwas  älteren  schreibschule  angehören  können.  Auch 
mag  ihre  spräche  diabetisch  gefärbter  sein  als  die  von  männern. 
Altertümlicher  ist  dieselbe  wol  nirgends  gewesen.  Wol  aber  könte  in 
einem  abgeschlossenen  kreise  von  klosterfrauen  eine  ältere  weise  zu 
reimen  und  zu  dichten  noch  lange  fortgeübt  sein. 

In  den   „Bruchstücken   aus  Jansen   des   Eninkels  Weltchronik ^ 
München  1854  gab  Both  s.  31  bis  36  bruchstücke  der  „Sprüche  der 
Yäter^  heraus,   welche  er  von  Friedemann  aus  Idstein  erhalten  hatte. 
Von  diesen  Sprüchen  hatte  ihm  Friedemann  geschrieben ,  dass  sie  ganz 
die  Züge  (aber  nicht  das  format)  des  Marienliedes  des  Amsteiner  Psal- 
teriums  trügen  und  Both  hat  (Beiträge  s.  37)  hieraus  geschlossen ,  dass 
sie  ein  werk  der  nämlichen  dichterin  seien.    Die  spräche  dieser  bruch- 
stücke der  „Sententiae  S.  Patrum^  ist  allerdings  mitteldeutsch  und  die 
konsonanten  stehen  auf  derselben  lautstufe,   die  unser  lied  aufweist. 
Auch  in  der  Schreibung  der  konsonanten  und  in  den  gebrauchten  wer- 
ten ist  nur  ähnliches  zu  beobachten:  Vorliebe  für  anlautendes  f  z.  b. 
V.  18  fluch  y  V.  38  furhtifiy  v.  48  firlisin,  v.  51  ferhren^  v.  53  ferbor-- 
getij  V.  56  fun  =  von,  v.  83  fih;  fd;  in  sanfda  =  sanft  v.  15,  136,  140; 
V.  11  „dtn  selbis  lobis  ingere  nit,^     Vgl.  Amsteiner  L.  v.  223.     Jedoch 
steht  inlautend  b  =  v  unseres  gedichtes :   loUt  =  lobt.    Stets   ist  = 
ist.    Aber  die  vokale  sind  sehr  verschieden.    So  vor  allem  die  verliebe 
der  Sprüche  für  a  auslautend:   v.  7  dass  ist  godis  gaba.  —   des  sagvL 
ime  gnadtL,   v.  134  rufet  der  hana,  v.  136  sanfda  unde  warma  ligen. 
Dann  i  im  auslaut:  v.  3  gelobit,  v.  10  lobin,  v.  22  dk  lob  lagit,  v.  47 
liUn  =  lieb  werden,    v.  49  du  sagis,   v.  112  bedin,    V.  56  u  in  fun 
=  von,    V.  53  ferbnrgen  =  verborgen.     Vorkommen   von  iv:   v.  73 
deme  divfele  und  von  ui   v.  28  duifel.    Des  weiteren  soll  dann  nach 
Roth,  Beiträge  s.  35  und  37  auch  die  Giessenet  handschrift  nr.  876 
in  derselben  zeit  wie  die  „Sprüche  der  Väter*^  und  das  Marienlied ,  im 
Amsteiner  nonnenkloster  geschrieben  sein.    Was  aus  dieser  Giessener 
handschrift  in  Haupts  Zeitschrift  bd.  V,  515  fgg.,  und  bd.  IX,  166  fg., 
desgleichen  bei  Adrian,  Mitteilungen  aus  Handschriften  und  Druckwer- 
ken s.  417  fgg.  vorliegt,  hat  in  spräche  und  Orthographie  gar  keine 
beziehungen  zu  dem  Amsteiner  liede. 

Für  die   bostimmung  der   entstehungszeit  des  Amsteiner   liedes 
sind  vielleicht  v.  280  —  281  nicht  ohne  wert,   welche  die  am  Schlüsse 


960  jKiT.iNOnAüs 

des  „Salve  Regina"  vorkommmiiJcn  worte:  0  clemons,  o  pia.  o  dolcia 
Maria  in  der  rielleicht  ursprüngliclieren  form:  Milde  Maria,  gcwMge 
Maria,  suose  Maria  enthalten.  Nach  der  „Chronica  praesnlum  spi- 
rensis  r-ivitntiis  «e  veteribas  rodictbus  collecta"  bei  Rccanl,  corp.  bist, 
iripd.  aevi  11  bat  der  heilige  B(?rnbard,  alt*  er  einst  im  domo  zn  Speier 
betete,  diese  clauael  dem  Salve  Regina  binzugofügt  „(Bemhardns)  in 
ecclesiam  majorem  iutrodactns  est,  in  qua  dovotam  istam  Antiphonam 
Salve  Regina  cum  additione  illarum  clausnlarnm  finalium:  0  clemcns, 
0  pia,  0  dulda  Maria  flexis  genibas  ante  iraaginem  bnatae  Mariao  Vir- 
giniH  perfecit."  Der  jesnit  Raynaud  fiibrt  dieae  nachricht  in  seinem 
werke  „Ifarialia"  anT  „Guilelmus  Klsentcnias  in  Chronicis  Spirenaibna" 
zurilclc.  Der  h.  Bernhard  habe  in  vorzöckung  drei  mal  diese  worte 
widerbolt  und  seitdem  seipn  sie  dem  Salve  R<<gina  l)eigefiigt.  Über  die 
chronih  des  0.  Elsentenius  veimag  ich  nichts  beizubringen.  Ist  die 
nachricht  richtig,  so  kann  das  Arnsteiuer  lied  nicht  vor  dem  jähre  1148 
entstanden  sein,  indem  der  in  rede  stehende  aufenthalt  des  b.  Bernhard 
zn  Speier  in  die  jähre  1147  bis  1148  fält. 

Was  in  den  lezten  reimzeilen  vor  v.  1  gestanden,  Uast  sich  atu 
folgenden  parallelstellen  erraten:  In  einem  liede  aus  dem  12.  jahrhan- 
dert  bei  Ph.  Wackemagel,  Kirchenlied  FI,  nr.  fi3  beisst  es  von  Maris: 
frfrf  spricht  du  seist  enodt  und  chlar  —  der  magenchrnft  zu  einem 
Irmpd  itcar  —  Er  spricht  du  seist  de)-  choeitseh  ein  prunn  —  gnr 
niin  der  werU  ulmm  die  sturine  —  ein  Spiegel  oh  niler  ehlarhrit  chtnr. 
Reinmar  von  Zweier,  Leicb  von  der  Erlösung  str.  Id  sagt:  Van  drm 
diu  sunue  enpfenget  —  den  hastu  gcnngcngct.  Docli  kann  der 
abschnitt  auch  von  Maria  als  .lumen  solis,"  als  ^aurora  ecclosiaa** 
gebandelt  haben.  In  einem  liede  bei  Mono,  Hymnen  II,  s.  183:  Gande 
aurora  ecclestae  . . .  Esto  nobis  Ini  praevia  et  oriens  ad  gaudia  at 
veri  solis  specie  fruamur."  Lactantius ,  Divin.  Inatit.  De  originu  erro- 
ris  Lib.  II,  cap.  9  (Opera  ed.  8.  Gallaons  Lugdnni  Batavomm  1660 
(1.189  sagt:  „....  orientem  occidentemque  ex  quibiia  Oriena  den  aficen- 
setur,  qnia  ipse  Inminia  fona  et  illastrator  est  rerum." 

V.  1  —  7.  Zn  übersetzen  ist:  ...  alle  diese  weit  von  der  rord« 
ebne  schmerz  und  mühe  ausgeht,  damit  sich  himmel  und  erde  fronet] 
möchte.  Das  kind,  welches  unsere  trauer  zu  vertreiben  kam,  kam 
ohne  irgend  welchen  schmerz  von  dir.  Ser  in  v.  6  kann  auch  gradexa 
pwehen"  bedeuten. 

V.  5  das  te  storcne  quam  umcti  ruwen.     Zu  den  tfl  den  .Donk- 
mälern"  angeführten  heiapielen  für  der  rwce  vergleiche  kölnisch  der 
rouwe  bei  Prommann.  Ma.II,  450  b  und  mnd,  «<tiw  =  schmem. 
aad  fem 


tnnac     ^ 


ZUM  ARNSTBINlUt  HABISKLEICH  351 

V.  10.  nog  bewoUen  ward  din  megedlicher  lif,  Niht  betooUen  ist 
ein  beliebter  ausdruck  für  die  unbefleckte  gebiirt.  Ph.  Wackernagel, 
Kirchenlied  ü,  317:  nie  din  lip  hetoollen  ward;  ebenda  nr.  286:  ein 
edd  reine  luter  unbewöllen  meit,  Walthers  Leich :  du  maget  vil  unhe- 
wollen, 

V.  11.  allein  gclere  du,  ÄUein  hier  mit  dem  indicativ  in  der 
bedeutung  „wenn  auch." 

y.  12.  Sint  du  daß  hint  gebere.  Nachdem  du  gebarst,  als  du 
geboren  hattest. 

V.  16  —  29.  Swenen  so  das  dunket  unmugelich  —  der  merke 
das  glas  dag  dir  is  gelig.  Näher  als  die  in  den  „Denkmälern"  s.  431 
und  von  Diemer,  Beiträge  6,  39  angezogenen  quellen  liegt  für  diese 
verse  eine  stelle  in  den  werken  des  h.  Athanasius ,  Benedictinerausgabe 
Patavii  1777,  Tomus  II  Athanasii  Quaestiones  aliae  nr.  19,  s.  286: 
Sed  et  aliud  audi  mysterium;  Sicut  domus  circumsepta  (oTxog  Ttegi- 
TtsQcpayiiievog)  undique,  quae  habet  orientem  versus  vitream  puram 
et  tenuissimam  fenestellam  {iehvov  ...  Ttaqa^qidiov) ^  Oriente 
sole,  radii  ejus  penetrantes  vitrum  et  ingredientes  domum  totam  col- 
lustrant:  et  rursus  transeunte  sole  et  egredientibus  radiis  vitrum  non 
confringitur ,  sed  ab  ingredientibus  et  egredientibus  repercussionibus 
radiorum  solarium  manet  illaesum.  Ita  intelligas  de  semper  virgine 
Maria.  lila  enim  castissima,  ut  domus  quaedam  circumsepta  iam  sit, 
Filius  et  Verbum  Dei  ut  radius  divinus  ex  sole  justitiae  patre  dcscen- 
dens,  qui  per  vitream  fenestellam  aurium  illius  ingi'essus,  sanctissi- 
mam  domum  ejus  illustravit  et  rursus  utidem  novit,  exivit,  ne  minime 
quidem  f^data  virginitate  illius:  sed  sicut  ante  partum  etiam  in  partu 
et  post  partum  Virginem  castam  conservavit."  Übrigens  bemerkt  der 
herausgeber  s.  280  über  die  Quaestiones  aliae :  „Nemo  erit  qui  Atha- 
nasium  tantarum  nugarum  patrem  esse  suspicetur." 

Unter  glaseuinster  v.  29  ist  denmach  ein  ganz  kleines  rundes 
glasfenster  zu  verstehen.  Es  öbersezt  wörtlich  das  fenestella  vitrea 
der  Quaestiones  aliae  bei  Athanasius.  Vinster  war  zunächst  nur  eine 
lichtluke.  Mhd.  Wb.  III,  298,  mndl.  vinster  =  valluik.  Den  vocal  i 
in  vinster  erklärt  Weinhold ,  Mhd.  Gr.  §  39  als  durch  die  liquida  n 
hervorgerufen,  wobei  mouillierung  mitgewirkt  haben  könne.  Indessen 
hat  auch  das  mittelniederländische  gewöhnlich,  das  mittelniederdeutsche 
häufig  vinster, 

V.  30.  Juden,  die  ug  wiVen  ce  gode  kerefi  —  werket  daz  glas 
das  mag  ug  leren. 


852  JKLLINOHAÜS 

Dass  die  Juden  an  der  jungfräulichen  geburt  besonderen  anstoss 
nahmen ,  weiss  auch  Vridank  24,  6 :  Die  Juden  nimt  des  wunder  gar  — 
d(iz  eine  magst  Krisf  gebar.  Auch  ein  altfranzösisches  lied  bei  F.  Wolf: 
Über  die  Lais  s.  435  bezeichnet  die  Juden  als  feinde  dieses  gedankens: 
„Ave!  rois  est  des  angeles  fructus  ventri  tui  —  Gyn  ne  le  welent 
croire,  tuit  fussent  or  brui!**  Nach  St.  Paulinus  vonNola,  Epistolae  37 
(Bibl.  Patrum  VI,  s.  226  Lugduni  1677)  stirbt  Rahel,  die  „vetus  puer- 
pera,"  ein  typus  der  Synagoge,  zu  Bethlehem  bei  der  geburt  ihres  Ben- 
jamin (Genesis  35,  19).  Ebendort  gebiert  Maria  ohne  Verletzung.  Chri- 
stus ist  das  ende  des   gesetzes.      „Jacob   quoque   dilectam   illam    et 

expectatam  Rachel  tumulo  celebri  honoravit Quo  mysterio  conjui 

patriarchae  ...  in  synagogae  typum  moritur,  et  partu  filium  doloris 
enixa  illic  ubi  erat  virginis  partu  legi  finis  edendus:  Finis  etenim  I^s 
Christus." 

V.  24 — 25.  Van  dir  schein  daz  godes  liet  in  alle  die  latii  — 
do  van  dir  geboren  warth  unse  heilant.  Ahnlich  im  Friedberger  Christ 
15:  lufheda  ober  alle  di  lant  ...  braih  uns  der  heilant.  Die  verse 
spielen  auf  das  gleichnis  vom  stern  aus  Jacob  4.  Mose  24,  17  an. 

V.  32  —  43.  Ue  van  Jesse  sal  wahsen  ein  ruode.  Das  gleich- 
nis von  der  wurzel  Jesse  hat  schon  Tertullian,  de  carne  Christi, 
cap.  21:  quia  ipse  est  flos  de  virga  profecta  ex  radice  Jesse. 

V.  35.  die  wort  die  sint  belochen  =  die  werte  sind  verschlossen, 
d.  h.  dunkel ,  wie  denn  mittelniederländisch  (Reinaert  v.  2270)  vor- 
komt  in  eere  belokenre  na^ht  =  in  einer  dunkeln  nacht. 

y.  41.  da  mite  sal  si  den  viant  erslan.  Sonst  heisst  es  gewöhn- 
lich, dass  der  söhn  den  bösen  feind  vernichtet.  Otfried  I,  5,  52: 
thcn  alten  satanasan  —  wilit  er  gifahan. 

V.  49.  her  (der  husch)  nietne  cegienc,  Wol  nicht  zergieug, 
fiel  auseinander,  sondern  vergieng.  Mittelniederdeutsch  togan  = 
vergehen,  neuniederdeutsch  he  geit  der  to  =  er  geht  drauf. 

V.  50.  (Der  husch)  bran  unde  louvede,  Louede  steht  nicht,  wie 
in  den  Denkmälern  s.  431  gesagt  wird,  statt  lougcde.  Es  muss  einen 
gcgensatz  zu  bran  enthalten.  Läge  dieser  gegensatz  bloss  in  v.  51 
das  für  ime  nine  scadedc,  so  müste  dieser  mit  einer  adversativen  Par- 
tikel beginnen.  Mono,  Hymnen  II,  612  z.  5  heisst  es:  Vernans  ardor 
mystice  nominaris.  Wozu  Mono  bemerkt:  „Vernans"  bedeutet  hier 
„viridis"  und  bezieht  sich  auf  den  grünenden  dornbusch  des  Moses, 
der  nicht  verbrante,  Daher  heisst  „vernans  arJor"  der  grüne  brand, 
die  unverbrenlichkeit  des  brenbaren."  Wackernagel,  Kirchenlied  II, 
269,  1  „7)er  hyniele  viur  dar  ynne  xmbran  —  syn  nest  mid  euch  syn 
loub  nye  wart  versenget."'     Für  louuen  =  flammen  findet  sich  weder 


2t7M  ABN8TEIKBB  MARIBNLBICH  353 

im  mbd.  wörterbuche  noch  bei  Lexer  ein  beleg.  Das  mhd.  lotiben  = 
laub  bekommen,  z.  b.  die  gerte  begunde  hüben  (Mbd.  Wb.  I,  1048), 
giebt  mittelfränkisch  louuen,  mittelniederdeutsches  lotum  =  bloygen, 
gronen.  Also  „er  brante  und  schoss  laub.'^  Wie  es  denn  v.  56  heisst: 
gruofiede  daz  louf  in  deme  füre.     Vgl.  zu  erouvede  v.  69. 

V.  53  fg.  daz  vane  dir  —  got  hie  in  erden  —  erberwet  solde 
werdest,  erberwet  =  geoflfenbart.  Zu  den  Denkmäler  s.  431  citierten 
beispielen  far  irbarwen  =  erzeigen  komt  noch  Germania  X,  138:  so 
barwet  de  duucl  =  so  offenbart  sich  der  teufel  (der  im  antichi-ist 
steckt).  „Vom  Leben  Jesu"  bei  Diemer,  Ged.  299,  1  begint:  Do  got 
hie  in  erde  —  geborn  solt  werden.  Grazer  Weltchronik  bl.  14**:  Do 
got  wolt  auf  der  erden  —  durch  uns  geporn  werden. 

V.  58.  sconecheit  steht  nicht  in  den  mhd.  wörterbuchern,  mnd. 
schonicheit. 

V.  63.  Daz  nie  ore  ne  gehorde  nag  ouge  ne  gesag.  Vgl.  noch 
Lucas  X,  23  und  24. 

V.  64  —  69.  „Virga  Aaron"  heisst  Maria  schon  bei  Augustinus, 
Serm.  18  de  tempore.  Auch  in  Notkers  des  älteren  hymnus,  bei  Wal- 
ther und  in  einer  sequenz  des  mönches  von  Salzburg  bei  Wackemagel, 
Kirchenl.  II,  581  v.  5  folgen  die  gleichnisse  von  Aarons  ruthe  und  von 
Ezechiels  pforte  auf  einander. 

V.  69.  erounede  wird  für  erougnede  stehen ,  zumal  da  erou  — 
nede  getrent  ist.    Bei  Lexer  II,  188  ougenen  =  zeigeo. 

V.  70.  Du  porte  beslozzen.  Maria  heisst  „porta  clausa"  bei 
Ambrosius,  de  iustitutione  virginis  cap.  7:  „quae  est  haec  porta,  nisi 
Maria,  ideo  clausa  quia  virgo." 

Nach  V.  73  muste  in  der  reihe  nach  dem  vorgange  der  meisten 
lateinischen  und  deutschen  lieder  das  gleichnis  von  Gideons  feil  kom- 
men. Doch  fehlt  es  auch  in  einem  hymnus  aus  dem  10.  Jahrhundert 
bei  Mone  II ,  nr.  573. 

V.  86  — 109.  Marienloblieder  nach  dem  Ambrosianischen  lob- 
gesange  zu  dichten  war  beliebt.  Solche  finden  sich  bei  Mone,  Hym- 
nen II,  501,  bei  Daniel,  Thesaurus  Hymnolog.  II,  s.  203  und  bei 
Raynaud,  Marialia  s.  239.  In  einer  mitteldeutschen  Übersetzung  eines 
solchen  „Te  deum  Mariae"  aus  dem  15.  Jahrhundert  heisst  es:  CJwru- 
bin  dich  umbringen  —  seraphin  dir  sufzlich  singen  —  Ave  koniginne 
werde  —  du  erfrauwest  hyemel  und  erde  —  der  apostdn  frauwe  und 
aller  cristen  . . .  und  die  j)ropheten  alle  gar  —  die  merteler  und  hei- 
ligen aUe  —  loben  dich  mit  richem  schalle. 

V.  90.  cdlez  daz  herie  der  heiliger  engele.  „Omnis  exercitus 
angelicus"  in  der  kirchensprache. 

SEITSCHR.    F.    DBUTBOHB   PHILOLOOIB.      BD.   XY.  23 


954 


jKLi.i)iaiuüa 


V.  92.  die  in  godeB  andouge  fient.  Atulouge,  gegpuauge  acheint 
sonst  nicht  vomikoiiimei).  Graffl,  123  (Marcian.  Capella.)  m  sinero 
anaougi  =  \n  praeseuti. 

V.  8G  — 97.  Dio  engel  sind  hier  för  den  himmel,  Oie  prophotcn 
für  das  alte,  die  apostel  fQr  das  neue  testament,  die  heiligen  für  das 
Zeitalter  der  kirche  Christi  angeföhrt. 

V.  109.  vortet :  werlt.  Das  in  den  Dcukmftlom  für  werU  gesezto 
ivcrlet  kann  doch  nur  die  auaapracho  wefrlt  bedeuten,  so  dasa  die 
Schreibung  der  handachrift  ebenao  deutlicli  ist. 

V.  110  —  111.  Das  is  mir  tanc  sc  sagene  —  wie  Her  du  sis  ce 
himele. 

Bis  V.  85  hatte  die  dicbterin  ihre  erinnernngen  aus  der  Marift- 
niachen  typologie  zunächst  erschöpft,  V.  8G  —  97  hat  sie  den  Ambro- 
aianischen  lohgeaaug.  v.  98 — 109  einen  andern  liturgischen  passus  auf 
gott  den  acliöpfer  rerwertpt. 

V.  112.  te  etiis  oug  niemanne  kunt.  Im  texte  steht  deutlich  is 
nif  («)/■  =  ni  if). 

V,  127.  ce  dinem  sune  helfen.  Wi  ropen  to  di  so  swinde  — 
Jtelp  uns  to  dinem  ktnde  heisst  es  in  einem  niederdeutschen  Uariea- 
liede  (Zeitschrift  d.  Ges.  f.  Schiewig  -  Holateinsche  Geschichte  Vü,  198. 

V.  132.  mine  lidicheit  du  hat  mig  dikke  verleit.  Ltdichett  iat 
hier  so  viel  wie  losheit,  der  zustand  des  lodigseins  von  dorn  bände 
Christi.  Aus  dem  ausdrucke  darf  man  Iceinesfala  schliossen,  dasa  dio 
dichterin  früher  ein  üppiges  weltleben  geftihrt  habe.  Derselbe  kann  in 
dem  aündenbekentnisse  jedes  Christen  stehen.  Lidic  gehört  zu  den 
Worten,  in  denen  das  mitteldeutsche  gern  i  gegen  mlid.  und  mnd.  c 
behält  Die  an  das  fränkische  grenzenden  sachsischen  mundarton  haben 
jedoch  i  z.  b.  tlg  =  leer,  mik  =  made  (aus  mülik),  jnk  =  mark 
(aus  pidiA,  englisch  pitk),  kriß  =  krebs,  tolk  =  onterich  (aus  widik). 

V.  134.  dae  i'sr  van  minen  sctdden  —  vertmrtc  sine  hidde.  Die- 
mer,  Oed.  295,  10  (Loblied  auf  Maria)  Ich  hnn  tion  mtncn  salde»  — 
des  oberialen  huldc  —  uerlom. 

V.  151.  dad  ig.  TJnverschobenes  t  hält  sich  am  weitesten  den 
Rhein  hinauf  in  dem  pronominalen  neutnmi  dat.  Hier  d  statt  t.  Ein 
solches  d  im  auslaute  =  mbd.  t  findet  aicb  in  unserm  denkmale  immer 
nur  dann ,  wenn  das  folgende  wort  mit  einem  vokale  oder  mit  oiuera 
d  begint  So  v.  78  Itedig,  v.  262  geled  uns,  y.  10  ward  din,  v.  I3b 
fled  dir,  v.  25  warih  unfe  (tb  =  d). 

V.  164.    Euof.be.  mig  gestfrken.    Hier  ohne  er,  vgl,  Leior  11.  546, 


ZUM  AIUrBTEHrBB  MABISmJEICH  355 

V.  157 — 167.  Die  heiligen  frauen  werden  hier  als  Vorbilder  der 
tugend  aufgestelt.  Gewöhnlich  dienen  dieselben  in  den  Hymnen  als 
typen  der  Maria: 

V.  160.  Sara  die  otmuodige.  Der  kirchenvater  Ephrem  vergleicht 
in  seiner  rede  über  Abraham  nnd  Isaak  Sara  mit  Maria.  Sie  wurde 
von  der  kirche  nach  Hebräerbrief  XI,  11  wegen  ihres  glaubens  neben 
Abraham,  dem  ^pater  multarum,^  „mater  omnium  gentium^  genant. 
Maria  aber  ist  die  neue  rechte  ^mater  gentium."  Das  lachen  der  Sara 
bei  der  Verkündigung  Isaaks  mochte  von  der  dichterin  als  äusserung 
demütigen  glaubens  aufgefasst  werden.  Die  richtige  deutung  hat  die 
Hymne  bei  Mone  H ,  586 ,  z.  45 :  „Tu  es  Sara  nobis  ridens  —  visus 
ac  praeludia  —  tibi  visum  dari  videns  —  Isaac  ex  gratia."  Ferner 
ebendort  378,  z.  4:  „Haec  est  Hester  imperatrix  —  Sara  risus  gene- 
ratrix.** 

y.  160.  Anna  du  gediddiga.  Deutlich:  gedtddigB.  Das  einzige 
mal,  dass  das  in  den  Arnsteiner  „Sprüchen  der  Väter"  so  häufige  aus- 
lautende a  in  unserm  gedichte  auftritt. 

Die  heilige  Anna  könte  ein  vorbild  in  der  geduld  sein,  insofern 
sie  nach  der  frivolen  legende  zwanzig  jähr  unfruchtbar  war.  So  heisst 
es  denn  auch  in  einem  liede  bei  Rajrnaud ,  Marialia  s.  23 :  „Ergo  Anna 
mater  optima  cumulatius  multo  tuas  lachrymas  deus  solutus  est  quam 
vel  Rebeccae  vel  Sarae."  Man  könte  auch  an  die  Lucas  II,  36  —  38 
vorkommende  prophetin  Anna  denken.  Aber  keine  von  beiden  komt 
sonst  in  der  Marientypenlitteratur  vor,  da  sie  Maria  für  einen  ver- 
gleich zu  nahe  stehen.  Vielleicht  hat  die  dichterin  an  Susanna 
gedacht.  Diese  wird  in  liedem  ein  vorbild  Marias  genant.  So  Mone, 
Hymnen  II,  586  z.  45:  „Tu  es  Sara  ...  tu  Susanna  quam  accusat 
nunc  senum  perfidia.  tu  regina  quam  excusat  —  legis  Providentia." 
Die  kirche  wird  wol  ursprünglich  bei  der  „senum  perfidia"  an  die  ver- 
lästerungen  der  kirche  durch  die  Juden,  die  hier  als  greise  auftreten, 
gedacht  haben.  In  dem  „Lobliede  auf  Maria"  bei  Diemer ,  Gedichte 
312,  2  heisst  es:  Swer  sich  ie  zu  dir  geuie  —  den  uerlieze  du  nie  — 
dae  bewarst  du  wol  da  —  an  der  guten  Susannen.  Und  Diemer, 
Gedichte  375 ,  9  (Gebete  einer  Frau  I)  du  ...  erlost  —  die  uile  göten 
fufanna  —  u(m  gewein  alten  mannen.  Auch  in  einem  Marienliede  bei 
Paul  und  Braune,  Beiträge  lU,  363:  Dir  wonet  Susannen  vnschuld  mit. 

V.  162  — 163.  Hester  du  milde  —  ludit  du  wieeige.  Mone, 
Hymnen  H,  378  z.  4:  Haec  est  Hester  imperatrix  —  Sara  risus  gene- 
ratrix  —  Thecuites  advocatrix  (2.  Könige  14,  4)  —  Judith  hostis 
triumphatrix.  Und  in  einem  andern  von  einigen  dem  h.  Bernhard 
zugeschriebenen  Hymnus   bei   Mone  II,  507  z.  186  fgg.  wird  Maria 

23* 


f  •  r^.THJlV? 


.ZrTrl"'.:  Vi>  :-:;i.:>r3   -Judith  foni?    —    nwa  tra-**!!!    laoem  mor- 
t:*!   —    Hr-t-r  i:-=   ;^  iE  ort:*  j-^rtis  —   !!:••'  c:  »im:!*  nue  sortis  — 

J:hi:.~-i  ivr  m'i-.h  von  Silzbar?  Wiokrrtüeel .  K:ro':-»nlied  IL 
.'•-1  *:r.  7  r>i:  ••.".j-l!-?  w-i'r.üche  7:Tbü:-jr  i*r  Mirli:  H^^r.  Tka- 
M/:r.  J^ '•'  .  J'4'i''fi  —  «rA'oiNif?!  >:ij--*  mi-f  ^'jHn:n  —  dar  »f «  Kendesi 

'"  '-*  r*"':?  ir»*-  *»  ... 

V  i'U.  liji-j  nu'hn  •/»>  •>'>«"-■«.  Auch  iati*r  iies^n  sind  wol 
n:  h:  hrilije  rrji-L  ir?  obrl?:':>heri  i-i-dltrrs.  s-i-üd-rrn  alttestamenl- 
l::i-.  wie  Ket^^joa.  R-:b.  Atirii:  z*:  vrrstrLrn- 

V.  i>7.  *nrf\*  Ke  vr-rsilhie  »r-  5:^:1  »r-  nir  ii«>:h  v.  244. 
If€'\^^  'sjl\,  ■>  r  '-.  Wie  sjloht-  irhLTirz  mitie'.irUi^.h  früher  eintrat 
-'.-  ■ -rrlr-:?- h,  -  ^T-r  fir  w:I  i-  irr^-rli-e:.  i-i:  >."h;n  in  Allen  krei- 
-^L  X:T:T::r~:-:r.Ii--?.  ^tl-.hc  -ile  ziittriL:- i-rde-tiche  i -ine  spniohen, 
j'i.-jrr^il  >:.     Vjl.  iu- i.  'i'ii.  :  r.T' .-*';!•  v  224. 

V.  ji..  -li  r  .-  ;'.-  •  st-i:  t:-'.  für  ♦.'»«ir-"«:  .-'i^';.  unverstasd.  Ndd. 
•iHN'T -•  .':  L-rir*:  iLC-r-srifft.  Tiiiil^l:.!:.  ^ewissci^'?«.  Lvra.  Plattdent- 
•---i. '-  -   'V'^-..  -    17    2*-     1    "^ 

r-    f.  -fr  ?-•'•'»,  *i..>:Ä-:i..    ÄbzlLL  Iti  Krzir:.    •j«?\i.  :>>3 •  15    («jebete 

V  Ji'2.     T'  -  -■•    ••     :   '••:'-■         J'r  —    i»!*-.«  v/ors  in'<#>f«*r.      Die- 

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iri-ir  -.   -J     ii    'r*rf,n^.      It-i    T'r.e.:I..i-'j.    rT:i:-c>    de   Annunciat. 

V  L'j7  J/tt-  :.  t  -:  :Vr  :r«{*'i  IVj^s:  !>:  >.>a>:  kein  gelänfij^er 
::..:r.-   i- :  Mirli. 

V.J..'.     i»r  •     :<   '.♦•»'%>      Z;:':r>:   iri   A:^ni>::n,   sermo    6    de 

'vr.Tirn-  Pou:'.iv'hor  U v\n?-.::i:  v»  ::•.  *.v^:-::i  B.  Tin:.  nr  1  «.fons 
.;<ot  n  i'^n^i  .; ;  v.jr.i:\  lu'.u  y.K.ia><;;:v..-  N'.l  Mirwalie-i  in  der  Zeitscbr. 
dor   rio>.'i:>.'V..it^   t".  St-VKsw  -H  !s;    iii'>.*  .vh:e  VII.    :^.v:    dn    bist    des 

V  ?.»r»  *.\»7  n  :%.  .  >  I,:  ,\  *.  ."''*;  *^*{  •;.-yv-  frozrr  dufmen 
in  dov  h.iiui<oli!'.ii.  \,iJs  M;:!!.»:-.!:.^:»  V,*:  v  <-«<  Mr^r  die  eewohnliohe 
li.vlouuiiK  „Ivsiuhou.  xuh  iiv.,x  ,i;... .;  ...^.«  -  liiTor  den  beispielen,  die 
boi  i»i.Hr  uu  miiN^lluvIisioutM  h.*M  w.^!!o!>;vh  uad  W  Lexer  angefthrt 


ZUM  ABN8TEINBK  MARIENLBIGH  357 

werden,  ist  kein  einziges,  in  welchem  sieb  an  wisen  ein  iufinitiv 
anschliesst.  Dagegen  heisst  es  Heliand  5064  fg. :  liigunnun  im  rädan 
thö  hero  si  gimsodin  mid  wärlöson  nuinnun  mengimton  an  mahtlgna 
hrist  te  giseggiane  sundea.  Hier  wird  das  wort  erklärt  „den  weg 
suchen  und  finden  um  zu."  Dazu  stelt  sich  mnd.  wisen,  ein  urteil 
abgeben.  De  richter  msede,  dat  se  vry  unde  loes  gengen  (Mnd.  Wb. 
V,  742).  Es  ist  wahrscheinlich  statt  zu  gehelfen  :  üsgeh,  geschrieben, 
darauf  vor  von  „uz"'  ausgelassen  und  dere  vor  grozer  eingeschoben 
worden :  Wise  uns  zu  gehelfen  —  uz  von  grozer  dufene  =  suche  und 
finde  den  weg,  werde  uns  uns  aus  grosser  tiefe  zu  helfen,  uz  van  ist 
in  unserm  liede  beliebt  v.  36,  182,  278. 

V.  237.  dufene  =  tiefe,  auch  grundloser  morastiger  boden.  Auch 
mhd.  bei  Lexer  tiefcfie.  Diemer,  Ged.  305,  4  (Loblied):  Nu  lig  ich 
in  dirre  tieffe  —  an  dine  gute  ich  nu  rufe  —  daz  du  mir  bietest 
dine  hatU. 

V.  240.  Dar  uns  in  hat  gevalt  —  eva  unse  muoder  —  nu  flie 
wir  alle  zu  dir.  Wie  Christus  der  zweite,  neue  Adam,  so  ist  Maria 
die  zweite  Eva,  die  rautter  der  rechten  kinder.  Schon  Tertullian,  de 
carne  Christi,  cap.  17  stelt  Maria  der  Eva  gegenüber.  Vom  h.  Augu- 
stinus gibt  es  eine  predigt  von  der  Eva  und  Maria. 

V.  242.  weirmn  und  suften.  Im  Salve  Eegina:  gementes  et  tten- 
tes.    Bei  Diemer,  Gedichte:  weinen  und  siufzen, 

V.  244 — 45.  la  du  dich  erbarmen  —  die  not  die  wir  armen. 
Im  „Te  coeli  reginam  laudamus"  deutsch  bei  Mone,  Hymnen  H,  s.  231: 
dar  umb  biedden  wir  armen  —  laisz  dich  unser  auch  crbarmeti. 

V.  246.  in  dirre  dale  Jieldcn  =  in  diesem  schroffen  talabhango. 
Heide,  ein  in  der  litteratur  seltenes,  aber  in  ober-  und  niederdeut- 
schen Ortsnamen  häufiges  wort.  Schambach,  Wörterbuch  der  Göttinger 
Mundart  s.  78:  Helle,  Ortsname  der  an  tiefen  abgründen  haftet.  Die 
dichterin  sieht  sich  am  schroffen  abhänge.  Über  sich  erblickt  sie  Maria, 
deren  fusse  sie  fassen  möchte.  „Sceptrum  affer  clementiae  —  in  hac 
valle  prostratis"  in  einem  liede  bei  Mone  II,  616  z.  37. 

V.  242  —  247.  An  dieser  stelle  klingen  einige  zeilen  des  Salve 
regina  durch,  wie  auch  von  der  Elisabeth  von  Schönau  berichtet  wird 
(Acta  Sanctorum  lü,  Junii  s.  641),  dass  sie  auf  dem  Sterbebette  sprach: 
„Ad  te  clamamus  filiae  Evae,  Ad  te  suspiramus,  gementes  et  fientes 
in  hac  lacrymarum  valle." 

V.  248 — 251.  Stella  marts  bistu  genant  —  na  deme  sterren  der 
an  daz  lant  —  daz  muode  schif  geleidet  —  dar  iz  ce  rasten  beidet. 
St.  Bernhard,  Homilie  II  über  „Missus  est  Gabriel":  „Ipsa  est  prae- 
clara  et  eximia  Stella,   super  hoc  mare  magnum  et  spatiosum  neces- 


358  jsLLnraHAus ,  zum  abhbtkinxb  kabisnuuch 

sario  sublevata.^  Sie  ist  „sidos  immobile,^  ^Stella  maris  et  cynosura 
ad  quam  iu  hoc  naufragoso  oceano  navigantes  cursum  dirigere  opor- 
teat.^  In  griechischen  Mariengebeten  heisst  es:  didov  iaov  nQÖg  yahj- 
vovg  fieiavolag  Xiiaevag  ö^iuCßO&ai.  Augustinas  de  trinitate  lY,  20 
nent  die  ewige  Seligkeit  „patriam  transmarinam.^  In  einem  liede  bei 
Mone  11^  398:  („Per  te  navigantibus  —  Stella  maris  datnr  —  Imnen 
viae  panditur  —  poriius  demonstrator.^  Diemer,  Gedichte  298,  5: 
Also  der  mersteme  —  den  scefinan  leitet  wrre  —  nihef  genen  breidem 
se  —  uns  tet  diu  uinstre  da  beuor  u?e  —  do  du  tnaget  do  irsceine. 

y.  250.  Der  ausdruck  daz  muode  schif  komt  in  der  älteren  deut- 
schen litteratur  wol  nicht  vor.  Lateinische  klassiker  kennen  ihn.  Yir- 
gil,  Aen.  I,  168:  Hie  fessas  non  vincula  navis  uUa  tenent. 

y.  252.  Oeled  uns  an  Jesum.  Wie  das  „Ave  maris  Stella^ 
schliesst:  nt  videntes  Jesum  —  semper  collaetemur.^ 

y.  254  —  259.  Diese  verse  sind  wol  wörtlich  einem  kirchlichen 
gebete  entnommen. 

y.  264.  dig  Crist  g&nam  cemuoder.  Diemer,  Qed.  296,  7  (Lob- 
lied auf  Maria):  Zeiner  mütcr  er  dich  nam  —  ujsjser  allen  unben. 

y.  265.  als  iz  wale  gezam.  Als  ist  hier  beinahe  causal  gebraucht, 
wie  im  Mittelniederdeutschen  und  Mittelniederländischen.  Oudemans  I, 
148:  Als  du  een  niensche  sijiste  en  niet  got  =  weil  du  ein  mensch  bist 

V.  269.  daz  bezzeste  wif  gebere  —  du  in  wiues  hunne  were. 
Auch  in  Walthers  Leich  und  im  sog.  Lobgesange  Gottfrieds  derselbe 
ausdruck. 

KIEL.  H.  JELLINGHAUS. 


ZU  WALTHER  18,  15  UND  84,  30. 

Zu  den  werten: 

Mir  hat  ein  licJU  von  Franken 
der  stolze  Missentere  bräht: 
daz  vert  von  Ludewige. 

bemerkt  Lachmann  (z.  84,  33)  richtig:  „kerzen,  etwa  geweihte,  als 
gäbe  geschickt  ziemen  weder  den  gebem  noch  den  empföngern."  Fer- 
ner: „ein  symbolischer  gebrauch,  dass  der  geber  zum  zeichen  der 
begabung  eine  kerze  bis  zu  dem  beschenkten  gehen  lässt,  muss  der 
sprichwörtlichen  bezeichnung  des  geschenkes  zu  gründe  liegen ,  ist  aber 
bis  jezt  nicht  nachzuweisen."^  Der  zweite  teil  der  behauptung  dürfte 
die  probe  wol  kaum  aushalten.    Aus  der  von  Wackemagel  aus  dem 


PaOSCH,  Zü  WALTHEB  359 

Baseler  dienstmannenrecht  s.  26  beigebrachten  stelle  hat  man  zum  teile 
(s.  Wilmanns  1.  aufl.  der  Waltherausg.  s.  273)  unrichtig  gefolgert.  Die 
Verpflichtung,  welche  für  die  Baseler  bischöfe  bestand,  scheint  auch 
anderwärts  in  kraft  gewesen  zu  sein.  Der  fürsterzbischof  von  Olmütz 
begabt  noch  gegenwärtig  aljährlich  die  personen  seines  hofstaates  und 
die  beamten  seiner  residenz  mit  kerzen.  Diese  begabung  war  aber 
früher  algemeiner.  Noch  vor  wenigen  jähren  erhielten  in  Freiwaldau 
(im  Breslauer  bistum)  die  öffentlichen  beamten  am  lichtmesstage  vom 
pfarrer  kerzen;  hierorts  heutzutage  nur  die  bediensteten  der  kirche, 
ihre  patrone  u.  dgl.  Die  kerzen  wurden  in  der  kirche  angezündet  und 
nun  in  feierlicher  procession  um  dieselbe  gegangen.  Nach  beendigung 
des  aktes  behielt  jeder  sein  licht  als  eigentum.  Dieser  gebrauch  hatte 
jedoch  noch  weitere  ausdehnung.  In  Steiermark  (bei  Eibiswald)  und 
in  Oberösterreich  schlagen  am  lichtmesstage  die  wachszieher  ihre  buden 
vor  der  kirche  auf  und  freunde  und  bekante  beschenken  sich  mit  den 
erstandenen  Wachskerzen  und  wachsstöcken.  Dazu  vergleiche  man,  was 
Simrock  in  seiner  Waltherübersetzung  (1876)  s.  330  bemerkt.  Dies 
leztere  fährt  zur  ansieht,  dass  vielleicht  kerze  im  volksmunde  sprich- 
wörtlich für  geschenk  gesagt  wurde.  Und  in  diesem  sinne  metapho- 
risch ,  nicht  symbolisch  möchte  ich  den  ausdruck  in  den  beiden  an  der 
spitze  bezeichneten  stellen  auffassen. 

WEIDENAU.  FBANZ  PROSCH. 


BEITRÄGE  AUS  DEM  NIEDERDEUTSCHEN. 

Die  eoi^ojiction  ftne,  ftn. 

Handschriften  und  alte  drucke  bieten  dieses  wort  am  häufigsten  in 
der  form  ain  (Hag.  Köln.  Chronik  und  Weberschlacht) ,  seltener  ist  aefi 
(Theoph.  1,  wo  Hoffmann  an  gesezt  hat),  am  seltensten  sind  ane  (Hag. 
Chr.  und  beisp.  im  Mnd.  WB.)  und  an  (Weberschi.  214). 

Verbreitet  war  die  conjunction  vorzugsweise  am  Niederrhein  und 
zwar  nicht  bloss  linkshreinisch ,  sondern  auch  an  der  unteren  westfäli- 
schen Ruhr,  wo  Theoph.  1  gedichtet  sein  wird,  vermutlich  sogar  wei- 
ter östlich  in  der  grafschaft  Mai'k;  s.  unten.  Aus  anderer  gegeud  lie- 
fert das  Mnd.  WB.  zwei  beispiele,  eins  aus  Bremen,  aus  Greifs wald 
das  andere. 

Hervorgegangen  muss  sie  sein  aus  der  präposition  äne,  an  (ohne), 
nicht  bloss  deshalb,  weil  sich  die  formen  genau  decken,  sondern  auch 
weil  sich  für  die  bedeutung  ein  Übergang  nachweisen  lässt.    Es  finden 


sich  nämlich  »teilen,  welche  mit  eioeiu  Idcht  m  erg&nzendeii  demon-, 
strättve  auch  [nHpOHitional  gefaaät  wer<leu  kÖnnuD.  Man  vorgleiche  t.  h.t 
ock  cn  schall  mc  lunten  murstccn  ulhvorvn  ilesset  jar  ovcr,  ane  dach- 
stctm  (den)  tnach  mtt  vuren.  Brem.  Stat.  741  (Mnd.  WB.).  Leiulit  stat- 
tet düu  liegrif  ohuc.  aussor  eiu  nur  und  iloch;  vgl.  ik  tvil  dat  awe- 
ren  an  dci  heligen,  dat  ih  van  dttsscr  ganser  vasten  ny  rnschcs  tigg 
OH  dorfle  belaslett  aen  alleine  fo  tncndddage  {du)  vergai  ik  aUirik 
minor  klage  unde  koße  usw.    Tli60|ib.  1,  134. 

Als  conjuucüoa  zeigt  ätie,  an  besonders  die  bedeiiluiiguii  doch 
und  wenu  auch,  zwischen  welcheo  sich  wtdcrum  Übergänge  nachwei- 
sen lassen.  Mit  der  bedeutung  doch  findet  es  sich  im  Theoph.  1,  127. 
32U  rgg.  232  f.  447.  C42  fg.  710;  bei  Hagen  in  folgenden  stellen:  aiu 
do  der  slril  al  was  gedain  unde  an  die  naicht  bcgunde  gain,  si  qua- 
men  und  nameti  einen  vrcde.  1^52  fgg. ;  ai»  soldm't  wir  uch  nett  selm 
sagen.  blbS;  ain  solde  it  an  ein  stridcn  gain,  st  kaitd  de  ric/teit  van 
der  stat  und  den  alremi^islen  sehat.  5153  fgg.;  in  der  Weberschlächt : 
Heinricii  Jude  was  ir  ein,  ain  dcdc  hie'l  nude.  209  fg.;  Vrank  vanme 
Hörne  was  der  eicht,  an  leas't  emc  gom.  213  fg. 

Fllr  den  Qbet^ang  zur  bedeatung  wenn  aaüh  stehe  hier  ans  der 
Weberschlacht :  dai  cn  künden  sg  «ri(  ivcder  sagen ,  sy  moislcn  volgen 
dem  meisten  pari,  ain  was  it  in  to  iloin  hart  130  fg.;  aus  Hagen: 
ane  hcddeit  hundert  duscnt  ander  gebrant:  dit  is  in  alme  lande 
hekani,  man  inhcdde  so  waile  neit  ila  af  geseen.  4001  fgg. 

Mit  wenn  nueh  oder  auch  (nebst  inversiou)  müssen  folgende 
stellen  fiberaezt  werden,  aus  Hagen:  226.  368.  44a.  4G2.  467.  12&9. 
1382.  2644.  2701.  2743.  2763.  3003.  3237.  5U75.  5217.  6236.  655(1. 
5663.  5796;  aus  der  Weherschlaoht ;  271. 

Der  Teiilbonista  gibt  aur  fibersetzung  von  tarnen  unter  andern 
mertloch  und  aindoich.  Diese  ausdrficke  werdou  völlig  synonym  sein- 
Sie  zeigen  uns,  was  ohuedifs  nahe  liegt,  daiis  ain  auoh  die  bedeutung 
aber  hatte.  Wir  lernen  daraus  aber  auch,  dass  ain  »ch  sogar  in  der 
grafsüi^haft.  Mark  als  conjunctioD  gefunden  und  bis  heute  eriialt«n  hat, 
freilich  in  der  lautlich  abgi<8cbnttuht«n  form  m.  Unser  endöch,  eiu 
durch  aber  verstärktes  doch,  welches ,  wie  franz.  ai,  auf  eine  vornei- 
nende trage  antwortet,  kann  nichts  anders  sein,  als  jenes  ain  dock 
des  Teuthuui»ta.  Dieses  en  erscheint  bei  nus  ausserdem  noch  in  ei\jd 
und  ennä. 

An t weder,  antwer,  unter,  rnler. 
Von  diesen  wortformen  wurden  aiUwer  und  enfer   schon  erwähnt 
bei  K5ne  z.  HetJ.  anmerk.  1105,  antwer  auch  im  Mnd.  WB.,   atUtr  in 
dieser  /.eitschr.  IV,  114. 


BEITRAGS  AUS  DEM  NIBDEBDEÜT8CHEN  361 

Die  stelloD,  in  welchen  antwer,  anter,  eiüer  mit  folgendem  ofte^ 
oßy  of  genau  dem  nhd.  entweder  —  oder  entsprechen,  mögen  über- 
gangen werden;  doch  stehe  hier  ein  beispiel  des  seltenen  enter,  welches 
Köne  aus  Hbb.  385  anfuhrt:  enter  hir  in  deser  tit^  ofte  na  desen 
leven.  In  folgenden  stellen  dagegen  ist  antweder,  antwer,  anter  nicht 
als  conjunction,  sondern  als  adverb  enthalten ;  ihr  ofantwcder,  off  ant- 
wer, of  anter  stattet  ein  oder  anders,  oder  sonst,  oder  aber, 
oder  doch:  here,  man  wüt  da  uren  neven  van  Koveren  [vain] ,  of 
antweder  zo  dode  slain.  Hagen  880  fgg.;  ind  sees  swyne  off  ant- 
wer dar  vur  eyne  mark,  Seib.  Westf.  Urk.  1127;  der  stede  ein  jair 
lank  ein  pert  holden  seulden  of  anter  von  deme  wintappen  laissen. 
Nuwe  boich.  8.283,  11.  Mit  fehlendem,  aber  zu  ergänzendem  of: 
nochtans  wU  ick  ni  gloven,  dat  du  solcks  van  Sost  weidest  schryveyi,  — 
anter  wel  my  geven  gut  bescheit,  —  wu  se  tho  Sost  dat  erfuUen  und 
vor  Sodome  recht  werden  geschuldete    Dan.  148. 

Nach  dem  antwer  —  oft,  anter  —  o/*,  erUer  ofte  =  entweder  — 
oder  ist  es  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  antweder,  antwer,  anter, 
enter  aus  derselben  quelle  fliessen,  wie  nlid.  entweder ,  mhd.  eintweder 
=  ein  de  weder,  eins  von  beiden.  Grimm  6r.  3,  38.  Wir  dürfen  uns 
antweder  aus  altniederdeutschem  ain  di  hueäar  entstanden  denken. 
Alts,  lautet  es  en  di  huedar,  Helj.  (Schm.)  111,  7;  8.*  Bei  ags.  and- 
hväder  mag  es  zweifelhaft  bleiben ,  ob  dasselbe  =  and  —  hvääer  oder 
=  an  ^  di  —  hvMer.  Das  di  der  alts.  form  wird  ein  bei  der  laut- 
Verschiebung  zurückgebliebenes  ti,  te  (an,  in,  bei,  zu)  sein.  Eins  an 
beiden  zusammen  ist  =  eins  von  beiden.  Ein  solches  di  (als  zurück- 
gebliebenes ti)  fält  bei  einem  compositum  weniger  auf  und  lässt  sich 
sogar  in  der  heutigen  Volkssprache  nachweisen;  vgl.  holter  —  di  —  pol- 
ter  =  dän.  huUer  til  bulter.  Das  mhd.  de  weder  (eins  von  beiden) 
muss  sein  ein  verloren  haben.  Das  auffällige  an  der  niederrheinischen 
und  westMischen  form  hängt  offenbar  mit  der  vom  hd.  abweichenden 
betonung  des  compositi  zusammen.  Weil  der  erste  teil  den  ton  hatte, 
so  wurde  aus  ain  nicht  ein  oder  en,  sondern  an,  dessen  vocal  sich 
aber  später  verkürzte,  wie  schon  die  kölnische  Schreibung  nicht  ain 
oder  aen,  sondern  an  zeigt.  Dass  der  hauptton  diese  läge  hatte,  leh- 
ren anter,  enter,  welche  sich  nur  unter  dieser  Voraussetzung  aus  atU- 
weder,  antwer  (nicht  antwer!)  bilden  konten.     Weiter  spricht  dafür, 

1)  Die  stelle  lautet  bei  Köno  7250  fgg.:  hie  ni  mag  is  tidi  hemithan.  ac  hie 
dago  gehuüikes  diwt  en  di  huedar,  wanot  eftha  tcaJmt,  Nur  das  en  di  hueäar 
des  Cod.  Oxon.  kann  dem  dichter  angehören.  Der  Monac.  will  durch  sein  oder 
weder  {alter  uter)  verdeutlichen.  Die  steUe  zeigt  so  recht  die  entstehung  des 
anter  —  o/Vc,  entweder  —  oder  nach  ihrer  bedeutung. 


d&Bü  in  Weätralen  iiocb  houte  ent  (Iüb  fiil.  cutwMcr  uiiil  des  |ilattdeiit- 
scben  etUiceddcr  häuÜg  betont  wird. 

WähreDd  nun  die  hedoutuiig  der  bd,  conjunction  entweder  sich 
leicht  aus  „eins  von  beiden"  begreift,  acbi'iut  of  anlwcdcr  Schwierigkeit 
zu  machen.  Das»  diese  Zusammenstellung  nicht  aus  dem  bednrfnisH 
des  dichters  hervorgegangen  ist,  zeigen  die  prosastollün  der  orkundo 
bei  Soibertz  und  des  Nuwen  Bnichu.  OITenhar  war  die  zusEunmeRstel- 
lung  von  of  und  atitwcder  eine  der  kölnischen  mda.  geläufige.  Icli 
denke  nun,  ans  dem  begrifle  des  andern  =  eins  von  beiden,  konte  sich 
ßin  synonym  für  anders,  aber,  doch  entwickeln. 

Huitmlle. 
Das  vorstehende  im  Mnd.  WB.  nicht  gedeutete  wort  kana  als 
rolle  ftir  die  band  nur  ein  rollhandtuch  meinen,  wie  dergleichen 
bei  unseren  bauern  gebräuchlich  sind;  sein  synonym  ist  ricktlwde.  HSn 
langes  an  den  schmalen  enden  zusammengeuäbtes  bandtuch  wird  Aber 
einen  hölzernen  pflock  (vgl.  dtcehmgenger  im  Mnd.  WB,)  gezogen.  Die- 
ser pttock  ist  in  dem  sogeuanten  handdaukshusc  angebracht. 

KOrbOm. 
Das  d.  und  das  nd.  WB.  bringen  hörhomen,  kürbäumen  und  ver- 
stefaeu  unter  dem  zu  gründe  liegenden  körhöm  einen  „ausgesuchten 
besten  bäum.*'  In  ersterem  werke  wird  nun  vermutet,  der  ursprQng- 
liohe  begrif  sei  der  eines  baunies,  den  sich  der  markbereclitigte  zam 
bauen  wählte.  Aber  schwerlich  erhielt  ein  banui ,  der  bald  nach  der 
auswabl  gefält  wurde,  diesen  namen.  Suchen  wir  andere  auBknnft. 
Weist.  3,  17.S  heiset  es:  da  jemand  ungeweiset,  wie  oben  gemeldet, 
einen  eichenstamm  hauwen  wurde,  sei  6  goltgl.,  einen  kacreichenboem 
lOgoltgl,  eine  boiche  4  goltgl. ,  einen  eiehenbaum  zu  sturen  2  goltgl., 
einen  beer-  oder  surichshaum  (wilden  bini-  oder  apfelbaum)  i  goltgl^ 
einen  groisseu  hülsen  */t  Sf<^ltgl.  geben.  Aus  dieser  Satzung  gebt  her- 
vor, dass  ein  korböm  augewiesen,  und  dann  ohne  strafe  gehauen  werden 
konte.  Der  zweck,  zu  welchem  bäume  ausgewählt  wurden,  die  dann 
den  namen  kirboine  erhielten,  wird  die  erbaltung  von  guten  samen- 
bäuuien  sein,  wenn  eine  waldstrecke  abgetrieben  werden  solte.  Einen 
samenbaum  zu  bauen,  bevor  er  neuen  anwuchs  geliefert  hatte,  war 
natörlieh  ein  schwerer  Waldfrevel.  War  der  zweck  erreicht,,  so  konto 
der  Bumenbftuni  zum  hauen  angewiesen  werilen.  Man  vorgleiche  za 
korbom,  ausgesuchter  zucbthaum,  den  körhengst  aia  ausgesuch- 
ten Kucbthengst,  so  wird  das  metaph.  korlomen,  nach  einem  vor- 
züglichen gatten  suchen,  desto  passender  erscheiuen. 


BEITBAOB  AUS  DEM  NIEDBBOEUTSCHEN  863 

Imungre,  imlge. 

Diese  in  Bruus  Beitr.  s.  237  vorkommenden  formen  sind  in 
inninge,  innige  (einwehrung)  zu  bessern. 

Kolse. 

Ist  d(xt  de  hülse  (erklär,  randbenu  hose)  of  schoe  also  wt  blicken 
in  der  tvanderinghe  y  dat  se  ionghdinghe  dar  mede  to  er  locken.  B.  v. 
d.  joncfr.  F.  63 ^  Die  randbemerknng  hose  hat  verleitet,  kolse  darch 
beinkleid,  hose  zu  deaten,  aber  jenes  hose  ist  offenbar  das  nie- 
derdeutsche =  strumpf,  und  frauenzimmer  werden  in  der  zeit,  aus 
welcher  das  Schriftstück  stamt,  keine  beinkleider  oder  hosen  getragen 
haben.  Bekantlich  bedeutet  das  aus  kolse  entstandene  nl.  kous  eben- 
fals  strumpf. 

Stalle  9  stallen. 

Bei  Lac.  Arch.  3,  336  lesen  wir:  vnd  der  ciister  vurfi.  soü  der 
gemeinden  haldenn  den  fnog  (I.  mey)  vfi  (den  mai  hindurch)  einem 
(1.  einen)  vadle  (beugst)  vp  den  froenbend  (frohnwiese) ,  vnd  wer  sine 
meren  (stuten)  g estalt  wiU  hauen,  der  soll  ein  fl,  (? viertel)  haueren 
in  seinem  slyp  (rock-  oder  kittelschöss)  hr engen,  den  st a eil  darmit 
zo  foedem.  Wir  haben  hier  ein  deutsches  stalle  =  equus  ad  stal- 
lum,  L.  Visig.;  stalhengst.  Eil.;  staüonCy  ital.;  etalon,  franz.  =  be- 
schäler  und  ein  verb  stallen  =  beschälen.  Wie  das  verb  von 
stalle  abgeleitet  ist ,  so  stamt  lezteres  von  stall ,  sofern  man  den  beschä- 
1er  nicht  mit  den  stuten  und  füllen  auf  die  weide  gehen  liess,  sondern 
meist  im  stalle  fütterte,  vielleicht  im  gegensatze  zu  reit-,  wagen - 
und  ackerpf erden ,  welche  viel  ausserhalb  des  Stalles  waren.  Möglich 
wäre  auch,  dass  stalle  nicht  von  stall,  sondern  von  stallen,  to  stale, 
mingere,  rührte,  nachdem  dieses  stallen  die  bedeutung  „beschälen^ 
erhalten  hätte. 

Tdmseherigr. 

Weist.  3,  179  (nr.  1348)  steht:  homines  solivagos  qui  vulgariter 
dicuntur  de  tomscherigen  Itiede.  Vergleichen  wir  volschirig  (ib.  163) 
=  mit  vollem  anteile,  volberechtigt ,  und  heutiges  fuUschearig  =  vol- 
ständig,  was  alle  seine  teile  hat^  so  ergibt  sich,  dass  tomscherig  den 
solivagus  (enlucke,  enlope)  als  einen  menschen  bezeichnet,  der  jedes 
wahren  besitzes  baar  und  ohne  ist,  also  expers  in  aller  beziehung. 
Tom  ist  alts.  ttwmi  (leer) ;  vgl.  osnabr.  tömig ,  leer  und  ruhig  von  men- 
schen und  geschäften. 

ISEKLOHN.  FR.   WOESTE. 


E 


>rUtito: 


LITTEIIATUR. 

Bic.  Kochs  altdout-cUr.  mjsturiED  Dach  uiner  haiij- 
B  XV.  jalirliunJurta  /upi  ersten  mal  n  hrrBORgcgebcii  niid 
vuu  ilr.  Karl  Ferd.  Kuumer.   WU>d  1SS2,  Holder.  (LXl  ii.  KS  g.) 


Die  EkDupro  einricbtung  von  KaniiiiurB  Lflchwu  ist  ^»wüholkb  uiasturbttft : 
nllci  stellt  KD  scjnitm  richtig«»  platie,  trägt  riberselirifton  und  riLTidweievr,  ist  mit 
vutantxb lüttem  und  gennaon  inhultmngube&  vsneticn ,  in  grossen  »der  klelOMi, 
genulen  oder  uurslTen  lutletu  gettat,  gaut  nauli  wttnedi.  Auch  Am  vorÜKgond« 
buch  gibt  xeiiguia  vun  deinsolkin  gt.>ticbii;k  und  deradbi-n  sorgMt  in  tudiniscken 
dingen.  Es  zcrfiilt  in  drei  toilc;  I.  einlvUung,  II.  tuit,  III.  glossar^  wulcbeoi 
einige  noobtrSgo  nud  bericbtignngen  folgen. 

Dur  cinleitung  voraoa  gebt  ein  „rorxciebuis  der  gebrauchten  abkfir- 
inngeu'  (s.  V— Vm).  Man  findet  darin  eine  fast  vubit&ndigc  aufx&hlnng  dar 
«Inschhtgigtin ,  giLUz  oder  teilwoisB  edierten  geistlii'bun  siiielo:  nur  weniges  bleibt 
tu  ergänzen,  i.  b.  Pkiler,  Woihuachtslicder  und  kripiwngiiieU  au»  Obui'Osteneiuli 
und  Tirol  I,  1831;  doxu  mnss  man  noch  ein  panr  Schriften  zählen,  «nlche  Kntnmef 
in  seinen  Knnierknngon  heunit,  aber  ana  imbcltanton  gründen  hier  nicht  angefllbrt 
hat  wie  dio  übrigrn,  so  Hilchsack,  Diu  Heidelberger  pasBionsipiel;  Schrüer, 
Doutaebe  weihiiiu'lit8ä|>iele  aus  Ungarn  nsw.  —  Giue  kleine  bibliograpbisebe  Uneben- 
heit ist  ee,  wenn  Kammer  den  ujnfnng  oiniger  npiolo  in  grösseren  Sammelwerken 
durch  die  erste  oud  lext«  seitensifier  markiert,  bei  andern  aber  die  aoblnsaziffer 
wegläset,  HO  dase  man  Ober  die  uusdehnung  dursolben  im  ungewissen  bleibt;  ebenw, 
wenn  er  bei  den  einen  handscliriften  »der  sjiit'len  das  allor  annjerkt,  t»i  den 
andern  aber,  wo  ce  eben  ao  leicbt  halte  guscbehen  kuunen,  dar&bor  schweigt. 

Die  einleituDg  bebandelt  zunächst  die  ViirbKltnissu  der  handschrirt.  Di« 
sechs  edierten  deutjchen  spiele  stehen  in  einem  codex  der  biscbBfliohon  bibliotbok 
in  Brian  mitten  unt«r  lateiaischen  trActaten.  Kummers  bu«n)irnibnng  desselben  ist 
kurz  und  genau,  nur  vermisse  ich  dio  angäbe  Gber  diu  grüaee  nud  zabl  di<r  lugen, 
welche  ja  immer  ein  wichtiges  und  oft  das  vinicige  krit^rium  hergeben  lur  bestim- 
mung,  wie  fiele  und  welche  blfittor  in  der  bandachrift  fehlen.  Uindor  gut  sind 
Kummers  orürteiiiDgen  über  die  echrcibcr  des  cndex.  Er  unterscheidet  deren  vier 
nnd  ausserdem  noch  drei  andere,  welche  nachtrftge,  ««rrecturcn  und  bemerk ungen 
xur  spielordnuDg  teils  in  den  text,  teils  AU  diu  runder  gesezt  haben.  Das  wären 
aUu  7  bftnde  auf  24  blättern;  aber  bei  keiner  oiuiigeo  ist  der  versuch  gemacht 
worden,  ihre  «irkliolie  ezistenz  durch  patäograpbiscbo  und  orthographiKche  grltnds 
sn  beweisen,  was  notwendig  wäre,  solte  Kummers  angäbe  mehr  sein  als  ein  rdn 
subjeetires  gntachten ,  dessen  richtägkoit  m  pritfen  uns  alle  anhalt«punkto  fehlen. 
Im  Montfortcr  cedei  hat  Kummer  nnr  twei  achreiber  gefunden,  und  gleicbwol 
waren  deren  vier,  wie  die  genauere  Untersuchung  desselben  gelehrt  bot.  Wer  ver- 
sichert uns  nnn,  das«  sich  Kammer  diesmal  nicht  auf  die  entgcgongoscxt«  aeite 
verirt  und  ucben  erblickt  iiat,  w<i  vielleicht  nur  fUnf  »der  noch  weniger  sind? 

Dos  11.  cnpitel  der  cinloitung  behandelt  die  „Lant-  nnil  tpracbfurmen 
der  handsubrift."  Ich  bin  xnnäehst  schon  in  bexug  auf  die  methude  in  mehr«- 
rsn  punkten  anderer  neinuug  als  Kummer.  Er  trent  alle  reime  von  seiner  spracb- 
licbeu  uutetsnuhiing  ab  und  behandelt  dieselbeu  im  Ilt.  capitel,  unter  „vcrskiuiit" 
leb  glaube  aber,  doss  jede  sprachUche  »ntcrsuehung  vom  reiraroglstor  auHiDgebon 


WACKSBNELL,  ÜBBlft  KUMMBB,   BRLAUE&  SPIELS  865 

und  zunächst  die  frage  zn  berücksichtigen  hat:  welche  reime  geben  zengnis  für 
die  spräche  des  dichters  und  welche  sind  ungenaue  reime  im  eigentlichen  sinne 
des  wertes?  Begegnet  z.  b.  bei  einem  dialeictdichter  des  15.  Jahrhunderts  der  reim 
zom  :  wom  («  worden),  was  beweist  er  für  die  „vorskunst"  des  dichters,  in  des- 
sen ohr  beide  worter  gleich  klangen?  wol  aber  ist  er  für  die  spräche  und  Schrei- 
bung desselben  bemerkenswert.  Diese  ausschcidung  der  sprachlichen  reime  von 
den  bloss  ungenauen  wird  in  verschiedenen  f&llen  verschieden  ausfallen;  fast  durch- 
weg jedoch  werden  die  sprachlichen  formen  im  contexte,  der  vergleich  mit  gleich- 
zeitigen poetischen  und  prosaischen  denkmälern  und  die  rfickblicke  auf  den  ent- 
sprechenden lebenden  dialekt  hinreichende  anhaltspunkte  dazu  bieten.  Ist  sie  durch- 
gef&hrt,  dann  erhebt  sich  die  frage:  welche  von  den  vorhandenen  sprachlich  merk- 
würdigen erscheinungen  stehen  in  betonten  und  welche  in  unbetonten  silben?  und 
femer  bei  diesen  denkmälern  des  14.  und  15.  Jahrhunderts  noch  die  frage:  welche 
gehören  der  sprachlichen  Übergangsperiode  überhaupt  an  und  welche  sind  specifisch 
dialektisch  ?  Oder  mit  andern  werten :  alle  merkwürdigen  sprachlichen  erscheinungen 
sind  zu  befragen  nach  ihrer  Stellung  zwischen  mhd.  und  nhd.  einerseits  und  zur 
mundart  des  dichters  (resp.  der  handschrift)  andrerseits.  So  ist  z.  b.  die  längung 
hochtoniger,  im  mhd.  kurzer  stamsilben  keine  dialektische,  sondern  eine  algemeine 
orscheinung  der  Übergangsperiode,  und  nur  im  umfange  ihrer  durchführung  zeigen 
sich  dialektische  Sonderheiten. 

Auf  derartige  dinge  hat  Kummer  keine  rücksicht  genommen;  er  begint  in 
der  altgewohnten  weise:  „a  häufig  für  o,"  fahrt  so  fort  und  hört  so  auf.  —  Ich 
will  nun  den  einzelheiton  seiner  aufstellungen  nachgehen. 

Die  a  ^m  0  zählt  Kummer  in  jener  reihenfolge  auf,  in  welcher  sie  die  hand- 
schrift bietet;  aber  eine  systematische  anordnung  hätte  sich  mehr  empfohlen ,  näm- 
lich die  nach  den  dem  a  folgenden  consonanten.  Dann  würde  sofort  ins  äuge 
gefallen  sein,  dass  die  meisten  a  =  o  vor  folgendem  r  erscheinen.  —  Aus  II ,  129 
ist  pochen  mit  einem  fragezeichen  angeführt.  Die  stelle  lautet:  wnd  war  dar  zu 
sufs  weins  vol,  so  wivrd  mir  di  zung  zu  dem  guem  pochen ,  woraus  sich  ergibt, 
dass  pochen  nicht  =  pochen,  sondern  das  im  bairischen  dialekte  algemeine  pachen 
=  kleben  ist,  wie  auch  Kummer  im  glossar  richtig  angemerkt  hat:  so  voll  süssen 
Weines  mochte  Lappa  sein,  dass  ihm  die  zungo  am  gaumen  kleben  bliebe.  Das 
süsse  klebt.  In  derselben  bedeutung  begegnet  das  wort  auch  III,  155.  Hätte 
Kummer  die  einzelnen  falle  nach  den  consonanten  geordnet,  so  würde  er  gar  nicht 
in  zwüifel  geraten  sein,  oh  pochen  oder  pocJien  vorliege,  weil  sich  sonst  kein  ein- 
ziges a  =  0  vor  folgendem  ch  findet 

„e  für  ic,"  dazu  die  beiden  belege  stefcMnder  und  we.  Allein  in  we  steht  e 
nicht  für  ie,  sondern  für  eu,  tu;  denn  es  ist  nicht  das  mhd.  wie,  sondern  der 
instrum.  mU  wiu  (vgl.  Weinhold,  mhd.  gr.  s.  473),  der  bairisch  {mit  weu)  häufig 
ist.  Daraus  ergibt  sich  zugleich  grossere  Sicherheit  dafür,  dass  auch  in  stefdnnder 
e  nicht  für  ie,  sondern  für  eu,  tu  steht;  wie  Kummer  selbst  vermutete.  Der  ganze 
absatz  ist  demnach  so  zu  überschreiben:  „e  für  eu,  iu,** 

Bei  „i  als  zwischenlaut**  stehen  drei  belege:  milich,  volig  und  icelich.  Wer 
aber  die  älteren  formen  dieser  Wörter  zu  rate  zieht  (z.  b.  weUh,  hwelih,  hrüeiks), 
wird  finden,  dass  wirkliche  svarabhakti  (hier  t)  nur  in  völig  vorhanden  ist.  Man 
weiss  ja,  wie  die  dialekte  vielfach  alte  vokale  mit  und  ohne  f&rbung  bis  in  die 
gegen  wart  herein  bewahrt  haben.  —  Bei  den  belegen  für  ö  =  c  wird  auch  ver- 
vempt  (:  chömpt)  II,  163  anzumerken  sein,  was  axif  vernömpt  weist,  welches  im 
Bairischen  häufig  ist. 


WACKXBNBIJ. 


„tri  (ay)  entspricht  &1tein  ei."  Du  ist  Blies,  was  Kummer  fiber  diesen  di|ili' 
tboDf;  Mgt.  Mao  mnsH  daraus  BchUeasen.  das»  dnrchwog  tu  =  «i  «teht.  Nqd 
findet  man  gleich  im  anfunge  des  teit«»  die  oorrcctv  einem,  die  demniuh  [aisdi 
wüe,  wenn  niclit  die  weitdro  lectljre  bewiese,  dius  nur  Euniincrs  an^h«  tn  der 
lautleliro  mangolliaft  ist)  deim  mhd.  m  bat  sieb  erl:&lt«o  in  leider  lU,  837  and 
meist  in  nin. 

,au  (geachriishen  ay)  t&r  ea  (wm  ia)  and  ifu;°  dazu  werden  mehrere  beleg« 
angerabrt.  Woher  weisa  denn  Kammer,  dass  in  diesem  diphthan^  y  ^=  w  steht? 
Sonst  seit  er  y  überall  =  i,  2.  b.  oy  =  oi,  iiy  ==  ai,  nur  einige  *y  sind  aucli  i« 
eu  gemacht  worden,  z.  b.  tturehleychtiß  U,  IT  lu  diirehleuchlig.  Hir  will  et  schei- 
nen, <Ielss  der  beransgebor  diese  ay  hätte  stehen  lassen  oder  edaer  anderw^ligeo 
TorfuliTungswnise  ^eni&ss  ale  ai  blltte  geben  tnllcn;  denn  ich  erblicke  darin  d«n 
anbug  jeuer  orbellung  des  tu  (-^  tu  und  öa)  nu  ei,  welche  im  lebenden  dialekte 
ziemlich  algeniein  geworden  ist;  man  spricht  hierzulande  nicht  die  f¥tad,  londafa 
die  freid;  nicht  die  leut,  sondern  die  leit  usw. 

Die  angäbe,  dasa  in  haint  (htnaM)  und  glUgen  (ffine"')  ii  für  altes  l  steht, 
wBrUe  ith  mit  dem  fierttolgendon  abeatze  (wo  es  heisst :  „ri  entapriuht  altem  i"> 
verbunden  nnd  gcscbricbcn  haben:  .manchmal  ersaheint  fUr  et  auch  die  schreibnnif 
li»  wie  in  gaigen  usw.";  dann  würde  jeder  sofort  er]<ennen,  dass  wir  es  nicht  mit 
einer  besondern  lantliuhen  ersohcinung  zu  tun  haben ,  sondern  nur  mit  einer  grft- 
phiaehun  wunderlich keit,  irio  der  Schreiber  der  Erlaner  spiele  deren  so  viele  bat. 

„CT»  fBr  ie  in  sUnifclmd  nud  ieupper"  trift  wider  nicht  gann  das  richtige; 
denn  eu  steht  nicht  für  ie,  ^sondern  ganz  rcgelaüssig  für  tu,  nnd  das  bemerkens- 
werte liegt  nnr  darin,  dass  in  diesen  wGrtem  der  dialekt  wider  die  ältere  lautform 
{ttitif-.  Hup)  bewahrt  hat. 

Dass  t40  sehr  häufig  in  nhd.  weise  als  u  oTBcbeint  (z.  b.  eu  chhtghait  IV,  18; 
mutt  I,  42;  guten  III,  206  usw.  (man  vgl.  dazn  auch  die  reime  «o  :  tt  auf  t.  XCC), 
wird  im  ganzen  „voknliamuB"  gar  nicht  erwähnt. 

Ich  komme  zum  II.  teile  dieses  capitels,  zum  conaonantismna.  Im 
zweiten  absatze  desselben  schreibt  Kummer:  ,p  tritt  zwischen  stamsohlicsseudeB  m 
nnd  die  endnog,  Bair.  gr.  123:  dwwpt,  nempt,  iemppiant,  nempmen,  imipl.'  Kao 
sieht  gleich,  dass  die  belege  »ar  vuraimgcliendvn  regel  nicht  passeu,  oder  steht  in 
iempmanl,  ttfiapmm  p  vor  der  „endaag'i''  Anf  die  endiing  kernt  es  hier  gar 
nicht  an ,  sondern  nur  auf  dio  art  der  consonanlen ,  und  ea  wäre  daher  se  zu 
schreiben  gewesen:  p  ist  fibergangslnut  von  finender  labialis  zn  labialis  oder  don- 
talis.  —  Ansserdem  bleibt  bei  den  labialen  noch  einiges  zu  ergänzen,  so  bei  y, 
dass  dasselbe  auch  Tür  b  erscheint  im  inlante  vor  deiitali«  und  ausgefallenem  toc«1, 
also  entstanden  ist  <larch  homogene  assimilatiou ,  z.  b.  haupt  (^  hmdiet)  m,  581 
n.  a.  Feiner  steht  III,  1071  im  texte  um;  ist  diese  nhd.  furm  dort  richtig  (und 
die  „bcrichtigungcn"  am  scbhissc  dei  bnchca  corrigioren  sie  nicht),  so  wäre  sie  in 
der  lantlehre  liier  anunfüliren  gewesen;  denn  6  ist  durch  angleichung  an  das  vor- 
hergehende bomorgane  nt  verschwanden. 

Aach  die  dentales  sind  etwas  mangelhaft  bearbeitet  wordeiu  Ich  Will  nnr 
nachtragen ,  was  mir  bei  einmaliger  rascher  lectdro  den  toitcs  !n  den  weg  gelaufen 
ist.  Der  aasfall  des  ä  in  wem  (=  werden)  I,  8,  53;  m/rn  (=  vorden)  UI,  80 
wird  gar  nicht  crwilbnt;  nnr  im  III.  teile,  bei  der  , verbal ßciion,"  sind  diu  worta 
angefahrt,  als  wenn  der  scbwnnd  des  d  nar.h  r  eine  ÜPxiun»*  und  nicht  vielmehr 
e'iw-  lauterschein ung  wäre.  —    Über  dt-n  antritt  von  d  in  der»chinen  11,  83;   der- 


ÜBBB  KUMMBB,  SBLAÜBB  8PIBLB  367 

gan  ü,  98;   derparmen  III,  2;   derstanden  Hl,  1390  ü.  a.,  welcher  besonders  im 
Bairischen  beliebt  ist,  fehlt  gleichfals  jede  Dachricht. 

„t  ist  abgeüedlen  in  siech  HL,  653,  %ch{t)  784**;  daza  hat  Kummer  selbst  in 
den  „nachtragen^  Springer  in,  827  ergänzt  Es  fehlt  aber  noch  ich  TU,  285  und 
y,  307.  Bei  siech  und  spring ,  welche  nur  einmal  überliefert  sind,  bewahrt  Kam- 
mer die  apokope  des  t,  hei  ich  jedoch,  welches  dreimal  belegt  ist,  im  Bair.  und 
Alem.  überhaupt  öfters  begegnet  und  noch  den  reim  siech :  nich(t)  m ,  901  an  der 
Seite  hat  (vgl.  s.  XXJI) ,  corrigiert  er  durchweg  die  volle  form  ein. 

Der  folgende  absatz  „antritt  eines  unechten  t**  zeigt  wider  bedenkliche  lücken. 
Kummer  führt  nur  drekcht,  unzt,  simant  an;  allein  in  iemcmt  V,  85  und  noch  oft; 
in  niemant  m,  71;  V,  94  und  noch  oft;  in  indert  JH,  91;  siist  m,  12;  nindert 
m,  104,  604  u.  a.  ist  doch  auch  der  „antritt  eines  unechten  t*'  zu  constatieren  ? 

Den  gutturalen  consonanten  ist  |es  nicht  viel  besser  ergangen  als  den  den- 
talen. Über  die  zahlreichen  ch,  kch  =  k  und  c  z.  b.,  welche  durch  die  ganze 
handschnft  verbreitet  sind,  hat  Kummer  kein  wort  gesagt,  und  so  begreift  es  sich 
wol,  dass  der  ganze  II.  teil  des  zweiten  capitols  über  die  „consonanten**  wonig 
mehr  als  eine  halbe  seite  f&lt. 

Der  in.  teil  dieses  capitels  behandelt  die  „yerbalflezion.**  Zuerst  wer- 
den verschiedene  flexionsformen  angeführt  von  „komen,  werden'^  und  „leiden  ^'^ 
dann  folgen  „einzelne  endungen**  und  darauf  wider  verschiedene  flexionsformen 
von  „sein,  tuon,  haben,  dünken,  mac,  sd,  kern,  mvoz,  weiz,  wü,''^  —  Was  wol 
den  herausgeber  zu  dieser  wunderlichen  gruppierung  mit  den  „einzelnen  endungen** 
in  der  mitte  veranlasst  haben  mag?  Und  warum  findet  sich  denn  unter  den  behan- 
delten verben  nicht  auch  l&zen,  dessen  verschiedenartige  formen  erst  im  glossar 
zusammengestelt  werden? 

Bei  den  belegen  für  den  apokopiorton  Infinitiv  sucht  man  vergebens  verdien 
m,  142  und  zawn  (:  danvk^  III,  942,  welche  auch  auf  seite  XX  unter  den  reimen 
nicht  zu  finden  sind.  Aber  nicht  nur  im  infinitiv,  auch  im  particip  prät.  kann  die- 
selbe apokope  eintreten:  IXE,  1234  erschin,  neben  dem  gewöhnlichen  erschinen  I,  7 
u.  ö.,  was  Kummer  gleichfals  nicht  angemerkt  hat.  —  Beim  verb.  auiil.  sein 
ergänze:  ir  seiczst  III,  850  und  sei  vair  II,  81,  das  sich  mit  <uo  wir  DI,  48  ver- 
gleicht, welches  Kummer  verzeichnet.  —  Bei  sc^tiU^n  schreibe  I,  57  statt  I,  55 
und  ergänze  neben  i/r  söü  II,  172  auch  schult  II ,  6. 

Im  IV.  teil  wird  die  „nominalfloxion**  behandelt  Im  zweiten  absatze  cor- 
rigiere  VI,  206  zu  VI,  218.  Ausserdem  sind  bei  den  Substantiven  einige  auffal- 
lende formen  wider  ganz  übersehen  worden:  V,  126  erscheint  di  teufein  als  nom. 
plur.  (blieb  auch  im  glossar  unerwähnt);  IE,  259  das  kinde  als  acc.  sing.  (vgl. 
dazu  Weinholds  Mg.  §437);  III,  1131  twalme  als  nom.  sing.  (vgL  dazu  Weinh. 
Mg.  §  431). 

„Dem.  und  rel.  pron.  fem.  sing.  nom.  deu.**  Diese  angäbe  Kummers  ist 
richtig;  aber  eine  andere,  die  wichtiger  ist,  fehlt,  nämlich  die,  dass  deu  auch  als 
acc.  sing.  fem.  erscheint  in  IV,  360;  derselbe  fehler  findet  sich  auch  bei  den 
adjectiven,  wo  es  heisst:  „eu  als  endung  des  fem.  sg.  und  neutr.  plur.  noch  erhal- 
ten**; von  den  vier  belegen,  welche  Kummer  dazu  anführt,  sind  zwei  fem.,  aber 
beide  nur  nominative.  Doch  II,  135  wäre  claineu  rest  und  III,  78  eisneineu  pruoch 
als  acc.  sing.  fem.  zu  finden  gewesen,  welche  wie  oben  das  deu  ohne  zweifei  als 
analogiebildungon  anzusehen  sind.  —  Ein  dativ  wie  II,  208  von  einer  rain  maid 
hätte  wol  auch  einen  platz  verdient  und  nicht  woniger  der  dativ  sing.  masc.  auf  n 
statt  m  (vgl.  Weinh.  Mg.  §  487),  wie  HI,  1059  mit  senden  herzen  u.  a. 


fl6d  UACKEBNBLL 

Blit  einer  „syntai,"  hesUhemil  ans  17  ecUod,  eclilic^«t  •!»»  t^upiu-l  Qlwr  <li« 
„laut-  und  aprAchformeo  der  hs." 

Bus  folgende  bringt  die  „rerskunst*  und  «war  »unitdist  cinn  xnaomiDon- 
stelliing  der  reime  (*,  XVin— XXIIlJ.  Bei  den  roimun  zwischen  knrnera  und  Un- 
gern Toliftl  steht  die  bemerkiiug-.  doaa  sie  „nur  uIb  ^n|ihi8i;he  untersclilede ,  niehi 
ah  imgcuauigkciteD  gelteu  können."  Mir  int  niulit  kiar,  wasKunimor  damit  aagen 
will.  Ich  nehme  e.  b.  IV,  410  ercn :  geieeren:  iro  ist  liiur  der  „graphiache  unter- 
Bchied?"  Diese  reime,  in  der  auRnprache  und  Schreibung  des  gutan  tnbil.  vuu  üa- 
ander  aoterschicden ,  sind  jezt  in  beiden  gleich  nnd  beweisen  wie  liele  andere  di« 
eingetretene  nbd.  dcbnung  offener,  ehemals  kurzer  stauiailben.  —  Die  reinte  aia, 
welelin  nur  vor  r  stehen,  beweinen  dii3  auHspracliu  dtis  a  ^^  o;  dugagcn  die  roirae 
ü  :  o  und  ä  :  ö  die  auBSpraclie  des  ä  ^—  ö. 

Bei  den  ceneoD  an  tischen  rninicn  m;»  fclilt  uiif  a.  XX  and  XXII  allaatU  : 
prant  TU,  148.  —  lieime  wie  mfin  :  »ei  deuten  auf  naanlierung,  welche  auch  der 
lebende  dialckt  in  diesem  werte  zeigt  —  Bei  nu«#n  (dat.  xing.)  :  glax  tU,  582 
denkt  man  an  die  st.  furm.  Bei  dt«  viechg  :  gicH  II,  ö3  kann  kein  meuBcb  xwri- 
lulii,  dass  dts  Vieh  ku  carrigioren  aei,  da  nach  vier  reimbelego  nachrulgun,  wo  die 
apobope  schon  in  der  tiand^chrift  volKogen  int,  nnd  du  xwoi  bisttev  vorher  diuiar 
Seiionfllose  gcnitiv  auch  aas  dem  eonteit«  belegt  wnrde:  ebenso  stebeu  die  ding« 
bei  icar  :jareti  VI,  217;  hvi  umbpkmkehen  (infinitlv) :  latttc!» :  gcheaiipankch  Ul,  &3I, 
während  bei  »wettet :  gtstent  IV,  520  wider  der  lebende  diainkt  auf  die  länglichere 
form  führt.  Auf  h.  XXn  macht  Eommor  selbst  beaserungavoncbllige ,  alloto  dls 
viirstebeuden  sind  nicbt  darunter. 

Anf  s.  XXI  huisst  es:  „tenuis  oder  media  reimt  mit  spimna:  III,  IM  ndb' 
CÄeti  .-  gep'tclien ,"  dann  werden  aus  Pichlor  die  belege  angeRlhrt  fachen  {=  PÖAm) 
:»cMadKn  [=  alahrn  inf.)  46,  IT;  machen  :  badum  14C.  15:  woj«  soll  denn  daaf 
wo  ist  denn  da  die  tenuis  oder  media?  freilich  darf  man  nicht  vom  nbd.  ans- 
tehen. —  Ebenda  heisst  es  weiter:  ,ih;  ;  »m,  eine  buriacLe  eigentUmliobkeit 
Mg.  198."  Allein  daa  ist  nicht  richtig,  denn  diese  reime  finden  sich  anoh  im  ale- 
raannischen  imd  in  andern  dialekten;  vgl.  Wnlker,  PB.  Buitr.  IV,  34;  Seiler. 
Basier  mnudart  217:  Schucb,  Boncra  aprnube  35,  nnd  meine  ausgäbe  des  Mont^ 
fortor  CTiXVI.i  Ober  den  i'harakt«r  diesrs  gnitnraien  naaalB  ng  hat  aithon  Valen- 
tin IckclHaniiT  im  l<i.  jahrhandert  richtiges  zu  erzUilen  gewiiast.  Intereunntn 
belege  gibt  aacb  die  von  Scbünbach  herausgegebene  Bened.  Tegel  111,  WO  n 
und  selbst  der  labiale  nasal  ni  mit  dera  gutturalen  wechseln :  liMUikiam  (■-  -tmy«). 
anrnMum,  Daher  verlt&lt  es  sich  auch  mit  den  ng  t  nd  anders  als  Kummer  meint, 
wvlober  sie  nnterscliiedslos  unter  die  „veraohiodenen  median,"  wie  j/elai^ :  iwr- 
wgfn  usw.  eingekeilt  bat 

S.XXIV  — XX.VI  handelt  der  her.iasgeUer  über  die  .kurzen  roimpaaro,'  „die 
gesangstQeke  nnd  atrophen.*     „Die  gi-s|>räabo  sind  in   paarweian  gereimten  xcilen     , 
nbgerasHt,  die  im  grossen  und  ganien  dvn  gosetion  der  tiüfiguhen  viennal  gehobe* 
nen  vorne  folgen.     Es  flnduu  sich  aber  auch  terao  von  5,  6  nnd  T  hebniigeu  mit 
regelmässigen    gebunden;    h&ufig   sind    stampfe   verse   von  3  hobungon."     DIsM 

1)  Wie  an-lrro  so  «chmibt  auvli  der  UonIfoilDr  goradota  na  für  tij  in  trrunntn  : 
gumuuti  {^i  friiHigf)   IS,  161.      Mvin   rerenaenl   im    litt,    cuotralblatt    (1S81)    nr,  14 
meinte,  diese«  jfenmnni  kemnia  von  lämm.     Allein  aobun  der  >lnn  der  etvlle  hiuo  iha     I 
von  «einer  niainuni   abbriDgen    künaan    uad  iiih^Ii   <!el   mehr   illo   fortietinng  dai  t9f~     1 
jlriuhM.  in  ««Uher  n  heiait:  k  tieyt  ilir  ^mA  wJ  ätr  naciiigaU  uiw.  I 


Cbeb  kckhbb,  bblavkr  spiel«  869 

«Dgabe  ist  KU  algemcdu  und  framt  uns  dabei  wenig;  denn  dme  aebeo  Ihebigon 
veneu  nach  melir-  und  weuigertiebige  aUhen,  weiss  man  bei  solcliea  spielen  des 
15.  j&hrliandertB  bo  luemlich  sicher  im  voraus.  Man  erwartet  wenigstens  eine  bei- 
läufige angäbe  über  das  xablenverb&Itnis  der  unricbtigeD  zu  den  richtigen  verseil, 
BD  welcher  man  abseben  kann,  um  wie  viel  die  versuieissung  dieses  denknials  besser 
eder  scbleekter  ist  als  diu  der  anderen  «an  derselben  gattung.  —  Bei  den  gesang- 
stftekcn  und  atropUeD  bat  Kunlnlt^^  seht  äusserüch  angeatdnet:  er  geht  von  spiel 
zu  spiel  und  merkt  die  gefundenen  Strophen  an  in  derselben  folge,  wie  sie  die 
handschrift  bietet;  so  körnt  gleichartiges  auseinander  und  voraobiedenea  zaBammen, 
wie  es  oben  der  znüall  will.  Da  folgt  gleich  anfangs  hinter  einer  achtieiligeii 
atrophe  ein  gesäts  in  leichform,  dann  wider  eine  achtzeilige  atrophe,  dann 
mo<i  aiebenteilige,  dann  eine  vielzellige  asw.  £ine  tunerliche  anordnnog. 
welche  von  der  einfachsten  strophenform  ausgienge  und  almahlich  bis  zur  compli- 
ciertesten  fortscb ritte ,  scbione  mir  ein  viel  deutlicheres  bild  zu  geben  von  der  eis- 
fachheit  ond  niannigfaltigkeit ,  von  der  t^chnik  nnd  dem  fcansfgrade,  der  im  stro- 
ph^nbaue  dieses  denlcinals,  resp.  dieser  denkmäler,  angestrebt  und  erreicht  wird. 

Da»  IV.  CBpitel  forscht  nach  der  „hoimat  der  spiele."  Die  handschrift 
ist  bairisch,  demselben  Sprachgebiete  gehören- auch  die  spiele  selbst  an.  Durch  den 
am  Schlüsse  des  VI.  apielea  gegebenen  verweis  auf  das  regi^trum  in  üninnden  nnd 
dorch  die  geographische  angäbe  in  III,  164  fgg-  kumt  Enmmer  zam  resultat,  dass 
die  kärntische  Stadt  Gmünd  im  Liesertal,  nürdlich  von  dem  attberühmten  kloster 
Hillstadt,  als  belmat  anseres  denkmnla  zu  gelten  habe.  Aach  die  nfibe  Tii'ole.  wo 
das  geistliche  spiel  im  15.  und  16.  Jahrhundert  eine  reiche  blüte  entfaltete,  die 
ualiB  verwantschaft  der  Erlauei  spiele  mit  den  Innsbruuker,  Brixner,  Eallcr  nnd 
Bterzinger  spielen  und  der  rege  verkehr  zwischen  Kärnten  und  Tirol  spricht  za 
gonsten  des  kärntischen  Gmünd.  Man  wird  diesen  anafuhrnngeu  KnmmerE  in  ihrem 
ganzen  umfange  beipQichte»  müssen. 

Das  V.  nnd  l&ngste  capitel  der  einleitung  (XXtX— LXI)  bringt  „vorbcmer- 
kuDgen  zu  den  cinxelueu  spielen."  Mit  grosser  nmsicht  und  Sorgfalt  setgt 
Kummer,  aas  welchen  haaptscenen  die  einzelnen  spiele  zu  summengesellt ,  wie  die- 
selben mehrfach  au  unrichtiger  stelle  eingereiht  worden  sind,  so  dass  dadurch  der 
innere  Zusammenhang  zu  schaden  gekommen  ist,  und  erörtert  dann  die  verwant- 
schaft der  Erlauer  spiele  mit  andern  gleichen  Inhalts  aus  nah  und  fern.  Boweisen 
diese  nntursuchungeii  Kummers  auch,  dass  die  pnblication  der  geistlichen  Schau- 
spiele noch  viel  zu  lückenhaft  ist,  um  eu  stricten  wissenschaftlichen  ergebniasen 
kommen  sa  können,  so  hat  er  doch  damit  allen  folgenden  berauagebern  richtige 
lingerzeige  gegeben  und  denselben  ihre  arbeit  erleichtert. 

Der  einleitung  folgt  der  teit  der  sechs  spiele  (s.  5 — 167).  Dio  .Orthogra- 
phie'' desselben  reguliert  Euntmer  im  wesentlichen  nacli  Weizsäckers  grund- 
aätzcn  in  den  deutschen  reichstagsacten ,  bd.  I,  vorrede  s.  LXV  —  LXXX.  Da  auch 
andere  germanisten  anheben,  grösaere  denkmäler  des  14.  und  15.  Jahrhunderts 
nach  diesen  normen  m  tractieron,  so  wird  ea  am  platte  sein,  dieselben  einmal 
■  näheren  prSfung  zu  nnterdeheu.  Jeh  beschränke  mich  hier  vorläufig  auf 
jene,  mit  welchen  Weizsäcker  die  „Verdoppelungen  oder  Verstärkungen  des  coriso- 
nan tischen  lauta"  vereinfachen  will. 

Schon  in  der  frage  nach  der  Ursache  der  consonantenhänfungen  wird  man 
ihm  nicht  beistimmen  können.  Er  sagt  LXXU:  „es  ist  kaum  zu  zweifeln,  daaa 
die  in  jeder  beziehung  unoUtze  ond  störende  hAufong  der  buchataben  (resp.  der 
consonanten)  teilweise  nur  deshalb  von  den  Schreibern  dieser  zeit  (des  ausgehenden 

SXUSCllK.   E 


H..  4m  16.  n«  IC  jahhurfwii)  MMt  wwdn  M,  nfl  itr  > 


m.  «b  Aer  *«n  Hm»  U^n-  •fav  ktoaw  Mdri 
•  iMtecMn«.  4i«  &   UMlrt«  4»namg  riA  i 
r  MbtAff  «Ihm]  dvMf  M>.    hü  comm 
I  argrUr  ar  ikU  f  Mck  fie  «nt«  k 
t  m  fB-  ui  snlMtc«    Dt 
«[  Willi  lNc«(Mt  bei  d»  I 
«te  4i«  btaü««  ■.  *.  RT  fUIi«  4«  »Im  btipteiK«  MHcn. 
tadlkh  TtrrUaitvt  iu  «knOvr  ^M  kkkt  Mch  dfe  rabb  in  i 


MWilwigi  and  »if  ftnd  ««litaaÜKn  maUtiaU  mtoniKlit :  cinif«  j«4ad 
rieh  Mfott  ntf.    J«  ««kr  4m  Mlmiber  die***  «pUen  hU  die  keMtdü  v 
■Mm  «tshoitlieb«!  iciireibDiig  rcTlArm,   mi   «o  mthr  mn 
gahSr  ftSgeirlMeii;    daber  die  enebeiniin^,   dus  na  in  rielei 
Mhniba  k1<  ifari  Torg&ager  bixI  uachfolger.    leb  will  ein 
■Inauilifldi*D  und  bairuch«n  tchrinen  dieser  periode  ist  dti 
«ehr  bcliabt,   aUm  datJcdt,  leentehen  ntw.    Dom  nbd.  tag?  encbeiBl  aie  fl 
und  doch  ut  rie  fiel  richtiger  kb  die  reine  lenut*  unierer  gegeswärtigni  • 
webe,  denn  daa  k  bocbdeotscber  «örter  wird  dareheehaitUcb   ele  al&iAU  | 
chen    (igl  Wetnfaotd,     Mero.  gr.   §219:    Wiuteler,    Eprenur  mnudwt  t 
dnbcr  die  QberUeferten  kch  tilgt  and  Ic  dafBr  schreibt,  bat  nicht  g 
VFnchlecbteH- 

Andera  grOode  (Br  die  nehniDg  der  consonuiten  erwaduMi  a 
phonetiMhoT  nnd  «og.  etj'mologiKbeT  *^reibgng,  fetner  aiu  der  m 
Wicklung  der  BbergtDgiiperi'ide ,  wie  wir  «ogleieh  sehen  werden,  wc 
Minen  gnindattze  WelMttelieTR  ptafen,  ron  denen  er  glaubt,  „dnu 
rodo  alehcnd«  iwit  befolgt  werdtn  kännen,  otine  der  spräche  «ehe  z 

„I.  CuDiunanten  im  anUate  des  wort<t«  oder  der  stlbe  Terlieren  ihre  i 
twilnng  rteta,  also  tu,  ril  »tatt  Isu,  tfil"  new.  Ans  Afn  bei  Weizaicker  geM.mM 
tta  belegen  ergibt  Hieb,  das*  nnr  tt  {a)  in  betracbt  komt,  da  eine  andere  i 
peloBg  im  anlant«  nicbt  begegnet,  wie  ich  achua  oben  erwähnt  hmb«_  Nun  I 
man  aliar  Dbei  die  bodeutuag  des  fi  im  anlaat«  gar  niebt  nrteilen,  wenn  man  nicht 
aocb  die  im  in-  nnd  auelaute  lu  rate  sieht.  Da  iPigt  eich  aber,  dass  U  in  allen 
drei  ttUeii  glelcbmftaiig  gebraaeht  wird  ülr  hartes  z  und  daisetbe  Tom  weicbea^ 
welches  auch  schon  vielfach  (  gegcbrieben  wird,  aDlerecbeidet.  Das  i  in  htrM-f 
ein  gut«  anderes  aJa  jenes  In  dm.  Die  alten  Schreiber  taten  hier  etwas  UmUi 
wie  die  modernen  henosgeber  mhd.  denkmäler.  welcbe  für  das  oraterc  i 
andere  j  Terwcnden.  U  ist  also  eigentlich  gar  keine  „»erdoppelong ,"  eimdem  | 
tia  mittel,  die  beiden  in  der  anssprache  gelrenten  laute  anch  fit  dAS  auf*  I 
ainander  XO  halten,  nnd  wer  tt  Qberatl  tilgt,  rerwischt  diesen  qateradltAd  i 
Weiuäcker,  der  A<ti,  kantd  usw.  sehreibt  wie  diu.  Erat  da,  wo  {  bbentU  ■ 
if»)  geschrieben  wird ,    kann  U  fallen  gelassen  uud  i  geseliriuben  werden ,  weil  j 


ÜBEB  KülfMKB,  KBLAÜBR  8PIBLB  Sil 

die  verachiedenen  laute  durch  verschiedene  buchstaben  gekenzeichnet  sind.  Wenn 
daher  Zamcke  schon  im  j.  Titurel,  Martin  bei  Saehsenheim  die  U  stehen  liess,  so 
hat  das  seinen  guten  gmnd.  Nun  begegnet  es  im  14.  — 16.  Jahrhundert  aber  auch 
öfters,  dass  rohere  Schreiber  den  umfang  des  tz  über  die  oben  gezogene  grenze 
hinaus  erweitem  und  auch  date,  alleU,  etz  usw.  schreiben.  In  diesen  Wörtern 
kann  der  wUde  schössling  entfernt  werden,  weil  er  keinen  lautlichen  wert  besizt; 
denn  dass  diese  Schreiber  wirklich  date  gesprochen  haben,  wird  niemand  glauben.  — 
Wenn  Tereiuzelt  auch  zty  zc  '^  U,  cz  begegnet,  so  braucht  man  darauf  keine  rück- 
sieht  zu  nehmen,  da  der  unterschied  rein  graphisch  ist 

„n.  Consonanten  im  auslaut  des  wertes  oder  der  silbe,  A.  ver- 
lieren ihre  Verdoppelung  oder  Verstärkung  a)  in  betonten  silben  nach  einem  vokal, 
dessen  länge  zweifeUos  bewiesen  ist  durch  seine  diphthongische  natur  wie  kriegk, 
eidt,  auff,  lauff^  greiffen,  beuten,  oder  durch  eine  Schreibung  wie  brieffe  usw., 
also  kriek,  eit,  auf,  briefe**  usw.  So  Weizsäcker.  Allein  hier  ist  wider  ganz  ver- 
schiedenes unter  einander  gekommen.  Nehmen  wir  zuerst  die  beispiele  nach  der 
art  von  kriegk,  eidt  und  fragen,  wie  entstand  hier  wol  die  sonderbare  Verbindung 
der  lenis  mit  der  fortis? 

Die  etymologischen  consonanten  in  kriegk  und  eidt  sind  sä  g  und  d,  welche 
in  unserer  nhd.  Schreibung  ausschliesslich  |zur  Verwendung  gekommen  sind,  wäh- 
rend das  mhd.  der  ausspräche  gemäss  im  auslaute  die  fortis  schrieb,  wie  Uriec,  eit, 
hcmtt  2^  usw.  Hier  durchkreuzten  sich  also  zwei  principien:  die  phonetische  und 
etymologische  Schreibung,  jene  herscht  in  der  altem,  diese  in  der  neuem  zeit;  in 
der  Übergangsperiode  aber  stiessen  beide  aufeinander,  erhielt  der  oonsonant  der 
neuen  Schreibung  neben  dem  der  alten  geltung.  Die  mischung  von  alt  und  neu 
bildet  ja  überhaupt  den  wesentUchsten  charakterzug  des  14.  — 16.  Jahrhunderts. 
Nun  ist  es  unsere  aufgäbe,  jeder  zeit  gerade  das  zu  lassen,  was  sie  besonders 
charakterisiert.  Wolt  ihr  daher  nicht  gefölligst  auch  6ie  kriegk ,  eidt,  handt,  magk 
usw.  in  ruhe  lassen,  da  sie  so  treflich  zum  gesamtcharakter  der  zeit  stimmen? 

Aber  gesezt,  wir  würden  eueren  correcturgelüsten  nachgeben,  so  läge  die 
frage  vor:  wie  wolt  ihr  vereinfachen?  Wolt  ihr  mit  Weizsäcker  hant,  kriek  schrei- 
ben, so  gebt  ihr  der  alleinherschaft  des  alten  princips  eine  zu  lange  ausdehnung; 
schreibt  ihr  aber  hand,  krieg,  so  verfrüht  ihr  die  alleinherschaft  des  neuen  prin- 
cips: in  jedem  falle  also  trübt  ihr  die  geschichtliche  Wahrheit,  wenn  ihr  bei  den  in 
rede  stehenden  Wörtern  die  überlieferte  consonantenverbindung  ^  beseitigt. 

Nun  komt  es  aber  vor,  dass  unbedachtsame  Schreiber  diese  consonantenver- 
bindnng  mechanisch  auch  auf  Wörter  übertragen,  wo  weder  ein  altes  noch  ein  neues 
princip  wirksam  war,  wie  in  krangk,  wergk  usw.  Und  hier  öfihet  sich  von  selbst 
die  grenze  erlaubter  correcturen. 

Gehen  wir  nun  zu  den  andern  der  oben  angeführten  fälle  über,  zu  auff, 
lauff^  greiffen,  brieffe  usw.  Weiter  unten  bemerkt  Weizsäcker,  dass  ,,da8  lautzei- 
chen f  zu  denjenigen  gehört,  welche  eine  besondere  neigung  zu  graphischer  Ver- 
doppelung zeigen.**  Dem  entsprechend  folgt  noch  eine  reihe  von  belegen  wie  uff 
(^^  üf)f  welches  Weizsäcker  zu  uf  corrigiert;  graff  («c  gräme)  ^  welches  Weizsäcker 

1)  Weizsäcker  nent  sie  „Verstärkung'*  der  consonanten.  Soll  diese  „verstär- 
krmg"  in  demselben  sinne  genommen  werden,  in  welchem  man  auch  die  grmination 
Verstärkung  nent,  so  würde  sie  eine  ganz  unrichtige  auifassung  von  der  entstehungs- 
weise und  bedeutnng  dieser  consonantenverbindung  erzeugen ;  soll  sie  aber  nicht  in  die- 
sem sinne  genommen  werden,  was  ist  dann  damit  gemeint ? 

24* 


S72 

Btohea  liMt;  Stiffle,  dürffU,  hulffe,  herschafft  nsw,,  welche  Weizsäcker  wider  sn 
utifU,  dürfte  obw.  corrigiert.  Hütt«  die  ganx  riofatige  beobacbtung,  Aaan  gerad«  f 
im  iu-  nnd  auslaute  m  gern  verdoppelt  wird,  nü'ht  aaf  die  erwAgang  fQbrcn  kOt»- 
oen,  ob  nicht  etwa  «uhuii  iu  dar  oatur  dioBOS  pansonauteu  die  ursachu  ««inar  fa&u- 
ligen  geiniiiatäou  läge?  Noch  Schiller  schreibt  axtff,  herschafft,  lufft,  uterffai, 
sanfftts  UBW.,  lud  Gödcke  hal  in  seioer  kritiaohen  aiugabe  die  geniiuutiun  bewahrt. 
Ja  noch  mehr:  beorbeiter  lebender  dialekte  wie  Winteler,  Hnnxiker  □.  ft.  verwen- 
den ;f  nach  vokalen,  diphthongon,  nach  I  und  r,  z.  b.  louffen,  rufffe,  reiff,  Mffm, 
icerffen  usw..  um  dainlt  die  phonetische  natur  dieser  Bpiiantiechen  forti«  lu  ofaank- 
teriaiuren.  Wenn  nun  die  bUuher  dieaer  phonetiker  iu  Weizsäckers  h&nde  gerieten, 
so  würde  er  nach  seinen  grnndsStien  die  ff  vereinracben  oder  —  fielleieht  Mich, 
namentlich  wenn  er  Wintclera  und  Hnnzikers  saaeinandersetzongen  über  dteaen 
conaonanten  anfschlüge,  seine  grundaitze  andern  und  ^  auch  in  den  arkouden  sto- 
hen  laasen. 

äohen  wir  auf  den  ntclisten  punkt  in  WeixBückerii  daratellang  über:  „b)  di« 
voieinfachnng  fiudet  aacb  statt  bei  nnbetDoteD  silben  wie  htUienn,  t%uritmtn,  oOeet, 
Iteidniasche ,  terderibnust ,  verständniag ,  honigk ,  lÄitumm ,  bi»t%u»mcn ,  binAoff, 
büchoffe;  aacb  wird  hdntt  in  hart  verwandelt  wegen  der  anologie  fon  habami  and 
habcH.'  Hier  iat  wider  veraohiedeneB  unter  einander  geraten.  Die  geratnation  In 
der  aenouBBÜbe  -en  und  in  keidnissche  hat  WeixBäcksr  mit  reobt  getilgt,  da  de 
keinen  lautlichen  wert  beaizt  und  demgemäsa  wol  auch  nur  bei  den  rohesten  scliiei- 
bern  begeguet.  Über  die  Schreibungen  alleei,  kinäffk  ist  schon  oben  gehandelt  wor- 
den, bie  andern  Mle  aber  stehen  nicht  iu  .unbetonten  ,*  sondern  in  nehentonigsD 
Silben.  Auch  der  vokal  in  nebentonigen  Silben  koute  gelängt  werden:  htrtög, 
bitchöf  (vgl.  Paul,  beitr.  VH,  lOä).  Oft  ist  die  Iftaguug  eingetreten,  oft  auch  uicbt. 
nnd  wo  die  Überlieferung  gemination  des  consonanteQ  zeigt,  künnen  wir  auf  daa 
leitete  aohliesaen;  diese  besizt  dabei  „lautlichen  wert.''  Bei  den  compaaiten  mit 
-tumm  (=^  tuom,  g.  döms)  deutet  sie  auf  kQnang  des  vokals,  da  naeb  den  früheres 
dpraeb Perioden  langer  vokal  oder  diphtbong  xn  erwarten  wäre.  Der  schrei bgebraach. 
den  wir  uns  im  nhd.  gemacht  haben,  kann  hier  durchaua  nicht  xnm  niasstab  di»- 
nen.  —  Bei  kann  ('—  hält)  stüzt  «ich  Weizaäcker  auf  die  analogie  von  Aobcnw. 
Allein  dieso  analogie  trift  nicht,  wie  leicht  zu  ersehen  iat:  denn  bei  Aann  handelt 
es  sich  un  eine  slameilbe,  deren  vokal  der  regel  naob  lang  ist,  aber  schon  aehr 
frQhe  BQch  verkürzt  ersohoint  (vgl.  Weinhold,  Algr.  s.  383).  Auch  in  den  leben- 
den dialekten  ist  er  in  beiden  gestalten  nachzuweisen.  Wenn  nun  Woiisäcker  die 
geniination  des  stamschlusaes  tilgt,  so  verwischt  er  damit  wider  den  anholtapDiikt 
für  die  quantitatslrage. 

Im  folgenden  absalze  c)  lehrt  Weizaäcker,  daaa  die  Vereinfachung  anch  etat^ 
finden  kann  ,in  schwocb  botouten  einailbigen  Wörtern,  wo  wir  die  schärfnng  heute 
nioht  Diebr  anszudrQcken  gewohnt  sind  nnd  meist  anch  in  den  vorlagen  geschwankt 
wird,  also  u  statt  üa  (filr  itt),  den  (artikel)  statt  denn,  welches  für  enm  blribt 
(anch  wenn  es  für  denat  durch  eliaion  des  zweiten  e  stehen  könte,  wafalt  man  bu- 
ser den,  wenn  nicht  sonst  der  Schreiber  entsohieden  denen  durchweg  vorzieht),  gt» 
statt  jienn  {j;egim),  von  statt  tonn,  uf,  of,  daruf,  darof  sUtt  uff  usw.,  viek  {proi 
euQ,  hinwek  (June)  statt  viegk,  hinvegk,  in,  darin  usw.  statt  hui  nsw.,  m  BtkM 
(für  ihm,  oder  in  dem;  dagegen  iwane  nnvcriuidert),  bi»  statt  (nis,  bia  rtAtt 
Mb  nnd  bit,  tu,  daru9  statt  «a»,  damaa,  tu,  danu  statt  um,  daruai,  mä  (msI 
wander)  statt  tnitt  {mittenatder) ,  man  statt  mann  [(r»D£.  on;  wogegen  ilaa  sali* 
stantdviaeh  gebliebene  mann  das  dop^Dlte  »  behält,   fala  ea  ein  aolchea  hat),  äat. 


lELB  373 

wtt  sbttt  dett  oder  dezz  »sw. ,  dta,  wt»  aUtt  dean,  teesg.  ebenso  da»,  was  statt 
düa»,  toats,  and  dae  statt  fjaf;  oder  due  nair.,  und  in  EUHamneiuetiungeii  wie 
t^las  statt  af^las  (für  ablass],  thoM  statt  etlu>a£,  «tcof  statt  eczvitui,  etlich  statt 
fteKcA,  »luAc  atfttt  etliche,  uItcA«r  statt  ic^ltcAcr  (begreiöicb  auch  das  richtigere 
iklichem  statt  tcklichtm  oder  ij^tlicAem).'*  Wir  werden  das  gute  und  Sble  dioser 
lehre  an  besten  erkeuneu,  wenn  icb  gleich  den  folgenden  abaatz  mit  anfSbro;  vor- 
erst will  iüb  nur  aas  dem  gesagten  jene  lalle  ausscheiden ,  welche  zn  den  schon 
frülier  besprochenen  gehören;  «)f  {=  üf)  za  den  ff;  viegk,  ijjklichma  za  der  var- 
bindung  von  lenis  und  fortis;  bitz,  daU,  deU  zo  U.  In  iaa  {=•  ist)  wird  man 
riberhaD)it  muht  von  einer  eigentlichen  gemination,  sondern  rielmehr  von  einer 
bcimogenen  assiuiilation  reden,  die  dann  natürlich  nicht  ao  ohne  weiteres  bei  seite 
gesohaft  werden  darf.  Bei  genn  (—  gen,  gen,  gegen)  wird  sich  die  Bache  ähnlich 
vorhalten  wie  bei  hana,  han,  hän;  vgl.  Sommer  au  Flore  141  nnd  Jänicke  in 
«tachr.  f.  d.  a.  17,  &06  nnd  altd.  stud.  59.  —  Der  folgende  absata  B.  lautet:  , dage- 
gen bleibt  die  verdupiielnng  oder  verstärkang  dea  uonsonanteu  in  hotunteii  silben, 
wo  sie  die  achärfnDg  der  lezteren  nach  Icorzem  vokal  andeuten  kann,  iinboküm- 
mort  darnm,  ob  dem  letteren  eigentlich  organische  ISnge  oder  klirxe  zakam.  Je 
aehwankendor  die  lant-  und  Bchreibrerhältnisse  der  zeit  sind,  lun  die  es  sich  han- 
delt, am  so  miaalicher  w&ro  es  gewesen,  hier  durch  veroinfachuug  nachhelfen  zu 
wollen;  die  längen  und  kürzen  haben  gewechselt  und  die  ausspräche  ist  beute  viel- 
fach noch  unsicher.  Allerdings  ist  die  verdo[ipeluDg  des  conaonanten  noch  kein 
sicheres  zeichen  für  die  wirkliche  schärfnng  der  silbe  und  kürza  des  vobals  .  . . ; 
aber  gerade  weil  die  frage  der  quantität  so  vielen  zweifeln  unterliegt,  wolte  ich 
in  keinem  falle  darüber  entscheiden,  und  zog  vor,  alles  anverändert  zu  lassen, 
ausser  in  fallen,  wo  die  läage  des  vorhergehenden  vokals  durch  seine  nator  and 
Eobieihung  unzweifelhaft  ist  wie  oben  bei  U,  A.  a  (worüber  wir  schon  gebandelt). 
Es  bleibt  also  die  verstfirkang  des  consouanten ,  sei  es  dass  dieselbe  darch  wirk- 
liohe  Verdoppelung,  sei  es,  dass  sie  durch  zueaaunenstollang  der  media  und  tennis 
ansgodräckt  wird,  in  schaffen,  ffraff,  lotli,  soll,  »ladt,  statt,  tugk"  usw.  —  Ich 
stimme  mit  dieser  auseinandorsetzung  Wciisäckers  ganz  fibeiein  nnd  bedauere  nur, 
dass  er  den  vorausgehenden  abaatz  nicht  auch  so  behandelt,  resp.  mit  dem  lezteren 
Terbimdeu  hat;  denn  der  nntersohied,  den  Weizsäcker  Kwischou  beiden  macht,  exi- 
stiert in  dieser  weise  nicht,  oder  ist  etwa  mann  weniger  betont  als  soü?  oder 
st«ht  in  etlvias  =  ettmoae,  die  gemination  nicht  aoub  in  der  betonten  stamsilbe, 
da  man  weder  fttiwas  noch  ettewäi  sagt?  schnzt  in  mitt,  biea,  mann  die  genuna- 
tion  nicht  auch  den  kurzen  stamvokal  wie  etwa  in  toiO,  statt  usw.  ua«.?  Unsere 
nhd.  Schreibung  hier  als  correctiv  zn  gebrauchen,  verbieten  schon  die  zahlreichen 
inconsequenzen ,  welche  sie  in  sich  birgt.  Es  ist  Qborbaupt  einer  der  zunächst  lie- 
genden irtümer  Weizsäckers,  dass  er  bald  nach  mhd. ,  bald  nach  nhd.  weise  corri- 
giert;  am  deuüichaten  tritt  das  s.  LXXV  zu  tage,  wo  er  sagt:  „einiges  schwanken 
war  Dbrigens,  wo  die  wähl  zwischen  media  and  tennis  blieb,  namentlich  anfangs 
nicht  zn  vermeiden;  ich  eotschloss  mich  daher  zu  der  maiirae,  im  algemeinen  die 
t^nuis  als  die  schwerere  form  den  sieg  davon  tragen  zu  lassen,  also  ^»E,  bunt, 
galt,  hmklUA  f&.i  landt,  bundt,  galdt,  Icungklidt  zu  setzen,  in  manchen  ISlIen 
aber  der  hentigen  Schreibart  zu  folgen,  da  man  doch  z.  b.,  wenn  man  einmal  bei 
dem  unausstehlichen  »ndt  nicht  ausharren  will,  in  dieser  periode  nicht  mehr  unt 
fBr  und  drucken  kann."  Heisst  das  nicht,  die  reinste  wUkfir  pruklamioron?  Wer 
■ehreibungen  wie  taut,  ffolt  nsw.  .ausstehen"  kann,  wird  wol  aacb  die  tennis  in 
tnU  and  in  den  manchen  andern  fällen,  welche  Weiisäcker  nicht  nent,  Tertrageo? 


IckvinUcr  IM 
Midi  i|Miw  äakmOK»  mAitiOsm 
wU  CkIsBi  htnOat,  »tkte  {■  *■ 

JJUm  «e  beUa. 
— ..-,  — ...  liiiMiM  bMnt  ÜB  IL  bMde  («-17)  — — — ■■„ 
.befolgt««  ptVBdiiti«  ftr  4i«  werke  eiB«i  einBClMaii 
■«fcrlftiUtlef»  Dickt  iB  gaascB  aafkBgc  «»4  fit  »iie  «rkandBl- 
■  ■■iBDf  gir  lickt  aKweBdk»  ■•!■  wtrdea.' 

KMk  dlMM 
farioAc  k*fcn  kli  n  riaidMltB 

lU ,  I  CeUt  üa  wort.  Ewaa  avt  aadi  Ego-,  «r.  /^mmm  etn.  Du  w«rt 
M  obM  iwtUd  rieWf,  akr  die  fenn  iprMitig;  4<bb  dkUw  «»d  «chniW'  a|c»> 
ebM  Uirfa^.  w»i  m  kun  ^Imt  nw  /V>mM9i  («^  i.  b.  m,  «»,  7(»)  ^er  /IttMM 
hMiws  (TgLIT,  Sl).  —  m,  286  itelit  daa  gani  mwtmprMhlidw  ^».  —  in,6&8 
gtM  fiMim  krio«  «rtriglidia  lüui;  *ien«id)t  ut  rmtm  oder,  da  *  nni  i  Sites 
*Ml»«la,  faauK  n  aefarc^ii.  —  m,  780  ist  miihat  offrabw  oor  kiu  der  obcm 
xaDa  barabgekiMiii&en.  Kommen  TWMhlag,  daftr  liUrm  lu  iMtrigiercQ,  geWiBt 
aoeh  da4nreli  an  wahraclieiiiUcbkdt,  da«  der  medkos  in  »einet  antworl  di«  ftMUB 
mit  «Inem  iluillch«D  wniucfae  entlBort:  m,  798  *md  tafs  ewcK  vnl  »nnm  AwMm 
/om-  —  Wann  Knnunor  WduCoken  gnodsitzen  folgt,  wamm  fit«Lt  dann  UI,  S6$ 
MueȤfUif  ~  lU,  96'J  wird  widet  die  rein  mhd.  form  gin  eingeseit.  die  hier  nidit 
|>aMl.  -~  l)fr  dativ  III,  10A9  «ut  aenden  herte»  h&tt«,  wenn  m  bewahrt  wlfd 
(and  di«  flberliernniDg  iat  gar  wot  m&glieh;  vgl.  Weinliold,  mhd.  gt.  s.  491),  kd 
4m  .ntiißlnallloiion"  angemarkt  werden  mUod.  —  III,  1065.  66  bt  wul  äaö  loiroV.  — 
III,  IIH.1  er  n  itreleliat].  —  Ol.  1193  ut  jfuihtn  d<>ch  wol  nur  achreibfehler  der 
liandedirini  Knininnr  nahm  diew  form  auch  inii  glossat  auf.  —  UI.  U9it  blAt 
di«  varlant«  d'em  unklar;  mIb  wfirde  db  nicht  nein,  wenn  das  uaehfolgende  oder 
VuraiKgchnndi)  wurt  dalHriitSndR.  —  III,  ViSÜ  moss  otn«,  welches  naT  ans  den 
ralxuodnn  r«r*n  oiDgeilrangen  Lit,  gentricben  werden,  ebenso  daH  komma,  daait 
*Umt  alJM  und  beiiitr  lut  dein  klaffen,  oder  Ich  versetze  dir  mit  der  flaehan  huid 
■In«  uaw.  —     III ,  \SW:   das   toU  du   un»  nicht   verilaQen  (.-  taigtn).     Daa  int  4«r 


kVEIl   SPlKi.B 


376 


einzige  reim  a :  ai,  welcher  in  den  Erlaner  spielen  begegnet,  nad  daher  sehr  ver- 
d&obtig.  U,  '16  kiitt>t  eine  ähnliche  stalte  »üit  >r  tnier  eeraweigen.  verauxiifen  .- 
tmge»  wäre  ein  guter  burischer  reim;  itbrigeus  ist  dita  ganze  stnok  von  1217 — 
1366  durch  zeichen  ans  der  haodschriCt  aaageschiedeD. 

IV,  26  corrigiere  aus  der  hellen.  —  IV,  393  steht  der  reim  crwerfeti :  ster- 
ben; da  unter  ermerfen  nur  das  algemein  geläufige  erioerben  gemeint  iat,  Fült  die 
correvtnr  nicht  schwer;  am  so  mehr  überrascht  es,  dass  Kummer  in  der  einlcitong 
a.  XXII  dieselbe  unter  den  „weniger  sicheren"  anführt  In  derxeile  begegnet  wer- 
fen ^=  Kerben  noch  ein  paar  mal,  aber  das  beweist  in  rückaicht  auf  den  angefahr- 
ten reim  nur  das  Terderbnis  des  schreibcrs. 

Warum  steht  nach  TI,  95  ein  abeatz?  Der  nahe  verwante  ludna  de  depo- 
dtione  cnicifiii  Ton  Debs  hat  keinen.  Am  Schlüsse  dieses  veraas  ist  der  pnnkt  in 
streichen  und  nach  96  la  setzen.  —  VI,  130  and  124  wird  mee  dreimal  widerholt, 
VHS  dem  entsprechenden  verse  in  der  ersten  und  lezt^n  Strophe  und  der  molodie 
entgegen  ist,  auch  bei  Debs  steht  owe  nur  einmal.  —  troiiUt  VI,  137  ist  grSulich 
ind  wol  Bchreibfebler  für  truetz:  s  nach  t  häuflg  ;.  —  VI,  138  liest  Debs :  üt  leben- 
lig  tod,  stiitt  Mientiger.  VI,  HO  fehlt  wie  sehr  oft  aller  rbythmus;  ober  Doba 
licHt  viel  besser;  lieben  fraieen  ehlagt  mit  mir.  —  VI ,  150  darf  die  conjnnction 
kaum  fehlen;  bei  Debs  ist  der  von  wider  ganz  in  Ordnung  nnd  beisst:  vater  und 
achtpher  uaw.  —  VI,  163  wol  loan  für  im»,  vgl,  z.  b.  175.  ~  VI,  170  begegnet 
noch  vnde,  das  in  diesen  spätem  dcnkmälem  selten  zu  finden  sein  dürfte;  Debs 
schreibt  dafür  und  aaelt. 

VI,  217.  18:  JH  prophecein  ist  uiarden  toar,  die  mier  teol  var  secknk  jaren 
weissagt  der  alt  Simeon.  Jeder  sieht  aus  der  ganzen  stelle  sofort,  dass  aeehiik 
unmöglich  ist;  denn  die  woissagong  Simoons  fält  erst  nach  Christi  geburt  In  den 
Varianten  bemerkt  Kummer:  „»eckest  bis  auf -i%  durchgestrichen;  rielleicht  vor  man- 
chem  jar  wie  im  S.  Stcph.  P.  Sp.  330,  3,  13."  Der  erste  schrciber  hatte  also  mAeeik 
geschrieben ;  das  bemerkte  ein  Icser  und  strich  vom  worte  gerade  so  viel  weg,  als 
daran  falsch  war,  vergaes  aber  das  richtige  darüber  zu  schreiben,  und  das  ist 
nicht  mangem,  sondern  dreyss^-ii);  so  äberliefurt  auch  Debs. 

Dass  der  reint  jaren  :  war  zu  jar  :  M>ar  zu  bessern  sei,  habe  ich  sehon  oben 
(s.  5)  gesagt;  wenn  noch  ein  Zweifel  darSher  bestehen  könte,  würde  ihn  Debs  ler- 
»treoen  ,  der  jar  öherliefert. 

VI,  223  lias  »wert,  aber  Debs  liest  besser  ein  swcrt.  —  VI,  224:  sol  ver- 
»neiden  dein  gd  in  deinen  hereen.  Der  vors  ist  fiberzJLbüg  nnd  die  aosdraekaweiso 
zweifelhaft,  Wider  bietet  Debs  die  richtigere  le&art:  das  Hol  veraneiden  dein  hertie. 
Ich  bemerke,  doss  ich  mit  diesen  emendationen  aus  Debs  Eumuiem  keinen  Vor- 
wurf mache;  denn  er  konte  sie  nicht  wissen,  da  sich  die  volständige  ausgäbe  Debs' 
erst  in  der  Vorbereitung  befindet;  aber  schon  aus  den  wenigen  hruc h stücken ,  welabe 
Pichler  geliefert,  hat  Kummer  gana  richtig  die  nahe  verwantsohaft  zwischen  Debs 
und  Erl.  Bp.  VI  erschlossen. 

VI,  23b  dir  alio  gar;  Debs  hat  dir  so  gar,  was  vorzoüehen  ist,  da  auch 
die  andern  drei  verse  der  Strophe  keinen  aaftakt  haben.  —  VI,  368  ist  in  dem  zu 
langen  verse  ich  zu  streichen;  dagegen  in  dem  zu  kurzen  v.  269  wol  mich  oder 
tnieh  n&  zu  ergänzen;  auch  400  liest  Kummet  vm  aol  ich  nu,  während  Debs  sprach- 
lich nnd  metrisch  ri<!htiger  achreibt  wo  schol  ich  mich.  —  VI,  398  begegnet  ein 
dativ  wie  III,  1059;  da  auch  Debs  aus  fiiratenleichen  hat,  so  ist  dadurch  die  Über- 
lieferung hier  nnd  mittelbar  auch  an  der  frflheren  stelle  gesichert. 


8l6  WICKEBWBI.I.  ,   tBBR    KrMMKH,    BHI.irM   HPHLB 

Di«  eteüa  40»  —  10  ecbeiut  mir  lerderbt.    KumiDet  li««t: 

ich  man  and  pitt  ««A  nJI  fceut 

und  pcgund»  an  dem  lAenHgen  tag, 

das  irr  mit  mkr  habt  di  clUaff 

umh  mein  gro/»€»  laid. 
Knmmer  ühereext  lebtntigen  t<tg  mit  Icbzeit.  Doniiiach  wUrdcn  die  zuhbrcr  oder 
ksst  gobeten ,  besondera  bei  ihrer  lob^iuit  die  snlimerzen  Mnriens  bekU(;eii  zu 
helfen,  und  da«  ist  widersinnig:  daiiD  «eno  siu  klagen,  mllMc>ii  die  oa  solbotrei* 
aUniUich  bei  lebseit  tun,  da  aio  ea  vor  oder  nacbber  oUuelÜD  nicht  käunen;  fer&N 
wfirde  man  bei  dieser  Qbersetziing  tageti  orwartcn.  Ich  glaube  daher,  dogs  hier  «in 
Icaefehler  des  oltoo  schreibera  vorliegt  und  zii  beaseru  ist  heutigen  tag,  inu  cinetc* 
gat«D  simi  gibt:  „iah  bitte  euch  alle  hcuf  (dann  wird  das  „beut"  noch  einmkl 
besouders  betont)  „und  vorzüglich  an  dem  heuligta  tug,  dofa"  usw.  Die  ausdrück- 
liche betonoDg  des  ,hentigen  tag"  int  leicht  erktÜrUch ,  da  da«  gpicl  für  den  cbar- 
freitag  beetimt  war  und  besonders  an  diesem  tage  die  crinoening  aa  daa  leiden 
Christi  und  Mariens  erwecken  sulto.  Daber  widerholt  der  dichter  auch  120  noch 
einmal  dieselbe  bitte:  da  gedenhävet  heut  idl  an. 

Im  glossar  (171  —  196)  habe  ich  nur  einüelno  stellen  nachgeptüft.  Es  ist 
eingerichtet  fär  solche ,  welche  des  mittelhocb deutschen  nicht  k'sndig  sind  nnd 
zugleich  auch  für  wiaBenachaftliche  zwecke.  FOr  die  ersteron  ist  gewiss  genog 
geschehen,  denn  auch  würter  wie  atieiU  =  abend,  «cAen  =3  zeben  siud  ongcnbrt; 
die  teztoren  aber  durften  einigemal  zu  kurz  gekommen  sein.  Bei  unelrrich  z.  b^ 
welches  Leier  In  der  bedeutung  „schmlinke*  gar  nicht  belegt  hat,  steht  nnr  der 
verwds  anf  IV,  361 ;  das  wort  begegnet  aber  noch  öfter.  KSlbing  hat  jtüigst  wjdar 
mit  rocht  betont  (englische  stud.  VI,  153),  dass  in  einem  speciaiglossar  wenigstens 
die  wichtigeren  Wörter  alle  belegatellen  an  der  seit«  haben  sollen.  aiu/rncA  seit 
übrigens  ein  anstrich  loraus.  —  Schlägt  man  in  Kummers  gloesftr  rrile  anJ,  §a^ 
findet  man  „erde  sL  f.  V,  193  auf  erd  U.  63''  —  punctum.  Der  leiicograph,  der 
spater  kommen  wird,  Kummers  gaben  entgegonznnehmon ,  wird  daa  lesen  und  d«r 
meinung  werden,  dass  erde  in  den  Erlaner  spielen  unr  at.  gebraucht  sei,  sich  »ber 
damit  beträchtlich  schneiden,  denn  es  begegnet  in  vers  und  reiiu  öfter»  ate  sw.  C 
Bd  cMttrt  I,  50  ist  entweder  der  rcrwoia  auf  kcUe  bei  Leier  nnrichtig  oder 
CS  hat  die  „nominalflexlon*  in  der  aialeitnng  eine  lücke  mehr.  —  ConslmctioDeii 
wie  die  Ul,  &02  bütte  sowohl  der  laie  als  auch  der  genuanist  wahrBcheinlich  sehr 
gern  angemerkt  gesehen.  ~-  Unter  ituiit  ist  statt  su«  III,  13  «usl  in  schreibeu, 
welches  ausserdem  noch  viel  SRer  belegt  werden  kann. 

Der  bedeatonde  wert  dieser  Erlaner  spiele  in  litt«  rarhistorisch  er  und  simob* 
lieber  hinsieht  und  das  verdienst,  welches  sieh  Knmmer  durt^h  die  bearboitnng  nnd 
heraasgabe  derselben  erworben  hat.  ist  schon  ondorwirts  hervorgehoben  worden 
nnd  wird  hier  frendig  bestitigt. 

iirüBBRtrcK.  J.  B.  WACsZRireu.. 


Weither  von  der  Vogelweide.  Heranagegeben  und  erkliirt  von  W.  WII- 
nutnns.  Zweite  vollständig  umgearbeitete  ausgäbe.  (A.  u.  d.  L: 
aermanie tische  bandbibliothek,  herausgegeben  vun  Julias  ZmImf.) 
Halle.  Waisenhaus  1683.    XII.  500s.     8.    n.  m.  10. 

Die  zweite  ausgäbe  hat  mit  der  ersten  (1869)  wenig  mehr  gemein  als  den 

vcrlasKer  der   gedichto ,   den  berausgeber ,    und  einen  nicht  olzugruESon  tnll  dor 


BBSB   WALTHBH    BD.   WIIMANNH  377 


erklärenden  aoneTkungeD.  Alles  ilbrigs  ist  nea  oder  völlig  verändert.  Zunäohst 
die  einleitung.  In  dieser  fehlt  ganz  der  abschnitt  I  (1.  1—28)  über  den  minne- 
BBOg  im  slgcmeinen  nad  das  leben  nnd  dichten  WfütherB  im  beaonderen;  wob  darana 
geworden  ist,  lehrt  die  Belbst&ndigo  biographic,  welche  fiberhanpt  als  notwendige 
Vorarbeit  nnd  ergfcnzuug  der  zweiten  ansgabe  in  allen  stücken  nn  betrachten  ist. 
Far  abschnitt  11,  Walthera  knnst  (1.  28  —  58),  aind  drei  gesanderte  teile  eingetre- 
ten: die  spräche  (2.  20—43).  die  metriacbe  form  (2.  «  —  63),  atil  (2.  63  —  100). 
Ans  abschnitt  lU  (K  58—  112)  sind  die  kritischen  anmoikiuigen  zu  den  einzelnen 
liedem  ganz  entfernt:  sie  kehren  am  ende  der  zweiten  ausgäbe  (b.  455  fg.)  nur  sehr 
veränrlert  nnd  lermindert  widor.  Dagegen  ist  fnr  die  kurzen  mitteilnngon  über 
die  h&ndscluifton  (1.  58  —  65)  eine  weit  längere  abhandlnng  (2.  1  —  19)  oingeseit, 
die  sich  besonders  mit  den  samlangeu  der  gedieht«  beBobaftigt  and  der  anf  diese 
begründeten  zarerlässigkeit  der  Überlieferung,  welche  Wilmans  (2.  18)  änsaerst 
germg  anachl&gt, 

Nicht  weniger  eingreifend  ist  die  Umgestaltung  des  textes  (2.  101  — 113);  die 
in  der  ersten  ausgäbe  versnchte  chronalogische  anordnnng  ist  ganz  beseitigt,  die 
liedar  sind  in  der  folge  des  Lachmannschen  toit«B  (3-'125]  gegeben;  der  veruuch 
einer  ehtcnalogie,  woUher  die  hanptarbeit  der  ersten  ausgäbe  bildete, 
oreoheint  in  der  «weiten  ausgäbe  zwar  auch  wider,  aber  nur  auf  einer  ein- 
zigen Seite  <2.  455),  ähnlich  wie  bei  Lachmann  s.  126.  —  Es  folgen  dann:  im 
ersten  anhang  lieder  nnd  strophen ,  die  Lachmann  in  die  anmerknngeu  nnd  in  die 
dnleitung  gesezt  hat.  (2.  415—446),  ähnlich  dem  anhang  der  ersten  ausgäbe 
(339 — 378);  im  zweiten  anhang  (2.447  —  453)  nachahmungen  nnd  parodien  durch 
andere  dichter;  ein  Verzeichnis  der  wichtigeren  abweiobnngen  in  den  teit«n  von 
Lacbmunn,  Wackernagel  and  Rieger.  Pfeiffer  und  BartBch,  Stmrock,  Faul  (2.  4^ 
—  480),  jedoch  rein  statistisch,  (aat  ohne  kritische  bemorknngen;  Verzeichnis  der 
lieder  und  spräche  nach  ihren  anfangen  (3.  481 — 486),  d.  h.  alphabetisch  nach 
dem  anfnngswort,  während  die  erste  ausgäbe  (379—390)  die  Lacbmannsche  (221— 
232)  tabelle  noch  den  reimen  hatte.  Die  Tergleichnng  der  Lachmannschen  zahlen 
mit  WilmBnns  (1.  391 — 392)  ist  selbstredend  als  überflüssig  fortgofallen.  Das 
register  (2.  487—499  =  1.  393—402)  verweist  nicht  nur  auf  die  ausgäbe  selbst, 
sondern  auch  auf  Wtlmanns  Waltbcrbiographie.  Eine  lileine  anzahl  bcrichtigungen 
(s.  500)  macbt  den  beschlnss;  dieerklämng  der  abkürzongen  (1.  402)  ist  fortgefallen. 

Prägen  wir  nun  nach  den  gründen  für  diese  tiefgehenden  veräudenmgen,  so 
finden  wir  dieselben  in  dem  Torwort  (s.  V — X)  genügend  dargelegt,  wobei  gleich- 
zeitig weit  aber  die  Waltherforschung  hinausgehende  gmndsätze  entwickelt  werden. 

Den  anfälligsten  unterschied,  die  veränderte  folge  nnd  die  einfühmng  der 
Laehmannschen  Zahlung,  begründet  Wilmauns  dadurch,  dass  er  seinen  ersten  ver- 
SQch  einer  cLronulugie  [Gr  mislusgen  und  die  dabei  angenommenen  gosichtspnnkto 
fftr  falsch  erklärt  —  ein  freies  bekentnis,  dessen  vielleicht  nicht  viele  anloren  fähig 
sind.  Die  mittel,  welche  ihm  jczt  eine  nene  cbranologie  möglich  machen,  nämlich 
die  betrochtuDg  der  kunstform,  hielt  er  aber  (s.  IX)  nicht  fSr  ausreichend,  um 
damit  eine  neue  reibenfolge  der  gedichte  mit  fflcherbeit  zd  gewinnen;  Wilmaons 
hat  hierdurch  sein  buch  vor  dem  gcachiok  bewahrt,  in  einer  dritten  aufläge  viel- 
leicht wider  eine  neue  Zählung  zu  erhalten,  nnd  zugleich  erreicht,  wie  wir  wenig- 
atone  hoffen  wollen ,  dass  niemand  Waltbers  gedichte  in  der  folge  anders  als  nach 
lAcbmann  citiert.  So  werden  wir  hoffentlich  vor  dem  grenzenlosen  zustande  der 
citatonverwiirnng  gerettet,  der  jozt  schon  algeraein  eingerissen  ist  und  mit  jedem 
neuen  Waltherdrucke  wuchs. 


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KINüBL,    DBRB   V,    BAKDIUt,    DltTTBCKH    TBIL.    IM    OROVI^B.  319 

Die  deutsche   Philologie   in    GrondrisE    von  Karl   von  B^der.     Padcr- 
boro,  SchSoingh  1883.    XTI  and  456  ss.     8".    n,  m.  iS. 

Zq  bibliographischen  arbeiten  gehört  viel  Belbstverlengnung,  denn  sie  sied 
sehr  mBhsain,  und  selten  entspreciien  auerkennung  und  erfolg  der  aufgebauten 
mühe.  Mit  geringscbätzung  glauben  die  meisten  auf  die  zusammengeatelten  bnchor- 
titel  blicken  za  dfirfen,  ilie  dem  einen  nichta  oder  lU  wenig,  dem  andern  niehta 
neaes  zu  sagen  Gcheinen,  und  vornehm  liält  sich  hier  ein  jeder  für  berechtigt, 
lachen  Dod  mängcl  zu  tadeln  oder  an  der  anordnung  und  gruppierang  des  stuffes 
zu  mäkeln,  welche  dem  bibliographen  oft  viel  kopfz erbrechen  machten.  Hier  muss 
ein  veibsHer  mehr  als  bei  jeder  andern  ftbeit  von  dem  natzen  überzeugt  sein,  den 
sein  nerk  als  Uülfsntittel  der  Wissenschaft  bringt,  und  die  hafnung  hegen,  dass 
jeder,  der  dasselbe  zur  guten  stunde  ausnnzt,  ihm  den  schuldigen  dank  nicht  ver- 
sagen werde.  Diesen  dank  verdient  K.  v.  Bahder  dafür,  dass  er  es  nutemommen 
bat,  Heinrich  Hoffmanns  „Deutsche  Philologie  im  Grundriss"  in  einer  dem  heutigen 
stände  onsrer  wiasenscbaft  entsprechenden  weise  neu  ^u  bearbeiten. 

Jenes  verdionstliche  buch,  im  jähre  1836  in  Breslau  bei  Adorbolz  erschienen, 
enthielt  mit  regieter  239  weit  gedruckte  seiten  und  um&sste  in  I  einloitung,  A  enoy- 
clopadie,  B  geschichte  der  deutschen  philalogie,  0  hülfsnittel ;  II  litteratnrgeechicbt«: 
m  spräche,  A  grammatik,  B  etfmologie,  C  Iciicographie,  D  mandarten,  G  poetik 
□nd  prosodie,  F  stit;  nnd  zam  schiaas  auf  zwei  Seiten  „einige  belspiele  guter  art" 
von  rv  henuenetitik  und  kritik.  Dieser  lezte  abschnitt  vtirzcichnotc  in  15  nummem 
a.  a.  Lachmanns  Über  dos  Uildebrandslicd  1S33,  Nibelungen  XS36,  Wolfram  1833, 
Iwein  1827,  Walther  1827;  W.  Grimms  Rudolf  1828.  Freidank  1834;  Schinellera 
MuspÜlJ  1832:  Beneckes  Wigaluis  1819;  Primisaers  Suciienwirt,  Hoffmanns  Beineko 
Vob;  Hallings  Pischarts  Glflckhaftea  Schiff;  Elupatoeks  Oden  von  Vetteriein  1827 
und  von  Gruber  1831.  Das  buch  wird  als  denkmal  der  Vergangenheit  seinen  wert 
behalten.  Über  aufgäbe  und  zweck  desselben  äusserte  sich  Hoffinaun  in  der  umfang- 
reichen  einleitung  p.  VI:  „e*  schien  mir  in  vielfacher  beiiehung  nözlich,  einen 
bibliographischen  nmriss  dieses  ganzen  sich  jezt  erat  systematisch  gestaltenden 
stodiuflia  zn  entwerfen,  damit  jeder,  der  sich  ans  beruf  oder  neigung  damit  boaufaäf- 
tigt,  leichter  den  ganzen  stofT,  die  hhlfsmittel  und  quellen  usn,  ilborsiebt,  und 
wenn  er  die  Wissenschaft  in  fördern  beabsichtigt,  auch  alle  Incken  kennen  lernt, 
die  sich  hie  und  da  ergeben.  Es  konte  hier  nicht  darauf  ankommen,  nur  die  goten 
hfloher  namhaft  zu  machen,  die  geschichte  der  Wissenschaft  bat  aacb  auf  die  ver- 
febleuden  richtangen  gebfihrende  rückaicht  za  nehmen.  .  .  .  Dio  ausgaben  einzelner 
deutscher  scbriftsteller  der  älteren  aowol  wie  der  neueren  zeit  und  ihre  biogiaphien 
liegen  ausser  dem  boreiche  meiner  schritt  und  fallen  überhaupt  der  apeciellou  litto- 
raturgeachichto  und  der  hibliographic  aDheim." 

Diesem  plane  ist  von  Bahder  in  seiner  erneuerung  des  Werkes  im  wesent- 
liehen  gefolgt,  zunächst  insofern,  als  er  der  anläge  und  dem  zwecke  des  ganzen 
entsprechend  titcl  an  titel  reihte.  Hoffinann  weite  es  „mündlichem  vortrage  über- 
lassen,  den  wert  oder  nnwert  jeder  einzelnen  erschcinnng  n&her  anzugeben  and 
auch  vBahder  „hatte  diese  Verwendung  des  grundrissea  nebenher  im  äuge.  Ausser- 
dem, ßUirt  er  fort,  dachte  ich  mir  ihn  in  den  bänden  des  gelehrten,  dem  es  von 
wert  ist  zu  übersehen,  was  auf  dem  gebiet,  dem  er  sich  anwenden  will,  goluistet 
ist  nnd  was  noch  zu  tun  nbrig  bleibt."  Es  ist  anznerkennen ,  dass  dies  schon  ein 
recht  erstrebenswertes  ziel  war,  aber  wir  möchten  es  doch  nur  als  ein  vorlänflges 
bezeichnen.  Ton  nnschäsbar  höherem  werte  erschiono  uns  ein  werk,  dass  jede 
Bchrift  kurz  nach  ihrem  werte  charakterisierte  nnd  den  fortsohritt  darlegte,  den  es 


M 

Lme,  Ann  1 


in  dor  entwicklung  der  wissenscLaft  bedontot.  Wir  erhielten  damit  ein  comp« 
der  deotecben  Philologie,  das  einmal  der  wiKsetiBcbaft  selbst  zu  gute  k&me,  i 
»her  tincb  ffti  weitere  kreiae  aU  die,  welche  varleanngen  halten  oder  böreo, 
grösten  nut3;en  wfire.  Ein  Bolchos  compendiura  durfte  dann  aber  auch  die  litteratoi- 
denkmäler  nicht  entbehren,  nnd  es  wäre  sehr  nünscbenswert,  daas  vBabder  die- 
selben in  einem  zweiten  bände  des  grundriasus  TociluGg  in  der  form  de»  eben  gelie- 
ferten bebandelte.  Es  ist  wol  ausser  zweifei,  Juss  sieb  wenigstens  in  don  lexten 
jähren  das  Interesse  der  auf  unserem  gebiete  arbeitenden  überwiegend  den  deok- 
mälern  zagewant  hat,  wie  die  jährlich  ersuheinenden  bihliograpbien  aasweisen. 

Die  ointeilnng  HaftiiannB  ist  in  der  bearbeitung  beibehalten;  es  sind  alier 
zwei  neue  abschnitte  hinzugekommen,  n&mlich  IV  Volkskunde  s.  S31— 303  mit  den 
abteilnngen  glaube  and  brauch,  sagen  und  mfirchen,  Tolkalieder,  Sprichwörter;  and 
T  altertamer  s.  304—323  mit  den  abteilungen  algemeine  culturgeechichte,  cultni- 
geschichte  alter  und  mitlercr  zeit,  kunst,  recht  und  Verfassung.  Femer  ist  daa 
Niederländische  behandelt.  Eine  beschrankung  des  planes  ist  insofern  eingetreten, 
als  die  litteratorgesubichte  der  neuen  zeit  and  die  mundartliche  litteratur  wegge- 
lassen sind;  in  der  uhd.  gramuiaUk  und  Orthographie  iat  nur  das  wichtigere,  da« 
einen  wissenschaftlichen  Charakter  trägt,  angeführt.  Wir  hätten  gewünscht,  daas 
dieser  leztoro  geeichtspunkt  überall  featgebalten  wäre:  alle  nicht  Wissens chaftliclicn 
werke  hätten  ans  dem  buche  wegbleiben  müssen.  Es  wacht  z.  b.  einen  wunder- 
lichen eindruck,  wenn  wir  unter  der  (iberscbrift  quellensanilnngen  in  g  13  leaebfichec 
für  schulen  wie  Buddes  Chreatomatie  für  die  obcrn  klassen  der  gymnasien  und  in 
g  14  qaellcnsamlungcn  l&r  das  mittelhochdentsche  widerum  solche  wie  Hennebergen 
Altdeutsches  Icsebncb  für  hiibore  lehranstalten  u.  a.  neben  Beneokes  Beitrftgea, 
Koloczaer  Codoi,  Hagens  Dentachon  gedichten  etc.  finden.  Weite  der  verfauer 
solche  bücher  aufnehmen,  dann  mustu  er  ihnen  eiuen  selbständigen  platz  anweisen 
Dud  möglichst  volatändigkeit  erstreben.  Dasa  das  lezt«re  Dicht  der  fall  ist,  lehrt 
ein  blick  auf  den  Jahresbericht  der  gormanischen  pbilologie.  wo  in  Jahrgang  2  und 
3  diese  litteratnr  in  einer  besonderen  abteiluug  am  schluas  behandelt  ist.  In  einem 
grundriss  der  deutschen  pbilologie  wird  man  sie  föglich  entbehren  können.  Wolto 
der  Verfasser  aber  hier  wie  anderswo,  beispielsweise  bei  den  paradigmen,  eine  aus- 
wähl  geben,  so  ist  es  nicht  leicht,  den  gesiohtspuukt  herauszufinden,  der  massgebend 
gewesen  ist.  Auch  sonst  hatten  wir  —  abgesohon  von  ergänzungen ,  welche  in  gTJ>- 
sserer  zahl  erst  der  längere  gebrauch  des  bnches  ergehen  kann  —  manche  frage, 
B.  b.  über  die  einteüang  von  §  8  germanistische  bibÜograpbie  mit  der  nnterabt«!- 
Inng  (?)  litteratur  und  littoraturgeaohichte,  aber  wir  begreifen,  wie  sich  bei  einex 
so  mOhsameu  an  übersieht  liehen  arbeit,  welche  sich  durch  vier  und  ein  halbes  jähr 
hinzog,  bisweilen  die  principien,  die  ansieht  über  die  bedeutung  eines  gegenständes, 
änderten,  so  dasa  es  unmöglich  wurde,  gleich  beim  ersten  warf  überall  gleichiDäaaig 

P%u  verfahren  and  keine  zweifei  übrig  zn  lassen. 
In  mehr  als  einer  beziehung  bietet  das  buch  auch  beim  ersten  durchbtätt«ni 
anregendes  und  interessantes.  Ich  erwähne  n.  a.  den  §  6  bibliotheken,  welcher  fib«t 
die  schätze  von  48  stjidteu  von  Paris  bis  Petersburg,  von  London  bis  Rom  auekanft 
gibt.  Femer  den  §47  Über  rechtscbroibung,  welcher  mehr  als  100  nummem  ent- 
halt und  mit  Eolross  Euchiridion  und  Fabian  Frangk,  Tentscher  sprach  art  und 
oj'gonscbam.  orthographia,  gerecht  buchstaabig  tontsch  zuschreiben.  Frckft.  1531 
begint.  Hier  werden  verzeichnet  für  das  16.  jahrhnndert  5  schritten,  fUr  das  17. 
I  Jahrhundert  10.  für  das  18,  johrh.  37.  aus  der  angehonren  menge  des  19.  jahrhuif 

'k  dert«  natürlich  nur  eine  auawahl.    Damntor  belustigt  ur.  995i  Ch.  U.  Wolke,  ^tittk    | 


ÜBBR  V.  MUTE,  MITTBLHOCHD.  KBTBIK  381 

tong  zur  dentsohen  Gesamtsprache  oder  zur  Erkennung  und  Berichtigung  einiger 
(zu  wenigst  20)  tausend  Sprachfehler  in  der  hochdeutschen  Mundart;  nehst  dem 
Mittel,  die  zahllosen  —  in  jedem  Jahre  den  Deutschschreihenden  10000  Jahre  Arheit 
oder  die  Unkosten  von  5000000  verursachenden  —  Schreihfehler  zu  vermeiden  und 
zu  ersparen.    Dresden  1812.    8®.    460  ss. 

Den  schluss  des  huches  macht  nach  einer  reihe  von  nachtragen  ein  um£Emg- 
reiches  autorenregister  s.  330 — 454,  das  zugleich  sehr  dankenswerte  biographische 
notizen  zu  vielen  namen  gibt.  Es  wäre  sehr  zu  wünschen,  dass  eine  neue  aufläge 
dieselben  vermehrte  und  vervolständigte.  Dies  wird  aber  nur  möglich  sein,  wenn 
dem  Verfasser  nachtr&ge  zugesant  werden;  bei  manchem  lebenden  autor  ist  uns  das 
fehlen  jeder  notiz  auffallig  gewesen,  z.  b.  bei  Adalbert  Bezzenberger,  ten  Bnnk, 
Heinrich  Düntzer,  Hermann  Grimm,  Kai\  Lucae,  Anton  Schönbach,  Alwin  Schultz, 
Heinrich  Steinthal.  In  vielen  fallen  geben  hier  allein  schon  die  nachweise  über 
die  mitarbeiter  der  Zeitschriften  Z.  f.  d.  a.  26  und  Z.  f.  d.  ph.  10  einige  auskunft. 
Vermutlich  hat  auch  hier  die  fülle  des  materials  den  Verfasser  verhindert,  überall 
gleich  genau  zu  sein. 

BBBLIN,    DBC.   1882.  KABL  KINZKL. 

Mittelhochdeutsche  Metrik.  Leitfaden  zur  einführung  in  die  lectüre 
der  classiker.  Von  Rieh.  t.  Math.  Wien,  Holder  1882.  YIII  u.  130  s.  n.  m.  3. 
Eine  wissenschaftliche  altdeutsche  metrik  ist  ein  lange  gefühltes  bedürfnis, 
das  überall  hervortritt.  Wenn  man  die  einleitungen  zu  den  ausgaben  mhd.  Schrift- 
steller mustert,  so  springt  es  in  die  äugen,  wie  jeder  autor  mehr  oder  weniger 
selbstgebahnte  wege  auf  diesem  gebiet  geht,  weil  ihm  eine  feste  grundlage  fehlt, 
auf  der  er  weiter  bauen  kann.  In  der  auffassung  des  einzelnen,  in  der  termino- 
logie  u.  a.  begegnet  man  den  grössten  Schwankungen,  oft  nicht  aus  einem  auf  ver- 
schiedener anschauungsWeise  beruhenden  gegensatze,  sondern  weil  es  an  einer  form 
fehlt,  an  die  man  sich  anlehnen,  die  man  erganzen  und  bestätigen  oder  bekämpfen 
kann.  Nicht  als  wären  die  wichtigsten  dinge  in  der  altdeutschen  metrik  nicht 
längst  festgestelt,  aber  die  bemerkungen  finden  sich  in  vielen  Schriften  zerstreut, 
und  wer  nicht  gerade  das  glück  gehabt  hat,  auf  der  Universität  ein  gutes  colleg 
über  metrik  zu  hören  und  nachzuschreiben,  der  wird  später  oft  recht  ratlos  söin. 
Dieser  not  hilft  nun  in  gewissem  masse  das  büchlein  vMuths  ab  und  wir  begrüssen 
dasselbe  deshalb  mit  freuden.  Der  Verfasser  will  keine  selbständige  wissenschaft- 
liche metrik  schreiben,  denn  dazu  bedürfte  es,  wie  er  im  vorwort  selbst  bemerkt, 
der  berücksichtigung  der  historischen  entwicklung,  der  steten  beziehung  auf  ältere 
form  und  Übung,  vornehmlich  Otfrids,  und  „dazu  gebricht  es  auch  vor  allem  noch 
an  den  notwendigen  vorarbeiten  über  die  beiden  den  classischen  Zeitraum  umschlie- 
ssenden  Übergangsperioden  des  12.  und  14.  Jahrhunderts.*'  vMuth  beabsichtigte  nur 
die  in  monographien  und  besonders  in  den  anmerkungen  zu  Iwein,  Walther  und 
Nibelungen,  zu  Engelhardt  und  Erec,  zu  Flore,  zur  Kudrun  u.  a.  zerstreuten  notizen 
zu  sammeln  und  systematisch  zur  darstellung  zu  bringen.  Zu  hülfe  kam  ihm  dabei 
ein  collegienheft  Lachmanns  über  metrik,  welches  Zacher  im  winter  1842/43  nach- 
geschrieben und  dem  Verfasser  freundlichst  zur  Verfügung  gestelt  hat.  Wie  weit  er 
dasselbe  benuzt  hat,  gibt  er  selbst  so  an:  „Wer  dies  mein  büchlein  mit  lust  und 
nutzen  anwendet,  weiss,  wohin  er  seinen  besten  dank  zu  kehren  hat:  nicht  dass 
ich  unmittelbar  daraus  geschöpft  hätte  (das  wenige,  was  ich  jenem  hefte  entnom- 
men, habe  ich  gewissenhaft  bezeichnet),  als  vielmehr,  weil  mir  damals  erst  die 
ganze  bedeutnng,  grosse  und  schärfe  der  Lachmannischen  metrik  klar  wurde.** 


382  KINZSL,   ÜBBB  V.   IITJTH,  MITTILHOCHD.  lOTBIK 

Wir  haben  also  in  dem  bnche  eine  dantellong  der  metrischen  gesetse»  wekhe 
etwa  von  Hartman  bis  Eonrad  beobachtet  wurden.  Der  stoff  wird  auf  a^t  ca|nid 
verteilt.  I  handelt  von  betonung  und  quantitftt,  II  von  versmessnog^  und  silbea- 
Zählung:  metrischer  einsilbigkeit,  verschleifung,  elision,  sjnaerese,  synaloephe  elc, 
m  hebung  und  Senkung  in  ihrem  Verhältnis  zu  einander,  IV  besondren  stellen  in 
verse,  auftact  und  versschluss,  Y  reim,  VI  caesnr,  VII  epischer  und  lyrischer  atrophe: 
Nibelungen-,  Hildebrands-,  Walther-,  Kudrun-,  Babenschlacht-,  Titnrelstrophe, 
Bemerton,  VIU  leich.  Am  Schlüsse  folgen  wertvolle  zusammenstellongen  der  aas 
den  litterarischen  hülfismitteln  besprochenen  stellen,  ein  index  über  den  brauch  ein- 
zelner autoren  und  dichtungen  und  endlich  ein  register.  Es  wäre  gewias  praküseh 
und  dem  zwecke  des  buches  entsprechend  gewesen,  wenn  der  verf.  zu  weiterem 
Studium  der  metrik  den  weg  gewiesen  und  die  wichtigste  litteratur  znaammenge- 
stelt  hätte  wie  Schade,  GrundzOge  der  altdeutschen  metrik  in  den  Weimarischen 
Jahrb.  fOr  d.  spr.  I  u.  a.  Aber  der  verf.  hat  den  kreis  seiner  leser  sehr  eng  begrenzt; 
er  sagt:  „dies  büchlein  ist  nichts  andres  und  soll  nichts  andres  sein,  als  ein  leit- 
faden  für  solche,  die  zum  ersten  male  an  die  lectüre  unserer  mittelalterlichen  dat- 
siker  schreiten  wollen.  Dass  es  nicht  auch  andre  benutzen  werden,  darum  ist  mir 
nicht  bange:  für  sie  aber  ist  es  nicht  geschrieben."  Dieser  anfang  des  Vorworts 
könte  manchen  zurückschrecken;  aber  der  verf.  hat  es  wol  nicht  so  bös  gemeint, 
macht  er  doch  auch  selbständige  vorschlage,  welche  er  algemeiner  beachtang  em- 
pfiehlt, wie  im  n.  cap.,  wo  er  mit  recht  darauf  aufmerksam  macht,  dass  er  durch 
scharfe  definition  eine  feste  terminologie  zu  gewinnen  versucht  habe,  deren  alge- 
meine anerkennung  und  durchführung  unter  allen  umständen  von  unmittelbarem 
praktischen  nutzen  wäre.  Wir  meinen  freilich  nicht,  dass  ihm  diese  schärfe  der 
definition  überall  gelungen  ist.  Gleich  in  §  2  hätte  durch  genaue  Unterscheidung 
echter  und  unechter  composita  grössere  klarheit  in  den  vierten  absatz,  in  die  bei- 
spiele  (welche  mit  dem  praeteritum  zu  versehen  waren)  und  in  die  anmerkun^  (»von 
solchen  (?)  verben*')  gebracht  werden  können.  In  §  7  „verse  entstehen  ....  durch 
einen  regelmässigen  Wechsel  stärker  und  schwächer  betonter  silben**  beanstanden 
wir  das  wort  „regelmässig**.  In  der  anm.  zu  §  18,  welche  von  der  betonung  hebe 
mit  leide  handelt,  scheint  uns  ein  Widerspruch  darin  zu  liegen,  dass  die  betonung 
Ud)i  mit  leide  einmal  s.  BS  „unaussprechbar,  undeutsch**  (vgl.  jezt  Behaghel,  Elneit 
einl.  s.  83  und  meine  recension  in  dieser  zs.  14,  107),  dann  aber  s.  34  „ebenso 
möglich  als  bewust  vermieden**  genant  wird. 

Diese  anmerkung  bringt  uns  aber  auf  einen  andern  punkt,  in  welchem  mit 
entschiedenem  tadel  nicht  zurückgehalten  werden  darf:  das  ist  der  ton  der  polemik, 
der  auch  in  dieser  schrift  des  Verfassers,  wenn  auch  seltener,  erklingt.  Es  ist  ja 
gewis  nicht  leicht,  bei  den  masslos  persönlichen  angriffen,  welche  von  gewissen 
Seiten  mit  rastlosem  elf  er  und  immer  gesteigerter  schärfe  gegen  jeden  gemacht  werden, 
welcher  ihnen  zu  widersprechen  wagt,  kaltes  blut  zu  behalten,  und  bisweilen  ist 
eine  energische  Zurückweisung  der  Unziemlichkeiten  geboten,  aber  wünschenswert 
bleibt  es,  dass  sich  niemand  dadurch  zur  nacheiferung  reizen  lasse,  sondern  dass 
sich  alle  edleren  zur  bekämpfung  von  zuchtlosigkeiten  verbinden.  Ist  herr  von 
Muth  dazu  bereit,  so  muss  er  sich  der  ausdrücke  „leichtfertige  meinnng**,  „ganz 
frivole  behauptung**,  „was  derlei  unsinn  mehr  ist**  begeben.  Am  wenigsten  aber 
ist  wol  das  Vorwort  der  ort  zu  so  scharfen  invectiven  wie  den  folgenden:  „der  mängel 
seiner  arbeit  ist  sich  der  Verfasser  sehr  wol  bewust  —  besser  vielleicht  als  mancher, 
der  jezt  als  gestrenger  richter  im  Heidelberger  litteratur-  oder  im  Leipziger  ccntral- 
blatt  dieselbe  als  unnützes  und  wertloses  machwerk  vom  hohen  rosse  verurteilen 


HBHBIOI,  ÜBBB  BBOKBB,   ALTHBIM.  MIMlIBSANa  888 

wird:  ich  meine  jene  herren,  die  in  einem  grossen  Varianten  -  apparate  nur  eine 
Variante  anslassen»  aber  grade  die,  die  sich  nicht  übersehen  last  and  aof  die  es 
(als  urkundlichen  beweis  fftr  des  gegners  meinung)  ankörnt  (man  vgl.  Bcitr.  z.  d. 
phil.  Halle  1880  s.  269  mit  Bartsch  Nib.  IIl ,  s.  82) . . .  So  übergebe  ich  denn  dies 
büchlein  allen  denen,  die  von  der  sache  wirklich  etwas  verstehen,  den 
nicht,  wie  weiland  M.  Haupt  sagte:  ad  iudicandum  quam  ad  inteHigendom  promptio- 
ribus,^  damit  sie  entscheiden,  in  wie  ferne  es  solchen,  die  von  der  sache  wirklich 
etwas  verstehen  lernen  wollen,  tauge!*' 

An  fehlem  ist  mir  aufgefallen  s.  4  truhtzaee,  16  Bartsch  Bother.  Warum 
schreibt  verf.  percent  für  procent  s.  58.  83  u.  5. ,  und  ancu^rostikan  für  akrastichon 
s.  74  und  77  mehrfach? 

BBBLIH,  DBC.   1882.  BJkBL  KDIZBL. 


Reinhold  Becker,  Der  altheimische  minnesang.    Halle,  M.  Niemeyer,  1882. 
Vni,  230  s.  8«.    n.  m.  6. 

Es  ist  seit  geraumer  zeit  guter  ton  geworden,  das  eigentum  der  älteren 
mittelhochdeutschen  Ijriker  für  nachahmung  romanischer  Vorbilder  zu  erklären,  in 
form  und  Inhalt  Nach  dieser  mehr  oder  minder  in  allen  neueren  arbeiten  vertre- 
tenen ansieht  muss  es  in  köpf  und  herz  bei  den  deutschen  rittem  vor  1170  unend- 
lich öde  ausgesehen  haben  ^  und  später  konte  auch  keiner  liebe  schwören,  ohne  vor- 
her bei  irgend  einem  Provenzalen  oder  Franzosen  eine  anleihe  gemacht  zu  haben. 
Dass  diese  ritter  zwar  meistens  provenzalisch  weder  verstanden  noch  lesen  konten, 
wurde  dabei  nicht  in  anschlag  gebracht.  Die  nachgewiesenen  enüehnungen  galten 
für  sicher;  auch  der  alte  Eümberg  war  schon  ein  plagiator. 

Dieser  bequemen  dogmatik  gegenüber  ist  es  freudig  zu  begrüssen,  dass  der 
Verfasser  der  vorliegenden  schrift  den  versuch  macht,  nachzuweisen:  es  hat  in 
Deutschland  eine  liebeslyrik  bestanden  vor  dem  einfluss  der  roma- 
nischen dichtung;  reste  dieser  dichtung  sind  noch  vorhanden  und 
ihr  hauptvertreter  ist  Reinmar  der  alte.  Sie  war  selbständig  in  form  und 
Inhalt  bis  gegen  1190,  ihr  hauptsitz  ist  die  Donau  in  Österreich,  besonders  auch  Wien. 

Ich  will  zunächst  den  hauptinhalt  der  dazu  führenden  Untersuchung  angeben. 

Cap.  I.  Reinmar  stamte  nicht  aus  dem  Elsass,  sondern  aus  Österreich,  aus 
einem  hier  nachgewiesenen  geschlechte  von  Hagenau;  nach  metrik  und  inhalt  seiner 
gedichte  gehört  er  nicht  zu  den  westdeutschen  dichtem. 

Cap.  n.  Das  Reinmar -Ruggesche  liederbuch  gehört  im  hauptteil  Reinmar 
an;  im  ausdmck  Reinmars  finden  sich  eigentümlichkeiten ,  die  den  westdeutschen 
dichtem  fehlen;  auch  MF.  6,  5  gehört  diesem  dichter  (wahrscheinlich). 

Gap.  III.  Die  technik  der  ältesten  ritterlichen  lyrik  ebenso  wie  die  der  Sper- 
vogeldichtung,  der  Nibelungen,  der  Eürabergslieder  u.  a.  zeigt  keinen  romanischen 
einfluss;  es  ist  bemerkenswert,  dass  die  meisten  dieser  gedichte  nach  Österreich 
gehören. 

Cap.  IV.  Im  liederbuche  Dietmars  v.  Eist  sind  zwei  dichter  zu  unterscheiden, 
nur  ein  teil  gehört  also  zur  altheimischen  dichtung. 

Cap.  y.  Der  fortsetzer  dieser  österreichischen,  der  altheimischen  dichtung, 
ist  Reinmar;  bis  zum  kreuzzuge  Friedrich  Barbarossas  war  er  ganz  frei  von  den 
romanischen,  bereits  am  Rheine  herschenden  einflüssen;  erst  durch  den  kreuzzug, 

1)  Ich  lasse  die  klammer  mit  namen  weg. 


SM  HEMRICl,    (MlKH    BECKER.    ALTHHIM.    KINSIS»!«) 

&1bo  etwa  seit  1189,  ktun  er  ilamit  in  beruhniDg  und  unter  Hanaens  eiii£au.  Di* 
tieder  BeiDinarH  lassen  sich  nach  dieser  loitteiluog  ordnan. 

Cap.  VL  Zwischeii  d«r  alten  österreittliisQbcn  und  der  rlieinisiJieii  l.vrUt  besteht 
auch  ein  innerer  gegeneatz,  nicht  bloss  der  in  der  tecbnik;  die  weoeDtlkhsn  ItMl- 
seieben  der  tronbadonre  fehlen  in  der  öBterreichiscben  dicbtung,  Anch  sp&ter,  imtar 
HauBena  einflnse,  bewahrte  Beinmar  die  alte  gesinnnng. 

loh  glaube  im  voretehenden  die  ergebnisse  Beckers  im  wesentlichen  uitgeteDt 
za  haben  und  mass  die  prüfong  der  meist  nur  im  susammenbange  swiDgeudeu  grttnd« 
hier  fibergefaeD.  Nur  einzelnes  sei  noch  hervorgehaben.  Ich  glaube  lUDächst,  da« 
der  Verfasser  sich  in  der  beimatsfroge  ßeinmari  unnütze  wege  gemacht  und  am 
falsehen  ende  aiigofougen  hat.  Wenn  Becker  erst  gezeigt  hätte,  daas  Beinmar  nach 
seinen  gesinnnngen,  lebi^nsverbältnissen  und  sogar  nach  seiner  tecbnik  ein  ö«tei^ 
reicher  ist,  dann  wäre  ihm  die  negative  seite  leichter  geworden.  Aber  nicht  ihm 
nur,  eondern  noch  mehr  dem  leser.  So  aber  fragt  man  sich  bei  dem  ersten  capital 
fortwährend:  warum  soll  er  denn  aber  kein  Elsaasor  aein  k&nnen?  ja  weil  et 
eben  ein  Österreicher  ist,  antwortet  cap.  V.  Hier  h&tte  verL  den  weg  einschlagen 
müssen,  den  Wilmsnns  bei  Walthers  heimat  nahm;  denn  es  wird  wol  kanm  jemand 
behaupten,  doss  äussere  Zeugnisse  für  heider  dichter  hi'tmat  vorhanden  sind.  Sind 
aber  keine  Turlianden,  dann  sind  die  inneren  allein  entscheidend.  Becker  glaubt 
nun  zwar  an  äussere  Zeugnisse  bei  Beiumar  uud  muss  sich  deshalb  abmühen,  geg«n 
diese  Windmühlen  zu  fechten.  Besonders  die  Nachtigall  von  Uagonau  macht  Ihm 
grosse  mühe;  er  hätte  ohne  schaden  das  ganze  aber  bord  werfen  können,  denn  wer 
hflrgt  daf^r,  dase  die  Triatanatelle  richtig  auFgefsHst  ist?  leb  traue  mir  uicht  die 
«ntacheidung  zu,  ob  Beckers  austährungen  mit  Hagenau  als  Reinmars  familiennamen 
sich  vereinigen  lassen,  denn  die  gescbicbte  mit  den  üsterreichischeu  Uagenans,  90 
lange  wir  den  Beinmar  uicht  urkundlich  baben,  ist  und  bleibt  hjpothese.  —  Ui« 
banptfrage  ist  immer  die:  sind  die  eotlehnuugen  ans  romanischem  vorbilde  in  aller 
ritterlichen  lyrik  von  anbeginn  so  nauhge wiesen,  dasa  eine  aelbetändige  gar  nicht 
bestanden  haben  kann,  oder  aber  ist  solche  selbständige,  unabhängige  noch  via- 
bandenV  In  dieser  richtung  hat  Becker  ganz  unnwcifelhaft  richtige  beobacbtangen 
gemacht,'  ich  stehe  nicht  an,  das  ulgcmoin  gelten  in  lassen,  was  er  Qber  Beinmar 
allein  sagt  (a.  'i06);  „Han  bat  bisher  oft  geuog  sich  gefragt,  wna  Iteinmar  *on 
seinen  vargängem,  besondera  von  Eaueen  entlehnt.  Es  iat  aber  nicht  minder 
wichtig,   za  fragen,  was  er  nicht  entlehnt." 

Erlangen  Beckers  ansicbten,  die  ich  ftir  meine  person  immer  gehabt  babe, 
algemeine  gfilUgkeit,  dann  werden  sieh  ausücliten  öfnen,  die  Becker  noch  nicht 
nberblickt  hat  and  zu  denen  man  wesonttich  sach  durch  Wilmouna  Walther  gel&ugt; 
dann  ist  das  centrum  dentsebes  geietoslebens  die  Donau  bei  Wien,  nicht  deiBhein: 
dann  brauchte  Wolther  sich  siebt  erat  von  romanisclien  einflQssen  loszumachen:  tw 
gab  vor  IIW  in  Wien  noch  gar  keine,  sn  einer  zeit,  wo  Waltber  doi^fa  schon  1d 
der  blOte  der  jähre  stand.  Dann  ist  auch  Waltber  der  directe  turtsetser  de«  all- 
beimischen  minnesangs  und  seine  hlichste  blÜte. 

BsaUH.     16.  FOTEMBSR   1B8£.  UUIL    BBKIUn. 


,  BaeUnial«»!  im  Viim.dmiam. 


SEIN   ODER  NICHTSEIN   DES   GUIOT  VON   PROVENCE. 

I. 

§  1.  Die  frage,  ob  Wolfram  von  Eschenbach  seine  nachweit 
belogen:  dass  er  nach  einer  französischen  vorläge  des  Guiot  von  Pro- 
vence seinen  Parcival  gedichtet,  oder  ob  er  der  Wahrheit  die  ehre 
gegeben  habe,  wird  freilich  so  lange  unentschieden  bleiben,  bis  es 
geglückt  ist,  den  Guiot,  nenne  er  sich  nun  de  Provins  oder  de  Pro- 
vance  selbst  in  person  mit  seinem  werke  unterm  arme  in  die  gerichts- 
stube  zu  föhren,  und  kann  es  daher  fast  als  töricht  gescholten  werden, 
darüber  einen  streit,  wie  über  ungelegte  eier  oder  um  kaisers  hart  zu 
führen.  Allein  mit  recht  bemerkt  Bochat  im  eingang  zu  seiner  ver- 
gleichung  unsers  „Parcival''  mit  Crestiens  de  Troyes  Contes  del  Graal 
(Pfeiffer,  Germania,  b.  III,  s.  81):  „Es  ist  in  der  tat  keine  unbedeu- 
tende Sache,  zu  erfahren,  auf  welche  weise  ein  werk,  wie  Wolframs 
Parcival  entstanden  sei:  welcher  grundlage  es  seine  existenz  verdankt: 
ob  und  inwieweit  sein  rühm  durch  ein  anderes  ähnliches  werk  bedingt 
ist,  oder  ob  sein  dichter  in  allen  punkten  selbständig  und  schöpferisch 
auftrat?"  —  Mit  der  leugnung  Kyots,  den  er  wie  ein  trügerisches 
meteor  aufsteigen,  aber  ebenso  wider  verschwinden  lässt,  stimt  auch 
Zarncke  (Paul  und  Braune,  Beitr.  III,  304:  Zur  Geschichte  der  Gral- 
sage) überein,  indem  er  alles,  was  über  Crestiens  roman  hinaus  von 
Wolfram  erzählt  wird,  für  ausschliessliche  dichterische  erfindung  des- 
selben erklärt;  und  Kochat  komt  zu  dem  schluss:  „Wenn  alles,  was 
Wolfram  mehr  hat  als  Crestien,  er  nur  dem  buche  Kyots  verdanke, 
es  heissen  müsse:  Parcival  aus  dem  Französischen  des  Kyot  in  das 
Mittelhochdeutsche  übersezt  von  W.  v.  Eschenbach.  —  So  weit  ist  man 
gegangen  l"^  —  Nein ,  geehrter  freund ,  so  weit  ist  man  nicht  gegangen. 
Man  hat  nicht  vergessen,  und  weiss  aus  andern  beispielen,  wie  ein 
einfacher  roher  sagenstoff  durch  dichterische  begabuug  zu  einem  idealen 
kuustwerk  erhoben  werden  kann.  Die  legende  von  H.  Ciprian  und  die 
Faustsage  in  den  bearbeitungen  von  Calderon  bis  Goethe  sind  doch  wol 
mehr  als  Übersetzung  der  ursprünglichen  erzählungen ,  und  Shakespeares 
köiiig  Lear  und  Cymbelin  mehr  als  mechanische  nachbildungen  einiger 
kapitel  aus  Gottfrieds  von  Monmouth  geschichte  der  brittischen  könige. 

ZEITBCHJft.    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XV.  ^i> 


Ab  dritter  von  bodeatiing  tritt  7U  di-n  leugni^rn  Oiiiots  auch 
Uirch-HirachfeH  (Die  Sage  vom  Graal.  Leipzig,  Vogel,  !877). 
indem  er  in  der  sclilusazeile  aeiues  in  andrer  be'/.iehung  hi'cliRt  ver- 
dieDütlipbea  werhes  zu  dem  resultat  gelangt,  dass  Wolfram  mit  seiner 
rorstellung  vom  Gral  ganz  vereinsamt  dasteht.  Indem  er  aber 
zugleich  69  als  merkwürdige  erscheinung,  fast  triumphirend  hervorhebt. 
dasB  endlich  doch  auch  in  Deutschlaud  durch  die  schlusHpartie«]  in 
Albrachte  Titure!  der  Gral  wider  zu  seiner  alten  berechtigten  hedea- 
tung.  d.  h.  als  abend mahlschüssel  des  Heilands,  gelangt  sei,  und  Wolf- 
ram vorwirft,  dass  „er  dieser  heiligen,  wundertütigen  reliqaie  »io 
bedeutungsloses  nichts  untergeschoben  habe/  zeigt  er,  daaa  das 
tiefere  Verständnis  von  Wolframs  dichtung  ihm  versehloBsen  geblieben: 
dass  er  die  gewaltige  kluft,  welche  unseni  von  der  kirchlichen  mytiUk 
nicht  umstrickten  ritterlichen  sänger  von  dem  ultramontanen  priester 
Albrecht  trent,'  nicht  sieht,  und  daher  auch  nicht  erkent,  wie  Wolfram 
dem  bedeutungslosen  nichts  der  reliqnie  den  cbristUcbBii  glaa- 
bensscbatz,  das  wort  gottes  substjtuiert.  und  damit  seiner  zeit  am 
mehrere  Jahrhunderte  voranleuchtet. 

Ü  2.  Beidfl  gelehrte.  Zarncke  wie  Hirch-Hirscbfeld  stellen  den 
salz  auf: 

„Ks  Hei  unmßglicb,    iiudeukbur,   ilaxs  ein  frauKilsischer  dichter  den 

Gral  anders  als  reliquie,    und  zwar  als  abeadmablsuhüaael ,    d.  h. 

anders,  als  in  Verbindung  mit  der  legende  habe  darstellen  ktonou." 

Ich    erlaube   mir   mit   derselben    iiberzeugnngfisicherlieit   den   gegenäalx 

aufKUstelleu  • 

Wenn  irgend  ein  land  und  eine  zeit  geeignet  war,  hÄretiache  grnnd- 
s&tze  ZU  nähren ,    und  einen  hohen  freien  dichtergeist  abwendig  xu 
machen  von  der  legende,  von  dem  reliquienknltue,  von  der  natar- 
feindlieben  m5nchisehen  dogmatik  und  abstrusen  mystik,  so  war  m 
Frankreich  am  ende  des  zwölften  jahrbunderts. 
In  der  tat  fordert  auch  hier  der  bewjihrte  apruch  seine  anweitdung: 
„Willst  den  dichter  du  verstehen, 
Muast  iu  diebters  lande  gehen," 
In   meinen   „I'arcivul- Studien"  b,  U,  s.  213  —  227    habe   ich    versucht, 
die  kircHlichen   und  religif^sen   zustände  des   zwölften  Jahrhundert«   in 
Frankreich    kurz   tthersichtlich   darzustellen.     Weiteres   findet    sich    ia 
Routers  Geschichte  des  Pabstes  Alexanders  111,   und  Geschichte   licj- 

I)  S.  mnlnn  Rnnkllicb«  »nt  Dlolituntcon  iiml  ättjren  dos  ilmitschen  HiU«l- 
•lt«N:  „VarglnctranfT  von  Wolfmina  Parcivsl  mit  AlbriMhte  Titiird 
BMiehuDt;.'-     QaedUnbnrg  und  Leipzig,  Bu«e,  lÜTi.  k  1(6. 


OÜIOT  VON  PBOVBNei  88T 

Aufklärung  im  Mittelalter,  b.  11,  Neandor:  Bernhard  v.  Clairvaux 
und  seine  zeit,  usw.  und  in  den  Schriften  über  die  ketzersecten  jener 
zeit.  Während  die  Scholastiker  auf  ihren  lehrstuhlen  in  Paris  die 
mysterien  des  christlichen  glaubens  mit  aller  schärfe  des  geistes  erör- 
terten ,  um  das  unbegreifliche  begreiflich  zu  machen ,  giengen  ihre  lehr- 
sätze  pro  et  contra  in  die  massen  des  volks  über  und  fanden  hier  ihre 
weitere  discussion  bei  hoch  und  niedrig,  in  den  Städten,  in  den  häu- 
sern  und  öffentlichen  orten.  Die  von  der  kirche  geächteten  und  ver- 
folgten fanden  aufnähme  und  schütz  in  den  schlossern  der  adligen  und 
kleinen  dynasten,  deren  herrenrechte  von  den  anmassungen  der  kirche 
gefährdet  wurden.  Die  rügen  und  Schmähungen  über  den  zustand  des 
pabsttums  und  seiner  klerisei  und  der  gesamten  möncherei  fanden  ihren 
brenpunkt  in  Schriften  wie  die  „Bible"  des  Guiot  von  Provins  und  des- 
sen Vorgängers,  des  Brunellus  Vigellus  „Speculum  Stultorum,"  des  Thi- 
baut  de  Mailli,  so  wie  dessen  nachfolgers  Hugues  de  Berzil  oder 
Berge.  Wenn  in  der,  dem  Alanus  ab  Insulis  beigelegten  „Summa  de 
arte  praedicatoris^  über  den  geringen  wissenschaftlichen  sinn  bei  den 
klerikem  seiner  zeit  geklagt  wird,  sie  seien  „plus  dediti  gulae  quam 
glosae,  potius  coUigunt  libras  quam  legunt  libros,  libentius  intuentur 
marcam  quam  Marcum,  malunt  legere  in  salmone  quam  in  Salomone'', 
und  ihm  rhythmisch  nachgesungen  wird :  ^ 

„Est  leo  Pontifex  summus,  qui  devorat, 

Qui  libras  sitiens  libros  impignorat, 

Marcam  respiciens  Marcum  dedecorat, 

In  summis  navigans  in  nummis  anchorat^ 
u.  dgl.  m. ,  so  kann  es  nicht  befremden,  wenn  im  volke  auch  das  hoch- 
würdige  herabgezogen  und,  den  hostienweihespruch  des  geistlichen  ver- 
achtend, darüber  gespottet  wird ,  „dass  er  erst  den  leib  Christi  mache." 
Gegen  solche  ketzerischen  ausbrüche  erscheinen  Guiot  oder  Wolfram 
mit  ihrer  abwendung  von  der  legende  und  dem  reliquiencultus,  den 
Wolfram  übrigens,  wie  überhaupt  auch  die  gebräuchlichen  kirchlichen 
kultusformen  für  die  weltlichen  kinder  der  tafeirunde  gelten  lässt,  was 
sie  mögen,  noch  wie  heilige! 

Neben  jener  drastischen  kritik  und  Verurteilung  der  geistlichen 
träger  der  kirche  gab  es  aber  auch  noch  eine  andere ,  völlig  entgegen- 
gesezte  poesie,  die,  genährt  von  dem  Studium  der  klassiker  und  des 
Aristoteles,  sich  bemühte,  das  Universum  des  damaligen  gesamten  Wis- 
sens, imd  den  Zusammenhang  von  natur  und  mensch  mit  gott  durch 
allegorische  darstellungen,  wozu  der  ganze  antike  götterhimmel  zu  hilfe 

1)  Wright,  The  latin  Poems,  com.  attrib.  to  W.  Mapes  p.  7,  111. 

25* 


geuoiumen  wurde,  der  gelehrtüu  leseweit  mr  iiDschauuug  und  3Eum 
VRFsUiiduis  zu  bringen.  Ich  erinnere  an  den  „Eutheticu»~  dns  Jolian- 
iieB  Sarisberiensis  (t  1180),  an  die  suhrift  deit  Ädelard  von  Üatti  *  (um 
IläO),  welche  zeigt,  wie  die  seele  »ich  aus  den  banden  der  sinlicfakeit 
nur  durch  nlckbehr  zu  »ich  seilst  uiid  zu  ihrem  gebiet,  dem  studiuoi 
der  Philosophie  und  der  freieu  kflnste,  retten  kann.  Diese  verleihen 
iler  getrübten  seole  wider  ihren  glänz  und  erheben  sie  von  ihrem  falle 
In  andrer  weise  benuzt  ßernarduB  Silvestriü'  diese  allcgorie,  um  seioe 
Weltanschauung  darzulegen.  Hesrinders  wichtig  ist  der  viel  verbreitet 
gewesene  Äuticlaudianus  des  Alanus  ab  Insulia,*  der  in  seiner  Allego- 
rie die  idee  deutlich  erkennen  lässt,  dasii  durcbgoführt  werden  soll, 
wie  der  tu  allen  tugeudeu  und  allem  wissen  volkommene  mensch, 
indem  er  in  allen  Versuchungen  der  sünde  besteht,  und  alle  fibel 
bedegt,  der  erde  das  paradies  zurückgewint.  Der  Anticiaudianus  bil- 
det ein  gUed  in  der  kette,  die  schlieBslic.h  in  der  Diviua  Coniedia  Dan- 
tes endet,  als  dem  scblusaergebnis  der  mittelalterlichen  Weltanschauung. 
Inmitten  dieser  extremen  pole  von  dichtnngeu  ganz  heterogener  rlcb- 
tungen  ergoss  sich  der  bis  jezt  noch  nicht  übersehbare  ström  der  wolt- 
lichen  Artusromane  und  die  wol  wesentlich  durch  Crestien  weiter  gefQhrt» 
Verschmelzung  derselben  mit  der  legende  von  Joseph  von  Arimathia 
und  dem  Gral.  Und  bei  diesem  überschwenglichen  reichtum  von  poe- 
tinclien,  philosophischen,  religiösen  Ideen,  welche  in  diesen  diobtung«n 
walten,  solte  es  unmöglich  und  undenkbar  sein,  dass  ein  echl«r 
dichturgeist  den  Gral  anders  als  nur  als  reliqnie  habe  auffasseu  können  ? 
§3.  Aber  es  lohnt  sich  auch  näher  zu  überschauen,  wie  w«it 
Wolfram  sein  ihm  zur  last  gelegtes  lügengewebc  ausgusponnen  hat, 
welche  ttille  von  stoß'  seiner  pbantasie  zugeströmt  ist,  den  er  nißht  ans 
Kyot,  doch  vielleicht  aus  andern  werken,  wenn  nicht  aus  sich  selhtit 
entlehnt  hat,  und  welche  ausgebreitete  kentnis  der  französischen  litte- 
ratnr  seiner  zeit  ihm  zu  geböte  gestauden  hat.  —  Zarncke  ruft  unter 
bei»timmuug  von  Itochat  und  Birch- Hirschfeld: 

„Kyots  quellen  sind  wunderlich.     Flegetanis,   dos   manuscript  von 
Toledo,  die  cbrouik  von  Anjou  —  das  alles  ist  verloren.     Ist  das 
möglich,  oder  auch  nur  wahrscheinlich ?" 
Ich  antworte  auch  hier  mit  aller  kämpferruhe: 

1)  Juurdaiii.  G^seb.  der  ariüluleliiiolicti  Schriften  im  Mitt-tlalUT.     Von  Stahr. 
1831.    .'S.  349. 

3]  t>o  mandi  iiniverütal«  atvc  nK-'giieoHmnB  et  micromsmua.    Eä.  von  Biu»A 
Diiil  Strolwl.    Inipruek,  18Ti>, 

3)  R  di«  uingBhe&dii  Kblrnndlung  dtu&bvt  Tt>o  dr.  0.  halut  in  <lim  Khulp 
(fi«miufii  J«e  j:yiiiuami  xo  »ochiiaiiRn  in  Attiu.    l>iiti!rii  1878.  187».  1881.  168S. 


GUIOT    VON    PROVENCE  389 

Ja  allerdings.     Diese  quellen  hat  Kyot  erdichtet,   und  das  wai* 
ihm  notwendig,  ja  selbstverständlich. 
Wir  wissen   von   unsern   epischen  kunstdichtern ,   und    brauchen 
dazu  nicht  erst  Lachmanns   bestätigenden  ausspruch,    wie  sie  bemüht 
sind,   durch  angäbe  von  autoritäten  und  quellen  ihre  erzählungen  als 
verbürgte  Wahrheit  hinzugeben ,   und  dass  sie  auch  meistens  wirklich 
ältere  vorlagen  gehabt  haben.    Dasselbe  findet  auch  bei  den  franzö- 
sischen erzählern  statt.    Überhaupt  hatte  man  im  mittelalter  für  die 
erfindungen  der  phantasie  keine   andere  bezeichnung  als  lüge.    So  rät 
der  Wälsche  Gast,  v.  1084:  dass  die  erwachsenen  sich  nicht  mehr  mit 
der  lectüre  von  romandichtungen  befassen  sollen,  wan  si  suln  verläzeti 
gar  diu  spd,   diu  niht  war  sint.    Y.  1118:   die  äventiure  sint  gekleit 
dicke  mit  lüge  harte  schone-^    diu  lüge  ist  ir  gezierde  kröne,    Y.  1140: 
und  heten  si  getihtet  dae,   dojs  vil  gar  an  lüge  tvaere,   des  heten  si 
iwch  groezer  ere  —  wogegen  ein  andrer  dichter  sagt:  hübsche  lüge  ist 
keine  sünde.  —    Wenn  Kyot   also  sich  von  der  geläufigen  idee  des 
Grals  als   reliquie,   also  von  der  legende  des  Joseph  von  Arimathia 
abwante,    so  war   es   für   ihn   unerlässlich ,    anderweit  autoritäten  zu 
beschaffen,  ja  selbst  zu  erfinden,  um  seiner  erzählung  eingang  und 
glauben  zu  schaffen.    Machte  doch  der  Verfasser  des  prosaromans  vom 
H.  Gral  sich  kein  gewissen  daraus,   den  Heiland  selbst  als  lieferanten 
des  nur  eine  band  grossen  buches  vom  Gral  vorzuschieben;    weshalb 
solte  Kyot  nicht  zu  dem  sternkundigen  halbjuden  und  beiden  Flegeta- 
nis  und  nach   dem   buch  von  Toledo  greifen,    und  zu  der  chronik  von 
Anjou,  deren  fundort  er  jedoch  wol  weislich  nicht  angibt? 
§  4.    Mir  wird  aber  femer  entgegen  gehalten: 
„Das  französische  buch  des  provenzalen  ist  auch  verschollen.    Die 
Vorgeschichte  Gahmurets,  die  Gralfamilie,  Titurel,  Frimutel,  Am- 
fortas,  der  Talfin  von  Graswaldane,  wovon  in  der  französischen  und 
provenzalischen  litteratur  keine  spur  zu  finden  ist,   das  alles  müste 
Kyots  erfindung  sein.    Alles  möglich,  aber  auch  wahrscheinlich?'' 
Fn   der  provenzalischen   litteratur,   die   ein    vermeintlicher  Provenzale 
doch  solte  gekaut  haben,  ist  allerdings  bis  heute  nichts  davon  gefun- 
den.   Yon  der  französischen  litteratur  lässt  sich  dies  aber  so  abspre- 
chend nicht  behaupten ;  und  ist  hier  zunächst  Albrechts  Titurel  in  Ver- 
bindung mit  Wolframs  Parcival  und  seinen  Titurelfragmenten  schärfer 
ins  äuge  zu  fassen,  während  wir  auf  Gahmurets  geschichten  noch  unten 
werden  zu  sprechen  kommen. 

Domanig  (Parcival  -  Studien  I.  Paderborn,  1878)  hat  mit  fei- 
nem poetischen  gefahl  und  scharfsinnig  eingehend  auszufahren  gesucht, 
dass  Wolfram  seine  Titurelfragmente  als  ergänzung  und  nähere  erläi:- 


r 


39U  BAn-IIARTK 

teruug  vieler  aiispielungen  und  benii'huiigcii  \m  Parciviil  nachtrftftNl 
gedüihtet,  ihn  diibei  die  idee,  «ntsprechend  T.b&,  die  wahre  inifl 
(freilich  nicht  im  sinne  Gottfrieds  von  Straasburg)  «u  vorherliclM 
/.ugleicli  aber  anch  die  abzieht  geleitet  habe  (1.  c.  s.  38) 
von  minn»  in  der  erscbeinung  Sigunens  vorBufiihren ,  nicht  i 
Schianatulander.  noch  gleichermassen  an  ihnen  beiden."  —  ludoss  sehn 
hier  der  vorwiirf,  den  der  dichter  sich  soll  gestelt  haben,  doch  ] 
eng  begrenzt  und  einseitig.  Denn  die  worte  T.  30 :  „w  ufirt  . 
ävnttiuTe  ein  hcrre'*  deutun  denn  doch  zu  bestjmt  an,  dasa  er  i 
absieht  habe^  ein  grösseres  heldengedicht  zu  verfassen .  und  sich  sl^ 
auf  die  Schilderung  der  Jugendliebe  Schianatulanders  zu  begchränkl 
und  er  entschuldigt  sich  gewissennassen  T.b2,  dass  er  die  kinltifMik 
»linne  so  ausführlich  geschildert  habe  {wan  daz  es  sich  lenijct).  Auch 
die  str.  56,  woratif  Domanig  die  idee  Wolframs  basiert,  sagt  mehr  i 
er  annimt: 

AI  die  minne  pflögen  —  und  mintie  oh  sich  leite», 
Nu  hoeret  magtltch  sorge  —  unde  manheit  mit  de»  arbeit 
Da  von  ich  wil  ävenliare  künden 

Den  rehten,  die  .  .  .  durch  Iterjieliebe  ie  senende  not  erfunden, 
T.  40  und  75  geben  an.  dass  Sehianatulander  den  Gahniurot  aaf  s«! 
nem  orstt'n  zuge  zum  Baruch  begleitet,  und  mit  ihm  zuriickgckchr 
sei,  wovon  wir  in  unserni  Parcival  nichts  linden.  In  T.  76  tiiral^ 
abschied  von  Sigunen:  „ich  muos  von  dir  r«j  hcidrti;**  T.  102  mo^ 
ihn  jedoch  Gahmuret: 

^£y  kranker  knabe,  wtw  Waldes  —  t-  muoe  verswinden 
Us  dtner  hant  mit  tjoste  —  soll  du  der  dudsseti  minne  bcvitt 
Wcrdiu  minne  ist  teilhaß  ordenliche:  (im  Schildesamt.) 
Si  hat  der  sielige  ellenhaft  —  erworben  c  der  sagvhaßc  rieh«. 
DfT  verliebte  knabe  wird  also  auf  spätere  noch  von  ihm  zu  leistend 
heldentaten  verwiesen,  und  auch  Herneloyde  mahnt  Sigunen  T.  IStf 
^Schi^nuitulatuier  a»  2'risc  ilf  muoz  stigcn,""  was  doch  nur  darcli  tadlj 
rittertaten  geschehen  kann.  —  Diese  andeutungen  scheinen  ii)ir>4 
deutlich  die  absieht,  eine  heldenaventftre  dichten  zu  woUeu,  zu  bekn^ 
den.  dass  auch  MflUenhoffs  beraerkung  (Zeitschr.  f.d.A.  XVIII.  297 
„es  entbehre  diese  ansieht  ganz  und  gar  jedes  haltes"  von  Frz.  I'feif 
fet  (Germ.  IV.  301—308),  desgl.  von  Bartsch  (Ed.  Parc.)  mit  i 
itorflckgewiesen  ist.  —  üud  diese  Aventuren  des  Dauphins  fiada 
ausfuhrlich  in  Aibrecbts  Titurel  erzählt:  seine  scbwertleit«, 
Arthurs  auf  Floritschanzv .  bei  dem  or  sii-h  »o  »ieghafl  zeigt, 
den  mit  Orilus  und  Läbelia,  weichu  dit-  ihm  nacb  (rahmuretn  I 


Auch 

\ 

^okclir 
iira^ 

1 


OUIOT  VON  PROVENCE  391 

Verwaltung  überwiesenen  lande  widerholt  angreifen,  endlich  sein  zug 
zu  hülfe  des  Baruch ,  eine  widerholung  von  Gahmnrets  fahrten  ins  hei- 
denland.  Dergleichen  widerholungen  derselben  abenteuer  mit  veränder- 
ten namen  und  nebenumständen  sind  in  den  französischen  romanen  keine 
Seltenheit  Ohnehin  sind  beide  fahrten  Gahmurets  zum  Baruch  (wenig- 
stens bei  Wolfram)  sehr  km*z  und  algemein  gehalten.  Aber  im  Titurel 
Albrechts  wird  dessen  geschichte  weitergeführt,  indem  sein  tod  durch 
Schianatulander  an  Hippomedon  (kap.  XXYIII  des  drucks,  und  Hahn 
4120),  ferner  der  tod  des  Schianatulander  (kap.  XXXY,  nr.  5031)  an 
Orilus  durch  Ehcunat  von  Kanedich  (kap.  XL,  nr.  5795  —  5845)  gerächt, 
und  somit  diese  heldenmäre  zum  völligen  abschluss  gebracht  wird. 
Nach  allem,  was  uns  Albrecht  in  seinem  Titurel  bietet,  können  wir 
nicht  annehmen,  dass  dieser  alles  das,  wozu  ihm  Wolfram  im  Parcival 
nicht  die  stichworte  bot,  selbst  aus  freier  phantasie  erfunden,  zumal 
auch  die  wunderliche  caprice  Sigunens  nach  dem  brackenseile ,  das 
eine  so  grosse  rolle  spielt,  ganz  im  Charakter  der  französischen  romane 
geschrieben  ist,  wie  z.  b.  auch  im  Berner  ms.  des  Parcival  die  sucht 
der  schönen  nach  dem  hund  und  hirschkopf,  womit  der  held  sich  so 
lange  und  mühsam  herumschleppen  muss,  ähnliche  grillen  zeigt.  Viel- 
mehr spricht  alle  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  Schianatulander  der 
held  eines  besondern  romans  gewesen  ist,  in  welchem  auch  noch  die 
abenteuer  andrer  beiden  mit  verwoben  gewesen,  und  aus  welchem  Eyot 
gewisse  züge,  namentlich  die  Bebesgeschichte  des  Dauphins  und  Sigu- 
nens, in  seinen  roman  von  Parcival  und  dem  Gral  mit  herüber  genom- 
men, die  jedoch  Wolfram  wider  ausgeschieden  hat,  indem  er  sich  auf 
Sigunens  kurze  erzählung  ihrer  liebe  beschränkt,  und  das  leidige 
brackenseil  mit  einer  zeile  (P.  141 ,  16)  abfertigt. 

§  5.  Bartsch  hat  in  seiner  ausgäbe  des  „Parcival^  nun  noch 
zwei  stücke  aufgenommen,  die  er  dem  Wolfram  vindiciert,  wovon  das 
eine  (nr.  11)  die  Strophen  des  Hahnschen  Titurel  923  —  955  oder 
kap.  VIII,  126  —  127  des  drucks,  und  das  zweite  (nr.  IV)  1234—1264 
oder  kap.  X,  59  — 133  des  drucks  enthält.  Beide  halte  ich  aber  eher 
für  abschrifben  aus  Albrechts  Titurel ,  als  für  echte  oder  umgearbeitete 
Originaldichtungen  Wolframs.  Auch  hier  heisst  es  (Bartsch  143)  T.  929 
in  bezug  auf  die  walTentaten  des  Talfin: 

du  seit  sie  under  Schilde  vil  manlichen  kaufen. 

Wenn  wir  aber  (B.  151,  Tit.  938)  lesen: 

„Min  herz  mit  töde  ringet:  Jesus  Crist  durch  diner  fnarter  vre 

la  dich  erbarmen  alle  mine  weisen, 

und  bevogte  mine  sele  mit  dinem  "kriuze  vor  des  tiuvds  freisen"^ 


»92  8J(N-HJtHTK 

dem  bei  Hahn  flSii  nocli  in  gleidiem  stile  hiu/ugvffigt  wird: 

„Min  schilt  vor  aüer  schevize  und  vor  des  ttcvels  kralJK 

ist  teol  ilae  fron  kreutsc.  wer  ea  eu  reht  (fän  »ttndvn  tcider  fiatse 

mit  herlecn  und  mit  hende  für  sich  sclirenket 

und  got   mit   irttwen  danket,   das  er  durch   uns   an  kreutse  wart 
gehenket  — 
M  hört;ii  wir  uicht  Wolfriuns,    Hoiideru  Albrechts,   des  xalbiingsvollnn 
priesters  spräche. 

Ebeuso  str.  03*2,  diei  bei  Bartsch  fehlt: 

Gedertke  mtner  sde  mit  helfrichen  dinijen 

das  die  von  aller  quele  werde  erlöst,  almüsen  sollu  brimji'.n 

in  hospital  und  guten  religiösen , 

der  wort  Su  kivid  dringent  vil  scldenrich  oue  und  ous  kloscn. 
Diese  zasatzstrophen  scheinen,  als  tautologisoh ,  vom  abscbreibi-r  wpg- 
yolassen  zu  sein.     Wären  beide  fragmonte  wirklich  echt,  so  böteu  siu 
noch  mehr  st«iT  Kum  Schianatulanderroman.     Tu  gleichem  prifsterlichea 
tOQ  ist  B.  148,  T.  9S5  gebalten: 

Jesus,  sun  der  megede,  ein  got  und  dri  genendc, 

ee  vordert  mtn  gdoube  und  mhi  gedinge  gar  an  zmvcls  vvnde  ■ 

an  dich  das  hröt,  das  wart  von  dem  teorte, 

und  daz  bluot,  tlae  Longinus  lieg  üs  diner  sitai  mit  einit  spe- 
rcs  ortr. 
Die  le^te  zeile  aber  erinnert  so  deutlich  an  die  lanze  der  legende,  daas 
weder  Wolfram  noch  Guiot  hier  ihrer  gedacht  haben  kann.  Vielmehr 
hatten  sie  gegründeteu  anlass,  sich  von  dieser  tradition  abzuwandun, 
da  /.war  bei  der  erobernng  von  Antiochien  (1098)  die  lanze  den  Loa- 
ginUB,  die  in  der  kircbe  des  apoateb  Petrus  daselbst  solte  verborgen 
genesen  sein,  entdeckt  worden,  und  so  grosses  aufeohn  im  hreuzheer« 
gemacht  hat.'  bei  welcher  gelegenheit  auch  das  schweisstuch  des  herrn 
mit  seinem  abbilde  gefunden  ward ,  und  die  von  Otto  von  Preisiugen 
(t  1151')  Cliron.  Ii.VII,  e.  4  als  ^usciue  ad  id  tempus  incognita" 
bezeichnet  ward:  während  andrerseits  die  sage  verbreitet  war:  dnt 
bereits  Karl  der  Grosse  dieselbe  lanze  besessen,  die  von  ihm  auf  Otto  I 
gelangte,  der  sie  bei  seiner  Vermählung  mit  Kditha,  Schwester  dos 
kCuigs  Athelstan  von  England .  dem  lezteren  nebst  dem  Schwerte  Kon- 
stantins des  Grossen,  einem  najjel  vom  kreuz  des  Heilands,  einem  stSck 
der  dornenkrone  und  dem  paniere  des  h,  Mauritius,  dessen  sich  Ksd 
der  Grosse  ebenso  wie  jener  lanza  gegen  die  Saracenen  bedient  hfttta, 
/um  geschenk  nbersante.    Dem  nichthlindgläiibigen  muste  also  hier  flin 

1)  V.  Ramiier,  Ucsoh.  <l-  Hiiliciistaufm.    B,  I,  ».  ICl.  1!H. 


GUIOT   VON  PROVENCE  393 

frommer  betrug  deutlich  in  die  äugen  springen,  ihn  mistrauisch  gegen 
die  Überlieferung  machen,  und  sie  ihm  verwerflich  erscheinen  lassen. 
Dagegen  ist  bei  Wolfram  der  lanze  eine  ganz  andre  und  tiefere,  in 
engstem  Zusammenhang  mit  der  krankheit  des  Amfortas  stehende  bedeu- 
tung  gegeben,  von  der  Crestien  nicht  weiss,  und  die  dem  freilich  nicht 
erkenbar  werden  kann,  der  den  gegensatz  des  reiches  des  Grals  und 
des  bösen  im  ganzen  Organismus  unsers  gedichts  nicht  zu  fassen  oder 
anzuerkennen  vermag.  Birch- Hirschfeld,  s.  274,  hält  zwar  diese 
Umwandlung  der  bedeutung  der  lanze ,  die  bei  Crestien  und  seinen  fort- 
setzern sich  wie  ein  überflüssiges  möbel  in  den  Gralromanen  herum- 
treibt, zwar  für  so  naheliegend:  „dass  Wolframs  gedanke  sich  beinahe 
von  selbst  ergibt."  Aber  es  ist  Wolfram  oder  Guiot  zu  wenig  ehre 
angetan^  wenn  er  meint:  Wolfram  habe  die  lanze  bei  den  Franzosen 
gefunden,  und  nur  nach  einem  motiv  gegriffen,  ihr  diese  neue  bedeu- 
tung zu  geben,  um  sie  nicht  ganz  wegfallen  zu  lassen.  Dass  aber  die 
lanze  der  speer  eines  beiden  ist,  ihre  vergiftete  spitze  nicht  im  höl- 
lischen feuer  gelötet,  sie  vielmehr  ein  Werkzeug  in  der  band  gottes  zur 
bestrafung  der  sünde  des  Amfortas  ist,  von  welcher  Versündigung  über- 
haupt Crestien  nichts  weiss:  dass  diese  Sünde  und  deren  sühne  streng 
mit  der  *erhöhung  Parcivals  zum  Gralkönig  verbunden  ist,  und  dies 
den  knotenpunkt  unsers  ganzen  gedichts  bildet,  ist  dabei  nicht  zu 
ignorieren  oder  wegzuleugnen.  Ob  Kyot  oder  Wolfram  dabei  an  die 
wunde  des  Telephos  und  den  sie  heilenden  speer  des  Achilles  gedacht, 
und  sie  dies  aus  dem  Homer  gelesen  haben,  können  wir  füglich  dahin 
gestelt  sein  lassen. 

§  6.  Birch  -  Hirsch  feld  s.  283  legt  Wolfram  den  gedanken  unter: 
„Durch  eigne  schuld  wird  Amfortas  der  quäl  seiner  wunde  überliefert; 
von  dieser  solte  ihn  die  teilnehmende  frage  des  durch  kämpf  und  busse 
gereinigten  Parcival  erlösen."  Hier  vermissen  wir  den  logischen  Zusam- 
menhang zwischen  frage  und  deren  Wirkung;  denn  den  grundsatz  hat 
Wolfram  doch  klar  genug  durchgeführt :  dass  der  sündenwurm  im  eige- 
nen herzen  durch  reue  und  busse  des  schuldigen  selbst  nur  ertötet  und 
die  schuld  gesühnt  werden  kann.  Wenn  dies  also  im  Amfortas  nicht 
geschehen  ist,  wie  kann  ihm  die  frage  helfen,  bei  der  er  ganz  passiv 
ist?  Soll  sie  so  mechanisch  wirken,  wie  etwa  das  unter  die  nase  einer 
ohnmächtigen  gehaltene  riechfläschchen  ?  Darum  kann  in  der  frage 
Parcivals  nur  eine  prüfung  der  seelenläuterung  des  Amfortas  lie- 
gen, von  der  weder  Crestien  noch  Birch -Hirsch feld  eine  ahnung  haben; 
s.  meine  Parcival -Studien  II,  s.  256,  257. 

§7.  Ähnlich  verhält  es  sich  (Birch -Hirschfeld  s.  252  und  278) 
mit  dem  taillor  d'argent,  dem  snidenden  silher  (P.  255,  11.  316,  27), 


394  8AN-MABTB 

den  boideu  silbernen  messern.  Da  Kyot  und  Wolfram  den  teller,  die 
patena  der  abendmablscbüssel,  allerdings  bei  ihrer  aufTassung  des  Grals 
nicht  verwenden  konten  oder  mochten,  so  ist  dessen  umwandlang  in 
messer,  die  auch  mit  der  wunde  des  Amfortas  in  beziehung  gesezt 
sind,  sehr  geschickt:  sei  bei  Wolfram  nur  mangel  an  sprachkentnis, 
oder  bei  Guiot  ein  Wortspiel  mit  j^taüler,  schneiden^  dabei  mitwirkend 
gewesen  —  entschieden  hat  bei  beiden  doch  die  absieht  Yorgewaltet, 
von  dem  Inhalt  der  legende  die  bedeutung  abzulenken. 
Auch  die  stelle  P.  491,  18: 

da  von  kam  üz  ein  nuere, 
er  wcer  ein  viscJucre, 
daz  mrere  muoser  lideti: 
salinen,  lamprtden 
hat  er  doch  lützel  veile^ 
der  trürege,  niht  der  geile, 

ist  eine  unzweideutige  hinweisung  auf  den  fisch  der  legende,  mit  wel- 
chem die  von  Sünden  rein  befundenen  gespeist  werden  (Birch  -  Hirschf. 
s.  154),  die  aber  auch  hier  zurückgewiesen  wird,  und  frappant  an  die 
oben  citierten  spotreden  des  Alanus  ab  Insulis  erinnert:  malunt  legere 
in  salmone,  quam  in  Salomone;  weshalb  wir  die  verse  P.  13,  15  —  14,  2 
mit  hindeutung  auf  das  pabstrecht  des  Baruchs  und  seine  mönchsorden 
auch  nur  als  einen  satyrischen  Seitenblick  Wolframs  auf  die  angemasste 
Sündenvergebung  dos  pabstes  und  die  verderbte  möncherei  jener  zeit  zu 
erkennen  vermögen,  den  ihm  indess  vielleicht  Kyot  schon  an  die  hand 
gegeben  hat.    Aber  es  sagt  auch  schon  unser  Freidank  150,  20: 

siinde  nicman  mac  vergeben 

wan  got  allein 

der  abläz  dunkel  tören  guot, 
den  ein  gouch  dem  andern  tuot. 

§8.  Birch  -  Hirschfeld  (1.  c.  s.  290)  findet  in  den  Strophen  6167 
-6176  (im  druck  von  1477  kap.  XLI,  30  —  39),  worin  Titurel  berich- 
tet, dass  der  engel  ihm  den  Gral  als  abendmahlschüssel ,  die  bis  dahin 
Joseph  von  Arimathia  bewahrt,  gebracht  habe,  und  somit  von  Albrecht 
die  legende  als  das  richtige  acceptiert  werde,  den  eclatantesten  beweis 
fiir  die  nichtexistenz  Kyots:  welche  Schlussfolge  jedoch  nicht  wo!  ver- 
ständlich ist,  indem  ich  auch  hier  gerade  das  gegenteil  daraus  folgern 
muss.     Die  Strophen  bei  Hahn  T.  77  (Alt.  dr.  kap.  I,  1.): 

Der  ivn  Proventzcde 
Flagetanis  perlüre 
heidensch  von  dem  grdle, 


GülOT  VON  PROVENCE 


395 


und  frantzois  tuot  euch  kunf  vü  äverUüre 
daz  wil  ich  tütschen^  wil  es  mir  got  nun  künden, 
was  ParzivcU  da  birgety 

das  wirt  zuo  licht  gebracht  an  vackelzünden  — 
iiud  die  bei  Hahn  fehlende  strophe  des  alten  drucks,  kap.  XLI,  86: 
Kyothe  tlegetanise,  dem  (der?)  was  her  Wolfram  gebende 
dise  äventiure  zu  prise. 

di  bin  ich  Albrecht  hir  nach  im  üf  hebende  — 
lassen  allerdings  in  seiner  gedunsenen  spräche  zweifelhaft,  ob  er  Eyot 
und  Flegetanis  für  zwei  oder  nur  f&r  eine  person  hält,  allein  in  andern 
stellen  führt  er  doch  Eyot  als  eigne  person  an,   z.  b.  in  betreff  des 
krames  des  Secureis ,  T.  2942 : 
ob  uns  Kyot  ntht  triuget, 
von  dem  diu  äventiure  üz  heidenschefte 
den  Christen  ist  gewizen, 
und  T.  5295 :  Albarose 

alsust  genant  so  was  ir  nam  zu  deute, 

zu  Proventz  in  der  spräche,  ob  Kiot  hie  niht  triegen  kan  die  Icute. 
T.  5296: 

die  ander  Barbidele,  der  nam  sich  hie  glosierent 

nach  lieber  danne  die  sele.    er  meint  vil  liht  die  da  die  giegcnt 

zierent. 
Owe  waz  hän  ich  tif  gezeuget ! 

von  Proventziale  an  siner  äventeur  also  niht  trcuget 

In  der  lezten  zeile  finde  ich  den  ausdruck,  dass  Albrecht  sich  hier  von 
Wolfram,  der  dem  Eyot  nacherzählt,  verlassen  sähe,  da  in  der  tat 
von  Albarose  und  Barbidele  in  unserm  „Parcival^  nichts  zu  finden  ist. 
Beide  damen  gehören  mit  Elauditte  zu  denen  ^  welche  dem  Feirefiss 
minne  ohne  ritterlichen  dienst  geboten^  die  er  jedoch  verschmäht, 
und  dafür  Sekundillen  erworben  hat,  und  gehören  sie  in  die  frühere 
lebensgeschichte  des  Feirefiss  vor  seinem  zuge  ins  abendland,  um  den 
vater  aufzusuchen.  Bei  Wolfram  heissen  diese  geliebten  Olympia  und 
Elauditte,  und  es  scheint  Albrecht  merkwürdig,  dass  er  hier  von  Eyot 
abweicht,  den  er  als  vorhanden  also  doch  annimt  —  Albrecht  hat 
uns  aber  bereits  T.  77  —  256  (kap.  I  des  alten  drucks)  eine  besondere 
geschichte  der  ahnen  Titurels ,  die  er  zwar  mit  nebenbemerkungen  aus- 
geziert haben  mag,  die  er  jedoch  schwerlich  selbst  erfunden  hat,  gege- 
ben. Er  nent  Sennabor,  einen  reichen  heidnischen  könig  von  Eapa- 
docien  (89)  als  stamvater,  der  zur  zeit  lebte,  als  Jesus  von  Judas  ver- 
kauft ward;  doch  sein  söhn  Parille  mit  dessen  vier  brüdern  und  meh- 
reren Schwestern  liess  sich  taufen.    Zu  jener  zeit  belagerte  der  römi- 


3!X> 

ach«!  kaisBr  Veüpasiau  die  Juden  in  JüruMalwm,  ilum  Pnrillti  sieb 
anschlicsot ,  und  ein  drittel  der  Juden  starb,  ein  drittel  fiel  itiiUtr  dem 
»chwert  der  »ii^gür,  und  ein  drittel  ward  in  die  »klaverui  vcrkaufl. 
Vespasian  überliäut'te  Parillon  mit  ehreu  und  nahm  ihn  mit  8eiii>>ii  brtl- 
deru  Sabbilor  und  Aaiubär  mit  naeb  Hom.  Ht  erhielt  Vespa^iniis  tocb- 
ter  Argusille  xur  ehe  und  seinen  brüdern  gab  er  andre  köni^stilcbter. 
I'ariUe  erhielt  ferner  von  ihm  das  königreich  Frankieicb  zum  lohn  fär 
seine  tateu.  die  brüder  aber  Antschowe  und  Kurnavale,  wo  sie  das 
ehristentum  verbreiteten.  Da»  geschah  5iX)  jähre  früher,  als  (iandin. 
Gahmureta  vater  und  „der  Markis"  (Marke,  der  geraahl  der  Isolde?) 
lebten.  PariUe  ward  von  den  beiden  vergiftet;  doch  aein  söhn  Titn- 
risone  bezwang  die  beiden  von  Galizien  bia  Aaeheu  {li'2)  und  ward 
mit  Elisabeth,  der  toehter  des  kßuigs  Bonifantc  von  Arragon .  eines 
verwftnten  des  kajsers  Tyberie,  vermählt.  Mit  einer  walfafart 
nach  Jerusalem  erkani>.en  sie  sich  von  gott  einen  söhn,  Titurel,  der 
herlich  und  heldenhaft  erwuchs. 

Bis  dahin  ist  vom  Gral  mit,  keiner  ailbe  die  rede  gewesen.     Daa 
kap.  II  des  druck»  dagegen  begint  plötzlich,  T.  357: 

Do  Titurel  dtr  lieht  genial  sust  lebt  gar  her  von  jugende, 

ein  cngd  im  von  got  den   (fral  nu  liebende  wat  durch  sttt  mattet 
lügende ; 
allein  es  wird  auch  sogleich  hinzugesext,  T.  261: 

wie  viel  dar  fügende,  war  an  dem  gral  und  wirde 

d(is  »eit  ein  ander  macre, 
womit  ohne  zweifei  Wolframs  gedieht  gemeint  ist.  Es  ist  nicht  gesagt, 
dass  der  Gral  mit  Parille  ins  abendland  gekommen ,  die  legende  TOu 
Joseph  von  Arimathia  ist  völlig  ignoriert,  gott  selhtit  gibt  ilint  den 
Gral  zur  hut ,  und  da  nach  der  regel  der  romanachreiber  das  geschleoht 
Titnxelä  doch  aut*  einen  stamvater  basiert  werden  muste,  sozte  or 
diese  Vorgeschichte,  die  er  wol  ans  Kyol  oder  andrer  IradiUon  kennen 
gelernt,  seinem  werke  voran,  bevor  ihm  die  weitere  auabitdung  d«r 
legende  bekant  geworden.  Erst  gegen  das  ende  seines  langen  gedick- 
tes.  woran  er  gewiss  eiue  reihe  von  jähren  gearbeitet  bat,  hat  er  Imode 
von  der  sage,  dass  die  in  Cäsaiea  gefundne  schüssel  die  abondmahl- 
ach&ssel  sei.  wovon  Helinand  (t  1227)  und  Jacobus  de  Voragine  (1314 
— 1298)  u.a.m.  berichtöu,  erhalten,  auch  wol  von  den  franzfisiscben 
(iralromanen  kentnia  genommen,  und  steht  nun  nicht  an,  diese  Qua 
hnchwilkommene  mystische  bedeutung  des  Grals,' wenn  auch  in  offnem 
widersprnch  mit  seinem  früheren  bericlit,  anfzunohmea.  Kr  bekant, 
dass  er  sich  mit  der  von  ihm  mitgeteilten  tradition  der  ahnen  Tilunls 
auf  falscher  fährte  befiinden  habe.     Auch  ward  ja  nach  Wilcken  (^Qewli. 


ÖÜIOT  VÖK  ftlOVBNCii  39? 

d.  Kreuzz.  V,  306)  zu  Eonstantinopel  eine  abeudmahlschüssel  Christi 
als  reliquie  gezeigt,  die  später  nach  der  eroberung  der  stadt  1204  nach 
Frankreich  und  sogar  nach  Troyes  gekommen  sein  soll,  freilich  erst 
nach  Crestiens  tode.  —  Neuen  aufschwung  mag  die  tradition  auch 
erhalten  haben,  als  1247  der  patriarch  von  Jerusalem  ein  gefäss  mit 
dem  heiligen  blute ,  als  von  Joseph  von  Arimathia  und  Nicodemus  her- 
i-ührend,  dem  könig  Heinrich  III  von  England  zum  geschenk  sante 
(Matth.  Paris.  Hist.  maj.  rer.  Anglic),  wie  überhaupt  mehrere  derglei- 
chen gefösse  mit  dem  blut  des  erlösers  an  verschiedenen  orten  als  wun- 
dertätige reliquien  bewahrt  und  gezeigt  wurden. 

§  9.  Merkwürdig  und  beachtungswert  bleibt  bei  Albrechts  ge- 
schichte  des  Gralkönigsgeschlechts  die  erwähnung  des  Yespasian  und 
des  kaisers  Tiber  ins,  und  es  will  fast  scheinen,  als  ob  uns  mit  die- 
sen beiden  namen  eine  reminiscenz  aus  den  Gestis  Pilati,  dem  Mors 
Pilati  und  der  Yindicta  Salvatoris,^  aus  denen  sich  die  legende  von 
Joseph  von  Arimathia,  wie  Zarncke  gewiss  richtig  ausfahrt,  weiter 
entwickelt  hat,  entgegentrete.  Es  heisst  da:  zur  zeit  des  kaisers  Tibe- 
rius,  da  Christus  von  Pontius  Pilatus  den  Juden  überantwortet  ward, 
litt  dessen  Kegulus  in  Et[uitanien,  Titus,  in  der  lybischen  stadt  Bur- 
digalla  am  nasenkrebs ,  Tiberius  in  Rom  aber  am  aussatz  und  schweren 
fiebern.  Als  Titus  von  einem  hausierenden  Ismaeliten  Nathan,  sohu 
Naums,  hörte,  dass  Christus  kranke  mit  einem  wort  geheilt  und  andre 
wunder  getan  habe,  verwünschte  er  die  Juden,  die  ihn  getötet,  uud 
ward  zur  stelle  gesund,  liess  sich  taufen,  berief  den  andern  stathalter 
dort,  Yespasian,  und  zog  mit  diesem  mit  heeresmacht  gegen  Jerusa- 
lem, belagerte  und  eroberte  es.  „Titus  et  Yespasianus  apprehenderunt 
Judaeos,  et  ex  parte  lapidaverunt,  et  ex  parte  suspenderunt  in  lignuni, 
pedes  sursum  et  caput  deorsum,  et  lanceis  percusserunt  eos;  alios  autem 
tradiderunt  in  venditionem ,  et  alios  diviserunt  inter  se  et  fecerunt  qua- 
tuor  partes,  sicut  et  illi  fecerunt  de  vestimentis  domini.  Et  dixerunt: 
Yendiderunt  Christum  triginta  argenteis,  et  nos  vendamus  trigiuta  ex 
ipsis  pro  uno  denario.  Et  cum  hoc  fecissent,  apprehenderunt  omnes 
terras  Judaeae  et  Jerusalem."  —    Dies  klingt  wider  bei  Albrecht: 

T.  100: 

Do  man  getauft  Barillen  (statt  Titus)  und  Jherusaleni  hesezzen 

Wart  durch  des  kuniges  willen,   des  got  mit  siner  pft^  niht  hat 

vergezzen^ 
Uespasian  der  drizzig  stunt  drizzig  tusent 

der  iuden  in  Jherusalem  Iwt  mit  heres  hrefte  unibedüsent. 
1)  Tiscbendorf,  Evangelia  apocrypha.    Lipsiae,  Mendelssohn,  1876. 


8da  0AN«lfABT« 

T.  101 : 
Untz  ir  tot  vor  hunger  ligende  dae  dritteil  was  mit  alle^ 
daz  ander  ungesigende  dritteil  was  mit  cristenlichem  volle, 
das  dritte  dritteil  wart  ander  uns  verJcoufet, 
so  daz  si  sunder  vre  solden  leben  der  wirdekeit  bestraufet. 

Da  Albrecht  auch  hier  von  Joseph  von  Arimathia  und  seinem  heiligen 
gefässe  nichts  sagt,  ist  anzunehmen,  dass  auch  seine  vorläge  daYon 
schwieg,  und  war  diese  Eyots  bericht,  so  geschah  es  von  diesem  gewiss 
mit  absieht.  —  Nach  der  Vindicta  Salvatoris  schickte  Titus  aber  den 
Nathan  an  Tiberius  nach  Bom  in  begleitung  der  Veronica,  deren 
schweisstuch  mit  dem  abbild  Christi  den  kaiser  sofort  heilt,  worauf 
auch  er  sich  taufen  lässt,  und  Titus  und  Vespasian  üben  ferner  stren- 
ges gericht  in  Judäa. 

§  10.     Da  Birch  -  Hirschfeld  (s.  273  —  279)  von  der  ansieht  aus- 
geht, dass  kein  dichter  in  Frankreich  den  Oral  anders,    denn    nur  als 
abendmahlschQssel  habe  auffassen  können,  bleibt  ihm  nichts  übrig,  als 
die  abweichende  darstellung  Wolframs  bald  auf  dessen  unkentnis   der 
spräche,  bald  auf  Verlegenheiten  und  notbehelfe,  um  über  die  von  Cre- 
stien  gelassenen  lücken  hinweg  zu  kommen,  bder  auf  mehr  oder  min- 
der geschickte  erfindungen  und  motive  zu  deren  ergänzung  zurückzu- 
fahren:  während  in  unserm  deutschen  gedieht  alles  klar  vorliegt,    und 
wozu  Wolfram  auch  wol  schon  andeutungen   bei  Eyot  gefanden   bat 
Besonders  scheint  ihn  zu  irritieren,   dass   er  den  Gral  nur  „ein  ding, 
den  stein  ^  nent,   worunter  er  einen  edelstein  mag  verstanden    haben. 
Indess  wird  P.  592,  1  die  mit  edelsteinen  besezte  spiegelsäule  zn  Scha- 
stelmarveille  auch  nur  „ein  stein"  genant  —    Sehr  weislich  bat  Wol- 
fram die  gestalt  desselben,  etwa  als  schaale,  kelch,  kruzifix  usw.  zu 
beschreiben  unterlassen,  um  dadurch  nicht  an  die  für  ihn  tote  reliquie 
zu   erinnern,    über   deren   fund  allerdings   der   ultramontane   priester 
Albrecht  hoch  erfreut  ist,   indem  er  damit  wider  den  Gral  Wolframs 
auf  positiv  kirchlichen  boden  bringt,  um  dem  unmittelbar  von  gott  dem 
Titurel  anvertrauten  heiltum  ein  fromm  dogmatisches  gewand  umznbän- 
gen.  —    Mochte  jeder  hörer  und  leser  sich  die  gestalt  des  Grals  nach 
seinem  gefühl  und  geschmack  denken;    dass  sie  nicht  ganz  roh  und 
ungestalt  war,  sondern   der  stein  wenigstens  einen  glatten  rand  hatte, 
ist  deutlich  gesagt,  da  auf  diesem  rande  die  befehle  gottes  geschrieben 
wurden. 

§  11.  Dass  Wolfram  des  Nordfranzösischen  nach  seinem  eignen 
geständnis  zwar  ziemlich  mächtig  gewesen,  dass  er  aber  doch  häufig 
sich  auch  auf  sprachlichen  misverständnissen  hat  ertappen  lassen,  wird 


eüioT  veif  PBOVSN0B  899 

zugestanden.  Finden  wir  nun  aber  einerseits  das  Qralgebiet  als  einen 
banforst,  den  unberufene  nicht  betreten  dürfen,  bezeichnet  und  terre 
de  salvatsche  benant ,  worin  fontäne  la  falvatsche ,  an  welcher  der  klaus- 
ner  Trevrecent  wohnt,  wo  Sigune  ihren  heiligen  aufenthalt  hat,  und 
wo  Parcival  die  Weisungen  zu  seiner  belehrung  empfängt:  und  andrer- 
seits das  zäubergebiet  Klinschors  vom  ström  der  Weisheit  begrenzt, 
durch  den  nur  eine  gefährliche  fuhrt  fuhrt,  worin  der  unglückshohlweg, 
der  qualenstrom,  der  Tamarisken  -  oder  Klinschorwald  ist,  ferner  Scha- 
stelmarveille  mit  dem  Litmarveille  und  andern  zaubern,^  so  ist  doch 
nicht  zu  leugnen,  dass  diese  gebiete  entschieden  tief  in  den  Organis- 
mus unsers  gedichts  eingreifende  gegensätze  sind:  dass  gerade  hier  die 
vorbemerkten  namen  und  bezeichnungen  ihre  bestimte  allegorische 
bedeutung  haben:  das  Wolfram  sie  französisch  (durch  die  mss.  noch 
mehr  corrumpiert)  widergibt,  und  dass  der  erfinder  dieser  namen  sie 
doch  mit  absieht  gewählt  haben ,  und  sich  ihrer  bedeutung  bewust 
gewesen  sein  muss.  —  Warum  hier  nun  gerade  nur  französische  namen, 
während  ausserdem  doch  sehr  viel  wälsche,  bretagnische ,  provenza- 
lische  und  deutsche  im  gedieht  vorkommen,  also  eine  einheit  darin 
nicht  erforderlich  war  —  wenn  nicht  eben  ein  Franzose  ilir  erfinder 
war?  Auch  Crestien  hat  diese  namen,  aber  aus  dem  Besehe  -  Sabbfns, 
dem  felsen  der  Weisheit,  macht  er  la  Roche  de  Sanguin  mit  dem  alber- 
nen Zusatz:  „maint  bon  drap  vermeil  et  sanguin  i  taint  on  et  mainte 
escarlate  (Bartsch,  Parc.  II,  s.  298),  wodurch  er  zur  genüge  zeigt,  dass 
er  die  bedeutung  der  namen  nicht  verstanden,  sie  also  auch  nicht 
erfunden  hat.    Wolframs  quelle  bleibt  daher  Kyot. 

§12.  Im  zweiten  Titurelfragment  erzählt  Wolfram:  Klaudite, 
die  jungfräuliche  königin  von  Kanedich  (seh wester  der  Florie,  die  mit 
dem  söhne  Arthurs,  Ilinot  vermählt,  dessen  tod  im  kämpfe  auch  Flo- 
riens  tod  aus  gram  zur  folge  hatte)  kos  den  duc  EhkunaJiten  de  Sal- 
väsch  ee  ämien  (T.  151), 

T.  152:  tvelt  ir  tiutsch  ir  friundes  namen  erkennen? 

der  herzöge  JEhcunaver  von  Binome  diu  wilde,  also  hört  ich 
^  in  nennen. 

T.  153:  SU  er  von  der  wilde  hiez,  gegen  der  wilde 

si  sante  im  diesen  wiltUchen  brief,  den  brocken  usw. 

also  mit  der  aufTorderung ,  ihr  um  minne  zu  dienen. 

T.  143:   Gardeviag  hiez  der  hunt:   daz  kiut  Huschen:  Hüete   der 

verte. 

1)  Meine  Parc.  -  Studien ,  bd.  II  und  III,  6  —  8. 


Ist  es  denkbar,  dass  Wolfram  hier  die  rruDzöBJBcheii  namen  samt  doren 
verdeutschuDg  erfiuideu  habe,  und  dazu  iiucb  die  weitere  geitcluchte 
vom  brackenseil ,  die  wir  Terner  auch,  aiA-  Mbrechtü  Titurel  erfahren  V 
Müsüeu  wir  mcbt  vielmehr  glauben,  dass  ihm  ein  fVaiiiAsiscber  stofl' 
vorgelegen  bat,  den  er  zu  einem  romati  verarbeiten  weite,  dessen 
iiauptheld  Scluanatulander  suiii  solte?  Daraus  folgt,  Anas  das  materinl 
hierzu  ibm  in  Kyots  vordichtung  gegeben  war. 

3  13.  Die  P.  770  zahlreich  aut'gefQhrten  lAudernameu  der  yon 
Feirefias  besiegten  oder  ihm  untertänigen  FQraten  hat  Martin  (Oral- 
üage,  Strassburg,  1880)  zum  gröäteu  teil  alt  uns  des  JSolinus  «Poly- 
histor" entlehnt  nachgewiesen,  tls  ist  also  erwiesen ,  dass  Wolfram  sie 
nicht  erfunden  hat.  Es  ist  aber  ebensowenig  wahrscheinlich,  dass  der 
deutsche  ritter  sie  sich  persOntidi  aus  dem  lateinischen  Solinus  heraus- 
geluseii  oder  von  eiuem  gehDlfen  hat  herauslesen  lassen,  um  sie  hier 
in  einer  wenig  geschickten  weise  in  häufen  vorxufübrün.  Kincm  fran- 
zOsiscIien  buchgelebrten  dichter  ist  die  lecture  des  Solinus  jedeiifalN 
weit  eher  zuzutrauen.  Dieselben  uamun  tiuden  zum  grösseren  teile  sich 
auch  neben  unzähligen  audern  in  Albreehts  Titurel ,  kap.  M  —  27,  als 
teiluehmer  und  kämpfer  bei  dem  grossen  turnier  auf  ?leuant/<e,  das 
der  Baruch  dem  Secureis  /.u  ehren  uusgescbneben ,  daij.  nachdem  es  in 
eine  blutige  schlacht  ausgeartet,  auf  dem  plan  Pudullen  fort^esezt 
wird,  und  das  (kap.  27)  dauiit  endet,  dass  Schiauutulander  den  Seou- 
reis,  uud  später  fkup.  2>S)  auch  den  Hippomedou  tötet,  und  somit  Gah- 
murets  tod  rächt,  worauf  er  (kup.  3u)  nach  Kuropd  heimzieht,  wo  er 
demnäehst  mit  freuden  empfangen,  aber  in  den  kämpf  mit  Orilus 
und  Lähelin  verwickelt  wird.  Kh  wird  also  liier  ein  teil  der  aveu- 
turen  erzählt,  deren  „berr"  nach  Wolfr.  Tit.  39  Schiauatulauder  sei» 
solte.  Albrecht  scheint  auch  hier  einer  fabel  zu  folgen,  die  entweder 
schon  selbständig  erzählt  war,  oder  die  Krut  in  sein  gedieht  vcrwoboii 
hat.  Da  in  der  Vorgeschichte  (iahmurets,  wie  sie  Wolfram  gibt,  sein 
tud  ungeräeht  bleibt,  so  lag  Für  einen  romauschreiber  jeuer  zeit  der 
reiz  nahe,  die  räche  durch  Schiauatulander  ausfahren  zu  lasseu.  und 
so  einoa  volkouimeneu  schluss  der  geschichte  Gahmurets  herbeizufOh- 
ren.  Es  ist  nu  bediiuern,  dasa  Älhrecht  nicht  seine  quelle  für  diese 
geschjchteu  anfahrt,  Aber  wie  er  beim  feldzuge  des  kaisers  Lucius  van 
tlom  (kap.  :}2)  uns  Gottfried  von  MoumouÜi .  uud  kap.  -i-i  ein  stOok  aas 
Lamprechts  Aleiauderlied  oinffigt.  ohne  seine  quelle  zu  mmnen,  so 
verschweigt  er  sie  auch  hier,  da  er  bis  zum  schluas  seines  gedieht«  in 
Wolframs  namuu  spricht,  der  unr  Kiot  ab  ({uelle  ueut. 

Diu  Krauzosvu  liebten  lutl  giengen  nach  dem  mustvr  UutUriedit 
von  Munmouth,  üist,  regiiui  Brttt  IX,  12  mit  dem  beispiul  vor&n,  die 


emOT  VON  PROVENGB  401 

■  nameo  der  teilnehiuer  bei  festen,  turuieren  und  beerzügen  zu  häufen, 

■  und  die   deutschen   dicbter   folgten  ibnen  darin  nach.    Fand  Wolfram 

■  dergleichen  beiKiot,  deren  a/enturen  er  jedoch  für  seinen  zweck  nicht 

■  gebrauchen  konte,  so  schaufelte  er  sie  hier  in  einen  häufen  zusammen, 
I  indem  er  sich  damit  ihrer  kurzweg  entledigte.  Ähnlich  verhält  es  sich 
I  auch  wol  mit  den  von  Parcival  besiegten  (P.  772),   deren  kämpfe  bei 

Kiot  oder  sonstwo  etwa  specialisiert  waren ^  und  die  zeit  ausfüllen,  da 
I  den  Parcival  unser  dichter  in  seinem  werke  auf  dessen  fünQähriger 
;    bussfahrt  in  den  hintergrund  schob,  und  uns  mit  deren  widererzählung 

verschonte. 

Derjenige  aber,  der  den  Solinus  aufgeschlagen,  vielleicht  auch 
des  Plinius  bist.  nat. ,  um  heidnische  namen  aufzusuchen ,  hat  sich  auch 
weiter  darin  umgetan,  hat  darin  die  reiche  der  Secundille,  Tribalibot 
und  Tabronit  in  Palibotra  und  Taprobane  entdeckt,  und  auch  die  ver- 
schmähten geliebten  des  Feirefiss  Olimpia  und  Klaudite  in  Alexanders 
mutter  Olympias  und  der  Claudia,  welcher  auf  einem  phrygischen 
schiffe  die  vittae  castitatis  als  preis  der  keuschheit  iiberbracht  wurden, 
gefunden.  Auch  Wolframs  Eckuba  von  Janfuse,  die  heidin,  findet 
ihren  anhält  im  tumulus  Cynossema  dictus  Hecubae  sepulcrum,  und 
der  turris  Protesilai  gibt  ihm  anlass,  denjenigen,  der  Belakanens  gelieb- 
ten Isenhart  getötet,  Prothizilas  zu  taufen.  Sogar  Sekundille,  eine 
hauptperson  im  roman ,  findet  sich  in  der  riesigen  an  zehn  fuss  grossen 
Secundilla,  deren  reste  noch  zu  des  Verfassers  zeit  in  der  begräbnis- 
stätte  der  Salluste  zu  sehen  waren.  Alles  schon  damals  im  gedächtnis 
des  Volks  berühmte  sagenhafte  personen!  Protesilaus,  der  söhn  des 
Iphiclus,  zog  ja  mit  40  schiffen  vor  Troja  und  landete  dort  zuerst, 
wobei  er  jedoch  den  tod  fand.  Auch  Hippomedon,  der  den  Gahmuret 
getötet ,  entnimt  seinen  namen  von  dem  Hippomedon ,  der  als  einer  der 
sieben  gegen  Theben  zog,  aber  von  der  band  des  Ismarus  fiel;  und 
sein  bruder  war  Pompejus,  doch  nicht  derjenige,  der  einst  vor  Julius 
von  Born  entfloh,  sondern  ein  neflfe  Nebucadnezars  von  mutterseiten 
(P.  102,  2,  3.  14,  4.  T.  73.  74).  Man  sieht  deutlich,  hier  hat  ein 
buchgelehrter  nach  bedeutenden  heidnischen  namen  gefischt. 

§  14.  Hat  nun  aber  zur  decorirung  des  lebens  und  tuns  der 
Sekundille  und  des  Feirefiss  das  klassische  heidentum  diesem  jüngeren 
geschlecht  wenigstens  zu  den  personennamen  das  material  geliefert, 
so  bildet  es  einen  eigentümlichen  gegensatz ,  den  vater  Gahmuret  in  den 
celtisch  -  germanischen  Sagenkreis  eingetreten  zu  sehen.  Schon  in  der 
ersten  hälfte  des  12.  Jahrhunderts  und  früher  finden,  wir  bei  Nennius 
und  Gottfried  von  Monmouth  ausführliche  erzählungen  von  den  kämpfen 

ZEITSCUR.    7.    DEUTSCHE    PHILOLOOIR.      BD.   XV.  20 


402  SAH-XASTS 

der  Britten  mit  Hengist  und  Horsa ;  ^  Lot  von  Norwegen  spielt  bei 
Gottfried  eine  hanptroUe  im  brittischen  interesse.  Finn,  der  deutsche 
heros  in  den  angelsächsischen  stamtafeln  und  liedem,  ist  gleichnamig 
mit  dem,  die  küsten  gegen  die  einfalle  der  Sachsen  schützenden  natio- 
nalhelden  der  Schotten  und  Iren  Finn-gal  (d.  h.  der  fremde).  Die 
Oudmnlieder  zeigen  vielfache  beziehmigen  zwischen  England  und  Irland 
und  dem  östlichen  kontinent  des  atlantischen  oceans,  und  berühren  den 
sogenanten  Nordseesagenkreis.  Darum  dürfen  auch  germanische  namen 
in  brittischen  sagen  ebensowenig  überraschen,  als  die  einmischung  heid- 
nischer mohrenfürsten  in  die  brittischen  beere  vor  Patelamunt  und  Kan- 
voleis,  da  schon  früh  nach  Lappenbergs  forschungen  die  schwarzen 
fremden  (dub  gal),  die  piraten  der  Nordsee,  von  den  romanschreibern 
als  heidnische  mobren  verstanden  wurden,  zumal  nach  der  sage  auch 
Irland  ursprünglich  von  Afrikanern  soll  bevölkert  worden  sein.  -—  In 
Pfeiffers  Germania  bd.  II  habe  ich  versucht^  die  taten  des  vaters  des 
Peredur  Evrawc,  grafen  des  nordens,  auf  den  Eboracus  bei  Gottfried 
und  dessen  gescbichte  auf  eine  stamsage  der  stadt  Tork  zurückzufüh- 
ren. Aber  auch  der  deutschen  litteratur  ist  neben  Wolfram  der  Gab- 
n)uret  nicht  fern  geblieben.  Das  von  Boppo  M.  S.  II,  236  dreimal 
erwähnte  des  hüniges  Tyrols  buock  muss  eine  ältere  existenz  haben, 
und  das  lehrgedicht  von  „könig  Tyrol  von  Schotten  und  Friedebrand, 
seinem  sohne^  auf  früheren  traditionen  fussen,  obwol  es  auch  des 
Amfortas  und  Flegetanis,  wol  mit  bezug  auf  Wolframs  Parcival,  erwähnt 
Merkwürdig  aber  bleiben  die  von  J.  Grinmi  (Haupt,  Zeitschr.  f.  d.  a. 
1 ,  7)  mitgeteilten  iragmente  eines  epos ,  wahrscheinlich  aus  dem  schloss 
des  13.  Jahrhunderts,  worin  (Fragm.  D.*)  nicht  blos  amuret  als  name, 
dessen  anfangsbuchstabe  G  im  ms.  defect  ist,  bestirnt  auf  Gahmuret 
hinweist,  sondern  auch  die  haibleute,  nemlich  halb  schwarz-,  halb 
Weissfarbigen  elstermenschen,  ganz  nach  der  bescbreibung  des  Feirefis, 
erscheinen.  Femer  lässt  Heinrich  vom  Türlin  in  seiner  ^Erone^  bei 
einem  tumier  v.  18046  einen  könig  Gavomet  von  Arabien  mit  zwei 
brüdem,  Felde  und  Efroi,  Laamez  von  Babylon  und  seinen  Schwester- 
söhn  Aschalone,  und  deren  verwanten,  einen  Jüngling  aus  Syrien 
der  Väruch  wcls  genant^  auftreten.  Cavomet  führt  auch  einen  anker 
im  Wappen,  und  scheint  ein  ontstelter  Gahmuret,  den  der  französische 
vordichter  Heinrichs  jedoch  nicht  aus  unserm  Wolfram  kann  entnom- 
men haben,  und  ebenso  deutet  könig  Efroi,  der  ausserdem  in  den 
bekanten  romanen  nicht  vorkomt,  auf  jenen  wälschen  Evrawc.  Das 
zum  gründe  liegende  französische  gedieht  muss  spätestens  1200,  wenn 

1)  S.  meine  Beiträge  zur  brittischen  und  celtiBchgermaiiiBchen  Heldensage. 
QuedÜDborg  und  Leipzig.  1817.    Absclin.  IV.  Finn  und  Heogest 


GUIOT  VON  PROVBHOB  40ä 

nicht  schon  früher  vorhanden  gewesen  sein.  —  Hier  liegt  ein  fuchs 
im  loche,  der  noch  ergraben  werden  muss!  Vielleicht  findet 
sich  auch  noch  ein  bis  jezt  verschollener  GkihmiurottC#man.  —  Dass 
die  deutschen  namen  und  ihre  geschichten  im  „Parcifiit^  aber  nur  bei 
Gahmuret  erzählt  werden,  und  ohne  beziehwig  zu  Fticafis  stehn,  ist 
für  mich  ein  anzeichen,  dass  beiderlei  elemente  erst  i^oa  dem  Franzo- 
sen, evt.  Kyot,  kombiniert  sind. 

§  15.  Schon  M.  Haupt  hat  bei  seiner  ausgebe  von  Hartmanns 
Erek  auf  die  namen  aufmerksam  gemacht,  welche  v.  1628  — 169^ 
als  teilnehmer  an  Artus  tafeirunde  genant  werden:  worunter  viele 
sind,  welche  auch  in  Wolframs  Parcival  sich  finden,  und  die  nicht 
sämtlich  mit  denen  in  Crestiens  Erec  (1.  c.  XI)  übereinstimineny  die 
Hartmann  also  anderswoher  muss  entnommen  haben,  und  ex  komt 
neben  andern  gründen  daher  zu  dem  schluss,  dass  CrestieiU  Erec 
nicht  Hartmann  zur  vorläge  gedient  habe.  Es  ist  für  unsern  zweck 
nicht  unwichtig,  heraus  zu  spüren,  wo  und  in  welcher  beziehung 
gewisse  namen  in  der  französischen  oder  deutschen  litteratur  vor 
Wolfram  sich  vorfinden.  Denn  wenn  Wolfram  sie  irgendwo  ent- 
lehnt hat,  so  müssen  sie  doch  schon  in  älteren  französischen  romanen 
vorhanden  gewesen  sein.  Abgesehen  von  den  fast  in  allen  romanen 
widerkehrenden  haupthelden,  Lancelot,  Parcival^  Tristan,  Erec,  Iwein, 
Gawan,  Segramors,  erscheint  es  besonders  auffällig,  dass  Erec  1650 
den  Titurel,  und  1690  den  öanatulander  (=  Schianatulander)  nent, 
die  wir  nur  aus  Wolframs  Parcival  und  Titurel  kennen,  und  die  mei- 
nes Wissens  bis  jezt  in  französischen  romanen  nicht  entdeckt  sind.  Hat 
Hartmann  sie  erfunden?  wogegen  der  neben  Titurel  genante  Blioblehe- 
rin  (bei  Crestien  Bleableheris),  in  Hartmanns  Iwein,  4705  als  Plfople- 
herin  und  P.  134,  28  als  Pliopleheri,  von  Orilus  getötet,  erscheint 
Nach  P.  271,  15  nahm  Parcival  den  speer,  den  der  wilde  Taurian, 
Todines  bruder  in  Trevrecents  klause  vergessen  hatte,  mit  sich;  doch 
legt  Wolfram  urtümlich  dem  Taurian  den  beinamen  „der  Wilde''  bei, 
der  nach  Er.  1636  und  Crestien  „Dodinez  li  sauvages,^  dem  Dodines 
gebührt.  Auch  Iwein  8f,  4696,  4705  erscheint  Dodines  der  wilde, 
Wigalois  458  ohne  den  zusatz,  dagegen  in  Ulrichs  Lanz.  7098  als 
Dodines  der  wilde  mit  den  breiten  banden,  der  das  land  des  königs 
von  Irland  verheerte,  Lanz.  7107,  7115,  7154.  —  Maurin  „mit  den 
schönen  Schenkeln,^  söhn  des  Isajes,  auf  den  das  marschalamt  an 
Artus  hofe  vererbt  ward  (P.  662,  19  —  25)  erscheint  in  Ulrichs  Lanz. 
3052  als  von  Erec  besiegt  und  gefangen  zur  geliebten  gesant,  her  Mau- 
rin  mit  den  liehten  schenkein;  und  eod.  3487  sass  er  bei  vrou  Aden, 
welche   den  Lot  und   Maurin   wider  frei  gab.     In  dem  von  Haupt 

26* 


(Zeitschr  f.  d,  a.  lui  X[.  4»(i)  mitgeteilten  bruclisLfick  eines  tuH.  Artos- 
romaos  wird  Uaurin  hart  ?er«nindet  nach  Muuipbilia  gebracht;  den- 
DOcb  fehlt  er  bei  Creetiea.  —  Bin  teil  der  von  Hartmann  genaoten 
uamen  findet  sich  bei  Crestien  nie  bei  Wolfram,  dagegen  fehlen  bei 
Crestien  die  auch  anderswo  erscheinenden  Itber  von  Gabeviez,  Kqui- 
not  (Ehcunat,  Ehkunaver),  Gahillet  (Kailet)  von  Hochturasdi  (^Hm- 
kurast),  Ider  fil  Noyt  (in  den  wälschen  sugen  iiervorragend ) .  uoil 
Marlivliot  von  Katelange .  die  wir  aus  Wolfram  keuoeu ,  und  die  Hart- 
mann wo  anders  mitss  entnommen  haben.  Von  dem  von  ihm  genfto- 
len  Garel  haben  wir  auf  franzöaiaeher  grundlage  berulieude  romane  dea 
Pleier  Über  „Melerann"  und  dessen  söhn  „öarel."  dessen  geschichte 
mit  der  des  ßhkunaver  von  Kanedich  in  Verbindung  steht;  wie  es  such 
noch  andre  erzählungen  gab,  worin  Gawan  und  Segramors  bauptper- 
sonen  sind.  —  Wolfram  müste  doch  die  ausgedehnteste  kentiiis  der 
französischen  litteratnr  gehabt  haben,  wenn  er  seine  beihluligen  und 
uns  mehrfach  dunklen  anspieluDgen  auf  itbseitBliegende  begebeuheiteu 
und  personen  sich  selbst  gesucht  habi>n  solte;  noch  weniger  kann  er 
sie  nach  den  vorhandnon  spuren  derselben  wilkfürlich  erfunden  habeQ. 

§  16.  Kiuen  schlagenden  beweis  für  die  mannigfache  bearbeituag 
derParcival-  und  Üralgeschichten  liefert  Uocbat  selbüt  in  seiner  scbrift 
über  den  „Percheval  li  Galois"  dea  Beruer  mannscripts.  Gleich  itn 
anfang  des  gedichts  macht  ein  jager  dem  Parcival,  der  bpreite  fertiger 
beld  ist,  vorwürfe,  dass  er  am  hofe  des  tiscberk5nigs  nicht  gefragt 
habe.  Also  die  geschichte  seiner  Jugend  und  seiner  fahrten  bis  nach 
jenem  ereignis  wird  als  bekant  vorausgesezt ,  und  die  ersten  zeilen  dea 
gedichts  bezieben  sich  auf  le  hon  conte  de  Psrcheval  und  te  Itattt  livre 
de  Greta.  Zwar  ist  Parcival  auf  der  Gralauche,  aber  diese  ist  durch 
die  alfaire  Parcivals  mit  dem  hund  und  birschkopt,  die  er  seiner  gelieb- 
ten widerbringen  will,  dergestalt  zur  seite  und  in  den  bintergrnnd 
gedrängt,  dass  der  dichter  erst  am  Schlüsse  seines  gedichts  darauf 
ausfllbrlich  nachholend  zorückkomt.  fiuud  und  birschkopf  sind  selbst 
in  ihrer  modulation  eine  parallele  des  brackeuseils  im  Titnrel.  —  §7 
erinnert  ferner  an  den  erschlagenen  Schianatalander,  der  hier  Odiniaaa 
heisst.  %  12  streift  an  Parcivals  erlehnissc  mit  Konduiramur,  die  hier 
wie  hei  Crestien  BlancheSeur  heisst,  und  von  Augingueron  und  Clama- 
dien  (Kingrimnrsel  und  Klamide)  bedrängt  wird.  Im  $  17  empf&ogt 
Parcival  belehrung  zum  gottesfürehtigen  wandel  vom  eremiten,  und 
über  den  fischerkönig,  den  Gral,  die  h.  lanze  und  dasschwcrt,  und  das 
ende  schliesst  sich  der  legende  an.  Der  Inhalt  stelt  in  vielen  pasaageo 
sich  zvfischen  das  märehen  von  Peredur  mit  stark  waischer  ftrbung 
nnd  Crestiens  erzählung;  doch  gibt  Kocliat  selbst  zu  (s.  166),  dass  des 


ÄÜIOT  VON  PBOTBXCB  405 

dichters  vorläge  nicht  Grestien  noch  Eiot  gewesen  sein  kann,    und 
beruft  sich  dieselbe  auch  mehrfach  auf  schon  geschriebene  bücher. 

§17.  Noch  stärkeres  Zeugnis  für  die  freiheit,  mit  welcher  mit 
dem  reichhaltigen  sagenstoff  der  tafeirunde  und  des  Orales  umgesprun- 
gen ward,  gibt  uns  endlich  auch  ^die  Krone"  des  Heinrich  vom  Türlin,^ 
die  Haupt  in  das  jähr  1220  sezt,  die  also  zwar  nach  Wolframs  zeit 
in  Deutschland,  aber  in  Frankreich  wol  schon  zu  ende  des  12.  Jahr- 
hunderts gedichtet  sein  muss.    Es  heisst  v.  217: 

Nu  wü  tu  der  tihUBre 

von  känec  Artus  ein  mcere 

sagen  ze  beejserungej 

dae  er  in  tiutsche  ssunge 

van  franzois  hat  gerihtet, 

ah  er  ea  getihtet 

ze  Karlingen  geschriben  las; 

wan  er  so  gderet  uHis, 

daz  er  die  spräche  künde 

246.   Ez  ist  von  dem  Türlin 

Heinrich  — . 
Er  kent  Wolframs  Parci val ,  Hartmanns  Erec  und  Iwein ,  Wimts  Wiga- 
lois  und  andre  dichter:  Beiumar,  Dietmar  von  Eist,  Heinrich  von 
Rugge,  Friedrich  von  Husen  u.  a.  m.  unzählige  male  beruft  er  sich 
auf  die  äventiure,  daz  nksre,  daz  bu^och,  diu  fabd  an  dem  buoche, 
als  ichz  wdsch  gelesen  hän;  er  nahm  dojs  maere  üz  einem  exemplary 
der  dises  buoches  herre  (besitzer  oder  auftraggeber  ?)  ist  v.  30002. 
Dass  er  wirklich  französisch  verstand,  und  das  buch  in  dieser  spräche 
geschrieben  war,  beweisen  stellen,  wie 

y.  23260:   als  ich  ez  en  franzois  las. 
24791:   er  sprach  älsd  en  franzeis: 

Artus  fier,  gentil  roiSj 

daz  sprichet:  edeler  hünec  hir. 
25837:   Als  ein  schevaiier  errant^ 

daz  sprichet:  als  ein  recke, 
Meister  Cristian  von  Trois  wird  mehrmals  lobend  erwähnt.  Der  haupt- 
held  Gawan  ist  zur  gralsuche  bestimt,  da  Parcival  durch  die  unterlas- 
sene frage  *dazu  untauglich  geworden ;  obwol  auch  Gawan  schon  ein- 
mal beim  gral  gewesen ,  ohne  zu  fragen ,  daher  auch  ohne  erfolg.  Wir 
finden  alle  abenteuer  Gawans,  welche  Grestien  und  Wolfram  erzählen, 
mit  zwar  gänzlich  veränderten  namen  doch  wenig  verändertem  tatsäch- 
lichen,  aber  mit  vielen  andern  neuen  vermischt,  wider.    An  die  stelle 

1)  Ed.  von  Scholl ,  Stuttgart  1852  (Liter.  Verein,  bd.  XXVII). 


406  SAN  -  HARTE 

Klinschors,  den  Crestiea  nicht  nent,  und  persönlich  nicht  auftreten 
lässt,  ist  ein  dem  Artus  und  Gawan  sehr  wolgesinter  zwerg,  zaaberer 
und  pfaflFe  Gansguoter  getreten,  der  jedoch  Arturs  mutter  Igeme  (wie 
sie  richtig  bei  Gottfr.  v.  Monmouth ,  Grestien  und  in  allen  wälschen  erzäh- 
lungen  heisst)  mit  viddn  erwarb,  und  auf  seinem  zauberschlosse  mit 
vielen  andern  rittern  und  frauen  bewahrt,  zugleich  auch  mit  ihrer 
tochter  Orcades  und  niftel  Clarisanz ,  Gawans  Schwester,  die  ihm  nach 
besiegung  der  zauber  zur  ehe  angeboten  wird ,  bis  sie  sich  wider  erken- 
nen; sie  vertritt  Itoniens  stelle  im  ParcivaL  Auch  hatte  Gansguoter 
eine  göttin  zur  Schwester,  die  Gawanen  rat  gibt,  wie  er  sich  beim 
gral  und  dem  alten  könig  zu  verhalten,  und  die  frage  zu  tun  habe. 
Nachdem  dies  bei  der  feier,  deren  apparat  ähnlich  wie  im  P.,  gesche- 
hen, lesen  wir  aber  zu  unserer  Überraschung,  dass  der  alte  könig  dem 
ob  der  frage  erhobnen  algemeinen  freudengeschrei  stille  gebot,  und 
zu  Gawan  sprach:  „Was  du  hier  siehst,  ist  der  h.  gral.  Durch  deine 
frage  hast  du  eine  grosse  schaar  lebender  und  toter  erlöst,  die  bisher 
in  schweren  nöten  waren.  Sie  hoflften  schon  früher  durch  Parcival 
erlöst  zu  werden,  aber  es  gelang  ihm  nicht,  weil  er  die  rettende  frage 
versäumte.  Zu  den  toten ,  die  dir  ihre  rettung  verdanken ,  gehöre  ich 
selbst  mit  meinem  ganzen  hofe;  wir  scheinen  zwar  lebend,  sind  es 
aber  nicht.  Diese  frau  dagegen  (Gansguoters  Schwester)  und  ihre 
gefahrtinnen  leben  wirklich;  ihnen  hat  gott  um  ihrer  reinen  Weiblich- 
keit willen  den  gral  übergeben,  mit  dessen  genuss  sie  mich  jährlich 
einmal  erquickten.  Alle  aventiure,  die  du  in  der  lezten  zeit  gesehen, 
ist  vom  h.  gral  gekommen.  Nachdem  du  nun  alles,  was  dir  oblag, 
glücklich  bestanden  hast,  nimm  als  preis  deiner  ritterlichen  tugend 
dieses  seh  wert,  das  dir  in  allen  kämpfen  zum  siege  helfen  wird.  Den 
gral  wird  fortan  niemand  mehr  zu  sehen  bekommen.  Danke  du  gott, 
dass  deine  äugen  ihn  schauen  durften,  und  frage  nicht  weiter,  was  es 
damit  für  eine  bewandnis  habe ,  denn  das  darf  keinem  sterblichen  geof- 
fenbart werden."  (V.  29098—  29602.)  Darauf  verschwindet  der  alte 
sofort  mit  dem  gral  und  seinem  ingesinde  vor  Gawans  äugen,  und  nur 
die  göttin,  Gansguoters  Schwester,  mit  ihren  frauen  bleibt  zurück ,  und 
am  folgenden  tage  bricht  Gawan  mit  ihnen  nach  Karidol  auf,  das  sie 
indess  unter  manchen  abenteuern  erst  nach  sechs  monaten  erreichen, 
dann  aber  von  Artus  mit  grosseh  freuden  empfangen  werden,  worauf 
feste  so  herlich  veranstaltet  werden,  wie  nie  zuvor  an  Arturs  hofe 
gesehen  worden.  Es  ist  schwer,  mit  mehr  Unverstand  die  hier  unver- 
daute celtische  mythe  vom  totenreich  zu  Avalen  mit  der  christlichen 
legende  zu  combinieren;  wie  überhaupt  von  gewissen  leitenden  ideen 
bei  Heinrich  wenig  zu  spüren  ist    Nur  einige  züge  möchte  ich   zur 


OUIOT  VON  PBOVEKCE 


407 


berücksichtigang  för  die  tadler  Wolframs  berühren:  man  wirft  ihm 
vor,  dass  die  bescholdigung  der  mordtat  Gawans  sich  in  nichts  auf- 
löse. Heinrich  lässt  Qawan  durch  eine  Jungfrau  warnen,  sich  durch 
nichts  auf  seiner  gralsuche  aufhalten  zu  lassen.  Da  fält  ihn  plötzlich 
(v.  16407)  eine  ganze  ritterschaar  streitbegierig  mit  den  rufen  an: 
„er  erschlug  meinen  vater!  —  Mir  brach  er  seine  treue!  —  Mir 
erschlug  er  drei  brüder!  —  Er  hat  meine  Schwester  beschlafen !"  — 
Doch  lässt  er  sich  nicht  irren,  und  reitet  ohne  kämpf  weiter.  Der- 
gleichen nichtige  anklagen  scheinen  in  den  romanen  dem  beiden  ebenso 
stereotyp  anzuhaften,  wie  dem  könig  Artus  die  mehr  oder  minder  frei- 
willigen entfuhrungen  seiner  gemahlin  Guenvivar,  wie  auch  die  der 
Igeme.  In  fßnf  oder  sechs  fomanen  gibt  Ginovers  entfuhrung  oder  ent- 
weichung die  einleitung  zu  reihen  von  abenteuern;  so  wenig  wie  Eyot 
oder  Heinrich  sich  wundert,  dass  Gawan  nicht  sofort  die  Ami ve,  San- 
give  und  Itonie,  und  Igeme,  Orkades  und  Clarisanz  widererkennt,  so 
wenig  wundert  sich  Wolfram  darüber,  und  ist  deshalb  nicht  zu  tadeln, 
zumsü  doch  bald  Gawan  zu  erkennen  gibt ,  dass  e  r  wenigstens  die  sei- 
nigen erkant  hat.  —  Endlich  hat  Heinrich  noch  die  lose  im  publikum 
hemmflattemden  &bliaus  vom  kurzmantel,  vom  maultier  ohne  zäum, 
vom  überlaufenden  becher ,  vom  zauberhandschuh  in  seinen  roman  hin- 
eingezogen, um  den  abenteuerknäul  noch  zu  vergrössem,  wovon  sich 
Kyot  in  seiner  dichtung  gleich  Wolfram  frei  gehalten  hat. 

§  18.  Es  muss  zu  ende  des  12.  Jahrhunderts  in  Frankreich  sich 
die  romanschreiberei  in  einer  wahrhaft  wucherischen  fülle  entwickelt 
haben.  Ein  grosser  teil  der  hauptritter  der  tafeirunde  hatte  bereits 
vor  und  durch  Crestien  seinen  besonderen  roman  erhalten;  wir  wissen 
es  von  Lanzelet  und  Tristan  in  mehrfacher  bearbeitung,  von  Erec, 
Iwein,  Gawan  u.  m.  a.  Um  der  erschöpfung  vorzubeugen,  griffen  nun 
die  romanschreiber  dazu ,  jenen  haupthelden  voreitern  und  nachkonmien 
zu  geben,  und  entnahmen  aus  dem  grossen  abenteuerv errat  unter 
andern  neuen  namen  und  mit  mehr  oder  minder  veränderten  Situatio- 
nen einzelne  zttge  und  abenteuer  fQr  bisher  minder  berühmte  beiden. 
So  sehen  wir  sich  auf  den  Petit  Graal  des  Bobert  de  Boron  die  Queste, 
den  Grand  St.  Graal  und  den  prosaroman  vom  Gral  aufbauen;  andrer- 
seits erhob  Crestien  in  seinen  Contes  del  Graal  den  Parcival  zum  haupthel- 
den, während  seine  fortsetzer,  am  schluss  von  ihm  im  stich  gelassen, 
die  geschichte  in  ziemlicher  Verworrenheit  weiterführten,  jedoch  unter 
festhaltung  der  reliquie.  Wolfram  muss  schon  von  Albrecht  den  tadel 
erfahren  (Tit.  str.  5910),  dass  sein  Willehalm  des  anfangs  und  sein  Par- 
cival des  endes  entbehre,  und  die  französischen  Chansons  vom  h.  Wil- 
helm zeigen,   wie  dessen  leben  stückweise  von  verschiedenen  bänden 


408  SAN -M  ARTE 

vorn  uud  hinten  ergänzt,   und  in  dem  „starken  Bennewart^  und  der 
Moniage  Wilhelms  zum  schluss  geführt  wird.    Der  name  des  Hippo* 
medon,   der  den  Gahmuret  getötet,  ward,  wie  oben  erwähnt,  hervor- 
gezogen, und  zum  helden  eines  besonderen  romans  gemacht;  von  des- 
sen söhnen  Daiiaus  und  Protesilas  entlehnt  der  leztere  deif  namen  des 
Protyzilas,    der   den  geliebten    der  Belakane  Isenhart,    getötet,    und 
fanden   beide   im  Hugues    des  Rotolande   aus   Credinhill   in  Cornwal, 
einem  Zeitgenossen  des  Walther  Mapes,  ihren  geschichtschreiber.^    Die 
Alexanderromane  von  Artus  und  Surdamur  und  Crestiens  Cliget   ver- 
banden sich  mit  den  sagen  des  Artuskreises.     Der  redacteur  des  Mon- 
ser  ms.  des  Parcival  fand  es  für  nötig,   dem  helden  eine,   wenn  auch 
kurze ,  doch  von  Wolfram  und  Kyot  abweichende  Vorgeschichte  zu  geben. 
Das  Berner  ms.  des  Percheval  li  Galois  und  das  Mabinogi  von  Peredur 
giengen  ihren  eignen  weg,  doch  nicht  ohne  anlehnung  an  ältere  dich- 
tungen  und  geschichten,   und  die  karlingische   vorläge    zu  Heinrichs 
„Krone"  warf  dcMi  Parcival  gänzlich  bei  seite  und  schob   den  Gawan 
unter.    Man   kann   es  daher   dem  Zeitgeschmack  und  den  ansprächen 
des  damaligen  lesepublikums  nur  ganz  entsprechend  finden,  wenn  auch 
Kyot  dem  Parcival,   wie  er  ihn  bei  Crestien  oder  anderswo  fand,    die 
Vorgeschichte  seines  vaters  Gahmuret  gab,  und  ist  Wolfram  kein  Vor- 
wurf zu  machen,    dass  er  dieselbe  in  seinem  werke  nicht,    wie  vieles 
andre,  bei  seite  geworfen  hat.  —     Durch  die  ausführliche  und  gründ- 
liche erörterung  der  in  den  ersten  drei  büchern  unsers  gedichts  ange- 
führten beziehungen  auf  für  uns  zur  zeit  unbekante  oder  nur  zum  teil 
bekante  personen  und  ereignisse  hat  Bötticher^  meines  erachtens  zur 
genüge  erwiesen:    „dass  diese  über  Crestiens  Parcival  hinaus- 
gehenden punkte   Wolfram  aus  einer  quelle  nahm,    welche 
nicht    blos   eine    ganz    ausführliche    geschichte   Gahmuret» 
und    Schiauatulanders    enthielt,    sondern    sich    auch    über 
andre  persönlichkeiten  aus  seinem  geschlecht  verbreitete;** 
und  ich  unterschreibe  unbedingt  seine  Schlussworte  s.  439:  „Diejenigen 
erweisen  Wolfram   einen   schlechten   dienst,    welche  ihn   sinlosigkeiten 
und  Widersprüche  erfinden  lassen." 

Bötticher,  1.  c.  s.  432  findet  es  zwar  auffallend,  dass  Wolfram 
erst  im  8.  und  D.  buche  sich  auf  Kyot  beruft,  und  nicht  sogleich 
anfangs.  Allein  von  vorn  herein  hat  er  bereits  erklärt,  dass  er  einer 
aventure  von  fremder  band  folge.^    Diese  speciell  anzugeben,    trat  als 

1)  De  la  Kae,  t.  II,  8.285—296;  und  Weber,  Englische  metr.  Homane, 
t.  II,  8.  279-3t>o. 

2)  6.  XIII,  8.  420  d.  Zeitschr.  „Zur  frage  nach  den  queUeu  des  Parcival." 

3)  Vgl.  4,  II.  12,  3.  15.  13.  58,  16.  59,  4.  73,  il  74,  9.  95,  27.  101,  30. 
115,  30.    123,  14.    158,  13,  et  ccnties. 


GUIOT  VON   PBOVEMCB  409 

notwendigkeit  erst  ein,  als  er  auf  die  bedeutung  des  grals  mit  seiner 
Verfassung  und  die  bildungsphasen  seines  helden  näher  einzugehen 
begann,  und  sich  hier  wesentlich  von  Grestien  entfernte,  dem  damals 
eine  grosse  autorität  in  diesem  sagengebiete  zugeschrieben  wurde.  — 
Dass  Kyot  erst  nach  Grestien  sein  gedieht  ausgearbeitet  hat,  lassen 
die  Worte  P.  827 : 

„06  van  Tfoys  meister  CHstjän 

disem  mtere  hat  unreht  getan 

dae  mac  wol  ßürnen  Kyot, 

der  uns  diu  rehten  maere  enbot, 

nicht  wol  in  zweifei 


n. 

Wir  haben  uns  bisher  darauf  beschränkt,  zur  Widerlegung  der 
gegnerischen  behauptuugen  diejenigen  gründe  zur  geltung  zu  bringen, 
welche  uns  Wolfram  und  Albrecht  und  andere  merkzeichen  der  altfran- 
zösischen litteratur  an  die  band  gaben.  Die  beharliche  Zurückweisung 
desjenigen  Guiot  aber,  den  diese  litteratur  einzig  und  allein  darbietet, 
des  Guiot  von  Provins,  nötigt  uns,  auch  auf  xliesen  nochmals  als 
zeugen  zurückzukommen,  da  er  sich  in  der  tat  nicht  mehr  vornehm 
ignorieren,  oder  mit  einem  achselzuckenden  non  liquet,  worin  Lach- 
mann und  Gervinus  den  jüngeren  vorangegangen  sind ,  abweisen  lässt. 

In  der  einleitung  meiner  ausgäbe  der  „Bible  Guiot**  (Parcival- 
studien,  bd.  I)  habe  ich  angefuhitb,  dass  es  unberechtigt  sei,  aus  unserm 
nichtbesitz  eines  Parcivalromans  von  Kyot  auf  dessen  nichtsein 
zu  schliessen,  wie  es  ja  auch  ebenso  unberechtigt  ist,  Wolfram  kurz- 
weg einen  lügner  zu  schelten,  weil  er  uns  das  in  bezug  genommene 
buch  nicht  wirklich  vorzeigen  kann.  —  Zugegeben  yrird ,  dass  der  von 
Wolfram  genante  Eyot  nordfranzösisch  geschrieben  haben  muss,  wie 
die  in  unserm  „Parcival**  mitgeteilten  französischen  phrasen  und  flos- 
keln  beweisen;  aber  über  die  unnatürlichkeit,  dass  ein  provenzale 
nordfranzösich  geschrieben  habe,  wird  zu  leichtfertig  hinweggegangen, 
um  nicht  anstoss  %u  erregen.  Aach  Bartsch,  der  einen  Guiot  von 
Provence  statuiert,  hat  bei  seiner  namenerklärung,^  und  öfter  in  seiner 
ausgäbe  des  Parcival  das  provenzalische  zur  worterklärung  herangezo- 
gen, obwol  ihm  Guiot  selbst  den  schelmischen  streich  spielt,  dass  sein 
name  als  deminutiv  von  Gui  seine  nordfranzösische  heimat  verrät,  da 
er  provenzalisch  Guionet  muste  genant  werden.     Wir  lesen  aber  in 

1)  Germ.  Studien,  Supplem.  zur  Germania.    Wien,  1875»  bd.  II,  s.  114  fg. 


410 

der  Bible  (t.  70).   dass  Gniot  in  Arles,  also  im  afidfiehen  Fnakradi, 
auf  der  schale  gewesen,  wo  er  ober  die  klassiker  und  philosophen  der 
Torzeit  belehrt  worden  ist    Er  war  zu  Monpellier,  das  dmmalH  sdion 
ein  angesehener  sitz  der  Wissenschaft  mit  lehrstöhlen  der  medicin  unter 
Schülern  des  Arerroes  und  Ancenna  (t.  425.  2618)  war,  und  in  bekant- 
schaft   mit  dem  adel  der  dortigen  gegend;  nicht  ohne  ruhmredigkdt 
fuhrt  er  in  langer  reihe  diejenigen  könige,  fursten,  grafen  und  andere 
edle  auf,  mit  denen  er  persönlich  bekant  geworden  und  von  denen  er 
woltaten  und  gunstbezeugungen  empfangen,   die   er  nach  widerholter 
Tersicherung'  selbst  gesehn ,  und  an  deren  höfen  und  auf  ihren  schlOssem 
er  wol  mehr  als  die  wenigen  auf  uns  gekommenen  lieder  wird  gedich- 
tet und  gesungen  habrn.    Ich  hebe  als  solche  nur  henror  den    könig 
Ludwig  von  Frankreich  (v.  315).  könig  Heinrich  und  seinen  sehn  (310), 
den  könig  Richard  ("322).  den  grafen  von  Bourgogne  (333),  grafGrerard 
von  Vienne  in  Dauphine  (335).  den  könig  von  Arragon  Alphons,   den 
dichterfreund,   le  chaste  roi  (337).   und  seinen  bruder  Berengar  (339, 
340),    den  grafen  von  Provenece  (340).    graf  Raimund  von  Tonlonse 
(342),    Robert  von  Salveil  in  Languedoc  (373).   Bernhard  d'Annagnae 
(380).  das  bröderpaar  in  Marseille  (398),  die  Paucigny,  Flavigny,  Bas- 
signy  usw.  usw.   (man  s.  die  historischen   notizen   zu  den  namen  im 
Wörterbuch  zur  Bible).    Bei  so  viel  bewegtem  leben  in  den  höheren 
und  höchsten  kreisen   des  südlichen   Frankreichs  durfte  ihm    wol    ein 
anfing  des  Provenzalischen  anhängen  bleiben,   ohne  dass  er  damit  sein 
geburtsland  verleugnet  hätte.  —    Aber  auch  mit  den,  die  dichtkunst 
lebhaft  fordernden  höfen  von  Champagne  stand  er  in  näherer  beziehung. 
Er  nent  Heinrich  von  Champagne  (35(0.   Henri  au  court  mantel,   der 
von  1180  bis  1196  regierte,   desgl.  325.  graf  Thibaut  328,  und  Endo 
von  Champagne  471. 

Vor  allen  andern  wichtig  aber  ist  uns  die  erwähnung  des  gra- 
fen Philipp  (330),  dessen  preis  er  mit  besondrem  nachdruck  her- 
vorhebt: 

Li  quens  FhiUppes  qui  refu. 

Diex,  quel  terrier.  quel  escu! 

Es  ist  wol  kein  andrer,  als  graf  Philipp  von  Elsass.  graf  von  Flan* 
dem.  Vermandois  und  Artois,  ein  genauer  Zeitgenosse  aller  der  übrigen 
genanten,  der  seine  Schwester  Margareta  I  beerbte,  zuerst  mitregent 
seines  vaters  Dietrich  von  Elsass,  und  von  1168  oder  1169  ab  allein- 
regent  war,  bis  er  1191  vor  Acre  starb  (Holland,  Crestien  ▼.  Troyes, 
s.  6  —  8).  Dieser  war  es ,  der  dem  Crestien  das  buch  gab ,  wonach  er 
seine  Contes  del  Graal  dichtete.  Aber  Crestien  starb  um  1190,  und 
binterliess  sein  werk  unvollendet    Wir  sehn,  wie  begierig,  auf  Cre- 


0X7I0T  VON  PBOVENCB  411 

stiens  litterarischem  rühm  fussend,  zwei  und  drei  fortsetzer  nach  sei- 
nem unvollendeten  gedieht  griffen,  um  es  weiter  zu  fahren,  und  liegt 
es  daher  keineswegs  ausser  der  möglichkeit,  vielmehr  sehr  nahe,  dass 
auch  Guiot  sich  dasselbe  buch,  das  Crestien  benuzt  hatte,  zu  seiner 
arbeit  von  seinem  gönner  Philipp  erbat,  und  somit  neben  einsieht  der 
Crestienschen  dichtung  nach  ihm  aus  gleicher  quelle  schöpfte.  Denn 
dass  diese  quelle  wirklich  vorhanden  war,  lässt  sich  doch  nur  dann 
leugnen,  wenn  man  Crestien  ebenso  wie  Wolfram  der  Ifige  bezichtigen 
will,  was  noch  niemandem  eingefallen  ist.  —  Seine  Bible  schrieb 
Guiot  zwischen  1203  und  1208,  er  hatte  daher  seit  1190  hinreichend 
zeit,  bis  zu  Wolframs  „Parcival"  1204  sein,  noch  viel  mehr  als  Cre- 
tiens  werk  enthaltendes  gedieht  zu  vollenden.  Es  wird  daher  auch  fer- 
ner gewagt  sein,  in  unserm  Parcival  die  mit  Crestien  mehr  oder  min- 
der in  beziehung  stehenden  aventuren  allein  auf  dessen  Contes  del  Graal 
zu  basieren,  zumal  sie  vorzugsweise  in  den  namen  der  personen  ver- 
ändert oder  ergänzt  sind,  und  diese  meistens  eine  ft'anzösische  Wortbil- 
dung zeigen,  wir  also  deutlich  die  einmischung  einer  fremden  band, 
die  nicht  dem  deutschen  Wolfram  angehört,  erkennen.  Wol  aber  dürfen 
wir  annehmen,  dass  Crestien  und  Guiot  sich  hinsichtlich  des  tatsäch- 
lichen in  sehr  grosser  Übereinstimmung  mit  ihrem  gemeinschaftlichen 
original,  das  Guiot  vielleicht  als  „Chronik  von  Anjou"  bezeichnet  hat, 
gehalten,  und  dass  weder  Guiot  noch  Wolfram  den  Crestien  pure 
abgeschrieben  haben. 

Bei  solcher  zurückdrängung  Crestiens  als  quelle  Wolframs  treten 
aber  auch  gewisse,  in  meiner  ausgäbe  der  Bible  hervorgehobene  stel- 
len in  ein  helleres  licht: 

B.  191:  dex!  com  estoient  honore 
li  saige,  li  hon  Vavasor! 
eil  furent  li  conpilleor 
qui  savoient  qu^estoit  resons; 
eil  eonsseilloient  les  Barons  . . ) 

entspricht  dem  lobe  des  treuen  Vasallen  Lippaot,  dem  der  könig  Schaut 
auf  dem  todbette  seinen  söhn  Meljanz  zur  pflege  und  lehre  empfahl: 

P.  345,  2 :    der  fürste  was  sin  hohster  man, 
gegen  triwe  also  hewteret^ 
aller  vaischheit  erheret; 
den  bater  zielien  sinen  suon, 
er  sprach:  du  mäht  an  im  nu  tuon 
diner  triwe  hantveste. 
desgleichen : 


412 


SAH-MABTX 


B.  516:  molt  por  est  fox,  cU  qui  a  ricHj 
quant  il  ne  s^en  fet  aucun  bien; 
s'ü  fCen  fet  bien  lui  et  autri^ 
ge  di,  Vavoirs  fCest  mie  lui. 
tnoU  assenMe,  et  pou  esploite, 
ei  com  plus  a,  et  plus  covoite. 
ja  li  siedes  nHert  (Msages: 
non,  D^cMes  en  ant  assee, 

die  lehren  des  Gnrnemanz  an  Parcival  widerholend: 

P.  171,  7:    ir  sult  bescheidentiche 
sin  arm  unde  riche. 
wan  swä  der  hirre  gar  vertuot, 
daz  ist  niht  herlicher  muot. 
sament  er  ab  schätz  ze  sere, 
daz  sint  och  unere. 

Fast  wörtlich  widerholt  Wolfram  P.  241,  21—30,  was  Guiot  B.  606  — 
621  üßer  den  wert  seiner  rede  nnd  das  Verständnis  derselben  sagt.  — 
Auf  die  Plünderung  Eonstantinopels  von  1204  spielt  ebenso  P.  563 ,  8 
wie  B.  775  —  780  an. 

B.  1909:    molt  tost  se  despiece  et  esmie 

la  foiUe  huevre  qui  luist  defors, 
sor  le  cuivre  luist  bien  li  ors; 
Mes  tost  faut  cde  doreure. 
ist  ähnlich  wie 

P.  3,  11 :  manec  mhes  schcene  an  lobe  ist  breit: 
ist  da  daz  herze  conterfdt, 
die  lob  ich  als  ich  solde 
daz  safer  ime  golde. 

Man  vergleiche  über  den  einfluss  des  weibes  B.  2126  -—  2133  mit  P.  291, 
292  Ober  die  Untaten  der  minne.  —  Es  sind  dies  zwar  meistens  alge- 
meine grundsätze  und  gemeinplätze  in  der  Bible,  aber  da  sie  feist 
wörtlich  bei  Wolfram  sich  widerholen,  so  klingen  sie  vernehmbar  me 
reminiscenzen  Guiots  aus  seinem  roman  an,  da  keine  spur  verrät,  dass 
Wolfram  die  Bible  gekant  hat.  Wie  dem  auch  sei,  so  zeigen  diese 
parallelstellen  wenigstens  in  ihren  lebensansichten  eine  grosse  geistes- 
verwantschaft  beider  dichter. 

Erheblicher  scheint  folgendes.  Da  Guiot  in  Syrien  war ,  dort  den 
könig  Amalrich  sah  (347),  femer  die  hospitaliter  und  tempelherren, 
leztere  in  ihrer  hervorragenden  herlichkeit,  beobachtete,  so  wird  auch 
ihm  die  idee  nicht  abzusprechen  sein»   diesen  orden  als  vorbild  seiner 


«üiOT  VON  pRovmroB  413 

Gralgemeinde  zu  nehmen;  und  sie  sind  der  einzige  orden,  dem  er  volle 
anerkennung  und  ehre  spendet. 

B.  1706:    MoU  sont  prodomme  li  Templier; 
lä  se  rendent  li  Chevalier, 
qui  ont  le  siecle  asaoori 
et  ont  et  veu  et  taste, 
lä  ne  fet  pas  borse  chascutiy 
et  s*est  tou0  li  avoirs  aün, 
c^est  Vordre  de  Chevalerie, 
a  grant  hanor  sont  en  Stme  .  . . 

Nur  mit  prophetischem  geiste  warnt  er  sie  vor  habsucht  und  Über- 
mut {orgueil),  fehler,  die  freilich  später  ihren  Untergang  herbeigofahrt 
haben :  und  orgueil  ist  die  materia  peccans  bei  Amfortas ,  Parcival  und 
Orgeluse. 

Da  Guiot  die  reise  nach  dem  Orient  gemacht  hat,  und  dabei 
auch  sehr  wol  die  dynasten  von  Steiermark  besucht  haben  kann,  und 
er  dem  könig  Ludwig  dem  Frommen  von  Prankreich  (1131  — 1180) 
B.  315,  so  wie  den  beiden  Heinrichen  von  England  B.  319  seinen  preis 
zolt,  so  gewint  für  mich  die  ausfuhr ung  s.  21  meiner  ausgäbe  der  Bible 
auch  neue  bestätigung,  dass  Guiot  zur  ehre  des  hauses  Anjou  auch 
die  episode  von  Gandine ,  Bohaz  und  Greian  in  seinen  roman  eingeführt 
hat,  da  sie  sich  bei  Crestien  oder  sonst  wo  nicht  findet;  und  es  fehlt 
aller  anhält  zu  der  annähme,  dass  Wolfram  sie  auf  eigne  faust  erfun- 
den und  hinzugedichtet  habe.  Für  Guiot  war  es  eine  passende  reise- 
reminiscenz,  die  er  dem  Trevrecent  in  den  mund  legte. 

Die  vielen  Wanderungen  Guiots  und  seine  ausgedehnten  kentnisse 
machen  es  ebenso  erklärlich  ^  dass  ihm  die  italische  sage  von  Yirgil 
und  Elinschor  bekant  geworden,  die  er  höchst  sinnig  in  seinen  roman 
einfügte,  wozu  der  wälsche  Merlin  in  keiner  weise  zu  brauchen  war. 

Dass  endlich  Wolfram  den  Guiot  einen  Provenzalen  genant  hat, 
beruht  sonnenklar  auf  misverständnis  des  der  schrifb  unkundigen  dich- 
ters,  wie  ich  Farc.  -  Studien  1 ,  15  ausgeführt  habe.  Hörte  er  das  wort 
Provins  richtig  aussprechen,  so  müste  er  es  als  Provenz  niederschrei- 
ben lassen,  wie  es  auch: 

P.  827,  9:    von  Provene  in  tiuschiu  lant 

diu  rehten  nuere  uns  sint  gesant . 

wirklich  geschrieben  steht.  Und  wurde  ihm  das  Provenz  wider  richtig 
Provance  vorgesprochen,  so  konte  er  in  der  ableitung  den  Verfasser 
nur  zu  einem  Provenzalen  machen. 

P.  827,  5 :   endehaft  gikt  der  Provenzäl. 


414  SAir-icAaTi 

Wolfram  selbst  kann  in  diesem  punkt  am  allerweui^ten  als  entschei- 
dende autorität  angerufen  werden. 

Nach  den   bisherigen  ausführungen  darf  man  Wolfram  wol  Yon 
der  erhobenen  anschuldigung  der  lüge  freisprechen ,  und  die  frage  nach 
einem  Guiot  von  Provenze,  von  dem  weder  die  nord-  noch  südfran- 
zösische litteratur  eine  spur  verrät,    als  beseitigt  erachten.     Hinsichts 
der  frage  nach  der  autorschaft  des  Qniot  von  Provins  aber  glaube  ich 
die  apodictische  ablehnung  derselben  insoweit  meinen  gegnern  gegen- 
über wankend  und   sein  dasein  und  wirken  wahrscheinlich  gemacht  zo 
haben,  dass  ich  im  civilprozess  mich  zur  Zulassung  zum  erfüllung^eide 
qualificieren  würde.  —    Nach  Holland  (Crestien  de  Troyes,  s.  9)   kann 
es  als  ausgemacht  betrachtet  werden,   dass  die  Champagne  mit  Flan- 
dern den  bedeutendsten  anteil  an  der  altfranzösischen,    sowol  epischen 
als  lyrischen  poesie  genommen  hat,  minder  nicht  wie  Paris  und  die 
Normandie,   welchen  der  rühm  dieser  poetischen  kultur  nicht  vorzugs- 
weise zuzuerkennen  ist.    Auch  Heinrich  vom  Türlin  hat  das  buch  zu 
seiner  „Krone^  ausEärlingen  erhalten.    Auch  die  Niederlande  haben 
dieses  gebiet  der  litteratur  mit  grosser  hingebung  bearbeitet.    Vielleicht 
gelingt  es  Jonckbloet  noch,  in  einer  niederländischen  bibliothek  dem 
original  Guiots  aui'  die  spur  zu  kommen,   was  den  gordischen  knoten 
völlig  lösen  würde. 

Überschauen  wir  das  uns  mehr  oder  minder  klar  vorliegende 
gesamte  material,  so  treten  uns  als  romanhelden  entgegen: 

1.  Gahmuret  und  Belakane  mit  Feirefis  gehurt,  seine  züge  zum 
Baruch,  das  turnier  zu  Eanvoleis  mit  den  nebenzweigen:  Galoes  und 
Amflise  und  Eailet  und  Hardiess;  die  Vermählung  mit  Herzeloyde ,  Par- 
civals  geburt,  und  seinem  zweiten  zuge  zum  Baruch,  in  dem  er  durch 
Hippomedon  sein  ende  findet. 

2.  Parcival  und  Eonduiramur,  mit  seinem  connex  mit  der  gral- 
familie,  seinen  irr-  und  bussfahrten  bis  zur  erhöhung  zum  gralkönig. 

3.  Gawan  mit  seinen,  mehrfach  auch  anderswo  erzählten  vielen 
abenteuern. 

4.  Schianatulander  und  Sigune,  der  als  rächer  Gahmurets  an 
Hippomedon  die  heldenfahrt  nach  dem  Orient  siegreich  vollendet,  doch 
endlich  vom  feindseligen  Orilus  im  kämpfe  getötet  wird. 

5.  Ehkunat  von  Berbester,  der  ursprüngliche  besitzer  des 
unseligen  brackenseils ,  der  den  tod  Schianatulanders  an  Orilus  rächt  — 
also  fünf  heldenleben,  deren  jedes  stoff  zu  einem  eignen  roman  h&tte 
geben  können,  und  vielleicht  auch  gegeben  hat,  die  aber  Guiot  allem 
anscheine  nach  in  einen  einzigen,  allerdings  überlangen  roman  ver* 
schmolzen  hat ,  da  ja  die  einzelnen  begebenheiten  und  persooen  in  viel- 


OUIOT  VON  PROVENCE  416 

fache  und  enge  Wechselbeziehungen  gesezt  sind.  Den  schlnss  macht 
die  erhebnng  des  Feirefis  mit  seinen  ritterlichen  liebesabenteuem,  auf 
den  ersten  beginn  des  ganzen  zurückweisend,  und  seine  Wanderung  mit 
dem  gral  nach  Indien,  womit  alle  weitere  nachfrage  nach  demselben 
ihr  ende  findet. 

Gervinus^  ist  zwar  so  herablassend  gewesen,  mich  als  „den  uner- 
müdlichsten Verehrer,  den  Wolfram  von  Eschenbach  in  Deutschland 
besizf^  zu  bezeichnen:  und  in  der  tat  hat  dieser  dichter  als  ein  nun 
mehr  als  fünfzigjähriger  freund  mich  treulich  durch  das  leben  in  heit- 
ren und  trüben  tagen  begleitet,  wie  er  auch  heute  noch  mir  den  abend- 
himmel  sonnig  erleuchtet;  wogegen  Franz  Pfeifer  in  seiner  recension 
meiner  Parcivalstudien *  mir  doch  einiges  verdienst  (er  sagt  sogar, 
niemand  habe  grösseres  und  bleibenderes)  um  das  tiefere  Verständnis 
unsers  Farcival  und  der  Gralsage  zugesteht.  Worauf  aber  beruht  denn 
diese  beharliche  Verehrung  und  das  verdienst,  wenn  der  Inhalt  der 
dichtung  voll  und  ganz  schon  Wolfram  überliefert  war,  der  Franzose 
ihm  auch  in  seiner  häretischen  richtung  vorangieng,  und  die  winke 
und  fingerzeige  ihm  angab,  denen  er  nur  zu  folgen  hatte? 

Aus  den  oben  angeführten  fünf  lebensläufen  wird  ohne  zweifei 
auch  Bochat  erkennen,  dass  Wolframs  gedieht  nicht  blos  f&r  eine  treue 
Übersetzung  des  französischen  Vorbildes  zu  halten  ist.  Lachmann  und 
andre  haben  versucht,  die  ausserhalb  des  „Farcival'^  liegenden  und 
nebenbei  erwähnten  partieen  in  eine  zusanmienhängende  reihenfolge  zu 
bringen;  allein  schon  Grestien  gieng  darauf  aus,  die  figur  des  Farcival 
aus  dem  gewirr  heraus  zu  lösen  und  in  gewisser  Selbständigkeit  fort- 
zuführen. Guiot  folgte  ihm  zwar  darin,  aber  verschmähte,  Grestiens 
fortsetzern  in  die  dogmatische  mystik  der  legende,  wie  sie  sich  in  den 
Gralromanen  entwickelte,  zu  folgen,  behielt  augenscheinlich  aber  den 
ganzen  übrigen  romanstoflf  in  seinem  werke  bei.  Wolfram  aber  stelte 
sich  die  aufgäbe,  aus  diesem  weitgesponnenen  gewebe  nur  die  momente 
hei-auszulösen ,  die  seiner  sogleich  im  dingang  seines  gedichts  dargeleg- 
ten grundidee  unmittelbar  zu  deren  plastischer  durchführung  dienten; 
und  diese  aufgäbe  war  keine  leichte ,  sondern  erforderte  zu  ihrer  lösung 
ein  hochbegabtes  dichtergenie ,  das  ihm  ja  auch  allerseits  zuerkant  wird. 
Es  bewährt  sich  nicht  blos  in  der  lebensvollen  darstellung  und  grup- 
pierung  der  einzelnen  begebenheiten,  sondern  auch  vorzugsweise  in  der 
vergeistigung  und  Vertiefung  der  hauptcharaktere  —  ein  punkt,  der 
bei  den  Franzosen  wie  den  übrigen  deutschen  kunstdichtern  mit  aus- 

1*)  Geschichte  der  deutschen  Dichtung,  Ed.  5.    Leipzig»  1875.    Bb.  I,  ö8ö. 
2)  Germania»  1861,  bd.  VI,  285. 


416  RAK'MABTil 

nähme  Gottfrieds  von  Strassburg  iu  der  regel  gar  nicht,  oder  nur  sel- 
ten und  höchst  massig  hervortritt.  Es  bewährt  sich  endlich  durch  die 
feste  geschlossenheit  und  klarheit  des  grundrisses  seines  kunstvollen 
gebäudes  in  scharfer  sonderung  und  Wechselbeziehung  der  drei  über 
das  menschengeschlecht  waltenden  mächte  in  Munsalväsche ,  Tafelrunde 
und  Schastelmarveille ,  und  die  staffeln  zum  heilswege  tragen  deutlich 
die  inschriften:  tumpheity  euAvel,  saelde. 

Mit  vollem  klaren  künstlerischen  bewustsein  stelt  er  sich  hoch 
Ober  den  ihm  vorliegenden,  weit  ausgebreiteten  und  fast  chaotischen 
sagenstoff,  und  schaltet  damit  nach  seiner  einsieht  in  voller  freiheit, 
die  unerheblichen  nebenepisoden  leichthin  streifend  oder  als  bekant  vor- 
aussetzend ,  den  kernpunkt  des  ganzen  gedichts  doch  stets  fest  im  äuge. 
£s  ist  ein  unberechtigter  tadel,  ihm  gewisse  unklar  gelassne  unbedeu- 
tende partieen  und  nebeubeziehungen  zum  Vorwurf  zu  machen  ^  zumal 
in  einem  sagengebiet,  das  in  dieser  litteraturperiode  als  ein  gemeingut 
betrachtet  wurde,  in  das  jeder  dichter  beliebig  bineingriff,  und  für  sich 
unter  andren  namen  und  etwas  Umgestaltung,  ohne  rücksicht  auf  litte- 
rarisches eigentum  und  achtung  der  Originalität  eines  andern,  heraus- 
nahm, was  ihm  für  seine  neue  dichtung  brauchbar  schien.  Hier  muss 
die  neugier  und  krittelei  unserer  modernen  kritiker  sich  zügeln  und 
bescheiden.    Wolfram  sagt 

P.  114,  13:    ich  kan  ein  teil  mit  sänge, 
obwol  er  würdiges  schildesamt  im  leben  höher  stelt  als  sangeskunst, 
doch  P.  4,  2:    nu  lät  min  eines  wesen  dri, 

der  ieslicher  sunder  phlege 
das  miner  künste  toiderwege: 
dar  zuo  gehörte  wilder  funt, 
op  si  iu  gerne  taeten  kunt, 
daz  ich  iu  eine  künden  wily 
si  heten  arbeite  vil. 
Und  in  der  tat,   diese  rivalen  würden  geseufzt  haben  wie  Albrecht  in 
seinem  werke: 

Tit  227:  dise  mer  geflöhten  sint  von  maniger  stränge, 
und    -  2468:  diese  äventiure  ist  nu  geteilt  in  tnanic  stücke  wUen. 
Die  exposition  P.  241  über  seine  erzählungsweise  und  das  beispiel  von 
dem  bogen  und  der  angespanten  sehne  P.  453,  1  —  10: 
die  recapitulation  am  schluss  des  ersten  teils  P.  3:^7    mit  der  bemer- 
kung:  ze  machen  nem  diz  nuere  ein  man, 

der  äventiure  prüeven  kan 
und  rime  künne  sprechen, 
beidiu  samnen  unde  hrechefi: 


GUIOT  VOH  PBOVENCB  417 

die  eiuführiing  Gawans  mit  seinen  abenteuern  als  wol  überlegten  teil 
seiner  dichtung,  P.  338  und  die  rechtfertigung  der  verspäteten  aufklä- 
rung  über  den  Gral ,  wobei  er  sich  auf  Kiots  beispiel  beruft  P.  453, 
1  —  10: 

die  Stichworte  zu  Parcivals  lebensgang  und  bei  seiner  gehurt 
P.  112,  9:   hiest  der  äventiure  wurf  gespilt, 

und  ir  hegin  ist  geeilt: 

wand  er  ist  alrerst  gebom, 

dem  diz  maere  wart  erkom, 
die  ankündigung  der  prüfungsfahrt  des  beiden  zum  Gral 
P.  224,  7 :  wan  ez  mtu>z  sin 

daz  er  nu  lidet  hohen  pin, 

etswenne  ouch  freude  und  ere. 
die  anrede  an  frou  Äventiure  im  beginn  des  neunten  buches,   P.  433: 
die  ankündigung  der  katastrophe  und  entwickelung  auf  loflanze 
P.  678,  30:   an  den  rehten  stam  diz  maere  ist  komn. 
P.  734,  6:     wände  ich  in  dem  munde  trage 

das  zlöz  dirre  äventiure; 

wie  der  sueze  unt  der  gehiure 

Änfartas  wart  wol  gesunt. 
die  schlusshetrachtung  endlich  P.  827 : 

alle  diese  und  noch  viel  andre  ähnliche  äusserungen  zeigen  deutlich, 
wie  er  daz  maere  priieft  und  stets  mit  festem  plane  das  ziel  im  äuge 
behält,  so  wie  er  auch  in  der  regel  mit  meisterhand  uns  statt  der 
beschreibung  mit  voller  dramatischer  kraft  die  handlung  gibt,  und  mit 
seinen  bemerkungen  dazu  sich  persönlich  gegenwärtig  und  interessiert 
zeigt:  wodurch  er  uns  zugleich  ein  trefliches  bild  seines  eigensten 
Wesens  und  gediegenen  Charakters  gibt.  —  Er  beruft  sich  zwar  unzäh- 
lige male  auf  „das  buch,^  das  ihm  den  tatsächlichen  stoff  gibt,  als 
eine  autorität,  wie  er  auch  versichert 

W.  5,  15:  diz  ma^^re  ist  wär^  doch  wunderlich; 
doch  wo  ihm  diese  zweifelhaft  erscheinen  oder  nicht  mit  seinem  sinne 
stimmen  will,  wirft  er  die  Verantwortung  auf  das  buch  des  Kyot: 
P.  210,  18:   ob  d^ äventiure  sagt  al  war: 
P.  224,  26:  mich  enhab  diu  äventiure  betrogen: 
und  scliliesst  sich  damit  der  sitte  und  dem  algemeinen  brauch  andrer 
an;   dennoch  nimt  er   die  vorläge  nur   als  ein   gegebenes   gerippe  an^ 
dem  er  wirkliches  leben  mit  fleisch  und  blut  nach  seiner  einsieht  gibt. 
Wird    ihm  aber   das  dilemma,   in   das  ihn   seine  vorläge  versezt,    zu 
gross,  so  appelliert  er  mit  kühnem  humor  an  den  naiven  glauben  und 
das  gewissen  der  zuhörer,  wie  z.  b.  bei  der  speisung  des  Grals: 

EEIT80UR.    F.    DEUT8CHK    PHILOLOOIB.    BD.    XV.  27 


418  8AK-MABTB 

P.  238,  8 :   man  sagte  mir,  diz  sag  auch  ich 
üf  iwer  iesUches  eit: 
daz  vorem  grale  totere  bereit 
{sol  ich  des  iemen  triegen 
so  müeet  ir  mit  mir  liegen ;)  ... 
spise  warm,  spise  kalt; 

und  mit  recht  bemerkt  W.  Herz  (Sage  von  Parcival.  Deutsche  Büche- 
rei. Breslau,  Schottländer,  1882):  „wer  so  spricht,  der  glaubt  selbst 
nicht  daran.''  Dies  bestätigt  auch  Wolfram  selbst  bei  erwähnuug  des 
auch  bei  den  Franzoneu  im  dunkel  gebliebnen  Schwertes,  welches  das 
wasser  des  brunnens  von  Kaniant  wider  ganz  machen  solt«: 

P.  435,  1:   swers  niht  geloubt,  der  sündet. 

Mir  tritt  daraus  der  gedanke  entgegen^  dass  er  sein  gedieht,  das, 
wenn  es  niedergeschrieben,  doch  nur  wider  „ein  buch"  im  gewöhnlichen 
sinne  gewesen  wäre,  nicht  als  ein  solches,  als  einen  rohstoff  für  andere, 
sondern  als  eine  eigne  vergeistigte  schopfung  seines  genius  angesehn 
wissen,  —  dass  er  selbst  als  ritterlicher  dichter,  nicht  als  buchgelehr- 
ter gelten  will.  Das  buoch  ist  ja  der  technische  ausdruck  unserer 
dichter  für  ihre  litterarischon  vorlagen,  die  sie  übertrugen  oder  verar- 
beiteten.    In  diesem  sinne  sagt  er  daher: 

P.  115,  21:   hctens  wtp  niht  für  ein  snieicJien, 

ich  soll  in  fürbaz  reichen 
an  disem  nuerc  unhundiu  wort, 
ich  sprcechc  in  (rävcntiure  vort, 
swer  des  von  mir  genwehe, 
dem  zels  ze  keinem  buoche. 
ine  kan  decheincn  buochstap, 
da  7ieme7d  genuoge  ir  urhap: 
disiu  äventiure 
vert  äne  der  Inwclw  sfiure. 

Er  erklärt  also  unkundiu  wort  für  selbständig  eingefügte  raisonnements 
des  dichters,  die  nicht  in  ein  „buch,"  das  nur  den  blossen  stoff  gibt, 
und  welcher  art  auch  meist  die  französischen  romane,  und  wol  noch 
mehr  deren  vorlagen  waren,  gehören.  So  oft  er  seiner  vorläge  gedenkt, 
heisst  es  immer  konsequent:  Jich  hörte  sagen,  die  aventure  sagt, 
macht  mir  kund"  usw.,  nirgends  aber  entschlüpft  ihm  der  ausdruck: 
„ich  las."     Damit  stimt  auch  seine  Versicherung 

W.  2,  19:    swaz  an  den  buoclicn  stet  geschriben, 
des  bin  ich  künsielos  beliben; 

aber  er  se/t  auch  zur  bestätigung  seiner  dichterfreiheit  hinzu: 


GUIOT  VON  PROVENCE  419 

Niht  anders  ich  geltet  bin: 
wan  hän  ich  kunsty  die  git  mir  sin. 
Man  hat  neuerlich  auch  diese  angäbe  seiner  lesens-  und  Schreibens- 
unkunde  als  eine  Unwahrheit  aufgenommen,  und  ihm  gegen  seine  werte 
diese  kentuis  aufgedrängt,  bis  zu  welcher  koncession  sich  selbst  meine 
„unermüdliche  Verehrung"  nicht  versteigen  kann,  und  ich  kann  auch 
nicht  finden,  dass  seine  dichterische  begabung  und  der  wert  seines 
Werkes  dadurch  sonderlich  gesteigert,  die  vielmehr  eher  dadurch  ver- 
mindert werden.  Wir  haben  an  Wirnt  von  Grafenberg  und  Ulrich  von 
Lichtenstein  glaubwürdige  zeugen,  dass  si(i  gleichfals  schreibensunkun- 
dig waren;  in  sehr  vielen  Urkunden  finden  sich  sogar  äbte  und  andere 
vornehme  mit  dem  vermerk:  scribere  nesciens,  verzeichnet,  und  wir 
wissen  ausserdem ,  dass  zu  jener  zeit  diese  uakentnis  nicht  als  ein  vor- 
wurfsvoller mangel  der  bildung,  sondern  als  gewöhnliche  erscheinung 
aiigesehn  wurde,  zumal  bei  männern,  die  das  achwert  statt  feder  zu 
führen,  für  den  höheren  beruf  hielten.  Ich  meine,  dieser  Streitpunkt 
kann  füglich  auf  sich  beruhen. 

Ceterum  censeo: 
Forschet    weiter  nach   dem   roman   des  Guiot  von  Provins 
und    nicht    minder    nach    dem  ms.   des   grafen   Philipp  von 

-    Flandern! 

MAGDEBURCJ.  SAN  -  MARTE. 


ZU  FRÜUMUNDS   BRIEFCODEX  UND    ZU   RUODLIEB. 

Vgl.  bd.  U,  385-442  dieser  Zeitschrift. 

Als  ich  im  frnhjahr  1881  den  codex  epistolaris  Froumuudi  behufs 
der  fixierung  von  Froumunds  lebenszeit  durcharbeitete,  überzeugte  ich 
niicli,  dass  diese  interessante  handschrift,  deren  anordnung  in  der  aus- 
gäbe von  Pez  gänzlich  zerstört  ist,  notwendig  einer  neuen  behandlung 
bedürfe,  und  habe  diesen  wünsch  angedeutet  in  dem  programm  der 
Studienanstalt  Würzburg  1881  (handschriftliche  Studien  zu  Boethius  de 
cons.  phil.)  8.  9.  Schon  vorher  hatte  ich  an  herrn  gymnasialoberlehrer 
dr.  Seiler  mitteilungen  über  Maihinger  und  Münchner  Froumundiana 
gelangen  lassen  und  auf  die  Unzulänglichkeit  der  Pezschen  ausgäbe 
hingewiesen.  Ich  freue  mich ,  dass  in  der  jezt  fertig  vorliegenden  arbeit 
Seilers  (s.  bd.  XIV,  385  fgg.)  ^  ein  entschiedener  schritt  vorwäi-ts 
geschehen  ist.  Die  von  herrn  Seiler  in  P  mitgeteilte  reihenfolge  der 
handschrifblichen  bestaudteile  und  der  (übrigens  schon  von  einem  Münch- 

1)  Ich  bezeichne  diese  arbeit  Seilers  im  folgenden  mit  F  («-  FroamoDd). 

11  * 


420  SCEtBPSB 

ner  bibliothekbeamten  zu  anfang  dieses  Jahrhunderts  an  den  rändern 
der  handschrifb  überall  genau  vorgemerkte)  hinweis  auf  die  drucke  von 
Pez  und  Mabillon  gestattet  jezt  jedem  forscher  gründlichere  Studien 
als  sie  früher  möglich  waren;  eine  völlige  neuausgabe,  die  sich  etwa 
auch  auf  cod.  lat.  Monac.  19411  saec.  XII  ^  ausdehnen  könte,  möge  uns 
indes  recht  bald  des  immerhin  noch  lästigen  nachschlagens  in  jenen 
alten  drucken  überheben. 

Aus  meinen  abschriften,  die  sich  auf  alle  1881  noch  unbekanten 
abschnitte  des  cod.  epist.  erstreckten,  sowie  aus  meinen  notaten  zur 
alten  schola  Herbipolensis  und  zu  Ruodlieb  *  teile  ich  im  folgenden 
einige  punkte  mit,  die  als  nachtrage,  teilweise  als  Verbesserungen  zu 
den  verdienstlichen  leistungen  Seilers  gelten  wollen;  —  der  leichteren 
Übersicht  halber  schliesse  ich  mich  möglichst  an  die  Seitenfolge  bei  Sei- 
ler an. 

A. 

I.  F  386.]  Ein  ausdrückliches  zeugnis  für  den  persönlichen  anf- 
enthalt  Froumunds  in  Feuchtwangen,  den  ich  im  Boethiusprogramm 
s.  10  vermutete,  bietet  der  cod.  Vindobonensis  114  saec.  X,'  aus  klo- 
ster  Lambach^  stammend;  es  heisst  dort  am  Schlüsse  von  glossen  zu 
Priscian:  „Explicit  Glossoma  libri  X"*  in  monasterio  phyuhtwan- 
gensi  a  quinto  libro  usque  huc  conscripsi  ego  Froumundus  Sed  pri- 
mum,  secuudum  IIP"*  et  quartum  Colonie  in  monasterio  sancti  panta- 

1)  Vgl.  Wattonbach,  archiv  f.  öatorr.  geschichtsquoUen  XIV  (1855)  8.58; 
W.  Moyor  hat  kürzlich  den  in  diesem  codex  befindlichen  ludus  de  Antichristo  behan- 
delt, 8.  Münchner  Sitzungsberichte  der  philol.  -  philos.  classc  1882,  s.  1  fgg. 

2)  Im  folgenden  ist  R  =  Seilers  Buodliebausgabe. 

3)  Endlicher,  Wiener  hdsskatalog^  cod.  nr.  CCCLVIII;  tabulae  codd.  Vin- 
dob.  I,  8.  IG;  —  Huemor,  Wiener  Sitzungsberichte  der  philol.  -  bist.  cl.  1880,  bd.  96, 
8.  51 1 ,  wo  über  des  Remigius  von  Auxerro  expositio  zu  den  gedichten  des  SedulioB 
nach  einer  Froumundschcn  hds.  (^^  c.  l  Mon.  19456)  gehandelt  wird.  Der  von 
Huemer  citiorte  Lambacher  codex  (=^  Vind.  114)  enthält  ausser  Priscian  unter 
andenn  auch  ein  stück  von  einer  grioch.  grammatik  und  Venantius  Fortnnatas. 
Froiimund  erbittet  im  8.  brief  des  cod.  epist.  (--=  Pez  115,  7)  einen  Priscianos 
maior  vom  Augsburger  bischof  Liutold  (987  —  096) ;  bei  seinen  versspielereien  mag 
für  Froumund  Hi)eciell  Venantius  ein  muater  gewesen  sein.  —  Es  sei  mir  gestat- 
tet hier  auch  auf  Wattenbach,  neues  archiv  d.  gesellsch.  f.  alt.  d.  geseh.  VII, 
1881,  8.177  —  179  zu  verweisen,  wo  die  auf  den  vorsotzblättern  des  Maifainger 
Froumimdschen  Boothiuscodex  enthaltenen  urkninden  ausführlicher  behandelt  wer- 
den; die  hds.  ist  indes  nicht  saec.  XI,  sondern  noch  ende  saec.  X  entstanden  und 
fiir  die  Vorsetzblätter  braucht  nicht  saec.  XII  (Wattenbach  selbst  sezt  ^XI?"  bei) 
angesezt  zu  worden,  sondern  gleichfals  ende  saec.  X,  s.  mein  Boethiusprogr.  s.  12. 

4)  Möglicherweise  hat  Froumund  diesen  codex  in  Würzburg  xurfickgelassen^ 
80  dass  derselbe  später  von  dem  Würzb.  bischof  Adalbero  dem  neugegründeten  klo- 
ster  Lambach  zur  aussteuer  mitgegeben  werden  koute. 


zu  FB0UMÜND8  BBIBFCODBZ  UND  BüODLISB  421 

leymouis  (s.  meine  Vermutung  Boethiusprogramm  a.  a.  o.).  Dens  addat 
et  alios  qui  secuntur  ut  sibi  placef  Sonach  war  Froumund  zuerst  in 
Köln,  dann  in  Feuchtwangen! 

IL  F  386  anm.  2 ,  390  anm.  2  und  395  anm.  2.]  Über  die  ein- 
siedelei  auf  dem  Ornwald,  über  graf  Eberhard  im  Orngau,  über  graf 
Bichard  von  Bothenburg  a.  d.  Tauber  und  über  die  alte  bistumsgrenze 
von  Augsburg  und  Würzburg  handelt  im  anschluss  an  die  Wigobriefe 
des  cod.  epist.,  bzw.  an  v.  Steicheles  abdruck  (bistum  Augsburg  III) 
herr  pfarrer  Bessert  in  den  Württemb.  vierteljahrsheften  1881,  s.  67 
fgg.,  231  fgg.,  287  fgg.  Den  Theodericus,  Wigos  vermutlichen  Vor- 
gänger in  Feuchtwangen,  sezt  Bessert  als  eremita  iüs  heutige  Kupfer- 
zell ;  von  hier  aus  gab  er  bei  gräfin  Adelheid ,  der  mutter  kaiser  Kon- 
rads U,  den  anstoss  zur  gründung  des  klosters  Öhringen,  das  später 
(1037)  in  ein  chorherrnstift  umgewandelt  wurde  (vgl.  üssermann,  epis- 
cop.  Wirceb.  256  fgg.);  bereits  unter  Wigo  wird  auch  Feuchtwangen 
aus  einem  kloster  in  ein  stift  für  weltgeistliche  (daher  einmal  der  titel 
decanus)  umgewandelt.^ 

[F  386,  brief  3;  über  Buotker  s.  unten  s.  429  und  anm.  3.] 
[F  386 ,  brief  5 ;   über  den   darin  vorkommenden  namen  Sigihard 
s.  unten  absatz  XL] 

III.  F  387.]  Zu  anfang  von  brief  16  hat  die  handschrift  (s.  22) 
natürlich  plata*  =  praelata  (Seiler  perlata). 

IV.  F  390.]  In  brief  nr.  33  las  ich,  ohne  mir  eine  besondere 
Schwierigkeit  zu  notieren:  Oculo  dilectionis  illius  vultum  tuum  iugi- 
ter  intendo  quam  dudum  fixeras  in  cordis  mei  secreto  (Seiler  rätsel- 
haft: Aoulodi  lectionis  .  .  .  fueras). 

V.  F  392.]  In  brief  62,  zeile  2  v.  u.  fehlt  in  der  hds.  das  erste 
der  Seilerschen  servL 

VI.  F  397.]    In  brief  124,  z.  6  v.  u.  heisst  es  vobis  (Seiler  nobis). 

VII.  F  400  und  404 ,  these  IL]  Was  die  von  Seiler  entwickelte 
ansieht  über  die  chronologische  anordnuug  des  ersten  teils  der  hand- 
schrift anlangt,  so  stehe  ich  nicht  an  ihm  beizustimmen,  zumal  auch 
ich  mir  für  die  mich  angehenden  abschnitte  die  von  Seiler  jezt  in 
extenso  aufgestelte  theorie  gebildet  hatte  und  sie  praktisch  verwertete 
in  der  zurückführung  der  Froumundschen  Zeugnisse  über  seine  Boethius- 
handschrift  auf  die  zeit  des  abtes  Gozpert ,  s.  mein  Boethiusprogramm 
s.  11  fg. 

1)  Auch  Horriedon,  ein  nachbarkloster  von  Fenchtwangen ,  wird  nm  diese 
zeit  aus  einem  kloster  ein  chorherrnstift;  über  Ausbach  s.  unten  absatz  XVI. 

2)  H.  Dr.  W.  Meyer  in  München  hatte  die  gute  die  von  mir  angegebenen 
lesarten  nochmals  im  original  nachzuprüfen. 


422  8CHBP88 

VIII.  F401.]  Dass  der  volle  aame  unseres  scholasters  Co  mar- 
cus  Froumundus  gewesen  sei,  will  mir  nicht  einleuchten;  ich  denke 
vielmehr  bei  comarcus  (vuoinaQxog)  an  den  posten,  den  Froumund  län- 
gere zeit  als  armenpfleger  und  als  administrator  von  klostergütern 
eingenommen  hat;  s.  brief  54,  55,'  93  (=  Mab.  435,  12;  Pez  164,  12 
und  165,  15). 

IX.  F  401  mitte ,  401  anm. ,  402  oben ,  404  these  III.]  Seiler 
soheint  mir  alzuviel  gewicht  darauf  zu  legen,  dass  sich  Froumund 
bereits  unter  abt  Peringer  zu  den  seniores  rechne;  ist  Froumund  im 
jähr  1001  —  1002  „im  vollen  mannesalter,"  so  kann  man  ihm  fiig- 
lich  eine  lebensdauer  bis  etwa  1020  zuweisen,  wobei  ich  mir  etwa 
960  als  geburtsjahr  denke.  Wenn  im  cod.  von  abt  Burkard  und  von 
abt  Ellinger  zufällig  keine  briefo  stehn ,  so  ist  dies  durchaus  noch  kein 
„beweis,"  dass  Froumund  die  abbate  derselben  nicht  mehr  erlebt  habe.* 
Somit  kann  ich  dem  „wahrscheinlich"  in  Seilers  III.  these  nicht  unum- 
wunden beitreten. 

[F404;  über  gedieht  XLIII  s.  unten  absatz  XVI,  wo  auch  Sei- 
lers these  IV  berührt  wird.] 

X.  F  410,  anm.  zu  VII.]  Ob  hier  ypapanti  im  kirchlichen  sinne 
=r  irtajravrrj  =  „festum  purificationis  b.  Mariae"  steht,  was  v.  9  fg.  anzu- 
deuten scheint,  oder  ob  es  die  veralgemeinorte  bedeutung  hat,  wie 
sie  in  Osberns  Panormie  (=  Mai,  class.  auct.  VIII,  631)  vorgetragen 
wird:  „Ypapanti  susceptio  obviantis  vel  oblatio,"  sei  dahingestelt ;  das 
nachfolgende  „facti"  bleibt  in  beiden  fallen  unklar.  Berücksichtigung 
grammatisch -lexikalischer  Seltenheiten  ist  bei  Froumund  öfters  anzuneh- 
men, so  sehe  man  nauci  (F  413,  23;  419,  33),  lendes  (F  419,  34)  und 
viele  andere  von  ihm  gebrauchte  Wörter  z.  b.  im  register  zu  Keils 
gramm.  lat.  I  (insbesondere  aus  Charisius). 

XI.  F  418  V.  17  und  23.]  Darf  man  bei  gitto  (vgl.  übrigens 
auch  Ducange  gitta,  getia)  etwa  an  den  Magdeburger  domscholastcr 
Geddo  denken,  der  für  die  zeit  nach  9H1  nachweisbar  ist?  Magde- 
burg wurde  im  X.  Jahrhundert  reformiert,  indem  mönche  aus  St.  Maxi- 
min bei  Trier  dorthin  versezt  wurden;    auch  Hartwich,  der  reformator 

1)  Unter  dem  in  dicRem  briefe  crwanten  Holzkiricha  ist  jedcnfals  Holzkirchen 
im  bezirksamt  Mieshach  (Oborbaicrn)  zu  vcrstohn;  ausser  diesem  pibt  es  in  Baiem 
noch  sieben  Ortschaften  gleichen  namens. 

2)  R  IGD  lässt  iSeiler  Froumund  das  jähr  1017  noch  erleben;  so  sehr  ich  der 
geänderten  ansieht,  die  Seiler  F  402  entwickelt,  beipflichte,  insoweit  als  ich  gUnbe, 
dass  Ellinger  den  gratulationsbrief  an  Froumund  schon  vor  1017  schrieb,  so  sehe 
ich  doch  nicht  recht  ein,  weshalb  dies  moment  für  Froumnnds  lebensdauer  so  ver- 
hängnisvoll werden  soll. 


Zu  FROÜMÜNDS  BBIBFCODBX  UND  BÜODLIBB  423 

von  Tegernsee,  kam  aus  ebendiesem  Maximinskloster.  Wattenbach, 
in  dessen  geschichtsquellen  *I ,  258  und  267  diese  Verhältnisse  beleuch- 
tet werden,  erwähnt  ferner,  dass  um  957  —  966  Sigehard,  ein  raönch 
von  St.  Maximin,  eine  schrift  über  die  wunder  des  h.  Maximin  ver- 
fasste  (vgl.  Maurenbrecher,  de  bist.  X.  saec.  script.,  1861,  s.  22),  — 
solte  dies  derselbe  Sigihard  sein,  den  Frouraund  einige  verse  nach 
Gitto  nent?  Vielleicht  wäre  so  auch  ein  direkter  weg  gefunden  für 
die  bekantschaft  Froumunds  mit  den  Schriften  des  Lupus  (s.  mein  Boe- 
thiusprogr.  40),  der  „ehe  er  abt  von  Ferneres  wurde,  das  leben  des 
Maximin  verfasste  und  diese  schrift  seinem  freunde  Waldo  widmete, 
der  die  abtei  St.  Maximin  erhielt"  (Wattenbach  I,  194).  —  Aller- 
dings kann  mit  Sigihard  auch  derselbe  feucht  wanger -tegernseer  mönch 
gemeint  sein ,  über  welchen  brief  5  spricht  und  aus  welchem  Günthner 
(Gesch.  der  litt,  anstalten  in  Ba3'ern  I,  171)  etwas  vorschnell  den 
schul  vorstand  von  Feuchtwangen  macht.  —  Über  abt  Sigehardus, 
der,  wie  Trithemius  berichtet,  von  Hirschau  kommend  das  Burkards- 
kloster  zu  Würzburg  „optime  reformarit"  und  zwar  etwa  ende  des 
X.  Jahrhunderts,  s.  Ussermann,  episc.  Wirceb.  193,  Wieland  im  archiv 
des  bist.  Vereins  für  ünterfranken .  1861,  bd.  XV,  I,  90,  94,  98. 

XII.  F418  und  426.]  Gedicht  XIX  und  XXXII,  33  fgg.  klin- 
gen mehrfach  an  den  anfang  des  Carmen  paschale  von  Sedulius  an: 
„Quum  sua  gentiles  studeant  figmenta  poetae  |  Grandisonis  pompare 
modis  tragicoque  boatu  |  ßidiculove  Getae  seu  qualibet  arte  canendi  | 
Saeva  nefandarum  renovent  contagia  rerum"  usw.  Für  Sedulius  hatte 
Froumund  besonderes  interesse,  s.  oben  s.  420,  anm.  3. 

XIII.  F  422.]  Für  gedieht  XXIV,  3  war  der  berühmte  anfang 
der  consolatio  des  Boethius  das  Vorbild  „Carmina  qui  quondam  studio 
florente  peregi  |  Flebilis  heu  maestos  coj]:or  inire  modos  |  ...  Et  veris 
elegi  fletibus  ora  rigant." 

XIV.  F  424  fg.]  Lebhaft  erinnern  wider  an  die  weise  des  Sedu- 
lius die  gedieh te  XXIX  —  XXXI  über  einige  wunder  Christi,  vgl.  Car- 
men paschale  lib.  IV. 

XV.  F  430.]  In  gediclit  nr.  XXXVHI,  v.  5  hat  die  hds.  iocun- 
dus  statt  Seilers  rotundus;  auf  dies  und  auf  das  folgende  gedieht  wird 
zurückgekommen  werden  in 

absatz  XVI. ,  der  sich  vornehmlich  mit  F  434  —  442  (vgl.  404) 
zu  beschäftigen  hat,  d.  h.  mit  dem  grossen  gedieht  XLIII,  dem  Pez 
die  Überschrift :  „Apologia  pro  schola  Herbipolensi"  gegeben  hat. 

Wilhelm  Grimm  (zur  geschichte  desreims,  s.  abhandlungen  der 
Berliner  akademie  1851,  s.  673)  hat  dies  gedieht  wegen  des  durch- 
geführten zweisilbigen   reims  ins  XII.  Jahrhundert  gesezt;    Seiler,  in 


424  BCHBP88 

B  161  noch  Grimm  folgend,  sagt  F  404:  „da  Carmen  XLII  (welches 
um  1056,  d.  h.  bald  nach  Ellingers  tod  gedichtet  ist)  denselben  reim- 
charakter  trägt  wie  XLIII,  so  ist  eine  so  späte  datierung  nicht  nötig; 
über  die  mitte  des  XI.  Jahrhunderts  ist  es  jedoch  jedenfals  hinauszu- 
rücken."  Michael  Wieland,  archiv  des  bist.  Vereins  f.  Unterfr.  XV» 
I,  91  fgg.  weist  — ^  durch  Pezens  zu  einer  andern  stelle  gemachte 
angäbe  „um  990^  verführt  —  das  gedieht  in  den  ausgang  des  X.  Jahr- 
hunderts zurück,  indem  er  unter  der  verherlichten  schule  die  des  Bar- 
kardsklosters in  Würzburg,  unter  dem  gepriesenen  scholaster  den  aus 
Hirschau  kommenden  Arnold  versteht,  der  bis  1001  hier  gewirkt 
haben  soll.  An  die  zeit  Arnolds  scheint  auch  Niedermayer,  Kunstgesch. 
der  Stadt  Wirzburg  1860,  s.  48  zu  denken,  der  sich  übrigens  sehr 
reserviert  ausdrückt  (Überschrift  „bischof  Bruno^;  über  diesen  s.  unten 
s.  427).  V.  Wegele,  gesch.  d.  univ.  Wirzburg  (1882)  s.  2  fg.  bezieht 
das  gedieht  auf  noch  frühere  deceunien,  nämlich  auf  die  blute  der  dom- 
schule unter  dem  von  Novara^  hieher  beinfenen  doktor  Stephan us,* 
der  bald  nach  970  Würzburg  wider  verliess. 

Es  hat  bis  jezt,  niemand  darauf  geachtet,  dass  uns  die  verse  176 
— 178  den  Schlüssel  zur  hebung  mancher  zweifei  bieten;  wir  lesen: 
V.  175   Auxiliis  dandis  veneremur  sacra  Johannis, 
In  pugna  metri  petimus  munimina  Petri, 
Cui  consors  aul^  c^li  nos  protege  Paule, 
Gratia  levit^  Stephani  det  gaudia  vit^, 
Auxiliique  manus  tendat  sanctus  Kilianus, 
180  Cum  pacis  palma  proprium  defendat  agalma, 
Testis  divinus  fiat  tutela  Quirinus, 
Assis  Ambrosi  usw.* 

1)  Ein  landsuiann  desselben  war  Gunzo,  mit  dessen  opistula  ad  Augienseii 
fratres  unsere  apulogie  hinsichtlich  der  Veranlassung  manche  ähnlichkeit  zu 
haben  scheint. 

2)  Mit  den  versen  aus  dem  poetischen  testament  des  Stephanus  (s.  v.  Wogole» 
Uni?.  Wirzb.  8.2;  Wattenbach,  gesch.^  I,  234;  Niedermayer,  Kunstgesch.  d.  stadt 
Wirzb.  31 ;  das  original  auf  dem  schlussblatt  des  Würzb.  codex  Mp.  th.  f.  6.  ste- 
hend ist  durch  reagentien  verdorben  worden):  ^Quos  habui  paucos  decrevi  tradere 
libros  I  Martyr  sancte  dei,  en  Kiliane  tibi**  hat  grosse  ähnlichkeit  die  d<^i- 
kation  Froumunds  in  seinem  Boethiuscodox :  „Hüne  cgo  Froumundus  libruro  ecce 
Colonic  scripsi  I  Atque  huc  devexi;  tibi,  sancte  Quirine,  decrevi.**  Sehr  ähn- 
lich sind  freilich  auch  dedikationen  wie  die  von  W.  Meyer,  Münchner  sitzungsber. 
1873  (zum  Waltharius)  s.  361  ert^ähnte  des  Gerald  an  Erchambold  (1^65  — U91): 
„Praesul  sancte  dei,  nunc  accipe  munera  servi  |  Qiiae  tibi  decrevit  de  iarga 
promerc  cura,**  oder  die  von  Wattenbach,  gesch.«  I,  118  und  U,  41)  erwähnten. 

3)  Ambrosius  und  dio  in  den  folgenden  versen  angerufenen  Hieronymua, 
Augustinus  und  Gregorius  figurieren  u.  a.  auch  unter  den  septom  probati  oxposi- 


zu  FBOÜMTTNBS  BBIBFCODBX  UND  BÜODLIBB  i25 

186  Protegat  invictus  nos  in  pugna  Benedictus, 
Tumbam  Burchardi  qu^ramus  non  prece  tardi 
Doctoresque  sales  ope  sint  hie  prodigiales. 
Diese  verse  können  schwerlich  vor  dem  jähre  1018,  sicherlich  nicht 
vor  1013  entstanden  sein;  sie  beziehen  sich  nämlich  teilweise  auf  eine 
Stiftung,  die  bischof  Heinrich  I  (995  —  1018),  der  bruder  des  erz- 
bischofs  Heribert  von  Köln  (999  — 1021)  *  im  jähr  1013  gegründet,  im 
jähr  1018  kurz  vor  seinem  am  14.  nov.  erfolgenden  tod  als  vollendet 
eingeweiht  hat,  d.  h.  auf  die  errichtung  des  chorherrnstifts  zur  ehre 
der  apostel  Petrus  und  Paulus  und  des  protomartyrers  Stephanus.' 
Dieses  collegiatstift  wurde  am  3.  märz  1057  von  bischof  Adalbero  (s.  oben 
s.  420,  anm.  4)  in  ein  mönchskloster  Benediktinerordens  verwandelt 
Wenn  nun  Ögg  (in  seiner  „entwicklungsgesch.  d.  Stadt  Würzburg"  ed. 
Schäifler  1881  s.  121)  davon  spricht,  dass  „das  Benediktinerkloster 
von  da  an  (=  1057)  den  namen  zu  St.  Stephan  trug,"  so  ist  es  lei- 
der nötig  den  gedanken ,  als  hätten  wir ,  da  im  gedieht  noch  die  namen 
Peter  und  Paul  mitgenant  werden ,  mit  1057  far  unsere  apologie  einen 
terminus  post  quem  non  gefunden,  als  einen  irrigen  von  der  band  zu 
weisen,  denn  in  Wirklichkeit  blieben,  wie  die  von  Schannat,  vindem. 
litt.,  colli,  8.  53  —  85  gesammelten  (71  datierten)  Urkunden  des  Ste- 
phansklosters ausweisen,  noch  bis  etwa  1160  in  der  of&ciellen  benen- 
nung  des  Benediktiner klosters  die  drei  namen  Peter,  Paul,  Stephan, 
öfters  auch  sogar  nur  der  eine  „S.  Petri"  in  kraft.  Hingegen  spricht 
meines  ermessens  die  anordnung  in  unserem  gedieht,  dass  nämlich 
St.  Peter  -  Paul  -  Stephan  die  mitte  zwischen  den  Stiftern  zu  Hang  und 
am  dom  einnimt,  während  das  Benediktinerkloster  St.  Burkard  als  ver- 
einzelter nachzügler  erscheint,  ziemlich  deutlich  dafür,  dass  der  Tegern- 
seer  gast  („Quirinus"  in  v.  181)  zu  einer  zeit  schrieb,  da  St.  Peter - 
Paul-Stephan  noch  stift  war,  also  vor  1057. 

Unter  den  in  v.  175   genanten  sacra  Johannis  ist  am  leichtesten 
Stift  Hang   zu    verstehn,    welches    gleichfals    von    bischof  Heinrich  I 

tores  evangeliorum ,  die  in  c.  1.  Monac.  17142,  fol.  110  genant  werden,  s.  Watten- 
bach, Münchner  Sitzungsberichte  1873,  s.  713.  —  Dass  die  werke  derselben  in 
Wnrzburg  vorhanden  waren ,  bezeugt  bereits  bischof  Humbert  in  einem  an  Rabanns 
Mauras  gerichteten  brief;  s.  Migne  patr.  lat.  108,  1108  und  Dümmler,  deutsche 
forschungcn  VI,  123. 

1)  Sie  stamton  aus  dem  hause  der  grafon  v.  Rothenburg  (vgl.  oben  absatz  II). 

^)  ^SS*  entwicklungsgesch.  usw.  ed.  Schäfflor  s.  27  und  64;  Ussermann, 
episc.  Wirceb.  43,  268  fgg.  und  cod.  probationum  im  anhang  s.  20;  Heffncr,  Würzb. 
und  seine  umgeh,  s.  447;  Emmert  im  uuterfr.  archiv  XV,  2,  197.  —  Im  ehema- 
ligen Stephanskloster,  das  noch  mancherlei  umbauton  erfuhr  (Ögg -Schäifler  441), 
ist  seit  1850  der  sitz  der  kgl.  kreisrogierung,  und  die  frühere  klosterkirche  gehört 
seit  1804  der  prot.  gemeinde. 


426  8CHBP8S 

erbaut  wurde,  etwa  im  jähr  997;  in  dieses  stift  wurden  mebrere  durch 
frömmigkcit  und  gelehrsamkeit  ausgezeichnete  priester  aus  Köln,  Mainz, 
Regensburg  und  Speier  berufen,  welchen  „auch  der  höhere  Unterricht 
der  adeligen  Jugend  des  landes  übertragen  wurde" ;  ^  stift  Hang  war 
die  lieblingsschöpfung  des  bischofs.  Während  stift  Hang  zunächst  Johan- 
nes dem  tauf  er  geweiht  war,  geschah  eine  dritte  Stiftung  des  bischoft, 
das  Neumünster,  zur  ehre  Johannes  des  evangelisten;  an  der 
stelle  des  855  abgebranten  Salvatorhauses  (d.  h.  des  alten  doms)  stand 
seit  etwa  990  eine  kapcllo  „zum  Kiliansgrab,"  von  graf  Richard  von 
Rothenburg,  bischof  Bernwards  (990  —  995)  bruder  errichtet  (s.  oben 
absatz  II);  Heinrich  I  schuf  um  das  jähr  1000  auf  der  gleichen  stelle 
das  neumünster.*  Wiewol  nun  die  Kiliansgruft  in  neumünster  zu  allen 
Zeiten  besonders  verehrt  wurde,  so  wird  man  in  v.  179  am  passendsten 
doch  an  den  dorn  selbst  denken  =  ecclesia  S.  Kiliani.*  Das  in  v.  187 
erwähnte  Benediktinerkloster  zu  St.  Burkard  *  (vorher  St.  Andreas)  jen- 
seits des  Mains  wurde  984  restauriert,  braute  im  jähre  1033  ab  and 
wurde  1042  neugeweiht,  doch  werden  wir  aus  diesen  zahlen  wenig 
nutzen  ziehen  können,  indem  ja  die  tumba  Burchardi  auch  zwischen 
1033  und  1042  als  fortbestehend  anzusehen  ist. 

Sehr  beachtenswert  ist  die  tatsache,  dass  die  zeit  des  Adalbero, 
der  von  1015  an  bischof  war,  für  die  Studien  und  somit  auch  für  den 
zuzug  auswärtiger  scholarcn  eine  ausserordentlich  ungünstige 
war,^  und  so  wenig  man  infolge  des  unsicheren  materials  bestirnte 
behauptungen  wagen   darf,    so   spricht   doch    auch    diese    beobachtong 

1)  Ussermann  212  feg.:  v.  Wegelo  im  hiat.  albiim  der  stadt  Wirsb.  8.6: 
Ucffner  54  fg. :  Niedernm3'cr  39.    Ögg  -  ScbJiflf ler  68. 

2)  Ussermann  217  fgg..  252:  v.  Wegcio,  bist.  alb.  7;  aniv.  3:  v.  Urlichg, 
baugescbicbte  Würzburgs,  s.  6;  lIolTncr  194  und  271;  Ögg  -  Schaff  ler  62;  Nieder- 
niaycr  .%  und  68,  woselbst  die  stelle:  (Adalbero  .  .  .  novuin  moDastoriam)  ^in 
honore  bcatae  dei  genitricis  et  onininm  sanctorum  a  fandamcnto  erexit.** 
Adalbero  baute  Neumünster  völlig  um  (Polenkönigin  Kicbenza!)  und  vcrsczte  1067 
die  kollegiatherrn  vom  Peter -Paul -Stepbansstift  in  dasselbe,  während  er  zugleich 
das  Stephanskloster  mit  mönchen  aus  dem  Gumbrrtusklostcr  von  Ansbach  bevölkerte. 

3)  Das  746  erbaute  Salvatorbuus  wurde  855  zerst^irt  (erdbebon  und  fener); 
neben  den  ruinen  erstand  ein  zweiter  dorn,  862  —  891  aus  holz  aufgebaut;  dieser 
braute  vor  l>18  üb;  der  abermalige  neubau,  923  begonnen,  erfuhr  durchgreifende 
uragestAltung  durch  bischof  Bruno  1042.  Niedermayer  60:  v.  Urlichs  5;  Heffoer 
269  fgg.;  Ögg -Sehäfner  21,  a.  3,  23,  66. 

4)  Wieland,  unterfr.  arehiv  XV,  1,  18fgg. :  üssermann  IJK)— 195:  Sighari» 
gesell,  d.  bild.  knnste  in  Bayern  (1862)  s.  82  fg. 

5)  Wattenbach,  gesell.»  II,  127;  v.  Wegele,  univ.  Wirzb.  4;  für  den  satx  bei 
Niedermayer  s.  68  „die  schulen  <ies  spreugels  hat  er  (Adalbero)  gehoben,**  finde  ich 
nirgends  einen  beleg. 


zu  FBOÜMÜNDS  BBIKFCODBX   UND  BUODLIBB  427 

dafür ,  das  gedieht  vor  Adalberos  zeit  zu^setzen.  Während  aus  Adal- 
beros  tagen  fast  nichts  über  schulen  verlautet,  treten  uns  unter  den 
bischöfen  Mainhard  (1018  —  1034)  und  Bruno  (1034  —  1045)  glän- 
zende namen  entgegen  und  von  mehreren  berühmten  kirchenfarsten 
wird  gemeldet,  dass  sie  in  Würzburg  ihre  Studien  gemacht  haben,  so 
dass  wir  auch  für  die  werte 

V.  79  Pontifices  summi  quem  tunc  sectantur  alumni 
eine  geeignete  erklärung  gewännen.  Der  bekante  Otloh^  wirkt  hier 
bis  1032 ;  schon  neben  ihm  und  dann  unter  Bruno ,  dem  nahen  verwan- 
ten  und  vertrauten  der  kaiser  Konrad  II  und  Heinrich  III,  welcher 
selbst  durch  hoho  gelehrsamkeit  glänzte  und  biblische  kommentarien 
schrieb,  muss  auch  „famosus  ille  Wirzeburgensium  magist  er  Pernol- 
f  u  s "  *  gewirkt  haben.  Als  Zögling  der  Würzburger  schule  wird  aus 
diesen  Zeiten  genant  bischof  Heribert  von  Eichstädt  (1021  — 1042),  ein 
Vetter  des  Übersetzers  des  hohen  lieds  Williram  von  Ebersberg;  die 
Würzburger  domherrn  Hunfried  und  Engelhard  werden  1023,  bzw.  1051 
erzbischöfe  von  Magdeburg.  Otloh  und  Pernolf  (Bernulf)  hätten  wir 
uns  an  der  domschule ^  zu  denken;    die  möglichkeit,  dass  der  panegy- 

1)  Watteobacli,  gcsch.^  II,  50;  über  Otlohs  reime  s.  anch  W.  Meyer,  Mänch- 
nor  sitzuDgsb.  1882,  67. 

2)  Wattenbach,  go8ch.>  II,  12(),  wo  auch  erwähnt  wird,  dass  der  kunstsinnige 
bischof  Otto  I  von  Bamberg  vermutlich  in  Wtirzburg  studiert  hat;  v.  Wegele,  univ.  4, 
Niedermayer  48;  Emmert,  unterfr.  arch.  XV,  2,  183;  Henner  in  der  „allg.  deutschen 
biogr."  III,  435  fg.  Praepositus  (==  dompropst)  Bemolf  unterzeichnet  1057  jene  in 
anm.  2  auf  s.  425  bereits  citierto  Urkunde  =»  Ussermann  176  und  cod.  prob.  20;  vgl. 
V.  Wegele,  Corpus  Regulae  neu  Kalendarium  Domus  s.  Eiliani  Wirceburgensis  »■ 
abhandlungcn  der  k.  b.  akad.  d.  wissensch.  III.  cl.,  XIII.  bd. ,  III.  abteilung  s.  46. 

3)  Der  volständigkeit  halber  sei  es  erlaubt,  hier  auch  auf  die  namen  von 
domscholastern  hinzuweisen ,  die  Ogg  in  seiner  Chorographie  (1808)  s.  578  fgg. 
angibt,  die  aber  lediglich  auf  luftigen  phantasien  zu  beruhen  scheinen:  Nandolf, 
Gundher,  Abo,  Ruathclm  (vgl.  Dümmler,  deutsche  forschungen  VI,  119),  Werner, 
Tiso,  Demarlanus  Franco;  den  Hengrumius  (Ogg  278,  544,  585)  hat  Simon  (die 
lulss.  zur  rhctorik  ad  Herennium,  Schweinfurt  1863,  13)  richtig  in  Hengeninius  ver- 
wandelt; öggsGerbotus  finde  ich  so  wenig  wie  Simon.  Reuss,  SerapenmVI  (1845) 
8.  161  nent  diese  angeblichen  scholaster  nur  als  bächerschreibor,  und  v.  Wegele 
hat  sie  in  der  vorgesch.  d.  univ.  wol  mit  recht  übergangen.  —  Aus  bischof 
Erlongs  zeit  (1106  —  1126)  wird  uns  der  domscholaster  David  genant  (Wattenbach, 
gosch.»  II,  69;  Emmert,  unterfr.  arch.  XV,  2,  186  und  208  sezt  ihn  falschlich  vor 
Pcruolf);  natürlich  hat  der  in  v.  222  der  apologie  vorkommende  name  David  mit 
diesem  scholaster  nicht  das  geringste  zu  schalTen  (vgl.  v.  132;  David  und  Jonathan 
kommen  auch  vor  iu  den  Quirinalia  des  Metellus  ed.  Basnage  III,  II,  184).  — 
Einige  domscholaster  tret-en  auch  auf  in  dem  Corpus  Regulae  cd.  v.  Wegele  (s.  oben 
anm.  2),  nämlich  Gozwinus,  Rudolf  de  Hurnheim,  Walthcr  de  Tannonberg,  Alber- 
tus de  Lowenstein ,  Boppo  de  Trimberg,  Burkardus,  Gerhardus,  Wolframus  de  Grum- 
bach;    sie  gehören  meist  ins  XIII.  Jahrhundert,   nur  Johannes  (Galliens)  ins  ende 


428 


80HBF88 


ricus  einer  anderen  von  den  hiesigen  schulen  gegolten  habe,  etwa  dem 
oben  erwähnten  stift  Haug  ^  oder  den  schulen  zu  neumünster,  St.  Ste- 
phan oder  St.  Burkard^  muss  freilich  offen  gelassen  werden,  doch 
spricht  die  grösste  Wahrscheinlichkeit  für  den  dorn. 

In  Würzburg  entstand  augenscheinlich  auch  gedieht  nr.  XXXIX ; 
dieses  sowie  das  vorausgehende  gehören  ins  jähr  1014  oder  auch  ins 
jähr  1022  (vgl.  Seiler  F  402—404;  Hirsch,  jahrb.  d.  d.  reichs  unter 
Heinrich  II,  bd.  11,  227  und  433);  nr.  XXXIX  bewegt  sich  im  algemei- 
nen in  sog.  versus  rociproci,*  nr.  XXX VHI  hat  den  zweisilbigen  reim 
ausserordentlich  häufig;  einen  so  exorbitanten  abstand  in  der  versifica- 
tion  zeigt  die  apologie  eben  nicht  ^  Selten  etwa  alle  drei  gedichte 
(XXXVm,  XXXIX  und  XLHI)  von  dem  gleichen  Verfasser  um  1022 
gedichtet  sein? 

Dass  dieser  Verfasser  nicht  Froumund  war  (s.  Seilers  IV.  these 
s.  404),  ist  auch  mir  äusserst  wahrscheinlich;  gleich wol  ist  die  wenn 
auch  ferneliegende  möglichkeit,  dass  er  in  seinen  lezten  lebensjahren 
(s.  oben  absatz  IX)  diese  gedichte  geschrieben  habe,  nicht  so  apo- 
diktisch auszuschliessen ,  wie  es  von  Seiler  geschieht.  Die  metrischen 
beobachtungen ,  die  Seiler  vorträgt,  erheischen  gewiss  alle  berück- 
sichtigung,  indessen  wären  gerade  bei  Froumund,  einem  so  lerneif- 
rigen und  für  verskünsteleien  stark  eingenommenen  mann,  änderungen 
in  der  verstechnik   und  speciell    der  gebrauch  des  zweisilbigen   reims^ 

des  XII.  —  Altere  litteratur  zur  Wtirzb.  schulgcschichte  findet  man  citiert  bei 
Gropp,  nova  coli,  script  Wirceb.  I,  52,  a.  auch  Beass  im  Serai>eum  1845  6.  161  fgg. 
Die  Colloqoia  Ma^istri  Petri  Poponis  de  scholis  üerbipolensibas ,  die  ich  1882  her- 
ausge^'eben  habe  (Würzburg,  Stubor),  stammen  aus  saoc.  XV. 

1)  Dafür  könte  allenfals  die  vo  ran  stell  u  ng  von  „Johannes*^  (v.  175)  sprechen. 
Im  Corpus  regnlae  s.  92  tritt  ein  scolasticus  in  Hange  dictns  de  Kregelingen  aof. 

2)  Dass  die  nachrichten  vom  scbolastcr  Reinhard  zu  St.  Barkard  (s.  a.  a. 
Ogg,  Chorographie  758)  unzuverlässig  sind,  bemerkt  v.  Wegele,  uuiv.  3,  anin.  2; 
auch  die  von  Ennuert,  unterfr.  arch.  XV,  2,  208  fgg.  gemachten  angaben,  dass  in 
St.  Durkard  von  1001  -1048  Kgil ward  und  nach  ihm  bis  1072  Marqnard ,  nach  die- 
sem bis  WM)  Johannes  als  scholaster  gewirkt  haben,  wollen  sehr  vorsichtig  aufgenom* 
men  sein ;  dass  p4^ilward  erst  ins  Xll.  jahrh.  gehört ,  wies  üssermann  s.  192  nach.  — 
über  spätere  Scholastiker  von  St.  Burkard  s.  Wieland,  unterfr.  arch.  XV,  1,  95. 

;{)  Von  anderen  sorpentiui  oder  echoici  genant,  dem  Verfasser  des  gedichts  wol 
speciell  aus  des  Sedulius  elegie  (ed.  Arevalo  s.  3()l)  bekant;  vgl.  W.  Meyer  (Bade- 
win)  Münchner  Sitzungsberichte  1873,  s.  8G.  Bei  lluemer,  Wiener  Studien  1882» 
s.  302  heissen  solche  verse  ^paracterici.** 

4)  Parallelen  wie  das  vorkommen  von  Sainson  und  Salomon  in  apologie  und 
in  gedieht  XXXIX,  42  entscheiden  ebensowenig  gegen  als  für  die  ansetzong  ein* 
nnddesselben  Verfassers. 

5)  In  Wahrheit  hat  übrigens  reichlich  Vt  der  279  verso  noch  nnr eines 
zweisilbigen  reim.    Betrefs  des  aufkommens  des  zweisilbigen  reims  sind   die 


Zu  FROXTMUNDS  BBnSFCODBX  UND  BUODLIBB  429 

nicht  absolut  unmöglich ;  solte  doch  durch  diese  apologie  die  Überlegen- 
heit in  metrischer  kunst  bewiesen  werden  (s.  v.  145,  147,  176);  ja  ich 
könte  sogar  anführen,  dass  in  der  apologie  einige  von  jenen  Wörtern 
widerkehren,  die  sich  Froumund  aus  dem  metr.  ApoUonius  Tyrius  als 
merkenswert  exzerpierte  und  auf  die  ränder  seiner  Boethiushandschrift 
eintrug,^  aber  das  sind  gewagte  argumente  '  und  wir  müsten  uns  zudem 
der  unbequemen  annähme  von  zwei  aufenthalten  Froumunds  in  Würz- 
burg getrösten ,  die  durch  einen  Zwischenraum  von  beiläufig  20  jähren 
getrent  wären.  Ein  andenken  an  den  ersten  aufenthalt  Froumunds 
in  Würzburg  enthält  briof  3 ,  der  im  original  die  (nachträglich  und 
nicht  durchaus  sicher  von  Froumund  geschriebene)  Überschrift  hat:  „Ad 
Ruotkerum  abbatem  Herbipolensem."  Ich  finde  von  diesem  abt  nir- 
gends sonst  eine  künde ;  ^   Wieland  ^  sezt  ihn  ins  Burkardskloster  und 

noch  so  wenig  geschlossen  wie  über  so  manches  andere  kapitel  der  mittelalterlichen 
littoratiir,  und  wie  sich  gegen  Grimms  und  Seilers  (F  402  und  404)  Statistik  schon 
jezt  einwände  erheben  und  mancher  neue  faktor  einsetzen  lässt,  so  ist  von  späterer 
Publikation  handschriftlicher  anecdota  noch  manche  anfklärung  zu  erwarten.  Lehr- 
reich sind  die  antersuchnngen  W.  Meyers,  Münch.  sitzungsb.  1882  über  lat.  rhyth- 
men,  insbesondere  s.  64  — 71,  136  —  143  und  190;  vgl.  auch  W.  Meyer,  Münch. 
sitzungsb.  1873,  70 — 99  über  die  arten  der  gereimten  hexameter.  Schon  die  an 
orzbischof  Ebbe  von  Keims  (816 — 855!)  gerichteten  46  verse  («=-  Dümmler,  poetae 
aevi  Gar.  I,  623)  lassen  dem  zweisilbigen  reim  grossen  Spielraum,  desgleichen  die 
aus  154  versen  bestehende  opistel  Gottschalks  an  Ratramnus  («=  Migne,  patr.  lat. 
121 ,  368  fgg.) ,  die  etwa  um  840  (!)  entstand.  Nicht  anders  ist  es  in  dem  von 
Froumund  schon  vor  dem  jähr  1000  gelesenen  und  bewunderten  metrischen  Apol- 
lonius  Tyrius  (s.  die  folgende  anmorkung),  und  die  1881  von  Eieffer  als  programm 
des  Mainzer  gymnasiums  herausgegebenen  867  versus  Ekkeharti  IV  Sangallensis, 
der  seit  1022  domscholaster  in  Mainz  ist,  „ad  picturas  domus  domini  Mogontinae'' 
zeigen  einen  entschiedenen  triumph  des  zweisilbigen  reimes. 

1)  Von  den  31  Apolloniusglossen ,  die  sich  Froumund  schon  vor  eintrag  sei- 
ner scholien  in  seinem  Boethiuscodcx  vormerkte,  lesen  wir  in  der  apologie:  v.  73 
retinacnla  (vgl.  Apollonius  ed.  Dümmler  v.  234);  v.  103  nQVum,  hier  allerdings  in 
andrer  bedeutung  als  bei  Apollonius  v.  70.  Man  vergleiche  ferner  apologie  v.  136 
conspectum  lincis  mit  Apollonius  v.  555  fgg.  (s.  auch  unten  absatz  XVII  und  XXI !) 
und  apologie  v.  239  corriti  mit  Apollonius  150  cerritus.  —  In  dem  echt  -  froumnn- 
dischon  gedieht  XXVII,  5  wird  das  ApoUoniusnotat  „pronostonus"  verwertet,  jedoch 
in  „pronostinus"  verdreht ,  s.  Seiler  F  423  anm.  3  (vgl.  auch  adolph^  Apollonius  42 
=  echtfroum.  carraon  V,  8). 

2)  In  utramque  partem  wie  die  in  anm.  4  auf  s.  428  erwähnte  parallele  lässt 
sich  der  umstand  deuten,  dass  in  v.  189  der  apologie  „Sancti  sen  cuncti  nobis 
succurrito  iuncti"  steht,  das  echtfroum.  gedieht  XXXVI  aber  das  thema 
„Insontes  domini  nobis  succnrrite  sancti  akro-  und  telestichisch  behandelt. 
Vgl.  auch  gedieht  XV,  l. 

3)  Ein  Zeitgenosse  dieses  angeblichen  abtes  ist  der  bekante  biograph  des 
grossen  Bruno  v.  Köln  „Rätger  clericus  Ooloniensis  (ad  St.  Pantaleonem?)."  Der 
name  Rueger  war  in  der  familie  der  grafen  von  Rothenburg  in  Übung,  doch  sind 


430  8CHBP88 

allerdings  war  zu  Gozperts  zeit,  in  die  uns  die  räumliche  Stellung  des 
briefs  im  cod.  epist.  verweist,  in  Würzburg  nur  dies  eine  kloster.  Frou- 
mund  schreibt  ziemlich  derb  und  gereizt/  —  ob  er  wol  je  wider  nei- 
gung  verspürte  den  wanderstab  nach  Würzburg  zu  lenken? 

Schliesslich  sei,  was  „Vangia"  in  v.  15  der  apologie  betrift, 
noch  erwähnt,  dass  ich  einen  augenblick  daran  dachte,  dieser  ausgangs* 
ort  der  litterarischen  fehde  —  dass  Würzburg  durch  ein  „poeina* 
angegriflfen  ward,  steht  v.  102,  143,  161  —  möchte  vielleicht  nicht 
Worms  sein,  wie  Wattenbach  (gesch.^1,  233)  und  v.  Wegele  anneh- 
men, sondern  das  im  cod.  epist.  so  oft  genante  Feuchtwangen; 
indessen  würden  ebendadurch  wider  neue  erhebliche  Schwierigkeiten 
in  der  erklärung  entstehen,  [n  v.  87  lässt  Seiler  Labeonem  mit 
unrecht  gespert  drucken,  als  sei  Labeo  wirklich  ein  zeitgenössischer 
gegner  des  apologeten;  Labeo,  der  bearbeiter  einer  lat.  llias,  gilt  viel- 
mehr als  typus  eines  stümpers  und  unsere  stelle  ist  gebildet  nach  Per- 
sius*I,  4:       Ne  mihi  Polydamas  et  Troiades  Labeonem 

Praetulerint. 

B. 

Nur  wenige  bemerkungen  sind  es ,  die  ich  zu  Seilers  Kuodliebaus- 
gabe  vorzubringen  habe.  Die  erklärungsversuche  nacli  Osbern ,  Ducange 
und  lex.  Salomonis  heben,  wie  mir  bewusst  ist,  nicht  endgültig 
die  Schwierigkeiten;  die  mähr  vom  ligurius  auf  ihre  quelle  zurück- 
zuführen, erwies  sich  als  nicht  so  einfach,  und  vorläufig  sind  es  nur 
negative  resultate,  die  ich  in  dieser  richtung  erzielte;  gleichwol  wird 
die  von  mir  gesammelte  litteratur  nicht  unerwünscht  sein.  Ich  fahre 
in  der  begonnenen  Zählung  fort: 

die  von  CoHand  (Einige  beitr&go  za  d.  fränk.  gcsch. ,  Ohringen ,  sine  anno)  s.  24 
und  41  erwähnten  träger  desselben  weltliche  herren.  Der  in  Froamunds  brief 
genante  Hezilinus  liess  mich  daran  denken,  dass  kaiser  Kourads  II  vat«r,  graf 
Heinrich,  Hezel  zubenant  war,  sowie  dass  auch  der  oft  von  mir  genant«  biachof 
Heinrich  1  von  Würzburg  den  deminntivnaiiien  Hezelin  führte  (Colland  24,  Usser- 
mann  44);  doch  war  gerade  in  Franken  der  namc  Heinrich  ausnehmend  beliebt  and 
die  freilich  vieldeutigen  briefworte  ,,Hezilinum  nescio  quiil  promiscui  pecoris 
petentem"  wollen  nicht  recht  auf  den  hischof  passen. 

4)  Wieland,  unterfr.  arch.  XV,  04,  98  lässt  Ruotker  „Schriftsteller«  sein, 
wiewol  auch  er  weiter  keine  notiz  über  ihn  auftrieb  als  unsem  brief  nr.  3;  Wielaud 
gibt  überhaupt  zu  viel  auf  höflichkeitsphranon  wie  „doctorum  peritissimus/  womit 
Ruotker  angesprochen  wird,  sowie  auf  die  schablonenhaften  lobeserhebungen ,  wie 
wir  sie  bei  Trithemius  zu  finden  gewohnt  sind. 

1)  Ist  etwa  der  in  briof  3  gcmaciite  Vorwurf  „neglectae  cautionis**  schon  in 
Verbindung  zu  setzen  mit  brief  77  (mendacium)  und  brief  iV2  (angebl.  voruntreniuig 
eines  buchs)? 

2)  Dass  schon  Froumund  das  studium  des  Persins  in  Tegemsee  knlÜvierte» 
lehrt  brief  17  und  brief  10<^ 


Zu  FBOUMÜNDB  BBIBFCODBl  UND  BUODLIBB  431 

XVII.  Rs.  35fg.]  Der  sieg  Ruodliebs  im  harfenspiel  erinnert 
an  Apollonius  Tyrius,  wo  der  held  gleichfals  schöner  als*die  anderen 
auf  der  cither  spielt;  *  zu  R  177  Hesse  sich  als  weitere  ähnlichkeit  des 
poetischen  apparats  erwähnen,  dass  der  luchs  sowol  im  Apollonius 
(v.  555  —  568)  als  im  Ruodlieb  als  bevorzugtes  Wundertier  erscheint. 
Die  12  lebensregeln  im  Ruodlieb  entsprechen  etwa  den  12  rätseln  im 
Apollonius.  Der  chronologischen  Ordnung  nach  hätte  übrigens  Apollo- 
nius vor  Otloh,  Ekkehardt  IV  und  den  übrigen  von  Seiler  R  173  fgg. 
angezogenen  dichtem  zu  stehn,  denn  seine  entstehung  ist  nicht  in 
,,saec.  XI  ex./  wie  Dümmler  nach  der  Q enter  hds.  bestimmen  zu  müssen 
glaubte,  sondern  ein  gut  teil  Mhor  anzusetzen,  was  demnächst  im  „neuen 
archiv  der  gesellschaft  f.  alt.  d.  gesch."  von  mir  dargetan  werden  soll. 

XVIII.  R  162.]  Zu  dem  spruchvers  Quod  rarum  carum  usw. 
finde  ich  noch  eine  parallele  bei  Jo.  Saresberiensis  ed.  Giles  V,  s.  245 
=  V.  191  des  über  entheticus: 

Abdita  namque  placent,  vilescunt  cognita  vulgo. 
Die  formel  rari  atque  cari  s.  u.  a.  bei  Wattenbach,  ztschr.  f.  d*  gesch. 
d.  Oberrheins  XXV,  151  fg.  (Säldner  contra  Gossembrot). 

XIX.  R  164.]  Wiewol  die  beiden  dichter  vielleicht  kein  ganzes 
„menschenalter"  auseinander  sind,  wie  Seiler  annimt,  konstatiere  ich 
doch  ausdrücklich,  dass  es  mir  nicht  in  den  sinn  komt  Ruodlieb  dem 
Froumund  zuzuschreiben. 

XX.  R  231  =  V,  139  scutis  retalatis  (?).]  Taliatus  =  zerris- 
sen, eingeschnitten.  Die  inkunabel  vom  sog.  lex.  Salomonis  hat: 
„Retilat  aperit.  Reticulatos  cancellatos.^  Solte  an  fjälsche  messungen 
wie  taliatis  oder  reticlatis  gedacht  werden  müssen  ?  oder  soll  es  heissen 
„rutilatis  =  rötlich  gefärbt?" 

R  233  =  V,  196  veluti  glandes.]  Lex.  Salomonis:  „Glandium 
dubium.''  Ducange  kent  glandis  =  turris  lignea;  solte  etwa  der  sinn 
sein:  „die  höflinge  umlagern  den  könig  wie  waltürme  und  tragen 
ihm  dabei  heimlich  ihre  bitten  vor?"* 

R  240  =  V,  355  boga]  Der  Tegernseer  Metellus  hat  in  seinen 
Quirinalia  ed.  (Canisius-)  Basuage  thes.  monum.  III,  II,  s.  153  fg.  drei- 
mal boga  =  fessel. 

R  304  =  Epigr.  VIII,  1  efiiatas.]  Osbern  =  Mai,  cl.  auct.  VIII, 
243:  Filiatus  curvatus  aquilus  camuratus  obuncus  reduncus  arcuatus 
lunatus;  ebenda  198:  Ebilare  mutilare  detruncare. 

XXI.  R26,  186,  229  =  II,  1  fgg.;  V,  104  —  129;  XIII,  19.] 
Besondere  aufmerksamkeit  wante  ich   auf  die  erforschung  der  medici- 

1)  Die  mittclgriecli.  fassaug  des  Apollonius  saec.  AiU  (ed.  Wagner)  hat 
V.  155  auch  ä\}na.  2)  (Eorrektnruachtrag.)  Eine  andre  deutung  s.  jezt  bei  Laist- 
ncr  in  Steinmeyers  ztschr.  n.  f.  XV,  s.  96. 


432  8CHSP88 

nisch  -  naturwissenschaftlichen  fabeln,  d.  h.  namentlich  auf  die  Würdigung 
der  buglos'sa  als  zaaberkraut  gegen  wölfe  und  zum  fischfang,  sowie 
auf  die  erzählung  von  Lynx  und  von  der  künstlichen  herstellong  des 
edelsteins  Ligurius-Lyncurium.  In  dem  von  Seiler  R  187  erwähn- 
ten Plinius  Yalerianus  (Basel  1528)  ist  nichts  zu  finden;  von  der 
übrigen  litteratur  ^  habe  ich  hier  zu  erwähnen : 

In  Gesners  bist.  anim.  (1720)  findet  sich  s.  678  über  den  lachs: 
„author  quidam  obscurus  (nomen  iam  non  succurrit)  scripsit  animal 
esse  mixtum  natumque  ex  cerva  et  lupo  aut  cervo  et  Inpa;*^  ferner: 
„Antonius  Musa  Brasavolus  terram  lyncum  urina  madidam  saepius  col- 
lectam  sibi  et  repositam  scribit,  sed  nihil  unquam  in  ea  crevisse,  mire 
autem  foetidam  fuisse;   681  Lyncurius  lapis  efiusa  iyncis  urina 

1)  Wenig  ist  zu  hoffen  von  dem  bach,  wolchea  Beckmann  in  seiner  ICarbod- 
aasgabo  r.  49  citiert  ^memoria  sul  lincurio  dol  cavaliere  Carlo  Antonio  Napione, 
Romac  ITOB.**  Die  durchsieht  dürften  etwa  noch  verlohnen  Albortns  Ma^ns  nnd 
die  Schriften  der  alchemisten.  Alte  kräutcrbücher  erwähnt  Wattenbach,  schrift- 
wesen*  295  anm.;  ein  ähnliches  zunberkraut  wie  die  bnglossa,  wodurch  tote  fische 
wieder  ins  leben  gerufen  werden ,  kommt  vor  bei  Rohde ,  Griech.  roman  8.  125. 

Vergebens  habe  ich  durchgesehn  (diejenigen  werke,  welche  weitere  litteratnr- 
nachweise  bieten,  gebe  ich  mit  gesperteni  druck): 

Aolian,  de  nat  anim.  IV,  17  und  XIV,  6  ed.  Jakobs;  —  Apnleias  de 
herbarum  virtutibus.  Basel  1528  s.  109  (buglossa);  —  Beckmann,  gesofaichte 
d.  erfindungen  I,  241  fgg.  (lyncurium):  —  Bochart,  Hierozoicon  I,  796  fgg.;  — 
Boppe,  der  starke  ==  v.  d.  Hagens  minnesingcr  II,  377  (allerlei  wunder-  tiere) ;  — 
Brehms  tierleben  I ;  —  Caesarius  v.  Heisterbach ,  illustr.  mirac.  et  bist,  memor. 
libri  XII,  1599;  —  Forer,  tierbnch  1583  (s.  150  luchs);  —  Hildegardia,  phy- 
sica,  Strassburg  1533  (s.  116  linx  und  ligurius);  —  Isidors  origines;  —  Iso  magi- 
ster  de  XII  lapidibus,  in  der  Prudontiusausg.  v.  Weitz  s.  877;  —  Köhler,  tier- 
leben im  Sprichwort  der  Gr.  u.  'Rom.  (1881),  h.  117  lyncos;  —  Langkavol,  bota^ 
nik  der  späteren  Gr.,  1866,  s.  48  buglossa;  —  Lcwinstein,  die  alcheimic  =^ 
Holtzcndorff-Virchow,  vortrage,  5.  serie,  nr.  113;  —  Macer  Floridus  de  ▼iriboa 
herbarum  (v.  1135  fgg.);  ao^^edunt  Otto  Crcmonensis,  Walafrid  Strabus  (hortnlui), 
.lob.  Ftdcz  ed.  Choulant-Sillig;  —  Mar b od,  lib.  lapidum  ed.  Beckmann  1799, 
V.  358— 368;  —  Oribasius,  Strassburg  1543,  s.  130  und  170;  —  Paradoxograpbi 
ed.  Westermann  (vgl.  O.  Keller,  rer.  nat.  8cri])t.  (ir.  min.,  vol.  I)  =  Ariatotelis 
mir.  ausc,  Antigoni,  A)>ollonii,  Phlegontis  bist,  mirabiles,  Pselli  lect.  mir.;  — 
Physiologus  ed.  Mai,  olass.  auct.  VII,  589  —  596;  —  Salomonis  lexicon,  inkniuibel- 
dmok  s.  1.  c.  a. ,  artikcl  ligurius  und  lincis,  wo  gleiehfals  ligurius  (nicht  Ijmc) 
steht;  —  Soliuus  cd.  Mommsen  s.  44,  13  (lyncurium);  —  Tabemacniontaniia,  krSo- 
terbuch,  Basel  1731,  s.  804;  —  Theobaldus  Episcopus  de  XII  animalibns«  inkuoa- 
behlruck  s.  1.  e.  a.;  —  Theophrast,  fragm.  II  (nf^l  Xdhtov)  kap.  V,  28  nnd  fragm. 
riiXXV  (=^  ed.  Wimnier  bd.  III,  8.41  und  221).  Reiche  litteraturangaben  über 
l.igurins  goben  auch:  Wald  mann,  der  bcmstein  im  altertum,  separatabdmck  ans 
dem  progr.  des  livländ.  landesgynin.  Fellin  für  1882,  Fellin  1883,  s.  18  fg.  und 
Schade,  althochd.  Wörterbuch  r.  1301  —  1394.  Wegen  buglossa  vgl.  Laiatner  io 
Steinmeyera  zeitschr.  n.  f.  XV  (=  188:j)  .s.  92  fgg.,  l(rj,  106  (clectram  ICAI). 


zu   PROUMUNDS   BRIEFCODEX   UND  RüOIU.lEB  433 

Septem  dierum  spatio  generatur.     Jorath."     Bei  Gesner  findet  man 
eine  menge  von  litteratornachweisen. 

Froumunds  Maihinger  Boethiushandschrift  hat  zu  Boethius 
de  cons.  phil.  s.  65,  22  ed.  Peiper  in  dem  kommentar,  der  sonst  etwa 
den  gierchen  Wissensstand  repräsentiert,  wie  ihn  der  dichter  des  Euod- 
lieb  besass,  auf  blatt  84^:  „Linces  animalia  sunt,  ut  quidam  dicunt, 
ex  cane  et  lupo  nati ,  ut  alii  extremi  catuli  luporum ,  qui  sunt  peiores." 

Mich.  PselluS;  etwa  ein  Zeitgenosse  des  Buodliebdichters ,  sagt 
(71€qI  U&(av  dwafneiog  ed.  Ideler,  phys.  et  med.  Gr.  min.  I,  s.  244): 
„Tag  dyvdoTOvg  ^fuv  Xld'ovg  idaa),  töv  ^Ovoyuxqdiov  .  .  .  xat  rbv  Xvy^ov- 
Qov  %al  baoi  TOLOirroL,  Stv  tö  ovofia  fidvov  l'afieVy  ov  fiiwoi  ye  avTCÜg 
ivTvyx^Ofiev.^ 

Eine  merkwürdige  und  namentlich  wegen  der  Scheidung  zwischen 
den  formen  hyijQLOv  (==  ligurius  R  V,  102)  und  XayKovQKyv  (ÄvyxoiJ^tov) 
beachtenswerte  stelle  ist  vorhanden  bei  dem  schon  im  vierten  Jahrhun- 
dert schreibenden  Epiphanius  Episcopus  (ed.  W.  Dindorf  1862  vol.  IV, 
pars  I,  s.  229)  in  dem  nur  auszugsweise  erhaltenen  buch  Ttegt  ödde/xx 
U&cDv  (d.  h.  über  den  schmuck  des  hohepriesters  Aaron):  y^Ud^og  Xiyi- 
Qiov  •  TOVTOv  de  TTjv  eügeaiv  ovdafißg  eyvcofxev  ovre  naqä  qwaioXS- 
yoig  övxe  7iaQa  naiv  äQ^atoig  xöig  TZBqi  xoixvjv  f.ief4eQif4vrf/,6atv.  eÜQO- 
IX ev  de  XayaoijQLOv  . , .  ov  Tiveg  tJ  tqov^  dtakexTa)  Xayoiqiov  yuxXovai,"' 
Epiphanius  äussert  dann  die  Vermutung,  der  stein  hyvQiov  der  bibel 
(=  Moses  II,  28,  19)  sei  identisch  mit  dem  hyacinthus.  —  Die  nach 
dem  volständigen  griech.  original  gefertigte  versio  antiqua  hat  pun 
aber  folgende  ergänzung  (s.  189):  „Et  liggurus  quidem  vel  etiam  lag- 
gurus,  si  ipse  sit  liggyrium,  rursus  ex  quo  sit  loco,  nescitur  a  nobis 
....  Explanatur  enim  liggurus  a  quodam  animali  quod  liggium  nomi- 
natur  habens  colorem  bubali^  vel  buculae  rufae,  cuius  cauda  modica 
est,  et  habet  puncta  quaedam  viridantia,  propter  quod  et  lapis  ligurus 
idem  liggii  cauda  vocitatur;  s.  191  wird  über  die  gewinnung  von  edel- 
steinen  folgendes  berichtet:  „in  Scythia  iugulant  agnos  et  excoriantes 
dimittunt  desuper  e  saxis  . . .  lapidesque  . .  agnorum  decoriatorum  car- 
nibus  adhaerescuut;"  wenn  dann  adler  das  fleisch  heraufgeholt  und 
gefressen,  die  edelsteine  aber  liegen  gelassen  haben,  werden  leztere 
von  Sträflingen  eingesammelt.  Wichtig  sind  Dindorfs  anmerkungen. 
Über  diamanten,  die  durch  adler  geholt  werden,  vgl.  Rohde,  griech. 
roman  (1876)  s.  181  anm.  d  =  Sindbads  abenteuer. 

1)  Solin.  ed.  Mommsen  s.  108:  sunt  et  nri,  qaos  imperitum  vulgas  vocat 
babalos,  cam  bubali  (=  gazellen)  pacne  ad  cervinam  faciem  in  Africa  procroentar. 

WÜRZBÜBG,  JANUAR  1883.  GEORG  SCHEPSS. 


ZEITSCHR.   F.   DRÜT8CUE  PHILOLOOIR.     BD.  XV. 


28 


4M 


DER  TEXT    DES   ZWEITEN   TEILES   TON  GOETHES 

,  FAUST/^ 

Viel  anguD3tig*T  als  beim  ersten  teile  steht  es  mit  der  überlie- 
fening  des  textes  unseres  weltumfassenden  dramas  beim  zweiten«  da 
nur  dessen  anfang  and  die  «Helena*  bei  lebzeiten  des  dichters  gedruckt 
wurden,  and  auch  diese  ohne  gehörige  Sorgfalt:  denn  die  zn  gründe 
liegende  handschrift  war  eilig  angefertigt  and  nicht  achtsam  genug 
durchgesehen  worden.  In  noch  viel  höherem  grade  war  dies  bei  der 
vom  dichter  nachgelassenen  des  ganzen  zweiten  teiles  in  den  noch 
angedruckten  akten  und  scenen  der  falL  Die  reinschrift ,  nach  welcher 
der  druck  gemacht  wurde,  ist  nicht  mehr  vorhanden;  von  einer  in 
Goethes  archiv  befindlichen  handschrift  ist  nichts  bekant,  vielmehr 
deutet  alles  darauf,  dass  Goethe,  wie  sonderbar  es  auch  scheinen  mag, 
von  dem  vollendeten  zweiten  teile  nur  eine  handschrift  hinterliess,  die 
er  im  juli  1831  einsiegelte,  dann  im  januar  1832  wider  herausnahm, 
um  seiner  Schwiegertochter  die  beiden  lezten  akte  vorzulesen ,  wobei  er 
einiges,  was  ihm  aafBel,  änderte  (vgl.  meine  grossere  erklärung  109 
zweiter  aufl.),  ja  wir  werden  den  beweis  erbringen,  dass  nur  eine 
äusserst  fehlerhaft  geschriebene  sich  vorfand ,  die  von  den  herausgebem 
ohne  jeden  andern  anhält  verbessert  wurde.  An  methodischer  dar- 
legung  der  Sachlage  hat  es  bisher  gefehlt.  Meiner  herstellung  der  eli- 
sionen  war  von  Loeper  in  der  den  richtigen  grundsatz  ausfuhrenden 
Schlussanmerkung  seiner  ersten  ausgäbe  des  zweiten  teils  gefolgt;  in 
der  zweiten  dagegen  hat  er  sich  nicht  im  zusammenhange  darüber  aus- 
gesprochen. Was  Schröer  darüber  gibt,  ist  bereits  besprochen;  seine 
haltlosigkeit  wird  aus  der  folgenden  darlegung  noch  klarer  hervorgehen. 

Beginnen  wir  mit  der  zuerst  gedruckten  „Helena,"  wie  sie  1827 
die  taschenausgabe  im  vierten  bände  der  werke  brachte;  der  druck  der 
octavausgabe  des  folgenden  Jahres  zeigt  keine  Verschiedenheit  Am 
25.  märz  1825  sante  Goethe,  noch  ehe  er  von  dem  schrecken  über  den 
theaterbrand  sich  ganz  hergestelt  hatte,  den  anfang  der  „Helena*^  an  Rie- 
mer, „einen  teil  der  gestrandeten  ladung ,  den  er  den  strudeln  der  Lethe 
kecklich  abgewonnen  habe."  „Schenken  Sie  diesem  hefte  Ihre  gewohnte 
liebevoll  einsichtige  aufmerksamkeit ,"  bat  er.  „Es  gibt  freilich  man- 
cherlei dabei  zu  bedenken."  Die  hofnung,  mit  dem  übrigen,  der  fort- 
setzung  und  dem  Schlüsse  der  „Helena,"  solle  es  auch  gelingen,  wenn 
sich  die  elemente  nur  nicht  gar  zu  wild  entgegensezten,  täuschte  ihn 
nicht,  wenn  auch  längere  zeit  dazu  gehörte,  als  er  sich  gedacht  Es 
bedurfte  noch  mancher  Studien ,  besonders  einer  eindringenden  bescbftf* 


DÜKTZER;  ZUB  TBXTKKITIK  VON  OOETHBS  FAUST.   H.  435 

tigung  mit  der  geschichte  der  griechischen  erhebung  und  der  früheren 
fränkischen  eroberung  des  alten  Peloponneses ,  ehe  er  an  die  weitere 
ausarbeitung  gehen  konte.  Die  Vollendung  gelang  erst,  nachdem  er  den 
Winter  darauf  verwant  hatte,  auch  nicht  ohne  lücken  und  mit  ausnähme 
des  Schlusses,  im  frühjahr  1826;  bis  zur  ablieferung  der  handschrift 
hatte  er  noch  bis  zum  nächsten  jähre  zeit.  Auch  diesmal  ward  die 
durchsieht  zunächst  Eiemer  anvertraut.  Auf  die  „Helena"  bezieht  sich 
Goethes  brief  an  Kiemer  vom  2.  december  1826,^  wo  er  schreibt:  „Sie 
erhalten  hierbei,  mein  werthester,  das  fragliche  wundersame  werk  bis 
gegen  das  ende.  Haben  Sie  die  gefälligkeit,  es  genau  durchzugehen, 
die  Interpunktion  zu  berichtigen  und  allenfalsige  bemerkungen  nieder- 
zuschreiben, vorzüglich  aber  folgendes  im  äuge  zu  behalten.  Ich  unter- 
liess,  wie  Sie  sehen,  in  prosaischer  parenthese  das,  was  geschieht  und 
vorgeht,  auszusprechen,  und  liess  vielmehr  alles  in  dem  dichterischen 
flusse  hinlaufen,  anzeigen  und  andeuten,  soviel  mir  zur  klarheit  und 
fasslichkeit  nötig  schien.  Da  aber  unsere  lieben  deutschen  leser  sich 
nicht  leicht  bemühen,  irgend  etwas  zu  suppliren,  wenn  es  auch  noch 
so  nah  liegt,  so  schreiben  Sie  doch  ein,  wo  Sie  irgend  glauben,  dass 
eine  solche  nachhülfe  nötig  sei.  Das  werk  ist  seinem  Inhalt  nach  rät- 
selhaft genug;  so  möge  es  denn  der  ausführung  an  deutlichkeit  nicht 
fehlen."  Besonders  der  zweite  teil  der  „Helena"  bedurfte  solcher  sce- 
narischen  bemerkungen,  die  nach  dieser  äusserung  alle,  höchstens  mit 
geringen  ausnahmen,  von  Eiemer  sind.  Freilich  wurden  sie  von  Goethe 
gebilligt,  woraus  aber  nicht  folgt,  dass  dieser  die  richtigkeit  derselben 
bis  zum  einzelnen  ausdruck  alseitig  erwogen  habe.  Schon  vorher  war 
die  abschrift  der  „Helena"  begonnen,  deren  monolog  er  bereits  den 
22.  november  an  Boisseree  gesant  hatte;  sein  versprechen,  ihm  auch 
die  folge  mitzuteilen,  erfülte  er.  Bis  auf  die  lezte  stunde,  schrieb  er 
diesem ,  sei  noch  immer  etwas  daran  zu  bemerken ,  zu  bestimmen.  Am 
26.  Januar  1827  gieng  das  ganze  zum  druck  ab,  von  einer  kanzleihand, 

1)  Irrig  ist  Biemers  eigne  datierang  vom  folgeDden  jähre,  wodurch  der 
anschein  entstand,  Goethe  habe  damals  am  fünften  akte  des  „Faust"  gearbeitet. 
Wir  wissen  aber,  dass  er  am  1.  Oktober  den  anfang  der  zweiten  scene  des  ersten 
aktes  Eckennann  vorlas  und  sich,  da  er  den  ersten  akt  bis  zur  scene  im  lustgar- 
ten  der  neuen  ausgäbe  des  ersten  teils  folgen  lassen  wolte,  auch  so  eifrig  daran 
hielt ,  dass  er  ihn  schon  im  nächsten  Januar  zum  dmck  absenden  konte.  Dies  stimt 
ebenso  wenig  zu  dem,  was  Goethe  in  unserm  briefe  bemerkt,  als  bei  der  datierung 
vom  december  1826  alles  auf  den  damaligen  zustand  der  „Helena"  passt.  V^Tenn 
Biemer  selbst  den  ausdruck  „das  fragliche  wundersame  werk"  auf  den  „Faust" 
bezieht,  so  ist  dies  entweder  ein  versehen  oder  er  denkt  an  den  „dritten  akt  des 
Faust,"  wie  er  „Helena"  auch  in  der  anmerkung  zum  oben  angeführten  briefe 
vom  25,  märz  bezeichnet. 

28* 


436  DÜNTZKR 

wol  von  Kräuter,  nicht  von  seinem  secretär  John  geschrieben.  Wir 
bemerken  hierbei,  dass  eine  später  unterdr&ckte  rede  der  scheidenden 
Phorkyas  in  einem  von  Kräuters  band  geschriebenen  entwarf  sich 
erhalten  hat.  Dass  die  zum  druck  bestimte  handschrifb  eine  ins  ein- 
zelne gehende ,  besonders  die  notwendige  elidierung  der  vokale  e  und  t 
und  die  interpunktion  sorgfältig  beachtende  durchsieht  erfahren,  steht 
an  sich"  schwer  zu  behaupten.  Eckermann  scheint  diese  nicht  über- 
nommen zu  haben;  denn  Goethe  überraschte  ihn  damit,  dass  er  ihm 
das  zur  absendung  bereite  packet  zeigte ,  und  weder  Riemer  noch  Gott- 
ling  wurden  damit  beauftragt,  wenn  sie  auch  das  ganze  vor  der 
abschrift  gelesen  hatten.  Demnach  könte  es  nicht  aufTallen,  wenn  die 
abschrift  an  ungenauigkeiten ,  ja  selbst  an  andern  kleinen  versehen 
litt,  die  Goethe,  wenn  er  sie  selbst  las  oder  sich  vorlesen  Hess,  leicht 
übersehen  oder  überhören  konte.  Wenn  der  schriftsteiler  beim  corri- 
gieren  seiner  eigenen  werke  oft  fehler  übersieht,  indem  er  beim  lesen 
nicht  das,  was  wirklich  gedruckt  steht,  sondern  was  er  sich  gedacht 
hat,  herausliest,  so  konte  dies  hier  auch  bei  Goethe  leicht  der  fall 
sein,  nicht  weniger  mochte  er  beim  vorlesen  auch  irriges  überhören, 
da  ihm  das  richtige  im  sinne  lag;  vor  allem  aber  ist  es  begreiflich, 
dass  er  auf  die  durch  den  vers  gebotene  elision  nicht  die  nötige  Sorg- 
falt verwante,  nicht  beachtete,  dass  sein  abschreiber  regelmässig  die 
vollen  prosaischen  formen  geschrieben  hatte,  auch  wo  der  vers  sie  nicht 
gestattete. 

Vergleichen  wir  die  behandlung  der  antiken  versmasse,  wie  sie 
Goethe  sonst  in  anwendung  bringt,  mit  der  im  ersten  drucke  der 
„Helena"  sich  findenden,  den  wir  wesentlich  als  treue  widergabe  der 
handschrift  ansehen  dürfen.  Den  ersten  versuch  in  trimetem  machte 
der  dichter  im  September  1800  mit  dem  anfang  der  „Helena."  Die 
gesetze  des  griechischen  verses  scheint  er  aus  Hermanns  schrift  De 
metris  Graecoiiim  et  Romanorum  (1796)^  kennen  gelernt  zu  haben, 
auf  die  er  wol  durch  Wilhelm  Schlegel  hingewiesen  worden  war,  des- 
sen metrische  und  prosodische  kentnisse  er  damals  zu  seinem  zwecke 
benuzte,  auf  dessen  hülfe  er  auch  wol  in  bezug  auf  die  versmasse  der 
chorgesänge  rechnete,  die  er  in  der  „Helena"  wagen  muste.  Die 
grundgesetze  des  antiken  trimeters,  dessen  Schema,  wie  er  es  nent, 
hatte  er  sich  gemerkt.  So  wüste  er  denn,  dass  die  Griechen  den  ana- 
päst  sich  nur  im  ersten  fusse  sowie  bei  eigennamen,  wenn  diese  einen 
fuss  bilden,  dagegen  den  tribrachys  in  den  vier  ersten  fassen,  selten  im 

1)  An  diese  schrift  Hermanns  ist  nach  Schillers  äusserung  in  dem  briefe  an 
Goethe  766  (vgl.  768.  770)  zu  denken,  obgleich  schon  1798  dessen  «Handbnch  der 
Metrik**  erschienen  war. 


ZUR  TEXTKRITIK  VON  GOETHES  PAUST.   II.  437 

fünften,  den  daktylos  im  ersten  und  dritten  gestatten:  aber  diese  freibei- 
ten  einzufübren  durfte  er  bei  der  unbestimtbeit  der  deutseben  prosodic 
und  der  furcbt,  dadurch  den  rhytbmiscben  scbritt  zu  verdunkeln,  sich 
nicht  gestatten ,  wogegen  er  sich  des  eintretens  des  anapästs ,  besonders 
innamen^  nicht  ganz  enthalten  mochte.  Freilich  ist  uns  die  damalige 
fassung  des  ersten  monologs  der  Helena  (wol  1  —  28,  36  —  72  und 
81  — 103)  nicht  erhalten,  so  dass  wir  kein  sicheres  zeugnis  seiner 
ersten  bebandlung  des  trimeters  in  bänden  haben,  aber  im  folgenden 
monat  schrieb  er  zum  geburtstage  der  herzogin  mutter  das  Vorspiel 
^Paläophron  und  Neoterpe,"  in  welchem  er  sich  des  antiken  verses, 
wahrscheinlich  doch  wesentlich  in  derselben,  wenigstens  in  keiner  gebun- 
deneren weise  als  im  tragischen  monologe  der  Helena  bediente.  In  den 
185  trimetern  ^  des  kleinen  allegorischen  stöckes  finden  sich  zwei  ana- 
päste  in  dem  verse  (6): 

Köonte  man  etwa  fordern,  dass  ich  sagte,  wer  ich  sei. 

Aber  hier  scheint  etwa  ein  versehen  des  setzers  statt  auch,  wie  in 
der  ausgäbe  der  werke  hergestelt  ist,  so  dass  nur  ein  anapäst  im  ersten 
fusse  zurückbleibt.  Dass  hier  etwa  blos  als  eine  silbe  genommen  sei, 
wie  in  der  „Helena"  672  fg.,  ist  nicht  wahrscheinlich.  Auch  könte 
man  meinen,  der  später  verbesserte  vers  (64): 

Ihr  seht  es  hoffentlich  doch  zufrieden  an, 

sei  eigentlich  ein  funffQssler,  in  welchem  der  vierte  fuss  ein  anapäst, 
aber  wahrscheinlich  war  hoffentlich  ein  versehen  des  setzers  statt 
des  später  wirklich  eingeführten  wie  ich  hoffe.  Die  endungen  von 
bei  Wörtern  auf  ig  sind  nie  zur  bildung  von  anapästen  gebraucht,  son- 
dern i  ist  immer  ausgestossen.  Wir  lesen  18  den  versschluss  lang- 
bedächt'gen  Schritt,  36  gleichfals  am  ende  leid'ge  Brut,  wie 
auch  in  den  trochäischen  und  jambischen  versen  des  stöckes  i  elidiert 
ist  (74  heil'gen,  240  ew'ger).  Die  endungen  -ere,  -eren,  und 
das  schliessende  e  des  verbums  vor  ich,  er,  es,  euch  sind  nie  bei- 
behalten zur  bildung  eines  auapästes. 

Durch  die  herlichen  trimeter  in  Goethes  monolog  der  „Helena" 
fühlte  sich  Schiller  angeregt,  zu  seiner  „Jungfrau  von  Orleans"  drei 
in  nachahmung  Homers  gedichtete  auftritte  (H,  6 — 8)  in  demselben 
versmass  zu  schreiben.  Hermanns  buch,  das  ihm  Goethe  auf  seinen 
wünsch  geliehen,  war  ihm  schwer  fasslich,  doch  wird  er  die  haupt- 
gesetze   des  trimeters  daraus  ersehen,    mehr   aber  dürfte   er  sich  an 

1)  Genauer  173,  denn  fünf  verse  (26—28.  30.  196)  haben  einen  fuss  zu 
wenig,  einer  (9)  einen  zu  viel,  und  sechs,  die  siebenfüssler  waren,  (39.  46  —  48. 
53.  112),  sind  erst  in  der  ausgäbe  der  werke  zu  richtigen  trimetern  geworden. 


438  DÜNTZEB 

Goethes  beispiel  gehalten  haben.  Auch  Schiller  behält  das  i  nie  bei, 
um  einen  anapäst  zu  bilden;  wir  lesen  bei  ihm  Unglückserger, 
blut'ge  (6,  8.  11),  britischen,  ird'sche,  beimischen,  heil'ge, 
gnädige  (7,  1.  31.  53.  89),  heiFger,  lebendiger  (8,  6.  11).  Auch 
blühnden  finden  wir  (7,  52).  Die  beiden  ersten  silben  eines  ana- 
pästs  bilden  zweimal  die  abbiegungen  eines  participiums  auf  end,  dro- 
henden, zitternde  (6,  2.  8,  7).  Sonst  haben  wir  den  anapäst 
mehrfach  im  ersten  fusse,  wenn  die  zweite  silbe  der  bestimte  artikel 
ist  (Doch  die  Fürchterliche,  Wie  die  Brunst,  Denn  dem 
Geisterreich,  Mit  dem  Schwert  6,  4  fg.  7,  20.  22),  einmal  auch 
im  fünften,  in  der  Jugend  (7,  36).  Ausserdem  stehen  am  anfang  des 
Verses  die  anapäste:  Wenn  er  auch  und  Muss  ich  hier  (7,  11.  76). 
Später  hat  Schiller  nur  noch  einmal  sich  des  Trimeters  bedient,  in 
der  ergreifenden  scene  der  „Braut  von  Messina"  IV,  8.  Dort  findet 
sich  nur  einmal  ein  anapäst,  in  dem  versanfang  Den  Verbrecher 
(65);  die  elision  des  i  komt  mehrfach  vor,  in  blut'ge,  bussfert'ge, 
ew'ge,  ew'gen,  heiTgem,  wogegen  in  den  vollen  formen  die  sUbe 
metrisch  mitzählt,  wie  in  unglückselige  Gerüst,  der  Lebendigen. 
Doch  wenden  wir  uns  von  Schiller  zu  Goethe  zurück.  Die  näch- 
sten trimeter  finden  sich  1802  in  der  rolle  des  Merkur  in  dem  Vorspiel 
„Was  wir  bringen."  Dort  erscheint  der  anapäst  nur  18,  18  in  See- 
lenwanderung und  19,  29  in  verfallenem,  aber  an  beiden  stellen 
hat  die  darin  doch  wol  entscheidende  ausgäbe  lezter  band  das  e  aus- 
gestossen,  wie  dieses  schon  im  ersten  drucke  fehlte  in  Dämmrung 
(16,  10),  heitre,  höhres,  höhern  oder  bohren,  unsres  (16,  2. 
11.  28.  30.  35.  74).  An  allen  stellen,  wo  die  beibehaltung  des  i  einen 
anapäst  brächte,  ist  es  elidiert;  so  in  günstgen,  günstgem,  gewalt- 
ger,  lebenskräftger,  lebensthätgen,  mannigfaltge,  gegen- 
wärtge,  schuldge,  gnädge,  unbändgen,  einzgen,  phantast- 
schen  (16,  4.  61.  70.  76  fg.  82.  19,  33.  35.  21,  11.  18).  Dieselbe 
durchgehende  ausstossung  des  e  und  i  zeigt  der  prolog  von  1807, 
sowol  in  den  trimetern  wie  in  den  trochäischen  versen.  Ausnahmen 
bilden  nur  75  ewiger,  76  Unbändige,  265  übermässiger  FreudOi 
von  denen  die  beiden  ersten  schon  in  den  werken  elidiert  sind,  über- 
mässiger nur  übersehen  und  in  übermässger  zu  ändern  ist  (ygL 
in  der  „Pandora"  308  übermässgen).  Das  übersehen  der  elision  ist 
ein  nicht  selten  vorkommender  druckfehler,  wie  z.  b.  in  der  „Iphigenie*' 
IV,  2,  130  sich  in  der  quartausgabe  Entschuldigung  statt  Ent- 
schuldgung  einschlich,  in  der  „natürlichen  Tochter"  V,  163  die  erste 
ausgäbe  das  später  verbesserte  'Linderung  am  Schlüsse  des  venes 
hatte,   in  den  bruchstücken  der  „Nausikaa"  einmal  der  veiB  falsch  auf 


ZÜB  TEXTKBITIK  VON  GOETHES  FAUST.   II.  439 

„zuverlässiger"  endet,  während  vorher  richtig  zehenjähr'ger  (zuerst 
unrichtig  zehnjähr'ger)  gedruckt  sich  findet.  Der  prolog  hat  nur 
zwei  wirkliche  anapäste,  beide  im  fünften  fusse,  der  einen  solchen 
raschen  schritt  liebt,  strahlende  Heiterkeit  und  rühmliche  Le- 
benszeit (74  und  308). 

Zwei  monate  nach  dem  prolog  von  1807  begann  die  ausführung 
der  „Pandora,"  deren  anfang  Goethe  im  nächsten  frühjahr  zum  drucke 
absante.  Als  er  im  april  zu  Jena  an  die  fortsetzung  gehen  weite,  bat 
er  Biemer,  ihm  „das  Schema  zu  sechsfüssigen  Jamben,  wie  sie  die 
Alten  gebraucht,"  zu  senden,  da  er  das  Unglück  habe,  dergleichen 
inuner  zu  vergessen;  auch  möge  der  freund  für  Karlsbad,  wohin  er 
ihn  begleiten  solte ,  „sich  mit  alten  und  neuen  Frosodisten  rüsten ,  teils 
zu  theoretischen,  teils  zu  praktischen  Zwecken."  Kiemer  wird  ihm 
kurz  die  gangbaren  gesetze  des  antiken  trimeters  ins  gedächtnis  geru- 
fen haben.  In  Karlsbad  konte  er  nur  einen  teil  der  fortsetzung  zu 
stände  bringen,  woran  zum  teil  die  antiken  silbenmasse  schuld  waren, 
die  Goethe  nach  Riemer  „auf  seine  weise  zu  versuchen  sich  gemutet 
fühlte,  ohne  dass  sie  ihm  so  geläufig  gewesen  wären ,  wie  es  die  anmut 
des  gedichtes  verlangte."    Das  wundervolle  festspiel  blieb  unvollendet. 

Betrachten  wir  zunächst  die  trimeter,  deren  das  gedieht  411 
zählt,  so  ist  die  zahl  der  elidierten  e  und  i  ausserordentlich  gross,  die 
beibehaltung  derselben  ohne  bedürfnis  des  verses  ganz  verschwindend 
klein.  68  lesen  wir:  „Auch  Unbekannte  zu  beschädigen  bringet 
Weh,"  wo  ohne  zweifei  beschädgen  zu  lesen,  wie  786  vergegen- 
wärtgen,  427  Unbändger,  308  übermässgen  steht.  Auffält  581: 
„Und  peiniget  in  der  Tochter  sich  zum  zweitenmal."  Nirgends,  auch 
nicht  im  imperativ,  zeigt  sich  sonst  die  volle  form  auf  et,  wo  nicht 
das  metrum  sie  fordert,  auch  da  nicht,  wo  man  meinen  könte,  sie 
wäre  bezeichnend,  wie  in  denversen:  „Erhebt  die  starken  Arme  leicht, 
dass  taktbewegt"  (165),  „Dort  stürzt  von  euren  Hebeln  Erzgebiig  her- 
ab" (229).  Wenn  es  641  heisst:  „Das  Beh  zu  fliehen,  es  zu  ver- 
folgen ,  sprang  der  Leu ,"  kann  man  freilich  glauben ,  es  sei  absichtlich 
fliehen  gebraucht,  um  dem  verse  raschern  fluss  zu  geben,  aber  die- 
ses ist  eben  nichts  weniger  als  nötig,  und  so  möchten  wir  auch  hier 
fliehn  vermuten,  wie  ziehn  302,  widerstehn  228,  gesehn  436 
stehen.  Des  Wohlklanges  wegen  scheint  623  wie  es  (statt  wie*s) 
wunderbar  zu  schliessen,  aus  gleichem  gründe  703  zu  stehen:  „Da 
sprach  sie:  Wähle!  Das  eine  sei  dir  anvertraut,"  wogegen  der  fol- 
gende vers:  „Wähle  schnell!"  jambisch  auslautet.  Wenn  hiernach  ana- 
päste  durch  ein  i  oder  e  der  endung  mit  äusserst  wenigen ,  leicht  wegzu- 
schaffenden oder  zu  erklärenden  ausnahmen,  gar  nicht  gebildet  werden, 


MO 

SO  finden  «iiese  üich  dagegeD  bei  den  abbiegongen  der  pftiticipien  anf 
end.  So  lesen  irir  11  gestaltenmischender  Möglichkeit,  17 
neubelastende  Qual.  617  treffende  Pfeilgewalt,  691  leiden- 
?;ehaffende  eab.  946  driniiende  Hocheewalt.  Ähnlicber  tit 
sind  entget'ueie  sie  094.  göttliche  Gliederban  684.  Mehrfach 
bildet  die  zweite  silbe  des  anapästs  ein  nicht  zn  yermeidendes  er,  sie, 
sich  oder  der  bestirnte  artikel.  Hierher  gehören  zündet  er  schon 
:^o.  entfaltend  sie  blüht  952.  schmiegten  sich  zwitzernd  619, 
Schlangenkreise  sich  dehnt  629.  wie  sich  frei  621,  Kriegsge- 
fährte den  Schützen  616.  mit  dem  Schild  617.  Auf  jener  folgt 
zweimal  ein  jambisch  beginnendes  wort,  jene  Gefährliche  577, 
jenen  Cypr essen  733.  Die  zweite  kürze  wird  mehrfach  von  der 
Vorsilbe  ver  gebildet,  schmückend  verbreiterten  631,  solche 
Verwandelung  690,  ewig  verwaister  740,  nnd  ähnlicher  art  ist 
lieblich  hervor  963.  Alle  diese  anapäste  sind  aus  der  notwendigen 
freiheit  der  bewegung  hervorgegangen,  da  der  dichter  zu  ihrer  Vermei- 
dung sich  hätte  zwang  antnn  müssen.  Wenn  er  den  namen  Phile- 
ros zweimal  (58  und  427)  anapästisch  braucht,  so  folgt  er  der  Ar 
eigennainen  auch  von  den  griechischen  dichtem  angenommenen  freiheit 
In  den  trocliäischen  massen  gestattet  sich  Goethe  den  dactylus  nur 
einmal,  in  mittägiger  Heimchen  505:  wir  finden  sonst  heiiger, 
Unruhgen,  Uebermüthgen.  lebendgen,  beherzgen,  heitern, 
bessre,  goldne,  geschlossne,  verstossne,  wohlerworbne,  ver- 
gangnem usw.  So  tritt  der  grundsatz,  die  metrisch  nicht  zählen- 
den e  und  i  uuszustossen ,  so  entschieden  wie  möglich  hervor. 

Gleichfals  finden  wir  dies  in  den  127  trimetern  des  ,,Prolog8* 
\on  1811.  Hier  lesen  wir  Mannigfaltge,  vaterländschem,  Noth- 
wendgem,  cndge,  tiefrem  neben  finstern,  huhrem  neben  grös- 
serni,  Erheitrung,  offnem.  Ein  anapäst  erscheint  nie.  Es  war  das 
für  lange  der  lezte  versuch  in  trimetern;  au  ihre  stelle  trat  von  jeit 
an  wider  der  fünffussige  jambus.  Aber  auch  in  diesem,  wie  in  allen 
versarten,  blieb  der  ausfall  der  metrisch  nicht  geforderten,  selbst  in  der 
gewöhnlichen  rede  meist  verschlungenen  e  und  t  stehender  grundsatx. 
In  dem  schönen  epilog  zum  .Essex^  von  1813  findet  sich  keine  abwei- 
cliung.  Sehr  belehrend  ist  der  in  den  verschiedensten  jambischen  nnd 
tro<'huis(-)i(»u  massen  sich  bewegende  grosse  maskenzug  zum  18.  decem- 
ber  IHiK,  der  gröstenteils  noch  in  des  dichters  handschrift  vorliegt  Hier 
gibt  die  handschrift:  ewgen.  ewgem  28,  689,  693,*  woneben  ewige 

1)  Der  druck  hat  an  den  beiden  lezten  stellen  die  volle  form,  wie  auch  586 
kriofforiHch,  zum  beweise,  wie  leicht  eine  solche  durch  den  abschreiber  oder  den 
sotzcr  versteh uldet  wird. 


ZUB   TBXTKBITIK  VOM  00BTHB8  FAUST.      U,  441 

112,  122  ein  blosses  versehen  sein  muss,  wie  auch  würdiger  182, 
nach  der  grossen  überzahl  der  elidierten  formen :  onverständger  163, 
Lebendge  270,  anzukündgen  440,  entschnldgend,  huldgend 
245.  247,  bedächtger  230,  kräftger  537.  597,  geschäftge  933, 
gewaltge  716,  mannigfaltgen  780,  Gegenwärtge  368  fg., 
geistgen  119,  günstgen,  Günstges  120.  968,  kriegrisch  526. 
Nicht  weniger  entschieden  ist  der  aasfall  des  e  in  den  endungen  ere, 
erenfi,  eren,  eres.  Den  ausnahmen  andere  603  und  Aeusseres 
612  stehen  eine  grosse  zahl  von  stellen  entgegen,  die  andre,  andern 
haben,  äussres  725,  äussern,  Innern  190.  697.  726.  820  (auch 
Erinnrung  520),  unsre  346,  unsers  unsres  461.  919,  niedre  543 
(nach  der  handschrift),  muntern  179,  heitre,  heitern,  heitren, 
heiterm,  heitrer  128.  235.  349.  611.  700.  1030,  düstrer,  düstern 
22.  348.  550,  höhern  454.  Freilich  lesen  wir  234  angewiesenen, 
aber  dagegen  wohlgewachsner  996,  ungemessnen  818,  erfahr- 
ner 943,  erhabner  692,  goldne,  goldnen  60.  222.  360,  offnen 
349,  eignen  382.  815,  vergangnen  219.  Einen  anapäst  finden  wir 
553:  wollen  es  nicht,  645:  Zauberin  und  887:  verstecke  mich. 
An  der  ersten  stelle  ist  wollenes  nicht  (vgl.  704  stehts  ihm  an), 
an  der  leztern  versteck*  vom  dichter  beabsichtigt  Jedenfals  tritt 
der  grundsatz  deutlich  hervor,  nicht  ohne  not  anapäste  zuzulassen. 
Freilich  scheint  dieser  bei  dem  prologe  für  die  Berliner  bühne  vom 
jähre  1821  nicht  beobachtet,  wo  wir  kräftige  33,  geistiger  45, 
Tüchtige  50,  heiligem  96,  mosigen  129,  vulkanischer  144, 
obere  65,  dienstbaren  75  schon  im  ersten  drucke  lesen,  wogegen 
das  e  in  den  endungen  ere,  erer,  eren,  enen  ausfält,  aber  hier 
müssen  die  vollen  formen  vom  Schreiber  oder  setzer  herrühren.  Unmög- 
lich kann  Goethe  hier  von  dem  beständig  durchgefQhrten  grundsatze 
abgegangen  sein,  das  i  und  e,  wo  es  der  vers  nicht  verlangte,  zu  eli- 
dieren, mochte  er  dies  auch  zuweilen  bei  der  abschrift  übersehen,  wie 
z.  b.  in  der  Marienbader  „Elegie^  von  1823  das  i  durohweg  im  lezten 
fusse  steht  (sehnsüchtiger  Thränen  2,  6,  selige  Stunden  5,  2, 
heiligem  Schatten  6,  2,  seligen  Höhe  14,  5,  gabeseligen 
Munde  23,  5),  wogegen  das  e  überall  geschwunden  ist.  In  den  kurz 
darauf  geschriebenen  strophen  „Aussöhnung^  lesen  wir  dagegen  im 
versschlusse  ewger  Schöne  (2,  4).  Derselben  blos  durch  versehen 
entstandenen  nachlässigkeit  begegnen  wir  bei  Goethe  auch  sonst,  wie 
wenn  in  dem  1824  geschriebenen  gedichte  „an  Werther"  neben  un- 
willkommner  und  Aeussres  sich  unbefangene  findet,  in  der  „Le- 
gende" der  bailade  vom  Paria  das  i  und  e  bald  steht,  bald  ausgestossen 
ist.     Leztere    hatte    er   seinen  freunden   nicht  vorgelegt,    ehe  er  sie 


442  DÜNTZEB 

in  den  druck  gab.    Eine  solche  Ungleichheit  kann  unmöglich  beabsich- 
tigt sein. 

Als  Goethe  im  jähre  1825  die  „Helena"  wider  aufgriff,  hatte  er 
längst  keine  trimeter  mehr  versucht;  denn  die  Übersetzung  der  bmchstücke 
des  Phaethon  des  Euripides,  die  er  1824  in  „Kunst  und  Alterthum" 
zu  seiner  herstellung  des  Stückes  benuzte,  war  von  Göttling,  und  kaum 
dürfte  er  der  metrischen  behandlung  derselben  besondere  aufmerksam- 
keit  zugewant  haben. ^  Der  anfang  der  „Helena"  lag  ihm  vor,  aus 
dem  sich  seine  art  der  behandlung  des  trimeters  ergab;  doch,  da  er 
Kiemer  bei  der  ausführung  zu  rate  zog,  besonders  wegen  der  chorischen 
versmasse,  wird  er  diesen  auch  wider  wegen  des  Schemas  des  trimeters 
befragt  haben.  Sehen  wir  nun,  wie  in  der  uns  im  ersten  drucke  der 
„Helena"  vorliegenden  Überlieferung  der  Trimeter  behandelt  ist,  und 
zunächst,  wie  es  sich  mit  der  elision  von  i  und  e  verhält  Wir  bemer- 
ken zuvor,  dass  die  gesamtzabl  der  trimeter  in  der  „Helena^  an  fünf- 
hundert beträgt.  Nur  dreimal  finden  wir  das  i  ausgestossen.  Vers  348 
begint  „ünserger  Bilder,"  zwei  verse  darauf  steht  „vaterländscher 
Flur,"  525  „verständger  Mann."  Dass  diese  formen  durch  den  Schrei- 
ber oder  setzer  hereingekommen,  ist  höchst  unwahrscheinlich,  dagegen 
könte  einem  derselben  oder  beiden  abwechselnd  ein  grosser  teil  der 
vollen  formen  angehören,  wenn  wir  auch  zugeben,  dass  manche  auf 
der  nachlässigkeit  Goethes  selbst  beruhen.  Regelmässig  ist  in  der 
abbiegung  von  heilig  das  i  erhalten  (24.  85.  87.  462.  491),  ebenso 
bei  wenig  (448.  522.  696),  heftig  (154.  274),  flüchtig  (492), 
nächtig  (547),  geschäftig  (184),  umsichtig  (477),  mannigfal- 
tig (357),  bärtig  (1089),  mannlustig  (290),  leidig  (635),  leben- 
dig (93),  vaterländisch  (6,  gegen  350),  anzukündigen  (651),  auch 
bei  phrygischy  cimmerisch,  thessalisch  (4.  513.  1486).  Umge- 
kehrt ist  e  mit  wenigen  ausnahmen  geschwunden.  Zwar  lesen  wir 
Ebene  (59),  mustere  (63),  munterer  (524),  glühende  (164), 
erschütterendes  (157),  erschüttere  (953),  schöpferisch  (205), 
schädlicheres  (341),  anderes  (531),  Königes  (284),  Dienstes 
(301),  ziehe  (56),  stehet  (507),  Throne  (1482),  rege  (496).  Aber 
diesen-  wenigen  beispielen  treten  entgegen  Ebnen  (1061),  Erhabnen, 
Erhabnes  (505.  697),  Vergebne  (346),  umgebnen  (151),  erworb- 
nen  (380),  wohlgeschliffnos  (90),  mustre  (55),  muntrer  (509), 
muntern  (306),    bittern  (41),    Gebiet'rin  (597),    gebieterisch 

1)  Göttling  hat  dreimal  den  anapäst  angewant  (50  Erinner'  ihn,  dasB, 
51  Wunsch  zu  gewähren,  144  rührte  die  Zügel),  der  auch  15.  24.  27.  131 
durch  die  vollen  formen  unserer,  einziger,  einzigen,  andere  gebildet  wild, 
wogegen  47  innern  steht 


ZUR  TEXTKBITIK  VON  G0BTH£8  FAUST.   U.  443 

(201),  Wandrer  (281),  andre,  andern  (91.  588.  644.  701),  vor- 
dem (48),  düstern  (669),  betretnen  (168),  gehaltnem  (703), 
gewordnen  (659),  eh'rnen  (15),  unsre  (550),  trockne  (88),  Be- 
trunknen  (285),  erzogne  (291),  geschlungne  (544),  hagrer  (202), 
entlassnem  (169),  verglommner  (188),  willkommnen  (664), 
unterschworner  (342),  freigebornen  (377),  verworrner  (1497), 
Herrn  (660),  Ungeheuer  (327),  ziehn  (282),  Dräun  (195),  wohl- 
gehn  (490),  bestehn  (647). 

Fragen  wir  nach  dem  sonstigen  gebrauch  des  anapästes  im  tri- 
meter,  so  ist  derselbe,  besonders  im  anfange,  sehr  bedeutend,  wird 
aber  meist  durch  die  bequemlichkeit  des  dichters  herbeigeführt.  An 
dreiundzwanzig  stellen  bildet  der  bestimte  artikel  eine  der  kürzen  (3. 
15.  44.  48.  51  fg.  56.  81.  94.  101.  118.  151.  269.  272.  362.  453.  467. 
469.  507.  538.  576),  nur  an  einer  (19)  der  unbestimte.  Eine  einsil- 
bige Präposition  erscheint  fünfmal  (178.  325.  366.  512.  546),  eben  so 
oft  ein  persönliches  fürwort  (197.  206.  332.  506.  661).  Viermal  steht 
im  anapäst  das  te  des  imperfectums  (332.  498.  569.  571),  fünfmal 
die  abbiegung  der  participialendung  end,  et  (16.  42.  47.  190.  279), 
sechsmal  abhiegungen  der  endung  lieh  (99.  373.  478.  549.  660.  951), 
dreimal  in  Königin  (460.  467.  654),  einmal  in  Schaffnerin  (181), 
zweimal  beim  Superlativ  (8.  462),  einmal  in  einsamen  (374).  Mehr- 
fach veranlassen  die  Vorsilben  den  anapäst,  sechsmal  be  (24.  44.  344. 
455.  579.  643),  dreimal  ge  (392.  589.  649),  einmal  ver  (353).  Auch 
die  erste  silbe  von  fürwahr  fält  einmal  (44)  in  den  anapäst.  Die 
übrigen  fälle  finden  sich  in  den  besondre  freiheit  schon  bei  den  alten 
geniessenden  eigennamen,  Tyndareos,  das  verschieden  gemessen  wird 
(10.  504),  Erebus  (325),  Deiphobus  (567).  Hiernach  war  es  wol 
nicht  das  streben  nach  rhythmischer  abwechslung,  welches  den  dichter  zu 
den  anapästen  veranlasste,  sondern  das  bedürfnis,  da  er  sich  sonst  zu 
eingezwängt  fühlte.  Deshalb  stehen  auch  die  anapäste  in  allen  vers- 
füssen,  die  meisten  freilich  in  den  vier  mittlem  (in  sechszehn  bis  neun- 
zehn fällen),  aber  zweimal  auch  im  ersten  fusse  (zu  des  erdgebeug- 
ten, 94,  zu  bestehn,  643).  Wenn  in  einem  verse  (44)  sich  drei 
anapäste  finden,  so  ist  das  eben  zufall. 

Neben  dem  trimeter  tritt  selten  der  moderne  fünffüssige  Jambus 
ein.  In  den  122  versen  findet  sich  nur  dreimal  kurz  hintereinander 
ein  anapäst  (Halte  fest  1458,  alles  Gemeine  1465,  lange  du 
dauern  1466),  wogegen  einmal  die  elision  von  e  in  unschätzbar'n 
1462);  zwischen  diesen  versen  findet  sich  einmal  ein  sechsfüssler  (763). 
Auch  vierfüssige  jamben  werden  zuweilen  angewaut;  es  sind  107  verse. 
In  diesen  findet  sich  nur  einmal  ein  anapäst  (797:   „Der  erste  wusste 


444  DÜNTZBB 

vom  lezten  nicht").  Blut' gen  ist  elidiert  829.  In  den  kleineren  jam- 
bischen Versen  1223  —  1249.  1268  —  1297.  1353—1363  stehen  sid 
Verwegne  1231,  das  jedenfals  irrige,  weil  dem  vers  widerstrebeoi 
errungene  1256.  1294  und  das  1296  darauf  reimende  erzwungen« 
entgegen,  wogegen  man  leiehtfüssige  1281  dem  dichter  gestatta 
kann.  Freilich  scheint  „Aus  Gefahr  in  Gefahr"  (1357)  aus  zwei  aiuh 
pästen  zu  bestehen ,  wie  auch  der  kurze  vers  „Wer  im  Frieden"  (1353) 
anapästisch  begint,  aber  diese  verse  selten  eben  anapästisch  sein.  Dk 
weiteren  jambischen  verse,  1376—1388.  1397  —  1403.  1408  —  1411 
sind  ganz  rein.     Wir  bemerken  darin  düstern  (1418). 

Von  viel  grösserer  Wichtigkeit  sind  die  antiken  trochäiscba 
tetrameter,  deren  wir  102  zählen.  Hier  finden  wir  423  flächt*gei 
im  dritten  fusse,  dagegen  im  ersten  480  garstigen,  wie  sogar  473 
unsere,  480  am  Schlüsse  idyllischem  Liebespaare,  am  an£u( 
1114  thöriger,  wo  aber  schon  die  form  thörig  auf  die  bei  diesB 
eben  leichtere  elision  hindeuten  dürfte,^  wie  denn  auch  1118  luft'gei 
steht,  aber  weiter  unten  finden  sich  kurz  hintereinander  die  ausgeschm- 
benen  formen  übermächtiger,  künftigen  und  ewigen  (1137.  1139] 
und  obgleich  1508  luftigen  als  kretikus  gebraucht  ist,  1540  fg.  & 
versschlüsse  kräftigem  tanz  und  saftiger  Beeren,  ein  wediad 
bei  welchem  eher  die  nachlässigkeit  des  Schreibers  als  die  des  dichtoi 
zu  beschuldigen  sein  dürfte.  Halte  gespert  471  könte  man  da 
dichter  zu  gute  halten  und  den  dactylus  Mutter  dich  483  wird  um 
nicht  beanstanden,  dagegen  stehen  dem  schon  angeführten  unsere  unsr« 
481.  1516,  unserm,  unsrer  (1101),  andern  (1126.  1521),  andrei 
(1114),  andrer  (1550),  Unerfahrnen  (1109),  erschütterndei 
(1517),  bewegtem  (1518),  keltrer  (1541)  entgegen,  um  nicht  i 
goldne,  gespaltne,  Trunkne  (470.  1137.  1547.  1549),  sehn  (1141 
und  Wunderlichs  (1095)  zu  erinnern.  Auch  vierfiissige  trochäiBii 
Strophen  finden  sich ,  im  ganzen  203  verse.  Der  anapäste  sind  hier  mI 
wenige:  860  Diener,  es  ist,  1018  ewiger  (wogegen  sel'gem  1081] 
1299  Mässigung,  1310  fg.  widerspenstige  Brust,  widerspei 
stigen  Mund,  1446  unglückseligsten  tage.  Das  erste  und  Itfl 
lassen  sich  entschuldigen,  obgleich  unglückseigen  hinreichte;  in  dl 
andern  fällen  möchte  doch  die  elision  geboten  scheinen. 

Wenden  wir  uns  endlich  zu  den  chorliedern,  so  haben  wir  || 
nächst  die  anapästischen  Systeme  von  den  chorgesängen  zu  unteradll 
den.  Von  diesen  (29—36.  73  —  80.  665  —  677)  ist  nur  zu  p-^ 
dass  häufig  der  Jambus  den  anapäst  oder  spondeus  vertreten  mu88 

1)  640  finden  wir  thoricht,  aber  thörig  im  zweiten  akte  (3111). 


ZUB  TSXTKBITIK  VON  GOETHES  FAUST.   II.  445 

iält  auf,  dass  nicht  ruhen  geschrieben  ist,  wodurch  der  folgende  fuss 
ein  anapäst  würde,  wie  79  freuet  steht.  Anstössig  ist,  dass  670  fg. 
etwa  als  eine  silbe  gesprochen  werden  muss.  Am  wichtigsten  sind 
die  strophischen  chorgesänge,  wobei  Qoethe  nur  im  algemeinen  an  die 
metrische  composition  der  alten  tragiker  anknüpfte,  aber  besonders  das 
genaue  entsprechen  der  einzelnen  Strophen  beachten  muste.  Wenn  in 
der  ursprünglichen  fassung  des  chorgesanges  1142  — 1191,  die  Bieder- 
mann veröffentlicht  hat,^  strophe  und  gegenstrophe  sich  nicht  ent- 
sprechen, so  war  dies  eben  nur  der  erste  entwurf ,  dessen  nähere  dnrch- 
arbeitung  auch  in  metrischer  hinsieht  der  dichter  sich  vorbehielt  Dass 
Goethe  völliges  entsprechen  von  Strophe  und  gegenstrophe  beabsichtigt 
habe,  muss  man  bei  den  wenigen  sich  zeigenden  abweichungen  anneh- 
men, wenn  er  auch  die  von  den  griechischen  tragikem  befolgten  frei- 
heiten  sich  in  seiner  weise  anzueignen  nicht  anstand,  wobei  aber  zu 
bemerken,  dass  er,  je  weiter  er  in  der  „Helena^  vorschritt,  immer 
kühner  wurde.  Nicht  allein  liess  er  den  gewöhnlichen  und  den  soge- 
nanten  polyschematischen  Glykoneus  (—  o  —  uvj  —  v>—  und  —  <-r  —  o 
— '-'  ^  — )  sich  ensprechen  (auf  den  eigentlichen  grund  dieser  freiheit 
gieng  er  nicht  ein),  sondern  er  verschob  auch  den  dactylus,  wie  es  in 
auffallender  weise  schon  215  fgg.  geschieht  (—  wv^  —  v^  —  v>»v/  —  ^  statt 
__  w  w  —  w  »^  —  »^  —  v^)  ^  ja  sezte  statt  des  trochaeus  am  anfange  des  ver- 
ses ,  wo  er  eigentlich  basis  ist ,  den  daktylus.  Am  stärksten  tritt  diese 
freiheit  im  lezten  launigen  chorliede  hervor  (1140 — 1189).  Aber  der 
dichter  bediente  sich  dieser  freiheit  nur  der  freien  bewegung  wegen, 
brauchte  sie  nie  ohne  nötigung.  So  muss  man  denn  annehmen,  dass 
139:  „Über  die  zinne  des  kerkers  hin,^  auf  irtum  beruht,  da  Goethe 
sehr  wol  sagen  konte:  „Über  des  kerkers  zinne  hin.^  Dem  verse  221: 
„Mauern,  aber  die  flammenglut,^  kann  nicht  entsprechen  228:  „Und 
der  züngelnden  flamme  lohe^;  es  muss  wol  loh*  heissen.  Am  Schlüsse 
von  229:  „Schreitend  wundergestalten,**  fehlt  nach  220:  „Sich  verbrei- 
tend von  hier  und  dort,^  eine  silbe;  ich  habe  gross  vermutet.  409 
kann  es  unmöglich  beabsichtigt  sein,  dass  Trost  reich  begabten 
( V  — •-)  dem  wohlthätig  erscheinend  ( ov^  — o)  400  ent- 
spricht; Goethe  schrieb  etwa  Trostrede  oder  reichlich  statt  reich. 
Dem  verse  606:  „Schon  entschwand  das  liebliche,**  entspricht  617: 
„Statt  verheissener  Rettung  Heil,**  wenn  man  verheissner  schreibt; 
dass  der  dichter  die  trochäen  hier  rein  halten  wolte,  zeigen  deutlich 
601  fg.,  wo  sich  deshalb  die  elision  heiTge  findet,  wie  aus  gleichem 
gründe  610  geselFger  steht.    607  wolte  Goethe  Gestad  statt  Ge- 

1)  Goothe -Jahrbach  II,  299  fg.    Vgl.  Schnorrs  Archiv  XI,  166. 


44^ 

Stade:  denn  in  onserm  chorgesange  yerschiebt  er  wol  den  daktjlns, 
aber  er  sezt  nie  einen  daktylos  geradezu  statt  des  troebaens;  Ml  bat 
jezt  zwei  daktylen .  dagegen  der  entsprecbende  vers  617 :  ^Untergang 
verkünde  zolezt,^  nar  einen.  622  ^Web  ans,  weh,  web!^  ist  eine  silbe 
zn  wenig  gegen  oben  611:  ^Seb*  icb.  acb,  nicbt  mehr."  Am  wahr- 
scheinlicbsten  ist  ein  web  aasgefallen.  Vgl  Pandora  405:  „Ai!  Ai! 
Weh!  Weh  mir!  Weh!  Weh!  Weh!  Ai!  Ai  mir!  Weh!-*  In  902: 
^Ja  Gefangene,  wie  schon  öfter,'*  mästen  wir,  am  eine  entsprechang 
mit  910:  ^Vielleicbt  schwarzborstigen  Faunen ,**  za  erhalten,  zur  küh- 
nen annähme  greifen,  Goetbe  habe  sich  gestattet,  die  erste  länge  des 
daktylas  in  zwei  kürzen  aufzulösen;  wahrscheinlicher  dürfte  man  Ge- 
fangne oder  gefangen  vermuten,  so  dass  die  lezte  silbe  lang  gezo- 
gen würde.  W^ill  man  nicht  zugeben,  dass  Goethe  ohne  not  einem 
beginnenden  trochüus  einen  daktylus  entsprecben  lasse,  so  wird  man 
912  statt  über  die  schwellenden  berstcUen  müssen  über  schwel- 
lende gegenüber  902  Ilios'  und  der.  1010:  „Jeder  sich  selbst  zu 
eignem  Nutz,"  erwartet  man,  wie  in  der  Strophe  1001:  „Scbmeichler 
listig  entschmeicbeln  sie  ibm"  zwei  daktylen,  die  auch  1011  hat,  und 
man  sieht  nicht,  weshalb  Goethe  nicbt,  um  den  zweiten  daktylus  zu 
gewinnen,  eigenem  geschrieben  haben  solte.  Alle  verse  der  beiden 
in  rede  stehenden  Strophen  haben  wenigstens  einen  daktylus  mit  aus- 
nähme von  998  und  1004,  wo  man  ihn  leicht  gewint,  wenn  man  im 
ersten  verse  schmeichelend  statt  schmeichelnd,  im  andern  darum 
statt  drum  schreibt  1144  entspricht  nicht  der  gegenstrophe  1152. 
Hier  solte  wol  der  vers,  wie  in  der  erhaltenen  ersten  fassung,  mit  beleh- 
rendem schliessen  und  im  folgenden  beginnen:  „Wort  hast  gelauscht 
wohl."  1090:  „Raubt  auch  Cyprien,  wie  sie  ihm  kost,"  haben  wir  zwei 
daktylen,  wenn  man  nicht  Cyprien  äusserst  hart  als  zwei  silben  lesen 
will,  was  durch  die  consonantische  lesung  des  t  in  Joniens  (1146) 
und  durch  manche  ähnliche  fälle,  wo  dem  i  nur  ein  consonant  vorher- 
geht, wie  Siciliens  (5972),  verauctionirt  (1513),  Kastanien 
(1642),  nicht  verteidigt  werden  kann.  Der  zweite  daktylus  ist  1174 
wol  dadurch  herzustellen,  dass  wir  sonnedurchstrahleten  statt 
sonnedurchstrahlten  lesen.  Freilich  hat  im  vorhergehenden  verse 
der  erste  fuss  in  der  strophe  einen  daktylus  statt  des  trochaeus  der 
gegenstrophe.  So  zeigt  sich,  dass  auch  in  den  chorgesängen  der 
abschreiber  oder  der  drucker  nicht  immer  sorgfältig  verfuhr,  wie  wir 
dasselbe  in  den  übrigen  teilen  der  „Helena"  annehmen  musten,  sollen 
wir  nicbt  glauben ,  der  dichter  habe  dafür  gar  keinen  sinn  mehr  gehabt, 
ob  statt  des  reinen  Jambus  und  trochäus  ein  anapast  oder  daktylus 
sich  einschleiche;  wenn  er  ihn  durch  die  hergebrachte,  von  ihm  selbst 


2UB  TEXTKRITIK  VON  GOBTHBS  FAÜ8T.      It.  447 

früher,  wie  von  allen  dichtem  befolgte  elision  vermeiden  konte.  Ja 
solte  das  unwahrscheinlichste  Wirklichkeit  gewesen  sein,  wir  würden 
dem  dichter  einen  dienst  erweisen,  wenn  wir  durch  unsere  herstellung 
seine  verse  in  seinem  sinne  lesbar  machten. 

Der  erste  druck  der  „Helena"  und,  wie  wir  vermuten  müssen, 
auch  die  zu  gründe  liegende  abschrift,  zeigt  ausserdem  manche  fehler. 
316  kann:  „Da  du,  nun  Anerkante,  nun  den  alten  Platz,"  nicht  rich- 
tig sein.  Ich  habe  Neuanerkannte  vermutet.  529:  „Ich  acht'  auf 
seine  Grossheit,  ihm  vertraut'  ich  mich,"  muss  es  achtet'  heissen. 
574:  „Untheilbar  ist  deine  Schönheit,  der  sie  ganz  besass,"  zeigt 
schon  der  vers,  dass  es  die  heissen  muss.  Vor  731  muss  Thurm- 
wächter  statt  Thurmwärter  stehen.  Vgl.  4630  Thurmwächter 
ist  der  Gefangenwärter.  747  wird  Wusst'  statt  Wüsst'  gefordert, 
820  Nur  statt  Nun,  858  Göttliche  statt  göttliche,  886  auch 
statt  euch,  1158  listig  statt  lustig.  1258  ist  das  komma  nach  hie 
irrig,  wie  1303  das  komma  statt  Semikolons,  1405  statt  fragezeich ens. 
Nach  1268  solte  bemerkt  sein,  dass  der  folgende  gesang  allein  dem 
chore  gehört.  1360  muss  es  dem  statt  den  heissen.  Wahrscheinlich 
ist  auch  93  zeichnet  irrig  statt  bezeichnet'  (vgl.  436),  vielleicht 
752  „sog  ich  an"  statt  ein.  Solches  Wechselstreites  340,  lee- 
res Hauchs  952,  jedes  Winkes  1008,  heutiges  Tages  1151 
stimmen  nicht  zu  guten  Muths  106,  trippelnden  Schrittes  628, 
gleichen  Tons  645,  eilenden  Pusses  592,  und  wir  wissen  aus 
Goethes  äusserung  gegen  Göttling,  der  die  starke  form  hier  verlangte, 
dass  diese  ihm  zuwider  waren. ^  1198  lesen  wir  das  richtige  von  Her- 
zen gehen,  wogegen  vom  891  steht.  Auf  kleinere  druckversehen 
gehen  wir  nicht  ein.  Einzeln  stehen  euren  statt  euern  152,  trau- 
rend  statt  trauernd  340,  andrem  statt  anderm  1104,  tändlend 
statt  tändelnd  1506.  Regelmässig  hat  das  e  vor  l  und  r  sich  erhal- 
ten, mit  ausnähme  von  edlen.  Einmal'  steht  hierher  (144),  dagegen 
hieher  22.  380.  451.  656. 

Von  der  „Helena"  wenden  wir  uns  zu  dem  ein  jähr  nach  dieser 
erschienenen  anfange  des  ersten  akts  bis  1424.  Prägen  wir  zunächst 
nach  der  elision  des  i,  so  ist  diese  freilich  seltener  als  die  anwendung 
der  vollen  form;  jedenfals  muss  der  abschreiber  sie  an  den  wenigen 
stellen,  wo  sie  der  druck  zeigt,  in  der  vorläge  gefunden  haben,   und 

1)  So  lesen  wir  denn  auch  im  ersten  akte  1876  vollen  Stroms,  1931 
gestärkten  Arms,  im  zweiten  2437  weiten  Schrittes,  3448  schwanken 
Lebens,  3546  solchen  Baths,  im  vierten  leichten  Schwnngs  5449,  wil- 
den Wesens  5788^  wonach  die  ändenmg  der  abweichenden  steUen  sich  ergibt 
Vgl.  meine  bemerknng  in  der  „deutschen  Yierteljahrsschrift*'  1857,  2 ,  244  fg. 


't*?'  :  .-vre  LS 

sir  ii5  u'.r:ru.:::  irrS;:,  -l-rrsiL  WolT^e  jläu  meiiien.  «ier  absohreiber 
>r:  c*:::  Jriiu  vrr:i':.:rL .  Liz-r  .i:r  tmü  ^icbT-er  gegebenen  formen 
tirr^l'.  ::r-  ^-.irr^i^i^z.  so  -«Zrirr.  wir  -irLi  iiohier  eine  on^Ieiefa- 
nijiyiiirir-:  :*->■: irr: ■.-:l.  ür  K.s  ä::?  :iiär>:.:b:l:eber'naohlässigkeii  her- 
v.rctr^-^rL  Uli  irshil":  itrzsiT'/.r!:  »irr.  'Wie  =-«he  Goethe  dannf 
iTTk-r-iüTi  5r:i.  riLr:  ^ii.^:»i:ri.  =:r:rl5oirL  Irrihri:  to  entsagen,  di« 
-5  'll:u  r-iT.fi.i  rnL'r.i.i'.r.  1j>  >:!:^  jr.iri:r  ii.  Crr  Vr-nrendung  der- 
>-*.': -7 r.  :::zi  ils  :r:-.::l-?.  ".ik'riTlu?  .ni  iT-iü.;s  ä;;52Z>ehliessen .  heil'- 
jTtI  .1  -.f:-  .:ii:7l:>:Lfi  -l:  k:  rif-Zifr.  jTbra-cht-  von  heiligen  n 
-^".-rs.iriirL'.  '^ilr.:':.  ii.  --i  rrs'.cr.  :^ff:fcii:r-  iamben  finien  wir 
'-:':'iT-  /.  i'ir:  <rii.:  ii.  :rrs^":-ri  Trr>s-*rllr  ilehTiger  und  hei- 
li^ri  i-t  Uli  'j:  -  r^r  ibj^JiTTir-r:  lir:::  tt.I  iis  ers^e  an?  seiner 
•i  r'.Ä^f.  l":»r:lir>5  >:.i  ^'r-rr  >:o:cr  f^iurr  i-rTiiiiri:.  die  rolle  prfr- 
^Ji  s.if  ::r::,  yi  ?T:;fi.  >:  iilfi  t*::  ii:i  ür  5.:5:^Lrn  Terrinen  des 
rr»i  iTiiTi  fii^:  ii:::.  iir  :  niri  I:irr:5i.ir  rf.  laiisendstim- 
n: ^rn  7c  .  T'-ijti  ^v^.  /-:  uii  ririijrL  115  eaisteli.  wik- 
Tri:  ii:  ii::  jri  7;-  ji:'i  r:i/.>i  ii.;.  Sei":*?:  iz.  -üe  irc^häen  äad 
:r:  -rr.c:.  uii  •:rr.--i  :i?>r  1:-:  iir:;*^!  iii5::rf.  iz5*igen-  prich- 
Vir:  f.i^virui^fi  f:  ?'rr  ••  .  lur  ^^Zrz.  irz,  ^^iunss  ha«  »kfc 
ir  :'.£:!  .n  r«r::^i  -ifj^  frii'.Tci  :;■■'  .  i:^z  iie  l^iien  lenen 
■•rr?»f  >.il:f?>Ti  TTif:  i"t  z:f:r->:":f  z::-^l::iif::  nii  schädigen  nnd 

1  '.i  t.ItI  iir.j.'.^  irL.  >:"ilif?:r:-  ili?  T;r?::fllri.  il-rzie::-  In  dei 
j;l_u:.>:::i  ■•:r>fi  i-:  _-:  i:>. :.:f:>:  iri-  iz&^ds:  das  rne-ie  feld 
^T*i_t:.  V\'::  r:.if:  iir:  :::  ^lijv.rfn.  itV-  Hriligenschein, 
:?:  ir.nn.jf  11.  l.^  f:*rli-.^ti.  -ri  Hril.rfi.,  o±o  säehiiger. 

:->.  -.2..   ? T.r iT    r..i-.c_:    -■*   . . -^ri   41-    iiBnaigen. 

4t  iri.iiti.  -wf::-.:  74:  itiv.iiri.  7':7  Tisfüges.  S»25  halb- 
vl:;>:^f:.  :  ::  '.f :  ■  .^r ::. .  :  77  i*/.:iils::£f r,  1«:«?'^  vider- 
>  ii.iti.  ::ii  i::.;::-.  ::,.-  iiiiiii^rr.  ilfT  Bi£chxiger. 
'-i'^  .if!:^:i.  -. Tr*  1.-  -s  'ziZiT.  ••".:  "»"jifr  izi  ^f  elis-cA  in  ua- 
i.L.iJ.  j: .  -.-.i:  1:':-  \:^'-  i".'.>T:-.^tii  ::lr:.  ikix  ix  des  folgea- 
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2ÜB  K&ITIK  VON  0OSTHB8  FAUST.    II.  449 

rer  783,  Bewundrer  915,  dunklen  1291,  eitlen  1372,  Erdge- 
bornen 4,  goldne  536,  verworrne  796,  sichern  512,  eignen  528 
entgegenstehen.  Von  den  jambischen  versen  zeigen  die  terzinen,  in 
denen  wir  fünfmal  das  i  unelidiert  fanden,  weiter  gar  keinen  anapäst. 
Sonst  wird  das  e  an  zahlreichen  stellen,  wo  es  das  metrum  nicht  for- 
dert, weggelassen,  in  unsre,  nnserm,  andre,  andern,  andres, 
heitern,  heitres,  lautres,  dichtem.  Untre,  Dflstre,  Finstern, 
keltre,  bittre,  sondern,  sichre,  wackres,  innres,  tapfres 
magre  (1171),  schwangre,  frevle,  eklen,  edlen,  edlem,  ge- 
wnndner,  offne,  goldne,  goldnen,  goldnem,  goldner,  ehrnen, 
eignen,  willkommne,  gedroschner,  auch  in  Mann 's  (284),  gehn 
(790),  anzusehn  (735).  Gegen  diese  massenhaften  fälle  können  Däm- 
merung  68,  verworrener  297,  Erwünschterem  762,  feuer- 
speiende, das  man  dem  dichter  wol  gestatten  mag,  und  glühenden 
nicht  in  betracht  kommen;  den  beiden  leztem  treten  bejahendes  630 
und  glühender  1377  geradezu  entgegen.  In  gewonnenem  1066  war 
die  elision  unmöglich.  Narren-  und  Todtentänzen  454  wird  mau 
kaum  beanstanden.  972:  „Da  springt  eine  Perlenschnur  hervor,^ 
konte  freilich  'ne  geschrieben  werden,  wie  ja  Ooethe  ein  auch  2202 
elidierte;  ebenso  war  973  der  anapäst  leicht  zu  vermeiden  durch  den 
Wegfall  derendung  in  Spange.  Doch  konte  der  dichter  diesen  gerade 
hier  für  bezeichnend  halten,  wie  er  ihn  denn  im  folgenden  mehrfach 
braucht,  wo  er  ihm  freilich  zuweilen  aufgedrungen  ward,  er  an  andern 
stellen  dem  verse  einen  guten  fluss  gibt.  1031  schliesst  „von  Hunger 
und  Durst. '^  Der  Abgemagerte  droht  1034:  „Vom  Leibe  mir,  ekles 
Weibsgeschlecht !^  wo  leicht  Leib'  geschrieben  werden  konte,  auch 
sollt'  statt  sollte  1041.  Dagegen  ist  gegen  1114:  „Wir  nehmen  den 
Koffer  in  Besitz,"  kein  bedenken  zu  erheben.  Ebensowenig  wird  man 
1177:  ;,Er  wendet  sich  zu  den  Weibern  dort,**  das  in  früherer  zeit  von 
Goethe  gebrauchte  wend't  verlangen.  In  der  rede  der  Faunen  tritt 
absichtlich  mehrfach  der  anapäst  ein  (1213  fg.  1216),  wonach  auch 
1208  lustigen  nicht  zu  beanstanden  sein  dürfte.  Ebenso  bezeichnend 
erscheinen  die  anapäste  in  dem  übermütigen  spotte  des  Satyrs  (1219  — 
1221.  1225.  1227).  Auch  die  gnomen  bedienen  sich  ungescheut  der 
anapäste;  sie  beginnen  nicht  blos  v.  1230:  Im  moosigen  Kleid,  wo 
freilich  moos'gen  nicht  zu  hart  wäre,  sondern  haben  auch  zweimal 
den  anapäst  in  der  mitte  des  verses  (1245  fg.),  wonach  es  fast  aufßilt, 
dass  1248  drei  Gebot  verachtet  steht,  da  Gebote  verlangt  wird, 
und  sogar  der  apostroph  fehlt.  In  der  rede  der  riesen  ist  1252  der 
anapäst  am  Schlüsse  des  verses  dadurch  vermieden,  dass  sind 's 
genannt  gedruckt  ist,  wo  aber  wol  nach  von  Loepers  Vermutung  s' 

XBITBOB&.  F.  DSVTSOHS  PHILOLOOU.      BD.  XT.  29 


M.  h.  Mi\)  iif;ahHicliti^  war.  Auch  die  nymphen  gestatten  sich  zwei- 
iii;il  i'iiifrii  ;iii;tpriHt. ,  1271:  Alxal  Lüftlein  wiegen  ihn  mild  in  Buk,' 
iiimI  \w\\  ^So  i'\\Yi\  iW.m,  (lern  Ehre  gebührt!^  In  der  langen  rttk 
dmi  Im^oMm  i:}OH  -  vy,}l  findet  sieh  nur  zweimal  ein  dem  dichter  nf- 
{^fMliiiti{^f'iicr  ;iii;ipiiHL  (VM)ii,  l'ill),  und  zwar  nicht  da,  wo  diese  im 
lfiiIiMi:4rliiLn,lirJiHt,fMi  bcwo^'t  i»!.  Gerade  in  dieser  rede  stehen  ski 
iiii|i;liir,kin>I^M)  und  aliftrseitigcm  entgegen,  und  jede  Teranlassni^ 
iHiinii  iiinip.'Lst  liiiii'iir/iibriiigon,  wie  bei  offne  1312,  nnserm  1331, 
iiiiilii'H   OK),  ist.  vnriiiiodon. 

Niicli  (lii'Mur  mu'.]ihig(;  wird  niemand  dem  dichter  die  absieht  cnsdiRi- 
hiMi  wiilb'ii,  diin^b  biübehallung  des  i  und  e  anapäste  in  die  jamboi  inJ 
ibikl.yb*  in  din  irorhiUni  zu  bringen,  wodurch  der  reine  vers  in  noaerer 
|irt»r(i)diMrli  so  unliosliniLon  spräche,  wenn  es  nicht  eine  besondere  wirkaif 
\\\\l,  nur  onlstolt  wird.  Diese  eingedrungenen  vokale  gehören  gri»- 
tiMiti^ÜN  doni  abschroibor  und  etwa  dem  setzer,  zum  geringem  teile  da 
luiolihlssif^koit  dos  dirblors  an;  am  allerwenigsten  kann  dieser  wilkfirlick 
);owoolisoll  lialMMi:  ihm  durfon  wir  ein  solches  beabsichtigtes  schwii- 
kou  obiMisowoni}^  /.utranon  als  fihnlot  und  Wimmlens  (467.  I40i) 
nobon  w oobso It  (^Tso),  viMsauunolt  (117),  verrammelt (237), spie- 
»iolt  \,\\\\\  wundoln,  Handoln  (774  fg.  821  fg.  1169 fg.),  schütteln 
vlO^»s^.  .-lin^'oln  ^^i:i»MK  spiogelud  (34),  glitzern  (33^.),  zai- 
iliMud  yA  t \;  >  usw.  Oio  absohrilt  war  eben  nachlässig  gemacht  nii 
iMn  t:v«ws(M  toil  diosov  naibliissi&rkoiton  weder  bei  der  durchsieht  noek 
Ivi  diM  kiMii'kuu  woircoM'haA  worden;  darin  stimte  der  anfang  des 
«M'.ü':\  jktos  \\\\\  dov  ..llolona'*  üboroin.  Da$s  es  mit  der  handschrift 
d.-i  »;o^.i.«to-.i  uo\so:i  toilos.  dio  luviho  zum  drucke  hinterliess,  nidit 
ts'<N«M  sM:;a,  /i:).;;t  ho»:t  Ulis  oiu  urkundliches  zeugniss  vor,  das  bisher 
.^.;sN,«.N'.   w.'uv.ri)   lvk;v.;;  ^>;%v.   :uvh   \c>u  niemand   bennzt  worden  ist 

\;.N*:'/.*  hA:-.,*  .V.;  :il>v-:.:::^  It^s  rwcii^n  teiles  seinen  freandei, 
/./'•.v;  /;  .:^>.,^;  .V..V.  .>.*  u:".;"  .:;:'v:-*lvr*  iiiilgHeill.  nicht  Toigebgt 
^,".^;,^1  ■.  ^..*.  x/!v^',:  >■;'  ^, "'';■:■..:;:  ^i-,  ri::pet«5«eh.  so  dass  er  weiter 
....'sN  .-'.—.-.  :  ^.N*     *.V;   :V.:  i:-r.  ra.'iifts^  bestimteB  haansgeber 

K.,-    .V       ..  :  A.-:v.\h:  V  .    ■.;-..•.   Ä:-?  ::''>:&z^fsi»^xM«tor  kauzler  MfiDer 
■  <  ■■•  <     ^*v-.  -VV-rriÄd««!  ier  aksekrift  Teriegn. 

V-'"       .'.'■    .■ -.  v.>v-. : .  i:-    £:•:;.  Kv^Ariata  hcdarfte.    NiA- 
.■■..■■.  X«"  Ä  :%.v\    ^•.-    ■x-,^^^•-■^»f*?-■•T:,  wtrie  sie  Eckcmaaa  ibcr* 


2rB  K&irm  voh  öobthbs  vavst.  n.  i5l 

«Hier,  mein  bester  Hofratb,  schicke  ich  Ihnen  den  Faust  bespro- 
chenermassen  ausgeputzt.  Die  Stelle  von  Asmodaeus  habe  ich  nicht 
finden  können.^  Ich  habe  statt  „Juli^  ^vollendet  im  Sommer'^  geschrie- 
ben, weil  das  doch  im  Grunde  auch  richtig  ist,  und  es  auf  so  genaue 
Bestimmungen  nicht  ankomt. 

Mein  Auge  war  aufs  hohe  Meer  gezogen, 
Es  schwoll  empor  nsw.^ 

Vielleicht  hat  Herr  Geheimerath  von  Müller  gedacht ,  man  könne  verlei- 
tet werden,  das  Es  auf  Auge  zu  beziehen,  weshalb  denn  das  vor- 
geschlagene Das  (wenn  sonst  dadurch  gegen  kein  grammatisches  Gesetz 
Verstössen  würde)  vorzuziehen  sein  möchte.  Welches  alles  Ihrer  allei- 
nigen Entscheidung  anheim  gegeben  sein  soll. 

Ich  habe  bis  jetzt  in  einem  fort  daran  gearbeitet  und  mich  im 
Aufsuchen  der  manchen  Fehler  fast  blind  geguckt.  Wenn  man  Zeit 
hätte,  man  fände  noch  was.^ 

Also  Eckermann  hatte  den  ^Faust^  von  zahlreichen  fehlem  der 
abschrift  befreit,  damit  er  gedruckt  werden  konte,  meinte  aber,  es  sei 
noch  manches  stehen  geblieben.  Dass  er  bei  einer  so  grossen  anzahl 
sinstörender  fehler  auf  metrische  reinheit  und  gleichmässige  Schreibung 
weniger  sein  augenmerk  gerichtet  hatte,  war  sehr  natürlich.  Riemer 
sah  nach  ihm  noch  einmal  die  handschrift  durch,  aber,  wenn  er  auch 
manches  änderte,  scenarische  bemerkungen  und  die  verweise  auf  die 
bibelstellen  5482.  5519.  7424.  7431  und  die  Acta  Sanctorum  7439 
hinzufügte,  so  beachtete  er  doch  die  metrischen  entstellungen  weniger, 
wozu  eine  genauere  durchsieht  gehört  hätte,  als  die  zeit  verstat- 
tete, weil  die  druckerei  die  handschrift  verlangte;  denn  der  zweite  teil 
des  „Fausf^  solte  noch  in  diesem  jähre  erscheinen.  Hiernach  ist  der 
grund  und  boden  unseres  textes  des  zweiten  teiles,  so  weit  derselbe 
erst  nach  Goethes  tod  herauskam,  keineswegs  so  fest  und  sicher,  wie 
die  hartnäckigen  festhalter  an  der  Überlieferung  sich  einbilden:  manche 
fehler  der  abschrift  sind  von  den  herausgebern  geändert  worden,  ohne 
zweifei  verbessert,  obgleich  immer  möglich  bleibt,  dass  Eckermann  an 
einzelnen  stellen  das  von  Goethe  gewolte  nicht  getroffen^  wovon  wir 
ein  belehrendes  beispiel  in  6330  finden ;  andere  waren  stehen  geblieben, 
von  denen  einige  später  richtig  verbessert  sind,  manche  wol  noch  der 
Verbesserung  harren.  Sämtliche  änderungen  hatten  keine  handschrift- 
liche grundlage;  denn  wäre  eine  andere  handschrift  im  nachlasse  vor- 
handen gewesen,   so  hätte  von  keinem  ^aufsuchen  der  fehler,^  keinem 

1)  V.  2348  fg.  Nahm  Riemer  an  der  namensform  oder  an  der  eigentümlichen 
verwendang  des  Störenfrieds  der  ehe  anstoss?  Im  ersten  drucke  steht  Asmodens. 

2)  V.  5585  fg.  Es  wurde  beibehalten. 

29* 


452  DÜNTZEB 

„ausputzen^  die  rede  sein  können,  sondern  Eckermann  hätte  das  zum 
abdruck  bestirnte  excmplar  einfach  mit  dem  andern  vergleichen  müs- 
sen,  da  den  herausgebern ,  wie  selbst  noch  zu  der  ausgäbe  von  1836, 
die  verfQgung  über  den  ganzen  uachlass  zu  geböte  stand. 

Fragen  wir  zunächst ,  wie  der  erste  druck  des  anfanges  des  ersten 
aktes  und  der  ,,Helena^  sich  zum  texte  der  gesamthandschrift  in  den 
„nachgelassenen  werken^  verhält.  Es  ist  unzweifelhaft ,  dass  die  hand- 
schrift  hier  die  schon  gedruckten  stücke  im  frühem  druck  enthielt 
Riemer  bemerkt  (Mittheilungen  II,  569),  Ooethe  habe  1831  das  herz 
gefasst,  „das  geheftete  exemplar,  worin  gedrucktes  und  ungednicktes 
ineinander  geschoben  sind,  zu  versiegeln.*^  Wenn  der  dichter  auch 
bei  der  fortsetzung  des  ersten  aktes  an  das  gedruckte  anknüpfen  muste, 
so  folgt  daraus  keineswegs,  dass  er  dieses  noch  einmal  kritisch  durch- 
gieng  und  einzelne  fehler  verbesserte.  Bekantlich  wurden  alle  bände 
der  taschenausgabe  nach  dem  erscheinen  durchgegangen,  um  die  darin 
sich  findenden  fehler  in  der  danach  zu  druckenden  octavausgabe  zu 
verbessern.  So  erschien  auch  der  zwölfte  band,  der  den  „ Faust ,^  den 
ersten  teil  mit  dem  anfang  des  zweiten ,  brachte ,  ein  jähr  nach  der 
taschenausgabe.  Aber  hier  finden  wir  keine  wesentliche  änderung,  nur 
die  offenbaren  buchstaben Verwechselungen  sind  natürlich  verbessert,  ein 
neuer  druckfehler  durstige  statt  dunstige  798  hineingekommen.  An- 
ders verhält  es  sich  mit  der  nach  dem  tode  des  dichters  erschienenen 
gesamtausgabe  des  zweiten  teiles.  Hier  sind  eine  anzahl  fehler,  mögen 
sie  nun  aus  der  nachlässigen  abschrift  hervorgegangen  oder  vom  setzer 
verschuldet  sein ,  nicht  nach  vergleichung  der  handschrift,  die  wol  gar 
nicht  mehr  vorhanden,  sondern  in  der  druckerei  geblieben  oder  ver- 
kommen war,  von  Eckermann  und  Riemer  verbessert.  Wir  lesen  215 
ihr  Toben,  wüthend  Hausen  statt  ihr  Toben  wüthend  hausen, 
was  kaum  als  Verbesserung  gelten  kann,  282  Gold  statt  Qeld,  475 
einziger  statt  einzig,  505  finde  statt  findet,  570  dich  statt  sie,^ 
590  krachend  schlagen  statt  krachen,  schlagen,  660  diesem 
statt  diesen,  das  freilich  nach  älterm  Sprachgebrauch  zur  not  zu  hal- 
ten wäre,  670  borgt  statt  des  wunderlichen  kneipt,  das  einer  son- 
derbaren idcenassociation  des  setzers  seinen  Ursprung  verdankt,'  723 
Weife   statt  Weise,    907  Schnaubts  statt  schnaubt,   das  richtig 

1)  Sie  gibt  von  liOepcr  als  les&rt  von  572,  wo  froilich  aach  die  taschenaog- 
gabe  dich  bat.  Dies  bemerkte  Scbröer,  ohne  aber,  obgleich  er  selbst  die  taschen- 
ausgabe verglich,  za  entdecken,  dass  die  Variante,  welche  von  Jjoeper  aafUhrt, 
sich  zwei  verse  früher  findet,  also  nnr  die  verszahl  verdruckt  bt. 

2)  Die  Verbesserung  ergab  sich  hier  und  660  so  leicht,  dass  darin  nichts 
weniger  als  „die  korrektnr  des  dichters  selbst  oder  das  znrflckgehen  auf  eeina  hand- 
schrift erkenbar*"  sein  dfirfte,  wie  Schr5er  meint. 


ZUR  KBITIK  VON  OOBTBES  FAUST.    U.  453 

scheint,  1254  alter  statt  aller,  1284  Ehre  statt  ehre.  In  den  sce- 
narischen  bemerkungeo  finden  wir  zwei  änderongen:  vor  dem  zweiten 
auftritt  tritt  ein  statt  tritt  vor,  vor  dem  vierten  dessen  Hofstaat 
Männer  und  Frauen  statt  des  einfachen  Hofleute,  zu  welcher 
ändemng  sich  Biemer  wol  um  so  berechtigter  hielt,  als  von  ihm  die 
meisten  scenarischen  bemerkungen  herrührten.  Wir  übergehen  die  fölle, 
wo  die  neue  ausgäbe  den  apostroph  hat,  ohne  dass  die  form  dadurch 
verändert  würde;  lezteres  ist  der  fall  218,  wo  ging'  statt  ging  steht, 
wie  umgekehrt  331  Schafft  statt  Schafft'.  Unverbessert  ist  776  be- 
ging' statt  beging  geblieben.  Berg'  statt  Berg-  251  ist  irrig.  Die 
interpunktion  ist  zum  teil  nach  andern  grundsätzen  gemacht  und  genauer, 
wenn  auch  noch  zuweilen  sehr  vernachlässigt,  ja  unrichtiger,  wie  194 
;  statt,  gesezt,  der  gedankenstrich  nach  755  und  1260  ausgelassen  ist. 
Auch  solte  nach  Bevier  1415  statt  der  drei  die  Unterbrechung  andeu- 
tenden punkte  nicht  ein  ausrufungszeichen  mit  gedankenstrich,  son- 
dern lezterer  allein  stehen.  Für  den  sinn  bedeutend  ist  die  Verbes- 
serung der  interpunktion  142  gern  .  statt  gern  :,  746  fg.,  wo  früher 
komma  nach  Schmeichelkätzchen  und  Semikolon  nach  Liebe - 
Seh  ätz  eben  stand  statt  der  umgekehrten  folge,  und  779:  „Echo, 
horch!  erwiedert,^  statt  des  frühern  „Echo!  Horch!  Erwiedert.^  Sehr 
wilkttrlich  ist  die  elision  behandelt.  Bichtig  lesen  wir  jezt  68  Dämm'- 
rung  statt  Dämmerung,  297  verworrner  statt  verworrener, 
762  Erwünschterm  statt  Erwünschterem.  Auf  den  vier  lezten 
Seiten  sind  alle  elisionen,  die  bis  dahin  erhalten  waren,  beseitigt, 
unglückselige  1334,  heiligen  1360,  luftigen  1416,  prächtigen, 
ewigen  1411  und  glühender  1377  gesezt.  Von  Loeper  folgt  wil- 
kürlich  1334  dieser  ausgäbe,  während  er  an  den  übrigen  stellen  die 
ältere  lesart  beibehält,  was  doch  völlig  unberechtigt  Die  ausgäbe  von 
1832  hat  hierin  so  wenig  wie  in  allen  übrigen  lesarten  urkundliche 
bedeutung.  In  bezug  auf  die  Schreibung  bemerken  wir  ähnelt  statt 
ähnlet  467,  wogegen  Wimmlens  1402  geblieben;  einmal  (389)  ist 
edeln  statt  des  durchgängig  edlen  gesezt;  1419  steht  hierher  statt 
hieb  er.  Mehrere  druckfehler  sind  unverbessert  geblieben.  Dahin 
rechnen  wir  364  er  (statt  es),  auch  534  Wunder  seltsam  statt 
Wunderseltsam,  653  Luft  statt  Lust,  1115  „Was  solls,  ihr  Tho- 
ren?  soll  mir  das?^,  wo  es  wol  soll  heissen  muss,  1175  „Wie  er  es 
drückt  und  wie  es  ballt  ,^  wo  Schröer  ohne  irgend  eine  andeutung  der 
Veränderung  das  richtige  er's  ballt  gibt,  1339  „Der  Kaiser,^  wo 
das  zweite  anführungseichen  an  das  ende  des  verses  gehört,  1383 
züngelt  statt  züngelt'.  Von  Loeper  vermutet,  104  sei  Der  statt 
Den  verlesen ,  was  freilich  möglich.    Auch  an  neuen  druckfehlern  fehlt 


4M  Dtssnm 

es  der  ausgäbe  von  1832  nicht.  265  steht  umherzuschauen  statt 
ODiher  zu  schauen,  496  Lass  statt  Lasst,  539  abeatz  vor  Wenn 
der  8omaier,  789  drobenstohcud  statt  droben  stehend,  1113 
zu  statt  du,  t3;i8  Orte  statt  Orten,  i;J67  W{)lkchen  kräuBelb 
statt  Wölkchen,  kräuselt,  1398  zu  schönster  »tatt  zur  schön- 
sten nach  einer  gewöhnlichen  Verwechselung  der  sßtzer. 

Ähulich  wiu  mit  dem  anfang  des  zweiten  teiles  verhält  es  sich 
mit  der  „Ht'luna";  auch  diese  ist  vom  dichter  zmn  zwecke  der  verbes- 
sernug  nicht  wider  durchgegangen  worden,  ja  am  schlnsue  ist  die  bemer- 
kung,  „um,  insofern  es  nötig  wäre,  im  cpUog  das  stück  zu  conimen- 
tiren,"  stehen  geblieben,  obgleich  diese,  nachdem  die  „Helena"  als 
„dritter  akt"  eingefügt  war,  hätte  wegfulleii  müssen.  Wir  wissen,  dass 
Goethe  am  17.  märz  1S30  Kckermann  beauftragte,  in  der  „kriufUgen 
ausgäbe"  v.  363  statt  siebenjährig,  wie  er  auf  Göttlings  „einwon- 
dung"  hatte  drucken  lassen,  das  fi-übcro  zehenjührig  wider  herzu- 
stellen. Er  war  damals  mit  der  „klassischen  WalpurgisDacht'  beschäf- 
tigt, wo  Faust  sagt  (2H14),  Helena  sei,  als  sie  von  Thoseus  geraubt 
wurde,  „erst  siehon  jahr'^  gewesen,  was  sich  auf  die  hekante  berech- 
nuug  von  Duris  beisieht.  Dort  wolte  or  nicht,  wie  Schröer  getan, 
Zehen  geachriebou  haben,  weil  es  ihm  eben  auf  die  torbeit  solcher 
altersbestimmungen  der  gestalten  der  sage  ankam,  wo  die  tollste  ihm 
am  liebsten  sein  muste.  Dagegen  sagt  bei  der  erschemung  der  Helena 
im  rittersaal  eine  daine  von  Helena:  „Vom  zehnten  Jahr  an  hat  sie 
nichts  getaugt,"  indem  Goethe  diese  tibcn  auf  die  gewöhnliche  annabmo 
sich  berufen  lässt.  Auffallend  ist,  dass  zwei  verse  nach  der  stelle,  wo 
Goethe  die  herstellung  von  zehenjährig  bestirnte,  eine  sonderbar  bis- 
her algemein  übersoheue  abwetchung  von  der  frilhern  (assung  sieb 
findet ,  dio  kaum  anders  als  mit  entschiedener  absiebt  erfolgt  sein  kann. 
Frilher  stund  365:  „Durch  Castor  und  durch  PoUui  aber  bald  befreit," 
wo  wir  jezt  statt  und  durch  lesen  dann  durch.  Den  dichter  hätte 
dazu  das  „stosson  und  zusammenkleben"  der  beiden  d  in  und  durch 
veranlassen  können,  welches  ihn  verleitete,  im  titel  seines  lebens  statt 
Wahrheit  und  Dichtung  die  umgekehrte  folge  zu  wähleu.  Solte 
er  vielleicht  beim  nachschlagen  der  stelle  von  der  siebenjährigen  Helena 
auf  jenen  vers  gestossen  und  der  fibelklang  ihm  aufgefaUen  sein?  Aber 
er  köutü  auch  vou  anderer  seite  auf  den  vera  aufmerksam  gemacht 
worden  sein  und  diese  Änderung  bestirnt  haben .  die  sich  Eckormauu 
ohne  weiteres  kaum  erlaubt  haben  dürfte.  Die  bedeutendste  änderung 
aber  ist  136U  fg.  eingetreten.  Dort  stand  im  ersten  drucke:  „Den 
nicht  zn  dämpfenden  |  Heiligen  Sinn**;  da  dieses  aber  nicht  in  den 
Zusammenhang  zu  passen  schien,   wogte  man  „Mit  nicht  zu  dämpfen- 


ZUB  KBITK  VOM  OOBTHBB  FAUST.  H.  455 

dem  I  Heiligem  Sinn^  trotz  der  verletzmig  des  reimes  auf  Kämpfen- 
den. Es  genügt  dem  statt  den  zu  schreiben,  so  dass  die  rede  ana- 
kolutisch  isty  der  relativsatz  „Welche  —  Bluts"  durch  „dem  —  hei- 
ligen Sinn"  aufgenommen  und  dies  durch  alle  den  Kämpfenden 
näher  bestimt  wird.  Alle  andern  berechtigten  abweichungen  sind  ent- 
weder Verbesserung  offenbarer  druckfehler  oder  betreffen  bloss  die  form.  ^ 
Druckfehler  waren  574  deine  statt  die,  729  Thurmwärter  statt 
Thurmwächter,  886  euch  statt  auch,  1167  lustig  statt  listig, 
deren  Verbesserung  auf  der  band  lag.  Ebenso  leicht  ergaben  sich  63 
mustre,  wie  schon  56  stand,  far  mustere,  159  Erschütterndes 
für  Erschütterendes,  die  ebenso  richtig,  wie  die  einfuhrung  der 
vollen  formen  verglommener  statt  verglommner  188,  verstän- 
diger statt  verständger  525,  blutigen  statt  blut'gen  829,  seli- 
gem statt  seFgem  1083,  kräftigem  statt  kräftigem  1546  sich  als 
wilkürlich  ergibt  Umgekehrt  ist  290  Königs  an  die  stelle  von  Kö- 
niges getreten.  293  grünende  (statt  grüne)  Feldersaat,  könte 
der  abwechslung  wegen  gesezt  sein,  da  269  auf  grünen  Pfad  schloss. 
721  ist  ehrenvollster  (statt  ehrenvoller),  schuldigster  Em- 
pfang mindestens  unnötig,  969  alle  kleinen  (statt  kleine)  Königs- 
lande höchstens  als  strenge  durchfährung  eines  gesetzes  richtig. 
Streift*  statt  streift  499  ergibt  sich  von  selbst  als  notwendig.  Gött- 
lichen ist  mit  recht  858  statt  göttlichen  geschrieben,  auch  sonst 
mehrfach  ein  grosser  anfangsbuchstabe  eingeführt,  wie  419  Bösartige, 
482  Entathmen,  Ersticken,  549  Bedrängliches,  dagegen  der 
kleine  in  ähnlichem  falle  mehrfach  beibehalten,  wie  183  wandeln- 
den, 194  unbewegliche.  In  bezug  auf  die  endungen  bemerken  wir 
die  änderungen  euren  statt  euern  157,  trauernd  statt  traurend 
400,  tändelnd  statt  tändlend  1500,  wogegen  andrem  1104  und 
heitrem  1391  stehen  geblieben.  Von  veränderten  Schreibungen  erwäh- 
nen wir  Mass,  Schoss,  Qräuel,  ergötzen,  Orcus  (statt  Orkus), 
vördersamst  (1529),  piepsen  (1492)  und  den  gebrauch  des  ss  statt  S0. 
Einmal  ist  hierher  statt  hieher  gesezt  (379).  Die  Interpunktion  ist 
vielfach  verbessert ,  der  apostroph  häufig  hinzugetreten ,  aber  auch  hierin 
vermisst  man  strenge  folgerichtigkeit.  Es  fehlt  viel,  dass  alle  druck- 
fehler verbessert  wären.  Wir  führen  nur  an  Lohe  statt  Loh*  227, 
nun  Anerkannte  statt  Neuanerkannte  316,  begnügt*  statt  be- 

1)  In  ein  paar  f&Uon  finde  ich  in  meinem  ezemplare  nicht  die  abweichungen, 
welche  von  Loeper  and  nach  ihm  SchrÖer  ans  dem  ersten  drucke  der  „Helena'' 
anfuhren.  Da  ich  keinen  blossen  irtum  annehmen  kann,  so  müssen  hier  verschie- 
dene dmcke  vorliegen.  Mein  ezemplar  hat  deutlich  106  Guten,  nicht  Gutes,  471 
goldne,  nidit  goldene,  1175  „8o  auch  er  der  behendeste,**  nicht  „So  anch 
der  Behendeste.**« 


456 

gnögt  521,  acht*  statt  actitef  529.  Wnesf  »Utt  Wäaaf  746, 
Nnn  statt  Nur  820,  Haiipten  statt  Häupten  1136,  Schleppt' 
statt  Sc-Iileppt  1305.  Welle  8tatt  Wälle  I3G8,  iie  feblende  stto- 
pheatrennuDg  905  —  923,  nm  an  anderes  bei  der  besprechung  des 
ersten  druckes  der  „Helena"  erwähnte  nicht  zu  erinnern.  Druckfehler 
dos  zweiten  druckos  der  „Helena"  sind  nach  statt  nah  10,  aoUt'  Btalt 
sollt  170,  heiliges  statt  heilig  25&,  Icblosom  statt  lobelosem 
855,  UngcsLüme  statt  Ungestüm  9-19,  bindern  statt  hinderen 
101)3,  am  Schlüsse  in  der  scenarischen  beiuorknng  „tritt  vor  (gtatt 
tritt  aber  von)  den  Cothumen  herunter,'*  wenn  auch  aber  absicht- 
lich ausgelassen  sein  könte.  Auch  Tanze  in  der  scenarischen  angab« 
vor  1258  kann  nicht  absichtlich  in  Tanz  vorändert  sein. 

Wie  aber  verhält  es  sich  mit  der  bei  weitem  grossem  hillftß  des 
zweiten  teile»  des  „Faust,"'  der  nach  der  handschrift  gedruckt  wurde. 
Leider  wissen  wir  gar  nicht,  wie  diese  abschrift  zu  stände  gekommen. 
Gewiss  hat  (leethe  bei  der  langsamen  nrt,  wie  er  jezt  dichtete,  nicht 
frei  diktiert,  wenigstens  nur  in  den  allerseltensten  ßillen,  wo  es  ihm 
leicht  floss,  wie  etwa  da,  wo  Mephistophelos  als  Wunderdoktor  von 
den  dameu  bestürmt  wird;  das  allermeiste  wurde  sorgsam  entworfen, 
dann  vom  dichter  durchgearbeitet  und  entweder  dem  abschreiber  ßber- 
geben  oder  vom  blatte  diktiert;  das  Icstero  dürlte  wol  nur  in  wenigen 
fallen  geschehen  sein.  Duss  die  zum  drucke  hinterlassene  abschrift  feh- 
lerhaft war  und  von  Eckermann  verbessert  wurde,  wissen  wir,  aber 
es  ist  kaum  glaublich,  dass  dieser  immer  das  richtige  getroffen,  beson- 
ders da  oil  eine  mehrfache  möglichkeit  der  Verbesserung  sieb  ergeben 
mochte,  aber  schliesslich  doch  eine  trotz  aller  zweifei  gewählt  worden 
musto,  da  einmal  das  überlieferte  oRenbar  fehlerhaft  war 

Wir  beginnen  mit  der  zweiten  hälfte  des  ersten  akt«s  und  dem 
folgenden  zweiten.  Gehen  wir  auch  hier  von  den  abbiegungen  der  Wör- 
ter auf  ig,  ich  und  isch  und  den  Zeitwörtern  auf  igen  aus,  so  findet 
sich  durchweg  die  voll»  form  mit  i  auch  da,  wo  metrisch  das  i  nicht 
gezählt  wird,  sondern  es  den  jambus  zum  anap&st,  den  trocbäus  tarn 
dactylus  macht  Den  mehr  als  achty.ig  fällen  steht  nur  ein  einziger 
der  elisioD  entgegen,  3662:  „Dreifach  merkwfird'ger  Goisterschritt  1 " 
obgleich  sonst  die  Zusammensetzungen  mit  würdig  gans  ausgeechriciMii 
sind  (1826.  2023.  2044.  3376).  Ausserdem  findet  iiich  in  einem  »Bb« 
wurf  2902  heiigem  statt  heiligem.  Es  gebiert  eiu  starker  glaube 
dazu,  mit  Schröter  darin  die  reine  band  des  dichter»  zu  erkennen  nad 

1)  Der  iweit«  teil  onth&lt  Dach  SvhrSvr  7498  ver»e  {nach  mir  7481),  von  d«D«B 
Hat  den  aiifang  des  ereten  aktea  uoil  auf  .HolenA"  xoMiaiDMi  ptint  iwvi  noftel 
kommen. 


ZÜB  KRITIK   VON  G0BTHE8   FAÜ8T    n.  457 

selbst  die  einzige  ausnähme  im  texte  zu  halten,  zu  glauben,  dass  Ooethe 
aus  wunderlichem  eigensinne  die  im  dichtermunde  regelmässig,  wenn 
der  yers  nicht  das  i  fordert,  elidierten  formen  von  heilig,  selig, 
ewig,  blutig  ausgeschlossen  habe,  obgleich  er  sonst  an  rein  jam- 
bischen stellen  den  anapäst  nie  zugelassen,  wo  er  nicht  dazu  gezwun- 
gen war  (2498:  „Bis  morgen  ists  alles  durchgebracht ,^  wo  man  ist 
statt  ists  vermuten  muss.  3790:  „Hoch  ist  der  Doppelgewinn  zu 
schätzen^), ^  in  trochäischem  masse  sich  nie  ein  solcher  dactylus  zeigt, 
wie  er  in  den  yersen  sich  findet  (2080):  „Der  Lebendige,  wie  einTod- 
ter,*^  (2093):  „Wo  ich  diesen  Bärtigen  traute.'^  Umgekehrt  ist  in  den 
abbiegungen  der  endungen  en  und  er,  in  den  Zeitwörtern  auf  ern, 
den  Wörtern  auf  er  er  und  erung  durchgehend  ein  e  ausgelassen,  regel- 
mässig andre,  anderm,  andern,  andrer,  unsre,  unsrer,  unsres, 
unsern,  unserm,  heitrer,  düjstrer,  seltner,  betrogner,  gewog- 
ner, verwegner,  verrufner,  hänfner,  willkommner,  vergoss- 
ner.  Ebne,  glühnder  oder  glühender  (1641.  1827),  aufbltthn- 
der,  Kämm'rer,  Donn'rer,  Lindrung,  verkümmere  usw.  geschrie- 
ben. Auch  hier  finden  wir  nur  eine  abweichung,  3674:  „Heiteren 
Tags  Gebenedeiten, '^  das  nicht  bloss  Schröer,  sondern  auch  von 
Loeper  allen  andern  fällen  gegenüber  erhalten  zu  müssen  geglaubt  hat, 
da  es  doch  keinem  zweifei  unterliegt,  dass  diese  einzige  ausnähme 
jeder  berechtigung  entbehrt,  wenn  man  nicht  etwa  darin  eine  tiefsin- 
nige bedeutung  erspähen  will.  In  bezug  auf  die  endungen  ern,  erro, 
ernd,  ein,  elm,  elnd,  wo  Schröer  das  e  nach  der  liquida  als  Goe- 
thes Schreibung  herstellen  will  (II  s.  VIH),  bemerke  ich,  dass  unsere 
ausgäbe  nicht  blos  frevlend,  frevlen,  frevlem,  sondern  auch  fre- 
velnd (2953),  segelnd  (2691),  funkelnd  (3863),  dunkeln  (2136), 
nicht  wandlen,  sondern  wandeln  (1832.  3541),  wechseln  (3637), 
sammeln,  versammeln  (1759.  2555),  freilich  eurem,  euren,  un- 
geheuren, ungeheurem  hat^  dagegen  Mauern,  heitern,  zittern, 
wittern,  um  von  den  Schreibungen  in  den  folgenden  akten  nicht 
zu  sprechen.  Wir  erwähnen  hier  noch  die  zusammenziehung  men- 
schenähnlichs  2648  und  schaff  en's  (statt  schaffen  das)  Eisen 
3043,  wo  der  dichter  offenbar  den  dactylus  und  den  anapäst  mied. 
Den  aus&ll  des  e  in  der  endung  -  liehe  s  hat  sich  Goethe  selbst  im 
„Tasso^  und  der  „natürlichen  Tochter^  gestattet ,  und  so  finden  wir  auch 
„Herrlichers  isf^  als  zwei  trochäen  im  vierten  akt  des  „Faust*^  (6039). 

1)  3183  ist  wol  „*ne  oder  ein  (statt  eine)  Mammenschanz*'  za  lesen.  3299: 
„Hat  mein  Flebn,**  ist  ein  rein  anapästischer  rers.  Kein  solcher  anapäst  findet  sich 
in  den  antiken  trimetern  (440—474),  die  ansser  diesem  leidigen  i  frei  von  ana- 
p&sten  sind,  was  gleichfals  von  den  trimetern  des  vierten  aktes  (5427 — 5454)  gilt. 


4&8  vOnrzBH 

Offenbart!  druckfehler  (denn  die  suhreibfehler  würde  Eckennann 
wol  verbessert  haben)  sind  Appellen  (2954),  Rink  (3737),'  Krei- 
senden statt  KreisBenden  (2922),  düstre  statt  düstere  {2304X 
nuf  blflhnder  statt  aufblübnder  (1841),!  Altgesang  statt  A 11- 
gesang  (vor  3727),  Staunen  statt  staunen  (:tfi45),  und  die  niehr- 
facbe  Verwechslung  von  komma  und  punkt  (234^.  3129.  3395).  In 
andern  fällen  kann  mau  zweifeln ,  ob  ein  irlum  dem  di-ucbe  oder  der 
abschrift  ajigefaQrt;  aber  jedenfals  beweisen  sie  die  feblerbaftigkeit  unse- 
rer Überlieferung.  Wir  gedenken  zunächst  des  fehlenden  apostrophs 
bei  sucht  1733,  wenig  2837,  wogegen  ein  solcher  irrig  nach  Zwerg 
30O2  steht,  statt  -  nach  still  2341.  Das  -  fehlt  in  der  scenarischen 
bemerkuug  vor  3747  nach  und.  Die  kommata  sind  nicht  nach  bestirn- 
ten grundsützen  streng  durchgeführt.  Sinstöreud  ist  dos  2899  uacb 
Blinkend  geseilte.  2432  fg.  muss  das  komma  nach  Graus,  nicht  nacb 
Fenster  stehen,  da  „in  des  Nordens  Wust  und  Graus"  nicht  zu  Seh* 
ich  gehört.  Nach  2006  muas  semikoleu  statt  komma  stehen,  wie  nicb 
dem  folgenden  fragezeichen  richtiger  als  ausrufungszeichen  ist  Drinn 
statt  drein  steht  2613;  den  irtum  zeigen  sinn  und  reim  (2616).  Dem 
statt  den  finden  wir  vor  3727,  Phorkyaden  statt  Phorkyade  io 
der  Überschrift  3370,  'n  Wein  statt  des  vom  verse  gebotenen  'nen 
Wein  2202,  zum  statt  zu  und  am  statt  an  vor  32ti5  und  vor  3778, 
wilgt  statt  wogt  3762,  Muschelpfad  statt  Muschelfahrt  3740, 
wie  der  reim  «oigt,  Verbangniss-Wetter  leuchtet  statt  Verhäng- 
niss  wetterleuchtet  3277.  Der  name  der  Psylleu  ist  vor  3717 
in  Psellen  ent«telt.  3774  steht  Galate'n,  3834  Qalate's,  obgleich 
au  beiden  stellen  die  lezte  silbe  lang  seiu  muss.  Der  dichter  wolte 
Galatees,  Galateen,  wie  er  3533  Galatec  schreibt,  dagegen  3838 
die  vom  verse  geforderte  viersilbige  form  Galateas  braucht.  307S 
lesen  wir:  „Schon  hoch  genug  —  hier  zuckt  noch  manches  Feuer," 
Ks  muss  olToubarHier  heissen  und  vor  dem  gedankenstriuh  oder  statt 
desselben  punkt  stehen.  Den  in  früherer  zeit  häufigen  gebrauch  des 
gedaiikenstriches  statt  des  punktes  finden  wir  auch  2339,  wo  man  einen 
punkt  noch  davor  gesezt  hat.  Dem  setzer  gehört  das  mehrfach  vor  dem 
gedankenstricb  stehende  komma  (2342.  2371.  3671),  das  freilich  Schröer 
an  allen  stellen,  von  Loeper  an  zweien  beibehält^  Kin  wunderlicher 
gedankenstricli  findet  sich  2650;  „Lüflloin  wie  —  ein  Scberzergdtsen*; 

1)  Das  Gi^hun  in  der  uktavauEgftbo  Yorbossvrte  Riiik  bat  Scliriicr  der  b«ach- 
tnng  wert  gfbaltcu.   obgloich  Giiethu  nio.    botioI  wir  wissen,   Riob  geachriubon. 

2)  Sohröer  behält  du  vMlig  un^ffüf^a  auf  blalindor  JngondhrAft  bdl 
8)  Denselben   gebraach   von    komma,    aacb    aanikoloa ,    ««igt  der  vat  dm 

, Faust"  TolgcndD  band  (43),  der  die  öltesl«  und  jfingat«  gteUlt  des  .(jOU*  bringt. 


ZÜB  KBITIK  VOH  GOSTHBS  FAUST.  U.  459 

wenigstens  sehe  ioh  nicht,  was  er  hier  soll,  da  er  unmöglich  eine 
pause  der  Spannung  oder  des  bedenkens  des  redenden ,  wie  er  sich  aus- 
drücken soll,  andeuten  kann.  Auch  sonst  wird  mit  dem  gedanken- 
strich  eine  grosse  Verschwendung  getrieben,  vor  allem  nach  dem  ende 
des  Satzes,  wie  1559.  1750.  1753.  1882.  1885.  2195.  2198.  2291. 
Oedankenstriche  zur  andeutung  einer  pause  sind  freilich  an  der  stelle, 
aber  wo  eine  Bolche  nicht  eintritt  oder  sie  sonst  keine  beziehung  haben, 
solte  man  den  text  von  gedankenleeren  strichen  befreien.  Ausserordent- 
lich seltsam  sind  die  in  der  klassischen  Walpurgisnacht  oft  an  die  stelle 
der  eine  pause  andeutenden  gedankenstriche  getretenen  zwei,  drei  oder 
vier  punkte ,  und  diese  plötzlich  hineingeschneiten ,  unter  sich  auch  mit 
gedankenstrichen  bunt  wechselnden  punkte  sollen  wir  als  des  dichters 
weisliche  absieht  verehren ,  da  sie  doch  nur  eine  marotte  des  abschrei- 
bers  sind,  welcher  Eckermann  hätte  den  Garaus  machen  müssen,  und 
selbst  wenn  Goethe  auf  den  einfall  gekommen  wäre ,  hier  einmal  punkte 
statt  des  gedankenstriches  zu  setzen,  so  hatte  er  ohne  zweifei  keinen 
Wechsel  in  der  zahl  der  punkte  beabsichtigt,  noch  weniger  denselben 
in  der  abschrift  genau  kontrolliert,  abgesehen  davon,  dass  es  durch- 
aus nicht  angeht,  in  der  „Walpurgisnacht*^  eine  interpunktsweise  gel- 
ten zu  lassen,  die  sonst  weder  im  ersten  noch  im  zweiten  teile  des 
„Faust^  sich  findet.  Freilich  standen  im  ersten  drucke  des  anfangs 
des  zweiten  teiles  1415  zum  zeichen  des  abbrechens  der  rede  vier  punkte, 
aber  im  volständigen  zweiten  teile  trat  an  ihre  stelle  gedankenstrich 
mit  vorangehendem  ungehörigem  ausrufungszeichen.  Die  bunte  Wirt- 
schaft mit  den  punkten  begint  in  der  rede  der  Erichtho  2393  —  2427, 
wo  wir  f&nfmal  dem  gebrauche  von  drei  punkten  begegnen,  und  zwar 
an  stellen,  wo  so  wenig  eine  Unterbrechung  statfindet,  dass  ein  ein- 
facher punkt  volkommen  genügt,  ja  die  stärkere  trennung  das  zusam- 
mengehörige zerreisst.  Darauf  finden  wir  2473  ebenfals  drei,  dann 
aber  2477  und  2479  vier  punkte,  2481  und  2505  einen  ganz  gleich 
gebrauchten  gedankenstrich.  Auf  zwei  punkte  treffen  wir  2619  ^  aber 
gedankenstrich  folgt  wider  2635.  Vier  punkte  stehen  2688  und  2694, 
drei  2715  und  2718,  dann  wider  einmal  vier  2724,  drei  2770,  zwei 
2787,  drei  2814,  zwei  2917  (nur  einen  geben  von  Löper  und  Schröer), 
vier  2953,  nach  dem  gedankenstrich  3078  drei  punkte  3079.  Da,  wo 
Mephistopheles  nach  den  Lamien  hascht,  treten  wider  die  punkte  ein, 
einmal  drei,  dann  fünfmal  vier  (3157 — 3186).  In  der  bewegten  rede 
des  Anaxagoras  3298  —  3317  finden  wir  zuerst  zweimal  drei  punkte, 
dann  ebenso  oft  gedankenstriche.  Auch  3343  begegnen  wir  wider  ein- 
mal vier  punkten,  dann  aber  bleiben  wir  fast  fünfhundert  verse  lang 
mit  dieser  punktierung  verschont,  nur  noch  zweimal  erscheinen  drei 


460  dOktzbb 

punkte  (3822.  3857).  Ich  habe  schon  längst  diese  wunderlich  wech- 
selnden punkte  durch  den  ehrlichen,  sonst  fiberall  im  ^Faurt^  uge* 
wanten  gedankenstrich  ersezt,  und  glaube  damit  im  sinne  dcB  diditcn 
gehandelt  zu  haben,  der  nichts  weniger  als  durch  solche  äussere  Selt- 
samkeiten die  an  sich  schon  so  viele  Schwierigkeiten  darbietende  dicb- 
tung  entstellen  weite.  Wer  etwas  tiefsinniges  in  diesen  wechselndeo 
punkten  ahnen  will ,  möge  sich  nur  bald  durch  den  versuch  fiberzeugen, 
dass  keine  Weisheit  dahinter  steckt  Die  rede  der  Erichtho  komt  ebenso 
gut  mit  einfachen  gedankenstrichen  fort  wie  die  Fausts  am  anfang  dei 
vierten  aktes. 

Doch   kehren   wir   zu   den   textfehlem  unseres  druckes    zurfick 
2423  fg.  lesen  wir: 

Ich  wittre  Leben.    Da  geziemen  will  min  nicht 

Lebendigem  xa  nahen,  dem  ich  schädlich  bin, 

ohne  dass  ein  bezuglicher  nachsatz  folgt  Auch  erwartete  man  die 
Wortfolge:  „Da  nürs  nicht  geziemen  will."^  Ohne  zweifei  weite  (Goethe: 
«Ich  wittre  Leben  da.  Geziemen  will  mir  nicht "^  Der  abschnitt  mit- 
ten im  verse  findet  sich  ebenso  2404.  2417.  2430.  2426.  —  In  dem 
verse  3853: 

Will  anseren  Augen  sich  offenbaren? 

steht  im  vierten  fusse  ein  jambus  statt  des  anapästes.  Der  vers  würde 
hergestelt  durch  ein  nach  sich  eingeschobenes  da.  —   2164  fgg.: 

Des  Menschen  Leben  lebt  im  Blat,  and  wo 
Bewegt  dms  Blat  sich  wie  im  Jüngling  so? 
Das  ist  lebendig  Blnt  in  frischer  Kraft, 
Das  neues  Leben  sich  ans  Leben  schafft. 

Hier  Iftsst  sich  «Das  ist  lebendig  Blut"^  wol  zur  not  halten ,  wenn  man 
das  erklirt  des  Jünglings;  aber  man  braucht  sidi  die  stelle  nur 
lebhaft  vorzutragen,  um  zu  finden,  dass  Goethe  nur  sich  denken  konte: 
«Da  ist  lebendig  Blut^  -  2323:  «Nun  fort  mit  ihm*^  fordert  der 
Zusammenhang  das  drängende  Nur,  wie  im  ersten  tdle  2390;  anders 
ist  es  2457:  «Nun  frisch  zu  neuen  Wunderdingen*";  dagegen  dürfte 
auch  2490:  «Man  greife  nun  nach  Mädchen,  Kronen,  Gold/  nur  an 
zu  setzen  sein.  —  2749  fordert  der  sinn  wol:  «Den  (statt  Dem)  Edel- 
sten in  Thaten  nachgestrebt*^;  «das  Edekte  in  Thaten"^  wäre  seltsam, 
wogegen  nach  der  gegebenen  Verbesserung  der  vers  genau  dem  yorher- 
gehenden:  «Du  hast  die  GrOssten  deiner  Zeit  gesehen/  oitsprichi.  — 
Bei  unserm  zustande  der  Überlieferung  wird  es  auch  nicht  alzukUlm 
sein,  2382  das  durchaus  nötige  Entdeckst  du  statt  Entdeck*  ich, 
2623  lustfeile  statt  lustfeine«  3680  empor  statt  hervor  m  setseii, 
wogegen  ich  Schrd^rs  Vermutung  glühend  statt  blühend  S821  nidit 
beitreten  möchte,  da  blühend  hier  bezeichnend  steht  ud  der  ikaUdie 


ZVB  KBITIK  VON  60STHB8  FAUST.    U.  461 

gebrauch  von  blühen  nicht  zu  leugnen  ist.  Das  sonderbare  ^Mische 
dich  zum  lustigen  Gesinde''  2688  wird  gestäzt  durch  5957:  ^Und 
mischte  gern  sich  auch  zum  neuen  Streif  Sehr  scheinbar  ist  7455 
von  Loepers  Vermutung  ungemessen,  f&rdie  sich  manche,  auch 
SchrOer,  erklärt  haben,  statt  angemessen.  Allein  bei  dieser  bitte  der 
drei  bttsserinnen  muss  der  hauptnachdruck  darauf  liegen ,  dass  Oretchen 
die  Verzeihung  verdient  habe,  wogegen  ungemessen  an  der  stelle 
wäre,  wenn  von  grossen  Sündern  die  rede  wäre,  Gretchen  aber  tritt 
gerade  in  gegensatz  zu  den  grossen  Sünderinnen  (7448),  die  erst  nach 
langer  zeit  Verzeihung  erlangen,  wonach  die  Veränderung  sinwidrig. 

Einer  falschen  versabteilung  begegnen  wir  1986  fg.;  denn  eines 
gar  starken  glaubens  an  die  Unfehlbarkeit  unserer  auf  so  schwankem 
boden  stehenden  Überlieferung  bedarf  es,  um  sich  die  trennung:  „Zu 
Tausenden  kommen  wir,  |  Vater,  getanzt''  gefallen  zu  lassen,  wie  von 
Loeper  und  Schröer  tun,  da  doch  wir  im  ersten  verse  ebenso  über- 
zählig ist,  wie  der  folgende  vers  es  fordert.  Welcher  grund  der  rich- 
tigen versabteilung  entgegenstehen  könte ,  sehe  ich  nicht.  Falsche  Zwi- 
schenräume finden  wir  vor  2682.  2918  und  3590.  Solte  an  der  ersten 
stelle  dadurch  ein  absatz  angedeutet  werden,  so  fiele  es  auf,  dass  gleich 
darauf  zu  demselben  zwecke  punkte  verwant  sind.  Auch  das  verän- 
derte versmass  kann  den  abschnitt  nicht  rechtfertigen,  da  wir  in  glei- 
chem falle  2694  punkte  angewendet  finden.  Ebenso  wenig  sind  die 
zwei  Zwischenräume  in  der  rede  des  Baccalaureus  2077  —  2108  zu  bil- 
ligen ;  wir  erhalten  durch  sie  in  der  mitte  abschnitte  von  je  sechs  ver- 
sen,  obgleich  ein  sinnabschnitt  nur  nach  2088  und  2100  angenommen 
werden  kann,  den  ein  gedankenstrich ,  wie  auch  sonst,  andeuten  könte. 
Solche  reichen  auch  in  der  rede  der  Erichtho  2413  und  2421  statt  der 
ungehörigen  drei  punkte  derselben  volkommen  hin.  Die  Veränderung 
der  scene  wird  zweimal,  vor  2468  und  vor  2637,  übergangen.  Der 
ausfall  eines  verses  ist  vor  2315  wahrscheinlich. 

Was  die  rechtschreibung  betrift,  so  lesen  wir  hier  ereignen 
3138,  wie  auch  Ereigniss  im  vierten  und  fünften  akte  sich  findet 
(5824.  7494),  wogegen  im  ersten  eräugnen  steht  (1305).  Fittige 
lesen  wir  3730,  wie  in  der  „Helena"  (136),  wo  auch  schlechtbefit- 
tigt  (4197),  dagegen  3177  Fittichs.  Zwischen  hieher  und  hier- 
her schwankt  die  Schreibung ,  wie  auch  in  der  „Helena'^ ;  ersteres  steht 
2500.  3452,  das  andere  2527.  2872.  1856  stand  hinzuräckeln. 
Schnaken  findet  sich  1971,  Schnack  2094.  Dass  hier  ein  unter- 
schied der  bedeutung  statfinde,  kann  ich  nicht  zugeben,  da  an  bei- 
den stellen  dieselbe  belehrung  des  Mephistopheles  vorschwebt,  welche 
dieser  und  der  jetzige  Baccalaureus  als  albernes  zeug  betrachten.    Der 


462  DÜHTZKB 

form  Egypten  begegnen  wir  2629,  während  in  der  „Helena^  386 
Aegypten  sich  findet  So  wenig  herscht  auch  in  der  schreibimg  fA- 
lige  übereinstimmnng. 

Später  als  die  lücke  zwischen  dem  anfange  der  scene  im  last- 
garten nnd  der  „Helena^  erhielten  die  beiden  lezten  akte  ihre  ana- 
fuhrung  nnd  wurden  dann  ins  reine  geschrieben,  wonach  es  geboten 
scheint,  diese  fQr  bich  in  vergleich  mit  jenen  zu  betrachten.  Das  i 
wird  auch  hier  regelmässig  geschrieben.  Nur  zweimal  steht  ew*ge 
(6985.  7084),  dann  am  ende  der  Alexandriner  yerein'gen,  be- 
schleunigen, beschäftigen,  bekräftigen,  yerkflnd*gen,  ent- 
sünd'gen  (6292  fg.  6360  fg.  6404  fg.)  gegenüber  dem  das  versmass 
verletzenden  ausgange  trochäischer  verse  Huldigung  und  ünthätig- 
keitsentschuldigung  (5777.  5779).  Die  prosaische  Schreibweise  war 
so  eingedrungen,  dass  wir  sogar  7315:  „Heilige  Gefühle  drein^  lesen, 
wo  das  metrum  durchaus  einen  daktylischen  anfang  verlangt;  trotzdem 
hat  nicht  bloss  Schröer,  sondern  selbst  von  Loeper  das  unerträgliche 
Heilige  conser viert  Auch  in  den  erhaltenen  handschriftlichen  ent- 
würfen einzelner  stellen  finden  sich  heiligen  und  ewigen  (7395. 
7420.  7474)  und  in  einem  nicht  aufgenommenen  verse  bei  von  Loeper 
s.  383 ,  wie  auch  in  andern  gedichten  die  vollen  formen  statt  der 
metrisch  geforderten  sich  eingeschlichen  haben ,  wogegen  in  andern  ent- 
würfen ewgem  und  prächtgen  zu  lesen  ist  (vgl  Loeper  s.  346.  350), 
wie  auch  in  denen  zur  „Helena"  ewger  und  selgem  (1080.  1083) 
und  einmal  im  zweiten  akte  (2902)  heiigem.  Man  sieht,  der  dichter 
blieb  sich  nicht  gleich ;  einmal  beachtete  er  die  forderuug  des  metrums, 
ein  andermal  folgte  er  der  prosaischen  Schreibung.  Auch  in  unsern 
beiden  akten  braucht  der  dichter  anapäste  statt  der  jamben  äusserst 
selten,  fast  nur  da,  wo  die  not  ihn  zwang.  Die  einzigen  beispiele 
sind:  „Verbrächte  da  grenzenlose  Zeit"  (5560),  „Als  mit  zerschlagnen 
Unter-  und  Oberbacken"  (5900),  „Dem  frechen  Kerl  einen  Backen- 
streich" (6221),  wo  Goethe  wol  'nen  schrieb,  „Berechnet  er  alles 
mehr  genau"  (6598  fg.),  „Dem  unbesonnenen  wilden  Streich"  (6759), 
wo  ohne  zweifei  in  der  ihm  geläufigen  weise  unbesonnen  herzustel- 
len ist,  „Es  war  nur  Schein,  das  rührte ,  das  regte  sich  wieder"  (7022), 
„Es  ist  das  bübisch -mädchenhafte  Gestümper"  (7292),  „Die  Herrliche 
mitteninn"  (7380),  nnd  ein  paar  stellen  im  freiem  Lemurenliede :  „Da 
rührten  sich  meine  Füsse.  Nun  hat  das  tückische  Alter  mich  Mit  sei- 
ner Krücke  getroffen"  (6921  fgg.)  und  „Dir  dumpfer  Gast  im  hänfnen 
Gewand  (6993).  In  trochäi8(dien  massen  findet  sich  nur  ein  beispiel 
dieser  art,  7292:  „Glückliche!  habt  ihr  keine  Spur."  So  spricht  auch 
hier  alles  dafiir,  dass  der  dichter  nicht  durch  Unterlassung  äw  alge* 


ZUR   KBITIK  von   eOSTHBS  PAUST.  H.  463 

mein  anerkanten  freiheit  der  elision  des  i  den  vers  ohne  not  verletzen 
wolte. 

Wenden  wir  uns  nnn  zn  dem  e,  so  wird  dies  durchweg  aas- 
gelassen, wobei  nur  in  seltenen  Allen  der  apostroph  auf  den  ausfall 
dentet,  wie  Fran'n  5562,  Klett*rer  6111,  erhöht're  6340,  inn're 
6699,  unternommene  6934,  verschlossenen  7012,  bessere  7485, 
wo  man  freilich  bei  Schröer  jede  andeutung  dieser  ursprünglichen 
Schreibung  vermisst.  Nur  ein  paarmal  ist  die  elision  übersehen  wor- 
den und  muss  im  sinne  des  dichters  hergestelt  werden.  5734:  „Dass 
wir  in  dies  gelegene  Thal,^  5780:  „Innere  Qährung,  Yolksgefahr^ 
(vgl.  dagegen  6699,  auch  Innres  7271),  5791:  „Und  auf  vorgeschrie- 
benen Bahnen^  (dagegen  blutgeschriebnen  Titel  7000,  halber- 
storbnen  6455  u.  a.,  im  zweiten  akte  3303  rundumschriebner), 
5834:  „Die  Majestät  zersprengte  glühende  Ketten^  (gegen  glühnden 
Schmiede  6131  und  die  aus  den  drei  ersten  akten  angeführten  bei- 
spiele),  6229:  „Der  eine  stand,  der  andere  fiel^  (gegen  die  zahlreichen 
beispiele  des  aus&ls  der  e ,  selbst  in  den  Überschriften  und  scenarischen 
bemerkungen).  Die  Schreibung  in  den  prosaischen  scenarischen  bemer- 
kungen  und  den  Überschriften  korot  nicht  in  betracht;  hier  solte  regel- 
mässig die  gangbare  form  stehen,  aber  selbst  darin  bleibt  sich  unsere 
Überlieferung  nicht  gleich,  der  aber  trotz  allem  SchrOer  'unbedenklich 
folgt,  bei  dem  treulich  vor  6430  Wandrer,  in  der  weitem  Über- 
schrift und  in  einer  scenarischen  bemerkung  Wanderer,  vor  7329 
und  7341  Die  jüngeren  Engel,  die  vollendeteren  Engel,  aber 
vor  7353  Die  jungem  Engel  nachgedruckt  zu  lesen  ist  In  der 
scenarischen  bemerkung  nach  6169  steht  irrig  heitere.,  vor  5454 
anderer  statt  andrer  (vgl.  vor  1534  fgg.). 

In  bezug  auf  die  Schreibung  der  endungen  bemerken  wir,  dass 
beim  zeitwort  durchweg  ein,  elt,  elnd,  ern,  ernd  gedruckt  ist, 
dagegen  edlem,  edlen,  frevlen  (6378),  wogegen  dunkeln  (6430), 
euren,  eurem,  gegenüber  euern  6333.  7295,  Theuern  (6344),  unge- 
heurem (7299),  gegenüber  düsterm  (6606)  und  finstern  (6694). 
Höherem  findet  sich  5798,  ohne  apostroph  7305,  dagegen  höhern 
7481.  Die  Ungleichheit  geht  so  weit,  dass  wir  6033  unsers  lesen,  wäh- 
rend sonst  im  „Faust ,^  selbst  in  den  scenarischen  bemerkungen,  wie 
vor  6204,  unsres  steht  Man  halte  diese  Zusammenstellung  mit  der 
früher  über  die  drei  ersten  akte  gegebenen,  gegen  die  bei  Schröer  I.  s.yill. 

Auch  an  offenbaren  fehlem  stellen  die  beiden  lezten  akte  ein 
bedeutendes  kontingent  Beginnen  wir  mit  der  Schreibung,  so  ist  der 
apostroph  ausgefallen  bei  Hess  (5558),  droht  (5829),  Richtet 
(6409),  dürft  (7435).    Aach  Tag  und  Stunden  7017  kann  nicht 


464  ntJXTZtsB, 

richtig   sein.     Mephistopheles   steigt  hier   absichtlich   herab.     Grosse 
bochstaben  statt  der  kleinen  finden  wir  6009  (Er),  6112  (Ein),  6259 
(Vier),  das  umgekehrte  5624  (hörst),  5610  (flatend,  wo  auch  der 
unmittelbar  vorhergehende  gedankenstrich  wegfallen   muss)   und  6634 
(einem).     Jederman  (6363)   ist  regelmässige  Schreibung   der  aus- 
gäbe lezterhand,  auffält  dagegen  Bim m  (6654).    Buchstabenföhler  wie 
7417  (hethört  statt  bethört)  kommen  nicht  in  betracht.     Negro- 
mant  5827  war  die  Goethe  geläufige  italienische  form.    Hieher  und 
hierher  stehen  auch  hier  nebeneinander  (5678.  6056).    Von  der  Inter- 
punktion erwähnen  wir  zunächst  das  mehrfach  sich  findende  komma 
statt  des  punktes  (5631.   5928.   6048.   6051.   6091.     vor  6170.   6196. 
7024.  7055);  das  umgekehrte  5758.    Häufig  fehlt  das  konmia  oder  eine 
stärkere  Interpunktion,  die  vielfach  durch  ein  komma  vertreten  wird. 
So  muss  wenigstens  komma  7056   nach  „Nehmt  es  in  Acht^    stehen. 
Ein  komma  fehlt  auch  5682:   „Einmal  gerettet  ists  ffir  tausendmale," 
wo  „Einmal  gerettet*^  als  satz  zu  fassen  ist,  und  vor  der  anrede  (6297); 
ein  andermal  steht  es  zu  viel  (6240,   wo  das  komma  nach  ehren- 
voll stört).    5624  werden  die  werte  Krieg  oder  Frieden  durdi  den 
punkt  zu  einem  selbständigen  satze  gemacht  und  deshalb  klug  gross 
geschrieben,   während  nach  Frieden  kOmma  stehen  solte  („mag  es 
Krieg  oder  Friede  sein^).    5659  solte  statt  des  gedankenstriches  punkt 
stehen,   ebenso  nach   übersittlich  7185   und  wenden   sich   7186, 
wo  Schröer  nicht  Von  in  von  ändern   durfte.     Daselbst  muss  nach 
anzusehen  das  ausrufungszeichen  ausfallen,  wenn  man  es  nicht  hin- 
ter den  gedankenstrich  setzen  will;  dieser  muss  am  ende  der  gar  nicht 
abgebrochenen  rede  nach  appetitlich  7187  gestrichen  werden,  woge- 
gen er  5659  nach  ging  statt  des  punkts  zu  setzen  ist,  da  Faust  Mephi- 
stopheles unterbricht.    Sinwidrig  ist  der  gedankenstrich  5884:   „Mähr- 
chen sagt:  —   Es  war  einmal,^   da  er  unmöglich   die  rede  einfBhren, 
noch  weniger  die  den  anfang  des  märchens  bildenden  werte  als  aus  der 
mitte  herausgenommen  bezeichnen  kann.    Irrig  *sind  auch  die  anf&h- 
rungszeichen   bei  dem  verse  (5519):    „Die  Reiche  der  Welt  und  ihre 
Herrlichkeiten,^   die  höchst  wahrscheinlich,  wie  die  ungenaue  Verwei- 
sung: „Matth.  4,^  von  Riemer  herrfihren.    Deutet  auch  Mephistopheles 
auf  den  Goethe  sehr  geläufigen  biblischen  ausdruck,  so  ffihrt  er  diesen 
doch  nicht  wörtlich  an,  wie  es  noch  weniger  bei  der  andern  von  Rie- 
mer nach  5482  angeführten  stelle  der  fall  ist.    Beide  Verweisungen  sel- 
ten fiberhaupt  aus  dem  text  ausgeschieden  werden ,  da  mit  demselben 
rechte  andere  dem  dichter  vorschwebende  anzuziehen  wären.  —    6703 
fordert  die  richtige  Verbindung  nach  „Ach !  die  guten  alten  Leute^  statt 
eines  kommas  ein  ausrufungszeichen ,  da  mit  v.  6704  ein  neuer  sats 


ZüB  TBXTKRITIK  VON  GÖBTHES  FAUST.   II.  465 

anhebt,  wie  das  sonst  anstössige  sie  v.  6705  zeigt.  Einmal  hat  der  setzer 
auch  hier  das  sonderbare  komma  mit  gedankenstrich,  5546,  wo  Schröer 
das  erstere  weglässt.  Nicht  weniger  auffällig  sind  Semikolon  mit  gedan- 
kenstrich  6018  und  6935 ,  wo  der  leztere  einfach  zu  streichen.  Ebenso 
verhält  es  sich  mit  5647,  wo  umgekehrt  der  gedankenstrich  dem  Semi- 
kolon vorhergeht.  Häufig  finden  wir  Zwischenräume,  die  einen  absatz 
andeuten  sollen,  aber  entweder  durch  einen  blossen  gedankenstrich  am 
Schlüsse  des  vorhergehenden  verses  zu  ersetzen  (5610.  6637.  7007) 
oder  ohne  weiteres  aufzugeben  sind  (6794.  7051.  7080.  7093.  7156, 
wo  sogar  ein  gedankenstrich  vorhergeht   7261.  7411). 

Bei  dem  auftreten  der  drei  gewaltigen  finden  wir  kurze  verse, 
von  denen  je  zwei  einen  bilden  (6554  —  6557.  6576  —  6603).  Es  ist 
gar  nicht  abzusehen,  weshalb  der  dichter  solche  verse,  von  denen  nur 
die  geraden  reimen  und  die  ungeraden  oft  eine  dem  folgenden  verse 
fehlende  silbe  zu  viel  haben ,  gewählt  haben  solte,  da  doch  6558  — 
6575.  6604  fg.  6737  —  6774,  die  zum  grösten  teil  durchaus  ähnlich 
gehalten  sind ,  vierfüssige  gereimte  trochäen  sich  finden.  Ganz  anderer 
art  sind  die  kurzen  verse  6675  —  6690,  die  der  reim  als  solche  erweist. 
Dass  die  kurzen  verse  opernhaft  gedacht  und  für  den  gesang  bestimt 
seien,  geben  wir  Schröer  nicht  zu;  die  drei  gewaltigen  können  sehr 
wol  im  Chorus  sprechen,  und  man  solte  denken,  wenn  sie  singend 
aufträten,  würden  sie  auch  6672  fgg.  mit  gesang  sich  entfernen.  Es 
scheint  fast,  als  ob  der  abschreiber  seinen  irtum  erkant  habe;  denn 
nur  so  dürfte  es  sich  erklären,  dass  am  Schlüsse  der  rede  des 
Mephistopheles  wirklich  die  längern  verse  stehen,  und  zwar  nicht  her- 
ausgerückt, sondern  in  gleicher  entfernung  vom  rande  begonnen,  wie 
die  kürzern  beginnen.  Und  von  hier  an  hören  auch  die  kurzen  verse 
auf,  obgleich  6669  —  6672  Mephistopheles  mit  den  drei  gesellen  sich 
unterhält  und  6761—6764  ausdrücklich  dem  chorus  gegeben  werden, 
wie  6554  —  6557,  d.  h.  dem  Mephistopheles  mit  den  drei  gewaltigen. 
Kam  der  irtum  vielleicht  daher,  dass  Goethe  geschrieben  hatte: 

Da  landen  wir  —  da  sind  wir  schon. 
Glück  an  dem  Herren  —  dem  Patron, 

zur  andeutung  des  wechseis  zwischen  Mephistopheles  und  den  gesellen, 
so  dass  der  erste  teil  der  verse  dem  Mephistopheles  gehörte  (vgl.  die 
ähnliche  abteilung  im  ersten  akte  beim  gemurmel  der  menge  von  145 
an),  und  der  abschreiber  nun  die  in  folge  dessen  angenommene  Ver- 
teilung auf  zwei  verse  auch  bei  6576  fgg.  anwante.  Jedenfals  ist  auch 
6761  unter  dem  chorus  Mephistopheles  mitverstanden. 

Die  Bcenarischen  bemerkungen  werden  gröstenteils  von  Riemer 
herrühren.     Goethe,  der   dieselben  auch  in  den  bei  seinen  lebzeiten 

SS1T80HB.   F.  DSUT8CHB   FHTLOLOOXa.    BD.   XY.  30 


466  dOhtzbb 

erschienenen  stücken  des  zweiten  teils  diesem  kritischen  freande  fiber- 
liess,  zweifelte  nicht,  dass  dieser,  dem  er  nebst  Eckermann  die  her- 
ausgäbe seines  nachlasses  anvertraute,  die  fehlenden  bemerkongen 
wesentlich  in  seinem  sinne  hinzufügen  werde.  Freilich  einzelne  zum 
Verständnisse  ganz  unentbehrliche  gab  er  selbst.  In  den  uns  erhaltenen 
entwürfen  finden  wir  von  Ooethes  band  scenarische  angaben  vor  6097. 
6410  (wo  wieder  fehlt).  6725  (dort  steht  eine  genauere  bestimmong). 
7341  (etwas  abweichend).  7368  (das  später  weggefallene  ^untereinan- 
der''). 7376 ;  sie  fehlen  vor  5951  und  5958.  Riemer  wird  vielfach  das 
fehlende  ergänzt  haben,  wol  nicht  überall  völlig  im  sinne  des  dichters; 
sind  ja  auch  jezt  noch  die  angaben  nicht  immer  ganz  volständig,  wie 
sich  aus  meiner  kleinen  ausgäbe  ergibt.  Wir  bemerken  hier  nur,  dass 
vor  7063  nach  „Himmlische  Heerschaar'',  das  auf  die  im  himmel  vor 
gott  sich  der  Seligkeit  freuenden  schaaren  geht  (vgl  den  prolog  im 
himmel) y  ausgelassen  ist:  „Chor  der  Engel'';  denn  diesen,  den  seelen 
verstorbener  zur  Seligkeit  gelangter  menschen ,  gehört  die  folgende  Stro- 
phe, in  welcher  die  singenden,  wie  so  häufig  in  den  chorgesängen, 
sich  selbst  anreden,  nach  Goethes  eben  angeführter  bemerkung  „unter- 
einander" sprechen. 

Gehen  wir  endlich  zu  der  Verwechslung  von  werten  und  wortfor- 
men über,  so  haben  wir  hier  manches  entweder  geradezu  als  drackfeh- 
1er  zu  bezeichnen  oder  stark  zu  beanstanden.  5620  ist  zu  schreiben 
von  Schritt  zu  (statt  für)  Schritt,  5653  hatt'  statt  hat,  5657 
War  statt  Ist,  da  immer  von  der  Vergangenheit  die  rede  ist,  5757 
Lumpe  statt  Lumpen,  das  sich  durch  Schuften  7043  nicht  halten 
lässt,  da  Goethe  an  der  Unterscheidung  von  Lumpe  und  Lumpen 
festhielt,  wogegen  eine  von  Schiller  wenigstens  redigierte  xenie  nichts 
beweisen  kann,  5849  Sorgenstunde  statt  des  seltsamen  Morgen- 
stunde, 5943  ausgeräumt  statt  aufgeräumt,  5982  ansres  statt 
unsrer,  da  der  dichter  sonst  immer  der  Phalanx  braucht,  6179 
hatt',  wie  6181,  statt  hätt\  6183  einen  statt  des  jeder  beziehnng 
entbehrenden  ihn  ('nen  würde  wol  etwas  hart  sein),  6219  will- 
kommner statt  willkommne,  6233  zischt's  statt  zischt,  vor 
6236  tritt  statt  treten  (oder  etwa  und  statt  mit),  6263  und  vor 
6264  Erzmarschall,  was  auch  handschriftlich  vorliegt,  statt  des 
ungehörigen  Erbmarschall,  6267  yäterb|urg  statt  Yaterburg  (vgL 
im  ersten  teile   2417),    6486  Dort  statt  Doch!^    6664  den  (statt 

1)  Sonderbar  ncntvon  Loeper  Dort  einen  drackfehler  der  ausgäbe  TOpIftK», 
In  meiner  von  ihm  verglichenen  kleinen  ausgäbe  und  den  in  den  ftnfi' 
von  mir  herausgegebenen  Cottaischen   habe   ich  längst  das   dorehMfe 
Dort  bergestelt 


ZUB  TBZTK&ITIK  VON  00ETHB8  FAUST.  II.  467 

dem)  Alten,  7106:  „Das  schrumpft  nicht  nur,  es  bräunt  sich,  dorrt 
(statt  sich  dort),  es  brennt,   7496  ist^s  statt  ist  es.    An  andern 
stellen  liegt  mehr  oder  weniger  gegründeter  verdacht  vor ,  der  dadurch 
verstärkt  wird;   dass  eben  die  handschrift  sehr  fehlerhaft  war.    Den 
trimeter  5927  befreit  man  von  dem  überzähligen  fusse,   wenn  man 
unterem    statt    unter   meinem    schreibt   oder,    was    wol   richtiger, 
schauend  weglässt.    5536  ist  wol  am  (statt  an)  Bollekutschen  zu 
lesen,   was  besser  zum  folgenden:   „Am  lärmigen  Hin-  und  Wieder- 
rutschen^  passt,  so  dass  Rollekutschen  substantivischer  infinitiv  ist, 
rollend  kutschen.     5694  erwartet  man,  da  vom  bestimten  strande 
die  rede  ist,  vom  grenzenlosen  (statt  von  grenzenlosem)  Strande. 
5928  ist    So  bitte  (statt  bitt'   ich),  Herr,   wenigstens  auffallend. 
5946:   „Sonst  warens  Ritter,  König,  Kaiser^  hat  von  Loeper  König* 
geschrieben;   dies  oder  Könige  wäre  freilich  nötig,   dächte  nicht  der 
dichter  sich  unbestimt  „ein  Ritter,    ein  König,    ein  Kaiser.'^     5967 
würde  geschäftig  statt  beschäftigt  einen  richtigen  reim  auf  kräf- 
tig geben,  aber  ähnliche  unreine  reime  konunen  im  „Faust^  mehrfach 
vor,  und  dem  sinne  nach  verdient  das  participium  den  Vorzug.     6102; 
„Und  jeder  schwört  (das  komma  fehlt)  das  sei  das  Sein,^  könte  man 
es   statt  des  ersten  das  vermuten.     Ob  6187   Nehm*  statt  Nimm 
beabsichtigt  sei ,  könte  man  bezweifeln ,  da  Goethe  im  „Faust''  die  ähn- 
lichen Imperativformen  nur  hat,   wo  er  dadurch    eine  silbe  für  den 
vers  gewint;  aber  zum  volkstone  passt  die  andere  form.    Nicht  bloss 
lesen  wir  im  „Götz''  in  einer  volksscene  mess,  sondern  auch  im  „Cla- 
vigo"  sagt  Sophie  in  äusserster  erregung:   „So  bleib'  und  verderb'  uns 
alle."     6330  lesen  wir :  „Dann  sei  bestimmt  vergönt  zu  üben  ungestört," 
wo  bestimmt  äusserst  auffölt.    Im  entwürfe  steht:  „Sodann  sei  euch 
auszuüben  ungestöi*t."  ^    Den  nicht  blos  metrisch  unvolständigen  vers 
muss  Goethe,   wie  schon  Sauppe  annahm,   dadurch  hergestelt  haben, 
dass  er  bestimmt  oder  vergönnt  nach  euch  einschob,   dann  aber 
zu  üben  statt  auszuüben  schrieb.    Entweder  nahm  der  abschreiber 
beide  in  den  text  auf  oder  Eckermann   fand  bestimmt  von  Goethes 
band  (beim  lesen  im  Januar  1832)  durch  das  übergeschriebene  ver- 
gönnt verbessert.    Genug,  dieser  nahm  beide   auf,   und  Schafte  dann 
den  überzähligen  fuss  weg,  indem  er  Dann  statt  Sodann  schrieb  und 
euch  strich.    Das  wäre  denn  eine  sehr  schlimme  änderung,  die  wol 
nicht  die  einzige  dieser  art,  wenn  auch  wol  die  unglücklichste,   war. 

1)  Schröer  Hess  sich  dnrch  von  Loepers  freilich  nicht  bloss  durch  einen 
dmckfehler  entgleite,  sondern  auch  sonst  unrichtige  angäbe  zu  der  bemerkung  ver- 
leiten, in  der  handschrift  stehe:  „Sodann  sei  auch  vergönnf  Sauppc,  auf  den 
sich  von  Loeper  bezieht,  gibt  s,  18  das  oben  mitgeteilte. 

30* 


Von  Looper  kat  noch  Sauppe  dos  richtige  angenommen.  6t^73  lioyl 
es  nahe  <Iua  sonderbare:  „Und  bereitet  ibu  zur  HQlJe"  durch  die  ändo- 
rung  sie  zu  verbesaern;  die  stelle  ist  ihm,  wie  es  6548  heisst,  „Uoni 
den  Augen,  Dorn  den  Sohlen."  Ob  G947  Errungne  trotz  des  glei- 
cbou  reims  Höchsterruugne  6949  richtig,  ob  nicht  KrzwungoH 
bder  Gelungne  zu  lesen,  ist  Bcbwer  zu  entscheiden. 

Wir  haben  durch  darlegung  des  znetaudes  der  taschenansgabe 
den  nacbweia  geliefert,  dass  wir  hier  auf  einem  äusserst  unsichern 
bodea  stehen,  der  text  sehr  verwahrlost,  in  sich  nicht  gleichartig  ist. 
Wenn  Biedermann  auf  die  octavausgabe  als  die  gmndlage  eines  kriti- 
schen teites  hinweist,*  so  ist  hier  damit  nichts  gewonnen.  Freilich 
wurde  die  oetavausgabe  nach  einer  von  Goethes  freunden  vorgenommenen 
durchsieht  der  tascbenausgahe  und  den  danach  mit  Goethes  genebmi- 
gung  gemachten  verbessernu gen  gedruckt,  aber  wenn  auch  hier  einiges 
berichtigt  wurde ,  ho  blieb  doch  vieles  falsche  stehen  und  oa  stellen 
sich  manche  neue  dnickfehler  ein,  so  dass  zuweilen  nicht  genau  za 
nuterscbeiden  ist,  was  beabsichtigte  Veränderung,  Eine  genauere  ein- 
sieht in  das  Verhältnis  der  beiden  ausgaben  zu  einander  gewiut  man 
aus  meiner  textrevisiou  der  „italienischen  Reise."  Schon  zum  ersten 
teila  des  „Faust"  ist  wenig  aus  der  oetavausgabe  7.a  gewinnen.  Ausser 
ein  paar  druckfehlern  (5ö.  »9.  145)  wflste  ich  nur  das  seltsame  h'raua 
188,  dunkeln  statt  dunklen  (Prol.  im  Himmel  86)  undjingeffthr 
statt  ohngefähr  (1052)  anzuführen.  Viel  schlimmer  steht  es  bei  dem 
zweiten  teile.  Biedermanus  berufung  auf  Goethes  handschrift,  die  deu 
beranagebern  bei  der  durchsieht  zugänglich  gewesen  sei,  ist  ganx  halt- 
los, ja  wenn  eine  solche  noch  wirklich  existiert  hätte,  so  wflrde  ihnen 
diese  auch  uoch  bei  der  quartausgabe  von  1836  zugänglich  gewesen 
sein;  denn  erst  später  verschloss  eich  dem  kanzler  Mililer,  und  damit 
auch  ilienier  und  Eckermann,  das  Ooetbescbe  hauaarchiv.  Aber  wir 
habeu  gesehen,  dass  Goethe  nur  eine  einzige  sehr  nachlässige  hand- 
schrift hinterlassen  hatte,  die  vou  Eckerinann  und  Kinmer  verbessert 
und  dann  zum  drucke  abgesant  wurde.  Bei  der  durchsieht  vor  dem 
drucke  der  oetavausgabe  (dass  eine  solche  bei  den  „nachgelassenen  wer- 
ken" statfand,  ist  nicht  einmal  bezeugt)  lag  ebensowenig  eine  hand- 
schrift vor,  als  man  in  zweifelhaften  ^Uen  des  dicbters  entscheidang 
einholen  koute.  Es  hat  demnach  die  oetavausgabe,  wie  alle  späten), 
nach  Biedermanns  ansdruck  nur  „conjecturellen  wert,"  keinen  authen- 
tischen. Dabei  leidet  sie  au  starken  druckfehlern,  deren  Biedermann 
gar  nicht  gedenkt.     Wir  verzeichnen  als  solche  24()0  wiederhuU' 


ZUB  TBXTKBITIK  VON  60BTHEB  FAUST.   U.  469 

statt  wiederholt,  2559  Willkommen  statt  Willkommnen,  2902 
Und  statt  Uns,  3432  Tönt  statt  Tönet,  6485  scheinet  stat  schei- 
det^ Und  was  ist  es  denn,  was  Biedermann  „namentlich^  aus  dieser 
ausgäbe  aufgenommen  haben  will.  Ausser  der  einfachen  Verbesserung 
des  Setzers  Bing  statt  Bink  (3727)  und  dem  zugesezten  apostroph 
bei  droht'  5829«  nur  5620  Schritt  zu  Schritt  und  6664  den  Al- 
ten, das  von  Loeper  und,  ihm  folgend,  Schröer  erst  der  quartausgabe 
zuschreiben.  Zu  diesen  wenigen  Verbesserungen  bedurfte  man  doch  nicht 
der  vergleichung  einer  handschriffc.  Die  quartausgabe ,  der  Biedermann 
im  gegensatze  zu  jener  bloss  „conjecturellen  wert"  zuschreibt,  bietet 
viel  bedeutendere  Verbesserungen  von  Biemers  seite,  der  sich,  wie  wir 
aus  einem  ungedruckten  briefe  Eckermanns  vom  30.  januar  1835  erse- 
hen, mit  dem  „Faust"  zum  zwecke  der  schon  damals  beabsichtigten, 
ja  geordneten  quartausgabe  eingehend  beschäftigt  hatte. 

Schröers  reaktion  beruht  auf  einer  argen  Überschätzung  des  auf 
einer  fehlerhaften,  von  Eckermann  „ausgepuzten"  handschrift  beruhen- 
den nachlässigen  ersten  druckes  von  1832.  Leider  bildet  dieser  unsere 
einzige  grundlage  des  textes  der  bei  weitem  grössern  hälfte  des  zwei- 
ten teiles ,  da  sich  sonst  nur  einzelne  entwürfe  erhalten  haben ,  die  sehr 
wenig  haltpunkte  bieten.  Die  kritik  hat  hier  ein  weites  feld ,  nur  muss 
sie  sich  ihrer  grenzen  und  des  grades  der  Wahrscheinlichkeit  ihrer  Ver- 
mutungen immer  bewusst  bleiben  und,  fem  von  jedem  leichtfertigen 
gebaren,  dem  zusammenhange  und  dem  geiste  des  dichters  stets  rech- 
nung  tragen.  Es  nimt  sich  sonderbar  aus,  wenn  Schröer,  der  sonst 
so  peinlich  in  der  widergabe  der  Überlieferung  bis  zum  ausgelassenen 
komma  und  apostroph  sein  will,  aber  keineswegs  immer  ist,  hie  und 
da  zu  den  haltlosesten  Vermutungen  greift.  Wenn  Lynceus  in  der 
„Helena"  838  fg.  von  seinen  gesammelten  schätzen  sagt : 

Das  alles  hielt  ich  fest  nnd  mein, 
Nun  aber  lose,  wird  es  dein, 

SO  zweifelt  niemand,  dass  „nun  aber  lose"  im  gegensatz  zu  fest  heisst, 
„da  es  nun  lose  geworden."  Schröer  eutstelt  den  einfach  sprechenden 
ausdruck  durch  die  ohne  weiteres  in  den  text  gesezte,  nicht  einmal 
unter  den  lesarten  als  blosse  Vermutung  erwähnte  änderung :  „Nun  aber, 
Lose,  wird  es  dein,"  mit  der  erklärung:  „Lose  ist  die  süsseste  Schelte 
für  unheilvoll  bestrickende  Lieblichkeit,"  wobei  er  an  das  mittelhoch- 
deutsche ir  loser  lieber  lip  u.  ä.  erinnert.    Das  Mittelhochdeutsche   ist 

1)  Von  Loeper  führt  auch  aus  dieser  ausgäbe  6431  punkt  nach  Kraft  an, 
aber  dieser,  nicht  komma,  findet  sich  schon  in  meinem  exemplare  der  taschenausgabe. 

2)  Das  von  Biedermann  angeführte  Fried'  5672  steht  schon  in  meinem 
exemplare  der  taschenausgabe. 


470  DüirrzsB,  zub  tbxtkbitik  von  gobthss  paust,    h. 

gar  gut,  wo  es  hingehört!  Goethe  kante  jenen  gebrauch  nicht,  und 
es  wäre  wol  unmöglich  etwas  aufzufinden,  was  für  den  torm Wächter 
Lynceus  unpassender  wäre  als  diese  „süsse  Schelte^  der  von  Faust 
soeben  als  herrin  anerkanten  Helena.  Schröer  hat  hier  lose,  so  deut- 
lich es  auch  ist ,  eben  so  wenig  gefasst ,  wie  die  fär  keinen  aufmerken- 
den eine  Schwierigkeit  bietenden  yerse  1522  fg.: 

Dort  bozeichnens  der  Cypressen  sehlanko  Wipfel,  über  Landschaft 
üferzug  und  Wellenspiegel  nach  dem  Aether  steigende, 

die  er  als  „unverständlich  und  bisher  unerklärt''  bezeichnet  Wes- 
halb liess  er  denn  das  in  beiden  drucken  stehende  konuna  nach  Wip- 
fel weg,  das  ihm  einen  fingerzeig  geboten  haben  würde,  dass  der 
dichter  sageu  wolle ,  die  wipfel  der  cypressen  in  der  ferne  deuteten  auf 
die  stelle ,  wo  das  haus  sich  befinde.  Eine  solche  erklärung  des  nicht- 
verstehens  ist  freilich  besser  als  so  arge  misverständnisse ,  die  wir 
sonst  finden ,  wie  er  z.  b.  gegen  Zusammenhang  und  spräche  der  werte 
daselbst  813:  gedörrtes  Gras  als  „wilkommene  beute''  (fQr  mich 
gedört)  erklärt  und  sich  nicht  einmal  durch  die  ganz  ähnliche  stelle 
(843)  von  dieser  misdeutung  abbringen  lässt.  Zu  den  seltsamsten  ver- 
irrungen  unseres  kritikers  gehört  die  entdeckung  (I  s.  LXII) ,  dass  die 
im  drucke  hereingerückten  zeilen  gesungen  würden.  Hätte  er  sich  eine 
ausgäbe  der  gedichte  angesehen,  so  würde  er  gefunden  haben,  dass 
das  hereinrücken  nur  sache  des  abschreibers  und  dinickers  ist,  da  die- 
ser bei  kleinern  versen  der  äussern  Symmetrie  wegen  mehr  in  der 
mitte  die  zeile  begint.  Zu  welcher  abenteuerlichkeit  diese  durch  nichts 
begründete  I  mit  wolgefallen  auch  im  zweiten  teile  durchgeführte  ent- 
deckung verleitet  hat,  wollen  wir  nicht  ausfuhren.  Dagegen  weisen 
wir  auf  die  wilkür  hin,  mit  welcher  Schröer  einzelne  stellen  gespert 
drucken  lässt  (2876.  5676),  ja  uns  einmal  6951  —  6956  durch  eigen- 
liebige anfuhrungszeichen  überrascht,  über  deren  sinn  wir  vergebens 
nach  aufklärung  suchen. 

Freilich  darin  hat  Schröer  recht,  dass  die  elision  des  i  in  den 
zuerst  1832  erschienenen  viertehalb  akten  fast  regelmässig  durchgeführt 
ist.  Aber  unmöglich  kann  dies  die  absieht  des  dichters  gewesen  sein, 
der,  wie  wir  früher  bemerkten,  keineswegs  auf  derartige  eigenheiten 
bestand ,  sondern  den  wünsch  hegte ,  dass  der  druck  sich  nach  den  zur 
zeit  gangbaren  grundsätzen  richte,  damit  von  dieser  seit-e,  was  ihm  vor 
allem  bei  dem  an  sich  der  auffassung  so  grosse  Schwierigkeiten  ent- 
gegenstellenden „Faust"  am  herzen  liegen  muste,  seinen  werken  der 
eingang  nicht  erschwert  werde  ^  insonderheit  konte  er  einer  algemein 
gangbaren  dichterischen  freiheit  nicht  entsagen,  wodurch  der  reine 
metrische  fluss  widerwärtig  gestört  werden  muate.    Wir  tun  ein  gutes 


MATTHIAS,    DIB  JAOD  IM  NIBBLÜN6ENLIBDE  471 

werk,  wenn  wir  im  einklang  mit  dem  ersten  teile  den  zweiten  von 
diesen  durch  Sorglosigkeit  des  Schreibers  mid  druckers,  auch  durch 
unbeabsichtigte  nachlässigkeit  Goethes  selbst  entstandenen  härten,  wie 
von  den  vielen  sonstigen  entstellungen  des  textes  befreien ;  diese  zu  con- 
serviren  muss  einer  historisch  kritischen  ausgäbe  überlassen  bleiben, 
dagegen  verlangen  wir  zum  genusse  und  lebendigen  Verständnisse  einen 
nach  strengen  grundsätzen  gereinigten  text,  so  weit  ein  solcher  bei 
unserer  leider  unsichern  grundlage  möglich  ist.  Deshalb  glaubten  wir 
der  reaction  gegenüber  die  wirkliche  Sachlage  möglichst  treu  darlegen 
zu  müssen.  Riemer  u.  a.  haben  zur  herstellung  des  textes  sehr  viel 
beigetragen ;  auf  ihren  spuren  müssen  wir  fortwandeln ,  nicht  das  falsche 
und  ungehörige  mit  aller  gewalt  zum  schaden  der  dichtung  hartnäckig 
halten,  wie  es  Schröer,  freilich  nichts  weniger  als  folgerichtig,  zu 
tun  versucht  hat. 

KÖLN.  HEINRICH  DÜNTZER. 


DIE  JAGD    IM    NIBELUNGENLIEDE. 

Die  folgenden  zeilen  bezwecken  eine  zusanuuenhängende  darstel- 
lung  der  jagd  zu  geben,  welche  den  hauptinhalt  des  Yül.  liedes  der 
Nibelunge  Not  ausmacht.  Die  herren  professoren  von  Fritsch,  g.  r. 
Kühn,  Suchier  und  Zacher  zu  Halle  haben  den  Verfasser  durch  nach- 
weisung  und  darbietung  litterarischer  auskunft  und  hilfsmittel  freund- 
lichst und  förderlichst  unterstüzt,  wofür  ihnen  derselbe  zu  grossem 
danke  verpflichtet  bleibt. 

Hagen  hat  seiner  von  Kriemhild  schwerbeleidigten  herrin  Brun- 
hild  versprochen  (807,  2),  sie  zu  rächen  und  den  entschluss  gefasst, 
den  Siegfried  zu  ermorden :  das!  er  sich  hat  gerüemet  der  lieben  vrowen 
mm,  dar  umbe  toil  ich  sterben,  ez  enge  im  an  daz  leben  sin  sagt  er 
810,  3.  4;  zugleich  will  er  damit  auch  einen  beiden  aus  dem  wege 
räumen,  der  der  ausbreitung  der  macht  seines  herrn  im  wege  steht 
(813,  3.  4)  und  der  einzige  ist,  welcher  in  folge  seiner  gewaltigen 
Überlegenheit  diesem  allezeit  ein  gegenständ  der  sorge  und  befurchtung 
gewesen  ist  (934).  Hagen  wird  in  seiner  handlungsweise  nur  von  einem 
einzigen  motive  bestimt,  von  der  treue  gegen  seinen  herrn  und  seine 
herrin;  darum  reflectiert  er  keinen  augenblick  darüber,  ob  sein  tun 
recht  oder  unrecht  sei ;  er  fQhlt  sich  als  Günthers  gefolgsmann  zu  unbe- 
dingter  treue   und    zu   unweigerlichem   gehorsam  verpflichtet:    dieses 


472  MATTHIAS 

Pflichtgefühl  ist  ihm  so  sehr  in  fleisch  und  blut  übergegangen,  dass 
er  so  handeln  muss,  wie  er  handelt,  als  würde  er  von  einer  natur- 
notwundigkeit  getrieben :  wer  Hagens  handlongsweise  von  diesem  Stand- 
punkte aus  beurteilt,  wird  sie  gerechtfertigt  finden  müssen  und  anstoss 
nur  etwa  daran  nehmen  können,  dass  er  Siegfried  nicht  im  offenen 
kämpfe  erlegt^  sondern  ihn  hinterrücks  ermordet. 

Er  rät  zu  einem  scheinfeldzuge  gegen  die  Sachsen,  um  von  der 
in  folge  dessen  besorgten  Eriemhild  Siegfrieds  verwundbare  stelle  zu 
erkunden ;  arglos  macht  diese  sogar  auf  Hagens  rat  (846)  diese  stelle 
kentlich  durch  ein  seidnes  kreuzchen,  das  sie  in  Siegfrieds  kriegs- 
gewand  näht  (846.  847).  Auf  die  groben  Widersprüche  in  den  aufein- 
anderfolgenden berichten  über  das  gewand  Siegfrieds  und  über  das  ein- 
genähte kreuzchen  hat  Lachmann  bereits  aufmerksam  gemacht  (kl.  sehr. 
s.  60):  Kriemhild  hat  das  kreuzchen  auf  Siegfrieds  kriegsgewand 
genäht,  in  welchem  es  Hagen  auch  betrachtet  (850,  4.  851,  1);  das 
gewand  aber,  welches  Siegfried  auf  der  jagd  trägt  und  beim  wetlauf 
anbehält  (916,  3.  947,  1)  —  und  nach  922,  2  steht  auf  diesem  das 
kreuz  —  ist  ein  besonderes  pirsch  gewand,  von  dem  gleich  im  anfange 
der  eingeschobenen  abschiedsscene  (861,  2)  und  an  der  ebenfals  ein- 
geschobenen stelle  die  rede  ist,  wo  Siegfrieds  kleidung  beschrieben 
wird  (893). 

Das  märchen  von  dem  heereszuge  hat  seinen  zweck  erfult:  zwei 
falsche  von  Hagen  dazu  abgesaute  boten  (851)  melden  den  bereits  zum 
kriegszuge  aufgebrochenen ,  dass  die  Sachsen  sich  anders  besonnen  haben 
und  frieden  halten  wollen;  Siegfried  ist  kaum  zur  heimkehr  nach 
Worms  zu  bewegen  (852);  dort  dankt  Günther,  der  vom  heereszug 
zurückgeblieben  war  (829),  für  seinen  guten  willen  (853)  und  macht 
auf  Hagens  rat  (854,  4)  den  verschlag,  im  Waskenwalde  am  nächsten 
morgen  früh  eine  jagd  zu  veranstalten  (854.  855).  Siegfried  erklärt 
sofort,  daran  teil  nehmen  zu  wollen  (856)  und  begibt  sich  zu  seinem 
weihe  (858),  nachdem  der  aufbruch  für  den  nächsten  morgen  früh  ver- 
abredet ist  (855).  Nacli  seiner  entfernung  macht  Hagen  dem  könig  von 
dem  erfolge  seiner  Unterredung  mit  Kriemhild  mitteilung  und  weiht 
ihn  in  seine  heimtückischen  plane  ein :  sctnere  hete  Hagetie  dem  hünige 
geseü  wie  er  gewimien  wolde  den  iiwcrüclien  degen  (858,  2.  3). 

Am  nächsten  morgen  erfolgt  der  aufbruch  zur  jagd.  Im  bezug 
auf  Siegfrieds  teilnähme  an  demselben  haben  wir  zwei  sich  widerspre- 
chende berichte;  der  eine  lässt  ihn  gleich  mit  den  anderen  aufbrechen 
(860,  1.  868,  3.  869,  3);  der  andere  lässt  ihn  der  jagdgeselschafl  nach- 
reiten (871,  4);  auch  die  entstehung  dieses  Widerspruches  hat  Lachmann 
in  den  anmerkungen  zu  860  —  70  erklärt 


DIB  JAOD  IM  NIBBLÜNGEIILIEDE  473 

Dass  zahlreiche,  mit  mundvorrat  beladene  rosse  (soumaere,  sou- 
mer)  bereits  vor  der  jagdgeselschaft  den  Rhein  überschritten  haben, 
geht  aus  870,  1  hervor;  da  sie  langsamer  ziehen,  als  die  berittnen 
Jäger,  werden  sie  schon  am  tage  vorher  oder  bei  nacht  aufgebrochen 
sein;  sie  bringen  brot,  wein,'  fleisch,  jedenfals  von  zahmen  tieren, 
fische  und  ander  manegen  rät*  (870,  3),  nach  dem  jagdorte;  schon 
die  mitnähme  so  reichlicher  vorrät«  lässt  auf  eine  grosse  jagd- 
geselschaft schliessen. 

Ausser  Günther,  Hagen  und  Siegfried  werden  keine  teilnehmer 
namentlich  erwähnt.  Gernot  und  Giselher  bleiben  daheim  (869,  4); 
denn  aus  808  fgg.  geht  nicht  nur  hervor ,  dass  sie  Hagens  heimtückische 
absiebten  kennen,  sondern  sie  auch  misbilligen  (vgl.  988,  3.  4.  990); 
der  umarbeiter  fragt  deshalb  in  einer  später  zugesezten  (nur  in  GIdh 
stehenden)  strophe  (858,  7.  8) :  ine  weis  durch  weihen  nit  (=  aus  wel- 
chem gründe  von  feindschaft  oder  hass)  dast  si  in  niht  en  warenden; 
und  zwei  zusatzstrophen  schon  des  textes  A  suchen  sie  auch  zu  recht- 
fertigen, 1036  und  1037,  wo  Gernot  zu  dem  scheidenden  Siegmund  sagt: 
got  weig  wöl  von  himde,  an  Stfrides  tot  gewan  ich  nie  schulde:  ich 
horte  euch  nie  gesogen  wer  im  hie  ment  wcere:  freilich  ist  die  recht- 
fertigung  sehr  ungeschickt;  denn  die  lezten  werte  lassen  den  Gernot 
(nach  808  fgg.)  eine  offenbare  Ifige  sagen :  Zarncke  (Beitr.  z.  Erkl.  u. 
Gesch.  des  NL.  s.  160)  sucht  die  Unschicklichkeit  zu  beseitigen,  indem 
er  erklärt,  „Wir  müssen  unter  ment  nicht  einen  bloss  grollenden ,  son- 
dern einen  bestimte  feindliche  absiebten  hegenden  und  auszuführen  vor- 
habenden verstehen,  und  solche  absiebten  durfte  Gemot  durch  des 
königs  wort  (811)  als  zurückgewiesen  annehmen."  Doch  tut  diese 
erklärung  dem  werte  vient  gewalt  an ;  ausserdem  kann  nach  808  fgg. 
Gernot  doch  nicht  in  abrede  stellen,  dass  er  von  feindlichen,  Siegfrieds 
leben  gefährdenden  absiebten  gehört  hat,  selbst  wenn  er  meinte, 
durch  Günthers  machtwort  wären  sie  in  der  tat  zurückgewiesen  worden. 

Das  Jagdrevier  ist  auf  der  rechten  Rheinseite  zu  suchen;  861,  3 
wird  berichtet,  Siegfried  und  die  gesellen:  wolden  uher  Bin,  und  dem 
entsprechend  870,  1 :  geladen  vil  der  rosse  kom  vor  in  über  Bin,  Im 
VII.  liede  aber  hatte  Günther  den  Siegfried  eingeladen  (854,  3)  zu 
einer  waldreise  (873,  4):  hin  ze  dem  Waskenwalde;  „durch  die  Ver- 
einigung des  YII.  und  YIII.  liedes  ist  der  vielbesprochene  anstoss  ent- 

1)  Lachm.  anm.:  die  erwähnung  des  weines  charakterisiert  die  strophe  als 
späteren  znsatz;  denn  gerade  sein  fehlen  wird  die  Veranlassung  zu  dem  wetlaof 
nach  dem  bronnen  (906). 

2)  Siehe  nnten  s.  476. 


474  MATTHIAS 

standen,    dass   der  Rhein   zwischen  Worms   und  die  Yogesen  komt."^ 
(Lachm.  anm.  z.  lied  VIII). 

Die  Jäger  reiten  in  einen  tiefen  wcdd  (869,  1) ,  entfernen  sich 
also  ziemlich  weit  von  dem  Rheine;  sonst  könte  auch  Siegfried,  als 
er  den  wein  vermisst,  nicht  wünschen,  man  solte  sie  näher  an  den 
Rhein  gesiedelt  haben  (909,  4).  Die  abwesenheit  von  Worms  ist  anf 
mehrere  tage  berechnet,  wie  daraus  hervorgeht,  dass  SiegMed  beim 
abschiede  die  weinende,  durch  träume  beunruhigte  Eriemhild  tr(ystet 
(866,  1):  ich  hume  in  hur  Ben  tagen,  d.  h.  binnen  wenigen  tagen  zurück. 
Wie  weit  der  weg  bis  zum  jagdgrund  gewesen  sei,  wird  nicht  gesagt; 
nach  der  Schilderung  des  YIII.  liedes  muss  man  annehmen,  dass  der 
aufbruch  der  Jäger  von  Worms ,  die  jagd  und  die  ermordung  Siegfrieds 
an  einem  und  demselben  tage  statgefunden  habe  und  die  heimffihrung 
des  toten  in  der  darauf  folgenden  nacht 

Der  wald  ist  ein  flehten-  oder  tannenwald  {der  tan,  z.  b.  875,  3. 
883,  3.  887,  1),  und  zwar  ein  bergwald,  berg  und  tal  wechseln  mit 
einander  ab:  von  liuten  und  von  hunden  der  schal  tvas  so  groBj  dae  in 
da  von  atUumrte  der  berc  tmd  ouch  der  tan  883,  2.  3.  Im  walde  sind 
zahlreiche  lichtungen,  waldwiesen;  häufig  entspringt  hier  eine  quelle; 
auf  einer  der  lichtungen,  und  zwar  auf  einer  am  waldsaume  gelegenen, 
macht  die  jagdgeselschaft  halt:  si  hieben  herbergen  für  den  grüenen 
walt  üf  einen  wert  vil  breit  (871,  1.  3):  wert  bedeutet  „insula  mediam- 
nis,^  (in  einem  vocabularius  rerum  aus  dem  15.jahrh.  beiMone,  anz.  8, 
249^),  auch  halbinsel,  die  in  den  fluss  hineinragt ;  überhaupt  aber  erhöhtes 
land  im  oder  am  wasser,  daher  auch  uferland,  (vgl.  den  wert  Wm- 
pensant,  Oudr.  809,  4  und  dazu  Grimm,  in  Haupts  ztschr.  2,4;  ahd. 
waridf  werid ,  insula,  Gf.  1,  931;  i^.  varud,  varod,  vearod,  litus, 
Orein  2,  641  und  Schmeller- Frommann,  bayer.  wörterb.  2,  988.  Grimm 
z.  Andreas  197).  Dass  an  eine  insel,  oder  gar  an  eine  Rheininsel 
nicht  zu  denken  ist ,  hat  Lachmann  schon  bemerkt  (kl.  sehr.  s.  77) ; 
das  mhd.  wb.  (III,  596  a)  erklärt:  man  hätte  die  herberge  zwischen 
fluss  und  wald  aufgeschlagen;  von  einem  fluss e  ist  aber  nirgend  die 
rede;  der  wert  kann  auch  nicht  an  einem  flusse  gelegen  haben ,  sonst 
wäre  die  schon  erwähnte  bemerkung  Siegfrieds  grundlos:  da  der  wein 
vergessen  worden  ist,  do  sold  man  uns  gesideU  haben  näher  an  den 
BXn  909,  4;  es  ist  anzunehmen,  dass  sich  die  lichtung  als  geschüzter, 
trockner  platz  etwas  über  den  feuchten,  sumpfigen  wsJdboden  erhoben 
habe;  feucht  und  sumpfig  aber  konte  dieser  sein  durch  den  abfluss  der 
nicht  weit  von  der  herberge  entspringenden  quelle,^  an  welcher  Sieg- 
fried erschlagen  ward;   deren  abfluss  bildet  einen  bach,   der  an  der 

1)  910,  2  sagt  Hagen:  ich  weis  hie  vü  nähen  einen  brunnen  kaU, 


DIB  JAOD   IM  lOBBLüNOENUBDE  475 

herberge  yorbeigeflossen  zu  sein  scheint ;  dessen  wasser  war  znm  kochen 
vielleicht  gut  genug,  aber  trinken  weiten  die  beiden  unmittelbar  aus 
der  klaren  quelle.  Diese,  von  einer  breitästigen  linde  überschattet 
(918,  3),  entsprang  am  rande  des  angers  (so  heisst  der  wert  904,  3), 
wo  derselbe  von  bergen  begrenzt  wurde  {er  wolde  für  die  berge  tsuo 
dem  brunnen  gän  911,  3);  der  wiesenplan  ist  sehr  ausgedehnt  (871,  3 
1^  breit);  die  baumfreie  strecke  von  der  quelle  bis  zur  herberge  wird 
also  wol  ziemlich  gross  gewesen  sein ,  sonst  hätte  ja  auch  Hagens  ver- 
schlag, dieselbe  im  wetlauf  zurückzulegen,  keinen  sinn  gehabt;  der 
ganze  anger  war  mit  blumen,  gras  und  klee  bewachsen  (gras  bei  der 
herberge:  915,  3;  klee  beim  wetlauf  erwähnt  917,  3;  bluomen  am 
brunnen  929,  1.    939,  1). 

Hier  also  heissen  Günther  und  Hagen  die  dienerschaft ,  welche 
den  jagdzug  begleitet,  für  die  jäger  eine  herberge  bereiten  (871):  diu 
herberge,  ahd.  heriberga,  ist  jede  einrichtung,  in  der  eine  schar,  heri, 
oder  ein  einzelner  (hari  in  der  alten  ursprünglichen  bedeutung)  ber- 
gung  findet;  da  man  sich  mehrere  tage  im  walde  aufhalten  weite, 
hatte  man  vielleicht  zelte  mitgebracht  (vgl.  altfranz.  les  herbergeSj 
zelte;  Diez,  etym.  wörterb.  d.  rom.  spr.  3.  a.  1,  13),  damit  die  ritter 
nicht  unter  freiem  himmel  zu  übernachten  brauchten ,  oder  man  errich- 
tete Jagdhütten.  Im  Meleranz,  wo  eine  ganz  ähnliche  Situation  geschil- 
dert wird,  ist  ersteres  der  fall;  freilich  nehmen  hier  frauen  an  der 
jagd  teil ;  es  heisst  dort  2042  fgg.  (Bartsch) : 

der  hirz  der  flöch  (üleß  vor 

vü  rehte  gegen  der  fitoerstat 

da  Artus  im  bereiten  bat 

den  imbU,  der  werde  man. 

vor  dem  walde  üf  dem  plan 

was  sin  kuchen  üf  geslagen. 

mit  im  was  geriten  jagen 

diu  küngin  mit  manger  frouwen. 

euch  möhte  man  da  schouwen 

vü  manec  gezelt  wol  getan 

geslagen  üf  den  grüenen  plan. 

Artus 

het  sich  für  den  grüenen  walt  gdeU  .  .  . 

vor  einer  schoenen  ouwen^ 

lägen  si  durch  kurgunle. 

1)  Die  angefahrte  stelle  kann  mit  unserer  auch  noch  deshalb  yerglichen 
werden,  weil  die  zur  bezeichnnng  der  localit&t  gewählten  werte  ihrer  bedeutang 
und  ihrem  gebrauch  nach  einander  entsprechen :  plan  =>  anger,  auwe  »  toert. 


476  MATTHIAS 

Zelte  werden  hier  zwar  nicht  ausdrücklich  erwähnt,  aber  als  herberge 
fürstlicher  jagdgenossen  müssen  angemessene  zelte  oder  Jagdhütten  doch 
notwendig  vorausgesezt  werden:  dies  wird  gemeint  sein  870,  3  unter 
dem  ander  nrnnigen  rät,  der  von  hause  mitgenommen  wird,  d.  h.  ander- 
weite dinge,  deren  die  jagdgenossen  bedurften.  Eine  käche  wird  an 
unserer  stelle  auch  aufgeschlagen,  daher  der  ganze  platz,  ebenso  wie 
im  Meleranz,  diu  viwerstat  heisst  (884,  4.   885,  2). 

Als  Siegfried  sich  am  morgen  des  jagdtages  von  Eriemhild  ver- 
abschiedete, war  gesagt  worden:  do  was  nu  üf  gesoumet  sin  edel 
pirsgewant  und  auch  der  gesellen  (861,  2.  3);  da  man  keinen  grund 
sieht,  warum  die  jagdkleidung  von  den  Jägern  nicht  gleich  zu  hause 
angezogen  wird,  hat  man  hier  unter  pirsgewant  die  jagdausrüstung 
zu  verstehen,  die  893,  1  pirsgewaete  genant  wird:  denn  gewant  und 
gewaete  werden,  wie  sich  durch  zahlreiche  beispiele  erweisen  lägst, 
trotz  ihrer  verschiedenen  abstammung ,  ohne  unterschied  in  drei  bedeu- 
tungen  gebraucht:  1)  kleidung  allein,  oft  im  gegensatz  zur  bewafnung; 
2)  alles  was  man  auf  dem  leibe  trägt,  schmuck  und  bewafnung  ein- 
gerechnet; 3)  rüstung,  bewafnung  im  gegensatz  zur  kleidung.  916 
erbietet  sich  Siegfried ,  während  Günther  und  Hagen  nur  mit  dem  hemd 
bekleidet  sind,  beim  wetlauf  alles  gewaete  bei  sich  zu  tragen,  d.  h. 
seine  ganze  jagdausrüstung,  deren  stücke  er  selber  aufzählt:  den  ger, 
den  schilt,  das  pirsgewant,  d.  h.  den  jagdrock,  auf  den  das  kreuzcheu 
genäht  war,  den  kodier  mit  den  pfeilen,  das  swert.  Alles  dies  vnrd 
den  lasttieren  aufgeladen,  weil  es  den  Jägern  auf  dem  langen  wege 
von  Worms  bis  zum  jagdplatze  lästig  geworden  sein  würde.  ^  Dass  jeder 
jezt  vor  beginn  der  jagd  seine  waffen  an  sich  genommen  habe,  wird 
nicht  ausdrücklich  gesagt;  geschildert  wird  die  jagdkleidung  und  aus- 
rüstung  nur  an  Siegfried;^  doch  ist  anzunehmen,  dass  die  der  übrigen 
ritter  ähnlich  gewesen  sei.  Dass  die  Jäger  beritten  sind,  erfordert,  wie 
wir  gleich  sehen  werden,  schon  die  art  und  weise  der  jagd.  Da  eine 
jagd  auf  hochwild  (859,  3.  4. :  si  woldeti  jagen  swin  heren  unde  wisende) 
beabsichtigt ,  also  auf  geßlhrliche  abenteuer  zu  rechnen  ist  (vgl.  878  fgg. 
880  fgg.)  hat  man  sich  mit  w äffen  gut  vorgesehen. 


1)  Sonst  stehen  dafnr  zwei  ausdrücke:  tcäfen  nnd  gewant,  wodurch  die  gesam- 
ten wafTenstücke  von  den  kleidungsstücken ,  welche  über  oder  anter  denselben  bei 
der  jagdausrüstung  zum  kämpf  oder  zur  jagd  getragen  wurden,  unterschieden  wer- 
den (San  Marte,  waffenkunde  s.  2);  so  68,  4:  die  helde  in  hiezen  säumen  beide 
wäfen  und  gewant. 

2)  893  fgg.  über  die  unpassende  Stellung  dieser  schildemng  hat  sich  schoii 
Lachmann  ausgesprochen,  anm.  zu  892. 


BIB  JAOD  Uf  NIBBLUNQBHLIBDB  477 

Siegfried  hing  ein  eier  wäfen  nider  üf  dein  sporn;  ^  toäfen  wiid 
in  engerem  sinne  auch  für  angriffswaffen ,  insbesondere  zur  bezeichnung 
des  Schwertes  gebraucht  (San  Marte  2  fg.);  hier  ist  Siegfrieds  gutes 
Schwert  BcUmunc,  das  alles  zerschneidende,  darunter  zu  verstehen: 
daß  was  also  scherphe ,  dajs  ez  nie  vermeit ,  swä  mane  slaoc  üf  helme : 
sin  ehe  wären  gt4ot  (896,  2.  3);  diu  eke  ist  die  schneide,  der  pluraP 
steht,  weil  das  schwert  zweischneidig  ist.  „Obenan  (unter  den  waffen) 
steht  das  schwert,  dem  der  held  gleich  seinem  rosse  und  schiffe  namen 
beilegt ,  und  man  könte  glauben ,  dass  er  es  sich  in  gewissen  föUen  als 
eine  lebendige  schlänge  dachte  >  die  aus  der  scheide  fährt  und  seineu 
gegner  zu  verwunden  trachtet  . . . ;  gleich  den  männlichen  rossen  haben 
sie  in  starker  declination  den  acc.  sing,  belebter  wesen  (wie  Balmungen, 
206,  3.  im  Bit.  Mtmingen,  Nagelringen  usw.).^^  Siegfried  hat  das 
Schwert  von  Schilbung  und  Niblung  erworben  (94),  nach  Siegfrieds 
ermordung  hat  es  Hagen  an  sich  genonmien  (1736,  4.  2242  u.  ö.);  es 
begleitet  ihn,  nachdem  ihn  Dietrich  überwunden  hat,  ins  geföngnis; 
Eriemhild  zieht  es  aus  der  scheide  und  schlägt  damit  dem  gefesselten 
das  haupt  ab  (2310).^  Den  knauf  desselben  bildet  ein  edelstein :  1721, 
2.  3:  Ü0  des^  knophe  schein  —  ein  vü  lichter  jaspis  grüener  danne  ein 
gras.  Warum  gerade  dieser  stein  gewählt  ist  erhelt  aus  Marbodus, 
lib.  lapidum  ed.  Beckmann,^  wo  erzählt  wird,  dass  der  jaspis  angenehm 
und  mächtig  macht  und  die  bösen  geister  vertreibt.  Das  gehilze,  der 
schwertgriff,  war  von  gold,  die  scheide  von  leder  oder  holz  und  mit 
roter  borte  überzogen  (2310.    1722,  2.  3). 

1)  Von  der  beschaffenheit  der  sporen  wird  nichts  gesagt;  sie  waren  sonst 
aus  edlem  metall,  oft  von  gold;  da  das  schwert  an  der  linken  hüfbe  getragen  wurde 
und  bis  zum  sporn  des  reiters  reichte,  kann  man  sich  eine  ungefähre  Vorstellung 
von  seiner  länge  machen  (San  Marte,  132  fg.). 

2)  Vgl.  1472,  4:  ze  beiden  ecken. 

3)  Grimm,  Gramm.  UI,  440.  441.    Vgl.  San  Marte  441  fgg. 

4)  In  der  Raven naschlacht  (683)  reicht  es  Siegfried ,  um  sein  leben  zu  erhal- 
ten ,  dem  Berner :  s.  W.  Grimm ,  helds. '  s.  212  fg. ;  derselbe  vermutet  (einL  zum 
Boseng.  y  fg.),  Balmnng  sei  vielleicht  eins  von  12  durch  drei  clfen  (Wieland  und 
seine  brüdor)  geschmiedeten  und  unter  die  beiden  der  sage  verteilten  Schwertern. 

5)  Götting.  1799,  s.  19,  v.  95:  optimus  est  viridi  translucentique  colore  — 
V.  100  fg.  nam  consecratus  gratum  facit  atque  potentem  et,  sicut  perhibent,  phan- 
tasmata  noxia  pellit.  Im  Plin.  (XXXVII,  IX,  118)  steht  nur:  totus  oriens  pro 
amuleto  gestare  eas  traditor.  Mit  dem  Marbod  stimmen  noch  andere  steinbücher 
überein:  Arnold.  Saxo  de  lapidibns  (ztschr.  f.  d.  a.  n.  folge  VI,  437):  optimus  est, 
qui  viridis  coloris  est  et  transluoentis  . . .  reddit  gratum  et  potentem  et  facit  tntum 
et  pellit  fantasmata ;  vgl.  le  lapidaire  du  XIV  si^le  par  Is.  del  Sotto  p.  49 :  il 
donne  silret^  et  accrott  honneur  et  valeur;  p.  79:  et  fait  Thomme  aimable  et  puis- 
sant.  Volmar,  altdeutsch,  steinbuch  262  fg.:  der  aber  grüene  ist  garwe,  der  ist  der 
beste  under  in.    Vgl.  Diemer ,  deutsche  gedichte  364^  11  fgg.  u.  anm. 


478  lUTTBIAS 

Ferner  f&hrt  er  einen  bogen,  der  so  stark  ist,  dass  ein  anderer 
als  er  selbst  ihn  nnr  mit  antwerhe  zu  spannen  vermochte  (894):  diese 
art  und  weise ,  die  Überlegenheit  des  beiden  über  seine  genossen  anschau- 
lich zn  machen ,  ist  echt  episch :  wir  werden  unwilkürlich  an  den  bogen 
des  Odyssens  erinnert,  den  die  freier  zu  spannen  nicht  im  stände 
waren. ^  daz  antwerc  (zu  entwürJcen  =  zerstören),  ursprünglich  eine 
kriegsmaschine  zur  Zerstörung  von  mauerwerk  usw.,  bedeutet  sodann 
eine  maschine  überhaupt,  speciell  eine  Vorrichtung  zum  spannen  der 
armbrust;  wenn  der  bügel  derselben  zu  stark  war,  als  dass  die  sehne 
mit  der  band  bis  hinter  den  haft  gezogen  werden  konte,  bediente  man 
sich  dazu  des  antwerks,  entweder  eines  einfachen,  starken  hebeis,  wie 
ihn  die  knaben  zum  spannen  der  armbrust  noch  jezt  gebrauchen,  oder 
einer  winde;  an  unserer  stelle  ist  nun  nicht  von  einer  armbrust  (wie 
im  mhd.  wb.  I,  167  a  und  San  Marte  182,  offenbar  mit  rücksicht  auf 
antwerc,  vermutet  wird),  sondern  von  einem  bogen  die  rede;  zu  des- 
sen Spannung  diente  natürlich  jene  maschine  nicht;  denn  man  kann 
mit  dem  bogen  doch  nur  schiessen ,  wenn  man  mit  der  band  die  sehne 
an  sich  zieht  und  sie  wider  aus  derselben  schnellen  lässt ;  *  hier  sollen 
die  werte:  den  man  mit  antwerhe  muose  ziehen  dan^  nur  bedeuten, 
die  schnür  oder  der  sträng,  wie  die  sehne  heisst,  war  in  folge  der 
stärke  des  bogens  so  straff  gespant,  dass  niemand  ausser  Siegfried  sie 
aus  dieser  Stellung  zu  bringen  vermochte,  es  sei  denn,  dass  er  jene 
maschine  zu  hilfe  genommen  hätte. 

Der  koch  er  ist  mit  pantherfeil  überzogen  (894,  1.  2),  durch  die 
süeee,  d.  i.  um  seines  süssen  geruches  willen.  Zu  welchem  zwecke  der 
dichter  ein  jagdgerät,  wie  den  köcher,  mit  einem  Überzug  von  süss- 
riechendem  pantherfeil  versah ,  erhelt  aus  dem  Physiologus ,'  wo  erzählt 
wird  f  dass  den  tieren  se  dem  stwzsem  smi^^he  gach  ist,  der  zu  gewissen 
Zeiten  vom  panther  ausgeht;  auch  das  abgezogene  feil  bewahrte  diese 
eigenschaft,  und  es  war  wol  des  dichters,  wenn  auch  sehr  seltsame 
meinung,  als  er  seinen  beiden  mit  einem  solchen  köcher  ausstattete, 
dass  dieser  auf  der  jagd  davon  vorteil  haben  solte,  indem  der  geruch 
das  wild  in  seine  nähe  lockte.  Im  Lanzelet  (8726  Hahn)  ist  ein  köcher 
wol  besagen;  im  Herzog  Ernst  (ed.  Bartsch  3020,  vgl.  Alwin  Schultz, 

1)  VgL  was  Ton  Aligem,  konig  Totilas  bruder,  gerühmt  wird  b.  San  ICarte 
8.  179. 

2)  Vgl.  die  ähnlicbe  betrachhuig  bei  Gahl  n.  Koner,  Leben  der  Griechen  nnd 
Römer«  s.  760. 

3)  T.  Kangan,  dentscbe  sprachdenkmaler  des  12.  jh.  s.  76;  Hol&nann,  fand- 
graben  1,  18.  23;    TgL  Konr.  t.  Wünb.  gold.  achmiede  ed.  W.  Qrimm,  i.  XL Y. 

Lllg.  Lia 


DIB  JAQB  IM  NIBtLUNQBRLIEDB  479 

das  höf.  leben  2,  172)  ist  er  von  elfenbein,  ai  umbe  an  den  orten 
gevazt  mit  gurten  horten  (an  allen  ecken  mit  borten  besezt),  mit  pf el- 
ler underzogen  (inwendig  mit  seidenzeng  gefuttert).  Ob  man  sich  auch 
hier  die  borten  auswendig  über  das  pantherfell  gesezt  zu  denken,  oder 
ob  man  unter  borten  das  band  zu  verstehen  hat,  an  welchem  der 
köcher  getragen  zu  werden  pflegte,^  ist  nicht  klar;  borten,  die  als  ein- 
fassung  (das  ist  auch  die  ursprüngliche  bedeutung  des  wortes)  oder  als 
besatz ,  als  gürtel  oder  harband  der  frauen ,  als  schildfessel ,  endlich  als 
hundeseil  oder  bauch-  und  steigriemen  der  pferde  dienten,  waren  oft 
aus  seide  und  goldföden  gewirkt 

Der  kocher  (897,  2)  oder  kochaere  (893,  4)  —  beides  ist  aus  dem 
ahd.  chohhar  entstanden,  s.  Grimm,  Gr.*I,  670  —  ist  giMter  sträle 
vol  (897,  2);  diu  sträle  ist  das  deutsche  wort  für  das  fremde  der  pfil 
(aus  lat.  pilum);  mhd.  ist  das  swm.  der  sträle  selten,  gewöhnlich 
erscheint  das  wort  als  fem.,  und  zwar  in  der  form  sträl  als  stf.,  am 
häufigsten  in  der  form  sträle  als  stf.,  zuweilen  auch  als  swf.  Im  Nib. 
komt  das  wort  nur  zweimal  vor,  879,  2  (AB  stf.,  CDSd  swf.)  und 
897,  2  (AB  stf.  CLd  swf.);  diese  Seltenheit  ist  leicht  erklärlich,  denn 
pfeil  und  bogen  sind  keine  ritterliche  wehr,  und  werden  von  den  her- 
ren  nur  zur  jagd  oder  zur  waffenübung  gebraucht  (s.  San  Marte  181); 
die  nhd.  bedeutung  (=  der  strahl)  wird  erst  im  17.  jh.  üblich. 

Die  beinahe  handbreite  eiserne  pfeilspitze  sizt  an  einer  goldenen 
röhre,  mittels  welcher  sie  auf  das  schaftende  aufgesezt  wird;  die  spitze 
wird  897,  3  ungewöhnlich  dae  sahs  genant  (plur.  diu  sdhs) ;  denn  sonst 
wird  das  wort  gebraucht  in  der  bedeutung:  langes  messer,  kurzes 
schwort,  wie  es  vornehmlich  die  Sachsen  trugen,  denen  es  auch  den 
namen  gab  (s.  San  Marte,  128);  dasselbe  hat  sonst  wenig  ähnlichkeit 
mit  der  pfeilspitze ;  denn  es  ist  einschneidig  und  hat  einen  starken 
rücken  (San  Marte  a.  a.  o.),  während  jene  blattförmig  und  zweischnei- 
dig ist:  die  beiden  gemeinsame  eigenschaft  des  „scharfen''  und  „schnei- 
denden'' führte  wol  zur  Übertragung  des  namens;  denn  das  ist  die 
ursprüngliche  bedeutung  des  wortes,  das  zu  der  wurzel  *ska  gehört 
(vgl  Curtius,  gr.  etym.*  45^;  Fick,  vgl.  wb.  d.  indg.  spr.'  3,  315). 

Die  röhre,  durch  welche  die  pfeilspitze  auf  dem  schaftende  sizt, 
heisst  (897,  3):  dag  tülle  (stn.,  nicht  stf.,  wie  Bartsch  im  glossare 
s.  313  angibt),  welches  wort  sonst  gebraucht  wird  in  der  bedeutung: 
bretter-  oder  palissadenzaun ,   kragen;   noch  jezt  nent  man  tülle  den 

1)  Auf  einem  der  bilder  zum  franz.  Parcival  (s.  San  Marte,  anhang,  tab.  II) 
hängt  der  köcher  dem  za  pferde  sitzenden  knaben  Parc.  von  der  rechten  hüfte 
herab;  an  derselben  steUe  wird  er  von  dem  bei  A.  Schultz,  II,  173  abgebildeten 
armbrustschützen  getragen. 


480  MAfraiAS 

ring  am  lenchter,  durch  den  man  das  licht  herauf-  oder  henuter- 
sdiiebt,  uod  die  feststehende  röhre,  die  in  der  lateme  das  licht  hält; 
die  sträle  sind  von  gtddinen  täUen:  das  wm  ist  eine  brcTiloquenz  und 
bezeichnet  das  ?ersehensein  mit  einem  Stoffe,  aus  dem  der  betreffende 
teil  gemacht  ist;  „die  scharfen  pfeilspitzen ,  die  von  goldenen  t&llen 
ausgiengen ,  in  welche  sie  geschäftet  waren ,  vgl.  Biterolf  7Q89 ,  hatten 
beinahe  die  breite  einer  hand^  (Laclim.  kL  sehr.  1,  245). 

Die  lezte,  zugleich  auch  furchtbarste  waffe  i^t  der  jagdspiess: 
fUn  g^  ^  was  vil  michd  starc  unde  breä  (892 ,  2).  Von  ihm  ist  schon 
früher  die  rede  gewesen :  als  Siegfried  selbe  zwelfter  von  Xanten  nach 
Worms  zieht,  wird  von  seinen  begleitern  gesagt,  sie  hätten  scharfe 
gere  mit  sich  geführt:  Sifrit  der  fuorie  ir  einen  wcl  zweier  spannen 
breü,  der  ze  sinen  ecken  vil  harte  vreislichen  sneit  (74,  3.  4).  Zwei 
spannen  breit  ist  naturlich  die  eiserne  gerspitze,  die  gerade  so,  wie 
die  Pfeilspitze,  durch  eine  tülle  auf  dem  schafte  befestigt  war  (San 
Harte  168  fg.);  sie  heisst  431,  1  des  geres  snide\  es  ist  an  dieser  stelle 
von  Brunhilds  ger  die  rede,  derselbe  hat  indessen  viel  ähnlichkeit  mit 
Siegfrieds  jagdspiess:  seine  spitze  ist  ebenso  ungewöhnlich  gross,  wie 
dieses:  vierdehalp  messe  (ein  unbekantes  gewicht)  was  dar  zuo  geda- 
gen  (419,  2);  es  tragen  ihn  kaum  drei  männer  herbei  (419,  3);  denn 
er  ist,  wie  Siegfrieds  waffe  (892,  2),  swaere  unde  groz,  starc  und 
ungefOege,  michd  unde  breü,  der  ze  sinen  ecken  vU  f reislichen  sneit 
(418).  Auf  die  jagd  wurde  diese  schwere  waffe  mitgenommen  zur  erle- 
gung  der  grossen  tiere ,  der  wisente ,  ure ,  eiche  und  eher ,  während  die 
hier  nicht  erwähnten  gdbilotey  die  leichten  jagdspiesse,  fdr  kleineres 
wild  dienten.  Siegfried  macht  indes  von  dem  ger  Überhaupt  keinen 
gebrauch:  kein  anderes,  als  das  edelste  opfer  der  jagd,'  Siegfried  selbst, 
solte  durch  ihn  erlegt  werden. 

Auch  die  Schilde,  deren  zwei  erwähnt  werden ,  waren  wol  nicht 
dazu  bestirnt,  bei  der  jagd  unmittelbar  Verwendung  zu  finden;  viel- 
mehr dienten  sie  zur  vervolständigung  der  ritterlichen  ausrüstung,  mit 
der  mau  sich  versah,  weil  man  sich  doch  ziemlich  weit  von  Worms 
und  auf  mehrere  tage  entfernte  und  auf  kämpfe  mit  feinden  oder  räu- 
bern, bei  der  Unsicherheit  der  damaligen  Verhältnisse,^  immer  zu  rech- 
nen war.  Dass  dergleichen  begegnisse  nichts  ungewöhnliches  waren, 
geht  auch  daraus  hervor,  dass  nach  Siegfrieds  ermordung  Günther  und 

1)  Gaesum,  gr.  yaiaoq  {yttiaog,  yaraov);  gallisch  -  lateinisch  gaesum,  lat. 
rem.  vgl.  Bickell  in  Kahns  ztschr.  12,  438  fgg.  15,  80.    Grimm,  Gr.  l*,  91. 

2)  Ein  tier  daz  8%  da  shiogen  943,  3. 

3)  S.  Alwin  Schultz,  I,  275.  396. 


DIB  JAGD  IM  NIBBLÜNGENLIKDB  481 

seine  begleiter,  wie  sie  es  vorher  verabredet  hatten  (941) ,  behaupten, 
er  sei  von  räubern  erschlagen  worden  (986) ;  das  konten  sie  doch  nicht 
tun,  wenn  sie  nicht  hoffen  durften,  mit  dieser  aussage  einigermassen 
glauben  zu  finden.  Eonte  der  schild  Siegfrieden  gegen  Hagens  heim- 
tücke  nun  auch  nicht  schützen,  so  war  er  dem  totwunden  doch  die 
einzige  waffe,  mit  dem  er  sich  an  dem  fliehenden  mörder  rächen  konte: 
er  schlägt  damit  auf  Hagen  so  gewaltig  los,  dass  die  edelsteine,  mit 
denen  'die  aussenseite  besezt  war,  herausbrechen  und  der  ganze  schild 
schliesslich  zerberstet;  das  gesteil  desselben  war  nämlich  von  holz,  der 
äussere  rand  bekam  halt  und  festigkeit  durch  einen  beschlag  von  eisen 
oder  edlerem  metall  (940,  2:  der  was  von  gölde  rot)^  von  welchem 
nach  der  mitte,  dem  buckel,  spangen  von  gleicher  beschaffenheit  lie- 
fen ;  auf  dem  rande  und  auf  den  spangen ,  sowie  in  der  mitte  des  buckels 
Sassen  oft  zur  zierde  edelsteine  (vgl.  414  —  16);  nach  den  beiden  haupt- 
bestandteilen  des  Schildes ^  dem  buckel  und  dem  rande,  benante  man 
auch  häufig  das  ganze  (s.  San  Marte  83  fgg.).  Der  zweite  schild ,  der 
erwähnt  wird ,  hat  goldne  oder  vergoldete  beschläge  (940,  2)  und  dient 
als  bahre ,  auf  welcher  Siegfrieds  leiche  nach  Worms  geschaft  wird. 

Sein  Jagdhorn  ist,  wie  das  des  königs  Marke  (Tristan  3736) 
von  rotem  golde  (892,  4);  Meleranz  hat  eins  von  silber  (5845);  sonst 
sind  die  hörner  aus  geringerem  Stoffe:  1924,  2  und  Bosengarten  1823 
wird  der  ruf  eines  beiden  dem  tone  eines  wisenthornes  verglichen, 
wegen  des  rauhen,  durchdringenden  tones  eines  solchen;  dass  es  auch 
hörner  von  elfenbein  gab,  beweist  Rolands  Olifant."* 

Weniger  deutlich  sind  die  Vorstellungen,  die  die  angaben  des 
dichters  von  der  k leidung  Siegfrieds  zu  machen  gestatten. 

Sein  rock  war:  swarz  phellin  (893,  2);  phdldin,  phdlerin, 
phellin  sind  formen  des  adjectivums  zu  dem  masc.  phellel,  pheUer, 
phelle,  welches  ein  kostbares  seidenzeug  bezeichnet;  phelle  ist  hLt.paU 
Itum,  sodann  der  stoff,  aus.  dem  das  kleidungsstück  besteht.^ 

Völlig  unklar  ist  die  angäbe  in  str.  895:  w»  einer  ludmes  Mute 
was  allez  sin  gewavU,  von  hotibet  um  anz  ende  geströut  man  drüfe 
vant.  Zunächst  wissen  wir  nicht,  was  eine  ludmes  hüt  ist.  Es  ist 
von  vornherein  anzunehmen,  dass  ludern  ein  wesen  ist,  dessen  haut 
ähnliche  wunderbare  eigenschaften  besizt,  wie  die  pantherhaut  und  der 
Jaspis.    Bartsch  im  glossar  vermutet:  vielleicht  fischotter,  luter,  lutra, 

1)  S.  Alw.  Schultz,  I,  435;  Heyne,  im  Anzeiger  für  knnde  deutsch,  vorzeit 
28.  Jahrg.  1881.  sp.  263  fgg. 

2)  Über  die  verschiedenen  arten  des  stoffes  sowie  über  seine  herkonft  han- 
deln ausser  anderen:  A.  Schultz,  I,  249  fgg.;  mhd.  wb.  II,  487  fgg.,  Weinhold, 
frauen«  2,  247. 

IBITSCHB.   r.   DBUTBCua   PfilLOLOQIE.      BD.  XT.  31 


482  MATTHIA9 

fr.  loutre?  aber  wo  bleibt  dann  das  r?  auch  reicht  ja  ein  fischotter- 
feil nicht  zu  einem  ganzen  gewande  aus.  Vielleicht  entspricht  Itulem 
dem  fr.  lutin?^  lutin  (Diez*  2,  364)  ist  ein  poltergeist,  wie  esprit 
follet  (kobold),  und  scheint  dem  deutschen  scrat  zu  entsprechen  (Grimm, 
myth.  4.  a.  Berlin  1875.  1,  396  fgg.;  3,  138),  d.  h.  so  ziemlich  dem 
adivQog  und  faunus  der  Griechen  und  Kömer,  dem  zottig  behaarten, 
mythischen  waldwesen.  Dass  eine  haut  eines  scrat  zu  einem  jagd- 
kleide ausreichen  koute,  zeigen  die  von  Grimm  in  der  myth.  1,  398 
beigebrachten  belege  z.  b.  aus  Waltharius  761  fgg.  Lateinschreibende 
im  mittelalter  brauchen  für  scrat:  püosus;  das  war  ihnen  geläufig  aus 
Jes.  34,  14:  et  püosus  clamabä  alter  ad  alterum  (Luth. :  und  ein  feld- 
teuf el  wird  dem  andern  begegnen),  und  Jes.  13,  21  et  pilosi  saltabunt 
ibi  (Luth. :  und  feldgeister  werden  da  hüpfen).  Beidemale  bei  Jes.  woh- 
nen die  püosi  in  unbewohntem ,  wüstem  lande  neben  ohim  und  zikim^ 
d.  h.  drachen  und  ähnlichen  Ungetümen.  .Ferner  waren  sie  albekant 
aus  den  überall  gelesenen  und  geglaubten  Vitae  patrum  des  heiligen 
Hieronymus,  der  ausdrucklich  versichert  hatte,  dass  es  solche  pilosi 
in  Ägypten  gebe;^  freilich  findet  sich  nirgend  eine  andeutung  darüber, 
welche  eigenschaft  das  feil  eines  solchen  wesens  gehabt  habe.  Diese 
fabelhaften  wesen  des  Jesaias  scheinen  widerzukehren  im  franz.  Wille- 
halm (ed.  Jonckbloet  5981  fgg.  6263  fgg.)*  sowie  in  einer  uiederrheini- 
sehen  bearbeitung  desselben  (Roth,  die  schlacht  v.  Alischanz,  Pader- 
born 1874.):  dort  heissen  sie  luitons  oder  nuttans,  hier  iMttaun;  über 
lezteres  wird  (s.  24,  70  fgg.)  gesagt :  in  dem  lande  des  königs  Margot 
von  Bosindant,  in  welchem  der  abgrund  ist,  wo  die  winde  wachsen 
und  Lucifer  wohnt,  befinden  sich  keine  menschlichen  Wohnungen,'  nur 
wilde  tiere  hausen  darin,  serpent  und  luitoun,  die  von  specereien  und 
dem  geruche  von  gewürzen  leben.  Aus  einer  anderen  stelle  erfahren 
wir  auch,  welche  eigenschaften  die  haut  eines  luitoun  gehabt  habe 
(s.  40 ,  93  fgg.) :  der  conc  Borel  van  Babilone  ist  gewäpent  van  ainer 
louitoun ^hout ,  also,  dass  ihn  keinerlei  wafiTen  zu  verwunden  vermögen. 
Der  dichter  scheint  die  ursprüngliche  bedeutung  von  luiton  nicht  mehr 
gekaut  zu  haben,  denn  an  einer  dritten  stelle  (s.  25,  94),  an  der  von 
dem  oben  erwähnten  könig  Margot  gesagt  ist,  er  sei  durch  eine  war^ 
min  haut  gegen  alle  wafien  geschüzt  gewesen,  hat  er  wol  widerum  an 
den  luiton  gedacht.    Ebenso  unklar  ist  die  bedeutung  des  wertes  offen- 

1)  Bei  dieser  untersnohang  namentlich  hat  mich  hr.  prof.  Zacher,  nnd ,  durch 
dessen  gütige  Vermittlung,  hr.  prof.  Sachier  in  Halle  freundlichst  anterstüzt 

2)  S.  Berger  de  Xiyrey ,  traditions  t^ratologiques  475  fg.  481  fgg.    Vgl  87. 
156  igg.\  (Adeliing)  Qloss.  man.  ad  scriptt.  med.  et  inf.  lat.  s.  y.  pUosos. 

8)  Es  ist  also  ebenso  w&st,  wie  der  aufenthaltsort  der  püo»  des  Je«. 


DIE   JAGD   IM  NIBELUNGENLIEDE  483 

bar  Wolfram   gewesen:   Willehalm  425,  25  fgg.  heisst  es   vom  köuig 
Purrel:  sin  hcdsperc  einer  Mute  was,  der  här  schein  grüener  dan  daz 
gras  .  ,  .  der  wurm  hiez  neiiun  (varr.  Neitüne ,  Nytune) ;   426,  2  heisst 
es  von  der  haut:  diu  waz  so  hert  erfunden  in  glicher  art  dem  adanms^ 
ein  schilt  ouch  drilz  getnachet  was  an  allen  orten  veste.     Wolfram 
eigentümlich  scheint,  dass  die  haut  hart  wie  diamant  ist  und  dass  die 
haare  derselben  grün  sind.     Luiton-nuiton,  luitoun-neitun  sind  offen- 
bar  nur  verschiedene  formen   eines  und   desselben   wortes  Neptunus. 
Gervasius  Tilberiensis ,  Otia  imperialia  (decisio  III.  cap.  61),  sagt,  dass 
die  Gallier  zwerghafte ,  freundliche  hausgeister ,  die  nachts  in  den  Woh- 
nungen der  menschen  deren  arbeiten  verrichten  und  auf  dem  herde  die 
mitgebrachten  speisen  braten,^  Neptunos  nennen;  Liebrecht  führt  dazu 
(s.  131)  eine  stelle  des  Belgiers  Thomas  Gantimpratensis  an  (Apiar.  L  2 
c.  57  nr.  9):  sunt  daemones^  qui  in  aquis  manent,  et  hos  poetae  Nep^ 
tuiws  vocant.     In  Belgien  heissen  nutons  die   in  höhlen  wohnenden 
unterirdischen  zwerge;*  eine  um  1359  von  dem  notar  Conrad  zu  San- 
domir  verfasste   lateinische   Übersetzung   des  Sachsenspiegels   übersezt 
landr.  1,  4,  1   aitvU  (=  kobold)  mit  Neptunius,    Neptunus  galt  also 
im  13.  jh.  in  Frankreich  und  Belgien  nicht  bloss  als  nix  (der  im  was- 
ser  lebt),   sondern  algemein  als  kobold  oder  koboldartiges  wesen,   wie 
scrat  und  pilosus.    Dass  nuton  aus  Neptunus  entstanden  sein  könne, 
erscheint  wol  möglich,   denn   dass  im  französischen  lateinisches  n  in  1 
übergehen  könne,  bestätigt  unter  andern  licorv^,  einhom,    entstanden 
aus  unicomu :    demnach   darf  man ,    bis  jemand   besseres   findet   und 
beweist,  ansetzen:    Neptunus  —  nuiton  —  luiton  —  lutin  —  ludern: 
das  wort   ist  aus  dem   franz.  in  die  deutsche  litteratur  gelangt  und 
mochte  dem  Verfasser  von  str.  895    bekant  geworden   sein,   der  sich 
diesen   ausputz  nicht  weite   entgehen  lassen.     Ursprünglich   brauchte 
man  also  die  benennung  Neptunus  für   ein   wasserwesen,    einen  nix, 
sodann   für    ein    zwerghaftes,   koboldartiges  geschöpf,    das   in  höhlen 
wohnt,    endlich  gleichbedeutend  mit  scrat  und  pilosus,    d.  i.  dem  zot- 
tigbehaarten wald-  und  feldteufel,   der  sich  in  wüstem,   unbewohnten 
lande  neben  andern  Ungetümen  finden   soll.    Woher  aber  der  glaube 
stammen  mag,   dass  die  haut  desselben  unverwundbar  mache,   ist  bis 
jezt  nicht  nachzuweisen;    sicher  jedoch  ist,    dass  die  dichter,   die  ihre 
beiden  mit  einer  solchen  wunderbaren  rüstung  ausstatteten,  die  ursprüng- 
liche bedeutung  des  wortes  nicht  mehr  kanten  und  luUon  —  luitoun 
fQr  einen  drachen  hielten ,  dessen  stahlharte  haut  ja  sprichwörtlich  war. 

1)  £d.  Liebrecht ,   Hannov.  1856  s.  29 ;    „gerade  so  benimt  sich  das  achrätcl 
in  der  bekanten  erzählaDg  vom  schrätel  nnd  dem  wasserb&r." 

2)  S.  Job.  W.  Wolf,  niederland.  sag.    Lpz.  1848 ,  s.  578. 

81* 


484  MATTHIAS 

Wie  geschmacklos  es  freilich  an  unserer  stelle  ist,  dem  schon  unver- 
wundbaren helden  noch  ein  unverwundbar  machendes  gewand  zu  geben, 
liegt  ja  auf  der  band ;  doch  liebt  die  ausartende  sage  dergleichen  ver- 
gröberungen (vgl.  Grimm,  deutsche  heldensage*  s.  397);  hier  wäre  die 
einfQhrung  der  ludemshaut  ein  neuer  beweis  dafür,  dass  diese  ganze 
beschreibung  späterer  zusatz  sei. 

Es  fragt  sich  nun  auch,  welcher  teil  von  Siegfrieds  kleidung  aus 
diesem  feile  bestanden  haben  solle.  Da  der  hut  von  zobel  (893,  3), 
der  rock  von  pheller  ist,  denkt  man  zunächst  an  die  kleidungsstücke, 
die  Siegfried  ausser  hut  und  rock  getragen  hat,  also  besonders  an  die 
beinkl eider  (bruoch  und  hosen)  und  an  den  mantel;  von  beiden  wird 
sonst  nichts  gesagt,  es  werden  überhaupt  keine  kleidungsstücke  mehr 
genant,  ausser  ewein  wizen  hemden,  in  denen  Günther  und  Hagen  den 
wetlauf  machen,  nachdem  sie  ihre  kleider  abgelegt  haben  (917,  2);  da 
bruoch  und  hosen  schwerlich  aus  pelz  gewesen  sein  werden ,  bleibt  nur 
noch  der  mantel  übrig;  den  trug  man  allerdings  auf  der  jagd,  wenn 
er  auch  kürzer  war,  als  sonst:  dorch  daz  si  jagen  reit  sone  was  der 
mantel  niht  lanc,  heisst  es  von  Dido  in  der  Bneit  (60,  16.  17  Ettm.). 
Soll  die  Strophe  einen  sinn  haben,  so  muss  man  also  notgedrungen 
annehmen,  dass  der  dichter  an  Siegfrieds  mantel  gedacht  habe;  jeden- 
fals  ist  die  Vermutung,  die  Lachmann  in  bezug  auf  896  ausgesprochen 
hat,  dass  dieselbe  noch  neuer  sei,  als  der  übrige,  von  der  ausrüstung 
handelnde  zusatz  (892  —  898),  auch  auf  diese  Strophe  auszudehnen,  so 
ungeschickt  drückt  sie  aus,  was  sie  meint.  Zeile  3.  4  heisst  es  weiter 
von  dem  mantel:  üz  der  liehten  riuhe  tnl  rnanic  goldes  zein  ze  beiden 
sinen  sUen  —  schein:  aus  dem  heiglänzenden  rauch-  oder  pelzwerk 
leuchtete  zu  seinen  beiden  selten  mancher  goldfaden,  d.  h.  die  beiden 
vorderen  ränder  des  aus  ludemshaut  bestehenden  mantels  sind  mit  darauf- 
gesezten  goldfaden  verziert.  Endlich  ist  auch  die  zweite  zeile  möglichst 
ungeschickt  und  lässt  nur  erraten,  was  geroeint  ist:  von  houbet  une 
anz  ende  geströut  inan  drüfe  vant,  Bekant  ist  die  sitte,  kleiderstoffe 
mit  zierraten ,  goldsterneben  u.  dgl.  oder  mit  pelzstückchen  von  anderer 
färbe  zu  besetzen;  das  nante  man  ströuwen,^  eigentlich  darüber  säen; 
im  Meleranz  trägt  könig  Godonas  ein  grünsamtnes  wapenkleit  (kursU) 
dar  üf  vil  meisterliche  hämiin  am  warn  geströut  (5924  fg.) ;  was  hier 
auf  die  ludmesbiute  von  oben  bis  unten  gesezt  gewesen  sei ,  wird  aber 
nicht  gesagt. 

Siegfrieds  gewand,  nehmen  wir  also  an  sein  mantel,  bestand 
aus  einer  ludemshaut;    an  den  beiden  vorderen  rändern  ist  derselbe 

1)  YgL  Tac.  germ.  XVH  2. 


DIB  JAOO  Of  NIBBLUNGEMLIBOE  485 

durch  goldf&den  oder  golddraht  verziert  und  von  oben  bis  unten  ist 
irgend  etwas  als  zierrat  daraufgestreut  Der  dichter  dieser  strophe  ist 
entweder  ganz  gedankenlos  gewesen,  oder  er  meinte,  Siegfried  habe 
den  mantel  vor  dem  wetlauf  abgelegt;  denn  sonst  hätte  Hagen  das 
kreuzchen  auf  dem  pirschgewand  nicht  sehen  können  und  auch  die 
unverwundbar  machende  ludemshaut  den  Siegfried  vor  dessen  spcr 
schützen  müssen. 

Von  der  ausrüstung  der  übrigen  beiden  ist,  wie  schon  gesagt, 
nicht  die  rede^  doch  wird  sie  ähnlich  gewesen  sein,  nur  die  stoffe  etwas 
weniger  kostbar;  denn  auch  durch  solche  äusserlichkeiten  zeichnet  der 
dichter  seinen  beiden  aus. 

Die  jagdgeselschafk  wird  von  Jägermeistern,  d.  h.  von  erprobten, 
des  waldes  kundigen  jägem,  die  zugleich  die  hunde  an  der  leine  fah- 
ren, und  von  zahlreichen  dienern  begleitet.  Hagen  macht  nach  der 
ankunft  auf  der  waldwiese  den  verschlag ,  ein  jeder  solle  sich  von  leu- 
ten  und  hunden  auswählen  so  viel  er  wolle ,  und  auf  eigne  faust, 
getrent  von  den  andern ,  sich  dahin  begeben ,  wo  er  viel  wild  vermute. 

Es  war  nämlich  eine  pirschjagd  beabsichtigt  (859,  2):  unrich- 
tig ist  die  angäbe  in  Grimms  deutschem  wb.  2,  40:  birseUj  innerhalb 
des  park-  oder  wildzaunes  (ml.  bersä)  jagen;  Ursen  ist  wahrscheinlich 
ein  fremdwort,  aus  dem  franz.  kaum  vor  dem  13.  jh.  herübergenom- 
men; altfr.  heisst  bercer,  gewöhnlich  berser,  mit  dem  bolzen  oder  pfeil 
erschiessen,  damit  jagen.  ^  Die  bedeutung  ist  richtig  angegeben  bei 
Weigand,  dtsch.  wb.:  waldjagd  mit  Spürhunden;  und  bei  Schmeller, 
bair.  wb.  ed.  Frommann  (2.  a.  1872,  1,  280):  jagd  durch  umhersuchen, 
schleichen  usw.  einzelner  im  gegensatz  zur  jagd  auf  dem  anstand ,  durch 
treiber ,  gerichte ,  fallen  usw. ,  oder  jener  jagd ,  da  der  Jäger  stehen 
blmbt  und  durch  einen  hund  sich  das  wild  heranjagen  lässt;  damit 
stimt  überein  Landau ,  gesch.  der  jagd  s.  87. 

Dem  entsprechend  trent  sich  hier  die  geselschaft  und  ein  jeder 
jagt  allein  auf  einem  besonderen  Jagdreviere,  begleitet  von  hunden,  von 
dienern ;  die  die  erlegten  tiere  sammeln  und  abhäuten  (885,  3)  oder 
ausweiden,  und  von  einem  stMchmany  fals  der  Jäger,  wie  Siegfried, 
des  waldes  unkundig  ist.  Am  tage  vorher  hatte  Siegfried ,  als  Ounther 
ihn  zur  teilnähme  an  der  jagd  einlud ,  diesen  um  einen  des  waldes 
kundigen  Jäger  und  um  etelAchen  brachen  gebeten  (856);  wolt  ihr  nur 
einen?  fragt  der  könig;  ich  leihe  euch,  wenn  ihr  wolt,  vier,  denen 
der  wald  bekant  ist  und  auch  die  steige ,  wo  die  tiere  zu  gehen  pflegen 
und   die  euch  nicht  vurewise  wider  heimkehren  lassen  (857).     Obwol 

1)  Vgl.  ftb.  d.  ableituDg  Diez,  etyiu.  wb.  d.  rom.  spr.  3.  a.  1870,  2,  221. 


486  MATTHIAS 

die  Worte:  und  ddichen  brocken  der  frage  Günthers:  weit  ir  niht 
nitvan  einen?  zunächst  stehen,  so  kann  Günther  doch  nur  fragen:  wolt 
ihr  nur  einen  suchmann?  denn  wenn  Siegfried  eben  erst  um  einige 
bracken  gebeten  hat,  kann  Günther  doch  nicht  fragen,  ob  er  nur 
einen  wolle.  Ferner  passen  die  folgenden  werte  Günthers:  den  tvol 
ist  bekant  der  walt  und  ouch  die  stige,  swä  diu  Her  gänt,  die  iuch 
nicht  vürewise  wider  heim  riten  länt  nicht  auf  bracken,  sondern  auf 
suochman:  obwol  vürewise  nur  hier  vorkomt,  so  kann  seine  bedeutung 
doch  nicht  zweifelhaft  sein;  es  gehört  (s.  Lachm.  kl.  sehr.  1,  255)  zu 
dem  vb.  vervnsen  und  bedeutet:  falsch  geführt,  irre  geleitet;  Bartsch 
(Schulausgabe,  4.  a.  1875;  vgl.  sein,  untersuchgg.  s.  193  fg.)  erklärt: 
die  (bracken)  verhindern,  dass  ihr  die  herberge  verfehlt,  indem  ihr 
euch  verirt ;  das  kann  unmöglich  richtig  sein ;  wenn  ein  des  waldes  kun- 
diger Jäger  den  Siegfried  begleitet,  so  ist  an  ein  verirren  nicht  zu 
denken;  ferner  muste  der  hund,  wenn  man  an  den  heimweg  dachte, 
gefangen  und  an  die  leine  gelegt  werden,  damit  er  nicht  immer  von 
neuem  wild  auQagte  (882,  3  inan  vie  den  spürhunt);  hätte  man  ihn 
losgelassen,  so  würde  er  sich  nicht  davon  haben  abhalten  lassen  und 
eher  zur  verirrung  der  jäger  beigetragen  haben;  endlich,  da  so  viele 
an  der  jagd  teilnahmen ,  war  an  ein  verirren  einzelner  gar  nicht  zu 
denken;  denn  man  hörte  den  ganzen  wald  widerballen  von  ludern  unde 
döz  (883,  1),  auch  hätte  man  sich  leicht  durch  hornsignale  verstän- 
digen können:  vürewise  bedeutet  allerdings  verirt,  vom  rechten  wege 
abgeführt,  aber  hier  nicht  vom  wege,  der  nach  der  herberge  führt, 
sondern  von  den  steigen,  wo  die  tiere  zu  gehen  pflegen;  die  stellen 
aber  im  wald,  wo  sich  viele  tiere  aufhalten,  wo  sie  ihr  lager  haben, 
und  die  wege ,  die  sie  gewöhnlich  zu  nehmen  pflegen ,  kent  der  smocä- 
nian,  nicht  der  hund:  er  (ein  alter  jägere  876)  brahte  deti  lierren  m 
einer  kurzer  stunt,  da  si  vil  tiere  funden;  denn  dem  hunde  kann  eine 
kentnis  des  waldes  in  dieser  weise  nicht  zugeschrieben  werden;  dessen 
teilnähme  au  der  jagd  besteht  darin,  dass  sein  geruchsinn  das  tier  an 
seiner  föhrte  erkent,  die  er  verfolgt,  bis  er  es  selbst  findet;  deshalb 
bittet  Siegfried  (876)  zwar  nur  um  einen  brackeny  aber  um  einen  sol- 
chen, der  so  genoezen  hat,  daz  er  die  verte  erkenne  der  tiere  durch 
den  tan;  die  verte  sind  die  fussspuren,  die  sich  in  den  boden  eindrücken 
und  denen  der  hund  riechend  nachgeht.  Die  deutung  der  frage  Gün- 
thers (857,  1):  weit  ir  niht  niwan  einen?  und  seines  nächstfolgenden 
anerbietens,  auf  die  bracken,  nicht  auf  den  suchmann,  mag  wol  her- 
vorgerufen worden  sein  durch  Siegfrieds  spätere,  eben  angeführte  werte: 
ich  hän  der  hunde  rät  wan  eilten  bracken  usw.;  diese  zwingen  aber 
durchaus  nicht,  Günthers  werte  auf  brocA^n  zu  beziehen,  widersprechen 


DIE  JAOP  IM  mBBLUNGBNLIBDE  487 

auch  nicht  dem  wünsche  Siegfrieds,  ihm  etelichen  brocken  zu  leihen; 
vorher  bittet  er  um  einen  stMchman  und  um  etelichen  hrackenj  hier  ist 
vom  suchmann  nicht  noch  einmal  die  rede;  ein  erprobter  Jäger  {ein 
alter  jägere  876,  1)  scheint  von  Günther  bereits  zur  begleitung  Sieg- 
frieds bestimt  worden  zu  sein;  es  handelt  sich  nur  noch  darum,  wie 
viele  hunde  mitgenommen  werden  sollen;  um  seine  geschicklichkeit  als 
Jäger  noch  mehr  ins  licht  zu  stellen,  beschränkt  er  jezt  seine  frühere 
bitte  um  etliche  braoken  sogar  noch ,  und  fordert  nur  einen ,  aber  einen, 
der  genozzen  hat.  Es  bleibt  noch  übrig,  diesen  ausdruck  zu  erklären, 
ebenso  die  bedeutung  von  suochman,  Lezteres  ist  dasselbe,  wie  toet- 
detnann,  indagator.  Eneit  130,  34  (Ettm.)  wird  von  Ascanius  gesagt: 
do  nam  her  ^ne  weideman,  den  der  tvalt  kunt  was;  ausserdem  beglei- 
ten ihn  20  Jünglinge:  si  fürden  kocJwr  unde  bogen  und  vil  scharphe 
Straten  und  swert  mit  schönen  malen  (zierrat)  und  brocken  vil  gute, 
ir  rocke  unde  hüte  wären  grä  schäfvore,  die  (acc.  die  Jünglinge)  unsten 
sie  (npm.  die  Weidmänner)  dare,  die  den  wech  künden,  alda  si  wüt  fun- 
den.  Der  suochman  ist  also  ein  alter  erprobter  Jäger,  ein  jegermeister,  wie 
ihn  die  bearbeitung  C  auch  nent  (876,  1);  auch  Siegfried  wird  wegen 
seiner  gewaltigen  jagderfolge  so  genant  (895,  4.    vgl.  881,  3).  * 

Eine  nicht  unbedeutende  rolle  bei  der  jagd  fiel  dem  hunde  zu. 
In  den  volksrechten'  werden  namentlich  zwei  arten  von  Jagdhunden 
unterschieden,  1)  der  canis  sagax,  segutius,  seusiu^  oder  seusis,  mhd. 
süse,  brocke,^  der  besonders  zur  hohen  jagd,  und  2)  der  canis  vdtris 
oder  veltrix,  unndHund,  der  zur  niederen  jagd  verwendet  wurde.  Von 
ersterem  werden  wider  zwei  Unterarten  genant :  l)hessehunt,  hetzhund, 
oder  triphunt;  2)  leithunt,  suochhunt  oder  spürhunt:  ductor,  quthomi- 
nem  sequentem  ducit  (Alem.  recht);  qui  in  ligamine  vestigium  tenet 
(Bair.  r.).  Lezterer,  vom  Jäger  an  einem  langen  seil,  dem  leitseil 
(ligamen)  gefuhrt ,  hatte,  wenn  die  aufspürung  des  wildes  beginnen 
solte,  die  aufgäbe ,  die  fährte  desselben  zu  finden,  und  ihr,  wenn  sie 
gefunden  war ,  so  lange  nachzugehen ,  bis  er  das  wild  von  seinem  Stand- 
ort oder  lager  aufscheuchte  (ersprengen,  springen  machen,  z.  b.  877, 1); 
er  gieng  dabei,  die  nase  am  boden  haltend,  verhältnismässig  langsam, 
um  die  fährte  nicht  zu  verlieren  und  unlüteSy  d.  h.  ohne  zu  Wen,  zu 
bellen,  um  das  wild  nicht  vorzeitig  zu  warnen  (vgl.  Tristan  17255  fgg.). 

1)  Später  ist  f&r  Jägermeister  auch  meisteijäger  gebräuchlich  geworden,  vgl. 
die  waidsprüche  und  jägerschreio  im  3.  bd.  der  altdeutsch,  wäld.  fr.  12. 

2)  S.  Roth,  gesch.  des  forst-  und  Jagdwesens  in  Dentschl.  s.  59. 

3)  Vgl.  Aber  die  ableitung  Qrimm,  deutsches  wb.  IT,  289:  vielleicht  von 
bihracchio  >»  ursi  cattHus,  dann  junges  andrer  tiere,  speciell  der  hunde, 


4B8  MATTHIAS 

Zur  Verfolgung  des  fliehenden  wildes  aber  bediente  man  sich  entweder 
der   hetzhunde    oder    der   Windhunde;    musten  jene,    die   Spürhunde, 
namentlich  mit  einer  feinen  nase  ausgestattet,   naseunse  sein    (gegen- 
satz:  nctöelöse),   so  kam  es  bei  diesen,   den  hetzhunden  und  Windhun- 
den,  besonders  auf  Schnelligkeit  an;    darauf  bezieht  sich  eine,    aller- 
dings aus  späterer  zeit  stammende  priamel   (Grimm,    altd.  wälder  III, 
123):    ein  trabender  leithund  ungenossen  und  ein  geltender  (im  zeit, 
passgang,  schritt  gehender)  toind,  das  ist  dos  unnütze  hof gesind.     An 
unserer  stelle  dient  der  einzige  bracke,    den  Siegfried  mitnimt,    sowol 
zum  aufspüren  als  zur  Verfolgung  des   wildes   (888,  2:   ir  sult  den 
brocken  Ideen,  zur  Verfolgung  des  baren);  deshalb  wird  er   wol  auch 
gleich  zu  anfang  der  jagd  vom  seile  losgelassen  worden  sein  (man  nie 
den  spiü/rhunt,    882,  3,    als  da^jeit  ergangen  was  885,  1);    Siegfried 
glaubt  der  hetzhunde  entraten  zu  können,  weil  er  auf  seine  eigne  und 
seines   rosses    Schnelligkeit   vertraute.      Zu  jener   besonderen   aufgäbe 
muste  natürlich  der  bracke  auch  ganz  besonders  abgerichtet  werden; 
Siegfried  verlangt  deshalb  auch  einen,   der  genozzen  hat;    dieses  und 
sein   ebenerwähntes  gegenteil:    ungenozzen,    sind  waidmännische   aus- 
drücke;  was   man   darunter   zu  verstehen  hat,   geht  namentlich   aus 
einer  stelle  des  Tristan  hervor  (3001  fgg.):  Tristan  lehrt  die  jäger  des 
königs  Marke,   wie  man  einen  hirsch  kunstgerecht  zerlegt   (zewirken 
2793);   zum  schluss  legt  er  das  in  vier  stücke  zerschnittne   herz  und 
andere  teile  der   eingeweide  auf  die  haut  des  hirsches  und  lässt  jenes 
die  durch  den  ruf  zazaza  herbeigelockten  hunde  von  derselben  fressen ; 
darauf  erklärt  er ,  wenn  auch  falsch ,  (denn  curie  ist  doch  nfrz.  curee), 
warum  man  das  curie  nenne:   von  cuire  (frz.  cutr,  haut)   so  ist  curie 
komen,    und  zwäre  ez    wart  den  hunden   ze  guoten  dingen  funden 
und  ist  ein  guot  getconeheit,   wan  swaz  man  in  dar  uf  geleit,  daz  ist 
in  süeze  durch  daz  bluot  und  ma^^het  ouch  die  hünde  guot  .  .  .  ,*    wir 
sehen  wol,  sagen  die  bewundernden  jäger,  dise  liste  sint  brachen  unde 
hunden  ze  grozen  frunien  vunden ;  aus  andern  stellen  geht  hervor,  dass 
man  den  hunden   auch  gehirn  und  blut  des  erlegten  wildes  gab.     Es 
fragt  sich  nun ,  inwiefern  bracken  und  hunden  —  damit  sind  wol  hetz- 
hunde gemeint  —  dies  geniezen  ze  grozen  vrufnen  gewesen  sei,    wel- 
chen zweck  es  gehabt  habe.     Stejskal  führt  zu  112  der  jagd  des  Hada- 
mar  v.  Laber  eine  stelle  aus  der  jägerkunst  an,  nach  welcher  man  den 
hunden   vor  der  jagd  nichts   zu  essen  geben  soll,    „so  sind  sie  desto 
leichter  zu  laufifen  und  desto  begieriger  zu  fangen,    denn  sie  hoffen 
davon  auch  etwas  zu  geniessen^;   ähnlich  ist  als  zweck  des  geniessens 
im  mhd.  wb.  II,  1,  392b  angegeben:  wodurch  sie  eifriger  werden  sol- 
len, die  fährte  zu  verfolgen.    Beide  erklärungen  würden  aber  nur  auf 


BUS  JAGD   IM  NIBBLUNOBKLIKDE  489 

die  hetzbonde  passen;^  denn  sie  setzen  beide  voraus,  dass  die  fäbrte 
von  dem  spürbunde  bereits  gefunden  ist.  Man  gab  vielmebr  dem  bracken 
von  dem^  wilde  zu  geniessen ,  damit  er  den  gernch  der  verschiednen 
wildarten  unterscbeiden  und  jede  einzelne  an  ibrer  fäbrte  erkennen, 
wittern,  lernte.  Siegfried  will  (875,  3)  einen  solcben  bund,  der  die 
verte  der  tiere  erkenne,  d.  b.  das  wild  an  seiner  fäbrte  erkent,  und 
diese  aufiiimt,  ihr  folgt,  bis  er  zum  lager  oder  Standort  des  wildes 
gelangt.  Hat  der  bund  eine  fährte  gefunden,  so  siebt  er  den  ihn  füh- 
renden herren  an,  erwartend,  dass  dieser  ihn  grüsst,  anspricht,  d.  b. 
auffordert,  sie  zu  verfolgen.  Im  Iwein  (3885  fgg.)  ersmeckt,  wittert 
der  löwe,  der  die  stelle  eines  Spürhundes  vertritt,  die  fäbrte  eines  wil- 
des] do  er  des  tieres  inne  wart  , . .  stuont  (der  löwe)  und  sach  in  an 
(nämlich  den  Iwein) ;  do  gruoetern  als  ein  (d.  i.  einen)  stMchhunt  (Iwein 
den  löwen);  der  löwe  verfolgt  die  fäbrte,  bis  er:  ein  rSch  stende  vant 
(vgl.  Benecke  anm.  z.  3894 ;  Stejskal  jagd ,  anm.  z.  337). 

Ehe  die  jagd  begint,  werden  die  warte  do  bestän  an  allen  enden 
von  den  jeitgesdlen  (872^  1,  2):  die  warte,  der  plural  von  diu  warte 
findet  man  erklärt  als  die  punkte,  wo  das  wild  sich  aufhält,  seinen 
Wechsel  hat,'  die  von  den  Jägern  besezt  werden,  um  es  zu  schiessen 
oder  es  dabin  zu  treiben,  wo  es  zum  schuss  komt;'  oder:  um  es  den 
scbiessständen  zuzutreiben:^  jene  erklärung  legt  die  auffassung  nahe, 
diese  verleitet  geradezu  zu  derselben ,  als  ob  die  Jäger  an  bestirnten 
punkten  still  gestanden  hätten,  denen  das  wild  von  treibem  zugetrie- 
ben worden  wäre,  als  ob  also  die  treiber  das  wild  vorfolgt  und  die 
Jäger  stille  stehend  dasselbe  erwaiiiet  hätten.  Bei  einer  pirscbjagd  sind 
aber  umgekehrt  die  jäger  gerade  diejenigen,  die  das  wild  aufsuchen 
und  ihm  nach  der  leitung  des  hundes  folgen;  von  treibern  in  jenem 
gewöbnlicben  sinne,  die  das  wild  vor  sich  her  dem  schützenstande 
zutreiben,  kann  also  bei  einer  pirscbjagd  ebensowenig  als  von  diesem 
die  rede  sein. 

diu  warte y  zunäcbst  das  ausschauen,  das  warten ^  bezeichnet 
sodann  den  punkte  wo  einer  wartet,  auf  der  lauer  steht;  welche  punkte 
werden  nun  bei  der  jagd  besezt  worden  sein?  Das  wild  nimt,  wenn 
es  den  *wald  durchzieht,  um  auf  einer  waldwiese  zu  grasen  oder  eine 
quelle  aufzusuchen,  gewöhnlich  einen  und  denselben  weg,  der  den  Jägern 
bekant  ist,  und  auf  diesen  gewohnten  weg  wendet  es  sich  auch  gern 
auf  der  flucht,  wenn  es  verfolgt  wird.    Im  Tristan  (3422)  fordert  Marke 

1)  S.  V.  Riesenthal ,  das  waidwerk ,  s.  37. 

2)  Bartsch,  der  Nib.  ndt,  wb.  s.  370. 

3)  Mhd.  wb.  3,  528  ^ 

4)  Lübben,  wb.  z.  der  Nib.  not' 


490  MATTHIAS 

den  Tristan  auf:  schicke  dme  warte  (hier :  die  auf  den  warten  zu  postie- 
renden leute)  davy  da  si  dich  reJUe  dünken  stän;  Tristan  antwortet 
(3426  fgg.):  heijset  die  jägere  keren  dan,  die  stdn  die  warte  s&zen  und 
suln  von  ruore  läeen:  die  erkennent  hie  ze  lande  sich  und  wizBent 
michd  bcus  dan  ich,  wä  der  hirz  hin  ziuhet  und  vor  den  hun- 
den  fliuhet;  die  erkennent  die  gelegenheit;  lezteres  wort  steht 
hier  in  der  ursprünglichen  bedeutung  und  soll  heissen:  die  örtlichkeit, 
die  gegend ;  sie  wissen  gut  mit  ihr  bescheid ,  kennen  den  weg ,  den  der 
hirsch  auf  der  flucht  zu  nehmen  pflegt.  Die  jagd  im  Tristan  ist  aller- 
dings keine  pirschjagd,  sondern  eine  parforcejagd  oder  hetzjagd;  die 
bedeutung  der  warte  aber  ist  bei  beiden  dieselbe ;  Markes  Jäger  besetzen 
die  warten,  d.  h.  fassen  an  solchen  wildpfaden,  gedeckt  von  einem 
bäum  oder  strauch  posto.  An  unserer  stelle,  wo  jeder  partei  ein 
bestimt  umgrenztes  revier  zugewiesen  ist,  sind  also  die  warten  dieje- 
nigen punkte  der  verschiedenen  innerhalb  des  Jagdreviers  laufenden 
wildpfade,  wo  diese  die  grenze  desselben  überschreiten.  Dass  der  wild- 
pfad  noch  beuuzt  wird,  erkent  ein  erfahrener  Jäger  aus  mancherlei 
anzeigen ,  beim  hirsch  z.  b.  an  den  zweigen ,  die  er  berührt  oder  geknickt 
hat:  das  ist  die  „hochspur ,'^  der  hirsch  hat  „angerührt,  gefegt,^  (s. 
Zamcke ,  beitr.  s.  1 63) ;  namentlich  aber  an  der  losung.  Nachdem  solche 
pfade  von  den  Jägern  ringsum  auf  der  grenze  des  Jagdreviers  besezt 
worden  sind,  ziehen  die  herren  und  ihre  ritterlichen  gaste  mit  Spür- 
hunden in  den  wald  und  scheuchen  den  hirsch  von  seinem  lager  auf; 
er  entflieht  auf  seinem  pfade ,  verfolgt  von  Jägern  und  hunden ;  sobald 
er  vor  die  warte  komt^  wird  er  zurückgescheucht;  er  hätte  natürlich 
von  den  wartenden  hier  getötet  werden  können,  aber  dann  wäre  den 
verfolgenden  rittern  das  vergnügen,  den  hirsch  zu  erlegen,  genommen 
worden.  Die  besetzung  der  warte  hat  also  hier  nur  den  zweck,  dem 
hirsch  seine  gewohnten  fluchtwege  abzuschneiden,  zu  verhindern,  dass 
er  auf  denselben  sich  den  verfolgenden  Jägern  gänzlich  entziehe  und 
sich  in  ein  anderes  Waldrevier  rette.  ^  In  Gotfrids  Tristan  wird  der 
hirsch  auf  diese  weise  so  lange  gehezt,  bis  er  von  den  hunden  „erlau- 

1)  VgL  Ulrich  v.  Tärbeim ,  Trist.  1093  fgg. : 

Die  jegere  er  besande: 
,,vart  zem  roten  lande, 
füert  mit  in  die  hunde ; 
ich  wil  da  kurze  stunde 
hän  mit  mime  gesinde; 
und  sehet,  daz  ich  rinde 
versetzet  vol  die  warte, 
oder  ich  znme  harte. 


DIE  JAGD  m  KIBXLUNOSNLIEDS  d91 

fen"^  wird  (3447) :  da  liez  er  sich  ergähen  und  stuont  aida  sie  bUe  ^ 
(2765);  d.  b.  vor  müdigkeit  oder  zorn  gibt  er  es  auf,  den  hunden  zu 
entfliehen,  stelt  sich  ihnen  mit  gesenktem  geweih  entgegen  mid  wird 
von  den  herbeieilenden  Jägern  erlegt.  Im  Nibelungenliede  würde  sich 
die  jagd  ohne  eine  solche  beschränkung  endlos  ausgedehnt  haben,  oder 
auch  das  fliehende  wild  samt  den  verfolgenden  hunden  und  Jägern  in 
das  revier  einer  benachbarten  partei  eingedrungen  und  es  würden  dann 
irtümer  oder  gar  conflicte  zwischen  beiden  parteien  kaum  zu  vermeiden 
gewesen  sein.  Es  ist  nachher  allerdings  von*  den  „wartenden^  nirgend 
mehr  die  rede;  das  darf  uns  aber  nicht  wundern,  da,  wie  wir  schon 
widerholt  gesehen  haben,  die  Schilderung  der  jagd  im  Nibelungenliede 
nur  in  grossen,  die  hauptperson  heraushebenden  zügen  skizziert  ist; 
in  bezug  auf  das  übrige  sind  wir  auf  wenige  unklare  und  unbestimte 
andeutungen  angewiesen. 

Der  punkty  wo  ein  wildpfad  aus  dem  walde  heraustritt  und  in 
ein  wasser  oder  auf  eine  wald wiese  mündet,  heisst  der  abdauf  des  wil- 
des; deshalb  kann  von  der  auf  dem  wert  aufgeschlagenen  herberge 
gesagt .  werden  (871),  sie  hätte  gelegen  vor  dem  grüenen  wald:  gens 
wüdes  äbeloufe. 

Siegfried  trent  sich  also  von  den  jagdgenossen,  begleitet  von 
einem  alten  Jägermeister  und  von  einigen  dienern;  alle  sind  beritten 
(887,  2  si  Uten  mit  im  dan);  der  alte  Jäger:  brähte  den  hirren  in  einer 
kurzer  stunt ,  da  si  vil  tiere  funden,  swaz  der  von  leger  stuont^  diu 
erjeiten  die  gesellen,  so  noch  guote  jeger  tuont  (876):  wenn  mehrere 
tiere  auf  einmal  aufgescheucht  wurden,  werden  sich  auch  die  begleiter, 
wenigstens  der  Jägermeister ,  an  der  jagd  beteiligt  haben ;  Siegflieds 
ross  ist  so  geschwind,  dass  ihm  keines  von  den  aufgescheuchten  tieren 
entrint  (877,  3.  880,  3).  Zuerst  schlägt  er  mit  dem  Schwerte  ein  star- 
Tcez  halpswuol  zu  tode;  sodann  tötet  er  durch  einen  pfeilschuss  einen 
löwen,  ferner,  wider  mit  dem  Schwerte,  einen  wisent,  einen  eich,  vier 
starke  üre^  einen  schelch,  hirze  und  binde;  zulezt  einen  eher;  schliess- 
lich folgt  als  uachspiel  zur  jagd  der  fang  eines  baren ,  der  darnach  mit 
dem  Schwerte  erlegt  wird.  Die  statliche  anzahl  von  tieren  lässt  der 
dichter  den  Siegfried  „im  umsehen  abtun  ,^  wie  Lachmann  zutreffend 
bemerkt ,  um  ihn  vor  den  übrigen  jägem  auszuzeichnen.  Dieser  umstand 
und  die  erwähnung  des  löwen  hat  auch,  neben  anderen  gründen.  Lach- 
mann zu  dem  urteile  geführt,  die  strophen  877  —  880  als  späteren 
Zusatz  zu  bezeichnen.  Der  redaktor  der  vulgata  scheint  auch  diese 
häufiing  als  ein  übermass  angedeutet  zu  haben,   indem  er  882,  5  die 

1)  Vgl.  Jt^  Grimm,  kleinere  Schriften  8,  112, 


492  XATTHIAS 

Jäger  darfiber  scherzen  lässt:   lät  uns  —  der  Her  em  teil  genesen^   ir 
tuot  uns  hiute  Itere  den  herc  und  auch  den  undt. 

Sämtliche  ?on  Siegfried  erlegte  tiere  sind  tiere  der  hohen  jagd, 
fast  alle  solche,  die  za  jagen  gefährlich  ist,  sehr  viel  kraft,  mut, 
fibung,  gewandheit  erfordert.  Zwei  derselben ,  dBshalpsumoly  oder  wie 
es  sonst  geheissen  haben  mag,  und  der  schelch,  sind  uns  onbekant. 

halpswül  nemlich,  wie  A  (878)  hat,  ist  nur  eine  ?on  den  zahl- 
reichen Varianten ,  in  denen  das  wort  überliefert  ist ;  B  hat  nur  hcdp . . . ., 
C  halpfwl,  a  halphul,  h*halpfuly  D  halpsul,  Sd  halpswl,  Jh  hdfolen; 
Lachmann  hat  (nach  A)  im  text:  hcUpswuol,  Zarncke  (nach  C)  halpf- 
wd;  Bartsch  (nach  der  vulgata)  halpftd;  denmach  scheint  sicher  der 
erste  teil:  hcUp,  unsicher  der  zweite  (suly  swul^  swM,  fuC).  Im  Schwa- 
benspiegel 315  (W.)  wird  durch  hersunny  d.  h.  Zuchteber,  ein  wort 
erklärt,  in  dessen  zweitem  bestandteile  die  handschriften  ebenso  wie 
die  Nibelungenhandschriften  zwischen  sul  und  fuL  schwanken:  ursui, 
erfaul y  erful,  ursd,  urval  (s.  mhd.  wb.  3,  434'').  Grimm  (Myth. 
948,  4.  ausg.  2,  832)  entscheidet  sich  hier  sowol  als  dort  fttr 
füll  also  urfulj  hcdpful,  und  erklärt  dieses  als:  ein  nicht  ausgewach- 
senes Schwein,  halbschwein,  jenes  als:  alten,  ausgewachsnen  ken- 
1er.  Die  hanptsache  ist  ihm  nämlich,  auf  den  namen  des  gottes 
Phol  (Balder)  zu  stossen:  „nicht  des  gottes  name  wird  aus  dem  tier 
ZU  erklären,  sondern  in  beiden  Zusammensetzungen  auf  das  tier 
angewendet  und  so  erhalten  worden  sein^;  das  geht  aber  nicht  an, 
denn  Phol  ist  nach  prof.  Zachers  unzweifelhaft  richtiger  erkl&rung 
gleich  d' 7t  61- liüv^  d.i.  a-Ttol-jcißv,  aus  VspAar,  womit  eng  zusammen- 
hängt lat.  splendere,  mhd.  spiln  (vgl.  diu  spibide  sunne)^  indem  das  s 
im  anlaut  verloren  gieng. '  Ebensowenig  wird  man  der  von  Grimm 
(Gramm.  II,  633)  ausgesp rechnen  Vermutung  beistimmen,  es  sei  viel- 
leicht aus  Wittich  1606,  wo  das  wort  urgul  =  eher  vorkomt,  in  das 
Nibelungenlied  halpgul  einzusetzen :  denn  darauf  führt  keine  einzige  von 
den  Varianten.  Endlich  wird  von  Lübben  (i.  wb.)  und  vom  mhd.  wb. 
(III ,  43  i  *")  zur  Unterstützung  von  halpful  eine  stelle  des  alten  Kulmer 
rechts  angezogen,  welche  lautet:  weih  hunt  ber  {=  eher)  culir  hirs 
adir  urful  adir  andir  tvilt  daz  man  doheime  hddet  —  einen  menschen 
lotet  usw.  Wenn  man  nun  auch  annehmen  wolte,  dass  das  wort  hier 
ohne  Variante  stünde,'  so  wüste  man  doch  immer  noch  nicht,  was  es 
bedeutet;  es  ist  sogar  unwahrscheinlich,  dass,  nachdem  in  jener  stelle 
von  her  =  eher  die  rede  gewesen  ist,  hernach  dasselbe  tier  (urftd  = 
alter,  ausgewachsner  eher)  noch  einmal  genant  sein  solte.    Demnach 

1)  Leo  Meyer,  bemerknngen  zur  &1  testen  gesch.  d.  grieeb.  mythologie.  Gott 
1857,  8.  26.        2)  Das  Kolmer  r.  ist  mir  nicht  zur  band  gewesen. 


PIB  JAOD  m  NIBBLXmaXNLTSDB  408 

hiesse  es  eine  Unsicherheit  aus  der  andern  erklären  wollen,  wenn  wir 
die  scheinbar  durch  das  Kulmer  recht  gesicherte  form  urful  in  den 
Schwabenspiegel  einsetzten,  also  urful  heizet  ein  hSrswin,  und  daraus 
fttr  das  Nibelungenlied  auf  halpftd  =  halbausgewachsnes  schwein  schlös- 
sen. Wir  gelangen  folglich  zu  dem  negativen  ergebnisse,  dass  wir 
weder  wissen,  welche  form  ursprünglich  im  Nibelungenliede  gestanden 
hat,  noch  was  fQr  ein  tier  das  von  Siegfried  zuerst  erlegte  gewesen  ist 

Das  zweite,  der  löwe,  den  vielleicht  seine  Schnelligkeit  vor 
Siegfrieds  schwort  gerettet  hätte,  wird  mitten  im  laufe  erlegt  durch 
einen  pfeilschuss,  durch  eine  scharfe  sträie,  die  Siegfried  in  den  bogen 
gezogen  hatte;  er  ist  so  gut  getroffen,  dass  er  nur  noch  drei  Sprünge 
macht  und  die  genossen  Siegfried  für  den  meisterschuss  danken  (879). 
Wunderlich  erscheint  uns  die  einführung  des  löwen  an  dieser  stelle: 
J.  Grimm  (Rein.  Fuchs  s.  XL  VI) ,  gibt  eine  erklärung  dafür ,  wie  er 
überhaupt  in  die  tierfabel  komt:  „von  den  frühsten  zeiten  wurde  er 
zur  schau  herumgeführt  und  an  den  höfen  der  könige  und  fürsten  zur 
pracht  gehalten.  Auch  die  phantasie  durfte  sich  den  könig  der  tiere 
in  fernerem  hintergrunde  denken ,  als  den  gewöhnlichen  wolf  und  fuchs; 
wenige  hatten  den  löwen  gesehen,  darum  hülte  sich  ein  geheimnisvol- 
les, der  dichtung  zuträgliches  dunkel  um  ihn.'^  Au  unserer  stelle  will 
der  dichter  offenbar  den  Siegfried  dadurch  ehreu ,  dass  er  ihn  ein  so 
seltenes,  so  königliches  wild  erlegen  lässt 

Ahnlich  ist  die  Ursache  der  einführung  des  wisent  und  des  ür. 
Nach  der  gewöhnlichen  annähme  ist  der  wisent  =  bos  bison  {bos  bona- 
sus),  meist  fillschlich  auerochs  genant,  der  noch  jezt  in  dem  urwald 
von  Bialowitsch,  im  gouvernement  Orodno,  in  gehegter  Schonung  erhal- 
ten wird,*  während  der  bos^  urus  {bos  primigenius),  der  Ar,  der 
eigentliche,  echte  auerochs,  bereits  seit  mehreren  Jahrhunderten  aus- 
gestorben ist  (Brehm,  388  fgg.);  seitdem  sprechen  die  berichterstatter 
nur  noch  von  einer  art  wilder  ochsen,  die  sie  bald  ür,  bald  unsent 
nennen.  Unter  benutzung  dieser  Zeugnisse  hat  Q.  G.  Pusch  in  War- 
schau '   zu  beweisen  versucht,   dass   ur  und  toisent,    slav.-lett.    Tur, 

1)  S.  Job.  Fr.  Brandt,  zoogeogr.  u.  palaontol.  Beiträge  (aus  bd.  II  der  zwei- 
ten Serie  der  yerhaadlangen  der  rassisch -kaiserl.  mineralogischen  geselschafb  za 
St  Petersburg  besonders  abgedruckt).  St.  Petersb.  1867  s.  136  fgg.  Brehm ,  Tier- 
leb. III*,  385  fgg.  —  Nach  Brandt,  über  d.  vermeintl.  Unterschied  des  caucasischen 
Bison  vom  Lithauischen  Anerochsen,  Moskau  1866,  lebt  er  im  Caucasus  noch  jezt 
wild.  —  Diese  beiden,  in  Deutschland  seltnen  Schriften  habe  ich  durch  gütige 
yermittlung  des  herrn  prof.  v.  Fritsch  aus  der  bibl.  der  k.  Leopoldin.  akademie 
erhalten. 

2)  Anhang  zur  Paläontologie  von  Polen;  und  im  archiv  für  naturgesch.  her- 
auageg.  von  Wiegmann,  VI,  1,  8.47  —  137,  1840;   die  erste  schrift  habe  ich  nicht 


494  MATTHIAS 

Zubr,  lat.  ums,  bison,  eine  uud  dieselbe  riuderart  (=  bos  urus  L,\ 
und  dass  urus  das  inänncben,  wisent  das  Weibchen  derselben  bezeichne. 
Gegen  Pasch  hat  sich  namentlich  J.  Fr.  v.  Brandt  erklärt  (beitr. 
usw.),  indem  er  die  alte  ansieht  verteidigt,  dass  ?or  alters  zwei  arten 
wilder  ochsen  in  Deutschland  existierten:  zunächst  sucht  er  auf  grund 
von  fossilen  resten  die  Verbreitung  der  |i)eiden  tiere  in  vorhistorischer, 
sodann  auf  grund  von  historischen  Zeugnissen  die  Verbreitung  derselben 
in  historischer  zeit  zu  bestimmen,  indem  er  sich  bei  lezterer  Unter- 
suchung namentlich  bemüht,  die  glaubwürdigkeit  der  vonPusch  citier- 
ten  zeugen  zu  erschüttern ,  die  ür  und  unsent  als  Synonyma  gebrauchen, 
und  umgekehrt  diejenigen  als  glaubwürdig  hinzustellen,  die  die  beiden 
als  zwei  verschiedene  arten  unterscheiden:  seine  ansieht  ist  offenbar 
die  richtige;  denn  keiner  von  Puschs  gewährsmännern  sagt  ausdrück- 
lich, dass  ur  oder  tur  das  männchen,  wisent  oder  zubr  das  Weibchen 
bezeichne;  vielmehr  ist  aus  ihnen  nur  zu  schliessen,  dass  zu  ihrer  zeit 
i)r  und  wisent  gemeinschaftliche  namen  derselben  gattnng  waren.  Puschs 
hauptzeuge,  Dtugosz,  gebraucht  sogar  beide  namen,  als  er  von  der 
jagd  eines  stieres  redet ;  wenn  also  die  behauptung ,  dass  ür  das  männ- 
chen ,  wisent  das  weibeben  bezeichnet ,  richtig  wäre ,  müste  man  anneh- 
men, dass  wisent  zwei  bedeutungen  gehabt  habe,  eine  weitere,  welche 
die  art,  und  eine  engere,  welche  das  weibchen  derselben  bezeichnete. 
Jene  behauptung  aber  steht  auf  sehr  schwachen  füssen;  sie  gründet 
sich  einzig  und  allein  auf  unsere  Nibelungenstelle:  Pusch  argumentiert: 
der  dichter  nent  880,  d  kirze  und  hinde,  also  männchen  und  weibchen 
einer  art;  880,  1.  2  eich  und  schdch^  d.  h.,  nach  Puscbs  ansieht,  eben- 
fals  das  weibchen  (eich)  und  das  männchen  (schelch)  des  elentiers: 
folglich  muss  dem  gesetze  der  analogie  gemäss  auch  ür  und  wiseni 
männchen  und  weibchen  einer  art  sein.  Diese  ganze  behauptung  aber 
wird  schlagend  widerlegt  durch  die  einfache  tatsache,  dass  der  dichter, 
wenn  er  unter  wisent  das  weibchen  des  wUdstieres  verstanden  hätte, 
das  wort  auf  keinen  fall  mit  dem  männlichen  artikel  versehen  haben 
würde,  in  welchem  alle  handschriften  übereinstimmen,  880,  1:  einen 
wisent  und  einen  eich.  Also  bleibt  von  Puschs  resultaten  nur  das 
eine  bestehen,  dass  eine  anzahl  spätmittelalterlicher  autoren  ür  und 
Wisent  als  synonyme  namen  für  eine  und  dieselbe  tierai't  gebrauchen; 
aber  auch  das  lässt  sich  erklären:  seit  nämlich  die  eine  art  (ür)  aus- 
gestorben war,^  wendete  man  den  lebendig  gebliebenen  namen  dersel- 

hekommen  können;  die  zweite  verdanke  ich  der  gfMe  des  hm.  geb.  rat  prof.  Kühn 
in  Halle. 

1)  Nach  Schade,  der  dem  ur  und  icisent  im  altdeutsch,  wb.  II*,  8. 1173  tgg, 
einen  aehr  ausführlichen  artikel  widmet,  ist  der  ür  in  Deutschland  bis  etwa  run 
1800  beieugty  weiter  östHch,  an  derSkwa,  einem  nebenfluss  der  Karewa»  bii  1600. 


SIS  JAOD  nc  NIBELXTRGBNLISDB  495 

ben  irtümlich  auch  auf  die  überlebende  art,  den  wisent,  an  und 
gebrauchte  schliesslich  beide  namen  als  Synonyma.  Dass  aber  die  Ver- 
wechslung nicht  algemein  wurde  und  viele  sich  des  ursprünglichen 
Unterschiedes  wol  bewust  waren,  das  beweist  die  grosse  anzahl  der 
von  Brandt  zur  Unterstützung  seiner  ansieht  citierten  Schriftsteller,  die 
von  Schade  (a.  a.  o.)  noch  beträchtlich  vermehrt  wird.  Auch  den  dich- 
tem scheint  der  unterschied  noch  bewusst  gewesen  zu  sein,  sonst  hät- 
ten doch,  wie  an  unserer  stelle,  beide  arten  nicht  getrent  von  einan- 
der aufgezählt  werden  können;  vü  wisent  und  ürrinder  erwähnt  auch 
Türheim,  Wilh.  136";  und  im  Iwein  409  fgg.  heisst  es:  dävahten  mit 
grimme  —  mit  griulicher  stimme  —  tcisente  und  ürrinder;  bemerkens- 
wert in  bezug  auf  leztere  stelle  ist,  dass  in  der  französischen  vorläge 
(Crestien,  chev.  au  lyon,  ed.  Holland.  Hannover,  1862.  v.  278)  steht: 
tars  salvages,  ors  et  Hepar z^  d.  h.  wildstiere ,  hären  (nicht  tlre)  und 
leoparden. 

Der  unsent,  den  unter  anderen  Brehm  und  Schade  genau  beschrei- 
ben ,  war ,  wenn  man  von  dem  löwen  absieht ,  das  gefährlichste  unter 
den  jagdbaren  tieren ,  „seine  jagd  hohe  manneslust  und  auch  im  liede 
gefeiert"  (Schade).^ 

Der  ür  gehört  zu  den  tieren,  die  Caesar  als  bewobner  der  süva 
Hercynia  nent;  ihm  war  berichtet  worden  (b.  gall.  VI^  28):  sie  seien 
magnitudine  pauio  infra  dephantos,  specie  et  cohre  et  figura  tauri; 
die  alten  Deutschen  fingen  sie  in  fallen  (faveae)^  vielleicht  weil  bei  der 
Unzulänglichkeit  ihrer  waifen  es  zu  gefilhrlich  war,  ihnen  offen  zu 
begegnen.  Caesar  berichtet  auch  von  der  grosse  und  gestalt  ihrer  hör- 
ner und  dass  die  alten  Deutschen  sich  derselben  als  trinkhörner  bedient 
hätten,  nachdem  sie  den  rand  mit  silber  eingefasst;  schon  damals 
erwarben  sich  unverdrossene  Jäger ,  wie  jezt  Siegfried  (884)  einen  y^pris 
des  jeides"' :  hoc  se  labore  durant  adulescentes  et  qui  plurimos  ex  his 
interfecerunt ,  relaiis  in  publicum  camibus  quae  sint  testimonio  mag- 
nam  ferunt  la/udem.^ 

1)  Vgl.  GrimiD,  altd.  wäld.  III,  16.    Deutsche  heldens.«  161,  nr.  &8. 

2)  Ober  palaeontologisches  vorkommen  des  wisenUa  and  des  wres  in  JDeatsch- 
land  bemerkt  Brandt  a.  a.  o.  s.  111 :  „die  meisten  reste  des  wisent  (hos  bison)  hat 
bisher  das  Rheinthal  geliefert  ...  So  wurden  in  einer  kiesbank  am  Rheinnfer  bei 
Erfelden  zwei  schädel  nebst  skeletteilen  gefanden.  Zwei  anf  dem  V^ormser  rathans 
bewahrte  stammen  wol  auch  aus  dem  Rheindilavium.  Im  jähre  1828  wurde  bei 
Speier  ein  schädel  aus  dem  Rhein  gezogen.  In  Mannheim  fischte  man  zwei  schä- 
del*^ usw.  und  8.  159:  „Deutschland  gehört  zu  den  reichsten  fnndgruben  der  reste 
des  echten  urstiera  [bos  primigenius).  Man  hat  darin  dieselben  sowol  im  diluyium 
als  auch  in  noch  jüngeren  schichten,  und  zwar  nicht  blos  in  den  nördlichen,  son- 
dern auch  in  den  südlichen  ländergebieten  ?on  Ostpreussen  und  Schlesien    an  bis 


496  MATTHIAS 

Auch  das  elentier  war  dem  Caesar  nicht  unbekant  geblieben: 
appeUantur  cdces,  sagt  er  bell.  gall.  VI,  27;  darauf  folgt  die  wunder- 
liche mär,  dass  sie  kein  geweih  und  kein  kniegelenk  hätten  und  die 
auf  lezteren  umstand  gegründete  originelle  jagdweise;  auch  die  alten 
Deutschen  erkanten  schon  das  tier  an  seiner  fthrte:  quarum  ex  vesti- 
giis  cum  est  aninuidversum  a  vefuUortbus,  quo  se  recipere  consuerinf 
et,;  zur  zeit  der  Ottonen  waren  die  tiere  offenbar  schon  selten  gewor- 
den, sonst  hätten  die  kaiser  nicht  jene  befehle  gegen  deren  jagd  zu 
erlassen  brauchen,  auf  die  wir  bei  erwähnung  des  schelch  sogleich  zu- 
rückkommen werden.  Nach  Leunis  (Synopsis  des  tierreichs  I  ^  s.  164; 
vgl.  Brehm,  s.  105)  verschwanden  sie  1746  aus  Sachsen,  1769  aus 
Galizien,  1776  aus  Schlesien,  zu  anfang  dieses  Jahrhunderts  aus  Preus- 
sen,  bis  auf  einige  in  königlichen  forsten,  z.  b.  in  Ibenhorst  bei  Tilsit, 
wo  sie,  nach  der  starken  Verminderung  im  jähre  1848,  noch  jezt  sorg- 
lich geschont  werden. 

Der  schelch  ist,  wie  schon  oben  erwähnt  wurde,  em  uns  unbe- 
kantes  tier.  Die  vorher  berührte  Vermutung,  dass  schelch  vielleicht 
das  männliche  elentier  oder  den  hirsch  bezeichne,  ist  zuerst  von  Bu- 
jack  (preuss.  provincialbl.  17,  97  fgg.  1837)  ausgesprochen  worden, 
ohne  jedoch  von  ihm  bewiesen  zu  werden;  auch  Pusch  (a.  a.  o.  s.  133 
fgg.)  bringt  nichts  stichhaltiges  zum  beweis  der  von  ihm  adoptierten 
ansieht  vor;  Brandt  (a.  a.  o.  s.  193  fg.)  verwirft  zwar  jene  erklärung, 
billigt  aber  dafür  eine  andere,  noch  viel  weniger  haltbare,  die  von 
Pfeiffer  aufgestelt  worden  ist  (Germ.  VI,  225),  dass  nämlich  schelch 
der  bockhirsch  {tragelaphus ,  hircocervus)  oder  riesenhirsch  (giganieus, 
megaceros)  sei.'  Diese  erklärung  stüzt  sich  darauf,  dass  scelo  und 
schdo  in  althochd.  glossen  neben  tragelaphus  steht  (s.  Oerm.  VI,  225) ; 
sie  wird  aber  hinfällig  durch  die  feststehende  tatsache,  dass  der  rie- 
senhirsch in  der  historischen  zeit  nicht  nachgewiesen  ist;  alle  quellen- 
stellen über  den  tragelaphus  aber  gehen  auf  Plinius  zurück ,  der  ihn 
nur  am  Phasis  keut*  In  einer  urkuude  Otto  I.  vom  jähre  943  heisst 
es :  niemand  solle  ohne  die  erlaubnis  des  bischofs  in  pago  Trentano  die- 
jenigen tiere  jagen,  quae  teutonica  lingua  elo  aut  schelo  appeUantur; 
das  verbot  wird  später  noch  zweimal  widerholt,  1006  und  1025;  in 
der  Urkunde  von  1006  steht:  elo  et  schelo;  jedenfals  ist  nicht  daran 
zu  zweifeln,  dass  alle  drei  Urkunden  zwei  verschiedene  tiere  unter  elo 

zum  Rheiuthal ,  und  von  Würtemberg  bis  Moklenburg  entdeckt  .  . .  Eine  namhafte 
zahl  von  resten  dea  urocbsen  Ueferte  das  Rheinland,  die  meist  in  den  nmseen  von 
Darmetadt,  Mannheim,  Frankfurt  und  Bonn  aufbewahrt  werden.** 

1)  Job.  Fr.  Brandt,  a.  a.  o.  s.  96  halt  den  nchelch  für  cervuB  euryceros. 

2)  Zeitachr.  f.  ö.  O.  1865,  s.  517  fg.    1866,  s.  482.    Leunis,  a.  a.  o.  s.  164. 


DIE  JAGD  IM  NIBELWOBNIilRDE  497 

und  schdo  verstanden  haben.  Da  sie  also  beide  tiere  zur  hohen  jagd 
in  Drenthe  {pagus  Trentanus)  rechnen ,  müssen  doch  wol  beide  damals 
noch  als  wirklich  jagdbare  tiere  im  fürstlichen  banforst  gelebt  haben.* 

Die  zahl  der  erlegten  hirsche  und  binden  wird  gar  nicht  genant 
(880,  4),  offenbar,  weil  ihre  erlegung,  wegen  der  verhältnismässig 
unerheblichen  gefahr  und  leistung  des  Jägers,  dem  dichter  nach  dem 
bisher  geschilderten  geringfügig  erschien. 

Ein  grosser  eher  ist  das  nächste  vom  Spürhund  aufgescheuchte 
wild;  er  begint  zu  fliehen;  des  gejeides  meist  er,  wie  hier  (881,  3)  Sieg- 
fried genant  wird,  hestuont  in  üf  der  släy  daz  swin  zorneclicJien  lief 
an  den  küenen  degcfi  sä  (881,  3.  4).  Einen  hestän  heisst  sich  jemand 
entgegenstellen,  um  ihn  zu  bekämpfen,  ihn  anzugreifen;  der  angegrif- 
fene muss  demnach  dem,  der  ihn  besteht,  entgegenkommen;  da  das 
von  dem  Spürhunde  verfolgte  schwein  vor  dem  hunde  herflieht,  wartet 
Siegfried  auf  dasselbe,  bis  dieses  auf  dem  wege,  den  es  einschlägt, 
üf  der  slä,  in  höchster  wut  geradezu  gegen  ihn  andringt  sZa,  abge- 
kürzt aus  diu  slage^  komt  von  sla/ien^  und  bedeutet  die  spur  des  ein- 
schlagenden hufes,  also  fast  dasselbe,  wie  vart  (Grimm,  Gr.  III,  396); 
üf  der  slä  heisst  daher  eigentlich  auf  der  spur,  auf  dem  wege,  den 
das  tier  gemacht  hat,  weshalb  auch  meist  von  einer  Verfolgung  der 
slä  die  rede  ist,  z.  b.  Iw.  5961 :  setzt  iuch  rehte  üf  sine  slä,  d.  h.  ver- 
folgt seine  spur,  schlagt  seine  spur  ein.  Da  aber  hier  Siegfried  das 
schwein  unmöglich  bestehen  kann,  wenn  es  vor  ihm  herflieht  und  er 
es  verfolgt ,  so  kann  hier :  er  bestuont  in  üf  der  slä  nur  bedeuten :  er 
stelte  sich  dem  eher  auf  seinem  gewohnten  wege  entgegen,  er  hemte 
seinen  lauf  dadurch,  dass  er  ihm  den  weg,  den  er  einschlagen  wolte 
und  sonst  gewöhnlich  eingeschlagen  hatte ,  abschnitt ;  das  schwein  ent- 
zieht sich  ihm  nicht  dadurch ,  dass  es  von  der  bahn  abspringt ,  sondern 
läuft  ihn  wütend  an  (vgl.  das  bild  b.  Alw.  Schultz  I,  363).  Das  leich- 
tere, sicherere  und  eben  deshalb  gewöhnliche  wäre  gewesen,  den  eher 
mit  dem  jagdspiess  abzufangen;  aber  eben  deshalb  verschmäht  das 
Siegfried  und  zeigt,  dass  es  ihm  ein  leichtes  ist,  den  rasenden  eher 
mit  dem  blossen  Schwerte  zu  erlegen. 

Damit  hat  Siegfrieds  jagd  ein  ende  erreicht;  der  spürhund  wird 
gefangen  und  an  die  leine  gelegt  und  die  beute  gemustert ,  „die  strecke 
gemachf^  (882),  erst  jezt  komt  der  von  Siegfrieds  taten  fortgerissene 
und  ganz  eingenommene  dichter  dazu,  auch  der  jagdgenossen  erwäh- 
nung  zu  tun.  Überall  rings  herum  hallt  berg  und  tal  wider  von  lärm 
und  geschrei,  woran  Siegfried  und  seine  begleiter  merken,  dass  auch 

1)  S.  Roth,  a.a.O.  s.  299. 

SSXTRCHR.   F.   DEUTSCHE   PniLOLOOIE.      BD.  XY.  32 


4d8  MATTHIAS 

die  übrigen  parteien  mit  voller  lust  sich  der  jagd  hingegeben  haben. 
Nachträglich  erfahren  wir  hier,  dass  auf  Hagens  aufforderung  hin 
(s.  oben,  s.  485)  bei  beginn  der  jagd  sich  die  geselschaft  in  24  parteien 
aufgelöst  hatte,  deren  jede  auf  einem  besonderen  revier  jagte.  Da  bei 
der  oben  besprochenen  art  und  weise  zu  jagen  die  parteien,  um  einan- 
der nicht  ins  gehege  zu  kommen,  für  sich  je  einen  ziemlich  grossen 
räum  beanspruchten,  so  ist  anzunehmen,  dass  das  gesamte  Jagdrevier 
ein  sehr  ausgedehntes  gewesen  sei:  883,  4  wird  gesagt:  vier  unde 
ewcinzec  (C :  drizec)  ruore  die  jegere  heten  vertan. 

Das  wort  raore  ist  oft  und  ausführlich  behandelt  worden:  zuerst 
in  den  beitragen  z.  erkl.  u.  gsch.  des  Nibl.  v.  Fr.  Zarncke  (Lpz.  1857. 
s.  161  fgg.),  welcher  ruore  erklärt  als  spur:  hochspur  im  laub  (s.  oben 
8.  490),  dann  fussspur  an  der  erde;  an  unserer  stelle  sei:  34  raore  vei-- 
län  so  viel  als :  üf  vier  und  dnzec  ruoren  daz  gehünde  Verlan.  Dage- 
gen behauptete  MüUenhoff  (Haupts  ztschr.  XI,  262  fgg.),  ruore  bedeute, 
wie  schon  Lachmann  es  aufgefasst  hatte  (kl.  sehr.  I,  111):  koppel  hunde, 
meute:  24  meuten  wurden  losgelassen.  Zarncke  suchte  ihn  zu  wider- 
legen in  PfeilF.  Germ.  IV,  421  fgg.;  auch  der  artikel  ruore  im  mhd.  wb. 
(II,  1,  815  fgg.),  von  derselben  band  herrührend,  begünstigt  natürlich 
die  bedeutung  spur,*  während  Lexer  die  ansieht  MüUenhoffs  vertritt. 
Zarncke  gibt  selbst  zu,  dass  mit  der  bedeutung  „spur''  an  mehreren 
stellen  nichts  anzufangen  und  dass  dieselbe  namentlich  an  unserer  stelle 
nur  gezwungen  anzuwenden  ist.  In  der  tat  ist  sie  aber  durch  keine 
stelle  sicher  zu  beweisen.  Aber  auch  die  von  MüUenhoff  angenommene 
bedeutung  ist  zu  eng  und  reicht  nicht  für  alle  stellen  aus. 

rüeren  ist  zunächst  movere;  erst  daraus  gieng  die  bedeutung  tow- 
gere  hervor,  weil  durch  anrühren  am  sichtlichsten  bewegung  entsteht; 
noch  heute  ist  der  ausdruck  gebräuchlich:  „die  saiten  rühren^;  auf 
rüeren  in  der  ersten  bedeutung  allein  ist  ruore  zurückzuführen;  es  ist: 

1)  das  in  bewegung  setzen»,   daher:  das  aufscheuchen,  die  Ver- 
folgung. 

2)  die  entstandne  bewegung:  flucht  des  wildes. 

3)  das  in  bewegung  gesezte:  das  fliehende  wild. 

4)  das  in  bewegung  setzende:   die  meute^   d.  h.  die  schar  der 
zusammengekoppelten  hunde.^ 

1)  Ebenso  Genn.  VIII,  56  fgg. 

2)  Das  französische  wort  meiUe  ist  seiner  bildnng  und  bedeutung  nach 
ZQgleich  ein  analogen  zn  dem  deutschen  ruore;  denn  meute  ist  entstanden  aus  mit- 
tellatein.  movüa  («=  motos).    Diez,  etym.  wb.  d.  rom.  spr.*  2,  376. 


DIB  JAGD  m  NIBBLUNGRNLIEDB  499 

Das  loslassen  der  meute  wird  doppelt  ausgedrückt:  man  sagt 
entweder  von  ruore  län,^  d.  h.  die  einzelnen  hunde  von  der  gesamt- 
heit  derselben  lösen,  sie  loslassen  zur  aufspümng  des  wildes;  oder,  wie 
an  unserer  stelle:  die  ruore  verlän^  d.  h.  die  je  zu  einer  schar  zusam- 
mengekoppelten hunde  auf  die  spur  des  wildes  schicken,  natürlich, 
nachdem  jeder  einzelne  der  fessel  entledigt  worden  ist.  24  meuten  sind 
also  losgelassen  worden;  da  je  eine  meute  zu  einer  partei  gehört,  so 
ist  daraus  zu  schliessen,  dass  die  jagdgeselschaft  in  24  verschiedenen 
Parteien  gejagt  habe;  je  eine  meute,  je  ein  ritter  und  je  ein  gefolge 
von  dienern  gehörten  immer  zusammen;  davon  macht  Siegfrieds  partei 
nur  insofern  eine  ausnähme ,  als  sie  nicht  von  einer  meute  von  hundon, 
sondern  nur  von  einem  einzigen  hunde  begleitet  wird;  dieselbe  ist 
natürlich  nicht  etwa  eine  von  den  24  parteien ;  vielmehr  geht  aus  unse- 
rer stelle  deutlich  hervor,  dass  nach  des  dichters  meinung  ausser 
Siegfried  24  ritter  mit  24  meuten  gesondert  von  einander  gejagt  hät- 
ten. Die  zahl  der  erlegten  tiere  war  in  folge  dessen  gross:  do  muo- 
sai  vil  der  tiere  Verliesen  da  daz  leben  (884,  1). 

Günther  ist  der  erste,  der  zur  herberge  zurückkehrt,  und  lässt 
die  andern  durch  hornsignale  herbeirufen  (886);  daraus  ist  nicht  zu 
schliessen,  daes  das  Jagdrevier  nicht  weiter  gewesen  sei,  als  eines  hor- 
nes  ton  vernehmbar  war;  vielmehr  wird  die  zunächst  jagende  partei 
durch  ein  hornsignal  geantwortet,  von  dieser  es  wider  die  nächste 
vernommen  haben  und  so  fort,  wie  es  die  zusatzstrophe  in  BC  (886, 
5  fgg.)  ausmalt:  dö  sprach  ein  Slfrides  jägere:  herre,  ich  hän  vemo- 
nien  von  eines  liornes  duzze  daz  wir '  nu  sidn  homen  zuo  den  herbcr- 
gen:  antwurten  ich  des  wü,  do  wart  nach  den  gesellen  gevräget  bla- 
sende vil. 

Jede  partei  bringt  die  erlegten  tiere  oder  von  solchen,  deren 
fleisch  nicht  gegessen  wurde,  nur  die  häute  mit  nach  der  herberge: 
die  brähten  mit  in  dar  vil  tnaneger  tiere  hiute  und  wildes  genuoc  (885, 
2.  3);  jede  hofft,  sie  werde  die  meisten  tiere  erlegt  haben,  ihr  werde 
der  ims  des  jcides  zu  teil  werden ;  als  aber  Siegfried  mit  seiner  Jagd- 
beute sichtbar  wird,  ist  daran  nicht  mehr  zu  denken  (884,  3.  4):  er 
reitet  voran,  seine  begleiter  folgen;  durch  den  lärm  wird  ein  bär  aus 
seinem  lager  aufgescheucht  (887);  Siegfried  verspricht  eine  kurzweil 
und  heisst  den  hund,  der  nach  beendigung  der  jagd  wider  an  die  leine 
gelegt  worden  war,  auf  den  baren  hetzen;  er  selbst  reitet  beiden  nach 
(889)  in  der  hofnung,  den  baren  zu  errUen;  das  ist  aber  nicht  mög- 
lich,   da  derselbe   sich  in  ein  gevelle  flüchtet,    wo  er  glaubt  vor  den 

1)  So  z.  b.  an  der  oben,  s.  490  angeführten  stelle  dos  Tristan. 

•32* 


500  MATTHIAS 

Verfolgern  sicher  zu  sein  (889).  Für  das  wort  geveUe  sind  wol  schwer- 
lich zwei  ableitungen  anzunehmen  (wie  schon  das  mhd.  wb.  3,  224* 
bemerkt),  die  eine  von  fallen,  die  andere  von  fd,  felis,  fds  (s.  Benecke, 
anm.  z.  Iw.  3836);  denn  selbst  an  den  stellen,  wo  geveUe  durch  gebirge 
und  enge  erklärt  und  der  mte  entgegengesezt  ist,  kann  man  an  fels- 
stücke denken,  die  wild  durcheinandergefallen  sind;  gevelle  ist  also  eine 
gegend ,  die  durch  umgestürzte  bäume  oder  felsstücke  unwegsam  gewor- 
den ist.  Der  reitende  Siegfried  kann  dem  hären  dahin  nicht  folgen; 
er  springt  vom  pferde,  föngt  ihn  lebendig,^  ohne  ihn  zu  verwunden, 
und  bindet  ihm  die  schnauze  und  die  füsse  zusammen  (899,  2),  so 
dass  er  weder  kratzen  noch  beissen  kann  (891,  1);  darauf  bindet  er 
ihn  an  den  sattel  und  reitet  zur  feuerstätte  (891,  2.  3):  er  hräht  ejs 
an  die  viwerstat  .  .  .  zeiner  hurzwUe  (4):  die  ursprüngliche  bedeutung 
des  wertes  kurzmle:  kurze  zeit,  die  noch  lebendig  ist  in  dem  adver- 
bium  hurzwilen,  in  kurzer  zeit  (Walth.  16,  25),  ist  ganz  zurückgetre- 
ten vor  der  abgeleiteten:  das  was  die  zeit  verkürzt,  Zeitvertreib,  ver- 
gnügen, welche  bedeutung  allein  auch  durch  das  verbuni  vertreten 
wird:  Icurzwilen,  sich  die  zeit  verkürzen,  sich  ein  vergnügen  machon, 
und  durch  die  adjectiva:  Tcurzwilec,  kurzunllich,  TcurzwUedUh  (Lex.); 
das  erst  nhd.  auftretende:  die  langeweile  unterscheidet  sich  seinem 
bedeutungsumfange  nach  dadurch,  dass  es  nicht  auch,  wie  hurzmle, 
das  bezeichnet,  was  die  Stimmung  herbeiführt,  sondern  nur  diese  selbst. 

Als  Günthers  diener  dem  Siegfried  das  ross  abnehmen  weiten, 
löste  er  den  hären  vom  sattel  und  von  seinen  banden;  dieser  strebte 
dem  walde  zu  (899,  4),  geriet  aber,  erschreckt  durch  das  laute  bellen 
der  gekoppelten  hunde  (901,  3)  in  die  küche,  wo  er  viel  unheil  anrich- 
tete: hey  —  man  merkt  des  dichters  behagen  an  der  Situation!  — 
waz  er  kuchenknehte  von  detn  viwer  sehtet!  vil  kezzele  wart  gerüeret 
(in  bewegung  gesezt,  umgeworfen),  zerfüeret  nmnic  hrant:  hei  waz 
nian  guoter  spise  in  dem  asdien  ligen  vant!  (900,  2.  3.  4).  Es  hatten 
nämlich,  während  die  ritter  jagten,  küchenknechte  über  ofnem  feuer 
und  in  kesseln  für  die  stolzen  jäger  rUerspise  (904,  4)  bereitet,  indes 
andere  diener  tische  (904,  2.  907,  2)  und  bänke  (901,  1)  aufgeschlagen . 
hatten.  Die  herren  und  ibre  mannen,  die  schon  bei  tische  sassen, 
sprangen  auf  und  griffen  nach  spiess  und  bogen ,  um  dem  hären  den 
garaus  zu  machen ;  keiner  aber  konte  zum  schuss  konunen ,  weil  man 
fürchten  muste,  einen  von  den  hunden,   die  man  auf  Günthers  geheiss 

1)  das  tier  was,  unhehuot,  nicht:  sorglos,  sondern:  uubcschüzt,  nicht  sicher, 
nämlich  vor  Siegfried,  wie  aus  den  folgenden  Worten  hervorgeht:  ez  enkund  im 
nüU  entrinnen. 


DIB  JAOD  Uf  MIBBLtJNOBNLISDB  501 

losgekoppelt  hatte  (901,  2),  zu  treffen;  berg  und  tal  hallen  wider  von 
dem  entstandenen  lärm  (902,  4);  der  bär  rent,  verfolgt  von  den  hun- 
den,  dem  walde  zu,  keiner  von  den  beiden  vermag  ihn  zu  ereilen, 
ausser  Siegfried ,  der  der  kurzweil  dadurch  ein  ende  macht ,  dass  er  das 
tier  mit  dem  Schwerte  erlegt  (903,  3),  welches  nun  zu  dem  andern 
wild  in  die  küche  ^  wandert  (903),  während  Siegfried,  von  den  genos- 
sen ob  seiner  stärke  und  Schnelligkeit  gerühmt,  mit  diesen  zu  der 
mahlzeit  zurückkehrt. 

Damit  ist  die  Schilderung  der  js^d  zu  ende;  der  rest  des  VIII.  lie- 
des  erzählt  die  ermordung  Siegfrieds ,  die  durch  den  wetlauf  ermöglicht 
wird.  Trotzdem  Günther  und  Hagen  sam  zwei  toUdiu  pantd  durch 
den  klee  laufen,  komt  Siegfried  doch  eher ,  als  sie,  zum  bnmnen  (917); 
seine  bescheidenheit,  die  ihm  verbietet,  eher  als  sein  wirt  zu  trinken, 
erleichtert  Hagen  die  ausführung  des  meuchelmordes ;  dessen  hemd  wird 
von  Siegfrieds  herzblut  gerötet  (922,  3);  der  schild  ist  Siegfrieds  ein- 
zige waffe:  der  ganze  wert  hallt  wider  von  den  schlagen,  die  er  mit 
ihm  ausführt  (927,  2);  doch  bald  mel  in  die  Uuomen  der  Kriemhüde 
man  (929,  1).  Die  übrigen  ritter,  die  als  kamp&ichter  (914,  3.  4) 
den  um  die  wette  laufenden  langsamer  gefolgt  sein  werden,  müssen 
von  weitem  gesehen  haben ,  wie  Hagen  Siegfrieds  waffen  bei  seite  trägt, 
doch  ohne  zu  wissen  warum;  nun,  als  der  mord  ausgeführt  ist,  eilen 
sie  herbei  (932);  die  iht  triwe  heien  von  den  wart  er  geldeit  (932,  4); 
doch  ist  der  respekt  und  die  furcht  vor  den  herren  so  gross,  dass  sie 
übereinkommen,  zu  berichten,  Siegfried  sei^  als  er  allein  jagen  gerit- 
ten, im  walde  von  mördern  erschlagen  worden  (940.  941);  sie  legen 
den  leichnam  auf  einen  schild  (der  was  von  golde  rot),  und  bringen 
ihn,  nachdem  sie  die  nacht  abgewartet  haben,  nach  Worms,  die  edelste 
beute  der  jagd:  ein  tier,  daz  st  da  sluogen  daz  weinden  eddiu  hint. 
ja  muosten  sin  enkelten  vil  guoter  wigande  sint  (943,  3.  4). 

1)  Ob  von  dorn  erlegten  wilde  etwas  zar  mahlzeit  verwendet  worden  ist, 
wird  nicht  gesagt,  doch  ist  es  anzunehmen;  das  meiste  wird  man  natürlich  mit 
nach  Worms  genommen  haben;  von  Siegfrieds  jagdbeate  wird  es  ausdrücklich  gesagt: 
912,  1.  2. 

BARMEN,   IM   AUGUST   1882.  E.   MATTHIAS. 


LITTERATÜR. 

(iHimniiiatUi^he  abbandtungen  li  orans^og.  Tun  Kiti-I  Wcliibolil.  1.  Ca», 
rad  Htlllcr,  Beiträge  zum  leb«n  and  diehten  Daniel  Ckspeis  v«n 
Lohenstein.    Brasluii,  Eoebner,  1882.    Xn,  lOTs.  8.    M,  3. 

Unter  den  liiabtem  Scblcsiena  ixt  gerade  Lohenatein  von  der  litUrArhÜto- 
risohea  forscbang  wenig  bcaclitct  geblieben.  Abgesehen  reu  der  ziemlich  leeren 
abhanditing  PaBsowB  (1852)  bat  ihm  nur  K<wlthoffe  (1877)  eine  »chrift  gewidmet, 
die  einiges  bibtiograpbische  matorial  beibringt  nnd  im  übrigen  den  dit^tor  mit  mrbr 
eifer  aU  gllick  gegen  du»  Gbliehe  renrerfecde  urteil  in  schnti  nimt.  Im  gegetuuU.1 
hierzu  bat  die  rorliegendo  tüchtige  arbeit  ihr  bau pt verdienet  in  der  genaaeren  arfur- 
schung  »on  Lobensteina  lebenageschicbte.  Der  verfaaaer,  ein  schüler  Weinholds, 
hat  dnrcb  fleiasige  aasnutzong  der  scbleaischen  arcbiTe  zahlreiche  einielheiten  klar- 
gelegt und  beriehtigt;  bisweilen  allerdings,  doch  nicht  oft,  hat  ihn  wol  daa  stre- 
ben, ein  mSglichst  Tolntändiges  nnd  nnBohaiiliehes  bild  zu  geben  und  eine  leicht 
begreifliche  Vorliebe  fdr  den  landxmaun  zu  viel  diu  den  vorhandenen  nacbrichUn 
folgern  lauen.  Featgeatelt  iat,  daas  der  dichter  bis  zam  35.  jähre  nnr  den  nuten 
Daniel  Catper  oder  latäniriert  CaapaTt  fahrte:  der  wappenbrief,  in  dem  au  11.  juli 
1670  seinem  vater  und  deasen  famllie  der  adel  mit  dem  zuaatze  von  Lohonatoin 
verlieben  wurde,  war  im  vorigen  jähre  hier  in  Berlin  auf  der  beraldJacbon  anistel- 
Inng  in  sehen.  Anafllbrlich  dargeatelt  wird  die  achuhcit  ftnf  dnm  Mngdalen&nm 
ta  Breslau ,  in  die  mehrere  poetische  verauche,  darunter  der  Ibrahim  basaa,  fallen. 
Nach  einer  troclienen,  musterhaft  verwanten  Studienzeit  ~  wir  bören  weder  von 
dichterischer  tatigkeit  noch  von  einer  liebachaft  —  wird  D.  Oasper  IHSTi  (nicht 
1654)  in  Tübingen  zum  dr.  ior.  promoviert,  bereist  DeiiteclilMid,  die  Sohwoiz  nnd 
die  Niederlande,  läset  aich  16.')7  in  Breslau  als  rechtsanwalt  nieder  timl  heiratet. 
Seine  drei  gOter  Reisau,  ItoscbkowitE  und  Kittelau  sind  ihm  nicht,  wie  die  älteren 
biugrapben  berichten,  durch  seine  fran  zugebracht,  sondern  erst  später  vou  ihm 
erworben  nnd  ererbt.  Nenea  bringt  ferner  der  aaf  arehivaüachon  quellen  mhondo 
abacbnitt  über  die  diplomatische  sendnng  nach  Wien ,  welche  Lobenstoin  1676  ala 
syndiena  der  republil^  BroHlan  bbemabm ,  um  eine  ermäsaigung  der  drüclionden 
stenerlasten  berbeizutilhren.  Wenn  er  hier  al.i  ein  gawiBsenhaftcr  arbeitor  nnd 
Dilchterner,  klug  berechnender  geschaftaniaDn  erscheint,  der  alle  mittel  daran  seit, 
die  interessen  seiner  stadt  an  dem  r&nkevoUen  Vaiserlicbcn  bofc  zn  Turdem ,  so  ver- 
trägt sich  dies  recht  wol  mit  dem  bilde,  das  uns  seine  dicbtnngen  liafem:  dem 
eines  innerlich  kalten  manne»,  der  durch  gelehrsamlieit,  wie  sie  in  den  anmerkuH' 
gen  zu  den  tragödien  masaenweise  aufgespeichert  iiit,  and  durch  gesuchten  wort- 
pmnk  zu  ersetzen  strebt,  was  ihm  an  dichteiisohcm  feuer  abgeht. 

Anf  eine  umfassende  betriichtung  der  einzelnen  verke  Lohenateina  hat  Hül- 
ler verzichtet.  Er  teilt  s.  28  das  frostige  klagegodicht  anf  den  tod  seiner  mnttcr 
mit  nnd  bespricht  s.  17— S6  den  Ibrahim  basaa,  den  der  fünfzehnjährige  Lohen- 
stein nach  einem  von  Zesen  Bbersozten  romane  der  6cuder3r  dichtet«.  Deraetbe 
roman  gab  die  grundlage  frir  ein  1684  zu  Dresden  gcdracktes  miachspiel  *oo 
A.  A.  von  Haiigwitz.'    das  jedoch  achon  vor  nekn  jahrtn  auff  ein»r  miinrtiüt 

I)  HQller  ist  dassalba  aningiUigtieh  geblieben;  ich  bsnuita  du  eiemplar  der 
Berliner  bjbliothtk.  Tn  dieier  flnd^t  sich  anob  der  i.  Till*  genante  „Pooliicbn  «s«- 
stMher"  17S0,  der  fibrigona  htupt«ichlieh  den  po«tii«hnB  wort  der  godifhi«  lon  llanke 
«rdrterl  und  vertridigt  und  LahensttiD  nur  kun  (n.  IIA)  erwibnt. 


BOLTE,  ObEB  MÜLLKB,  LOHENSTEIN  503 

einer  damahls  von  etlichen  Studenten  zu  einiger  sprach -ubung  tmter  sich  auff ge- 
richteten comoedianten  compctgnie  zugefallen  auffgesetzt  worden  war:  Obsiegende 
tügend  oder  der  bethörte  doch  wieder  bekehrte  Soliman.  Hier  ist  die  glückliche 
lösung  der  vorläge  beibehalten,  ohne  dass  freilich  die  motiviemng  genügte,  wäh- 
rend Lohenstoin  den  schluss  tragisch  gestaltete.  Eine  kentnis  oder  benntzung 
Lohensteins  tritt  nirgends  hervor.  Die  spräche  des  Ibrahim  bassa  steht  noch  ganz 
unter  dem  einflusso  von  Gryphius  und  ist  von  der  späteren  Marinischen  manier 
Lohonsteins  im  wesentlichen  frei.  Klarer  würde  dieses  Verhältnis  hervortreten, 
wenn  wir  eine  Untersuchung  besässen  über  den  wertschätz  und  stil  des  Gryphius 
und  der  nächstfolgenden  tragiker,  wenn  festgestelt  wäre,  welche  neubildungen 
besonders  in  den  compositis  bei  Lohenstein  zuerst  auftreten.  Hoffentlich  entschliesst 
sich  der  Verfasser  dazu,  der  schon  über  die  compositionsweise  der  beiden  dichter 
treffende  bemerkungen  gemacht  hat.  Es  wäre  hier  auch  eine  gelogenheit  zu  einer 
zusammenfassenden  behandlung  der  ganzen  klasse  von  dramen  aus  der  türkischen 
gcschichte,  welche  in  der  litteratur  des  17.  Jahrhunderts  einen  solchen  räum  ein- 
nimt,  nachdem  dieselben  stoffe  schon  in  der  früheren  periode  vielfaches  interesse 
erregt  hatten.  Ich  möchte  hier  beiläufig  auf  eine  hergehörige,  wie  es  scheint,  noch 
unbekante  handschrift  der  Berliner  bibliothek  (ms.  germ.  quart  436)  aufmerksam 
machen,  welche  wol  dem  17.  Jahrhundert  angehört  und  aus  dem  besitze  einer  komö- 
diantentruppe  stammen  mag.  Sie  enthält  ein  dreiaktiges  drama  in  prosa,  die  an 
einzelnen  stellen  in  alexandriner  übergeht.  Der  titel  ist  verloren.  Inhalt:  der  per- 
sische könig  Selim  hat  seinen  söhn  Selimor  auf  verläumderische  anklage  hin  zu 
töten  befohlen.  Die  verlobte  desselben  Aribane  bewegt  ihren  vater,  den  türkischen 
sultan  Soliman,  gegen  den  unnatürlichen  vater  zu  fclde  zu  ziehen.  Der  prinz  ist 
aber  durch  einen  vertrauten  gerettet  worden  und  befreit  verkleidet  in  der  schlacht 
seinen  vater  aus  den  bänden  der  erbitterten  Aribane.  Selim  beauftragt  seinen  uner- 
kanten  lebensretter,  ihm  die  liebe  der  gefangenen  prinzessin  zu  verschaffen.  Als 
Selimor  ihr  seinen  wahren  namen  nent,  sinkt  sie  in  Ohnmacht;  der  argwöhnische 
könig  komt  hinzu  und  lässt  ihn  ins  gefängnis  werfen,  wo  er  in  raserei  verfalt. 
Eine  Verschwörung  seiner  freunde  nötigt  Selim  zur  nachgiebigkeit  und  bringt  alles 
ins  gleiche.  Als  probe  stehe  hier  der  anfang ,  ein  monolog  Selims :  Du  Blaxieß  fter- 
nendach,  du  goldt  gefärbte  Sonne  undt  feJber  weißer  Mondt,  die  ihr  un/er  reich  von 
deß  feindeß  ungehemmtem  Lauff  mit  folchen  gluclcßßraMen  gefegnet  und  befcheinet, 
....  foll  den  nun  Soliman  der  perfen  Reich  zerfiören?  —  Den  schluss  des  Müller- 
schen  buches  (s.  64 — 107)  bildet  eine  Untersuchung  über  das  Verhältnis  der  beiden 
ausgaben  der  Cleopatra  von  1661  und  1680,  auf  welches  zuerst  Kerckhoffs  seine  auf- 
merksamkeit  gerichtet  hatte.  In  methodischer  und  übersichtlicher  weise  erörtert 
der  Verfasser  die  umfangreichen  Vorstudien  Lohensteins  bei  der  Umarbeitung,  welche 
die  ganze  pedantische,  schwerfällige  art  des  mannos  treflich  charakterisieren,  seine 
änderungen  in  der  composition  und  im  ausdruck,  welche  zum  grossen  teil  aus  dem 
streben  nach  bühnenwirkung  hervorgehen ,  endlich  seine  orthographischen  grundsätzc. 
Die  entstehung  der  ersten  gestalt  der  tragödio  sozt  er  mit  grosser  Wahrscheinlich- 
keit in  den  winter  1655—56.  Zum  schluss  noch  eine  nebensächliche  berichtigung: 
s.  75*  wird  behauptet,  von  Antonius  Liberalis  seien  aus  dem  alterturoe  keine  Schrif- 
ten überliefert;  es  stehen  aber  seine  fiftafioQ(fnoa(ig  in  allen  samlungen  der  grie- 
chischen m jthographen ,  in  der  von  Westermann  (1843)  s.  200. 

BERLIN.  JOHANNES  BOLTE. 


504  MACHTBAG  UND  BEBICHTIOUNOEN. 

NACHTRAG  UND  BERICHTIGUNGEN. 

(Zu  Seite  470,  zeUe  18.) 

Ein  grossartiges  misverständnis  ist  es  ancb,  wenn  er  zn  6733 
schreibt:  ^Wir  möchten  wünschen,  dass  die  Möglichkeit,  dieses  Anwe- 
sen bei  Nacht  vom  Balkon  zn  erblicken,  durch  einen  kleinen  Zusatz 
betont  worden  wäre.^  Er  fasste  also ,  wie  unglaublich  es  auch  scheint, 
die  werte:  „Da  seh'  ich"  im  sinne:  „Ich  sehe  da,"  während  sie  offen- 
bar heissen:  „Wenn  das  Luginsland  errichtet  ist,  werde  ich  sehen."* 
Und  diese  doutung,  von  der  man  meinen  solte,  sie  sei  kaum  zu  verfeh- 
len, war  längst  ausdrücklich  gegeben. 

(Zu  Seite  471,  zeile  15.) 

Erst  nach  absendung  meines  aufsatzes  erhielt  ich  den  artikel 
„Kritische  Goethe -Ausgabe"  von  Max  Koch  (Beilage  zur  Allgemeinen 
Zeitung  1882,  294),  wo  mit  recht  v.  1365:  „Rieselt,  säuselt,  Wölk- 
chen, kräuselt"  in  zwei  kürzere  auf  einander  reimende  verse  zerlegt 
wird;  die  anrede  „Wölkchen"  tritt  im  folgenden  verse  nach,  ähnlich 
wie  1365  „Nebeldünste,  schwangre  Streifen."  Dagegen  kann  ich  Koch 
nicht  folgen,  wenn  er  1940  „Strand"  statt  „Stand"  verlangt,  ein  frei- 
lich nahe  liegender,  aber  von  mir  längst  verworfener  und  nicht  der 
erwähnung  wert  gehaltener  gedanke.  Der  grausen  wogenden  welle 
(„Graus  und  Wog'  und  Welle")  steht  das  feste  land  entgegen,  wo  er 
feststehen  kann  (der  „feste  Stand").  Der  Strand  des  meeres  ist  nicht 
fest,  wird  vielmehr  immer  wider  von  der  flut  bedeckt.  Eine  tautolo- 
gie  ist  in  den  werten:  v.Er  führte  mich  .  .  .  zum  festen  Stand"  und 
„Hier  fass'  ich  Puss!"  nicht  vorhanden.  Jezt,  wo  er  festen  boden 
unter  sich  fQhlt,  will  er  nicht  vom  platze  weichen,  sich  nicht  von  den 
geistern  verdrängen  lassen,  sondern,  wenn  sie  ihn  berauben  wollen,  mit 
ihnen  streiten. 

KÖLN.  HEINIUCU   DÜNTZEB. 


S.  364  z.  15  1.  Pailler  statt  Pailer. 

S.  365  z.  7  V.  u.  kann  milich  als  svarabhakti  gefasst  werden;  vgl.  an.  mjölkr, 

1.  mulgeo. 
S.  375  z.  17  V.  u.  1.  8.  368  statt  s.  5. 

INNSBRUCK.  WACKKBNELL. 


505 


L    SACHREGISTER. 


ablaat,  german. ,  s.  yocalismns. 
Alberichs  quelle  u.  seine  benntzimg  durch 

Lampr.  223  ff.    vgl.  Lamprecht. 
Albrechts  Titurel ,  s.  Wolfr.  v.  Eschenb. 
Alexandersage:    vermutlich    ist    im 

11,  jh.  ausser  der  bekant.  darstellung 

noch  eine  andere ,   direct  auf  Pseudo  - 

Eallisth.  gehende  vorhanden  gewesen 

222—29.  vgl.  Lampr. 
althochdeutsch:    MuspilU,    s.    dies. 

St.  Emmeraner  denkm.:    glossen  79  — 

82.    glossar.  Salomonis  lat  82  f.   gloss. 

aus  Sedulius  83.    St.  Emmer.  gebet  83. 

Otlohs  gebet  84—87.     Preisinger  pa- 

temost.  87  f. 
AnnOy  8.  Lampr. 
antiphonarien  11. 
Arnsteiner  Marienieich,  siehe  dies. 

bailade  s.  romanze. 

Bürgers  persönlichkeit  297  f.  seine 
ersten  bailaden  299  f.  Lenore  300—309. 
die  übrigen  bailaden  310  —  330.  dar- 
stellungsweise 331  ff.  Volkstümlichkeit 
332  ff.  spräche  336  ff.  reim,  metrik 
339  ff.  —  nachfolger  in  der  balladen- 
dichtung  341  ff.    Goethe  342.    Schiller 

342  f.     die  romantiker  343.     Uhland 

343  f.    die  neueren  344. 

Cato,  bruchst.  des  deutsch.  C.  289—296. 
Cronegks  bailade  138  anm.    vgl.  Gleim. 

dialekt:  vocalism.  des  schwäb.  d.  253  f. 
vgl.  niederdeutsch. 

St.  Emmeran.  gebet,  s.  althochd. 

opistel-  u.  evangelienbuch,  alt- 
deutsch., ist  ein  Supplement  zu  ein. 
sacramentarium  11.  der  codex  eine 
abschrift  für  den  gebrauch  12.  anord- 
nung  12  f.  epist.  u.  evang.  an  Sonn- 
tagen 13.  am  Stephans-  u.  Johannis- 
tag 13.  an  and.  heiligentagen  13.  — 
Verhältnis  zu  d.  missale  Boman.  u.  a. 
lectionar.  u.  homiliar.  13 — 23.  vor- 
läge und  quelle  23.  —  einteilung  und 
einrichtung  der  altdeutsch,  pred.  über- 
haupt 23  L  47  f .  —  nachweis  der  pe- 
ricop.  z.  Eeinz- Haupts  bruchstücken 
24—26.  zu  Müllenhoff- Scherers  denk- 
mälem  26  f.  zu  den  pred.  in  Hoff- 
manns fundgr.  27 — 30.  zu  Keiles  spec. 
eccles.  altd.  30 — 37.  zu  Boths  pred. 
des  12.  u.  13.  jh.  37  f.  zu  Wackema- 
gel  altd.  pred.  38— 42.  zu  Steinmeyers 
recens.  derselben  42.  zu  Grieshabors 
deutschon  pred.  42 — 44.  zu  Leysers 
deutsch,  pred.  44—47.    vgl.  predigten. 


etymologie,  über  deutsche  etym.  255. 

evangeliarien  11. 

Floia,  d.  älteste  deutsche  maccaron.  ged. 
250  f.    verf.  W.  Lauremberg?  251. 

Freising.  paternost,  s.  ahd. 

Froumund,  zeugnis  für  s.  aufenthalt  in 
Feuchtwangen  421  f.  lebenszeit  422. 
aufenth.  in  Würzb.  428  f. 

Geisslers  romanzen  173 — 177. 

Gleims  romanzen  138  — 153.  Cronegks 
nachahmung  138  anm.  Gleims  Vorbil- 
der 138-141.  s.  romanz.  141—151. 
versmass  151.  preuss.  kriegslied.  151  ff. 
das  typisch,  sein,  manier  u.  d.  bänkel- 
sänger  153  —  156.    vgl.  Löwen. 

glossen:  St.  Enmieran.  79 — 82.  glossar. 
Salomon.  lat.  82  f.    gl.  aus  Sedul.  83. 

Gongoras  einfl.  auf  Gleim  139. 

Goethes  balladen  342.  Faust,  teil  II: 
behandlung  antiker  metra  434—447.  — 
fehler  im  1.  druck  der  Helena  447. 
fehlerhaft,  anap.  u.  daktyl.  im  1.  act 
447 — 450.  correctur  durch  Eckormann 
u.  Biemer  451.  verhältn.  des  1.  druckes 
von  act  I  anf.  u.  Hei.  z.  text  der  ge- 
samths.  452 — 456.  textgestaltung  der 
2.  halte  des  2.  teils  456—468.  grund- 
sätze  für  d.  textgestaltung  468—471. 

Gotters  romanz.  184 — 187. 

Guiot  V.  Provence,  persönl.  Schicksale 
409  f.  unter  seinen  freund,  besonders 
graf  Philipp  v.  Elsass  410  f.  verschaft 
dem  G.  das  schon  v.  Grestien  benuzte 
„buch"  411.  419.  s.  orientreise  412  f. 
Wolframs  verh.  z.  Guiot  413  f.  seine 
haupthelden  414  f.  —    vgl.  Wolfram. 

Herders  verdienst  um  d.  Volkslied,  ballado 
u.  romanze  189 — 193. 

Höltys  bailad.  183  f. 

Jul.  Yalerius  einfl.  auf  Alberich -Lampr. 
224. 

Eaiserchron. ,  s.  Lampr. 

Eudrun,  interpolat.  u.  contaminat.  194 
— 203.  entwicklung  der  sage  u.  dich- 
tung  203  f.  nachtrage  u.  ergänzungen 
zu  Martins  ausg.  204  —  222. 

Lamprechts  quelL  223  ff.  vgl.  Alexander- 
sage. Übereinstimmung  mit  Anno  und 
kaiserchron.  224  ff. 

Lauremberg,  s.  Floia. 

lectionar  ien  11. 

Leo  presbyter,  histor.  de  prel.,  einfluss 
auf  gestaltung  der  deutsch.  Alexander- 
sage 222  ff. 

liederbuch,  Münchner,  goschrieb.  v.  dr. 
Hartm.  Schedel  u.  a.  105. 


506 


SACHREOTSTBB 


lingua  romanza,  s.  romanze. 

liturgiRche  mittelalt.  werke,  s.  ep.  u.  cv. 

Löwcns  romanzen  156  —  IGl,  R.  romanz. 

Liitbcrs  stolluDg  z.  säebs.  kanzlei  252. 

Tnaccaronischc  poesie,  s.  Floia. 

Marienlob.  brud.  Pbilipps,  bruchst.  280 — 
28G. 

Maricnleich,  Arnsteincr:  handschr.  345  — 
347.  metrum  347  f.  zeit  der  cntste- 
hung  348  ff. 

metrik :  bcbandlang  der  antiken  niotra  in 
Goethes  Faust  434—443.  444  ff.  bei 
Schiller  437  f. 

missalo  Romanum,  entstehung  und  Ver- 
hältnis z.  altdeutsch,  ep.-  und  evange- 
lienbach,  s.  dieses. 

Moncrifs  oinfl.  auf  Gleim  140. 

Münchner  liederb.,  s.  dieses. 

miindigkeit,  s.  rechtsaltertümer. 

Mnspilli:  toxt  der  hs.  70  —  73.  äusse- 
res derselben  73  f.  ursprüugl.  gestalt 
des  ged.  74  ff.  Inhalt  74  f.  metrik 
75  f.  spräche  76  ff.  der  text  ist  das 
original,  nicht  abschrift  77.  aufge- 
zeichnet nach  dem  eredäohtnis  (dar<*h 
Ludw.  d.  D.?)  77  f.  ^^79.  ästhet.  Wür- 
digung 78  f.  sprachl.  vgl.  mit  anderen 
ahd.  denkraälern  79 — 88.  grammatik 
88-101.    reconstruction  101  —  104. 

Nibelungenlied,  spur,  von  3  klass. 
von  dichtem  229  f.  tätigkeit  der  2. 
klasso  nachgewiesen  a.  d.  Schilderung 
vom  empfang  der  gaste  230—241.  — 
die  jagd  im  VIU.  Hede:  Vorbereitungen 
dazu  471  —  473.  Jagdrevier  473  -  476. 
Siegfrieds  jagdausrästung:  Waffen  476 
—481.  kleidung  481  —  485.  art  der 
jagd  485—487.  die  hundo  487—489. 
498  f.  die  warte  489  ff.  Siegfrieds 
Jagdbeute  491  —  497.  499  f.  rückkehr 
und  tod  499  ff. 

niederdeutsches  maccaron.  gedieht  Floia 
250  f. 

Orthographie  der  denkmäler  dos  14. — 
16.  jh.  u.  d.  Weizsäckcrscho  normali- 
sierung  369  —  374. 

Otlohs  gebet,  s.  ahd. 

passionsgeschichtc ,  bruchst.  277  —  280. 

patemoster,  Freisinger,  s.  ahd. 

rcrcys  einiluss  auf  die  deutsche  ballade 
und  romanze  190  f. 

pericopen,  s.  epist.-  u.  evangclienbuch. 

Philipp,  bruder,  bruchst.  des  Marienleb. 
280—286. 

Philipp  V.  Elsass,  s.  Guiot. 

predigten,  altdeutsche,  s.  epistel- 
u.  evangel.-bach.  —  prod.  auf  fest- 
u.  heiligentage  257—272.  bilden  mit 
den  V.  Grieshaber  und  Jeitteles  ediert, 
bruchstücke  eines  und  desselb.  predigt- 
buchs  259  ff.    Ordnung  des  erhaltenen 


nach  d.  kirchenjahr  273  ff.  spräche, 
heimat  derselben  275  f. 

Pseudo  -  Kallisthenes ,  einfluss  auf  d.  Ge- 
staltung der  deutschen  Alexandorsage 
223  ff.  228  f. 

Raspe,  Hermin  u.  Gunilde  161  —  165. 

rechtsaltertümer:  mündigkeit,  ritterschlag 
usw.  204  f. 

ritterschlag,  s.  das  vor. 

romantiker  als  balladendichter  343. 

romanze  u.  ballade:  algemeines  129 ff. 
name,  heimat  130  ff.  singbarkeit  132  ff. 
musikal.  behandl.  133  f.  erstes  auftre- 
ten der  ballade  in  Deutschland  im  1.5. 
u.  16.  jh.  134  f.  verschiedene  gestal- 
tungen  (ep.,  lyr. ,  dram.)  135  f.  — 
begriff  und  entwicklung  der  kunst- 
romanze  136  f.  Gleimsche  r.  138—153. 
Gongoras  und  Moncrifs  romanzendich- 
tung  138—141.  Löwens  r.  156—161. 
Raspe  161  — 165.  Schiebelers  operrom. 
nach  franz.  vorbild  165  — 169.  seinN 
mythol.  r.  169—173.  Geisslers  r.  173 
— 177.  andere  rom.  dichter,  d.  sogen, 
r.  der  deutsch.  181  f.  —  Hölt^s  bai- 
laden 183  f.  Gotters  rom.  184  —  187. 
Herders  Verdienste  um  ball.  u.  rom.  189. 
193.  Percys  einfl.  auf  d.  deutsche  dich- 
tung  190 f.  Bürgers  rom.-  u.  balla- 
dendichtung,  s.  diesen.  —  Goethes  bai- 
laden 342.  Schillers  342  f.  der  roman- 
tiker 343.  Uhlands  343  f.  der  neueren 
344. 

sacramentarien  10.    vgl.  epist.  u.  ev. 

Salomons  glossar,  s.  ahd.  u.  gloss. 

Schedel,  dr.  Hartmann,  schreiber  des 
Münchner  liederb.  105. 

Schiebelers  operromanze  165  —  169.  my- 
thol. r.  169  —  173. 

Schillers  balladen  342.  f. 

Schmähgedichte,  alte  deutsche,  s.  Volks- 
lied. 

schwäbisch:  über  vocalism.  des  scbwäb. 
dial.  253  f. 

Sedulius,  glosscn,  s.  ahd. 

Stophanstag,  feier  13. 

ühlands  balladen  343  f. 

Ulrich  V.  Singonberg,  s.  Walther. 

Ulrich  V.  Türheim,  Willehalm,  bruchst. 
286—289. 

vocalismus:  darstellg.  des  Zusammen- 
hanges des  german.  vocal.  mit  dem 
ursprachl. :  Schleichers  system  2-4. 
Curtius  -  Müllenhoff- Scherer 4 — 6.  Ame- 
lung  6  ff. 

Volkslied:  bruchstücke  von  volksl.,  ver- 
einigt ZU  7  quodlibets  in  einer  Oldenb. 
hs.  48  —  57.  nachweis  verschiedener 
bruchst.  57  —  62.  —  bruchst.  v.  schmäh- 
ged.  auf.  d.  Schneider  62.  lioderanfango 
aus  d.  jus  potandi  63.    aus  Opizii  diss. 


YERZBICHNIS  DBB  BBSPBOCHENEN  8TBLLBN 


507 


de  pul.  63.  —  Dofensionsschrift  der 
kipper  und  wipper  (17.  jh.)  63  ff. —  vgl. 
romanze,  Bürger. 

Walther  v.  d.  Vogelweide,  vocal- 
spiol  (li.  75,  25)  verglichen  mit  ülr. 
V  Singenhergs  parodie  (Wackernagel 
s.  253)  69. 

Wolfram  v.  Eschenhach:  war  Guiot 
V.  Prov.  sein  vorbild?  384  f.  beider 
auffassungen  des  Grals,  religiös,  ansich- 
ten  des  12.  jh.  in  Frankreich  386  f. 
Kyots  erdichtete  quelle  388  f.  Wolf- 
rams u.  Albrechts  Titurol  389  ff.  Zwei 
v.  Bartsch  aufgenomm.  unechte  fragm. 
Wolframs  391.  die  heilige  lanze  bei 
Guiot,  Wolfram  und  Albr.  392  f.  die 
frage  Parcivals  393.  Guiots  und  Wolf- 
rams verhältn.  zur  legende  394.  die 
hcrkunft  des  Grals  und  das  Gralkönig- 
geschl.  bei  Albr.  394  ff.  seine  crwäh- 
nung  des  Vespasian  u.  Tiberius  397  f. 
Wolframs  Vorstellung  v.  Gral  398.   wie 


komt  er  zu  den  bedeutsam,  franz.  na- 
men  und  ihrer  deutung?  399  ff.  die 
vielen  aus  Solin  stammend,  ländemam. 
weisen  auf  Guiot  400.  ebenso  d.  Gah- 
muretgesch.  b.  Albr.  400.  häufung  von 
eigennamen  u.  streben  nach  bedeuten- 
den heidnisch.  4(X)  f.  spuren  eines  ver- 
schollenen Gahmuret  -  romans  401  ff. 
herkunft  französischer,  Wolfr.  u.  Hart- 
mann gemeinsam,  namen  403  f.  spuren 
von  andern  bearbeitungen  der  Parcival  - 
und  Gralsage  404  f.  endlose  erweite- 
rung  des  sagenstoffs  durch  Heinr.  vom 
Türlin  in  der  Krone  405.  ausdehnung 
der  romanhaften  bearbeitungen  auf  un- 
bekantere  holden  407  ff.  —  Guiots  per- 
sönlichkeit, s.  diesen.  Wolfram  benuzt 
mit  Guiot  Crestiens  vorläge  411.  Wolf- 
rams Umgestaltung  der  überkommenen 
sage  u.  sein  Verhältnis  zu  den  quellen 
415  -  419. 


II.    VERZEICHNIS  DER  BESPROCHENEN  STELLEN. 


Altdeutsches  epistel- 

und  evangelienbuch 

(ed.  Stejskal). 

XVI,  2  s.  12. 
XXXIII ,  6  s.  12. 
XXXIX,  6  s.  12. 
LV,  2.  19  s.  12. 
LXXI ,  15  s.  12. 
LXXVII ,  5  s.  12. 
LXXXIV,  9  s.  12. 


Walther  v.  d.  Vogel 

weide. 

18, 

15  s.  358  f. 

75, 

25  ff.  s.  66  ff. 

84, 

30  s.  358  f. 

Eudrun. 

4  u 

.  18  s.  204  f. 

99, 

4  s.  206. 

101, 

1  s.  206. 

105, 

2  s.  207. 

159, 

1  8,  207. 

286, 

4  s.  209. 

288, 

4  S.209. 

366, 

4  s.  210. 

436, 

2  s.  211. 

637, 

3  s.  213. 

657, 

4  s.  214. 

763, 

4  s.  215. 

893,  2  s.  216. 

946— 1048  (inh.)  s.  194- 

198. 
1225  8.  199. 
1274-79  s.  199. 
1305  s.  200. 
1316  s.  200. 
1320  8. 199. 
1322  s.  199. 
1329,  4  s.  200. 
1362  s.  198. 
1436 ,  1  s.  220  f. 
1463  s.  221. 

Nibelungenlied. 

807—943  (jagd)  s.471  — 

501. 
856  f.  s.  485  ff. 
1036  ff  8.  473  f. 

Proumund  (Seiler). 

s.  386  8.  420. 
8.386,  anm.  2  8.421. 
s.  390,  anm.  2  s.  421. 
s.  495,  anm.  2  s.  421. 
8.  401.  402.  404  8.  422. 
8.  410,  anm.  z.  VII  s.  422. 
8.418,  V.  17.  23  s.'422f. 
8.  430  8.  423. 
ged.  XXXIX  s.  428. 
-    XLin  8. 423-28. 430. 


Kuodlicb  (Seiler). 

8.  35  8.  431. 
s.  231  8.  431. 
8.  233  s.  431. 
s.  240  s.  431. 
8.  304  s.  431. 

Erlauer  spiele  (ed. 
Kummer). 

m ,  1  s.  374. 

553  8.  374. 

780  8.  374. 

1236  8.  374. 

VI,  120.  124  s.37.5. 

138  8.  375. 

150  8.  375. 

217,  18  8.  375. 

224  8.  375. 

408—10  8.376. 

Arnsteiner  Marien 
leich. 

16—29  8.  351. 

30  s.  351  f. 

50  s.  352  f. 
132  8.  354. 
151  s.  354. 
160  8.  355. 
162—63  8.  355  f. 
236  f.  8.  356  f. 
248  —  51  8.  357  f. 


506 


WOBTBBOIBTKB 


in.    WORTREGISTER. 


Mlttellateiniseh. 

buglossa  8.  432  f. 
lyni  8.  432  f. 

ligurias  -  lyncarium  (edelst.) 
B.432f. 


Italienisch. 

baUäta  s.  132. 

Althoehdentsch. 

antlutti  8.  244. 
brühhan  8.  245. 
cracithrahto  8.  245. 
irbeizzen  s.  244  f. 
trinwa,  gitrinwi  s.  245. 

Mittelhoebdentseh. 

abelouf  s.  491. 
andougo  s.  354. 
antwerc  s.  478. 
bestan  s.  497. 
bir8en  s.  485. 


eich  8.  496. 
galeide  s.  208. 
genozzon,  nngenozzen 

8.  488  ff. 
gor  8.  480. 
gcvelle  8.  500. 
gewaete,  gewant  8.  476. 
grede  s.  205. 
halp8wnol  usw.  8.  492  f. 
beide  8.  357. 
berberge  8.  475. 
kurzwTle  8.  500. 
lewe  8.  493. 
lidic  8.  354. 
Indem  8.  481. 
ruore  8.  498  f. 
sab8  8.  479. 
schelch  8.  496. 
slä  8.  497. 
8trale  8.  479. 
suochman  s.  487. 
tülle  8.  479  f. 
unwizigbeit  s.  356. 
ür  8.  495. 
vinstor  s.  351. 


vürewi8e  s.  486. 
wäfen  8.  477. 
warte  s.  489  ff. 
wert  8.  484. 
wi8ent  8.  493  ff. 

Niederdeatflclu 

äne,  an  s.  359  ff. 
antweder,  antwer,  anter, 

enter  360  ff. 
hantmlle  8.  362. 
imnnge ,  imige  8.  363. 
kolse  8.  363. 
körbom  8.  362. 

Neohocbdentseli  and 
dialekte. 

ban8en  8.  61. 
brexc  s.  59. 
dillo  doUe  8.  61. 
hotta  8.  59. 
Hendel,  linnel  8.  60. 
romanzioren  (^^  travestie- 
ren) 170  anm. 


Halle  «.  S. ,  Bschdrackerei  des  Wtdanhänan. 


3  blOS  013  G17  113 


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