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ZEITSCHRIFT
FÜR
DEUTSCHE PHILOLOGIE
HERAUSGEGEBEN
VON
Dr. ernst HÖPFNER und Dr. JULIUS ZACHER
PBOTIIIZIALSCHULIUT IN KOBLENZ PBOF. A. D. DHIVBBSITÄT ZD HALLK
FÜNFZEHNTER BAND
EILDEiJßAsD
LIBEAßy
HALLE,
VERIJia DEB BCCHHAKDLDNO DES WAISBNKAÜSES.
1883.
-TAMCOD-
rvA^.5^-^^^n
i=\ , • 3 q 1 0 '^ .
INHALT.
Seite
Der gennanische ablaut in seinem Verhältnis zum indogermanischen vocalis-
mns. Von H. Collitz 1
Altdeutsches epistol- und evangelienbnch. in. Von Karl Stejskal 10
Beitrag zur kentnis filterer deutscher Volkslieder. Von A Lübhen 48
Zu Walthers vokalspiel. Von Heinrich Giske 66
uMspilli. Von F. Piper 69
Das Münchoner liederbuch. Von K. Frommann 104
Die bailade und romanze von ihrem ersten auftreten in der deutschen kunst-
dichtung bis zu ihrer ausbildung durch Bürger. Von P. Holzhaus e^n 129. 297
Zur Kudrnn. Von E. Martin 194
Zur kritik des Nibelungenliedes. Der empfang der gaste. Von Emil Eettner 229
Bruchstücke aus der samlung des Freiherrn von Hardenberg. Vierte reihe.
(Fortsetzung zu bd. XIV s. G3 fgg.) 1. 2. Predigten auf die fest- und hei-
ligentage. 3. Passionsgeschichto. 4. Aus bruder Philipps Marienleben.
5. Aus dem Willehalm Ulrichs von Türheim. 6. Cato .....t 257
Zum Arnsteiner Marienieich. Von H. Jellinghaus 345
Zu Walther 18, 15 und 84, 30. Von Franz Presch 358
Beitrage aus dem Niederdeutschen. Von Fr. Woeste 359
Sein oder nichtsein des Guiot von Provence. Von San-Marte 385
Zu Froumunds briefcodex und zu Buodlieb. Von Georg Schopss 419
Der text des zweiten teiles von Goethes Faust. Von Heinr. Düntzer und
nachtrag 434. 504
Die jagd im Nibelungenliede. Von E. Matthias 471
Miscellen.
Bericht Aber die Verhandlungen der deutsch -romanischen section der XXXVI.
versamlung deutscher philologen und schulmänner in Karlsruhe , vom 27. bis
30. September 1882. Von prof. Amersbach 249
Preisausschreiben des „Vereins für deutsche literatur" 256
Litteratur.
Arkiv for nordisk filologi. Udgivet under medvirkning af S. Bugge (Chri-
stiania), Nicolaus Linder (Stockholm), Adolf Noreen (XJpsala), Ludv.
F. A. Wimmer (Kjebenhavn) , Theodor Wisen (Lund) ved Gustav
Storm; angez. von E. Mogk 126
IV INH.\LT
C. Juli Caesaris bolli Gallici libri VII , accessit A. Hirti über octavas. Becen-
suit Alfred Holder; angcz. von W. Dittenberger 241
Islendzk Aeventyri. Isländische legenden, novellen und märchen herausg. von
H. Gering; angez. von B. Symons 242
Althochdeutsches lesebuch. Zusammongestelt und mit glossar versehen von
Wilhelm Braune. 2. aufi. Die spräche und litteratur Deutschlands bis
zum zwölften Jahrhundert Für Vorlesungen und zum Selbstunterricht bear-
beitet von dr. Paul Piper; angez. von E. Sievers 244
Erlauer spiele. Sechs altdeutsche mysterien nach einer handschrift des XV. Jahr-
hunderts zum ersten male herausgegeben und erläutert von dr. Karl Ferd.
Kummer; angez. von J. E. Wackernell 364
Walther von der Vogelweide, herausg. und erklärt von W. Wilmanns. Zweite
volstftndig umgearbeitete ausgäbe. (A. u. d. t.: Germanistische handbiblio-
thek, hsg. von Julius Zacher); angez. von Emil Henrici 376
Die deutsche philologie im grundriss, von Karl vonBahder; angez. von Karl
Kinzol 379
Mittelhochdeutsche metrik. Leitfaden zur einftihrung in die lectüre der classi-
ker. Von Rieh. v. Muth; angez. von K. Kinzel 381
Reinhold Becker, Der altheimische minnesang; angez. von Emil Henrici 383
Germanistische abhandlungen , herausg. von Karl Weinhold. I. Conrad Mül-
ler, beitrage zum leben und dichten Daniel Caspers von Lohenstein; angez.
von Joh. Bolto 502
Register von E. Matthias 505
DEE GERMANISCHE ABLAUT IN SEINEM VERHÄLTNIS
ZUM INDOGERMANISCHEN VOCALISMUS.
Die Untersuchungen auf dem gebiete des indogermanischen voca-
lismus haben im laufe des lezten Jahrzehntes zu einer völligen Umge-
staltung der ansichten über das System und die entwickelung der
indogermanischen vocale geführt. Ein moment nach dem anderen
ergab sich, welches mit der hergebrachten theorie nicht recht in ein-
klang stand, und während man anfangs noch hofien durfte, mit einer
entsprechenden modification des alten Systems auszureichen, hat sich
schliesslich herausgestelt, dass auch der eigentliche kern jener theorie —
die lehre von den drei vocalreihen, welche auf den drei grundvocalen
und ihrer Steigerung beruhen solten — nicht mehr zu halten sei.
Über diesen negativen teil der vocalischen frage ist man sich heute
wol ziemlich auf allen selten klar; hinsichtlich der positiven aufstel-
lungen aber, durch welche die alte theorie zu ersetzen sei, herscht nicht
dieselbe klarheit. Allerdings hat sich jezt für manche, man kann wol
sagen für die mehrheit der vocalischen erscheinungen ein Zusammen-
hang ergeben, welcher an einfachheit und geschlossenheit der lehre
von den drei vocalreihen nichts nachgibt. Allein dies System ist nicht
überall so bekant geworden und hat nicht überall diejenige aufnähme
gefunden, welche es verdient. Der grund hierfür ist wol hauptsächlich
darin zu suchen, dass das neue System nicht auf einmal und nicht
von 6inem gelehrten gefunden ist, sondern sich almählich und unter
beteiligung verschiedener richtungen ergeben hat. Dies hat einerseits
dazu geführt, dass die einzelnen abhandlungen, welche die erforschung
des vocalismus weiter zu fuhren suchten, an verschiedenen und nicht
jedem leicht zugänglichen orten zerstreut sind; andererseits hinderte
es an der aufstellung einer einheitlichen und gleichmässigen bezeichnung
der fiir die prähistorische zeit vorausgesezten vocale: es trat eine zeit
lang so ziemlich in jeder neuen abhandlung ein neues vocalschema
dem leser entgegen. Endlich komt hinzu, dass einzelne versuche, die
entstehung des ablautes zu ermitteln, weit über das ziel, an dessen
erreichung die vergleichende sprachvnssenschaft denken kann, hinaus-
schiessen, und dadurch das gefühl der Unsicherheit, welches den neue-
ren forschungen gegenüber noch vielfach herscht, vermehrt haben. —
SEIT8CHB. r. DBUTSOBS PHILOLOOIB. BD. XV. 1
COLLITZ
In erwägung dieser Sachlage ist von uns im folgenden der versuch
gemacht worden , speciell für germanistische leser einen überblick des-
sen zu geben , was als sicheres ergebnis der neueren vocaltheorien gel-
ten kann. Die darstellung sucht zunächst über den gang der forschung
seit dem erscheinen von Schleichers compendium zu orientieren; es
sollen die leitenden ideen, welche sich im laufe der forschung verfol-
gen lassen, hervorgehoben und zugleich für die systematische darstel-
lung der germanischen vocale, welche den zweiten teil des aufsatzes
bildet, der grund gelegt werden.
I. Historischer flberblick der neueren forschungen.
1. Von Schleicher bis auf Amelung.
Das erscheinen von August Schleichers Compendium der vor-
gleichenden grammatik der indogermanischen sprachen (1861) bezeich-
net, wie auf den übrigen gebieten der vergleichenden grammatik, so
vor allem auf dem des vocalismus den beginn einer neuen epoche der
forschung. Zwar kann man nicht sagen, dass Schleicher den früheren
ansichten^ gegenüber in allen punkten das richtige getroffen habe;
wol aber bildet seine darstellung ein eigenartiges, in sich fest gefugtes
und nach allen Seiten hin abgeschlossenes System, das von der Ursprache
bis ZU den einzelsprachen herab in der entwickelung des vocalismus
feste gesetzmässigkeit aufzuweisen suchte, jeder einzelnen vocalischen
erscheinung in dem grossen zusammenhange ihren platz anwies, und
vor allem durch die art und weise, in welcher es die erforschung der
sprachlichen tatsachen vornahm, für die folgezeit ein muster abgab. —
Auf eine ausführliche widergabe des Schleicherschen systemes können
wir hier verzichten; wir dürfen dasselbe als aus dem compendium und
aus der anschaulichen entwickelung, welche Schleicher in seinem buche
„Die deutsche spräche" (Stuttgart 1860, 4. aufl. 1879) s. 133 fg. gege-
ben hat, bekant voraussetzen. Nur die grundzüge des Systems mögen
hier, als anhaltspunkt far die darstellung der nachher zu besprechen-
den ansichten, in aller kürze aufgeführt werden.
Der älteste lautstand der indogermanischen sprachen kante nur
die drei grundvocale: a, t, u. Zum zwecke des beziehungsausdruckes
konten diese drei vocale gesteigert werden, dadurch dass ihnen ein a
1) Einen fiberblick der ansichteu von Grimm, Bopp, Holtzmann und
Jacobi geben Bumpelt, Dcntsche grammatik (Berlin 1860) s. 105—129 und
Grein, Abhint, rednplication und socnnd&re wurzeln der starken yerba im deut-
schen (Marburg 1868) 1. 1—37.
ABLAUT 8
(„der die natur des vocals am ausgeprägtesten tragende, reinste und
ungetrübteste aller vocalischen laute^) vorgeschoben ward; es traten
also zu den grundvocalen die gesteigerten vocale aa, ai, au. Zu die-
sem vocalbestande stelten sich durch nochmalige hinzufugung eines a
vor die erste Steigerung — oder durch hinzufügung eines ä vor die
grundvocale — die vocale der zweiten Steigerung: äa, äi, äu. Dar-
nach ergibt sich für die grundsprache eine dreifache dreiheit von voca-
len, d.h. drei vocalreihen , deren jede aus grundvocal, erster und zwei-
ter Steigerung besteht:
Grundvocal. 1. steigernng. 2. Steigerung.
A -reihe: a aa (ä) a + aa = äa (a)
I-reihe: i ai a + ai =äi
U - reihe : u au a + au =^ äu.
Dieses ursprachliche System erfährt in der deutschen grundsprache
eine wichtige modification zunächst dadurch, dass der grundvocal der
A - reihe zu i und u geschwächt werden kann ; ^ die grundvocale % und
u bleiben erhalten , so dass wir im Deutschen zweierlei i und u haben.
Die erste und zweite Steigerung der A- reihe, welche sich ursprünglich
beide in ä zusammenziehen,' sind als ä (got. e) und 6 von einander
geschieden; die beiden Steigerungen der I-reihe als ei und ai, die der
U- reihe als iu und au. Die „entsteUung" der U- reihe durch „zusam-
menschmelzen von iu zu ü*^ ist der deutschen grundsprache in ihrer
älteren form noch nicht zuzuschreiben. Der vocalismus der deutschen
grundsprache gewint demnach folgende gestalt:
2. Schwächung. 1. schwäch. Grundvocal. 1. Steigerung. 2. Steigerung.
A - reihe : i u a ä (got. e) 6
I-reihe: i ei ai
ü- reihe u iu (ß) au
1) „Der edelste volste vocal a " sagt Schleicher (Die deutsche spräche s. 136
und 137), „wird als schwor empfunden und die spräche sucht und findet mittel,
sich dieses ursprünglich überaus häufigen lautes zum grösseren teile zu entledigen
.... Das endliche ergebnis der lautlichen Veränderungen , die die spräche erfuhr,
war das, dass in der deutschen grundsprache, durch fortsetzung der reihe über
den grundvocal hinaus, also durch negative abstufung, die A- reihe um zwei glie-
der, nämlich um die erste Schwächung u und die zweite Schwächung t vermehrt
ward.*
2) „Die deutsche spräche wiU diese beiden stufen , einem feinen Sprachgefühle
rechnung tragend, auseinander halten. Was hat sie für mittel, diesen zweck zu
erreichen ? . . . Um die zweite Steigerung von der ersten zu sondern , ward das ä
der zweiten steigernng zu 6 getrübt, das der ersten Steigerung aber rein belassen.
Das Gotische gieng im streben nach dissimilation dieser beiden d sogar so weit,
aaoh das d der ersten Steigerung zu färben, nämlich nach t hin, zu e («» d). Dies
ist jedoeh der deutschen grundsprache fremd.*' (A. a. o. 137.)
1*
^"5 o .s
A- reihe koute man diese Unterscheidung um so ehor fallen lassen, ala
88 schwur zu begreifen war, wie die Germanen dazu gekommen aein
8oIten, die nach Schleichers eigener meinung schon in der Ursprache
in ä KuaammengefloBsenen beiden Steigerungen von neuem zu scheiden.
Auf diese weise gewann man für die grundeprache ein höchst einfaches
vocalsystem, das sich in folgendem Schema widergebea lässt:
GruiidTOCal, Steig er» og.
A-reihe: a = germ. a, e, o & =: germ. ä (c), o
I-reihe: t = germ. i ai ^ germ. ai, ei
U-reihe: m = germ. « a« ^= germ. au, eu.
Dieses system hat wesentlich durch Scherers bahnbrechendes
werk in der germanischen grammatik aufnähme gefunden, und etwa
ein Jahrzehnt lang den meisten Untersuchungen über den germanischen
vooalismua zu gründe gelegen. Scherer trat zugleich für die von Kuhn
(KZ. 12. 143) geäusserte meinung ein, weiche die steigerungsfoiiuen
nicht durch vortreten eines o, sondern durch die mittelstufe gedehnter
TOcale aus den grundTocalen hervorgehen liesa. Aus den gedehnten i
und ü solten ai und au nicht anders entstanden sein, nie z. b. die
mhd. i und ä sich im nhd. zu ai (geschrieben ei) und au entwickelt
haben- Wir werden auf diese erkläruug der vocalsteigerung ~- für
welche Joh. Schmidt, Z. Gesch. d. mdog. Voc. I, 143 den umstand
geltend machte, dass noch resto des alten ti in wöi-tern wie liikan,
aügan im Germanischen erbalten seien — später zurückkommen müs-
sen; hier sei nur bemerkt, dass sie zu allen zeiten gegner gehabt und
sich schliesslich nicht bewährt hat.
Wir kommen nun zu einer schrift, die in den lezten jähren zwar
mehrfach erwähnt worden ist, aber immer noch, wie mir scheint,
weniger ihrem inhalte nach bekant ist und ihrer bedeutung nach gewür-
digt wird als sie verdiente — ich meine Arthur Amelungs scbrift:
„Die bildung der tempuastämme durch vocalsteigerung im Deutschen,"
Berlin 1871.' Zwei fragen sind es nach Amelung (s. 8), die bei der
115 in ilicseiQ sinne mit recht bctnerlite ,oiDe uweite et<<igerang (VriHdhi) ist dir
die Ursprache noch in keiner einsigen fomi erwieseu* äcliloicbar liatt« alio (Ölsuh-
lluh die beiden gpftltungefonncn der eoropllischen sprachen mit den buiden steige-
niugafonuon der ariBchen gpracben tu bedehaog gesczt: das int der gtttnJfebter
Beinos systemes.
1) leb bi'subränko mic^h dKniiif, uns dieser schrift diejenigen punkte hervor-
sahcben , ««lohe rOr dio auffuBsnng des Tomlaf «tcmcs vun intereiHO aind . miicbte
aber liier darauf binweiam, daas AmelnngB antorsuchnngen nneb in anderer hin-
sieht, X, b. in der Homliuig dos matL-riala. io der anardnang d«r conjugntivnsklaa-
Mn aad in dor bourteilnng mancbur olnzulnen criichcinung T&t üire leit sehr ancr-
kcnntinewertea gelulAtet haben und vielfach noch beute tod wert &lnd.
ABLAUT 7
antersuchang des ablautes vor allem beantwortet werden müssen:
^erstens, unter welchen bedingungen in der indogermanischen Ursprache
grundvocal, erste oder zweite Steigerung eintrat; zweitens, nach wel-
chen lautgesetzen sich die vocale und diphthonge des ursprünglichen
Steigerungssystems in den einzelnen sprachen verändert haben." Diese
beiden fragen far das Westarische zu beantworten bezeichnet Amelung
als das nähere ziel seiner Untersuchungen; seinen ausgangspunkt bildet
überall das Germanische. — Amelung schliesst sich der Curtius-Mül-
lenhoflfschen ansieht an , dass das e gemeineuropäisch und urgermanisch
sei Aber er geht darin seinen eigenen weg, dass er e, ei, eu nicht
für europäische spaltungsformen des a, ai, au hält, sondern die erste-
ren wie die lezteren als weiterent Wickelungen grundsprachlicher stei-
gerungsformen ansieht.^ In der I- reihe und U- reihe sind ihm ei
(woraus i) und eu vocale der ersten, ai und au vocale der zweiten
Steigerung — also wie bei Schleicher, nur dass das germanische eu für
Schleichers iu jezt einen genauen parallelismus der beiden reihen
herstelt. In der A- reihe sezt er genn. e als Vertreter des grund-
vocals, germ. a als Vertreter der ersten und germ. 6 als Vertreter
der zweiten Steigerung. Dieser schritt ist vor allem beachtenswert.
Während bei Schleicher der ablaut * heran — *bar auf dem Wech-
sel zwischen erster Schwächung und grundvocal beruht, also jün-
geren datums wäre, ist darin nach Amelung ein Wechsel zwischen
grundvocal und erster Steigerung, also der reflex eines grundsprach-
Uchen Vorganges zu sehen. Deutsch e, a, o ergeben sich nach Ame-
lung aus der vergleichung des Oriechischen und Lateinischen als die
regelmässigen Vertreter der drei Steigerungsstufen der A- reihe. Mit
germ. ä = goi e (s. 46 — 52) und germ. ö (s. 52 — 58) hat es eine
besondere bewandnis. Das ä im ablaut deutscher verben ist nach
Amelung nirgends einfach vocalsteigerung, sondern immer nur eraatz-
dehnung; später ist es dann auch schlechthin als steigerungsvocal in
neuen Wortbildungen verwant worden. Was das germ. o anlangt, so
hat Amelung richtig erkant , dass es mit dem südeuropäischen o nichts
zu tun hat; „es muss neben dem deutschen e für einen zweiten direc-
ten Vertreter des westarischen e gelten." Aber ä sowol als o setzen
den ausfall des wurzelvocals voraus. — „Wo im plur. perf. eine liquida
zwischen zwei andere consonanten zu stehen kam, da haben wir o, im
1) Über die gründe , welche ihn veranlassten , die annähme einer westarischen
Spaltung des a zu verwerfen, spricht sich Amolang s. 39 fgg. aus. Sein haupt-
gxiind ist enthalten in den werten: „Die spaltimg eines lautes in zwei verschiedene
ist immer eine bedenkliche annähme , wenn das eintreten des einen oder des andern
lautes an gar keine bestirnten bedingungen gebunden erscheint."
8 OOLLITZ
anderen falle a^ (s. 54). ^Der ausfall des e kann nur in einer für uns
freilich nicht mehr zu ermittelnden vorgermanischen betonungsweise
seinen grund gehabt haben^ (s. 55). Dieselbe erklärung wie f&r das o
des plur. perf. gilt für das o des participiums: wenn das o hier ebenso
wie im perf. plur. an stelle eines schon im Westarischen durch Wir-
kung des accentes ausgefallenen oder doch auf das geringste mass von
klangstärke reducierten e stehen soll , so erklärt sich daraus leicht der
unterschied von gebans (X. conj.) und borgans (XII. conj.)" (s. 56).
Amelung sezt daher für die grundformen borgumaSy holpumäs, bundfi-
mos usw. ältere germanische formen wie bebrgumäs (nach abfall der
reduplication brgumäs)^ hehlpumäs, bebndumäs voraus; ebenso im par-
ticipium für borgans^ holpans, bundans älteres brganas, Mpancis,
bndanas „mit silbenbildender liquida^ (s. 56). Entsprechend nimt er
für nominalformen wie got. fruma, haumy kaumo die grundformen
frma, hrn^ krno an, und fügt hinzu: „Dass aber die Ursache dieser
Schwächung weit hinter germanischer zeit zurück liege, zeigt wider die
weit gehende Übereinstimmung des Slavischen: dem deutschen o (u)
entspricht slavisches ü in: vlUna vulla lana. vlükü vulfs lupus. plünü
fuUs plenus. 6rUvü vaurms vermis. zrüno granum kaum frumentum.
chlümU Iwlmr collis. dliJigü longus dulgs debitum. sü-mrüti mors
maurpr caedes. glükü sonitus klocka campana. trünü paumus spina^
(s. 58).
Die grundzüge seines Systems hat Amelung tabellarisch (s. 26
und 59) folgendermassen zusammcngefasst:
indogcrm.
ß [Grundvocal: i
S<1. Steigerung: ai
t-H 12. Steigerung: ai
^ [Grundvocal : u
's < 1 . Steigerung : au
p 12. Steigerung: äu
^ (Grundvocal: a
SM. Steigerung: a
^ [2. Steigerung : d
westarisch griechisch lateinisch deutsch
. . .
t i % %
ei ei ei i
ai ol: Ol ai : oi ai
u V u u
eu ev eu eu (ü)
ou ctv : ov au: ou au
e e e e : 0
a a : 0 a: 0 a
a a{rj) w a{e) : o o
Gegen Amelungs aufstellungen wante sich Leo Meyer in dem
aufsatze : ,.Über vocalsteigerung insbesondere in der verbalflexion'^ (Zs. f.
vergl. sprachf. 21, 341 fgg.). Die Schleichersche annähme zweier grund-
sprachliohen Steigerungen , von der Amelung ausgehe , sei gänzlidi ver-
fehlt Sowol von anderen, wie von Friedrich Müller („Über d. vocal-
steigerung der indogeruL Ursprache^ s. 8 = Siizongsber. der Wiener
ABLAUT
Akad. bd. 66 vom j. 1870 s. ^20) sei betont, dass in der indogenn.
nrspracfae nur eine einzige vocalsteigerung vorhanden war; die zweite
Steigerung in ihrer consequenten entwickelung als Yriddhi sei ein spe-
cifisch indisches prodnkt.
Amelung hat die einwürfe L. Meyers in einer „Erwiderung" (Zs.
f. vergl. spracht 22, 361 fgg.) zu entkräften versucht, in der er sich
von dem grundfehler des Scbleicherschen systemes — der gleichsetzung
der zweiten form der Guna- Steigerung in den europäischen sprachen
mit der Vriddhi- Steigerung im Indischen — freimacht, und die grund-
züge einer neuen auffassung des indogermanischen vocalismus entwirft.
Aus den sprachlichen tatsachen gehe sicher hervor, dass schon in der
europäischen grundsprache ein grammatisch geregelter Wechsel von
e a ä, i ei ai, u eu au bestanden habe, also ein volständiges System
zweifacher vocalsteigerung (s. 366 fg.). In der I- und U- reihe ent-
spricht europäischen grundvocalen i und u zwar auch im Arischen i
und u; europäischer erster und zweiter Steigerung ei eu und ai au,
die den unterschied zwischen präsens- und perfectstamm charakterisie-
ren, entspricht aber im Arischen gleichmässig erste Steigerung. Hier
bleibt die frage offen, ob in dem arischen Guna die europäischen ei
und ai, eu und au zusammen seien, oder ob sich die früher allein
vorhandene Gunasteigerung erst im Europäischen in zwei laute gespal-
ten habe (s. 368). „Ganz ähnlich liegt die frage in betreff der A- reihe.
Den drei europäischen lauten e a ä stehen nur zwei arische, a und d
gegenüber. Europäischem e entspricht überall arisches a, europäischem
a bald a bald ä. Hier wird nun, ich muss wol sagen gewohnheits-
mässig, angenommen, das ursprüngliche a habe sich im Europäischen
in a und e gespalten. Es ist aber ganz ebenso möglich, dass in
dem arischen a zwei ursprünglich verschiedene laute zusammengeflos-
sen seien. Ausdrücklich dafür spricht der umstand, dass nur dasjenige
a, welches europäischem e entspricht, sich öfter zu i schwächt, nicht
aber das andere a, welches europäischem a gleich steht. Aus dem
umstände, dass nur dasjenige ky welches slavischem k entspricht, im
Lateinischen und Griechischen die färbung zu Ä;t;, im Gallobritischen
zu p annimt, schliesst Fick Spracheinheit cap. I mit recht, es müsse
zwei ursprünglich verschiedene ä- laute gegeben haben. Ist aber die-
ser schluss richtig , so zwingt das Verhältnis von europäischem e und a
gegenüber arischem a (i) zu demselben Schlüsse, und man wird für
das Indogermanische, dem europäischen e und a entsprechend, zwei
irgendwie verschiedene a- laute annehmen müssen. Hält mm aber
auch einen solchen schluss nicht für völlig zwingend, so ist ei doch
ia jedem falle ebenso zulässig, wie die herkömliche annähme einer
europftiscliou spaltoug deB ursprflnglicben a, und man inüste aufbörBD,
mit solcbor untsuliiedonlieit au lezttirer feBtsolialteti , wie bb algetnein
ge!4chiobt. Ks hat bei dieser ansiebt, glaube icb, eine balb mythische
vorBtelluug von der notweudigeu einfachheit und monotonie de^ ältesten
vocaliamus mitgewirkt, so dasa mau sieb fast jegliche mannigfaltigkeit
erst später bineiugekommen denkt. Eb wird sich aber auch uutor den
primitivsten, wirklieb vorliegondeu sprachen der weit scbwerlieh eine
nuätindtg machen lassen, die eine solche dnrfügkeit des lautmaterials
aufwiese, wie sie in unserer recon.struierf.eu indog. Ursprache herscbt,
und es ist kaum noch begreiflich, wie eine spräche mit so geringen
nnteracbeidnngamittelu ihren zweok überhaupt erfüllen konte" (s. 369).
UEIlLtN. u. cOLLrrz.
ALTDEUTSCH KS EriSTKL- IFND EVÄNGELIENBÜCII.
111.
Dem abdrucke meines Altdeutschen Epistel- und Evangelioubuches
im XII. bände dieser Zeitschrift s. 1 — 72 und den gedrängten bemer-
kuogeu Aber bandsehrift, diolect, Wortschatz und das Verhältnis des
denkinola zur Vulgata a. a. o. s, 323 — 333 will icb hier die besprechnug
bisher noch unerörtert gebliebener punkte folgen lassen.
Die Sacramenlaricn der alten kirche ' umfassen bokantlicb nicht
den volstäudigon ritus der Messe , sondern enthalten nur die kleinen
gebete, die der priester während des gottesdlouBtea zu verrichten bat;
es standen daher bei der feier des messopfers noch drei * andere bQcher
1) Dia <e«ten nafieichnangeD der tömiBcheti iitnr^e liegen in dioi sacrn-
aienUrion vur, im SitcTai]ii>nturiuai Luo&iiuiuin ()><^rauBgegeben vun J. BUnchint
nnter dem titol „Codex FauriLiuentoram votns RoamDot Ecolesioi, b 3&D0tu Leon«
Tsp» uonfettna," 1736; tgl. L. A. Muratori „Liturgia Eoiuanii vetns," TuuetUa ]74f),
1. 16 (gg.), iiu SatTBoentarinm Gelasianmu (h. vod J. M. TbutUKsius ii. d. t
,Iiiber SAcnunentoruwi Bomanic eccleajie ordiuia aniiJ ciruulj," Könne 1080; Tgl.
Haiatori a. a. o. 51 fgg.) und im SacnunenlAriuni Grogoriiuinni (b. mit das buidcn
andorn SucnHnetitrtrien »on Muratori a. a. o. II, 1 fgg.).
2) In ciiuelnen kircbcn wareu sugtir noch m«hi lüclicr in gelirauch. 9u nar
e« nacb der anbrosianiauhcu und mozarabiwbon Uturgiu gobut«ii tügUi^li t*»l vpi-
stein wiUireEd der mesaa in leeen; diu eioa mnst« d«m altuu, die andern dem
nnnen tostamente entnummen sein. Eimdent u*HWi, sagt E. Marteno (in .Do uiti-
qnia Eocioaim Ritibus." Antnorj^ia tT86. I, 373), olim i« Gallicnna Uturgia rii/uiiag
dUcittmi <x Qngorii T^rmumnn iibro l de MiraciiUi 8. Martini c. 3; Faetxtm t*t,
imjuti, ul ilta dutniniea, prirfikctiea Irctüme jVim lecla, ante iilUirwm itaret, q
Ui:tiOH«m B. Pauli pfoftrrti. Et Ubrtt t. Uitttiria francorum cap. tS ttamt, "
ALTDBÜTBCHB PBBIKOPEN. m 11
als Supplemente jener in Verwendung: die Antiphonarien mit den
ritnellen messgesängen, die Ledionarien mit den abschnitten aus dem
alten Testamente, der Apostelgeschichte , den Briefen der apostel, der
Apocalypse und die Evangeliarien mit den lesestücken aus den vier
Eyangelien. ^
Als ein solches Supplement zu einem sacramentarium ist auch
unsere pericopensamlung zu betrachten. Ihre praktische Verwendung
wird wie die aller übrigen so zahlreichen ' deutschen pericopensamlun-
gen darin bestanden haben, dass sie gleich unseren heutigen Epistel-
und Evangelienbüchern, abgesehen von dem algemeinen zwecke reli-
giöser erbauung und belehrung, dem priester als bandbuch und leit-
&den bei der conception seiner predigten diente und, wenn etwa der
predigt die Vorlesung der auf diesen tag fallenden pericope vorangieng,
als lesebuch verwendet wurde. Zu lezterer bemerkung füge ich jedoch
gleich hinzu , dass es vom 10. Jahrhundert ab , also zur zeit als die
predigt nicht mehr einen integrierenden bestandteil der messe bildete,
sondern bereits eine selbständige Stellung errungen hatte , im gegensatz
zu heutiger gepflogenheit , nicht algemeiner gebrauch gewesen zu sein
scheint, vor der predigt die betreffenden pericopen vorzulesen. Es geht
dies nicht allein daraus hervor , dass in sehr vielen predigten der inhalt
der auf den tag fallenden (epistel- oder evangelien-) pericope den
Zuhörern ganz ausführlich mitgeteilt wird, es beweist dies auch eine
reihe von stellen, die direct auf die während der Messe gelesenen
pericopen hinweisen; vgl. Vns sait das hilig ewaingeliumy daz man
hivt liset ze dem hiligen ÄmU Koth (Deutsche predigten) V; Qaecum-
que scripta stmt etc. Der gvte sant paulus sprichet also hivte an dem
ampte Leyser (Deutsche predigten) s. 4; Daz etoangdium daz man hüte
ZV messe liset daz sagt vns Leyser 120; Sente paulus spricht in der
epistiln die man hüte zu anesse lieset Leyset 128; In dem heiligen
ewangelio daz man huto liset an gottes dienste werden vmr ermanot
Wackemagel (Altdeutsche predigten) XVIII; Erunt signa in sole et
luna et stdlis, Disiu wort diu schribt der heilig ewangdist sanctus
Ubros 8uper aUarium ad legendum in missa cdlocatos fuisse^ id est prophetüB, apo-
8toU, et evangeliorum,
1) Jedes dieser einzelnen vier bücher führte zuweilen auch iio bezeichnung
,Uber missalis/* vgl. Cod. Vind. 1809 („Missale ordinis Franciscanorigim dioec. Olo-
mucenBls'*), der auf fol. 11' als titel des nun folgenden die werte bringt: Inci-
pU niisaaiis secundum consuetudineni romane curk sancte und in Wahrheit nur ein
saeramentaiium enthält
2) Die Wiener k. k. hofbibliothek besizt aUein etwa 20 verschiedene 6;utsche
iMrlaopenBamlungen. Die älteste derselben liegt vor in einer pergamonthand&chrift
i-^KriiuidertB: Cod. 2741 ; s. unten s. 16.
13
Lucas in rfcwt cwungvlio das wir hiui gelesen hetn zuo dem kcHüjen
ampt der mest. Wack. I.XVIII; Quia heri hora seplima reliquU eum
fehris. Disiu wort sprichct der ganint Johannes eivangelista »» dem
Etvangetio das »ton hiut ee dem heiligen ampt der »lesse gelesen hat
Wack. LXIX: An der apislel diu Mute se gotis dinst gelesen ist, spri-
chct sct i>aHltts so uns gotlichiu woti Oerni. 3, 365.
Wie dor augeoscbeiD Iclirt und einem aufmerksamen leser kaum
entgangen sein dürfte, entliält der Olmßtzer codex nicht eine originiü-
Obersetzung, sondern nur die abachrift einer bisher noch unbekauten
altdeutsclien pericopenübersotzung. Die handschrift weist nUmlicb eine
ruiho von feblern und nüaverständmssen ituf, die nur durch unacht-
tiomkett deti Schreibern veranlasst aein können. Zu den bereitti beim
abdrucke unter den teit gestelten Verbesserungen fQge ich hier die
boricbtiguug noch folgender hinzu, bedauere aber zugleich in meinem
streben mich möglichst an den mir vorliegenden (unzweideutigen) Wort-
laut der handschrift zu halten , die beaserungen nicht schon in den teit
aufgenommen im haben. Auf einzelne derselben hat mich herr Profes-
sor Bech, dem ich hiettir meinen besten dank sage, auEmerksani
gemacht So ist XYl, 2 gegen die handschrift, die deutlich mier hat,
nuer zu schreiben; vgl XIS, 36. XXXI, 4. — LV, 2 ist statt gedreng
(bs. ged'ng) wol geding zu lesen; hiemit enltUlt wort gedrenc auf
B. 326. — LV, 19 fg. hat der schreibor beim abschreiben einige worte
ausgelassen; die Vulgata hat Et slattm ai>crlte sunt aurus ejus, et
solutum est vinatlum lingua- vjus, et loqucbatur rede, in der Über-
setzung heisst es dagegen nur vnd sehant wjurdcti auf gepanl vnd redt
recht. — LXXVIl, 5 hat die lis. von im irem, es «ird aber entweder
zu schreiben sein von itn von irem oder nach den werten der Vulgata
et sanarentur a latiguoribus suis einfach von irem. — LXXXIV, 9
handschriftlich wol za bassern in vol. — Zu lesen würe sodann noch
XXXIII, 6 merkend, XXXIX, 6 sprach: in wcw und LXXI. 15 sMe,
wae.
Dass aber dio handschrift trotz ihrer vielen fehler und der oft
geradezu hölzernen Übersetzung der episteln iiu gebrauche stund, zeigt
die abgegriffen bt'it dt'r blättor und das vorkommen bandsehriflücher
bemcrkungen uud eorrecturen ; vgl. a. a. o. s. 3 anm. 5. C ; s. J anm. 1 ;
s. 12. 13 zu Xir; 8. 14 anm. 3; 6. IB anm. 2, s. 43 anm. 1; a. &&
anm. l. 2. Ausserdem auf fol. 23* neben dem worte chbmcn eine
(jedoch i-nleserliche) randglosse,
Pio auordnung der pericopen in unserem epistcl- und evangelieu-
bacbo ist die auch soust gewöhnlich begegnende: den anfang machen
die pericopen „rfc tempore'* {Das sind qitsiet vml cKantjelij an den
ALTDEUTSCHE PEBIKOPEN. III 13
suntagen) I — LXVII, ihnen folgen die „de sandis"' {Das sein di letzen
vnd ewangelij von den heiligen) LXVIII — LXXXI, den schluss bilden
als repräsentanten des y^Commune sanctonmi"' die (Evangelien-) perico-
pen von der chirchweich LXXXII, von iunchfrawen {von den iunch-
frauen) LXXXIII. LXXXIV und von eim igleichen gotez iunger LXXXV.
Der titel, den die erste gruppe von peiicopen fährt, entspricht
nicht völlig dem Inhalte derselben ; denn die samlung bringt nicht allein
pericopen auf sontage , sondern auf kirchliche festtage überhaupt. Auf-
fallen könte es vielleicht, dass wir in ihr auch pericopen far den satid
Stephans tag (VIII) und den sand Johannes tag (IX) finden. Allein
die römische kirche feierte schon von alters her im weihnachtsfeste auch
den tag des ersten märtyrers (26. decbr.) und den des lieblingsjüngers
Christi (27. decbr.). Diese eigentümliche art der betrachtung von hei-
ligenfesten bezeugt bereits das Gelasische sacramentar, welches die
heiligentage in einer besonderen abteilung vereinigt, jene zwei feste
aber und das fest der unschuldigen kinder von jenen trent und sie
unmittelbar dem weibnachtstage anschliesst. Auch das heutige Missale
Bomanum stelt die messen für diese drei tage in das „Proprium mis-
sarum de tempore." Steinmeyers schätzenswertes Verzeichnis der erhal-
tenen deutschen predigten im Anzeiger II, 228—234 hat dieses moment
ausser acht gelassen und sind die predigten auf genante tage in die
„Sermones de sanctis" gesezt.
Was die zweite gruppe der samlung, die pericopen von den hei-
ligen betrift, so folgen LXVni — LXXVIII strenge der anordnung des
kirchen Jahres. LXXIX aber {An sand Laurenci tag 10. aug.), LXXX
{An sand Matheus tag 21. sept.) und LXXXI {An sand Andres tag
30. nov.) weichen von der bisher eingehaltenen reihenfolge ab: wir
haben in ihnen jedenfals nachtrage zu dem bisher gebotenen zu
erbUcken. LXXIX gehört zwischen LXXIV und LXXV, LXXX zwischen
LXXV und LXXVI; LXXXI hätte die gruppe nicht schliessen, son-
dern beginnen sollen, gehört also zwischen LXVII und LXVIII.
Ich wende mich nun zur erörterang der frage, in welchem Ver-
hältnisse unsere pericopensamlung zu dem heute geltenden Missale
Monianum sowie zu den im mittelalter gangbarsten Ledionarien (in
weiterem sinne) und Homiliarien steht.
Das Missale Bomanunty das heute in der römischen kirche fast
algemein ^ in kraft steht, ist bekantlich erst ein werk neuerer zeit.
Nachdem bereits auf dem concil von Basel (1431 — 1443) und 1536
1) Eine ncnnonswerte ananahme macht nur dio kirche von Mailand, in der
die sog. mailfindische oder ambrosianisclie litnrgie als norm gilt.
uarien '
auf einer synode zu Köln sich der ruf nach einer reform der pleuari^n
orboben hatte, wurde in der 18. aitzaug des Tridentiner ooncils (iri4&
— 1663) eine commission zur beratnug dieser angelegenheit eingeaezt
Da jene aber das ihr aufgetragene werk nicht zu Tollenden im stände
war, Qbernahm auf hesobluss doa concils der pabat selbst die heraus-
gäbe eines neuen Miasale. Von Pius IV. begonnen wurde sie von Piu» V.
am H. juli 1570 voUondet. Ihr folgten zwei revisioneu unter Cle-
inena VIII. (Bulle vom 7. juli 1604) und Urban VIII. (Bulle vom
2. Sept. 1634).' Doch wareu bereits vor lijTO mjssalien erschienen,
die mehr oder minder dieselbe auswahl wenigstens der sonn- und fest-
täglichen pericopeu zeigen wie das heutige Miasale Uomanum ; so u. a.
das „Missale s,m cOsuetndioem saucte ecclesie Komane *: singulari cura
ac diligCtia: Impssu; Venetijs per Simone dictfl biuilaquft Papiensem
Anno a Natiuitate Dfii nostri iesu ehristi 1497 Die ultimo Januarij."
Es war hoch an der zeit, dass die römiacho curie daran gieng
oin für alle ihrer kirchen in gleicher weise geltendes Missale heraus-
zugeben. Denn wenn auch die meisten der bisher im gebrauch gestan-
denen den Gregorianischen ritus zur grundiage hatten, so lassen sie
doch , besonders was die auswahl der pericopeu betrift , eine reihe nicht
unbedeutender abweichungen von einander erkennen. Bereits im 15. Jahr-
hundert maciitc sich, freilich erst nur in einzelnen diOcesen, ein streben
nach einheit in dieser rtchtung geltend. Auch Hugo von Landenherg,
biüchof zu Constanz, ISsst per circumspecta mrü Erhardum Raidoll
eiuem Augusteü ein einheitliches Missale fQr seine dificese anfertigen.
Denn ihm war, wie er in der vorrede sagt, zu gehör gekommen,
maximam esse in civiUiie et dioecese aostris lUtrorum missaHum pcnu-
riam et cos, quos interdum facultas submnistrai, . .. esse dissonantes
. . . eonfusos et mw omni ordinc compositos. Das werk erschien
Augsburg 1504.
Unser epistel- and evangelienbuch (ER) zeigt, um das resultat
meiner Untersuchung gleicti hier vorwegzunehmen, in botreff der aus-
wahl seiner pericopeu nächste verwautschail mit dem während des gan-
zen mittelalters in grOsatem ansehen stehenden „Comes dtui Kieronymi
1) Ich beuutze «lie Editio BatUboDeusU andecim», Baticbon», UUCCCLXXVI.
3) Aus dfn Worten secantlHiH conaueludinem sfiMCf« tcckeUi l{omati€ darf
iiiaht geachloBicn werden , lioss n» bereit» um dioac seit «in fuslxtcbondcs nlgomoin
giltigoa Uiaatlu ßomanuni gr^nbcn liabe. ADcb nndcro MiMnllon ilicg«r loit Rth-
r»ii den snMx teeamiam Mta,, weichen nbor dcsaRiiDii^achtet In i]«r parieupnn'
anawalil 'uo einander ab. Hiui vurgluiclu.- mit obigem HUaale t. h. Cod. VimL
1830 (s. IG): „Indiiit otdo EoangeUurum ^or cUuuluin Wtius tuini «ocundom con-
enetndinem Boman» EcclMin."
ALTDEUTSCBB PIAIKOPEN. HI 15
Presbyteri sive Lectionarius" (CH), herausgegeben von Jac. Pamel im
n. bände der „Liturgica Latinorum" (Coloniae Agrippinae 1571) s. 1 —
62, abgedruckt bei E. Bänke ^Das kirchliche Pericopensystem^ (Berlin
1847) im „Appendix monumentomm*' s. LIV fgg., vgl. s. 135 fgg.
Zum beweise dessen und um zugleich das Verhältnis von EE zum
heutigen Missale Bomanum (MB) klar zu legen, will ich hier alle jene
sonn- und festtage, an denen EE andere pericopen als MB aufweist,
namhaft machen und zu weiterer vergleichung noch folgende für die
geschichte der pericopensamlungen im mittelalter wichtige liturgische
werke herbeiziehen : ^
Cth = „Anni circuli Über Comitis . . auctus a Theonticho ,*^ abge-
druckt im anhange von E. Baluzes „Capitularia regum Francorum^
(Paris 1677) 11, 1309 fgg. und bei Bänke a. a. o. s. LXXXIV fgg.,
vgl. s. 144 fgg. — Es ist das einzige alte lectionar, das nicht nur für
alle sonn- und festtage, sondern für alle tage des jahres pericopen
und zfrar für jeden doppelte enthält; leider ist es nicht volständig
überliefert. Gemäss den alten Sacramentarien und dem CH begint es
das kirchenjahr nicht wie unser heutiges römisches Missale mit den
adventssontagen , sondern mit der weihnachtsvigilie ; ihm folgen hierin
unter den nachstehend angeführten werken noch Ca und Eg. Bemer-
kenswert ist ferner die ihm sowie Ca und Eg eigentümliche Zählung
und benennung der sontage nach pfingsten;' s. die anmerkungen s. 18 fgg.
Ca = „Comes ab Albino ex Caroli imperatoris praecepto emenda-
tus," abgedruckt bei J. M. Thomasius im V. bände der Opera omnia
(ed. Vesozzi, Bom 1750) 297 fgg. und bei Bänke a. a. o. s. IV fgg.,
vgl. s. 154 fg. und seine „Theol. Stud. und Krit." (1855) s. 382 fgg.
Eg = „Capitulare Evangeliorum de anni circulo. Ex Msc. Spi-
rensi See. VIII. circ. coUato cum Bhenaugieusi See. X. circ. , heraus-
gegeben von M. Qerbert im I. bände der „Monumenta veteris Liturgise
Alemannicae" (Typis San-Blasianis 1777) s. 417 fgg., abgedruckt bei
Bänke a. a. o. s. XXVII fgg. , vgl. s. 228 fgg.
Mr = „Missale Bomanum": handschrift der k. k. Wiener hof-
bibliothek no. 1831, perg., XV. jahrh. (1478), 154 bl, 4». Das Mis-
sale begint auf foL 13* mit Dom. I. Adv., ist aber sehr lückenhaft.
1) Unberücksichtigt Hess ich seiner ankritischon Zusammenstellung wogen
J. M. Thomasius „Lectionarius MissaB Juxta ritum Ecclesiae Roman» ex antiqnis
Mss. Codd/' in Opera Y, 321 usw. vgl. Ranke a. a. o. s. 161 fgg., und das ,, Capi-
tulare evangeliorum de anni circulo . . secundum Catholica} et ApostoHca) Romana)
EcclesioB ordinem** in Opera Y, 431 usw. vgl. Ranke a. a. o. s. 217 fgg.
2) Ygl. A. J. Binterims „Denkwürdigkeiten der Christ. -kath. kirche*' (Mainz
1829) 5, 161.
Erg = „Evaugüliariuui germaiiiciim-' ; baudschrift der k. k. Wie-
ner hollibliothek no. 2741 , parg., XIV. jaliih., 156 bl., Ö" aus döm
iionuenkioster Thalbacb bei Bregeuz: Douis U. DCCCXXXVm, Hoff-
mann OCLXXI. Auf fol. 1" die überachrift : Dite sint die ewangelto
die tnan liset durch daz iar nach iler ordenungc.
Er = „ Evangeliarium BBCundain consuetndinoiii Romanae eccle-
sia-" ; liandscbrift der k. k, Wiener liofbibliothek iio. 1820, perg., XV.
jahrh., 219 bl, fol; Denis II, DCCCXLV. Es begint auf fol. 1' mit
der Qberscbrift : Incipit ordo Euangeliorum per circulum Mius anni
sccundum consuetudinem Romanee Ecclesia.
G = „Saiieti Greijorii Papa XL Homiliarüni iii Evangolia Libri
duo" in Opera ümuia (Paris 1705) I, 1435 fgg.
B = „ypnerabilia Bed<e Homilis in Dominicaa anni ot festa
Suuctorum" in Opera VII (Coloniae Agrippin» 1688).
H = „Pauli Winfridi Diaconi Homiliariua, hoc est priPstanU»-
siiDOrum ecelesia) patrum serniones aive conciones ad populurf, pri-
muin a Paulo Diacono jus^u Caroli Magni collecli" im 95. bände von
J. P. Mignes „Patrologia" (Paris 1851), col. 1159 fgg.
HA ^ „Specalum ecclesia^, sive aerraones aliquot Euangelici,
taiii de tempore, quam de sanctis, diui Ilonarij presbyturi Augnstn-
nunäis." Aöditio prima (Colonisw 1531).
I. Domiuia I Adventus, am ersten suut^ ze advent:' Am.
13. 11 — 14 EE, CH, Ca, Mr 13% MB; Matth.2l, l—i> EB, CH,
Eg, MH 13^ HI. Luc.l'J, 29 — 38 B 183.' Luc. 21, M — 33
Erg l^ Er r, MR. I^ic. 17, 24 — 32 H II.
II. Dom, II Adv., Am andern suntag:* Jtom. 15, 4 — 13 ES,
CH, Ca, Mr 14\ MU; Lnc.21, 25 — 33 EE, CH, Eg. Mr ]5-, Q I,
B lt^6,* H III, HA 25^. Matth. 11, 2 — 10 Erg 2'," Er, MB.
1) Dom. IV ante Nat. Domini CH , Ca. Eg (Uehdonutdn IV).
S) In B werdcü ii«hr h&ufi^ boi der der prinligt voraugostoltcn an^be der
(Evangeliuu*) jicricai«? ^ncb deren par^lclHtuUeii auge(,'«beD. So etebt hier: laie.
XlXr Matth, XXI, Marc. XI, „Id illu tooipure, com appropioquasact Jesus ftd
noth))bage et Bethaiiiun" usw. Der trit der porioopo ist der «teile mh Lwa*
entnoninion , «Ehrend ilns oTangelium Matth. 31 nnd Marc. Jl dio autspretdiesdai
pamllclstnllen onllultoti: urstcros c. 1 — 9, loKtcres v. 1 — 10. Der übe reich tlicbk^
wcgan hahd iob itieiio Tariant«!) nicht in diu labellc unfgeDoniiDca , sondern ta dlo
luiinorkangun TOTwlMeii. — Audi im Cod. Viud. 4240. der auf fol. 333* Mniga
|u>rico|>enaiigslKin veneichnet (Ej^e et ewn* de tpt et de «cfu ae »pecialm müiiMtr.
Jl c'cuIa oHi «~ breuiartm naieeburg', doch hört mit In fgtlo S. Sttphani du vcr-
xpichnis iiIHtxliob auf) tindut Bicb bei angäbe der jierieopen die der parallebit
3) Dom. 111 anU Nat. Dom. CH, C«. Eg (Hehd.).
4) — MaUh. 24, 2'J — 3S. Marc. 13. S4 — 31.
Ci) In dur ha. irrig In dem ersten »untak d' tu kunft.
ALTDBÜT8CHB PBIUKOPBK. DI 17
IJL Dom. Hl Adv., am dritten suntag:* ICor.4, 1 — 5 EE,
CH, ah, Ca, Mr 16'. Pää.^, 4 — 7 Mß; McMh.ll, 2—10 EE,
CH, Eg, M^16^ GVI, H V. Luc.7, 19-27 B 187. * Joan. 1,
19-^28 Cth, Erg 2^ Er 5^ MR.
IV. Dom. IV. Adv., Am vierden suntag: » Phü. 4, 4 — 7 EE,
CH, Cth, Ca, Mr 17\ Jerem. 23, 5 — 6 Cth. Hebr. 10, 35 — 39 Cth.
ICor. 4, 1 — 5 Mß; Jöan. I, 19 — 28 EE, CH, Cth, Eg, Mr 17\
G VII, B 197/ H. Xm. Luc. 5, I — Ö Erg 5%^ Er 9% Mß.
XVn. Dom. V post Epiphaniam, am vierden suntag: Col,
3, 12 — 17 EE, CH, Mß. Rom. 13, 8—10 Ca. II Tim.l, 8 — 13
Ca; Matth. 11, 25 — 30 EE, CH, Cth, H LVHI. Matth, 13, 24—30
Eg, Ergll^« Er 27 \ Mß.
yyn. Dom. II in Quadragesima, am andern sunntag: ^
/ Thess. 4, 1 — 7 EE, CH, Cth, Ca, Mr 39^ Mß; Matth. 15, 21—28
EE, CH, Cth, Eg, Mr 40', Erg 21', B 237, » H LXXX. LXXXI.
MaUh. 17, 1 — 9. Er 45 ^ Mß.
XXVI. Dom. in Palmis, am pluemastertag zum ampt:^ Phih
2, 5 — 11 EE, CH, Cth, Ca, Mr 47', Mß; Passion: Matth. 26, 2 —
27. 66 CH, Cth, Eg, Mß. MaUh. 26, 2 — 27.61 Erg 47»*; *« Evang.:
MaMh. 21,1 — 9 EE,ii Mr 48',»« Mß; B 261,^3 h CXHI. Matth.27,
62— 66 Erg 55'.^* Luc. 19, 29 — 40 Erg 47'.*«
XXXXIU. Dom. in Octava Pentecostes, am achten tag des
phingst tages:!« Apoc.4, 1 — 10 EE, CH, Cth. ICor. 12, 2 — 11
Ca; Joan. 3, 1—15 EE, CH, Cth, Eg, Erg 93^ B 43, H CLVH.
1) Dom. II ante Nat. Damini CH, Cth (Hehd. 12), Ca (Hebdomada), Eg
(Held. II).
2) = MaUh. 11, 2 — 10.
3) Dominica Proxima Nat. Dom. CH; Hebd. I ante ^lat. Dom. Cth, Ca, £g.
4) = Luc. 3, 15 — 16.
5) An dem IUI suntak d' sü ku/nt (sie) list man daz ewangelivm daz von
an dem samczta^e ist gelesen.
6) In der hs. irrig An dem vierden simtak.
7) Dom. prima infra quadragesimam Cth. Dom. I Mensis Primi Ca.
8) «= Marc. 7, 24 — 30. Angeführt ist auch Luc. XIX, allein weder in die-
sem noch in einem anderen capitel des Lucasevangeliums findet sich eine crzäh-
lung von der heiligung der tochter des chananäischen weibes.
9) Dominica Indulgentia CH, Ca. Hehd. VI die Dom. Eg.
10) Deti passion an dem palm tage.
11) Dem ewangelij geleich vindestu am ersten suntag des aduentes.
12) Ew^ sx in p*ma dnica in aduentu dni.
13) = Marc. 11, i- 10. Luc. 19, 29 — 38. Joan. 12, 12-^19.
14) Daz ewangelio schreibet matheus. 15) An dem paim tage vh* diepalm
achreibet lucas. 16) Die heutige kirche feiert bekantlich am achten tage nach
SBIT80BR. F. DBUT8CBB PHILOLOOIB. BD. XY. 2
XXXXIV. Dum. I poat fOcU) Punt, im ersten suntag: '
Iloan. 4, 8—2i BE, CH, Ctll, MK. Itom.8, 18—23C&; Luc. 16,
3U-31 KE. CH, Cth. Eg, Er 112", B 44 , H CLK. HA 213". Luc.
ß, 36 — 42 Erg 9!>\ MR.
XXXXVII. Dom. IV post (OcUJ Pcnt. (un vierdeu santag:*
Rom.S, 18 — 23 EE, Ch, Oth, MR. Luc. ff. 36 — 42 EE. Ch, Cth,
Eg, Er 120-, B 51, H CLXII. CLXHI. Lue. 5, 1 — 11 Erg 97-, MR.
XXXXVril. Dom. V po8t (Oet) I'eut,, um ffinften Buntag:^
IPetr.8, H — 15 EE, CH, Cth, MR. Luc. 5, 1 — 11 EE, CH,
Cth, Eg, Er 122-, B 52. H CLXIV, HA 222*. Matth 6, 20 — ä4.
Erg 97 ", MK.
IL. Dom. VI post. Oct. Peut., am aexteo suntag:* Iiom.6,
3-11 EE, CH. Cth, MR. Rom. 5, 12. 21 Ca; Maüh. 5, 30 — 34
EE, CH, Eg.« Er 124^ H CLXV. MaUh.7. 15 — 21 Cth. Marc. 8,
1 — 9 Erg 98', MR.
L. Dom. VII post Oct Pont., am sibeuten suuUg:* Rom. 6,
19 — 23 EE, CH, MR. Bmn.6,3~lJ Ca; Marc. 8, 1—9 EE. CH,
Eg, Er 127', B 55,' H CXLVI. MaUK 7, 15 —21 Erg m", MR
jiliiigBtan ilu fest der trinität, dos TrlUiDr ao uiiuselncii orten am niuntog nach der
|>fingstoctitv beguigcD wiirdo, i. Min«. Const. US'': ,.Kt feria Kocnndn iiost otttinos
pduthecoBtGs agitur de sanuta Triaitate uo duubui seiiUFntibas sab pleno oftioiu":
Kom. 11, 33—36; Joatt. IS, Iß tmic. DiMelben perioopen briugt «neb du Misi.
PntAfienHO („Libror. miaaallu a,in PatanlBw« eoch« ml>rica. ü|ias ... Wien&e eta-
mtum" 15(13) fol. 113'. 1>»8 MJsb. Eom. Tom j. U97 liest // Cor. 13, 11—13;
Joan. JS, S6 — 16, i. Irbcr die jiericope des Johuiaosavatigdiuitis einn predigt bei
B 43 ntid H CLVIU. Üas beutign HR sohnibt Bmn. 11, 33— 3G; MiMh. 28, 18— HO
vor. Tgl. Biutarim a. u. o. 5 , 1 , 263 fgg.
1) Itebdomada II posl PentOth. Eg, (Ca), tl {.In Dominica). Jiominical
po»l Penf. MK (und ao immer). Vomtnka priimt po»t IfeMuin) THnitulis Tt; doch
geht diese in den homiliensainlunjL.'en Bedas durchweg cinueflilirte bozolcbnitng der
prrdigt«D nit die anritige nach der püngstoctav nicht anf Urda «elbsf lurflelt. Bon-
dum stftmt ans jüngerer leiL Denn die abersnhnft „puat (restnin) Trinitatis" kauD
or»t aqfgckouiman «oin, als der Trinitätsiontag nicht uar ^tuiert. sondern auch in
oinem bsstiunienden terminua in fcirchenjalire geworden war (also im XIV. jalirh.),
^) Hebä. V poin PtfU, Cth. Eg, H (In Dom.).
3) Hrbä. 17 pofl iV,i(. |-^h, Eg, H (In Dom.).
4) Dom. (iirima) poM Nataie Aportotorum Cth, Ca, Eg (llcbd.). In Dom.
Vll pott Pent. H
5) Kb reicht die lectiun cigentlicli bis y. 26. iloufa steht im Cod. Khan, von
jAngerer band auadrücklich die beraerkting „nsqae et tont: veniens olToret manus
tuuiu" (Hattb. 5. 24).
ti) Dom. II poKl Nal. Apo/it. Ca , Kr (Urbd.). h Dom. VttJ jmut Patt. ü.
7) — Matlh.lS, 3ä-39.
ALTDBÜTSCHB PEBIKOPBN. m 19
LI. Dom. VIII post Oct Pent, am liehteden smitag:^ Rom,
8, 12 — 17 EE, CH, MB. Rom. 6, 19 — 23 Ca; Maitk 7, 15 — 21
EE, CH, Eg, Er 130^ B 57,« H CLXVII. Luc. 16, 1—9 Erg 99»», MB.
LII. Dom. IX post. Oct. Pent, am nemiten suntag;^ I Cor,
10, 6 — 13 EE, CH, MR. Rom. 8, 1—6 Cth, Ca; Luc. 16, 1 — 9
EE, CH, Cth, Eg, Er 134% B 59, H CLXVIIL Luc. 19, 41—47 Erg
100% MB.
LEI. Dom. X post Oct. Pent., am zehenten suntag:* I Cor.
12, 2—11 EE, CH, MB. Rom. 8, 12—17 Cth, Ca; Luc. 19, 41—47
EE, CH, Eg, Er 137' (G XXXIX),* B 60,« H CLXIX, HA 225%
Luc. 10, 25 — 37 Cth. Luc. 18, 9 — 14 Erg 100% MB.
LIV. Dom. XI post Oct. Pent., am aindleften suntag:'
I Cor. 15, 1 — 10 EE, CH, MB. I Cor. 15, 39 — 46 Cth; Luc. 18,
9 — 141SE, CH, Cth, Eg, Er 139% B 63, H CLXX. CLXXI, HA 229%
Marc. 7, 31 — 37 Erg 101% MB.
LV. Dom. XII post Oct. Pent., am zwelften suntag: ® II Cor.
3, 4 — 9 EE, CH, MB. I Cor. 15, 39—46 Ca; Marc. 7, 31-37
EE, CH, Eg, Er 140% B 64, H CLXXH. Luc. 10 , 23 - 37 "S^x^
101% MB.
LVI. Dom. XIII post Oct. Pent., am dreitcehenten suntag : *
Gci. 3, 16 — 22 EE, CH, MB. II Cor. 5, 1—11 Ca; Luc. 10, 23—
57 EE, CH, Eg, Er 142% B 67,^» H CLXXIII. CLXXIV, HA 234'.
Luc. 17, 11 — 19 Erg. 102% MB.
1) Dom. III post Nat. Äpost. Ca, Eg (Hebd.). In Born. IX post Pent. H.
2) = Luc. 6, 43—46.
3) Dom. IV post Not. Äpost. Cth, Ca, Eg {Hebd.). In Dom. X post Pent. TL.
4) Dom. Vpost Nat. Äpost. Cth, Ca, Eg {Hebd.). In Dom. XI post Pent. H.
5) Habita adpopulum in basüica beati löhannis , qvuB didtwr Constantiniana.
6) = MaWi. 24, 1 — 2. Marc. 13, 1-2.
7) Dominica .... Cth. Von hier ab ist eine exacte bestimmang der perico-
pen für jeden der sontago nicht mehr möglich, denn Cth hat die ursprüngliche
Zahlung der pfingstsontage nicht consequent eingehalten : Auf Dominica . . . folgt
Dom. II post s. Laurentii (11 Cor. 5, 1 — 10; Marc. 7, 31 — 37), Dom. III, p. s. L.
( Lucio, 23 — 37). Dom. IV p. L. (Gal...; Luc. 17, 11 — 19), Dom. V 2^-
8. L. (Gal. 5, 16—24; Matth. 6, 24 — 33), hierauf Dom. mensis VII (Gal. 5, 25 —
6, 10; Luc. 7, 11—16), Dom. mensis VIII (Ephes. 4, 1—6; Luc. 14, 1 — 11),
Dom. mensis VII (I Cor. 1, 4—8; Matth. 22, 23—33), Dom. mensis VII (Ephes.
4, 23 — 28; Matth. 9, 1 — 8) und Dom. III post s. Cypriani (Ephes. 5, 15—21;
Matth. 18, 23 — 25). Eine grosso lücke im msc. hindert die weitere z&hlung des
Theontichus zu verfolgen. — Hebd. VI Eg. In Dom. XII post Pent. H.
8) Hebd. prima post s. Laurefitii Ca, Eg. In Dom. XIII post Pent. H.
9) Hebd. 11 post s. Laurentii Ca, Eg, In Dom. XIV post Pent. H.
10) «. Matth. 13, 16—17.
2*
20 fiTBJSKAL
LVII. Dom. XIV post Oci Pent., am viertzehenten suntag:^
Gal 5, 16 — 24 EE, CH, MR U Cor. 6, 14 — 7, 1 Ca; Luc. 17,
11—19 EE, CH, Eg, Er 146', B 70, H CLXXV. CLXXVI. MaUh. 6,
24 — 33 Erg 103', Mß.
LVIII. Dom. XV post Oct. Pent, am ffinftzehenten suntag:*
Gal. 5, 55 — ö, 10 EE, CH, MR. Gal. 3, 16— 22 Ca; MaUh. 6,
24—33 EE, CH, Eg, Er 148 ^ H CLXXVI.» CLXXVII. Luc. 16, 13
B 71.* Luc. 7, 11—16 MK.
LIX. Dom. XVI post Oct. Pent., am sextzehenten suntag:*
Ephes. 3, 13—21 EE, CH, MR. Gal. 5,16—24 Ca; Luc, 7, 11—16
EE, CH, Er 151', B 72, H CLXXVHI. CLXXIX. Luc. 14, 1 -11 Erg
104% MR.
LX. Dom. XVII post Oct. Pent., am sibentzelienten suntag:*
Ephes. 4, 1 — 6 EE, CH, Ca, MR. Luc. 14, 1—11 EE, CH, Eg,
Er 153% B 73, H CLXXX. CLXXXI. Matth. 22, 34—46 Erg 104% MR.
LXI. Dom. XVIII post. Oct. Pent, am achtzehenten sun-
tag:' ICor. 1, 4—8 EE, CH, Ca, MR. Matth. 22, 34 — 46 EE,
CH, Er 159% B 76,» H CLXXXV. MaUh. 22, 23-33 Eg. Matth.
9, 1 — 8 Erg 108% MR
LXII. Dom. XIX post Oct Pent, am newntzehenten sun-
tag:» Ephes. 4, 23 --28 EE, CH, Ca, MR. Matth, 9, i — 8 EE, CH,
Eg, Er 161% H CLXXXVI. CLXXXVII. Marc. 2, 1 — 13 B 77.^0
MaUh. 22, 1 — 14 Erg. 108% MR.
LXni. Dom. XX post Oct Pent, am zwaintzkisten sun-
tag:** Ephes. 5, 15 — 21 EE, CH, Ca, MR; Matth. 22, 1—14 EE,
1) Hebd. III post 8. Laurentii Ca, Eg. In Dom. XV post Pent. H.
2) H<M. IV post 8. Laurentii Ca, Eg. In Dom. XVI post Pent, H. In
Erg 104' die bemerknng: Hie ist ei ewangeliü niht geschribB daz man da liset
an dem fünf zehiden suntak. Erg ist somit abschrift.
3) Die niunmer wird irtümlich zweimal Torwendet.
4) =- Matth. e, 24-^33.
5) Hebd. V post s. Laurentii Ca, Eg. In Dom. XVII post. Pent. H.
6) Hebd. prima Mensis Septimi Ca. Hebd. I post (Not.) s. Cypriani Eg.
In Dom. XVIII post Pent. H.
7) Dom. %U supra Mensis Septimi Ca. Hebd. II post Cypriani Eg. In
Dom. XIX post Pent. H.
8) = Marc. 12, 28 — 33. Luc. 10, 25—37.
9) Hebdomada I post s. Angeli Ca. Hebd. III post s. Cypriani Eg. In
Dom. XX post Pent. H.
10) = MaUh. 9, 1-8. Luc. 6, 17-26.
11) Hebd. II post s. Angeli Ca. Hebd. IV post s. Cypriani Eg. In Dom.
XXI post Pent. H.
ALTDEUTSCHE FEBIKOPBN. m 21
CH, Eg, Er 165^ (GXXXVIIP), H CLXXXVIII. Joan.4, 46 — 53
Erg 109 ^ MB.
LXIV. Dom. XXI post Oct. Pent., am ains vad zwaintzki-
sten suntag:* IJph. 6, 10—17 EE, CH, Ca, MR; Ioan.4, 46 — 53
EE, CH, Er 169% H CLXXXIX. CXC. Matth.18, 23-35 Eg, Erg
110% ME.
LXV. Dom. XXII post Oct. Peut., am zwai vnd zwaintz-
kistensuntag:» Phil 1, 6—11 EE, CH, Ca, MR; Matth. 18, 23—35
EE, CH, Er 171% H CXCI. CXCII, HA 242'. MaUh. 22, 15 — 21 Eg,
Erg 111% MR.
LXVI. Dom. XXIII post Oct. Pent., am drei vnd zwaintz-
kisten suntag:* Phil 5, 17-4, 3 EE, CH, MR. Phil 3, 17 — 21
Ca; Matth, 22, 15-^21 EE, CH, Er 174% B 80,^ H CXCIII. CXCIV.
Matth. 9, 18—26 Eg, Erg 111% MR.
LXVII. Dom. XXIV post Oct. Pent., am vier vnd zwaintz-
kisten suntag;« Ccl.l, 9—14 EE, CH, Ca, MR; Matth. 9, 18—26
EE, CH, Er 176% B 81.' Luc. 8, 41—56 H CXCV. CXCVI. loan. 6,
5—14 Eg. Matth. 24, 15 — 35 Erg 112%» MR.
LXXII. In feste s. Apost. Petri et Pauli, an sand Peters
tag:» Äd. Äpost. 12,1 — 11 EE, CH, Ctli, Ca, Mr 108% MR;
Matth. 16, 13—19 EE, CH, Cth, Eg, Mr 109% Erg 115%»« H (2. teil:)
XXVI. loan. 21, 15 — 19 Erg 120'.»»
1) Habita ad populum in basüica hectti Clementis tnartyria:
2) Hebd. III post s. Angeli Ca. Hd)d. V post s. Cypriam Eg. In Dom.
XXII post Pent. H.
3) Hebd. IV post s. Angeli Ca. Hebd. VI post s. Cypriani Eg. In Dom.
XXIII post Pent H.
4) Hebd. V post s. Angeli Ca. Hebd. VII post Oypriam Eg. In Dom.
XXIV post Pent. H.
5) -= Marc. 12, 13-- 17. Imc. 20, 20—25.
6) Hebd. VI post s. Angeli Ca. Hebd. VIII post s. Cypriani Eg. In Dom.
XXV post Pent. H.
7) == Marc. 5, 22 — iS. Luc. 8, 41—56. 8) In der hs. irrig D* ein vn ztoeizigest.
9) 29. juni. In älterer zeit pflegte der papst an diesem tage zwei messen
m lesen, die eine in der St. Peterskirche, die andere in der St. Paulskirche, s.
Binterim a. a. o. 5, 1, 389. Dieser gebrauch verlor sich jedoch bald und das
ursprünglich an einem tage gehaltene doppelfest wurde auf zwei tage verteilt. Am
ersten tage nimt der ritus der messe, besonders epistol und evangelium, auf den
heil. Petrus bezng, obgleich das fest auch dem heil. Paulus gilt; am zweiten findet
diesem zu ehren eine art nachfoier, die „Commemoratio S.Pauli" statt; vgl. Binte-
rim ». a. 0. 5, 1, 382 ff. — In Natali s. Petri CH, Ca. Item (A2)08t. Pari et
PauK) in die Cth. Die XXIX vicfisis suprascripti, Nat. Ap. Petri et Pauli Eg.
10) Daz Uset mä in edlen hochzeiti sand peters.
11) An Sand peters rü sand paulus tak.
22 BTEJ8KAL
LXXIII. In Commemoratione s. Pauli, An sand Pauls tag:^
Gal,l, 11 — 20 EE, Mr 110', MR. Ad, ApostO, 1 — 22 CH, Cth,
Ca; MattklO, 27 — 29 EE, CH, Cth, Eg, Mr 110% Erg 120^• H
(2. teil:) XXVIH. Matth. 10, 16—22 MR.
LXXIY. Die s. Marias Magdalenae, an sand Maria Magdalen
tag:« Cant.3, 1 — 4 EE. Cant 3, 2—5; 8, 6—7 MR; Luc 7,
36—50 EE, Mr 117', MR.
LXXXIII. LXXXIV. Commune plurium Virginum (et Mar-
tyrum), von iunchfrawen (von den iunchfrauen) : * I Cor. 7, 25 — 34
Mr 147% MR; Matth. 25, 1—13 EE, Eg, Mr 147% Erg 148% MR, H
(2. teil:) XCIV. XCV. XCVI. Matth. 13, 44 — 52 EE, Eg, Erg 149%
MR,5 H (2. teU:) XCUI.
LXXXY. Commune unius Apostoli, von eim igleichen gotez
iuuger : « Eccli. 44, 25-45, 9^ Csl. II Tim. 4,1 — 8 Ca; loan. 15,
17—25 EE,» Eg, Erg 130r loan. 15, 12—16 Eg, Erg 131'. loan.
15, 1 — 11 Erg 129% Luc. 9, 1 — 6 B 154.»
Wer mit einiger aufmerksamkeit die vorstehende tabelle, die zu-
gleich ein recht zutreffendes bild von der grossen divergenz der lectio-
narien in der aus wähl ihrer pericopen entwirft, überblickt, wird bald
bemerken, dass EE in all den obigen mit rucksicht auf dessen Verhält-
nis zu MR ausgewählten fallen engen anschluss an CH, und nur an
1) 30. Juni. In NataU s. Pauli CH, Ca. Item {s. Pauli) in die Cth.
Die XXX mensis suprascripii ad 8. Paulum Eg.
2) Dicz ewangeli (hs. ewangelist) ist vofi sande pauius eigenlich.
3) 22. Juli. In Erg. fol. 121** die bemerkong: An sande marii magdaleni
tak daz ewangelivm such dez vreitaffes nach dem XVII (hs. XV) suntak (erg. nach
Pfingsten).
4) In Nat. Virginum Eg. von den meiden Erg 148*. 149*.
5) MR bietet noch ein drittes evangelium: Matth. 19, 3 — Ui.
6) MB kent kein ^Commune nnias Apostoli," da für jeden der einzelnen
apoftteltage eine bostiinte messe vorgezeichnet ist Der ^Sacramontomm Liber ter-
tius incerto authore conscriptua, quantnm apparet, ab Alcuiuo abbate*' bei Pamol
«Litargica Latinorum" II, bSb entlialt eine .Missa in vonerationo nnias apostoli"
mit der .»I.ei'tio Epistolu' B. Pauli Apostoli ad Ephesios" (2, 19 fgg.) und der
„Sequontia Sancti Evangelij secundum loannem" (rccto Matth. 19, 27 fgg.)* — 1^
Nat. unius ApoatoU Ca, Ejr. -4m eins zwelf 2^^* tag Erg 129 ^ 130'. r<m eifiem
ztcelf iwten Erg 131*.
7) Im auszug.
8) Hiernach ist meine angäbe a. a. o. s. 72 su bessern.
9) - Matth. 10, 5—8. Marc. :i, 13—15. Von tUeser auswahl der pericopen
im ..Commune unius AposU^li" ist verschieden die der Commune Apostolorum; ich
verzeichne hiefür: Matth. 10, 5-^8 Erg 131** (vm den twelf p<^en). MaUh. 10,
5-10 G. IV. H (2. teil) LXX. Marc. 6, 0—13 Eig 181*. -Marc 10, 23—30
Erg 132*. loa». 15. 17—^*5 H (2. Uni) LXXI. loan. 15, lÄ— itf H (2. teü) TiXXTT.
ALTDEUTSCHE PEBIKOPEM. in 23
GH zeigt; denn während sioh bei einem vergleiche von EE mit Cth,
Ca, Eg usw. eine ganze reihe von abweichungen entdecken lassen,
stimt EE stets mit CH zusammen. Ein vergleich von EE mit CH in
betreff der pericopenauswahl für die übrigen oben nicht angeführten
sonn- und festtage kann die richtigkeit des bisher gewonnenen resul-
tats nur bestätigen.
EE und hiemit die vorläge von EE (s. s. 12) gehen daher unzwei-
felhaft auf GH als quelle zurück. Da aber EE eine anzahl von fest-
tagen aufweist, die in GH keine berücksichtigung finden, wie LXIX
zu der chundung (Annunciatio B. Marise Virg.) , LXXIV an sand Maria
Magdalen tag, LXXVlI an aller heiligen, äbent, LXXYIII an aller
heiligen tag und diesem auch das commune LXXXIII von iunchfrawen,
LXXXIV Atoer ains von den iunchfrauen und LXXXV von dm iglei-
chen gotez iunger fehlt, konte die vorläge von EE nicht unmittelbar
aus GH geschöpft haben, sondern muss aus einer mittelquelle, einem
auf GH fassenden (lateinischen) lectionar , geflossen sein.
Den schluss meiner erörterungen mögen einige bescheidene nach-
trage zu Steinmeyers schon oben (s. 13) berührtem Verzeichnis der erhal-
tenen deutschen predigten bilden.
Man kann die predigten in zwei grosse hauptgruppen scheiden,
in Sermones de tempore und Sermones de sanctis. Während leztere
ihren stofT meist den Heiligenleben und Martyrologien entnahmen , boten
für die ersteren im algemeinen die epistel- und evangelienpericopen
den ausgangspunkt. Der predigt wird gewöhnlich ein der epistel- oder
evangelienpericope entnommener satz als thema vorangestelt , worauf
dessen mehr oder minder eingehende auslegung und anwendung folgt.
Ist das thema in lateinischer fassung gegeben, so wird ihm meist die
deutsche Übersetzung oder Umschreibung beigefügt. Zuweilen, doch
seltener, geht die predigt nicht von einem satze der tagespericope,
sondern von irgend einer passenden bibelstelle oder von kirchlich auto-
risierten werten aus und nimt erst im laufe der ferneren darstellung
auf epistel oder evangelium bezug. Eine nicht unbeträchtliche zahl
von predigten endlich zieht religiöse fragen in betracht, die ganz
abseits von dem Inhalt der für den betreffenden tag vorgeschriebenen
pericope liegen. Besonders waren es die weltgeistlichen, die sich in
der behandlung der predigt solch eine grössere freiheit der bewegung
gestatteten. Grieshaber erwähnt „Deutsche Predigten" (Stuttgart 1844)
I, XIX, dass sich am obern rande von fol. 49* zur Überschrift Dom. ZF
post Pent. handelnd über Luc. 6 , 36—42 eine glosse erster band findet,
die besagt: Secundum seculares, sed secundum ordinem prima; und
in Wahrheit wird in Erg und MR das evangelium Luc. 6, 36 — 42
24 8TBJ8KAL
nicht am vierten, sondern am ersten sontage nach pfingsten gelesen.
Steinmeyer hat leider in seinem Verzeichnis eingangs- und pericop^n-
stelle gleichgeachtet und viele predigten auf diese weise mit einem
irreleitenden citate versehen. Es ist von den angeführten predigten
nur eine verhältnismässig kleine zahl namhaft zu machen , die wirklich
über die zur einleitung gewählte nicht den tagespericopen entlehnte
bibelstelle handelt
A« Zu Keinz-Haupts bruchstücken einer althochdeutschen
evangelien Übersetzung.
Friedr. Eeinz hat in den Sitzungsberichten der k. Münoherier
akademie 1869, I s. 549 fgg. und Jos. Haupt in Germ. XIV, 443 fgg.
bruchstücke einer ahd. evangelienübersetzung bekant gemacht. Diese
Übersetzung ist auch für die erkentnis altdeutscher pericopen von Wich-
tigkeit, indem der Schreiber der handschrift teils mitten zwischen dem
texte, teils aussen am rande die stücke und den tag verzeichnet , an
welchem sie als evangelium in der messe gelesen wurden (s. Sitz. Ben
a. a. 0. 550 anm. 6 , 553 anm. 9 ; Germ. XIV, 440). Erhalten ist uns
der hiuweis auf folgende hier nach der Ordnung des kirchenjahres gereihte
pericopen :
In galli cantu, ze cristes mese zc winahten:^ Luc. 2, 1 (Miss.
Const.« fol. VHP) in Germ. XIV, 458.
zetagemese ze .,: Luc. 2, 15 (MC. IX**) in Germ. XTV, 458.
in not, sd Stephani . . : Matth. 23 , 34 (MC XI') in Germ. XIV,
460.«
Dominica infra oäauam natiuitatis : Luc. 2, 33 (MC XIIIP)
in Germ. XIV, 459.
Dominica IUI. post ^iphaniam. feria VI An detn fritag nach
dem fierdem svntach nach perhtnachten: Luc. 9, 57 (MC XX') in Germ.
XrV, 461.
1) Am wcihnachtstagc (25. dec.) wurdeD von alters her drei messen gelesen;
vgl. darftbor Binterim a. a. o. 5, 1, 538 fgg. Eine predigt in „festo Nativitatis **
(Sitz. Bor. der Wiener Akad. 94, 249) begint mit den Worten: Man heget hüte den
heyligin cristak vnd ist gar eyn riche hochezit, Dorutne so mak eyn iclicher pri-
stir tcol drxj anesse lesin adir singin. Daz ist dontme, daz kein dorf, noch keyne
kirche, noch keyn mensche sal hüte an messe sin,
2) Die hs. weist fast dorchans dieselben pericopen auf wie das alte Missale
Constantiense ; vgl. Germ. XIV, 442.
3) Fehlt bei Stoinmeyer; sein Verzeichnis berücksichtigt die von Eeinz und
Hanpt veröffentlichten evangelienfragmente nur dann, wenn diese andere texte
za einzelnen sonn- und festtAgen aufweisen^ als er sonst durch predigten belegen
konte.
ALTDEUTSCHE PEBIKOPBN. m 25
Dom, in quinquagesima, An deni andern svniach vor vase . . .
Marc. 10, 46 » in Germ. XIV, 457.
Dom, II in XL. feria III, An dem . . . nach dem . . .: Matth.
23 , 1 (MC XXXmi') in Germ. XIV, 448.
In Talmis Passio domini S, Matheum, An dem halmtage: Matth.
26, 1* (MCLim^) in Germ. XIV, 451.
. . , . . An dem phindage in der phingst wochen: Luc. 9, 1 (MG
XCI') in Germ. XIV, 461.
An dem ersten suntach nach phingsten: Luc. 16, 20^
(MC XCVI') in Sitz. Ber. a. a. o. 550.
Dominica V. post oäauam pentecostes feria Illl.y An dem mi-
dichen nach dem fivnflem svntach nach phingsten: Luc. 10, 21 (MC Gl')
in Germ. XIV, 464.
Dom. VII, post oct, pentec.j An dem sipentem svntach nach phing-
sten: Marc. 8, 1 (MC CHI») in Germ. XIV, 455.
Dom, VIII. post odauam pentecostes fcr. VI, An dem fritach
nach dem ahtum nach phingsten: Matth. 23, 13 (MC CIIIP) in Germ.
XIV, 449.
Dom. XV m. post octauam pentecostes, An dem ahczehentem
svntach nach phingsten: Matth. 22, 34 (MC CXVII*) in Germ. XIV, 447.
Dominica XVIIL post octavam pentecostes feria VI, An detn
fritach nach dem ahtzehentem svntach nach phingsten: Matth. 13, 31
(MC CXVE»») in Germ. XIV, 444.
[XV] IUI. post octauam pentecostes feria Illl.y . . . em nivn-
gehentem: Matth. 13, 36 (MC CXVIIP) in Germ. XIV, 445.
Dom. XX post oct.,. [feria VI,]^ .... Luc. 6, 22 (MC CXIX^)
in Sitz. Ber. a. a. o. 553.
1) ist nur eine paraUolstelle zu der in MC vorgeschriebenen poricope Luc. 18,
13—43.
2) Wie schon oben (s. 17) erwähnt ist und die lateinische Überschrift hier
ausdrücklich sagt, ist Matth. 26, 1 fgg. passion, nicht evangelium, wie St. s. 229
anführt.
3) Doch begint das evangelium bereits mit dem dem fragmente fehlenden
y. 19 (das fragment umfasst nur Luc. 16, 20 und 21); fehlt bei St.
4) Die Worte feria VI hat schon J. Haupt (Germ. XIV, 442 amn.) ergänzt.
Keinz berichtet a. a. o. 550 anm. 6 , dass am rande des fragmentes sich die bemer-
kung finde: Dom, XX post od, und einige worto mehr, die aber fast ganz weg-
geschnitten seien. St. hat die anmerkung Haupts übersehen und das Evang. Luc.
6, 21 fgg. (recte 22 fgg.) als poricope unter „Dom. XXI** gestelt. Hiebei will ich
erwähnen , dass St. in seinem Verzeichnis die Zählung der sontage nach pfingsten
in der weise Tomahm, dass er die pfingstoctav (Dom. in Oct. Pent.) gegen die
gowdhnliche z&hlnng als ersten sontag nach pfingsten rechnete, und dadurch yiole
nigenanigkeiten herrorrief.
26 STBJSKAL
Dom. XX III. post oetavam peniecostes, an dem tri vnd ewain-
gistem svntach nach phingsten: Matth. 22, 15 (MC CXXII*) in Germ.
XIV, 446.
De apostdiSy van den gtcdf paten: Luc. 10, 1 (MG. 2 teil III*)
in Germ. XIV, 462.
De martyribus . . . Luc. 10, 16 in Germ. XIV, 463.
von den maiden: Matth. 13, 43 (MG. 2. teil XIV) in
Germ. XTV, 445.»
B. Zu Müllenhoff-Scherers Denkmaelern (2. aosg. Berlin 1873.)
LXXXVI.
Die predigten der ersten samlang (A) (1 = Fundgr. I, 65 ; 8 = Z. f.
d. A. Vm, 106 (1); 8 = Z. f. d. A. VIII. 106 (2); 4 = Fundgr. I, 64;
5* — 6** = Keinz Münchener Sitz. Ber. 1869, I, 542) erlauben, wie
schon St. s. 227 mit recht bemerkt, keine sichere deutung auf bestirnte
zugrunde liegende pericopen. Hier und da findet man zwar anklänge
an evangelien- oder epistelstellen (s. namentlich 4), allein es ist
nichtsdestoweniger unmöglich, auf grund dieser den tag zu ermitteln,
an dem sie gehalten worden waren.
Die zweite samlung (B) enthält folgende vier predigten : 1 = Fdgr.
I, 63, nach der behandelten pericope {Dae evat^gelium gelü uns, das
unser herro Jesus Christus euo den bdton imo iruueliti sibincig nnia
giuuent jungerun usw.: Luc. 10^ 1 — 9) zu schliessen, nicht wie St.
angibt eine predigt auf Dom. V post Epiphaniam,' sondern auf das
fest des heil. Markus (25. april);' 2 = Fundgr. I, 59 über Matth. 20,
1 — 16: eine predigt auf Dom. in Septuagesima; 3 = Fundgr. I, 62
über Luc. 8, 4 — 15: auf Dom. in Sexagesima; 4 = Fundgr. I, 63 über
Luc. 18, 31 — 43: auf Dom. in Quinquagesima.
Die dritte samlung (G) bringt in ihrem 1. bruchstöcke (= Eeins
Mfinchener Sitz. Ber. 1869, I, 541) eino predigt auf Dom. I in Qoa-
dragesima (über Matth. 4, 1 — 11) und in ihrem 3. (= Z. f d. A. Vin,
107 (3)) eine predigt auf Dom. II in Quadragesima (über Matth. 15,
21 — 28). Das 3. bruchstück (bei Keinz a. a. o. I, 541 erwähnt) lässt
1) Fehlt bei Steinmeyer.
2) an der nur Matth. 11, 25-30 oder Matth. 13, 24—30 gelesen wiid,
s. oben s. 17.
3) Es widerspricht dieser annähme nicht, dass die homilie Gregors, aus der
der deutsche prediger schöpfte (s. MSD s. 587) — es ist die homiüe XYII: habüa
ad Episeapos in fönte» LtüernnenMum — der predigt auf der im Idrchenjahr firiUisr
fallenden sontag septoagosima vorangeht Denn die 40 homilien Gregors und nieht
nach dem kiichenjuhr geordnet, vielmehr baut dua*heinander gewürfelt.
ALTDBUT8CHS FSB1X.0FSN. UI 27
seiner alzu fragmentarischen Überlieferung wegen nicht ermitteln, wel-
cher text der predigt zu gründe lag.
C. Zu Hoffmanns predigten in Fundgruben I, 59fgg.
59 = MSD LXXXVI B 2.
62 = MSD LXXXVI B 2.
63, 8 = MSD LXXXVI B 4.
63, 20 = MSD LXXXVI B 1. Die genanten vier predigten sind
bei St. unter den entsprechenden citaten von MSD angeführt
64 = MSD LXXXVI A 4.
65 = MSD LXXXVI A 1.
66. Das fragment behandelt Marc. 7, 31 — 37, ist daher eine
predigt auf Dom. XU post (Oct.) Pent. ; bei St unter „Dom. XIII.**
67, Dom, Xni; bei St unter „Dom. XIV.«
69, 1. Bruchstück einer predigt über Luc. 18, 31 — 43: auf Dom.
in Quinquagesima.
71, In Pascha. Die predigt geht zwar^ von Psalm 117, 24
(H(ßc est dies quam fedt Dominus) ^ aus , doch ist sie keineswegs , wie
man nach St vermuten könte , auf diese stelle aufgebaut , sondern nimt
(S. 72, 30) ausdrücklichen bezug auf die gelesene evangelienpericope
(Marc. 16, 1 — 7) : Man las uns an dem evangdio, daz sancte Maria
magdalen unde aein anderv Maria s, Jacobs muter choflen aromaia usw.
74, In Octava Pasche enthält s. 75, 6 zuerst einen hinweis auf
die evangelienpericope des osterdienstags : Man las uns an dem eritage
an dem evangdio, daz sih unser herre erzaiget sinen iungem, da si
alle in einem bespartem huse waren usw. (Joan. 20, 19 — 25) und sezt
dann fort: Nu lasm uns hüte an dem evangdio, wie die heiligen
zwelfpoten sih gesamnt heten in nein hus an dem ahtodem tage von der
urstende, do was s, Thomas mit in usw., bespricht also Joan. 20,
26 — 31, wie sie auch mit den werten anhebt: Post dies octo de.
(loan. 20^ 26). St führt die predigt irrig unter dem citate „Job. 20,
19 fgg." an.
77, In Bomana Ldania, behandelt Luc. 11, 5 — 13 (als man
uns dessdben tages uorliset an dem evangdio: qui pdit, accipiet, et
pulsanti aperietur usw.), ist somit nicht wie St angibt, eine predigt
auf das fest des heil. Marcus, sondern In Litaniis majoribus," (wenn
1) Wie jene bei Kelle 64. 65; Jeitt. 75; Leyser 61. 132 = Z. f. d. A. 20,
242; Altd. BU. H, 178.
2) Entnommen einer antiphonie dieses tages s. Breviariam Bomantim , Mecheln
1861, pars vemalis 262.
3) S. das Miss. Rom., wo s. 286 cinoMissa ,,In Litaniis majoribas'* mit der
Epistel Jac 5, 16—20 und dem £yang. Lnc. 11 , 5—13.
28
0TBJ8KAL
auch diesoB fest mit dem des heil. Marcus auf einen tag, 25. april,
f<). Der HüliluHS der predigt bestätigt die richtigkeit meiner annähme,
denn er weist nur ganz nebenbei hin auf das an demselben tage zu
begehende fest des heil. Marcus. Die stelle lautet: So uolget ir uil
smliclichen dem heiligem cruce, ob ir iwem lip cruzet unde dwinget
uan upict^ii , twt^ bosheü unde uon ailerslaJUe unrehte. Von div pittet
den almelUigen got, das ir im geuolgen müzet mit Worten unde mit
werchen, unde sentet an in ee boten den guten $. Mar cum, des ttdt
wir desselben tages begen,
78 j Philippi et Jacobi, citiert wol im beginne Psalm 138, 17
{Nimis honorati sunt amici tui)^ geht jedoch dann Ober auf loan. 15, 15
usw. Keine der beiden genanten bibelstellen ist pericope. Steinmeyers
Stellenangabe (Ps. 138, 17) ist somit zu streichen.
80, De 8, Cruce^ ist eine predigt auf das fest „Inyentionis s.
Crucis** (3. mal).
83y 1. Bruchstück einer predigt auf Joannes Evang.
86*, Dominica in Septuagesima ^ = Roth IX, begint wie Kelle 44
mit den Worten des psalms 136, 1 {Quomodo cantabimus canticum
Domini in terra aliena?) und wird bei St. auch so citiert. Es ist mir
leider noch nicht gelungen, diese psalmstelle als zu den liturgischen
gebeten des tages gehörend nachzuweisen; doch ist sie keinesfiBLls
pericope. *
88, Sermo in Quadragesima , ist nach der pericope II Cor. 6,
1 — 10 zu schliessen , eine predigt auf Dom. I in Quadragesima.
90, In Annunciatione Dofnini, St begleitet die predigt nach
den anfangsworten : IMa huec clausa erit usw. (Ezech. 44, 2) mit
diesem eitat; doch geht sie von jenem unmittelbar über auf die erklä-
1) In ££ führen die pericopen dieses tages die ftberschrift so man dca Me-
hkia Hidar leit, vgl. hiezu: am smtag ah man dax aUeluM nydfr legt Cod. Yind.
28^. fol. 10^; Ah dem »nntage so man liset daj alkhia Erg foL 12*: Das
fMkh stmc, das irtr alJeJi ditie iar sungen , aHelma, das uermide wir nu mmj
OM den heiligen abent ze ostem Fundgr. 1 , 86; Dnrd^ divs, min hü lieben, so laie
tcir die alMma hinnen unze ostem nni ander flrohch sane Fundgr. I, 87: t: sini
die tage komen, ticur man idleinia gileget hat, lias man ü uor ostem niemer singen
9Col, nnt ist nerboten eliehic h^rat non disem tage hiute uns an den sunnetac der
üggenden ostirwochen. Fuudgr. I. iÖ: Sc ist alles froHch getane hingeleit. aUelcia rü
firdde K«^Ue 44 ; Man beget hüte ilen suntac , als man das allelaia legit rnd allin
vrotkhin gesmnc als gloria in eaxelsis Deo and Te Deum laudamus rnd Ite missa
eti. l^sin crvHchin gesimc leit man dar umme, Das di werlt tH yieler rrende
kut Wiener Sitz. Ber. 94» i53; s. £.Martene ,I>e antiquis Eod««i£ Ritibos^ UI. 136
und M. Gerbert «Monnmenta reteris LitorgisF Alemannice" II, 348: MB schreibt
votr: ^OB didit«! Uloiia In tficeltua ab hac Dominica os^ne ad F^Lkrha, oiceptis
fem Y. in CvNMa Domiu et Sabbato sancto» et «^lUMido dicxtur Mi«a de fesW.''
ALTDBUTSCHB Ffi&IKOPBN. Ttt d9
rung der evangelienpericope Luc. 1, 26 — 38: Diu boteschaft, als uns
dae evangdium saget, diu wart emphdhen dem heiligen gotis engde
sente gabridi usw.
107 y 36 Dominica in Palmis s, lohem. Bei St. ist statt „Job. 12,
1 fgg.^ zu lesen: Job. 12, 12 fgg.; s. s. 17 anm. 13.
113, 1 Commemoratio vivorum. An welcbem tage eine solche
Gommemoration zu balten war, ist nicbt leicbt zu bestimmen: die Mis-
salien und Lectionarien geben, wenn sie, was jedoch nur selten der fall
ist, überhaupt eine „Missa pro salute vivorum^ bringen, keinen auf-
schluss: es war eben kein ständiges fest, sondern die messe gehörte
zu den „Missis votivis pro diversis rebus. ^ Ich möchte daher nicht
glauben, dass Sts. Vermutung, die Gommemoration sei am 1. novbr.
gehalten worden, haltbar sei, umsomehr als an diesem tage von jeher
das fest Allerheiligen gefeiert wurde. Im „Lectionarius Missae^ bei
Thomasius Opera V, 418 wird als epistel der messe Col. 1, 9 — 14,
im „Capitulare Evangeliorum" als Evangelium Matth. 20, 29 — 34 vor-
geschrieben (s. Opera V, 526).
116, In Nativitate behandelt Luc. 2, 1 — 14, mithin das evan-
gelium der 1. messe am weihnachtstage. St führt die predigt ohne
angäbe der zugrunde liegenden pericope auf
118j Stephani, Bei St. nach den eingangsworten Düigite inimi-
cos vestros usw. mit dem citat „Matth. 5, 44" versehen; doch wird
der tod des heil. Stephan nach der algemein für den Stephanstag
voi^eschriebenen epistelpericope (Act. Apost. 6, 8 — 10; 7, 54 — 59)
erzählt.
An diese predigt, die nur bis 119, 10 reicht, schliessen sich zwei
predigten an , die von Hoifmann ohne jede bemerkung unmittelbar dem
vorhergehenden angef> werden. Die erste dieser beiden predigten
muss an einem sontag, der dem 4. juli vorangeht, gehalten worden
sein; dieser sontag kann kein anderer als Dom. I post nat. Apost. (sei-
nen pericopen nach = VI. post (Oct.) Pent., s. oben s. 18 anm. 4)
sein. In der predigt werden nämlich die gläubigen aufgefordert zu
gott zu beten, dass er sich ihrer erbarme: Dar zu haben wir groze
hilfe an den hdigen, der tult wir in dirre wochen hegen. Und nun
werden folgende heilige angeführt, deren tuU bevorstehe: der heil, üdal-
rich , bischof zu Augsburg (4. juli) , der heil. Kilian (8. juli) , der heil.
Willibald (7. juli), die sieben söhne der heil. Felicitas (10. juli). Die
predigt schliesst mit den werten: die rufet des tages, swa ir sit, uil
iwnidichen an, unde pittet got, daz er ivh irlaze geniezen an dem libe
unde an der sde. Fehlt bei St.
Auf sie folgt 119, 43 eine predigt auf die heil. Margarethe (13. juli).
80 anumut.
130 iüt ein bracbstfick einer unbekantea Martenpreiligt ; F<io belian
delt die Tlieophiluslegeuile ; bei St. unter „Maria."
121, (Dominica IT)' über Luc. li, IG — 24, bei St. untd
„Dom. in."
Iä2, Dominica TU = Leyser XXVII über Lnc. 15, 1 -
St unter „Dom. IV."
123, Dominica IUI über Luc. 8, 18—23 bei St, nnter „Dom
V," und
W5, Dominica Füber I Petr. 3, 8 — 15 bei St unter „Dom. VI.
B. Zu J. Keiles Speculum ßcclesis Altdeutsch (München IS&d)
Nach einigen liturgischen gebeten und ansprachen begint s. i
(mit den worten thlte. do wlte er in allererste cnbietin sine kvnft)
bniuhstück einer predigt in Dom. I Adv. Auf den Inhalt der epistot;
pericope (Rom. 13, 11 — 14) wird erst am Schlüsse der predigt (s. iS
bezug genommen.
13, Sermo in Nräale Domini, über Tit 3, 4 — 7 und Lac. \
1& — 20 {Man hat geUm, an dem heiligem ewangelio. daz hirie wart
in dem lante...), bespricht also die pericopeu der zweiton weih
nachtsmesse ; bei St nach den eiugangsworten unter ersterem cäta
angeführt.
17, In Oäaua Domini = Wack, LB 197, über Luc. 2, Dl diu
Gal. 4, 1 — 7. St stelt die predigt unter „Luc. 2, 21 fgg." AUei
die fivangelienpericope dieses tagea ist nur der eine vers Luc. 2, 21,
daher auch der prediger nach anfiihrung des lateinischen textca bemerkt
DoB sint kursiv ibrt. s. cuugelii unde sint iedoch tief, mit vil mangk
baaichinungc. — Die epistelpericope Gal. 4,1 — 7 schreibt l)ereits C^
vor, während OH, Eg, Mr 33' Gal. 3, 23—4, 2. Cth und MK Tit S
11 — 15 lesen ; sie scheint auch den predigten ,,lu Circumcisione Domioi'
in Fundgr, I, 82, Jeitt 3 (= S. Paul 4) und Germ. VII, 336 (ohm
Überschrift) vor?.uliegon.
20, Sermo in Adueniu Dni, begint woP mit den worten det
psalms 144, 18 (Prape es Dm omnibus inwcantibus cum in ucritate),*
bespricht aber s. 21 ausführlich die lagespericope : Rom. 13, 11-
1) pM( (Od.) Pmt.
2) Auch Roth IV (». 24) and Jeitt. 35 (= S. Paul Ib) beliandetu tii
einen vctb; bloes Cth und Eg lesea Lnc. 2. 21—32.
:;) Wia Lfljaer 127 und Am, U, 323.
4) So auch citiert bei St. Die psalDutdle, welelid d«r kntion
ad Vespena" (a. Brev. Born, pars liiemalis 140J enbiomraen sein mag, bat tiat
BCnde panUkle si Rom. 13, 11 ^NtMC tum propior est nottra saltu).
ALTDBUT80HB PBBIKOPBN. in Sl
22, In Vigüia Natiuitatis Dni, lässt eine bestirnte deutung auf
die an diesem tage gelesenen pericopen nicht zn.^ Die predigt wird
mit den werten Letentur Ceti et exuUet terra, aü faciS dn^ quo ueü
eingeleitet, die der Antiphonie „In tertio Noctnmo In Nat. Dom.*^ nach
Ps. 95, 11. 13 entlehnt sind (s. Brev. Rom. pars hiem. 204).* Die
weitere darstellung (s. 23 fg.) nimt bezug auf Luc. 2 , 1 — 14 , also auf
das evangelium, das „In Nat. Dom. ad primam missam^ gelesen wird.
St. begleitet die angäbe der predigt mit dem citate: „Ps. 95, 11 oder
1 Paral. 16, 31.**
25 y De NcUivUate Dniy über Joan. 1, 1 — 14: eine predigt auf
die pericope der „Tertia missa in Die Nat. Dom."
29, St^hanus; s. das oben zu Fundgr. I, 118 gesagte.
31, De eodemy nimt (wie 29) bezug auf die epistel des tages;
bei St ohne pericopenangabe angeführt.
32 y lohanis Euangeliste, begint^ mit den einem Responsorium
dieses tages entlehnten werten : Valde honorandus est heatus loM usw.
(s. Brev. Rom. pars hiem. 217). Weder sie noch die auf s.
54 stehende De eodem (ihre eingangsworte Iste E lohes cui a^c
in cce matrE vgine vgini comdaü * sind derselben stelle des Breviariums
entnommen) besprechen die vorgeschriebenen pericopen (Eccli. 15, 1 — 6;^
loan. 21: 19—24).
55, Innocentum St. fuhrt die predigt nach den eingangs werten
{Ambfdabant mecü in albis usw.) mit dem citate „Apoc. 3, 4" an; doch
geht sie nach diesen werten sofort über zur Inhaltsangabe des f&r die-
sen tag vorgeschriebenen evangeliums Matth. 2, 13 — 18.
36, Circumcisionis ; auf den Inhalt der evangelienpericope (Luc. 2,
21) wird nur kurz hingewiesen; bei St. ohne angäbe.
44, In Septtmgesima , s. oben s. 20 zu Fundgr. I, 86. Eelle
meint, dass mit den werten da^ klaget david die predigt auf septuag.
abbreche und mit den darauf folgenden (fol. 34') Circumdederunt me
gemitus usw. eine predigt auf Sexagesima beginne (s. seine Inhalts-
angabe s. 287). Er stüzt seine ansieht durch die Vermutung , dass zwi-
1) Übereinstimmend schreiben die alten Lect. und Miss, vor; Is. 62, 1 — 4
(CH, Ctb) und Rom. 1, 1—6 (CH, Cth, Ca); Matth. 1, 18—21 (CH, Cth, Eg,
E^g4^ Er 9»).
2) Aach die werte Ecce iä venu pJenitvdo teporis usw. (s. 23) finden sich im
Brev. Rom. and zwar als antiphonie nach der 2. lection der „Feria Sexta infra Heb-
domadam qnartam Adv." (s. pars hiem. 197).
3) wie Roth H (21).
4) Iste est lohannes cai Xristas in cruce matrem virginem virgini com-
mendaTit. 5) Ca liest Ephes. 2, 19 — 22.
Bcbea fol. 33" und 31' eine läge felilu (9. s.44, anm. 4; nachweial
ist nur, üass mit 34* wider die «erste hand" zq schreibBn begi
a. 8. 44 aom. 4 und vorn XVI). St liat mit voUem recht diese TB
mutang ausser acht gelassen lud die predigt als ein ganzes betraoht
DeiiD die zuHämmengehOrigkoit der beiden teile lässt sich schon dai
entnehmen, dass die im ersten teile erwähnten sibeneeük tage, die %
zebvze gesetsä sint im zweiten mit den siebzig jähren der habylouisol
gefangenscbaCI; in parallele gebogen werden: Die sibintsic tage da »
»u inne sin. die sini uns bcseichent mit sihinteic iart-n. dei die 1
in uanchnusse wären.' Zudem heisst es am Schlüsse der predigt; J
habit ir uernämin uoh der heiligen sckrift. wttnnin div ffnwnheit i
hub. diäe s&inteic tage mii m-beile lebin. nu arbeUct danach in iU
tagen.
47, S. In Quinquagesima. Da aber die predigt von der Ai
phouie Ad Magnißcat der Dom. I Qnadrag. (s, Brev. Born, pars ve
I09, entnommen der epistelpericope dieses tiiges: II Cor, ä,
ausgeht, da sie ferner wie iJ3, Semio in QHodragesitna, die anffon
rung an die gläubigen enthält für das heil der seele durcb ausQbtl
guter werke zu sorgen und endlich direct sagt: uon div sint uns l
imgenomin dise uicreidi tage, in den wir dem leidigem uiant i
widersteti sckulin, bo muse ein fehler in der Überschrift vorliegfl
die predigt war nicht für Quinquage^ima , sondern für Dom. I Quadn
bestirnt. Bei St. ist sie noch unter Quinq. angeführt.
52, Sertno in Quadragesimn, iiinit keinen bezug auf die t
pericopeu, sondern enthält wie erwähnt die mahnung in der kommt
den fastenzeit durch beten , fasten , almosengeben für das seeleiüii
sorge zn tragen. St. stelt die predigt unter „Dom. I. Quadrag.," d& b
wenn auch ihres algemeiuen inbalteä wegen für Jeden tag der qoadi
gesimalzeit verwendbar, doob an dieser in erster linie gehalten wordi
sein mochte.
55, Palmarum; s. oben 8. 29 za fundgr. I, 107.
55, In Quadrugesitna. St. stelt die predigt unter „Dom. 1 Qo
drag.," doch seheint sie nacl der pericope Is. 56 , C — 1 1 zu scbliess
(sie begint mit den werten Derilinguat /iwptMS uia. sua usw. Is. 55, '
für feria III post Dom. I Quadrag. bestirnt gewesen zu sein. Sie bncd
8. 66 mit idoch ist er hivte aller gneedigest umhe dii.- ab, worauf
5G (ohne Überschrift) eine predigt auf Coena domioi {Über 1 Co
11, 20 — 32» und loan. 13, 1 — 16) folgt.
1) Dieaclba deutiiDg Bucli io Fundgr. 1 , 8ti.
S) Unter diMeiu citet bei St.
ALTDBUT80HB PSBIKOPBN. m 88
64, Die Sancto Pasche und 65, In die Sando Pasche gehen
zwar von Psalm 117, 24 aus und werden auch von St so citiert; s.
jedoch oben s. 27 zu Fundgr. I, 71.
70, In Letania Maiore (über Jac. 5, 16 — 20) und 75 y In Letor
nia^ sind bei St. irrig unter ^Dom. Y post Pascha^ angeführt; es sind
predigten auf die Dies Bogationum (bittage). Das fest der Bogationen
fehlt bei St.
79j In Ascensione bespricht die evangelieupericope dieses tages
Matth. 16, 14 — 20; bei St. ohne angäbe.
80, In die Sancto Pentecoste über Act. Apost. 2, 1 — 11 und
loan. 14, 23 — 31; sie geht aus von Psalm 32, 6 (Verbo dn% cdi fit'
mati sunt usw.).'
Auch 86, In Sancto Die Pentecosten behandelt beide pericopen,
während 88, Die Pentecosten bloss auf die epistel bezug nimt. St.
führt erstere nur mit dem citat „Act 2, 1 ff.,^ leztere ohne jede
angäbe auf.
89, In Nat, S. lohannis B, Die predigt begint mit Matth. 11, 11
{Inter natos mulierü n surrexit maior Joh^ 6.), wird daher auch von
St. mit diesem citate versehen; doch bringt sie einige zeilen tiefer den
inhalt des evangeliums Luc. 1, 5 — ^^17. Der zugrundeliegende text ist
jedoch nicht pericope dieses tages, sondern der Vigilia S. loannis Bap-
tistsB. Das fest Johannes des täufers war bekantlich ehedem dadurch
aasgezeichnet, dass an ihm drei messen gelesen wurden: „Tres Missae
celebrantur de S. loanne. üna in Vigilia, duse vero in ejus Natali.^
Die erste messe oder die messe in Vigilia wurde nach der vorvesper,
die zweite um mitternacht und die dritte am tage gehalten. Alciiin
erteilt hierüber folgende erklärung: „Ideo tres Missse celebrantur in festi-
vitate S. Joannis, quia tribus insignibus triumphis excellenter refulsit.
Ad hoc enim venit, ut viam domino prsepararet exemplo suse conver-
sationis, qui triumphus celebratur in Vigilia ejusdem; per ministerium
baptismi damit insignis, et hujus ministerii triumphus in prima Missa
recolitur ; Nazarseus permansit ex utero matris , et hoc donum recolitur
in die** („De divinis officiis" cap. XXX. Opera 11. 489 edit Prob. ; vgl.
Oerbert „Monumenta vet Liturg. Alem.^ II, 899, Binterim a.a.O. 5,
1, 375 fgg.). Anders die deutung in einer predigt auf Johannes Bap-
tista (Germ. I, 446); Der gvte S, Johannes der hat driv ampt hivt an
dem gotes dienst nah den drin ampten div er vor got hat (als pro-
phet, apostel, märtyrer). Die pericopen, die während dieser drei mes-
1) Rasur nach Letania; s. Kelle 65, anm. 1.
2) So anch bei St. eitiert.
. W, DXUTBOUB PHILOLOGIE. BD. XY. 3
sen gelegen wurden, waren: In Vigiliar Jerßm.l, 4 — 10 {CH, Ott
Ca. Lect. Misase bei Thomasiua Op. V, 395); Lac. 1. 5 — 17 (CH, Ctt
Eg, Cap. Evang. bei Thomasius Op, V, 474). In prima misaa: Ib. i
27 — 43, 9 (CH, Lect Misste a. a. o. V, 396); Luc, l, 18 — 25 (0
Cap. Evang. a. a. o. V, 475\ In dk: Is. 49, 1 - 7 (CH. Cth, i
Eg, Lect. Missa? a. a. o. V. 396); Lud, 57 — 68 (EE, CH, Cüi. I
Cap. Evaug. a. a. o. V, 475).
91, De Sancto Johanne. B., behandelt keine der tagespenoopi
sondern fordert nur die gläubigen auf, nach dem beispiele Jobani
mit uattin. mit wachin. mit kuslichein l^in. tnit diemüte. out äl
dtAle gute das Uimmelreicti zu erwerben. <
04. De Aposlolis P. et P. Die von St. als pcricope aageflll))
bibelst«lle ^salm 138, 17" (Nimis honorati sunt amici tut (ß UBll
mit der die predigt beglut, ist den Responsorien „ad Nonam** diA
tages entiiommeQ (s. Brev. Hom. pars festivalis 404). Sie behandelt 1
die unmittelbar vorangehende (9.2, De Sancto Petro et Paulo), kflj
der vorgeschriebenen pericopen.
9G, De Sancta Maria Magdalena, bei St. ohne angäbe, erzftl
den Inhalt der evangelienpericope Luc. 7, 36 — 60.
98, De S. Laurentio, algemein gehalten.
98, De Sancto Laurentio, bespricht die opistelperieope II Con
6 — 10; eingeleitet wird die predigt durch Psalm 111 , 5 (/oc
homo qui miseret. naw.); diese stelle, die btti St als pencope angefSl
wird, ist entnommen den gebeten „in H Vesp," dieses tages (s.
Bom. pars asst. 518).
Auf 101 begint mit den einem vers der „Lectio I" dieaes I
entlehnten werten Ave E isla que asccndit per desertü i
digt auf Assumptio Beat» Mariai V. Die tagespericopen sind;
24, 11 — 2ü (EE, CH, Mr 124\ MR) und Luc 10, 38—42 (EE, i
Cth, Eg, Mr 125', Erg 123", Er 191'. Mr).»
104, Assumptionis Maria = Z. f. d.a. 1, 290, algemein g
106 = Z. f d. A. 1 , 290 , eine predigt auf Nativitaa B. 1
Virg.: Hiute ist uns chonien. min uH lieben! der uU )icilige t
dem gebor» Kart div aller hereste maget. Sie erlaubt wie 104 I
deutung anf zugrundeliegende pericopen.
Mit den wort«n Hec prediees in quocOq: feato beute Marie «
hebt (s. 108) ein» neue Marienpredigt an und war, wie die eben i
fahrte stelle beaa^, {Qi jedes Marienfest anwendbar.
1) S. Bre», Rom. pnrs icat, 529; =■ Ciint3, H and so bei St 0
S) DamboD wtfrdon gcIeBon: EeoU, 3B. 9—34 (Cth). Kccii. I
EwU. 24, S3— 31 (Ca). EccU 7, 30—8, 4 (Ca); Luc. tl, 37-
▲LTDBÜT8CHB PEBIKOPBN. Ul 85
110^ ExcUtationis Crucis, über Joan. 3, 1 — 16. Auch Ch, Cth,
Eg u. SL* lesen diese pericopen, während MR Joan. 12, 31 — 36 vor-
schreibt Der predigt folgen auf s. 116 zwei predigteingänge ; ersterer
begint mit Hec dicas in inuentione sce crucis ^ lezterer mit Hec dicas
in exaltatione. Man kann diese exordien nur so verstehen, dass die
predigt an beiden tagen gehalten werden konte und im gebrauchsfalle
nur der eingang, welcher bezug auf das fest nimt, entsprechend gewählt
werden muste. Eine solche Verwendung der predigt far beide festtage
war um so leichter, als die evangelienpericope der beiden tage die
gleiche war. Schon Beda hat für kreuzerhöhung und kreuzerfindung
nur eine predigt. In der ausgäbe seiner homilien (a. a. o. 136) wird
„In feste exaltationis sanctae Crucis'^ nur einfach bemerkt: „Homiliam
ejusdem require in feste Inventionis sanctse Crucis.*^
119, Mathei behandelt wie die ihr voraugehende 116, Mathei
die evangelienpericope Matth. 9, 9 — 13; sie fehlt bei St.
120 und 126, Michaelis erlauben keine deutung auf bestimte
pericopen.
127, Omnium Sanctomm bespricht wie 157, De omnibus Sanctis
Matth. 5, 1 — 12: Man list Mute in dem heil, etmangelio! wer die sin,
ufi wie saelic die sin. die daran denchent usw. • St. hat erstere nach
den eingangsworten Venite benedicti patris mei usw. irrig mit „Matth.
25, 34" angeführt.
129, Martini nimt auf die tagespericopen keinen bezug.
130 ist eine algemein gehaltene predigt De quolibet Sancto in
Communi; bei St. unter „Sanctus unus."
131, ohne Überschrift, beginnend Omnis etenim electus usw.
handelt über Ezechiel 1 , 10 — 14 , also über die pericope , welche die
römische kirche am Marcus- und am Matthäustage liest. Da in der
ganzen predigt ein bezug auf die evangelienpericope * nicht genommen
wird, wäre die beantwortuug der frage, an welchem der beiden tage
die predigt gehalten wurde, keine leichte. Wie jedoch der augenschein
lehrt — die predigt zeigt ganz gleichmässige bezugnahme auf alle vier
evangelisten — will sie sich gar nicht an einen tag binden, sondern
an allen vieren verwendet werden. Daher wird auch die predigt bei
Kelle (in der inhaltsangabe) unter „De evangelistis," bei St. unter „Evan-
gelistarum" angeführt.
137, De apostolis, über Joan. 15, 12 — 16; s. oben die tabelle.
1) Z. b. das „Capitulare Evangeliorum" bei Thomasius Op. V, 495.
^ Für den Marcustag ist Lac. 10, 1 — 9, für den Matthäustag Matth. 9
9—18 bestirnt
3*
13S, olioe Überschrift; aie begint mit Ecce ego miilo x&$ m
oues in ntßdio lupor. und handelt über Matth. 10, 16—32. E«Ue
hält sie irrig für eine predigt „De apoBtolia;" St. bringt aio unter
„Martyrum omnium." Nach der pericope zu schliassen war aio jadücli
eine predigt In Natale plurimornm Maitjnim, Dass ein antcrachipd
in der answabl der pericopen zwischen lezterem und dem Teste lu Natale
uniua MartyriB (denn so wird wol das „Martyrum omnium" Sts. auf-
zufassen sein, da es ein eigenes martyrerfest nicht gab) bestand, kaim
Eg lebrea; es liest „In Natale nnius Martyris aive Confessoris" St
10, 26 — 32 oder Luc. 14, 26 — 35; „In Natale plurimorum Uai
rum" Matth. 10, 16 — 21i. Matth, 19, 3 — U. Marc. 13, 1 —
Luc. 12, 1 — 8. Joan. 16, 20 — 22. Matth. 10, 23 — 32. Auch
heutige Missale unterscheidet genau zwischen diesen beiden tageabezel
nungen.
160, olme Sherschrifl, bestirnt b& ihr groezen hochsiit dirre |
chirchunhe gehalten zu werden; sie geht ans von Gen, 28, 17 ' (Till
InttB ti locus isie usw.), doch ist diese stelle keine pericope; auf
evangelium (Luc. 19, I — 10) wird s. Iö5 bezug genommen. Auch
365 ist eine predigt In Ännlversario Dedicationis Euclesiae;
bespricht lÜ Reg. 8, 29;' 9, 3 und die evangelienpericope LoOk
1 — 10 (. . Als der gSte zacheus tet. uon dem ynan hiute list m A
heil, euuanglto).
Das nun (auf s. IGö) folgende lateinische atück ist abgesehen ^
einigen auslassnngen wSrtlicIi der predigt des Honorius von Autun
„In dedicacione Eeclesiae" entnommen. (Spec. Eccles. 259' fg.; s, Kolle
vorrede VII).
Auf 167 begint mit den werten IJenite ßlü. auditn me Umorem
dni docebo uos eine predigt, die stellenweise wort fflr wort aoa ilen
„Sermo de Seiagesima" des Honorina (Spec. Eccles. 52') Dbersezt i^
s. Pfeiffer Z. f. d. a. 1, 284 und Eelle vorrede VII Die predigt sofali^
s. 1 7 1 mit so mugel ir ttesfcr bae die sovzie des paradt^i^. nach <ftnwl
libe bcsiezen. Amen., uinfasst also alle die ansprachen an einzeli«
stände (cwartffn, rihiarc, rieht:, armen, rilcrc, chS/tutc, btdutr. ...).*
die man nach der Inhaltsangabe Keiles (s. 283) und nach der bcatOI*
kung Sts. 8. 227 für selbständige predigten halten köute-
1) So anch angeniirt bei St.
Ä) Dnter dioBeoi citat bai St. — In Cth komt nobcn Äimc
1 Cor. 3. 8 — 1.^ nacli III Bcg. 8, 22 f^. ab opiatel var.
3) Boi UonariuB: Ad »actrdolf* {SS*). A'i iudiixi (^^), Ad
Ad jum^e» (W-), Ad Müitra (54'|. Aä mweaUjTf» (55''), Aä
«niiiluU}» (67'"). Ad eomvmnem papuhtm (57'').
ALTDBÜT80HS PBBIKOFEN. m 37
Alle übrigen predigten s. 171 — 186 sind nicht auf bestirnte tage
beschränkt, sondern konten ad libitam verwendet werden; ich gehe
daher nicht weiter auf sie ein.
E. Zu K. Roths Deutschen predigten des XII. und XIII. Jahr-
hunderts. (Quedlinburg und Leipzig 1839; a. u. d. t. Bibliothek der
gesamten deutschen National - Uteratur XI. band 1. teil.)
Den pericopen nach unbestimbar sind II, In natiuitate Sancti
lohanniSj^ XXVII In inuentione s. crvcis^ und XXVIII, ein kleines
bruchstück einer ünbekanten predigt. I — XXVII folgen im algemei-
nen der Ordnung des kirchenjahrs ; es sind zumeist predigten auf
sonn- und festtage. Angehängt ist der text zweier pergamentstreifen:
xxvn—xxx.
Die samlung ist dadurch bemerkenswert, dass für viele der tage
zwei predigten vorliegen; die eine behandelt die epistel-, die andere
die evangelienpericope. So für Dominica V post Epiphaniam N. VI
(über Col. 3, 12—17), VII (über Matth. 11, 25 — 30); für Dom. in
in Quadrag. XII (Ephes. 5, 1 — 9), XIII (Luc. 11, 14 — 28); fQr
Dom. IV in Quadrag. XIV (Gal. 4, 22 — 31), XF (loan. 6, 1 — 15);
für Dominica in palmis XVIII (Hiil. 2, 5 — 11), XIX (Matth. 21,
I — 9); für In die sanäo pasce XXI (I Cor. 5, 7 — 8), XXII (Marc.
16, 1—7); für Dom. I post Pascha XXIII (1 loan. 5, 4-10), XXIV
(loan. 20, 19 — 31); für Dies Rogationum XXV (= Mones anz. V, 456,
über Jac. 5, 16 — 20), XXVI (= Mones anz. V, 456, über Luc. 11,
5 — 13); ja für Dom. in Septuagesima sind sogar drei predigten vor-
handen: IX (= Fundgr. I, 86, von Psalm 136, 1 ausgehend, s. oben
8. 28 zu Fundgr. I, 86), X (I Cor. 9, 24—10, 5) und XI (Matth. 20,
1—16).
Auch für den passionssontag sind nach Boths angäbe zwei pre-
digten bestimt: XVI über Joan. 8, 46 — 59 und XVII (überschrieben
liem) über Rom. 6, 3 — 11.* Da jedoch in keinem der lectionarien
die Bömerstelle gelesen, sondern vielmehr übereinstimmend Hebr. 9,
II — 15 vorgeschrieben wird, dagegen Rom. 6, 3 — 11 epistelperi-
cope der Dom. VI post (Oct.) Pent. ist, so setze ich predigt XVII auch
1) Über die werte des eingangs üiUde konorandus est heattis io?Mnnes usw.
8. 8. 31 za Kelle 32.
2) Die eingangsworte der predigt: Hoc Signum crucis erit in celo, dum
ad iudicandum uenerit sind einem Besponsorium „In primo Noctumo"
tages entnommen; s. Brev. Born, pars vem. 480.
8) der guüte s. Pauhts, der chundet uns hiut aine fr Gliche botscaft Er
tgrid^, da» wir sculen wieen, daz unser aller mennisch gecrucet sie usw.
88 8TBJ8KAL
für diesen tag an. Eine kleine stütze meiner Vermutung sehe ich
darin, dass bei Roths anordnung gerade nur an diesem sontage die
epistijlpredigt der evangelicnpredigt nachgestelt wäre, während sonst
überall das umgekehrte der fall ist; man vgl. die abfolge der predig-
ten VI, VII; X, XI; XII, Xül; XIV, XV; XVIII, XIX; XXI, XXII;
XXIII, XXIV; XXV, XXVI.
III auf Dom. infra Nat. Dom. , über Luc. 2 , 33 — 40 ist bei St
wol infolge eines Versehens unter „GaL 4, 1 fgg." geraten.
XXV. XXVI (In dies Rogationum) sind bei St. irrig unter
„Dom. V post Pascha" gestclt; s. s. 33 zu Kelle 70.
XXIX = Mones Auz. V, 457 ist das fragment einer predigt
über Matth. 22, 1—14. Da diese pericope nach dem heutigen ME
am 19. sontagnach pfingsten gelesen wird^ sezte sie Roth s. 18 auch fftr
diesen tag an. Ich glaube jedoch nicht mit recht. Denn da der pre-
digt VII (Dom. V post Epiphaniam) Matth. 11, 25 — 30, also dieselbe
pericope wie sie EE hat, zugrunde gelegt ist, während MR, Erg, Er
Matth. 13, 24-30 lesen; da ferner XIX (Dom. in Palmis) deutlich
auf die pericope Matth. 21, 1 — 9 hinweist und auch hier mit EE über-
einstimt, während Mr (der vierte repräsentant der römischen Missalien)
Matth. 27, 62 — 66 vorschreibt: so durfte auch für XXIX nicht die
Ordnung der römisclien Missalien, sondern die EE zugrunde liegende
anzunehmen, daher die predigt über Matth. 22, 1 — 14 nicht auf den
19., sondern auf den 20. sontag nach pfingsten zu setzen sein. St
führt sie unter „Dom. XXI" an.
F. Zu W. Wackernagols Altdeutschen Predigten (Basel 1876).
Unberücksichtigt blieben VI Scrmo cotidianvs ad popvlvm, VII
Senno cotidianus nd populuMy XVII „Nach der gesamtbeichte** und
XLI-^LXVIL
I ist ein algemein gehaltener Sermo de angelis, der auf tages-
pericopen keinen bezug nimt. Da aber in demselben besonders der
heil. Michael gefeiert wird und es auch am Schlüsse heisst: Nv beve-
lent weh in diseme vnstatin site in die hvote vnde die biscirmunge,
sancte mieheJs, vmJe sinir ginose der hdligon efigilon usw., 80 mag
diese predigt vornehmlich am tage des heil. Michael (29. sept) gehal-
ten worden sein. St. stelt sie imter „Angelorum in die."
II Senno de. Ascaisione. domiui, IV Sermo In Octava damini,
XI Sermo in dcdic^itione ecdesie,^ XIII Sermo in fcsto sandi fHicha-
1) St. führt sie mit dorn citatc Psabn 86, 1 an, doch werden in glelchei
weise noch 14 andere bibolstellen im contcxte citiert und besprochen.
ALTDBUT8CHB PBBIKOPEN. HI 89
hdis, XVI „Am tage S. Johannes des Evangelisten,'' XXIII De S.
Cruce, XXIV „Am tage Marien himmelfahrt," XXVII „An der heil.
Apostel Tage," XXVIII De martiribus, XXIX „An der heil. Beken-
ner Tage," XXXI „An der Kirchweibe," XXXIII ain ander red
von unser frofoen und XXXV „Am Tage aller Heiligen" ^ lassen eine
deutong auf bestirnte pericopen nicht zu; keinesfals werden in ihnen
die von der kirche vorgeschriebenen pericopen besprochen.
m Sermo in ncUiuücUe domini behandelt Tit. 3, 4 — 7 (auf diese
stelle wird ausdrücklich hingewiesen z. 44 : Von ire (Maria) chom vns
div genade die wir hivte lesen ander leceen. Aparuit. b, Vns ist erseht-
nin der gvote unUe usw.), nimt somit bezug auf die epistelpericope der
2. messe des weihnachtstages.
IX Bern sermo de sancta Maria ist bei St unter „Maria" ge-
stelt ; die predigt ist jedoch nach der zugrunde liegenden epistelpericope
Eccli. 24, 11 — 20 zu schliessen auf das fest Assumptionis zu setzen;
sie begint mit den werten Ah inido et ante secuta creata svm usw.
(Eccli. 24 y 14). Zudem heisst es ausdrucklich in der Überschrift ^Item
sertno^ und geht als VIII voran ein Sermo in assumptione sancte
Marie.
Xn Sermo de pascha. St. sezt nach den anfangsworteu Ihesus
Christus tradttus est propter ddicta nostra usw. der predigtangabe das
citat „Som. 4, 25" ' bei. Doch abgesehen davon , dass die predigten in
Wackemagels samlung häufig genug mit einem bibelverse oder einer
stelle aus einem kirchenvater beginnen, deren bezug zur predigt ein
nur ganz loser ist , weist die predigt ausdrücklich auf die tagespericope
hin , wenn sie z. 42 sagt : Wie ahir unsir herre irstvonde aide wenne
dasf uindein wir an dem heüigin evangelio dast man gestir las. daa
schrihit sante mcUheus. ^ vnde andeme daa man hivte list dae schribit
sante Marcus usw. (16, 1 — 7).
XIV „Am achten tage nach Weihnacht. Tit. 3 , 4 fgg." Es ist
mir nicht erklärlich, mit welchem rechte Wackernagel die predigt mit
Tii 3 , 4 fgg. überschreiben konte , denn die ihr zugrundeliegende peri-
cope scheint Tii 2, 11 — 15 zu sein; auch wird Tit. 3, 4 fgg. in kei-
nem der mir bekanten lectionarien oder missalien als pericope für Oct.
Nat Dom. (= In circumcisione Dom.) erwähnt. Ebensowenig will es
mir einleuchten, warum Wackernagel die stücke XIV. XV. XVI
(„drei auch am äussersten rande beschnittene querstreifen zweier zusam-
oienhangender pergamentblätter ; " s. 255) in dieser und nicht in der
1) Bei St. nach den eingangsworten mit „Eccli. 3, 5" angeführt.
2) Epistelpericope des tages ist I Cor. 5, 7 — 8.
3) 28, 1—7.
40
reihenfolge des hirchenjahres abdmchte (welche doch gewiss aach die
der jiredigttiii war); ihr zufolge müste XVI „Am tage S. Johannes
des Evangelisten" vor XIV und XV „Am tage Epiphauiffi" gestoU
werden.
XIX „Am dreizehnten sontage nach pfingsteii" = LB 31Ö bei
8t. unter „Dom- XIV."
A'X Vommica XIIIl = LB 321 bei St. unter „Dom. XV."
XXII ist, wie St. mit recht bemerkt (s. s. 217), nicht eine pre-
digt „An S. Bamabas Tage," sondern fiir Philipp und Jacob (1. mai)
bestirnt.
XXVI bezeichnet Wackeraagel unbegreiflicher weise mit „Am
fiinfteu sontage nach östern'i' Jac. 1, 22." Die predigt enthalt jedoch
nicht nnr keinen hiuweis auf die eitierte stelle, sondern bespricht
geradezu den inhalt von Matth. It*. 1 — 10. Es ist daher die predigt
nicht auf den 6. sontag nach ostern, sondern auf das fest des lieil.
Michael (:J9. sept.) im setzen, St. halt (s. 217) die predigt, indem er
in den eingangsworten laudis honorificabit me usw. eine anspielung
auf Matth. 9, 13 erblickt, fOr eine predigt auf den Mattbänstag
(21. Sept.).
XXXTIl ain ander red von unser frowcn ist hei St. unter
„Maria" augeführt. Nach der öberschrift kflnte man vermuten, diiss
die predigt auf Assumptio gebßrt (denn ihr geht als XXXIl ein sermo
von der rff'art Ü7iKcr frovioen voran), allein der inhalt derselben nimt
auf dieses fest durchaus keinen bezug. Die predigt geht von der erklä-
rung des wertes Maria als mersterne aus: Maria dai sprichst ain mer
gterne Siv hauet da von mersterne. Dax ir iren haiUgen »amen süU
an sehfm. Wan alt sieh div seheff div vf dem mer varend. nach dem
stemc rihtent vntt daz si vss den fraisen choment. Dieselbe deutnng
begegnet bei Leyser 102: maria das spricht sv latine maris Stella, tv
dvle tin meresieme. Sie heimü tcol ein meresterne. wane ni leitet vna
Vi dem mere dirre werlde tv dem lande des ewigen lihea. als der mere-
sterne die schifman vt dem mere; und bei Kelle 108: Maria, dm oMU.
Maris stclla. Dax wort Maria spricltet rehtc. ein mersterne, die OM
dem mere uarent. die möszen sich rihten nach dem tnerestcmen. die
uon himelc seine«*, daj si nach irc marcke xestade chomcti mngen
also m&Mten alle die t&n. die eedem himelriche. un z6 dem stadc. der
ewigen urÖde chomen wellent usw. Beide stellen gehen offenbar auf
eine gemeinsame ältere quelle zurück. Vgl. mit dieser erkiürungs weise
dos namens Kourads gold. äcbmiedc \*3i fgg. bl ditiein tiamnt ist das
mer bescheidentich uns worden, got sprach von sinem orden und imeh
von sinem bilde, das elliu waeeer wilde xetn ander sottnt gähen und
ALTDBUT8CHB PBBIKOPEN. lU 41
eine stat bevähen, da man si sament stehe, und swenne dae gescfuehe,
dag si gein ander quaemen da, so hiejse man si maria. waz mac das
nA se ditUe sin? niht anders wan der name din, Maria, keiserliche
fruht.
XXXVI Dominica V secundum Lmam (über Luc. 5, 1 — ll)i
bei St. unter „Dom. VI."
XXXVn Dominica VII secundum Marcum (8 , 1 — 9) , bei St.
unter „Dom. Vin."
• XXXVIII Dominica XI secundum Lucam (18, 9 — 14), bei St
unter „Dom. XII."
XXXIX Dominica XIII secundum Lucam (10, 23 — 37), bei
St. unter „Dom. XIV."
XL Dominica XXII secundum Marcum (recte Matthaeum 18,
23 — 35), bei St. unter „Dom. XXIII."
In den lezt angeführten fünf predigten sehen wir, was die peri-
copenauswahl betrift, ein abweichen von der reihenfolge der pericopen
in den römischen Missalien und engen anschluss an das EE zugrunde-
liegende Lectionar. Wir werden daher auch nicht fehlgreifen , wenn wir
LXIX über Joan. 4 , 46 — 53 ^ nicht wie Wackemagel es getan,
fBr den „zwanzigsten sontag nach pfingsten," sondern für Dom. XXI
post (Oct.) Pent und
LXX über Luc. 17, 11 — 19 nicht mit Wackernagel für den
„dreizehnten sontag nach pfingsten ," sondern für Dom. XIV post (Oct.)
Peni ansetzen. Ja auch
LXVin über Luc. 21 , 25—33* wird nicht auf den „ersten,"
sondern auf den zweiten sontag im advent zu verlegen seiu.
LXXI „Am ersten sontage nach ostem" über I Joan. 5, 4 — 10
weist widerholt auf den text der epistelpericope hin; s. Z. 7, 23, 30.
LXXII enthält eine predigt auf Feria VI post Oct. Pent. über
I Tim. 6, 17 fgg.; dieselbe epistelpericope auch im Lect. Missse bei
Thomasius Op. V, 344.
Auf 8. 522 — 541 sind endlich noch drei predigten (aus der
S. Georger handschrift) abgedruckt, deren erste und lezte hier erwähnt
1) Quia heri hora septima reliquit eum fdms. Disiu wort ^[Mrichet der
genUmt Johannes etcangdista in dem Ewangelio das man hiut ze dem heiligen ampt
der Wiesse gelesen hat.
2) Erunt signa in sole et luna et stdlis, Disiu voort diu schribt der heilig
ewangdist sanctus Lucas in dem ewangelio das wir hiut gelesen hcin zuo dem hei»
Ugen ampt der mesz.
42 8TEJ8KAL
ZU werden verdienen (die zweite ist eine predigt „Bei einsegnung einer
nonne"). In der ersten (s. 522) liegt eine predigt auf Nat. S. Stephani
vor (sie behandelt Act. Apost. 6, 8 — 10; 7, 54 — 59); die dritte
(s. 539) ist, wenigstens nach der besprochenen pericope Joan. 15, 1 fgg.
zu schliessen , eine predigt auf „eins zwelf poten tag.'^ (s. s. 22 anm. 6.)
Die lezterwähnten predigten sowie LXVIII — LXXII fehlen in
Sts. Verzeichnis.
G^. Zu Steinmeyers recension von Wackernagels Altdeut-
schen Fredigten (Anzeiger für deutsches altertum und deutsche
litteratur II , 215 fgg.)
Steinmeyer hat bei gelegenheit dieser seiner treflichen recension
auch seinerseits „einige scherflein zur näheren kentnis des altdeutschen
predigtmaterials'' beigesteuert und s. 221 fgg. sechs bisher ungedruckte
predigten veröffentlicht.
221 Alius de omnibus sanctis. Die predigt ist im Verzeichnis
nach den eingangsworten Nos omnes de plenitudine eius accepimus mit
„Joh. 1, 16^ angefahrt Die stelle ist jedoch nicht der evangelienperi-
cope des tages entnommen, da diese, wie schon s. 35 zu Kelle 127
bemerkt worden, Matth. 5, 1 — 12 ist.
223 Sermo de aduentu domini s. 30 zu Kelle 20.
224 „neunter sontag nach pfingsten^ über Matth. 7, 15 — 21. Ich
widerhole hier, was bereits s. 25 anm. 4 gesagt ist, dass St. gegen die
gewöhnliche zählweise die sontage nach pfingsten nicht von der octav,
sondern vom pfingstsontag an rechnete; daher muss er hier „neunter
sontag^ schreiben, während die handschrift erst die darauf folgende
predigt (s. 225) mit den werten Der nuynte sondag seeundum matheum
(recte Lucam 16, 1 — 9) bezeichnet.
225 „zwölfter sontag nach pfingsten", richtig Dom. XI post (Oct.)
Pent. über Luc. 8, 9 — 14.
226 „dreizehnter sontag nach pfingsten", richtig Dom. XII post.
(Oct.) Pent. über Marc. 7, 31 — 37.
H. Zu F. K. Grieshabers Deutschen predigten des XIII. Jahr-
hunderts (Stuttgart 1844. 1846).
Den pericopen nach unbestimbar bleiben die predigten I, 29
„Dominica VI post Pascha?" ^ /, 82 „Dominica IX post Pentecosten,"«
1) Bei St. unter dem citate „Joh. 15, 7?" angeföhrt.
2) Bei St. unter Dom. XI mit der perioopenangabe „Luc. 19, 41 fgg^
ALTDEUTSCHE PERIKOPEN. HI 43
/, 155 Dom. I in Adventu Domini ^ und I, 160 Dom. UI in Adventu
Domini. *
/, 37 Dom. prima post Fentecosten — I, 79 Dom, VIII post
Pentecosten sind bei St. unter Dom. II — IX ; I, 62 „Dominica IX post
Pentecosten" — I, 148 Doyninica XXII post Pentecosten unter Dom.
Xn — XXIV xmd ly 148 „Dominica XXIV post Pentecosten" unter
„Dom. XXV" gestelt.3
n, 66 In Capite leiunii et per totam Quadragesimam quando-
cunque volueris geht zwar von Jac. 5, 16 aus und wird auch von St.
mit diesem citate angeführt, doch ist die stelle nicht einer der tages-
pericopen entnommen, da diese in allen lectionen übereinstimmend
Joel 2, 12 — 19 und Matth. 6, 16 — 21 sind. Dass Jac. 5, 16 auch
als solche nicht gelten wolte, dafür spricht der umstand, dass während
sonst ausdrücklich die eingangsstelle als der tagespericope entnommen
bezeichnet wird, hier nur einfach gesagt ist: Ich Jian ain wort für
gdait in der latine. de scrtbet uns der gute S. Jacob, un an dem Worte
Ureter uns de usw.
IT, 74 Iste Sermo ,^Convertimini^ etiam est communis quando-
runque volueris ist eine predigt über die epistelpericope des Caput
Jeiunii (Joel 2, 12 — 19).
Wenn man nun die abfolge der pericopen in Grieshabers sam-
lung mit den in den alten lectionarien vorliegenden vergleicht , bemerkt
man bald, dass die predigten auf Dow?. ^>nma und Dominica IV —
Vm post Pentecosten in ihrer pericopenauswahl mit der in EE, CH
usw. gegen Erg und MR stimmen, von Dominica X — XXIV post
Pentecosten aber das umgekehrte Verhältnis eintritt und anschluss an
Erg und MR gegen EE , CH usw. erfolgt (s. oben s. 18 fgg. die tabelle).
Es ist diese erscheinung gewiss keine zufallige, sondern steht ohne
zweifei damit in Verbindung, dass mit fol. 73', auf dem Dominica X
begint, eine neue band zu schreiben anfängt; s. Grieshaber I vorwort
XVII. XVin. Da die samlung ferner in den pericopen auf Dom. IV
in Ädvefitu Domini mit der auswahl in EE, CH, Cth, Eg, Mr gegen
Erg, Er, MR; auf Dmninica V post Einphaniam Domini mit Eg, Erg,
Er, MR gegen EE, CH, Cth; auf Dominica II in Quadragesima mit
1) Bei St. nach den eingangsworton Emitte manum tuam de alto mit „Ps.
143, 7" angeführt.
2) Bei St. ohne angäbe.
3) Ich halte das I, 83 abgedruckte stück über Marc. 8, 22—26 nicht für das
fragment einer selbständigen predigt (s. St. 227) — denn die behandelte bibelstelle
ist keine pericope — sondern für die fortsotzung und den schluss der unmittelbar
voraDgehenden predigt auf „Dominica IX post Pentecosten."
44 StBJSKAL
EE, CH, etil, Eg, Mr, Erg gegen Er und MR üliereinBÜnit, ilieso
fibereinstinimung oder nicht -ilbereiustimmuDg aber gleichfsls das reüul-
tat eines ans jedoch unbekanten äusseren unistaudes sein kaoa, so
sehen wir dentlicli, dass es oft grossen Schwierigkeiten unterliegt, das
einer predigtsamlung zugmudeliegende lectionar oder missale zu ent-
decken und die ditlcese m bestimmen, in der die predigten gehalten
wurden.
I. Zu H. Leysers Deutschen predigten des XIII. und XIV. jh.
(Qoedlinbui^ und Leipzig l(t38, a. u. d. t. Bibliothek der gesamten
deutschen national - literatur XI. band. 2. teil.)
Lejrsers predigtsamluug besteht aus 2 teilen. Der erste (s. I —
23) iat loa nenn predigten (predigten des XUI. Jahrhunderts) gebildet,
die der pergamenths. 720 der Leipziger Universitätsbibliothek entnom-
men sind; der zweite (s. 2-i — 136) ist eine „auslese ans einer samluug
von mehr als anderthalbhundert sonn- und festtäglichen und auf beson-
dere heilige bezüglichen predigten, welche die pergamenths. u. 760, 4"
auf der unirersiUtsbibliotbek zu Leipzig enthält. Die handschrift zählt
203 blatter von je zwei colomnen und kanu gegen die mitte des vier-
zehnten Jahrhunderts geschrieben sein . . . Der grössere teil der hand-
schrifl besteht aus langem, oft mit einem eingimge versehenen , der
kleinere bis zum ende aus kürzeren predigt«n. deneu einigemal ein
lateiuisolier Originaltext vorangeht;" s. Lcyser Vorwort und eiuleituiig
XXUI fg. : vgl. Bieger in Wackernagels Altdeutschen predigten und
gebeten s. 332 anm. und Scböubacb Z f d. a. XX, 218 fgg.
J Dom. I über hom. 13. II — 14 , ist eine predigt auf Dom. I Adv.
4 Dom. II ober Rom. ir>. 4—13 auf Dom. U Adv.
7 Dom. in über I Cor. 4 , 1 — 5 auf Dom. ITI Adv.
iO Dom. [V Aber Phil 4.4 — 7 auf Dom. IV Adv.
13 Dom, V über Gal. 4 , 1-7 auf Dom. infra Oct. Nal. Dom.
(bei St. irrig unt*r .Natiritos Chriatl.")
15 Dom. VI über Born. 12, 1 — 6 auf Dom. infra Oci Spipb.
(= I post. Epiph,).
17 Dom. VII Ober Koni. 12. 6— 16 anf Dom. II post Epiph.
19 Dom.VIII ühvT Itom. 12. 16 — 21 auf Dom. III post. Epiph. und
äl Dom. IX über Rom. 13. 8— 10 auf Dom. IV post Epiph.
äi. die erste predigt der iweit«u samlung, b^^nt mit deu Wor-
ten: Missus est gabrid ad l^iriam virg. Da die^ stelle entweder d«r
evangelienperieop« des fusUis MkriJi Verkündigung (Lac. l, 26 —M)
oder auch dum Responsorium der .lecüo III In prim« Noctomo*^ der
Dom. 1 Adv. (6. Brev. Rom. pars hieiu. l&l) eotiioauiieu s&a könnt«,.
ALTDBUT8CBB PBBIKOFXN. III 45
finden wir die predigt von der „etwas späteren band/ welche die
Überschriften sämtlicher predigten des zweiten teiles besorgte (s. Ley-
ser 24 anm.) mit In annundacione becUe marie mrginis seu in adventu
domini dorn. L überschrieben. Erwähnenswert scheint es hiebei auch,
dass unsere predigt wesentlich denselben eingang bietet wie jene 39 De
adventu domini. Da jedoch erstere in ihrem verlaufe die ganze oben
angeführte pericope bespricht und immer wider auf Maria bezug nimt,
dagegen eines directen hinweises auf die kommende adventszeit ent-
behrt, so kann sie in Wahrheit doch nur für das fest Annunciationis
B. Mariae Yirg. bestirnt gewesen sein.
30 Sermo de adam et de transgressione mandati ist, wie schon
die eingangsworte WiUu rechte bicht tun so soUu rechte dise worte
merken andeuten, eine predigt, die jeweilig vor einer beichte zu hal-
ten war; vgl. das stück „Nach der gesamtbeichte" Wack. XVII.
36 De nativitate marie virginis nimt auf die tagespericopen
(Prov. 8, 22—35 und Matth. 1, 1 — 16) keinen bezug; sie geht aus
von den dem Responsorium der „lectio I In primo Nocturne" dieses tages
(s. Brev. Rom. pars autumalis 298) entnommenen werten : Hodie naia
est heata mrgo maria ex progenie david.
39 De adventu domini, eine algemein gehaltene adventspredigt;
bei St. unter „Dom. I in Aduentu." s. zu 24.
46 De nativitate christi, über die evangelienpericopo der „prima
missa" dieses tages: Luc. 2,1 — 14.
61 In die pasche s. s. 27 zu Fundgr. I, 71.
Die folgenden sechs predigten , sämtlich für sontage nach pfing-
sten bestimt, zeigen in ihrer pericopenauswaTil merkwürdige divergen-
zen von den oben s. 15 fg. angeführten lectionarien und missalien. So
behandelt 63 Dom, II. Luc. 15, 1 — 10, eine pericope, die in sämt-
liche lectionarien und missalien an Dom. III post (Oct.) Fent. gelesen
wird (bei St. unter „Dom. IV") und 65 Dom. in. die pericope Luc. 6,
36 — 42 , die gleichfals übereinstimmend für Dom. IV post (Oct.) Fent.
vorgeschrieben ist ( bei St. unter „Dom. V."). Während wir ferner in
68 Dom. XII. (über Marc. 7, 31—37; bei St. unter „Dom. XIII.")
anschluss an EE, CH usw. gegen Erg und MR constatieren müssen,
zeigen die nächsten drei predigten nach dieser richtung hin wider Über-
einstimmung mit Erg und Mr gegen EE , CH usw. ; denn 70 Dom. XV
nimt auf Luc. 7, 11 — 16 bezug (bei St. unter „Dom. XVII"), 72 Dom.
XIX auf Matth. 22 , 1 — 14 (bei St. unter „Dom. XXI") und 75 Dam.
XXI auf Matth. 18, 23— .35 (bei St. unter „Dom. XXIII").
77 De sancto iohanne (Evangelista) geht aus von den werten
lohannes aposiolus & ewangelista virgo est dectus a domino usw., die
46 BTEJ8KAL
einem responsorium der „Lcctio I lu primo Nocturno*^ dieses tages
(27. dec.) entlehnt sind (s. Brev. Born, pars Mein. 217). Ein bezug
auf die tagespericopen fehlt.
84 Kathedra sanäi petri. Die römische kirche unterscheidet eine
Cathedra Komana (18. jan.) und eine Cathedra Antiochena S. Petri
(22. febr.); s. Binterim a. a. o. 5, 1, 329. Die pericopen sind filr beide
tage dieselben: I Petr. 1, 1 — 7 und Matth. 16, 13 — 19. Unsere pre-
digt bezieht sich auf das fest der Cathedra Antiochena, denn sie sagt
ausdrücklich: sente Peter Sdzie sincn stul zv anfhyoche. als wir hüte
hegen (z. 19) und Wir hegen hüte nemeliche den tach daz er zv anthyoch
bischof gesazt wart (z. 36). Sie begint mit der dem „Vers, und Besp.
ad Landes" dieses tages (s. Brev. Bom. pars hiem. 446) entlehnten
stelle: Exaltent eum in ccclesia plehis usw. (Ps. 106, 32; so auch bei
St. citiert) und bespricht hierauf Matth. 16, 13 — 19.
86 De sancto mathia erzählt ausffllirlich den inhalt der fBr die-
sen tag vorgeschriebenen epistel Act. Apost. 1, 15 — 26. Bei St. fehlt
die angäbe der pericopo.
87 De sancto spin'tu behandelt Act. Apost 2, 1 — 11 also die
epistelpericope der Dom. Pent. Bei St. ohne angäbe. Auch
93 In assumpcione heate marie ersclieint auffallender weise bei
St. ohne angäbe der der predigt zugrundeliegenden pericope; und doch
wird (95, 30) auf die ovangelienpericope (Luc. 10, 38 — 42) ausdrück-
lich mit den werten hingewiesen: 3fan liset hüte ane den heiligen ewan-
gelio. daz vnscr hcrre ihesus crtstus zv einem nude qu>afn in eine staJt
usw. Die eingangsworte Ilodie hcata virgo maria usw. sind der „Anti-
phonia ad Magnificat" dieses festes entlohnt (s. Brev. Bom. pars aest 537).
98 In fiativitat^ sie marie virginis, beginnend : Regaii ex pro-
genie Mar. exor. reftd. usw. (aus der 3. Antiphonio „ad Laudes" dieses
tages; s. Brev. Bom. pars aut. 301), nimt auf die pericopen keinen
bezug, desgleichen die predigt
104: In exaltacione sancte cruds, die bei St nach der eingangs-
stelle Cum mundus per suam sapienciam sapienciam dei eomprehendere
non passet mit ,,1 Cor. 1, 21" angeführt wird.
Ebenso fehlt ein bezug auf die tagespericopen in 107 De sancto
Miehade, 110 De omnihus safictis, 121 De sco^Jacoho, 124 ohne
Überschrift.
115 In dedicatione templi bespricht (nach III Beg. 7. 8) den bau
und die einweihung des salomonischen tempels, erzählt jedoch auch
den inhalt der evangelienpericope des tages (Luc. 19, 1 — 10): Dm
ewangelium daz man hüte zv messe liset daz sagt vns. daz vnser hemt
ikes. xps ZV einem male in eitie stai vür die hiez Jericho uaw.
ALTDBÜTBOBB PERIKOPEK. m . 47
125. 126 sind predigten auf Caput Jejunii über die vorgeschrie-
bene epistel Joel 2, 12 — 19.
127 s. 8. 30 zu Kelle 20.
128 ist nach der behandelten pericope (Born. 15, 4 — 13) zu
schliessen , eine predigt auf Dom. II Adv. St. hat die predigt nach
den eingangsworten Jherusalem surge et sta usw. mit dem citate „Baruch
5, 5^ angeführt und, geleitet durch den umstand, dass die fassung der-
selben predigt bei Schönbach Z. f. d. a. XX, 224 den titel Dominica
prima post adventum fahrt , unter „Dom. I in Aduentü" gestelt. Allein
jene Überschrift ist keinesfals correct; denn eine „Dominica prima post
Adventum'^ müste die Dom. infra Oct. Nat sein, daher ich denn auch
die bei Schönbach a. a. o. abgedruckte predigt unbedenklich auf den zwei-
ten adventssontag ansetze.
129 = Z. f. d. a. XX, 229. Der predigt liegt nicht, wie St.
angibt, „I Joh. 4, 9 ,** sondern Tit. 3, 4 — 7, die epistelpericope der zwei-
ten messe des weihnacMstages , zugrunde.
131 ist eine predigt auf Dom. IV Quadrag. ; sie geht von Is. 66,
10 {Letare therusalem usw., entnommen dem Introitus der messe dieses
tages; s. Miss. Bom. 99) aus und wird auch von St. so citiert; auf
die epistel (Gal. 4, 22—31) wird jedoch hingewiesen mit Der vinde
toir ein büde ander lectien die inan hüte list. Mane list von hem
cibrdham usw.
132 = Z. f. d. a. XX, 242, eine predigt auf Dom. Resurrectio-
nis; s. s. 27 zu Fundgr. I, 71.
134 halte ich nicht mit St. für eine predigt auf Pascha, sondern
nach der zugrundeliegenden pericope (Rom. 6, 3 — 11) fUr eine predigt
auf Dom. VI post (Oct.) Pent.; vgl. zu Roth XVII.
135 Dom. tercia begint mit Obsecro vos tamquam ad ve. et pe.
usw. M. Sente Peter spricht zv vns an der lectien die man hüte list,
geht somit von der epistelpericope I Petr. 2, 11 — 19 aus. Da diese
aber nur an der Dom. III post Pascha gelesen wird , so ist die predigt
anch als für diesen tag bestimt anzusehen. St. stelt sie irrig unter
^Dom. IV post Pent."
Ich breche hier mit meinen bemerkungen über das Verhältnis der
deutschen predigten zu den tagespericopen ab. Ich hoffe durch die
angeführten beispiele schon zur genüge gezeigt zu haben, dass die
deutschen predigten verhältnismässig nur selten die von
der kirche vorgeschriebeneu texte unberücksichtigt lassen,
dass eingangs- und pericopenstelle nicht immer identisch
aind und daher bei bestimmung und datierung unbekanter predigten
vorstellt Dot tat, and dasa die eiugangsworte, nofürn aie nie
den tagespericopen seibat entnommen sind, häufig d<
liturgischen gebeten des tages entlehnt werden.
WIES, .rUNl 1881. KARL STBJ8KAI,.
BEITRAG ZUR KENTNIS ÄLTERER DKUTSCUER
VOLKSLIEDER.
In der ÖfTentlichon landesbibltothek zu Oldenburg befindet sie
ein saninielband (erst iu neuerer zeit gebunden , mit dem rückeiititl
Ludicra), der unter utidereu schriftstilcken des 17. Jahrhunderts auo
ein lieden|Uodlibet auf vier quartblüttern enthält, üubekant ist dioM
quüdlibet nicht; es findet sieb auch auf der landesbibliothek ta ]
und ist von Hoffmann von Fallersleben im Weimarschen Jahrbuch i
8. 126 fgg. besprochen. Auch in dem quellenverzeichnis des Qri
sehen Wörterbuches ist es angegeben (1, s. LXXXVII, wo aber ud
steht: Sieben lächerlicbe Geschwätz. 16. 17. Jh. -- Geschwätz ist wahr
seheiulich druck- oder scbroibfehlar für Geachuältz — und V, ti. XXIQ
Das Oldenburger enemplar ist aber nicht ganz dasselbe mit den vor
btugenanten, wie sich schon aus dem titel ergibt, der bei ÜotTmaai
etwas anders lautet. Zur vergleichuug teile icli den volatändigen t
des Oldenburgor exemplars mit; er lautet ao:
Sieben lächerlicbe Gescbuältz
Oder Üikes Gatces Ofenloch | Dille delle HäuDle bawuu | Vnd
Newer Grillenschwarm
oder Gemeuscb | auch mancberley Gebäck
oder Hack vnd Mack durcheinander { wenn ein hungert
vnd durst | Oder sein ZiuB vnd Schulden nit bezahlen kan | gar Tiaicr-
lieb lur die lange weil zu lesen oder zu singen | nach dem der
Wind webet | vnd die Leute wolauft seya.
0 hiudeu hab wol acht | damits nicht
bricht I denn es hat gar offt kracht
(Figur, darstellend ein auf den binterbeinen stebeudes rind, den linkeni
vorderfuas auf ein notcnhuch legend, das aofgeschlagen auf einem noteu*
pulte liegt, im rechten vorderfuss einen stab hiJlend, auf der i
eine brille tragend.)
Üelt jhr Gevatter Liendel | es gicht gewaltigen wolV
Ja es ist war Hans leck den Löffel
M. D 0. X.
ZtTR KSNTNIS ALT. VOLESLIEBSft 49
Das wichtigste ist hier die angäbe des jahres, in welchem dieses
quodlibet erschien. Während es bei HofTmann heisst: „Getruckt im
Jahr 000000," und daraus, dass es andern flugschriften, die alle die
Jahreszahl 1620 tragen, beigebunden ist, der schluss gezogen wird,
dass es ebenfals dem jähre 1620 angehören müsse, und während es
auch bei Hildebrand heisst: „Flieg. Bl. um 1620," ist hier ganz bestimt
die Jahreszahl 1610 angegeben. Es hatte also Hoffmann keinen grund
zu der klagenden Verwunderung, dass in einer so ernsten und trüben
zeit wie 1620 diese leichtfertigen Sachen veröffentlicht seien.
Sodann ist das Kasseler exemplar nicht so volständig als das
Oldenburger. Jenes besteht nämlich nach Hoffmann nur aus fünf
Oemeuschen, während das Oldenburger aus sieben abteiluugen besteht,
die so betitelt sind: Das erste Oeschnältz; das ander seltzsame Gickes
gackes; das dritte Gebäck; das vierd Hack und Mack; das fünffte
Gemeusch; das sechste dille delle heußle bawen; der siebende newe
Grillenschwarm. Im Kasseler fehlt der erste teil; denn nach Hoffmann
ist der anfang: Das erste seltsame Gickes gackes. Guten Morgen,
guten Morgen! wie stehet's, wie stehet's;" dagegen begint so im Oldenb.
exemplar das zweite ,,seltzsame Gickes gackes." Ferner fehlt im Kas-
seler der siebente teil; denn die mitteilungen Hoffmanns reichen nur
bis gegen das ende des sechsten teils. Was der grund zu dieser aus-
lassung gewesen sein mag, lässt sich schwerlich nachweisen. Er kann
nicht etwa in den groben unflätigkeiten liegen, welche den ersten und
lezten teil miszieren ; denn leider sind die anderen auch vielfach unsau-
beren Inhaltes. ^
Das quodlibet scheint zur ergötzung studentischer kreise geschrie-
ben (oder, richtiger gesagt, aus manchen läppen und flicken zusam-
mengestückt) zu sein; denn an den eingestreuten lateinischen brocken,
wenn auch in macaronischer form , konten doch nur diejenigen behagen
finden, die ein Verständnis des lateinischen besassen.
Wegen des wertes für die geschichte des deutschen Volksliedes,
den diese samlung trotz ihrer zerstückten form hat, mag sie im fol-
genden mitgeteilt werden. Der volständigkeit wegen mögen auch die
stocke mit angegeben werden, die sich bereits bei Hoffmann finden.
Die nnflätereien aber, die nicht einmal witzig sind, sondern nichts
weiter als unflätig, lasse ich bei seite. Zwar heisst es: literae non
erabescunty aber der schreibende schämt sich doch solche „garstige
sftnweisen" durch die feder laufen zu lassen.
I. (S. 2.) Das erste Geschnältz.
1. Outen tag Beuerlein | Juncker ich konmi von Pinna
SUTSOHR. F. DBUT8CHE PHlLOLOtilK. BD. XV. 4
50 lCsbeh
Trinks gar ans | ao wird ein votier Bruder draus | juch hoscljQ hcihi
dey I hundert ist melir denn drey.
2. Holilselig wie ein Essigkrug | da schriet die Braut | Ach wi
mir ist durchschossen | das junge I Bomp, bomp, homp, widi vidi woiiij
dus junge Hertze mein.
3. Wenn er deß Nachts wolt freundlich mit jhr schertzen |
stolpert ihm sein Apffelgranes Koß | vnd hahn ein guten muth | der di
hmiilert Klftse fraß. Ach leycht mir bimdert gülden | ey lieber thi
es flugs I ta la la la la diii dum.
4. üaur, was habn die Sea gölten | Biß Montag Ober 14 ti
wUs Gott I herr wirth ich bin dir schuldig | ich gib dir aber nichts
Frisch auff mein liebes Töchterlein | vnd liab ein guten Math ....
hett ich ein wenig Hutzclnwein, es wird mir hier gar übel, ey oy
geht schun aufl" Aw Itein | 0 flugs bringt mir ein Kübel,
5. Baur wenn wirst du Hochzeit habn | Herr ohn ein Ort See
gülden, der wirth der ist förwar der best, er uiuibt die Kreiden vni
tröst die Gast, scliier mich nicht mehr, Es soll ein Mcgdlein bochz«
habn die war noch eben klein | Ihr freundsman wie gebt jhr eure Eyer
Ach Mutter gebt mir einen Manu | schtalten gähn ist Wuhlgethan.
11. Das ander seltzaame Giokes gackes.
1. Outen Morgen { guten Morgen | wie stehts wie stehts.
dQrtFt nicht danckn | es ist gern geschehn | mein ich bitt euch ;
schon, grüst mir mein Gevatter fleissig | 0 ich mag nicht trinekel
habt grossen danck euers K&ä.
2. Ihr allerliebsten Leut | sagt mir flugs fluga wo der Pumper
nickel wohnt | ey ey wie thut mir mein Bauch so sehr sehr waho
Auweh.
3. 0 I 0 I Newen Wein | vrnb 22 das erst Weiß ein neuen Weil
vmb 52. Sie sprach was gehts dich an du Lauer
4. Aber ein Vierthel da. Meiu Hänicken war ein Kautz | Bratu
Meydlein wolgemuth | Ach Hans, ach Hans | o Hänselein, ach Hat
mein edler Schatz | ein Hansen muß ich haben | ein Hans behfll
den platz.
6. Ich Ich hab gute warme Semmeln | kaufft mir ab, Aofl^A
heta ) warvmb gehst nicht wog | so hett ich dich nicht gestosaen.
6, (S. 3.) ... Geht her Jungs Mensch kaufft mir ab | ich id
wil euch wolfeyl gebn [ nun kriegt jhrs je nit besser | secht wie i
80 sch5n sind.
7. Hört hört Wunderding | wie es mir mit der .lungfraw j
frew dicli Müppenbub. Loppisch la£ nicht schnappen. In viuemNiu
2t7lt KEITTNIS IlT. VOLKSLIEDEfi 61
bers Brosies Huß | do giet sich ein Garten dort hengen hinauß. Do
wackelt jhm der Federbosch. Vnd wenn ich Gelte gnug hett | ich wolt
wol reich werden.
8. Hop I hop bald essen, ha ha ha | ha. Ir Jungfraw Eis | mein
sagt mir doch | wie viel muß ich hefftle zu einer Pfannen haben. Zum
fitz ynd federlein | zum aller hederle | mein Manu ist nicht daheime.
9. Ey so schadets mir ein Jahr so mechtig mechtig viel | daß
ich nicht allzeit Gelt hab wenn Ichs haben will. Dieweil er vnser
Schwester hat | so muß er vnser Schwager seyn | langt vns für drey
Pfenning Buttermilch rein | last vns ein stündlein fein lustig seyn.
10. Hatts kein alte Schuh do. 0 du saubers Thierlein | hast
Buhlschafft viel | keiner dich wil | ist dir ein herte pein. Hört zu ]ast
euch sogn | die Glocke hat viere gschlogn.
11. 0 laufft I 0 laufft die Schurgen kommen | ist das nicht ein
seltzsams ding | ich sol heut dreymal zu Gast essen vnnd bin noch
kein mal geladen | ich wil gern sehen wo es nauß wil. Sol ich so
reich werden | wil ichs wol sehen.
12. Holla Bier her | der Vetter ist kommen | Schlaff Eindlein
lange | dein Mütterlein ist außgangen | so esse ich doch Wahrlich nicht
gerne Heydelbrey | vnnd wann mir keine federn wachsen | leg ich noch
lang kein Ey.
13. Da geht der Wind von Schwaba her | da reffelt sie da hechelt
er j trincks nur auß, ich mag nicht mehr.
in. Das dritte Gebäck.
[Es gieng ein Münch den Berg hinan, da kam die Nonn und
sprach ihn an, sancte lieber domine! ora pro nobis, audiens hie cleri-
cus, qui cunebat tardius.
dieses stücklein , bei Hoffmann nr. 10 , findet sich nicht im Olden-
burger exemplar.]
1. Laudate pueri Dinckelfing | ligt drey Meil Wegs von Strau-
bingen« Ich bin so lang gestanden | Erfroren möcht ich sein. Es fuhr |
es fuhr ein Bauer ins Holtz | da kam ein stoltzer Schreiber , zu seinem
Frewlein stoltz | Frewlein stoltz. Die Bauren von S. Polten | Darzu
die gantz gemein.
2. Das dirum | dirum j dirum dey | Er fiel ein Kipp im Leib
entxwey | Darzu ein Loch in Kopff. Behüt dich Gott du zartes Münd-
leiii roth. Geht her Köchin | nembt meine vollends, secht wie sie so
ftiach sind.
[Bei HofiBmann folgt noch nach: darzu ein Loch in Eopff nr. 15.
IkfdlAin jung am Laden stund, und nr. 16. Ach wehe dem Leiden,
4*
52 lObben
miiss es denn sein gescheiden? Behöt dich usw. Beide fehlen im
Oldenb. exemplar.]
3. Pfuy I pfuy das mir der Bart gewachsen ist | von deinet wegen
bin ich hier | Schöns Lieb vemimb mein Wort. Der Beltz ist mein ist
nimmer dein | sprach die alte Schwieger.
4. Wir wölln das Bett in die Stuben tragen | Schlaffen gähn ist
wol gethan. Ach lieber Igel laß mich leben | Ich wil dir meine Schwe-
ster geben.
5. (S. 4.) Nun wolan er schlug sie blaw | vnd kleidet sie graw |
die färb war mancherleye.
6. Ich bin ein wenig schwertzer denn das Offenloch | es wil mich
weder Kellner noch der Koch. 0 Nachbar Boland, mein Hertz ist
voller Pein.
7. Es ritt gut Reuterlein schone | wol über ein Wisen die war
grüne | die Wiesen die war breit | Ennelein butz mirs Liecht
8. Solche Brüder wölln wir nit | Sie tragen seltzsame Kleider
an I vnd binden lange Zipffel dran. Sanctus Dimpesdampius lag hinter
dem Zaun vnd schlief.
[Bei Hoffmann nr. 24 und 25 lauten diese verse etwas anders.
Statt ^seltzsame Kleider^ heisst es dort: Kutten und Chorrock, und
statt „Sanctus Dimpesdampius lag hinter dem Zaun^ „Sanctus Bonifa-
cius lag hinter der Hell."]
9. Ich stieg auf einen Birnbaum | Birnbaum | Suben wolt ich
graben | so hab ich all mein lebenlang kein bessere Pflaumen gessen.
Da schrier die Braut 0 Bass | 0 Bass. Hans Fuchs der treht den stem
herumb.
10. Ich sah einmal zwen Hasen | Auff einer Wisen grasen | das
nam mich wunder.
11. Lieber Nickel zieh nicht weg | Flick mir vor den Pantzer-
fleck I er ist mir gar zurissen. Faladiridon | Ich reit einmal zu Braau-
schweig auß.
12. Sein Breien die stund jhm den klincker den klancker | Er
war ein frischer gsell. Tantz mir nicht mit meiner Jungfraw Ketten |
sonst tantz ich dir mit deiner Jungfraw Greten.
13. Hans hat Hosen hat Wanmies darzu. Mein Finger | mein
Daumen | mein Eleubogen. Der Schefer von der Newstadt | Juch | juch,
ho ho hey | Das Trarara das Trarara.
IV. Das vierd Hack vnd Mack.
1. Wie hastu mich verlassen | frölich zu sein ist mein Manier,
tantzen wir den firlefantz von Schwaben | Sie sind nicht all an diesem
Seyhen | die wir haben sollen.
ZUB KBNTNI8 ALT. VOLKSLIEDER 53
2. Steffan Leibpeltz | Veit schuitzer | Hans Jarkoch | Fidel lum-
pamp I Matz Erummhut | Hans Fuchs | Hans Lump | Eühmicbel Jäger-
meister vnnd Herr Endres | Ey Hans was sagst | ey Nickel was machst.
3. Zween Brüder zogen mit einander über feld | Lumpus der
trog den Seckel mit dem Geld | so blieb leck uns allzeit dahinden |
Tauder Nickel saß auflf einer Weiden | Ach Elßlein holder Bule mein,
wie gern wer ich bei dir.
4. Peter Peter nimb den Hut ab | ich armer re mi fa sol la |
was hab ich fa mi re mi. Ach Bauer laß mir die llößlein stahn | sie
sind nicht dein | du tregst noch wol von Nesselkraut ein Krentzelein.
5. Vnd er hat einen Sohn | ey wusta hotta ho | man sol die
jungen Mägdlein Sumpel lump pum pum | setzen ins grüne Gräßelein |
Eytel gut ding | eytel gut ding tragen die Mägdlein im Busen.
6. (S. 5.) Es sas ein Eul vnd span | mein feins Lieb ist von
Flanderen | gibt einen vmb den anderen | wer jhr nicht zusprechen kan,
dem schneid sie bald ein kappen an.
7. Holla holla Vatter | wie ists ein ding | wird man dem Sohn
kein Sitterzehrung schencken | er kompt auß Yngern.
8. Ich wolt wer mir mein Glück nicht gönnt | ein gantzes Jahr
nichts essen könnt | als was ich jbm solt geben | sie tauret mich ja hin-
der sich.
9. Lauff mein lieber Lindel | wie kompt jr denn so schnell her-
ein I in dreyzehen tagen 14. Meiln.
10. Haben wir nit so wölln wir lassen holen | Sauffite vos ebrios
et stickete wickete plenos j Es wolt ein Fraw wol zu dem Herrn.
11. Trinck frey | besser sind 3. Abend den 7. Morgen | der Wirth
muB borgen | laß die klein Waldvögelein sorgen.
12. Nechten war ich truncken | da redt ich nach geduncken |
vnd alles was ich redte | das thet der kühle Wein | stand auff du fei-
nes Mägdelein | vnd laß mich zu dir ein.
13. Der Breutigam war arm | die Braut hatt nichts | darvmb
verlorn sie auch nichts | vnd wer hinach gieng der fand auch nichts.
14. Den Bauren ist gut pfeiifen | sie geben cim auch einmal zu
trincken | levate Präsulem | sanctissimum veneremur.
16. Jhr I ey könt jr mir nicht sagen | wo geht man recht nach
Tripstrill nauß? ich sitz vnd nemb junge specht auß | sie haben Schne-
bel wie die Pfeile | es hat mich einer in Finger gebissen | ich nembs
dmmm auß das ichs wil braten.
16. 0 Hans bist du noch nicht toll | das Maul ist noch gerad |
Gott behflt vns Hend vnd Fuß | Amen stramen | der Blind schlug den
Lameu | per omnia Seckel et Bt'iitel Auk^d | por oiunia Seuki'l et Beu-
tel Amen,
V. Das fünffte Gemeusch.
1. Nvn fanget au ein guts Liedletn ku singen [ wenn das geschieht
tu ehren | wer kans vnd wila vns wehren 1 boI fa mi re re mi | Jnng-
l'raw dein schCn gestalt erfrewet mich sehr | je leuger je mehr | du
grünest vna den Winter | die liebe Hommerzeit | mentrio codipai con-
tento.
'2. Kessel | Multem bindea | Pfannenflicken Kessel Runda | Ruoda |
dinella | quomodo ßet istud 1 bitt wollt mir ein täntzlein Tein \ machen
nach dem willen mein.
3. Mein tausendschätzelein | Mit viel schmertz ist mir mein
Hertz I Es sali ein Mägdlein bey dem Fewer vnd schlieff { Worein sol
ich mich kleiden.
4. Kauirt gute Milch jhr Weiher | schöne Schmaltz gute Butter-
milch I Es wolt ein Mägdlein ein Buhen (L Bulen) hau, Birehaum, Bire-
baum, Birebaum | vund selts (S. 6) jn auB der Erden tsrabn { Birihaniit
feiiis Enneleia | Truckt sie mich jetzt also hart | mit jreu weisen Häad-
leiu zart.
5. Sind dir denn die Hoseubender lengor als die Strümpff | Git-
(eue Canzonet al mio signorc ] Ach höchster Schatz auff »den | was
hast mit mir im Sinn | das macht mir angst md schmertzuu.
6. Wie soll mir dann geschehen | wenn ich dich meiden solt,
drumb was man sagt ich alls verneyn | reclit Lieb zu haben bringt
kein Pein I wo beide Hertzen eines seyn,
7. Frisch auff jhr Mnsicanten | so viel ewer vorhanden | habt
jetzt ein guten muth | Ach Schatz ich thu dir klagen l Memu Hertzen
trost I hab ich neulich gesehen in jhrem Oärtelein | ich habs gewagt
frisch vnverzagt.
8. Es zog ein Schwab ins Niderland | Ora pro nobis | (IrOB dich
Oott mein Mündlein roth | mein höchster Schatz anff Erden | muD denn
die trewe mein | so gar mit falschem Hertzen 1 von dir belohnet seyn
Ich ritt mir auß kurtzweilen | durch einen grGnen Wald | leb woU
gern singen vnd weiß nicht wie | von meinem Buhleu der ist nicht
hie I er ist in frenidbe Lande | So muß er vnser Schwager eeio.
9. Kaußt guten Schtöpperkäss | Heinz wilt du Christa hau { spraoli
die alte Schwieger | Anwe ja Da da da sprach die Schnur berwidor.
10. Kaufft weisen Sand jhr Weiber | was im Khstand | vnakomiit
zu haiid I dun Hoben Gott lassen walten | vnsur Muttt<r Bruder
dar hat ein golbc [TeifTe.
ZUR KENTNIS IlT. VOLKSLIEDEB 55
11. Kaufft Besen jhr Weiber | Venus du vnd dein Kind | Das
mag ich wol mit lust | Hindern Ofen vnd vmb vnnd vmb | schöns lieb
was hab ich dir gethan | vnd laß mich doch nicht gar verzweiffeit
sterben.
12. Ein ander kam mir vor | ich hoffe zwar | du wirst mich
gar I ich laß den lieben Gott walten | faß mir ein frischen Muth.
13. Dirlint dint dint guter lind dint dinten | gute Dinten | gute
Kreiten guten Streusand | Matz Matz machn Leim warm | Orban gib
mir ein Spiegelein | dunck ins Brüleiu | dunck ins Brülein.
14. Ich hab mein tag kein gut gethan | habs auch noch nicht
im Sinn | vnd wo ich einmal gewesen bin | da darfi' ich nimmer hin,
nimmer hin | ey ja hin | Schlotfege, Hoderlumpen, Hoderlumpon.
15. LöU Ml I 0 I 0 I LöU löU 0 | 0 | Ey daß dich all botz
Veiten | wie ist das Gelt so theur.
16. 0 florio, wir haben ein newen Bierkrug | 0 Florio. Kaufft
Flöhbesen jhr Weiber. Die Weiber mit den Flöhen | die habn ein ste-
ten Krieg. Kaufft schone Hünerserbn jhr Weiber. Aber ein Mas da.
Figele fogele fare. Eins mals kam mich gar jehling an hoho Dreyhel-
bert do.
17. (S. 7.) Hab ich dirs nicht vor gesagt, bleib mir bey der
Wiegen, nimb den Fuchsschwantz in die Hand, vnd wehr dein Kind
die Mucken | Alle tag alle tag gehts so zu | wenn man soll essen | so
setzt man erst zu.
18. Baust dir nit der Näser | Baß Eis | vnd banset dir der Näser
nit I so kauff ich dir der Kirbe nicht. Vier pfenwert do.
19. Vnser Knecht der Rubendieb | der hat der Magd auffs Hem-
met zwo ho I 0 I Was gibst, was hast | da da da | Ey daß dich denn
botz Veiten sehend | du hettst mir schier mein D. verbrennt | Ich hab
wol dacht es wird so gehn.
20. Kaufft gut Holtz jhr Weiber. Jungfraw jhr habt ein kleine |
sie hat kein Hemmet an | vnnd wenn ich nichts zu trincken krieg | geh
ich warlich darvon fa la la la la.
VI. Das sechste dille delle heußlo bawen.
1. Holla I jhr Bäwrin | Bäwrin | verziecht ein wenig | wie geljt
jhr ewer Milch? Ey so hab ich meiner Hauben das Haube rauß
gekehrt Vnser Bruder Melcher wolt ein Reuter werden | hatt er keine
Stieffei nicht | kunt er kein Beuter werden.
2. Vnd da er solt da wolt er nicht | vnd da er wolt da kunt
er nicht | mit einem alten Hafen fa la diri dum dum pfeiffcn. Gronlä
kol ein Essi^ | Hense hol ein Bier | holets mit einander Bier | Tragen
56 LÜBBEN
wir den Tod ins Wasser | wol ist das. Die Buttermilch sol sauer
sein I giest vmb drey Heller Milchraui drein.
3. Herr Lorentz | Herr Vincentz | schittel den Kittel das Hem-
met get für. Mutter ich bin ein Schleiflfer ho ho ho. Last uns den
Birckenmeye dapffer vmbher gehn. Newe zeitung | der Schreiber ist
von der Banck gefalln | da nam die Mutter die Eüchenthür vnd hiengs
jhm binden vnnd fern für | Kätz von der Wurst | ein andermal geh
mehr naschen.
4. Nun wie wirds ein Ding werden, werd jhr mir nichts abkauf-
fen I ich geh gute Pfenwert. Welcher das elend bawen wil | der arbeit
wenig vnd feyer viel vnnd geh offtnials spatzieren.
5. Behüt Gott Mumelein wie kan der Vetterle so gar wol tan-
tzen. Ich sag euch Dauck liebe Nachbarin. So wil ich meinen breiten
Degu mit Ziegelmeel aussbutzen. Pfuy Teuffei ,
6. Ich wil zu Land außreiten | du bist zu klein mein Hänselein |
Wann ich mein Gelt verspielet hab | sag ich, ich hab nichts gewun-
nen | hört, hört Ich hör ein Guck Guck singen | dort oben auff jenem
Hause. Ein Breutlein wolt nicht gehn zu Beth | nicht weis ob sies
hett verredt.
VII. (S.S.) Der siebende newe Grillenschwarm.
1. ... ist nicht der meister Jäckel drinnen | heist jhn ein wenig
herauß zu mir kommen | Nu wolan | die Bauern tragen Stieffei an |
mein Vatter ist ein feiner Mann | kompt nur ran | secht wie ichs so
wacker kan | eya kan | tret nur wol ran | jetzt fang ich an | Mein Manu
der ist ein Lumpenmann | mein voriger Mann der war so gar ein fei-
ner feiner feiner Mann | Hey schlag auff Drunmielschläger: Born bom
bom bom bompen widi widi widi widiwompen.
2. Mein ich bitt euch alle in gemein | thut doch ein kleines
kleines Jüchzerlein . . . Das giri girigey, mein Mann der ist ins
Hew ; der Sommer der ist kommen | du hast mich nicht | du loser
Schelm | genommen | genommen. Füllenfresser, PüUenfresser, Groß-
maul , Füllenfresser.
3. Ey sommer saut Veltons Futtersack | es war ein grosse Wunge,
ja Wunge. Zeuch Fohle zeuch morgen woUn wir Habem dreschen |
woUn der Fahle zessen geben, zeuch Fohle zeuch. Hotte her | treib
her I lange Loden hat der Bär.
4. Bawer ich glaub du seyst nit klug? 0 Herr sie seyn mir
feyst genug. Sommer botz Edelmanns Blümelein blaw | ich hab kein
Gelt im Säckel Adam der hatt sieben Söhn vnd achte i
was sie machten. Botz Trüs Danckt der Matter
ZUB KENTNIS ALT. YOLKSLISDSB 57
daß sie euch hat lassen her gehn. Mein Leffiken vnd ick | wir fuhren
nach Ostende. Guten Morgen | ein glückseligs newes Jar | ein schön
jungen Geselln in krausen Haar | Geh euch Gott zwier so viel.
5. Weiter im Text: Herbey jhr Herren vnd jhr Schätzen | hie
haben wir ein den woUn wir pritzschen. Schusserdieb | Schusserdieb |
hast mir meine Schusser gstohln. Es hat ein Bawr sein Fraw ver-
lorn I er kan sie nimmer finden
*6. Bawer ich glaub du hörst nicht wol | dass dich ankomm die
Trüss. Euch auch so viel | euch auch so viel | wir dörffn alle wol
glucks. Guck Vatter | das Kind liebäugelt. Solt mirs Mägdlein nicht
lieber seyn | denn das rotzige rotzige Bübelein ... 0, 0, 0.
Jetzt iß gar auß.
Aus diesen durcheinander geworfenen brocken wider volständige
lieder zusammenzustellen, ist unmöglich. Hin und wider mag man
einige fetzen aneinanderreihen, z. b.:
Baur, was habn die Seu gölten, (I, 4)
Herr, ohn ein Ort sieben Gulden. (I, 5)
Baur, wenn wirst du Hochzeit halten, (I, 5)
Biss Montag über 14 Tag, wils Gott (I, 4)
u. a. , aber ein ganzes wird doch nirgends daraus. Es mag daher genü-
gen nachweisungen hinzuzufügen, wo diese läppen hingehören, soweit
ich es habe auffinden können, und einzelne bemerkungen anzuknüpfen.
I, 1. Trinks gar aus, so wird ein voller Bruder daraus.
Uhland, Volkslieder nr. 223.
2. Da schrier die Braut (s. zu HI, 9)
Ach we, mir ist durchschossen das junge Herze mein
Gödeke u. Tittmann Liederbuch aus dem 16. Jh. nr. 11, 1.
3. Da stolpert ihm sein apfelgraues Ross.
Gödeke nr. 85, v. 3 („Da strauchelt ihm sein apfelgrau ross")
3. 4. und habn ein guten Muth.
Gödeke nr. 81, 40. Dieser ausdruck ist aber so algemein,
dass er wol kaum einem bestimten liede angehört.
II, 8. Zum fitz und federlein
Zum aller hedele
Mein Mann ist nicht daheim.
Uhland nr. 284 (s. 734). In diesem Puhrmannsliede („Es
wolt ein furman ins Elsass faren") ist der refrain in allen
Strophen — Hederle, zum fitz und federle." Der refrain
58 LÜBBEN
tritt immer vor dem lezteu yerse ein; in der sechsten
Strophe heisst es:
mein man der heist der Hederle
znm fitz und federle
mein man ist selten daheime.^
Vgl. Des Knaben Wunderhorn (Birlinger und Creceliuß)
II, s. 132 u. anm.; Grimms WB. s. v. Hederle.
II, 10. Hört zu, lasst euch sogn usw.
Büsching u. v. d. Hagen, Deutsche VolksL nr. 16 (Sim-
rock nr. 379).
III, 1. Ich bin so lang gestanden, Erfroren möcht* ich sein
ühland 260 A. str. 7 (und 260 C. str. 3). Knab. WH.
II, 204; Simrock nr. 48.
„ Es fuhr, es fuhr usw.
Büsching, wöchentl. Nachr. 2, 250; Hoflfm. v. F. Monats-
schrift von und für Schlesien s. 545.
„ Die Bauren von St. Polten usw.
Uhlaud nr. 248.
2. Er fiel ein Ripp im Leib entzwey darzu ein Loch in Kopf usw.
Ist aus demselben liede wie III, 1. Uhland nr. 260 C. str. 6.
[Ein Mägdlein jung usw.
ühland nr. 254 A.)
in, 3. Pfuy, pfuy, das mir der Bart gewachsen ist.
Hoffmann, Gesellschaftslieder nr. 55; Gödeke nr. 49.
Von deinetwegen bin ich hier.
Nicolai, Almanach 1778, s. 29. Gödeke nr. 57.
Der Beltz ist mein, ist nimmer dein.
Sprach die alte Schwieger.
Uhland nr. 276 str, 13.
6. 0 Nachbar Roland,
In der schrift: „Der Schneider genug- und sattsame Wi-
derlegung auff eine . . Lästerschrift usw. durch Bonifa-
cium Sartorium (a. 1621) steht auf s. 31 : damit sie dei-
nes spöttischen Singens nicht bedörffen und gleichwol
zu singen haben, so will ich selbst ein Gesänglein mit
einem Tutzet (d. i. dutzend) Gesetzleiu componiren und
im Thon 0 lieber Nachbar Roland usw. hiehero setzen,
also lautende: Ein Liedlein wir jetzt singen usw. (Die-
ses lied ist abgedruckt in 0. Schade, Handwerkerlieder
8. 65).
»
V
ZÜB KENTNIB ILT. YOLKSLIBDEB 59
7. wol über ein Wiseu, die war grüne.
Uhland nr. 115 A (Es giengen zwo gespilen gut Wol
über ein Wise , war grüne) , Gödeke nr. 86 ; Kn. Wunderh.
2, s. 201. — Der anfang: es ritt gut Keuterlein schone
usw. klingt an an das lied bei Uhland nr. 74 B. Es ritt
gut reuter durch das Ried usw.
9. Ich stieg auf einen Birnbaum usw.
Simrock nr. 362 (Verkehrte Welt).
„ Da schrier die Braut 0 Bass 0 Bass
Eschenburg, Deutsches Museum 1776, s, 405; Büsching
nr. 118.
11. Ich reit einmal zu Braunschweig auss.
Uhland nr. 154.
12. Sein Brexen die stund ihm den klincker den klancker.
Von Hildebrand im D. Wb. s. v. klinkerklunker (4, sp. 1197-
angeführt, brexe wird ein schmuck sein, wie bretze.
Bei Liliencron, Volksl. I, 274, 10 heisst es von den
Schwertern : de swerder de gingen den klinker den klank.
IV, 1. Fröhlich zu sein ist mein Manier.
Gödeke nr. 118.
3. Ach, Eisslein, holder Bule mein.
HofiFmanii, Gesellsch. L. nr. 16; Uhland nr. 45 und 46;
Gödeke nr. 84.
4. Ach Bauer, lass mir die Sösslein stahn.
Uhland nr. 252; Simrock nr. 117.
5. ey, wusta hotta ho!
Diese interjectionen finden sich auch in dem liede: Die
Bauern von St. Polten. Uhland nr. 248. Hotta ist der
zuruf an die pferde nach rechts, wusta (wüste) nach links
zu gehen. Vgl. Der Schneider Widerlegung (zu III, 6)
s. 38 : . . weil er beynahe schier inn der Lügen were
hestecken blieben und weder wusta her noch hotahin
mehr zu reiten oder zu fahren gewust.
6. Es sass ein Eul und span.
Uhland nr. 260 (s. III, 1.)
„ Mein feins Lieb ist von Flandern.
Uhland nr. 49 ; Gödeke nr. 46.
8. Ich wollt, wer mir mein Glück nicht gönnt usw.
Ditfurth, 100 unedierte lieder des 16. und 17. jahrh.
Stuttgart 1876 nr. 42.
60 lObbbn
9. Lauf mein lieber Liendel.
Liendel muss eine schelte, ein Schimpfwort, etwa wie
Claus Narr und ähnliche, gewesen sein. In diesen Geschnäl-
tzen komt es ausser hier und auf dem titel (Gevatter
Liendel) auch noch YII, 4 in einem unflätigen verse ?or.
In der Schneider Widerlegung wird der gegner, der Ver-
fasser der Schmähschrift „dieser Schmier -Liendel^ genant
S. 5 u, 27. — [„Der Linnel, a) Leonhard, der „Hammer-
leute^ patron. b) Hölzerne statue St. Leonhardt , beson-
ders der schwere klotz, der hie und da unter dessen
namen durch die wallfahrter um die wette vom boden
in die höhe gehoben, oder gar in procession von einem
dorfe ins andere getragen und dabei wol auch mitunter
in den bach, in die hecke geworfen zu werden pflegte,
c) im scherz : männliche profane statue überhaupt, d) figür-
lich: mensch, der wie eine statue, wie ein klotz, unbe-
hilflich, schwerfällig, träge ist. — lienlen, verb., sich
wie ein klotz benehmen, lienlend, einem klotze ähnlich.^
Schmeller, bayer. wörterb. 2. a. bearb. von Frommann.
1, 1481. J. Z.]
12. Nechten war ich truncken.
ühland nr. 107 str. 7 ; Simrock nr. 47.
14. Levate präsulem, sanctissimum veneremur.
ühland nr. 208; Gödeke nr. 169. In beiden liedern fehlt
aber das Levate. Heisst dies levate (hebt auf, sc. das
glas oder den becher , vgl. Gödeke nr. 134 v. 22. levate
sursum pocula) und ist zu interpungieren : Levate, prä-
sulem usw.?
V, 1. Wenn das geschieht in Ehren.
Gödeke nr. 24.
„ Jungfrau, dein schön gestalt.
Hoflfmann , Gesellsch. L. nr. 49.
„ Du grünest uns den Winter.
Hoflfm., Schles. Volksl. nr. 52; ühland nr. 151 str. 9 (du
grünest winter und die liebe Sommerzeit).
4. Es wolt ein Mägdlein ein Bulen han.
Nicolai, Almanach 1777, s. 102; Hoflfm., Schles. VolksL
nr. 99; Simrock nr. 229; Kn. Wunderh. 1, 77 u. 268.
5. Gittene Canzonet al mio signore.
Ein solches italienisiertes Intermezzo findet siob Ufih ^
deke nr. 24 : strampede mi , alami presente al wab
zxm KBNTNI8 Ilt. volkblirdeb 61
8. Ich ritt mir auss knrzweilen.
ühland nr. 24.
9. HaiDz, wiltu Christa han.
ühland nr. 276, str. 3; Simrock nr. 236, str. 2. Aus
demselben liede ist III, 3. Auwe ja, da da da | in dem-
selben liede bei Ühland nr. 276, str. 2.
10 XX, 12. Den lieben Gott walten lassen.
Gödeke nr. 85 , str. 6.
11. Venus du und dein Kind.
Hoffm., Gesellsch. L. nr. 32. (Gödeke nr. 12: gegen euch
bin ich entzündt, das macht Venus und ihr Kind.)
15 u. 19. Ey dass dich all botz Veiten.
HoflFm., Gesellsch. L. nr. 188.
16. Die Weiber mit den Flöhen.
Hoflfm., Gesellsch. L. nr. 177; Kn. Wunderh. I, s. 388.
17. Hab' ich dir nicht vor gesagt.
K. Wunderh. II, s. 731 (Anhang s. 64).
18. baust dir nit der Neser (d. i. beutel, tasche, loculus s.
Mnd. WB. s. V.)
Ist angeführt in Grimms WB. s. v. bansen (= bauschen,
turgere); als quelle wird angegeben: „sieben lächerliche
Geschwätz 16/17. jh.«
VI. düle delle.
„Dille, ahmt den ton des gesangs zur schalmeie nach.
Dille delle, soviel als diltap, in Franken und Schwaben."
Grimm, WB. 2, sp. 1150 u. 51.
1. Unser Bruder Melcher usw.
Hoffm., Schles. Volksl. nr. 261.
2. diri diri dum dum.
Vgl. Gödeke nr. 135 : Trinkt und singt und springt herum,
diri diri diri dum!
3. Birckemeye.
Ist wol druckfehler für: Birkenmeyer. Frisch 1, 652.
„ Da nam die Mutter die Kfichenthür.
Hoffm., Schles. Volksl. nr. 261.
„ Kätz von der Wurst
Über Kätz s. Hildebrand im D. WB. s. v. Kätz.
4. Welcher das Elend bawen wil.
ühland nr. 302.
6. Ich wil zu Land aussreiten..
ühland I, nr. 132; Kn. Wunderh. 1, 117.
G2 LÜBBfiac
6. Dort oben auf jenem Hause.
Vgl. Wunderh. 1, s. 165: Dort oben in dem hohen Haus.
^ Ein Breutlein wolt nicht gehn zu Beth.
Büsching nr. 118. (S. UI, 9.)
VII, 2. Das giri giri gey.
Gödeke nr. 170 (Der Baur von Eselskirchen, der hat ein
feiste Gans das giri, giri, ga ga gans).
„ Mein Mann der ist ins Hew.
Simrock nr. 237. Uhland nr. 282.
„ Nun ist der Sommer kommen.
Gödeke nr. 7.
3. Zeuch, Fohle, zeuch.
Wunderh. 2 , s. 656.
4. eine rätselfrage; 7 + 8 = 15; sie machen eine mandel (15).
„ Mein Lefficken und ick.
Ist bemerkenswert, weil es das einzige lied mit nieder-
deutschem anklänge ist.
Ich benutze diese gelegenheit, um noch einige liederanfänge mit-
zuteilen , die mir anderswo begegnet sind. In der Schmähschrift : Ver-
bessertes vnd gantz new ergangenes ernstliches Mandat . . Hermanni
Sartorii, deß vhralten löblichen Schneiderey- Ordens, erwehlten Gene-
ral usw. durch Stilvester Bocksbeutel — weyland gedruckt zu Diebingen
bei Soubastian Bögeleisen, in Verlegung Sixti Zicken. 19 s. in 4. (Aus
dem anfang des 17. jh.). Es muss dies eine beliebte schrift gewesen
sein, die, wie aus der Widerlegung (s. oben zu lU, 6) hervorgeht,
wenigstens drei auflagen erlebt hat. Die Oldenburger bibliothek
besizt zwei ausgaben, die erste und wahrscheinlich die dritte, beide
ohne Jahreszahl. Darin findet sich auf s. 6 der ersten, s. 8 der dritten
aufläge folgendes stück aus schmähliedern auf die Schneider:
(gebieten: sich auch keines andern Gesanges zu gebrauchen, als
wie jhre Vorfahren hergebracht, das ist)
me me me Meck, Meister (Meeeeeister in der 3. a.)
habt jhr meine Hosen gebletzt, gebletzt, gebletzt
Oder: Es laufFt ein Geiss ein Berg hinauff,
vnnd thet das Arschloch blecken
Der Schneider laufi't jr binden nach
mit Nadeln vnd mit Flecken
Sta, Sta, Hettelein Sta,
ich wil dirs loch verbletzen, ja wol (ver)bletzen
ZU& KBKTNI8 ALT. VOLKSLIEBfiB 6d
Ferner enthält die Disputatio inauguralis . . jus potandi adum-
brans usw. Oenozythopoli 1616. 4 auf s. 11 folgende liederanfänge :
(Hunc finem cum assecuti sint hospites, mirificas res tractare inci-
piunt et omnia tumultuarie , ibi clamoribus et jubilationibus per-
strepunt omnia. Nee desunt modulationes vocum quibus tota domus
personat, cujusmodi sunt:)
Ich fahr mich vbem Rhein usw.
Gunstiger Herr vnd guter Freund usw.
Nachtbar Qott gebe euch ein guten Dack, ßöslein usw.
Bonum vinum post Martinum usw.
Wir haben ein SchiflF mit Wein geladen usw.
He seth den Barkenmeyer wol an seine Mundt usw.
Der tolle Hudt usw.
Ein Hirsch sprang auss dem usw.
Es fuhr, es fuhr, es fuhr ein Bawr ins Holtz.
Aide, Aide mit seinem Bösslein usw.
Der Eeutzel wol auff den Zaune usw.
Was wollen wir singen usw.
Hänselein mein Brüderlein usw. usw.
Sodann steht noch in Opizii Jocoserii Dissertatio de eo quod
justum est circa — pulices. Amsterodami 1743, 4 auf s. 34:
(et certat cum crudelitate nequicia; per jocum enim agonizantibus
Q>alicibus) accinere solent:)
Ey hab ich dann keine Hast noch Buh
ich druck dir dann die Augen zu.
Debald, du must sterben.
Defension Schrifft
vnd Ehren Tittel der Kipper vnd Wipper | welche
also jetziger zeit gar veracht vnd vnder
die Banck gestossen werden |
Darch einen jhren sonderen gutten Freund vnd Günner | in ein Lied
gebracht | vnd jedermenniglich zur nachrichtung in druck gegeben.
Gedruckt im Jahr als so viel Wechßler vnd Kipper wahren.
Kippe de Wipp du loser Dieb | hast dein Kippers Gelt geliebt
Hastu Kisten vnd Kästen voll | ey das dich baldt der Deuber holl
Kippe de Wip du loser Dieb | hast dein Diebisch Gelt so lieb.
Kippe de Wipp du Galgenstrick | hast du noch nicht außge-
nipt I hast verkipt dein Leib vnd Seel | must mit dem Teuffei in die
HAU ] Kippe de Wipp du Galgenstrick, hastu noch nicht außgewipt.
Hör Kippo de Wipp du loser kundt ] prangst also mit dcim Kip-
persfundt | du meinst habest glück vber glück | ?ncl kompst dem Teuf-
fei in sein strick | hör Kippe de Wippe, du loser knndt usw.
Der Kippe de Wipp hat gewiß vermeint | der Teaffel sey sein
bester Freund ] weil er jhm hat gestelt fürwahr | Kupfferne Berg für
Silber d.ir | hör Kippe de Wipp hast gewiß gemeint | der T. sei dein best Fr.
Der Kippe de Wipp hat gemeint ohne zweiffei | es sey in der Höll
kein Teuffei | aonJern es heiß nur Kipp vud Schacher | jetzuud macht
dich der TeufTel wacker | hör Kippe hast gemeint nsn.
Der Kippe de Wipp ein Mörder ist | weil er mit seiner Kipper-
list { die armen Weisen bat bestohlen j darumb bleibt er ein Dieb
vnverholen | Der Kipper de Wipp ein Mörder ist | vnd bleibt ein Dieb
zu aller frist.
Hör Kipper de Wipp ich muß dir eben | jetzund dein rechten
Tittel geben | ein arger Ertzdieb du auch bist | weil du der Armen
Brodt auffrist | hör Kippe de Wipp merck mich gar eben \ der Teuffei
wird dir dein Lohn darfür geben.
Der Kippe de Wipp geht jetzt daher | als wann er aller Pfinnig
wer I er ticht und trachtet Tag vnd Nacht | was er weiter anfang yud
macht [ Der Kippe de Wipp geht jetzt daher | als wann ein Dieb beim
Galgen wer.
Der Kipper de Wipp wann er geht dar | för Ehrliehe Leut wird
Bchamrott gar | weil auff der Gassen die kleinen Kind ] seiner Scbelroen-
stück seind worden feiud ] der Kipper de Wipp wann er gebt dar | hat
jhn der Teuffei bey dem har.
Hör Kippe Wipp | Friß | Sauff vnd Spiel | baw grosse Heuser
wie du wilt | dann dortten wird gar nichts mehr darauß | der Teuffei
macht dir dein gar auß | hör Kippe de Wipp | Friß | Saufl' vnd Spiel |
du hast Kipt nach deB Teuffels will.
Den Kippe de Wipp thut klagen an | auch ja der Arme Bettler>
Mann I weil er die Silberne Pfennig genommen | vnd lassen darliir
Kupffer kommen | den Kippe de Wipp thuii klagen an | viel ai-mcr Leut
wol auff dem plan.
Vnd schelten jhn ein argen Dieb 1 weil er sie hat so hoch
betrübt I mit seim SchehnenslOck gefangen an | das manch ehrlich
Mann muss bettlen gähn \ hSr Kippe de Wipp das lob voran | bekompst
du von dem Armen Mann.
Vnd auch noch gr5sser lob voran | bekompst du von dem Hand-
weroks Mann | der nent dich ein Dieb ausserkohra | vnd wflnscht das
dich der TeufTel sol bellen | hör Kippe de Wipp groß lob vnran | be-
kompBtu hier von jederman.
KIPPBB- Din> WIPPKB-LIED 65
Kippe de Wipp | Witwen vnd Weisen jetzund | die scheltten dich
von hertzen gmnd | vnd heissen dich ein Ehrendieb | weil du jhn stilst
was jhnen ist lieb | hör Kippe Wipp diß Lob zugegen | das thut dir
Witwen vnd Weisen geben.
Hör Kippe de Wipp ja jederman | der wünscht dir dieses auff
dem plan | weil du betrogen die gantze Welt | mit deinem schlimmen
Knpffem Gelt I hör Kippe de Wipp | ja jederman | der wünscht dir die-
ses auff dem plan.
Hör Kippe de Wipp | wann du nicht thust | in deim hertzen
rechtschaffne Büß | so wünscht man dir das Höllisch Fewr | weil du
mit deim Gelt die Welt gemacht jrr | hör Kippe de Wipp wann du
nicht thust | in dem hertzen rechtschaffne Büß.
Vnd vom Kippen nicht wilt abstahn | so gibt dir der Teuffei den
lohn I vnd thust alle Warnung gantz verachten | wilt dein Seligkeit
nicht betrachten | hör Kippe de Wipp wilt nicht abstahn | von deim
Kippen vnd Wippen lahn.
Darumb Kippe de Wipp hab kein Verdruß | das Lied vermahnet
dich zur Büß | das du wollest von Sünden lahn | deins Kippens und
Wippens müßig stahn | hör Kippe de Wipp hab kein verdruß | das
Lied ermahnet dich zur Büß.
O Kippe de Wipp stehe ab von Sünden | sonst wirst du Gottes
straff entpfinden | Dann er ist ein gerechter Gott | der Böses nicht ohn
gestraffet lat | darumb Kippe de Wipp stehe ab von Sünden | hiermit
will ich diß Lied thun enden.
Vnd dir das schencken zu guter nacht | biß das es ein anderer
besser macht | bitt weist hierüber gar nicht zörnen | vnd oins mit frou-
den mit mir hörnen | hör Kippe de Wipp zu guter nacht | schenck ich
dir das Lied | es wohl betracht.
ENDE.
Auf der landesbibliothek zu Oldenburg, in einem sammelbande,
Lndicra betitelt.
Dieses lied fehlt in den samlungen der lieder des dreissigjährigen
kri^es von Weller, Opel und Freiherrn von Ditfurth und ist auch in
Wellers bibliographie nicht aufgeführt.
OLDENBUBG. A. LÜBBEN.
■4n PHILOLOOIB. BD. XY. 5
zu WÄLTHERS VOKALSPIEL.
Dnrüber ist man jezt wol einig, dasa in t. 29 des Waltherschon
Vokalspiela fQr das von Lachmann ans der baudHcbrift A in don text
genommene ein s& mit C lSnaü za leaon sei , aber über die erklämng
diosea und dos folgenden veraes gehen die ansiebten weit auseinander.
B. Bechstein hat die lezteren in seinem Germ. 15, a. 434 fgg. veröffent-
lichten aufaatze znsammengestolt und einer kritischen besprechung
unterzogen.
Ich stimme mit meinem verehrten lehrer darin Qberein, dasB man
mit hilfe der von Wilmanns in seiner ausgäbe b. 237 anm. beigebrach-
ten stelle (Iw. 2813 fgg.) v. 29 unseres liedes überHetzeu könne: „ich
hin verphilistert , verbauert wie Eaau," ich bin damit völlig einverstan-
den, dasB nach dieser mir allein möglich scheinenden auffassung des
29. verses im folgenden nicht har gelesen werden dflrfe: aber mit der
coDJectur Ml Iflr har scheint Bechstein seinerseits mir das riohtäge
nicht getroffen /.n baben.
„Der dichter will sagen, daäs er, der ehemals ein glatter Jakob
gewesen, zu einem rauhen Esau geworden sei" (Bechstein n. a. o.
s. 445). Gewiss will er das! Aber wenn er dies mit den worten aus-
gesprochen hätte: fntn sieht Auf ist mir worden r&, so dörfte or der
credulitas seiner Zeitgenossen doch wol ein wenig zu viel zugetraut
haben. Der vergleich mit Esau würde allerdings volkommen stimmen;
der älteste söhn des Isaak war ja, wie sich aus der bekleidung von
hals und bänden Jakobs mit feiles von böckletu und aus Üen. 35, ib
(der erste, der herauskam , war rötlich, ganz rauh, wie ein feil) ergibt,
am ganzen leibe behaart. Allein so ein Esau wird man doch in nnserm
klimn nicht während eines winters, mag derselbe noch so lang, noch
so unfreundlich sein. Wenn Bechstein, wol infolge einer ähnlichen
orwägung, nun aber meint, der dichter wolle mit den worten: min
sieht hiU ist mir worden rü nur sagen, er habe sich während das win-'
ters einen hart stehen lassen , so scheint mir das eher ein witz als eina!
erkUrung zu sein. In dem falle könt« man freund Walther mit recht
entgegenhalten, dass nicht der verruchte wlnter, sondern eigene oaoh-
lässigkeit die ähnlichkeit mit dem eratgebarncn Isaaks urzengt habe.
Bechstein ist von dieser seiner erkläruug auch selbst nicht sehr
erbaut; er meint, eine so recht chnrukteristische wintersnrga wftr«
damit nicht ausgedrückt, dass der arme gefangene dichter bärtig gewor-
den sei und sich so nicht in guter geaelschaft habe sehen la.>)seti kQi
nen (a. a. o. s. 447). Daher nimt der Urheber der conjectur fi
zu WALTHBBa VOKALSPIEL 67
einer aDdem erklärung seine zufluclit; er gibt den sinn der beiden
Yerse, mit denen wir es hier zu tun haben, so wider: ^ich bin zu
einem Esau geworden. Meine glatte haut ist mir rauh geworden wie
dem Esau ; er war rauh an band und wange , ich bin es auch , ich habe
infolge der kälte aufgesprungene haut bekommen'^ (a. a. o. s. 447).
Das ist überraschend kühn. Mir wenigstens scheint es absurd
zu denken, dass ein mensch mit aufgesprungenen bänden und wangen
sich mit Esau verglichen hätte. Da hätten doch wol andere vergleiche
viel näher gelegen, vorausgesezt , dass man unter dem druck solcher
leiden, die zum glück bei uns zu lande ein winter selten in dieser
Yolständigkeit zur folge hat, noch an vergleiche und dichten denkt.
Überdies muss Bechstein, um seine erklärung aufrecht erhalten zu kön-
nen, annehmen, dass die lesart verlegen v. 29 unsicher sei, was er
wenigstens (a. a. o. s. 446) nicht bewiesen hat.
Mag daher har und hüt in der schrift des 12./13. Jahrhunderts
auch noch so ähnlich sein (vgl. Bechstein a. a. o. s. 445), ich glaube,
wir dürfen Bechsteins haut getrost zu grabe tragen.
Vielleicht gelingt es mir, im folgenden etwas besseres zu bieten.
Es wird nötig sein, das ganze lied in betracht zu ziehen.
Man hat sich bemüht , unserm gedichte eine Überschrift zu geben.
Wenn ich von den bezeichnungen vokalspiel und reimspiel, welche
lediglich der form des liedes ihre entstehung verdanken, absehe, so
findet sich, vom Inhalte hergenommen, bei Pfeiffer die Überschrift
wintersüberdruss, bei Wilmanns winterklage. Man könte auch
noch wintersorgen oder sommersehnsucht vorschlagen, aber keine
dieser Überschriften würde begreiflicher weise den Inhalt unseres gedich-
tes genau angeben.
Das lied Diu weit was gdf^ rot unde hlä ist, wie jeder einsieht,
im winter verfassi Der dichter sagt : „waldesgrün und vogelsang sind
Terschwunden (v. 1 — 7) , blumen und klee sind nicht mehr da (v. 8 —
11), die lust des schapelbrechens ist vorbei (v. 12 — 14); drei winter-
Boigen quälen mich, nur der sonmier kann mich von ihnen befreien
(t. 16 — 21); ich verzehrte lieber den krebs roh, ehe ich lange so
fortlebte; sommer, komm wider mit deinen herzerquickenden freuden,
die der winter vernichtet hat (v. 22 — 28); ich bin verbauert wie Esau;
mn jeden preis möchte ich von der fessel des leidigen winters frei sein^
(t. 29 — 35).
Mitten im liede stehen die werte: der wintersorge hän ich dri.
Bieser vers hat mancherlei kopfzerbrechen und viele, wie mir scheint^
'lehe erklärungen hervorgerufen. Die Umschreibung Pfeiffers und die
% Ton Wilmanns sind von Bechstein (a. a. o. s. 436 fgg.) mit
5*
gniiid zurQckgßvnesen wordea, Der dicbter will weiter niohts sagen
als: ^idi habet drei winteraorgeu." Es ist splb^tverstüudlich , daas Wal-
tlier uns dieselben in seinera liede mitgoteilt haben musa. Aber wo?
ßochstein sucht sie in den beiden lezteii Strophen. Hören wir seine
eigenen worte. „In den beiden lezten atrophen sind die drei winter-
Borgen nicht besonders aufgeführt, wol aber angedeutet. Zuerst ist
von der kost die rede. Im winter gibt es wenig und nichts gutes zu
esaeo, darum den krebs tvolt ich e eZEini rö" (a. a. o. s. 447). Ich
denke, wir können hier abbrechen. Wer so etwas aus den warten
£ danne ick lange lebt <dsö,
den hrchz wuU ich & eeeen rö
heransinterpretiert , wird sicher in der auflindung der andern winter-
sorgen nicht glücklicher sein. Dass Bochstein das nicht war, wird
jeder finden, der die auseinandersetKung Germ. 15, b. 447 mit aufmerk-
aamkeit und urteil liest.
Mir seheint der dichter seine winteraorgen gleich in den ersten
Strophen ganz klar ausgesprochen zu haben: fQr vogelsang ini waldes-
grön hat er das geschrei der nebelkräbe eingetauscht (v. 1 — 7), blu-
mou und klee auf dem hflgel am see sind nicht mehr (r. 8 — 11), die
iieude des schapelbrechens ist zu ende (v. 12 — 14). Ich flndo, deut-
licher als durch diese drei stocke, die Walther schmerzlich vermisst
und welche man im anschluss an einen ansdruck des 11. verses Ohren-
schmaus, augenweide und minnelnst nennen kSnte, können die
drei wintersorgon nicht angegeben sein. Somit ISlt für mich die nöti-
gung weg , im 30. vorae einen bedanken zu suchen , welcher auf auf-
gesprungene hande und wangen fiihrt. Ja, wenn wirklich etwas dort
stünde, das eine derartige erklärung nahe legte, etwa Bechsteins hüt,
so wQrde ich kein bedenken tragen, den vers für verderbt zu halten.
Denn der dichter spricht, wie überall in den liedem, in denen er sei-
nem winterQberdruss worte leibt, in unsenii ganzen gedieht nur ¥0n
den sorgen, welche sein herz infolge des bösen winters quälen. So
müssen wir auch in v. 30 einen gedanken haben, welcher wie das ganze
gedieht sich auf den gemütazustand des dichters bezieht. Ich mOcbte
daher vorschlagen fDr har zu lesen das {min sieht das ist mir worden
rü), 80 dass der sinn dieser wäre: ^ich bin verj>hiUstsrt wie Esan;
was glatt an mir war. das ist rauh geworden," Dass aber die worte
sleiit und rii in dieser übertragenen bedeutung gebraucht wurden, wie
ja noch heutzutage . dafür liefert uns der vorlezte vers ' des vokal-
spiels , in welchem Ulrich von Slngenberg das lied Walthers parodierte,
den besten beweis.
1) nln »Mt itt oU« mordtn ri.
ZV WALTHSB8 YOKALSPTEL 69
Bechstein sagt (a. a. o. s. 436) ganz richtig, dass uns diese paio-
dien in einzelnen föllen eine stütze gewähren für die wähl und die
erUänmg des Waltherschen textes. Für unsem zweck genügt es,
Ulrichs gedieht in dieser hinsieht allein in betracht zu ziehen.
Wenn wir das lied Sol ich midi rihten nach dem ä genau durch-
lesen, so finden wir anklänge an Walther freilich überall, aber an
einigen stellen treten dieselben mehr hervor, an andern weniger. Das
merkwürdigste ist aber, dass uns immer ein vers einer jeden strophe
der parodie ganz besonders an eine zeile der entsprechenden strophe
des Vorbildes erinnert
Vgl. parodie v. 4 mit Walthers vokalspiel v. 4
55 55 55 1^ 55 55 55 55 •*• •
55 55 55 " 55 55 55 55 ^ •
55 55 55 *'* 55 55 55 55 «'^*
Hiernach dürfte der vers min sieht ist dUez worden rü nicht ganz
ungeeignet sein unsere Vermutung , zu der mx schon auf anderem wege
gelangt sind, zu bestätigen.
LÜBECK, IM JUNI 1882. HEINRICn QISKE.
MUSPILLI.
Wenn man einen blick wirft in die verschiedenen lesungen des
Muspilli, die ja bequem zusammengestelt sich in Müllenhoff- Scherers
denkmälem sowie in Vetters ausgäbe vorfinden, wenn man beispiels-
weise Schmellers erste und zweite lesung , mit beiden wider Massmanns
und Haupts angaben, und endlich gar Docens erste lesung mit ihren
vielfachen bleistift- und tinte-correcturen, vergleicht, so kann man
sich in anbetracht der wesentlichen abweichungen bei den einzelnen
eines gefühls peinlicher Unsicherheit nicht enthalten, und man fragt
sich oft: wo hört die lesung auf und wo fängt die conjectur an? Es
ist ja eine grosse gefahr beim lesen alter handschriften , die jeder ken-
nen wird, der verderbte Codices gebraucht hat, entweder blos dem
äuge zu trauen und mechanisch die Schimmer nachzuahmen, die aus
dem dunkel des reagenzgeschwärzten pergaments noch hervortreten,
oder verstand und phantasie ergänzend wirken zu lassen und sich zu
1) mtn sieht ist aUez worden ru,
2) min sieht daz ist mir worden ru nach unserer hcrstellnng.
70 PIPER
freuen, wenn man etwa die markanten züge eines 1, h, g n. a. da
glaubt hervortreten zu sehn, wo man sie erwartet hatte. Der ersten
gefahr ist Docen bei lesung unsers denkmals unterlegen; der zweiten
scheint Seh melier nicht entgangen zu sein. Eine handschrift kann
nur der richtig lesen, welcher weiss, was dagestanden haben muss,
sagt Lachmann richtig. Aber diese regel dürfte für Muspilli schwer
zu gebrauchen sein, da hier jene bedingung unerfülbar ist. So habe
ich es denn unternommen, trotz des fleisses meiner Vorgänger und
obgleich eine handschrift mit der zeit bekantlich inmier schlechter,
nicht besser wird, das original von neuem zu vergleichen. Zunächst
wolte ich für meine zwecke genau feststellen , was wirklich noch erken-
bar ist, für wieviele buchstaben die lücken ungefähr reichen möchten
und welches die einrichtung des bandes war. Es kostete vielfach ent-
sagung, da nichts lesen zu können, wo meine Vorgänger noch lesen
konten oder zu lesen glaubten, aber ich wolte vor allem eine sichere
grundlage von tatsächlichem, und auf grund dieses vorberichts wird
man es vielleicht nicht unnütz finden, wenn ich den folgenden neuen
textabdruck hier gebe:
S. 61* fintac pi. queme. dazer touuanfcal
uuantafar. fofihdiu fela inden find
arheuit. enti fidenlihhamun likkan
lazzit. fquimit. einheri. fona himil
5 zungalon. daz. andar. fona pehhe
dar pagant. siu umpi. S^^g^^
mac diu. fela unzi diu suonaar
get. zauue deremO heri e fi gi ha
lot uerde, unanta. ipu fia daz sata
10 nazfel /////ifindi. kuuinnit. daz leitit fia
far dar iru. leid uuir dit in fiiir enti : : :
finltri. daz. ii ftretuirinlih ding.
upi. fia hauar kihalontdie die dar
fona himile quemant enti fi dero
15 engilo eigan. uuirdit. die pringent f |
far. ufin. himilorihi. dariift lip anotod
lihot ano. finfti. felida ano forgun. a : :
neoman fiuh , denne derman in par : :
S. 61» z. 7 suonaar gleicht einem u, ist aber die bekante zweite form des a.
8 deremO ist anf einen andern buehstaben aufgeschrieben. 9 tata verwiadit
12 Am Schlüsse drei ausgewischte buchstaben. 15 die pringent undeatlioh.
16 Das lezto d scheint mir noch deutlich. 17 Am Schlüsse räum ftr höchsteiis
zwei buchstaben.
KÜSFILLI 71
fu. puki. uuiimit. hus inhimile. dar
20 quimit imoliilfa. kinuok. pi diu::
mihhil. alero. mano uuelUiemo.
S. 119*" daz in. ef finmuot. kifpane
dazer kotef. uuillnii. kernotuo.
enti. hellafair, harte, uuife,
pehhef. pinadar piutit. der fatanaz,
15 altüt. heizzan. laue, fomachackan : ,
S. 120* ACCIPE SUMME PUER
?AKUU HLUDOUUICE LIBELLÜ (1 z. leer)
QUEM TIBI DEUOTUS
5 OPTULIT EN FAMULUS (1 z. leer)
SCILICET INDIGNUS lUUA
UENSIS PASTOR OUILIS. (1 z. leer)
10 DICTUS ADALRAMMUS
SERUULUS IPSE TUUS.
zadiu. forgeu drato der. fih. suntigan
uueizy uue demo. in uinitrifcal fino,
uirinaituen; prinnan. in phhe dazift
15 rehto. paluuic dink, daz der man
haret zegote enti imo. hilfa niquimit
S. 120^ uuanit füi. kinadadiu uuenac fela
niüt in kihuctinhimi. liTkin gote
uuanta. hiar. in aueroltiafter niuuer
kota, godenne. der mahti go khuninc
5 daz mhal. kipannit. dara. fcal quemanchün
no kilihaz. denne. ni kitar parnonohhein
den pan furi fizzan. nialero manno nelih
ze demo mbale. fcolL Dar fcal. er nuorademo rihc
cheaz. rahhn. Itantan. pidazer inuuerolti ///////
10 kiuer kothap&a, Daz hör tih. rahhon. dia une
roltreht uuifon. daz. fculider. anti chrütomit
eliafe pagan der unarchist. Muuafanit. den ne
uurdit. uuntar. in uuhc. arhapan. khen. funfi
S. 61% 19 dar meine ich noch zu erkennen. 20 Den schlass kann ich
nicht anders lesen. S. 120% 12 Den schluss kann ich nicht anders lesen.
16 haret (nicht har&); t ist nicht an e herangerückt. 120% 8 ma^ale der lezte
strich des a fält mit dem schaftstrich des h zasammen , so dass entweder eine yer-
schreihnng vorliegt, oder, was weniger wahrscheinlich, a später eingeschoben ist;
ebenso z. 10 in kotoAap&a, 11 christo matt. 13 Ans nahe, ist anic.
gemacht, indem der zweite zug des h von oben nach unten durchstrichen.
72 PIPER
fo kreftic diu kofa. ift. fomihhil. heliaf. ftritit
15 piden. heuigon lip. uuili den. reht. kernon. daz
daz rihhi kiitar. kan: pidiu fcal imo hei fan der
himilef. Muualtit. der anti chrifto. Aet pide
mo altfiante. ftet pidemo. latanafe. der inan
uar fenkan caL pidio. fcaler inderuuc
20 ////////eti uunt pmallaenti indomofinde, figa
lof uuerdan; Doh nuanit. def unla gotman
DO. daz hliaf indemo nuige. aruuafeni:
S. 121* : : : : z hliafef pluot inerda kitriufit
: 0 in prinnandieperga poom nikiftentit.
: ni hcinerdn. aha ar trnknnetmnor uar
ruuilhit fih foilizot. lougiu. der himil
5 mano. uallit. prinnitmit tilagart.
llen ni kiften titeikin erdu; uerit denne
Ituatago inlant. uerit mit diu uuir uur
ho uuifon; X)ar nimac den nema kandremo
hclfan. uora demomufpille. denne. daz
10 preita uuafal allaz uar prinnit. enti uugr
enti luftizallaz arfurpit. uuari ift. denne
diu marha dar mandar heo. mit finen ma
gon pi ehe; D^^ marha ift farprunnan.:
fela ft&pidungan niuiz mit uuiu puaze
15 faieurit. fi zauuze; pidiu ift demanne fo
guot denner. ze demo mahale quimit daz
cr.rahono ueliha reto arteile; Dene ni darf
er for gen. dene er ze der ufuonu quim/////
/////t. ni ueiz der uuenago man uuielihan uan
20 til er hab&. denner mit den miaton mar
it dz reta ; j)2LziQT. tiuual. darpi kitar : : : ft : : |
:r hap & in ruouu rahono. ueliha. daz der man/////ent:fi
: pilef kifrumita daz. eriz. allaz kifaget denne. er
ze fuonuquimit; m fcolta. fid man nohhein miatu:,
S. 121** : : : : . er d ::::::: m :: : dzer : : : : :
: : : daz. Ten : : . manne nohhein miatun intfaan. So : : :
milifc. hörn kilutit uir dit enti Ah der fuanari in
S. 120 **, 14 ko/a . j^leicht einem r 16 Doppelpunkt hinter kan 20 uunt
nndeutlicb. 22 Die vier lezten buchstaben möchte ich als rtit nicht vertreten.
S. 121*, 17 dar/* spur davon noch deutlich 18 quim ist mir nicht sicher,
ebenso 19. 20 uantü S. 121^, 1 Nur bei den angegebenen buchstaben habe ich
keinen zweifei gehegt; die übrigen sind zu sehr durch den schnitt beschädigt
MÜSPILLI 73
find arheuit; der dar fuonnan fcal toten, enti lepenten.
5 Denne heult fili mit imo heriomeiita daz ift allaz fo pald
daz imo nio man kipgan nimak. Denne nerit er:ede |
mahalfteti dem dar kimarchot ilt dar uuirdit diu.
:: a dia man dar hio fageta; Denne uurant engilauperd:
marha uuechant deota. uuüTant zedinge. denne fc: |
10 manogilili /////ona dem moltu aritenloITan. fih ardem le:
uazzon. fcal imo hauar fin lip pique man daz er fin reto
allaz Mrahhon muozzi enti imo after finen tatin ar : :
: : : erde ; Denne der gilizzit der dar fuonnan fcal.
enti arteillan fcal. toten enti quek khen; Denne Aet
15 dar umpi engilomenigi guotero gomono gari ift fomih
: : dara quimit. zedem rihtungu fo uilo dia dara : : |
f: : aftent. fo dar manno noUiein uit pimidan ni mak
::aL denne. hant. fprehhan. houpit Tagen allero::
uelih unziin den luzigun uiger. uaz er untar
20 : : : : : mannun mordef kifumita ; J)W[ niif heo so lifti : li
man. der dar hi ouuiht. arliugan ; megi ; daz erkita : |
: : : gi ; tato dehheina niz al fora domo kunin : :
::::::: uuerde uzzan er iz mit alamulanu furi
: : : : . enti mit faftun dio uurina ki puazti ; Denne : |
25 t . der gipüzzit. ap&. Denner zedera : : :
: : : : : uurdit denne furi kitragan daz frono ehr : |
: : dar der heligo chrift. ana arhangan uuard
dio mafun. dio er in dem men : : : :
: : : : : dio er dumh defie mancunnef minna.
S. 121 ^ 16 äara zweifelhaft;, uilo der zweite strich des o ist doppelt, so
dass es einem griechischen a> oder der bekanten oebenform des m gleicht 17 uit
es ist h eingeschrieben, so dass der schaft desselben mit dem i, der zweite teil
mit dem t verschmilzt 19 nnzan?
Die äussere einrichtung der handschrift gestattet noch manche
Schlüsse, die, soweit mir bekant, in dieser form noch nicht gezogen
sind. Als Cimelium 21, IX sind in München die stücke ausgelegt,
welche das Muspilli enthalten. Natürlich sind die lagen nicht geschie-
den. Es gehört zum Cimelium 1) bl. 61 — 67, also ein quaternio,
denn blatt61 ist doppelt gezählt; 2) bl. 116 — 121, also eine läge von
drei doppelblättem , der schluss des ganzen codex. Die dazwischen-
liegenden blätter 68 — 115, d. h. sechs quaternionen, finden sich im
CL 14098. Haben wir also in den beiden lagen des Cimelium den
anftng und den schluss des Augustinuscodex vor uns, so ist Schmel-
ters Hcbluss sicher, dass ndinlich auf den deckein des codei der uirang
und HchluHH Am deutüclioii stQckes staiiden, da ja aucli die Qbriguu
teile des lexleron auf den lecreu blättern vom atifaiig bis jwai Schlüsse
des codex in coutinuierlichem zuBainmouhauge steha. De-m kouil noch
eine urffUgnng- Der Senno l'ci AvgvstiNi. (das lozto i ist durch das
vorberfjohoudo n ffPüOKen) Da Tymbülo coutra Ivdaeof., wie der titel
des buclios lautet, ist auf s. 61'- ■• Ol*" Cl*- '■ 62' 62'' usf. bis s. 119''
z. 10 in je vierzehn seilen auf der seite geschrieben; es sind also för
das deutaeho atflck loer geblieben h. Gl'-' (21 z.), der rest von s, 119'
(& z.), dor rest der die Widmung in angegebener weise tragenden
B. 120- (5 z.), s. lao' (22 lt.). 121* (24 z.J, 121" (28 z.). Wir sehen
ulxo ven v<>rn nach hinten ein zunehmen der Zeilenzahl auf den Seiten
des deutHchen stUcka, wie auch der Schreiber almäblich immer mehr
Worte auf die zeile presRt, Daraus ist ku schliessen: l) dass er hoffte,
för den fest des ganzen stOckes noch genflgenden räum auf dem hin-
terdeckel des bnchs zn flndeu; 2) dass der fehlende anfang des Stückes
keinenfals in mehr als 21 zetlen gescbrieben war und keinenfals mehr
enthielt, als auf s. 61''" steht; doch auch nicht viel weniger; jeden-
fals ist Keussiiors crgäuzung desselben wissenschaftlich wertlos; 3)
dass der fohleude »chlnss wahrsdioinlicb in mehr Zeilen geschrieben
uud langer war, als der iuhalt von a. 12I^ Über den Inhalt des ver-
lornen anfange» und sublusses lassen sich nur luutmassuugen geben.
.Tedenfidü ist sicher, dass MuüpilU nicht ein bruchstfick eines grossen
^lüsrhen gi'dichtes ist, sondern dass vielmehr der tnhalt des uns erhalt-
no» Ktitekcs, die lehre von den lezten dingen, sich mit dem des gan-
zen der hauptsache nach deckt Derartige eptsodeuhafte darstellnn^n,
die aus dem gebiete der evangelischen geschichte oder der christlichen
lehre gegriffen waren, finden sich aach sonst, wie wir ja auch bei der
famariteriu keinen grnnd haben zu der annähme , es sei ein teil eines
gr4\ssereii biblischen epos. Besonders aber scheint die lehre vom jüug-
sten gericht beüi^bt gewesen zu sein, als inhalt solcher kürzeren dar-
stellungen. ich erinnere an Ileda de die iudicÜ, und aucb Otfrids dar-
Stellung vom jfliigsten gericht bildete UTSprflnglich ein ganres für sich,
wie ich gezeigt habe (Otfrid , einl. 8. 26i fg.). Aber sollen wir die ans
fiberlieferte fassung des gedieht« als der hauptsoche nach ursprüagüdi
ansehn ? Sehen wir la, welche lüUsmiltcI uns d^r tu geböte st^bn.
Die theologisehe, er. mythologische Untersuchung <>rgibt in bezog
auf die Xussere grstaltnng des gedichta oiebt eihebliche resolute. Zwar
ist es der ODteraichoig Zarockes gelungen, die charakt«rifittschcB
lOge als in d«r chrisUklH« sag« begründet danolegcn, aber ein ihn-
\ liohcs eH^aMogiMhw w«rt alt qttdit Ar «BMr gvdk^t ist bialwr
MTJSPILLI 75
nicht gefaudeu, in welchem etwa der gedankengang des Mnspilli sich
wider vorfände und seine erklärung erhielte, und aus dem anfang und
schluss ergänzt werden könten. Aber yielleicM ist eine solche quelle
gar nicht vorhanden gewesen, und der dichter schaltete in freierer,
genialer weise über den ihm vom christlichen mythus suppeditierten
stoflf? Dann träte die ästhetische kritik dem gedieht gegenüber in ihr
recht, von welcher sogleich die rede sein soll. Sicher ist jedenfals,
wie auch Zamcke und Vetter einräumen, dass gewisse punkte übrig
bleiben, in denen sich die ideen unsres gedichts nicht mehr mit älte-
ren quellen belegen lassen. Aber die könten zutat des dichters sein.
Die theologische Untersuchung wird also für constituierung des textes
von geringem ^erte sein. Wichtiger wird die metrische betrachtung
sein. Zwar wird ein bestimtes muster des allitterierenden verses nicht
a priori als zu gründe liegend angenommen werden dürfen, denn ob
ein solches existiert hat, wissen wir nicht, können es nicht einmal für
die sprachen des eigentlichen Deutschlands, geschweige denn für sämt-
liche germanische sprachen nachweisen. Es scheint ja, besonders was
die hinzufügung von Senkungen und die Stellung der stUbe betrifb,
grosse Verschiedenheit in den einzelnen dialekten und denkmälem
bestanden zu haben. Der vers des Muspilli muss eben seine regeln
aus sich selber hergeben. Aus diesem gründe habe ich mich mit einer
anzahl von Müllenhof fs änderungen nicht befreunden können, aber
noch weniger mit vielen von Vetter auf grund seiner neuen theorie
empfohlenen emendationen. Zuzugeben ist freilich, wie gleich gezeigt
werden wird, dass die uns überlieferte gestalt des Muspilli etwa um
ein menschenalter später niedergeschrieben, als entstanden ist; allein
da wir nicht mit Sicherheit die ältere form des allitterierenden verses
feststellen können, wird uns diese erwägung nutzbiingend nicht sein
können. Wo sich freilich eine änderung noch zugleich aus einem anderen
gesichtspunkte empfiehlt, werden wir dieselbe unbedenklich annehmen
können, besonders, wenn die erklärung der entstehungsweise des über-
lieferten textes keine Schwierigkeit macht. Dies ist z. b. die von
Bartsch und Müllenhoff für verschiedne stellen empfohlene weglas-
sung des artikels , da diese zugleich der spräche des ausgehenden achten
Jahrhunderts mehr entspricht; sowie die weglassung einzelner flickwör-
ter, deren Vorhandensein im ursprünglichen texte aus ästhetischen grün-
den nicht wahrscheinlich ist. Was auf diesem wege im verse geändert
wird, gibt uns dann einen wink für die ältere gestaltung desselben.
Fehlen der allitteration wird uns eine lücke in der Überlieferung, ev.
spätere zutat erkennen lassen. Wenn zugleich der endreim hinzutritt,
so wird dadurch die spätere hinzufügung wahrscheinlich werden. Was
die imtiahme von slroplieu in dem stuoke angeht, so wird dieselbe kui-
neii grössoreii wert beanapiucben können , als höchstens den einer geist-
reichen hypotbese. Wur sagt ims, duss die strophische einteilung Aar
iillitterierendeu lUchtmig eigentttinlicb war? Der Heiland spricht sogar
dagegen, und angenommen, es würde mit Sicherheit ein strophisch
gegliedertes allitterierendea gedieht nachgewiesen, wer beweist es, dass
auch Muspilli ein solches ist? Solclie behaoptungeu müssen durch
innere gründe erwiesen werden, anaJogien reichen nicht ans. Und was
W- Müller für seinen versuch einer strophischen gliederung anführt,
dass nftmlich nach je vier versen zugleich eine pause im sinne eintritt,
ist, ganz abgesehen von der durch Um zur hilfe genommenen ansetzung
von lacken, kein beweis. Warum nimt er nicht zweieeilige Strophen
an nach art der SamaritenaV warum nicht achtzeilige? diese sind
ebenso gut durchzuführen. Worauf beruht es , dasa das Hildebrandalied
Strophen von drei, Muspilli solche von vier versen haben soll? Aus
denselben gründen ist natürlich auch Vetters strophenteilung zu ver-
werfen. Nun ki'mte man die im manuscript gesezten grossen anfangs-
buchstaben ah anzeichen einer strophischen gliederung ansehen ; aber
durch sie erhält man weit l&ngere , neun - , zehn - und eifzoilige
abschnitte, und wenn man da eine gleichmässigkeit hineinbringen wolte,
mflste man mit athetierungen imd annähme von lOcken arg wirtschaf-
ten. AuftUUig sind die grossen anfangsbuchstaben im texte allerdings,
besonders die unter die zeile reichenden , und ich habe viel darüber
nachgedacht, ohne indes zu einem resultate zu gelangen. Ergebnis-
reicher ist die sprachliche Untersuchung. Sie zeigt uns mit Sicher-
heit, dass das gedieht früher entstunden ist als in der zeit, aus der
die handschrift stamt. Bartsch bat auf altertümliche formen und
Worte desselben aufmerksam gemacht, und auch die allitteratiou scheint
hier und da auf ältere wortantänge zu führen. Wenn also die sonstige
betrachtung einen anhält dafür ergibt, wann man sich das gedieht
entstanden zu denken hat, so wird es richtig sein, mit vorsieht die
sicheren formeu dieser ültereii spräche widerherzuatellen. Freilich kOute
vielleicht in dieses verfahren durch iufragestellung dos ursprünglichen
dialekts des denkmals einige Unsicherheit gebracht wurden; allein es
ist nicht wahrscheinlich, dass dieses denkuial, das jezt den bairiseben
dialekt zeigt, eine planmässige Umarbeitung etwa eines älteren frfin-
kischen sei. Von grosser und grundlegender bedentung ist die Unter-
suchung und betrachtung der gestaltung des überlieferten tex-
tes. Dass er diese ausser acht gelassen hat bei seiner textrecenaioo,
ist der haupteinwan J , der gegen Wilken zu erheben ist. Er hKtte
z. b., wenn er die Überlieferung im äuge gehabt h&tt«, nimmormehr
MÜ8PILLI 77
den ersten vers sin tac piqueme usw. an einer anderen stelle des
gedichts einfügen können. Der text ist gleichmässig von ^iner band
geschrieben, zu 6iner zeit. Nachträge sind nicbt gemacht, correcturen
nur von erster band. Es liegen keinerlei anzeicben vor, welche darauf
schliessen lassen, dass das vorliegende stück eine abschrift sei aus
einem älteren geschriebnen stücke, etwa gar ein excerpt. Die wider-
holung in bs. s. 121**, 2 beweist vielmehr dagegen. Denn wäre diese,
wie man gemeint hat, ein fehler beim anfang der neuen seite durch
widerholung des bereits geschriebenen entstanden, so müsie auch das
vorhergehende stimmen, aber dagegen sprechen übereinstimmend alle
lesungen des anfangs dieser seite. Vielmehr ist diese widerholung ganz
anders zu erklären, wie wir gleich sehen werden. Dialektmischungen
finden sich ebenfals nicht, die so oft abschriften charakterisieren, end-
lich auch nicht jene art der ungenauigkeiten , die nur dem abschreiber
passieren kann und die nach dem von mir in der einleitung zum Otfrid
s. 80 aufgestelten grundsatze so unzweideutig zu erkennen sind. Um
es gleich auszusprechen: wir haben hier eine aufzeichnung aus dem
gedächtnisse vor uns, ausgeführt von einer des Schreibens ungewohn-
ten, orthographisch nicht geschulten band. Sehr ansprechend ist
Schmellers Vermutung, Ludwig der Deutsche selbst habe diese eintra-
gung volzogen. Da er nun das buch von Adalram schwerlich vor 826
erhielt, wo er nach Dümmler I s. 27 in nähere beziehung als fürst
zu Baiem trat (daher das „seruulus" zu erklären), und wo er etwa
21 jähre alt war (Dümmler I s. 19), mithin mit recht noch als
erhabner jüngling von dem alten Adalram (f 833) bezeichnet werden
konte; so könte man etwa denken, er habe eine ihm aus der jugend,
vom hofe Karls d. Gr. her, dessen liebling er war (Dummlerl s. 20)
und der die heimische dichtung schäzte und pflegte, bekante dichtung,
soweit sie ihm erinnerlich war, hier aufgezeichnet. Er könte das dann
etwa im anfang der vierziger jähre getan haben, wo er, der in seiner
Jugend doch fränkisch, jedenfals nicht bairisch gesprochen hat, zeit
gehabt hatte, den dialekt seiner neuen heimat zu erlernen und wo die
bruderkriege ihm diese reminiscenz besonders nahe legten. Nicht
bedeutungslos halte ich in dieser hinsieht die offenbar, wie Bartsch
zuerst gezeigt, (Peifaliks priorität ist zweifelhaft) später eingeschob-
nen verse mit dem endreim: vielleicht eine reuevolle erinnerung an die
Schlacht vonFontenoy, den 25. juni 841, der vorzubeugen Ludwig ver-
gebens getrachtet hatte und die den mitlebenden als ein grauenvolles
gemetzel von mitbürgem und mitchristen galt (Dümmler I , s. 154
anm. 65). Aber wer auch der Schreiber sein mag, sicher scheint, dass
ihn sein gedächtnis bis in die zeit Karls d. Gr. zurückfahren muste,
Kr alao schweilich den teit lauge nach S40 niedergeacfariebon hat,
wenn sohou gewisse anzeicheu der Sprache nicht gestatten, ihn vor
dieses jähr zu setzen. SchtiesBlich komt bei einor neuen recension die
ästhetische Würdigung des testes in betracht, und da muss ich
CS von vornherein aussprechen, dass die vun Bartsch zuerst gefund-
nen abschnitte jedem unbefangen und natürlich urteilenden in die äugen
fallen, und jeder versuch, einen innern zusiiuiuieuhaug zwischen den
einzelnen stücken herzustellen, erscheint gezwungen, Am wenigsten
kann ich, wie os Zarncke in seiner sonst so verdienstvollen schrift
getau hat , eine besonders geniale conception darin erkennen. Eiu dich-
ter, der mit so packender gewalt die Schrecknisse des jüngsten geriehts
schildert, der in unübertretiicber weise, die form der aufzäbluug ver-
meidend, das hauptsächliche in prägnanter darstellnng gibt und was
die gefühle, die sein eignes herz bewältigten, auch im lesenden zu
erneckeii weiss: eiu derartiger dichter kann nicht, indem er erst die
bescbi'eibung des aufeutbalts der guten und bösen nach dem gericht,
dann die laduug zum gericht selbst, dann den beiden vorangehenden
kämpf des Elias mit dem antichrist und die Schrecknisse beim heran-
nahen dos jüngsten tages, dann eines der hauptvorgehen auf erden,
welches ewige verdamnis zuzieht, und endlich das gericht selbst schil-
derte, nebst einer hinweisung darauf, wie man es bestehen kann , darin
eine künstlerische, ihn selbst befriedigende auordnung gefunden haben.
Die von MüUenhoff iu den denkmäleni durch gedaakenstriche abge-
sonderten stücke 1 — 30, 31—36, 37 — 62, 63—7^, 73 — 103 stehen
für sieb da , und auch durch Umstellung ist kein befriedigender Zusam-
menhang in dieselben zu bringen; ausserdem sind 61. G2 als späterer
Zusatz des Schreibers zu betrachten. Wie haben wir uns nun die ent-
stchung uusres manuscripts und seinen Zusammenhang mit dem ursprüng-
lichen gedichte vorzustellen? Feifalik suchte die einscbiebung von
37 — 62 so zu erklären, dass er meinte, der scbreiber habe, als er in
seiner vorläge bis zu der stelle vom gericht gekommen sei, sich auf
da» ähnliche stück vom Elias und autichrist besonnen und dieses hier
eingetragen. Diese aunahnif an sich ist höchst uawabtscheinlich, denn,
abgesehen davon , dass in dem zulezt gesagten gar kein anknflpfungs-
punkt für den kämpf des Elias vorlii^, vielmehr der engere Zusam-
menhang nach Feifalika meinung sogar unterbrochen wird , denn er hält
V. 36 und 63 als zusammengehörig: so würde es doch hOchst seltsam
sein , wenn ein Schreiber so eine reminiscenz an beliebiger stelle in die
mitte seiner copie flickte, statt sie etwa am Schlüsse nachzutragen.
Aber wenn wir Feifaliks meinung veralgemeinern, so kommen wir viel-
leicht auf das richtige: wir haben hier aus dem gedächtniaae auf-
MU8PILU 79
gezeichnete bruchstücke eines etwas volständigeren (vgl. s. 74) moral-
theologischen gedichts vor uns, disiecta membra poetae, soweit sie
eben dem Schreiber im gedächtnisse geblieben waren. Das ursprüng-
liche gedieht mnss ein memento mori enthalten haben, etwa wie das
von Barack jüngst aufgefimdene, mit dem die stelle 63 — 72 manche
ähnlichkeit anfv^^eist, dann eine darstellnng der zeichen des herannahens
des jüngsten tages , endlich die Schilderung des gerichtes selbst. Ist
aber unser gedieht eine Zusammenstellung solcher erinnerungen aus
einem früher ganz bekanten gedichte, so können wir einerseits die
gewissheit haben, dass wir die schönsten und ergreifendsten stellen
gerettet vor uns haben, da diese ja am meisten im gedächtnisse haften
musten, andrerseits können wir uns nicht verhehlen, dass manche metri-
sche, sprachliche, dispositive ungenauigkeit in dem texte enthalten sein
wird, die zu heben aber nicht mehr in unsrer macht steht. In s. 121**
z. 1 hat der Schreiber z. b. sicher noch den Inhalt von s. 121% 14 fort-
geführt; da aber verliess ihn sein gedächtnis und er kam wider auf
den Stabreim manne nohheina miatün intfäan zurück. So lassen sich
noch manche spuren des mit ungewanter feder aus dem gedächtnis
aufzeichnenden, aber keine einzige spur einer abschrift nachweisen.
Indem ich nun , um dies noch luculenter zu machen , eine darstel-
lnng der grammatik des Muspilli gebe, stelle ich zunächst hierher
einen abdruck einiger andrer denkmäler aus St. Emmeram, freilich aus
späterer zeit, die aber zur vergleichung der dialektischen eigentüm-
lichkeiten dienen mögen und deren zeilengetreuer abdruck aus der hs.
vielleicht auch sonst nicht unnütz ist.
A. Die Münchener hs. CI. 14456 (vgl. Littg.^ s. 53 nr. 254 und s. 54
unter nr. 261) enthält 86 blätter gi*. 8^ Sie ist s. 4* — 5** zweispaltig,
s. 6^ dreispaltig geschrieben und bietet folgende glossen, denen ich,
wo es nötig erscheint, die stelle aus Graff beifüge.
S. 4*.
Sp. aj)r&a posteria pars nauis
athl&a chempho
agonith&a qui pree ludu
lixa urschelchi l uilis
5 tragoedia Indus autiquus
celicola Celeste uitä ducens
craiugena de greca (m) natus
arbit iudex
scaber scaberi
Sp/^celeuma mermin (Gr. II, 774)
toreunna drasli
toregma dratazuaz
Stigma anamali uuntun
5 emblema abundantia
scema figura
stenmia corona
paradigma exemplQ
cocliare lefil l uermis
1) Mit Littg. oder Gramm, eitlere ich meine Litteraturgoschichte und Gram-
matik des Ahd. und Ab. Paderborn 1880.
80
PZPBB
10 uafer calidus
fribulus. rito (Gr. 11, 476).
gilnas dusin sie eqnus
pannus Iahen
fraxinus asc.
15 alnns elira
laurus lorboü
cornus cornnl
sagma "soü l satul
migma spriu
20 j'plema phaga.
Sp. a allec genas piscis
ceruical hirniboUa
mugil qui mugit
tibicen phifari
5 fidicen suegalari
cornicen homblaso
flamen sacerdos
omen salus
stam unarf
10 subtim uuefal
fragmen bruchili
uim gerta
rien lentibrato
lien spien
15 agon strit
ficon SOG schob
artimon segal
phiton serpens
lar suasduä l ignis
20 iubar schimo
Sp. a fuligo roaz (Gr. 11 , 563).
mulio marahschalc
mario narro
bipennis bihal (Gr. in, 43).
5 cespes noaso
olor elbiz
penus chellari (Gr. IV, 390).
10 spado castratas
crabro humiz
caupo nuinzuril
chilo lancbecho (Gr. HI , 29).
burdo saumaro
15 uespello uuefsa
margo finis
nrido hizza
conpago gauuagida
ppago phrofa (Gr. m, 366).
gUDlini harz.
S. 4\
S. ß lucar rShhus
far spelza
crater gellida
papauer mago
5 rüder gamulli
teres rotundus
deses sine sensu
sitas gilegeni
artatus gaduhter (Gr. V, 117).
10 arcitos separatio
rictos sonus lupol^
loius suphabundantia
ambio circQeo
almities scitas
15 eluoies huz flaxus
ingluuies cupiditas
glos scoub
tabo corruptio
puls brio
20 tuber ersuam
S. 5*.
Sp. ß torax bninnaroch (Gr. II, 432).
philax kazza
edax qui multQ pot6 edere
j'cax. psüptiosus
5 sagax acutus
uiuax uelox
contumax resistens
XUBPXLLI
81
labos tiies. suth I qnicqd noc&.
lens dis. niz.
10 lens tis. lins.
sctops fonea
&sci8. burdi.
agilis nelox
inermifl sine annis
15 bonos honoT
arbos arbor
cros bein.
specQs spelnnca
ligos nom patriQ
20 aiax. j'piQ nom
loquax. multü loquens
remex ferari nauto
10 sorex mus
rmnex brama rumicis
cemix hals
frntex studa
essox laas ille piscis (d, i. lahs)
15 allabrox ursus
atrox senerus grimer
uolox j>priü nom
poUux deus
aruns j'priQ norä
20 celebs uirgo
S. 5
Sp. apceps framhalder
forceps zanga
manceps qni manu capif
mnniceps gibnr. cinis
5 iners sine arte
calips fermm
excors sine corde
arcnbüs arcns
colns rocco
10 panns spolo (Gr.. VI, 334).
dnctus leiti
siren mermin (Qr. U, 774).
aceste mer&trix
parasitaster stioffat
15 capella geiz
uligo sprang (Gr. VI, 398).
endo anaboz
snber houarohter (Gr. IV, 838).
eqnor meri
20 teres rotnndus
Sp. ß narix unern in boue
scrops fossa
stelio. mol. (Gr. 11, 719).
ador genus fmmti
5 latex fons
ilex arboris nom
nitricos stioffater
carex. sahar.
filix nam
10 celox nauis
glis gliris mus mihilo
glis sis derbem heim
glis tis glimo der uurm
cubo sedeo
15 abdico friquidu
nellico nnelzu
beo gratifico
creo. schephu
nanseo uullon
20 nucleo kimu
Sp. a enncleo erkirnn
screo racbison
deeorio bifiUu
pio porgo
S. 6'.
Sp. ß pedit firrit
tundo bliuu
indo anaheftn
lingo leckon
y. DBVTBOHB PHILOLOOIB. BD. XV.
Sp. ygarrio. craun
gestio desidero
alligurrio gnsto
hinnio uueion
6
82
PIFEB
5 hio ginen
hämo bigrabu
scalpu iucku
turbo gihonu
mancipo bihefbu
10 liquo sihu
eliquo nzsihu
imnito (t aas z corr.)
lobon
lintrizo nauigo
alo blasu (u aus a
corr,)
15 exalo erblasu
frico ginitu
aceo suren
cieo noco
mulceo uueiku
20 pelliceo firspanu
5 mingo seihu
strno zimbron
sugo sugu
uergo halden
ango dningu
10 trudo claudo
j>mo j>fero
demo aufero
cudo smidon
satago hilu
15 uerro traho
tero ribu
labor slifu
plector punior
nanciscor iDuenio
20 comminiscor erden-
ku
5 mugio louu (Gr. IV,
1096).
polio slihtu
grunnio granon
sartio siauu
farcio stuncon
10 falcio arücku
ambio umbifacio
santio constituo
uincio bintu
amicitio (sie) umbi-
uuintu
15 sortier deilu
B. Cl. 14429 (Littg. s. 54 nr. 257) 4<> 228 bll. enthält f. 3 fgg.
ein Glossarium Salomonis latinum. Ich notiere daraus folgende deut-
sche glossen:
f. 222^ sp. a lancea läz
aetda
Ascella dr locus de quo manat
üao
sp. y Bubo nomen auis
lUbd
qui cum sibilatione loqunt*
malzi
5 Bracium
Botholicula stopha.
Burdo soumare
sp. ß Andleta. milis. chempho
f. 221** sp. ß Celocä genus nauicule paruissimum qd bamblum
dicimus
10 Nietare. Cinnum facere id uuinchan
f. 222^ sp. a Ci-umenis. saccalis. bigurtel
Coniectura urdänc
Gapus haue
2 D. i. uettah (Gr. lU, 449). 3 üuuo (Gr. I, 172). 11 (Qr. IV, 255).
13 (Gr. IV, 796) habnh
ICU8PILU 8d
Ciceudula gliino
15 C&us üual
Cluma ah
Cartallago crosbel
sp. ß Cos uuezstan
Capulus helza
20 Colostrum nüs.
f. 223** sp. / Intestina coel chomae tharama
f. 225" sp. ß Panus. flesc conail
f. 225** sp. a Sabmentum. est quod sub meuto. Id est untarchinui
Solcatorium dr instrumenta ferreum. Incuruatum.
id est noil
25 Sponda tabula lecti id betepr&
Spien idest milze
sp. ß Scraeo. id est p uim spuo id est rachiso
sp. y Simplones commune & amicus sponsi q cü eo ambulat
simplaton dr serum careuazzar ide meolc.
S. 226 sp. a Tribula: genus uehiculi. unde teruntur frumenta.
14 (Gr. IV, 289). 16 (Gr. I, 105). 17 (Gr. IV, 617). 20 S. 223»»
sp. a steht Filez exita sp. ß Ingois blen 229 ^ sp. ß Mantüe manuterium
C. Cl. 14569 (Littg. s. 53 no. 244) 4<> 142 bll. enthält von
s. 33 • — 98** einen Sedulius. Von den glossen sind viele verwischt.
Folgende habe ich noch zu erkennen vermocht:
gruonlendi gigetan yiosti (?)
S. 33* uirecta munda:tur Signa
S. 35* cerulea blauui
S. 39' uiolaria bluomlendi Gruonlendi
distil hugidistil
S. 39' Carduus paliurus
BlOCIll
S. 40** Quod ledat
gilkppdk. \ appeteret
S. 44' aff&ar&
D. Das St. Emmeramer gebet in Cl. 14345, gr. 4^. 117 bll.
s. 117* (vgl. MüUenhoff- Scherer, Dkm.* nr. LXXVIII s. 192 und 564.
Littg. 8. 95, b):
Trohtin dir uuir duih pigihtig allere minero funtono enti minero milFa-
tateo I allef def ih eo mifla fprahhi. oda mifla tati. oda mifla dahti.
uuorto. I enti uuercho. enti gadaucho. def ih kihugku. oda nigihugku.
def ih I uuizzanto geteta. oda un uuizzanto. notag. oda unnotag. flaffan-
to I 5 oda uuahhento. meinfuerto. enti lugino. kiridono. enti unrehtero |
uizufheito. hurono. fouuefohi fio giteta. enti unrehtero firinlulto. | in
6*
mufa. enti in trancha. enti in unrebtemo riaffa. daz da mir trohtin |
kenir. enti giuada. far kip. daz ih. fora dinon ongtm. unTcamanti mozzi
uaefan | eiiti ü&z ih in defaro nueralti minoro milfa Uto riuuu. enti barm
Tcara liapan ] 10 mozzi ////////////fo liho (o dino uiittada Iid. allef uualtanto
trohtin. got almahtigo | kauner do mir hdi'an. enti ga uuerdo mir far
geban. keuuizzida. enti { furillentida. cutan uuillun. mit rohtan galoupoa.
za dinemo deonoßia trohtin \ du in defa unerolt quami. Tuutiga zagene-
rienna. ka uuerdo mih gahaltan | enti gan^rion. chrill cotaf Tun trohtin
Tu fo da uuelleT. enti fo lo dir gezeb G ) 15 tua. pi mih fcaUi dinan.
trohtin uuemo darfti ßat. in dino genada trohtin | pifilhu. min herza.
mina gadancha. minan nuillnn. ininan mot. niinan | lip. miniu unort.
minia uuerh. leißi trohtin dino ganada. uper mih Funtigan | dinan fcalb.
kanori mih trohtin fonna allemo upila.
Te diTe piuf dominator & mifericorr df rupplicef trementefq , de-
pcamiir ut p { 20 mirericordia toä accionef üräf toa grä iiiluminare dig-
neril' A adiuuando | in bona fing pducere, qui regnf adf iu trinitate pfecta.
p oma ^ch Mo^ ani,
Z. 10 runT. — Die lezt« Cää.) zeilo deg codoi ist leor. ^
E. Otlohs gebet im Cl, 14490. 4". S. 161" fgg.. wahrscheinlich
ein autograpb Otiobs. (Vgl. Dkm.» nr. LXXXUI s. 808 u. 57«. Uttg.
9.95, c).
S. 161"* Oratio tbeutonica es ruperiori oratiooe edita.
Trohtin alniahtiger. tu der pill einiger troll unta enui
giu heila aller dero di iudihgloubant iouh in dih
gidingant. tu inluibta min herza. daz ih dina guoti
15 imta dina gnada megi anadenchin. unta mina fuinta
iouh mina ubila. nnta die megi fo chlagen vora dir
aKo tb <lcl hidurü. Lefki trohtin allaz daz in mir
daz der leidiga uiant inni mir zuinta uppigaf nn
ta unrehtel odo unfubrar. unta zuinta mih zeden
20 giriden def euuigin libef. daz ih den alfo mcgi min
aan nnta mih dara nah hungiro unta durlti alfo
ib def bidurfi, Dara nah macha mih alfo fron unta
kreftigin in alle dinemo dionolti. daz ih alla die
arbeita megi lidan die ih iu del'er werolti fculi li
26 dan durh dina era. unta durh dioan namon. iouh
Z. 10 leer. Z. 11 rot auf rasnr. Z. 12 eanigiu auf «wnr.
oingeMhoben. Z- 15 AtinU auf rasnr. Z. IS zninta ntdiort.
aaf roinr. Z. 35 «ra auf raaar.
MÜBPILLI 85
Trohtin da gib mir chraft ionh da chanft dura zoa.
S. 162^ durh mina durfti odo darb iömannel durfti. Dara
nah gib mir foliha gloubi. folihan gidingan zidinero
guoti alfo ih def bidurfi. unta foliha minna foliha
Yorhtun unta diemSt unta gihorfama iouh gidult
5 foliha. fo ih dir alamahtigemo fculi irbieton. iouh
mennifixm
allen den , mitten ih wonan. Dara nah bito ih daz
du mir gebeß; foliha fubricheit minan gidanchan iouh
minemo lihnamon flaffentemo odo wachentemo.
daz ih wirdiglihen unta amphanglihen zidinemo
10 altari. unta zi allen dinemo dionoM megi gen. Dara
nah bito ih daz du mir gilazzaft aller dero tuginde
teil ana die noh ih noh nieman dir lichit. Ze erüt
durh dina heiliga burt. unta durh dina martra. unta
durh daz heiliga cruce in demo du alle die werolt
15 loftoft. unta durh dina erftantununga. unta durh
dina uffart. iouh durh di gnada unta troit def heili
gun geiftef. Mit demo trolti mih unta Itarchi mih
wider alle uara. uuider alle fpenM def leidigin uiantel.
Dara nah hilf mir durh die diga fcQ mariun euuiger
20 magidi iouh durh die diga fcl michaelif. unta allef
himilif ken h^rif. unta durh die diga fcl iohif baptift^.
& fcl Petri. pauli. andre^. iacobi iotif. & omnium
apto^^ tuo]^. unta durh aller dero chindline diga.
die durh dih erflagon wurtun abherode. Dara nah
25 hilf mir durh die diga fcl Stephani. fcl Laurentii.
Z. 1. Nach durfti. Yerweisangszeichen auf das über der seite nachgetragene.
19 oaoiger auf rasiir.
S. 162** Viti. pancjatiL Georgii. Mauricü DionifiL Gereonif.
kyliani. BonifaciL lanuarii. TpolitL Cyriaci Syxti.
& onmiü focioj^ fuoRt. Dara nah hilf mir durh die di
ga Icl Emmerämi. SebaltianL Fabiani, Quirini. Vin
5 centii. Caituli. Blafii. Albani. Antonini. Dara nah hilf
mir durh die diga fcl Silueftri. Martini. Bemigii.
Gregorii. Nicolai. Benedicti. Bafilii. Patricii. Antonii.
hylarionif ambrofii* augultini. hieronimi. Wolfkan
gi. Zenonif. symeonif. Bardi. Odalrici leonif pap^.
10 & ppcef fcärum uirginü. Petronell^. cecili^. fcolafti
CQ. margaretQ. Dara nah hilf mir durh die diega
omniQ fco(^ tuo]^. daz necheina mina funta. noh heina
vara def leidigin yiantel mih fo girran megin. daz
mih (lina gnada higcba. Dara nali rJfl ili /i diiien
15 goaduD umW uufer miinuHuri daz zUlorit ill
dnrh uufre funta, daz t'z rihtet werde dnrli dina
gnada. unta dnrli aüpro diiiero heiligono diga
zn QulViii] durftin. unta ü allero durfli die li<;ra
dionunt. odo hie gnaclu sficlmnt. Hugi ouli troli
20 tin aller dero famanunge die iöuar fiu gifa
manot in dineuio nmnin. unta bidoncha fia in
omnib; noccITitatib -. fuir. Dura na)i bitu ib umba
alla die. diu ßh in min gebet haban binolohon
mit bigihto odo mit flegiin rnerfo Gßu. Fiiuro
25 filin. daz ttt fi lazzelt gniozzen def gidiugon den
nnfcr kll^rv durii
Hugi trobtin , dina managnahtiga gnada. unta bldencl
Hat fo. daz dia era unta dio lob hie megi wcfen.
7,. 15 xulurif corr. nod rul. mia ist— 19 lucliunl u iat ftUH n getnsottt
nd V darüber ececli rieben. 20 dcro auf r&8. toii : : : : Ilc 21 onU biitcncbt
a anf ruor. '/.. 2G, 27 simi nntcn auf der seit« Dnohgntragon. 27 djn : :
M. von ab.
. 163* ß zi diuen gnadun habcnt ioub zi iiiiuemo gibeti,
Gnada in trobtin. unta gihugi daz tu unlih gibv
ti beton umbe ein andra. Dara nah röfo Jh zi di
iien gnadun uiube alla nnfre rihtara phalToD ioah lei
5 gun. daz tn fie foliba gimaccholl. daz ß ßb reiben
megiti gribten. unte alla in unter tana ioub biuo
Uhna. Dara nah bito ih umbe alla niine chnnlin
ga. daz tu ße bidencbilt nah tineu gnadun. Dara
nab bito ih umbe alla die dieder io ebe.'ona gnndn
10 mir gitatin. odo cheina arbeita umbi mih iö habi
tin uonua anaginna minaf libef nnzi an dera uuila.
daz tu iulonall da Her beziilt bidurfin. Ih bito onh
umba alla die diedor cheinnin wilun vonna mir
giwirfirit odo ungitroltit wurtin, daz tu fie ribtcd
15 unta troidolt mit dinero guoti. Dara nah bito ih
umba ullaz daz ungrihti. iouh umba allen den iln
frido ioub umbaz daz ungiwitiri. duz tir ionor
fi. daz tu tuder ellin dinc mabt. nah dinen giia
dun bidcncbea allaz. Dara uah r6fo ib umbi all»
20 UülH brödra virvarana hie bi grabana. ioub uinba
alla die dieder hie fint higrahan mit rchtero glou
Z. IT frido aus i corr.
HÜSPILLI 87
toton
ba yiruärna. Dara nah bito ih umba alla die; die
hia brüderfcaft habant. iouh umba alla die. dero
wir
alamSfan , 10 imphiangin. Dara nah bito ih umba
25 alla die. umbi die ioman m$z bitin dina gnada.
S. 163^ daz fi mSzzen gn.ozzen alla mineF lebanneF. unta def
daz ih bin hie Tuplter hafteriro. Zi lezzift piuiliho
ih mih felben unta alla mina arbeita allen minen
fliz indina gnada umbi daz da ih felbo nimegi. odo
5 nichunna. odo niuuella mih bidenchan durh mina
brodi. unta durh mina unrScha. odo durh mina
h
tumpheit. tu mih bidenchail aKo du mäht unta canlt.
unta alTo diu gutta, unta diu uuiltuom ilt In manuf
tuaf dne cömendo fpm & corp^ meum.
Z. 2 lezztst lang darch nrsprüngliches e gezogen.
Endlich sei noch ein Preisinger stück herangezogen, das Pa-
ternoster (Dkm.* LV, s. 158 u. 508), welches sich in dem Münchener
Cl. 6330. 8^ 71 bl. s. 70** und 71* findet:
S. 70** Pat nr qui ef in celif. fat unfer du pift in himilum
mihhil gotlichül daz der man den almahtigun
truhtin finan fat uuefan quidit karifit denne.
daz allere manne uuelih. fih felpan. def uuirdican
5 gote. coteflunt zeuuefan. Sclfic^^ nom tuü. kauuifit
fi namo din. Nüt unF def duruft. daz uuir def dikks
daz der fin namo kauuihit uuerda. der eo uuaf uuih
enti eo ilt. uzzan def dikkameF daz der fin namo
in unf kauuihit uuerda. enti de uuihnaffi de uuir
10 inderutaufi fona imo intfengun daz uuir ze demu
ruono takin furi inan. kahaltana pringan muozin.
Adueniat regnü tuü. piqhuemerihhi din fin richi
uuaf eo enti eo ilt. uzzan def dikkamef daz daz fin richi
unf piqhueme enti er inunf richifoia. nallef der tiuual.
15 enti finuuillo inunf uualte nallef def tiuualef kapanft.
fiat uoi. uuefadin uuillo. fama fo in himile eü. fama inerdu. daz
nufo unpilipono enti fo erlicho fofo de engila indemu
him.le dinan uuillSn arfuUant def mezzef uuir inan arfullan
muozzin. Pafi nrm cotidiafi danobhodie. Pilipi unfraz
20 emizzigaz kip unf eogauuanna. In defem uuortü fint.
Z. 10 ze e aus a gemacht, der erste gmndstrich des a durch punkt darüber
getilgt. 16 fiat uol am rande. 18 himtle links am rande auf rasur.
ailo unfro lic mircun duruf ti pifankan. Nu auar
euuigo forkip uni' truhtin den dinan licbaiDUn.
S. 71' cnli din pliiot daz uuir fona demu altare intfahanier daz iz
iinr zBeuuigeraheUi. enti za euuiki^mo lipe piqhueme
nallef za uuizzo enti din anll enti iJiDomiuDa iDunr
foUicIio kahalt. & diniitte nob dehita ufä fic & nof dimittim'
5 dobitorib; nrTf- enti flaz unf. unfro fculdi fama fo uuir flaz
zamef unlVem fcolom raakanoot durut't. allero manno
uuelihhemo fih felpan defem auortum za pidenchen
u»; das allero manno uuelib finemn kanoz enti
flnemu pder er allemu hugiu enti. berdn Gdo miffi
lu tati llazze daz iuiu der truhtin Tama deo Quo flaze
danna er demu finemu kanozze flazan ni uuüi
dauiia qhuidit flaz uor. Tama fo uuir äazamer;
& ne nof induoar intemptatione. end princ unnh iii
incborunka. niflaz nnlic. truhtin den tiuual fo fram
Cn
15 gachoroD. rofo nuillolj. uzzan Coro uuir mit dinera anit
enti mit dinem ganadou. ubaruneban mokin.
Sed iibera nof a malo. uzzan kaneri unQh tbna alle
l^tOD kalitanB enti antuuarte. enti comftioheiu aiii.
Z. 2 Jaa Bwoita zo ans e cofr. Z, 3 anff etwas verwisoht. Z. 16 gmia-
<l«ii nebt mehr wie o, deon als a aas.
a (Gramm, s. 180 fgg.). Den umlaut sehen nir in HuspÜli schon
reich entwickelt, ganz regelrecht in 61*, 4 heri 61", 8 herie 121^ 5
herio 120^ 20. 121*, 7 8t«ti 120', 8 uarsenkan 61', 13. 121', 15 engilo
121*, 8 engila 61', 3. 11. 14, 119% 13. 120'', 20. 121', 10. 11. 22.
121% 4. 12. 14 (2mal) enti 121% 9 uuechant 121% 28 m6n(niacOD)
120% 13 khenftm 120% 6 kreftic, auch durch unechtes i bewirkt in
121% 6. 15 uerit ßl% 3. 7. 121% 4 arhenit 121% 5 heuit 121% 2. 6
kistentit (vgl. E 162% 21 nemin), ebenso fehlt er ganz, regelrecht
(Oramm. s. 181) iu 120% 4 mahtigo, und — ein kenzeichen des Ober-
deutschen — in den 1- und r-verbinduugen: 120% 17 kiuualtit 119%
15 altist 121% 6 uallit 120% 16 kistarkau 121% 21 marrit 121% 21
kitamit. Beim langen a iat er nicht gebraucht, weder bei echtem
(120% 1. 21 nnänit 121% 12 tätin). noch unechtem i (61% 4 läzzit),
auch nicht in der eudung -liri (121% 3 Euasäri). Dagegen ist er in
driÜezter sUbe gewirkt in 121% 16 meoigi (197, 20 Irauali 117, 5
nianagi). Dei der recoustmctioa der um 810 geltenden form des
gedieht« — denn weiter zuiQck weisen keine bestirnten spuren ~ dfirfU
es mißlich Bein , wesentliche Hudurungsn im überlieferten tocalstande dei
MU8PILLI 89
denkmals Yorzunehmen , denn auch schon in den vorwiegend alem. gl.
Ba findet sich umlaut in driüezter silbe gewirkt und auch in den gl.
Cass. wird umlaut durch unechtes i hervorgebracht.
halön zeigt stets den oberdeutschen vokal, der sich auch bei
Tatian findet (61% 8 gihalöt 13 Mhalönt).
In bezug auf e und i in Stammsilben ist folgendes zu merken.
Der regel entsprechend (Qr. s. 183) ist e erhalten in dem öfter begeg-
nenden uuelih; ferner 61', 14 quemant 120% 5 queman 121% 11 pi-
queman 120*, 16. 121% 9 helfan 121% 12 dehheina 121% 17 sprehhan
61% 5. 119% 14. 120% 14 peh 120' 14 rehto 121% 2 perga 120% 3
uuerköta 120% 9 kiuerköt 120**, 21 uuerdan 121% 12 (uu)erde 121% 3
erdu 1?1',1 erda 119% 2. 120% 15 kemo 121% 14 quekkhen; ebenso
steht der regel entsprechend i in dem 7 mal vorkonmienden quimit
Gl% 10 kuuinnit 61% 1 kisindi 61% 19 kiuuinnit 121% 2 inprinnan
121% 6 prinnit 120% 14 prinnan 121% 10 uarprinnit 121% 29 minna,
zweimal in sind, 61% 15 pringent 61% 15. 121% 3. 7 uuirdit 121% 9
muspille 121% 12 gisizzit 121% 16 rihtungu. Das abweichende hil&
61% 20. 120% 16 findet sich auch sonst in bairischen, bezw. St. Em-
meramer denkmälern (Graff IV, 922) enti 61% 3. 11. 14. 119% 13.
120**, 20. 121% 10. 11. 22. 121% 4. 12. 14 (2mal), 24 ist sicheres
kenzeichen bair. dial. (Gr. 183).
a findet sich regelrecht und unverändert öfter in sär, dar, pägan,
je zweimal in uuänit und äno, 120% 12 dräto 120% 1 kinäda 120% 12
kiuuäfanit 121% 5 mäno 121% 8. 12 mäk 121% 2 intföan 121% 12
tätin 121% 22 täte 121% 28 mäsün 61% 4 läzzit
6 komt vor in den verben ggn (61% 8) und sten 120% 17. 18.
121% 14. 121% 10. 15. 16 (Granmi. s. 342). Dieses e findet sich im
9. Jahrhundert vorzugsweise in fränkischen denkmälern. In den gl. Pa
und Ka steht durchweg gän (Kögel s. 179), ebenso in den hrab. glos-
sen, z. b. 41, 20. 22. 222, 25 gäm 222, 35 stät. In Otlochs gebet
steht schon (E 162'^ 10) gen. Fals also eine fränkische reminiscenz
bei dem Schreiber aus sicherem anhält sich ergäbe, könte dies 6 als
stütze dieser ansieht dienen. Die übrigen älteren bairischen denkmäler
ergeben kein beweisendes beispiel, weder das Freis. Patern. , noch die
Cass. Glossen sprechen dagegen. — Über das S in s§la vgl unter
uu. — Das ursprüngliche §, welches die diphthongisierung gestattet,
ist vertreten durch 120**, 3 Mar (vgl. gl. K 269, 4 her) ; für das bai-
rische gebiet ist um 810 keine andre form nachzuweisen (vgl. E 162*, 19.
163% 20. 21. 163% 2 hie 163% 23 hia). In dem werte 121% 20 mia-
ton 121% 24. 121% 2 miatun ist die brechung in Ba noch nicht durch-
gedrungen. Die Gl. Mens, haben 613, 36 mietente; vgl. 668, 4. 754,
30. Die gloäseu aus Cod. 14669 (Littg. a. 31) ur. 19) liaben schon hier;
auf eine filtere form als liiar ist also niclit zorflckzagreifeu. — 121*, IS
pielic (Gramm, s. 305 u. 186), Tn tlör 7. st. coujug. steht in Pa, Ra,
R (199, 24 föl) noch der ungebrochL'ne litut, Preis. Patern. (70^ 10 int-
feiiguii); die gl. Mona, haben neben 642, 11 nideiliezun 633, 66. 657,
10 anastien 596, 58 spiegal 64G, 72 vuipI 686, 40 ri&un 803, 54
piviench, nach 634, 38 pivench 679, 59 giuvelun; Tgl. E. 163", 24
imphiangin. F 70^ 10 iutfengun.
Für altes ö findet sich sowol ua (121^ '2ö gipuazzit. 23 alamaa-
Banu 24 kipuazt! 121', 14 puaze 121^ 3 snanari) als uo (61*, 7 anona
121*, 24 suonu 12I^ 4. 13 suounau €1*, 22 muot 121*, 16 gnot
121*, 15 guotero 121', 1 pinot 121', 3 muor 61'. 20 kinnok 121'. 22
raonu). Von den ua sind zwei (l2l^ 23. 25) erst durch correotur
binzugokommen , lassen also auf einen gewissen widerstreit in den nei-
gungeu des Schreibers sehlieasen; eins (121*. 14) ist in der zosatzstelle
des Schreibers enthalten. Die vorwiegenden uo gestatten nicht die
niederscbrift Tor 840 zu setzen (Weinhold. bair. Gr. 63. 97. Wag-
ner, Freis. Namen s. 56); vgl. D 8. 10 mozzi 16 mot E lßl% 14.
162'. 3. 163'. 15 guoti 162*. 4 diemÄt 162\ 14 röti 19 söchunt 163*.
3. 19 röfo 163", 20 brödra 23 briiderscaft 24 alamüsan 25 mui 163*, 1
niSzzen 6 uuriicha 8 uuistuom. Exhort. söaatagin, söuatage F 7o^, 11 suono
takin, ninozin 19 muozzin 71", 1 pluot 71', 9 prodea, gl. R. 45, 31 mibi-
lamöt 115, 37. 187, 15 uuiderraoti in,9uäofit 7 aruuostit 127,2urplftti
171, 12 uparmatlibho 235, 34 s6hhäri u. S. Bei dieser consequenz, mit
der ua in den sonstigen bairischen denkmälern gemieden ist, werden
wir in den ua fränkische reminisceiizen finden müssen.
Das idg. i ist unversehrt erhalten z. b. 120% 20 sigalOs 121% Ifl
uilo; ebenso ( vgl. oft 119% 11. 121', 12. 121% II sin ßl% 16. 120%
8. 16 rlhi 119% 14 pina 121% 10 gilih 120% 6 Vilibaz 120% 12
121% 8 uuisön 120% 14 stritit 120% 15. 61% 16. 121% 11 Up 121% 24
std 121% 9 uulssant 121% 17 pimidan 61% 2 Ubhamnn 120% 9 pi
120% 22 uuige; ebenso in der coutraction 120% 18 altfiante.
Statt ai ist regelrecht ei entwickelt in 61% 4. 120% 6 ein 121%
24, 121% 2. 17 nolihein 121% 22 dehheina fil% 14 eigan 121% 6 eik
61% 10 leitit 11 leid 121". 10 pceita 121% 5 meista 121% 17 art«Ue
121*, 14 arteilluw 120% 13 uueiz 119% 15 heizzan; regelrecht 6 in
120% 15 heuigon 61% 7. 120% 1 sola (Gramm. 282) 120', 13 un? and
auch in 120% 7 uuenac 121% 19 uuenago. Gegen die rege! dagegen
steht 121% 6 stfn 121% 27 heligo und vielleicht l2l% 3 ^nihc (vgl.
D 17 leisti und 14 gez?b; E zeigt nur regelmSssige formen,
lieh stets heilig; choima J63% 9 i*t corrigiert. Über die gl. Pa.
MÜ8PILLI 91
s. Kögel s. 17 fg. Exh. zeigt noch ai in maistron, sonst regelrecht
ei und e; aber heli; P regelrecht, namentlich auch heili. Die gl. R
schreiben 51, 9 schon pedahalp 53, 36 fredic [232, 12 freideo]).
u und 0 stehen in regelrechtem Verhältnisse zu einander; vgl.
120^ 13 unter 121*, 13 farprunnan 61', 7 unzi 121% 14 pidungan
120^ 2 uunt 120', 12 suntigan 120^ 2 kihuctin 119^ 15 huckan
61% 6 umpi, dagegen das öfter begegnende fona und fora, 121% 3 hom
121% 10 moltu.
ü begegnet in 61% 16 üf 19 pü 121% 17 stüatago 120% 14 stüen
121% 23 kilütit 121% 23 üzzan.
Die formen, in denen sich das alte eu darstelt (vgl. Gramm.
8. 195) sind 119% 14 piutit 121% 1 kitriufit 121% 21 arliugan 61% 18
siuh 121% 21 tiuual neben 61% 17 lihot (vgl. Gramm, s. 195) und
121% 9 deota; ausserdem 121% 12. 121% 20 heo 61% 18 neoman
neben 121% 8 hio 121% 21 hiouuiht 121% 6 nioman und auch 121% 19
uuielihan (vgl. D 9 riuun 12 deonosta E 161% 23. 162% 10 dionosti
162% 1 iomannes 5 irbieton 12 nieman 162% 19 dionunt 25. 163% 1
gniozzen 163% 10 io 17 ioner 25 ioman F 70% 15 tiuuales 20 eoga-
uuanna 71% 14 tiuual). Wenn es gälte, die ältere bairische form
zu reconstruieren , so wurden für diesen laut vielfach die älteren gestal-
tungen einzusetzen sein. Die Schreibung 61% 11. 119% 3 fuir 121', 7
uuiru 121% 10 uugir (vgl. Gramm, s. 197) scheint besonders in Fran-
ken gebräuchlich gewesen zu sein (Weinhold, bG. s. 109 fuhrt nächst
Muspilli die frühesten bairischen beispiele aus der Vorauer hs. an). Dass
es in gl. Pa. Ra. K und im voc. lib. S. G. begegne, ist eine irrige angäbe
G raff 8 (in, 675); vgl. aber F. 161% 4 inluihta, eine Fuldaer reminiscenz?
Altes au erscheint regelrecht als 6 in 61% 16 töd 121% 4 töten
121% 10 lössan 121% 26 fröno 120% 20 sigalös, als ou in 121% 2 poum
121% 4 lougiu 121% 18 houpit 61% 1 touuan, als au in 119% 15 laue.
Wenn man erwägt, dass in D ö und ou sich regelrecht in die herschaft
teilen, ebenso in E; in der Exh. dagegen, sowie in den bair. glossen
auch vielfach au begegnet, so wird man an dem vereinzelten laue kei-
nen anstoss nehmen.
In bezug auf Synkope (vgl. Gramm, s. 207 fgg.) ist folgendes zu
erwähnen, ohne dass jedoch aus den wenigen tatsachen sich bestimte
Schlüsse ziehen Hessen: Die synkope hat statgehabt in 121% 7 imrho
(d. i. uiriho) 61% 12. 120% 13 finstri 120% 15 paluuic 121% 8 andre-
mo; sie hat nicht statgehabt, doch ist vokalschwächung eingetreten:
61% 8 uuederemo 120% 21 aruuäfen(it?); auch vokalschwächung fehlt
in 120% 12 kiuuäfanit 61% 5 zungalon 121% 16 mahale 121% 5 mit-
tila 121% 23 upiles 121% 23 alamuasanu 120% 14 uirina 61% 12 uirin-
Üh 121', 23. 121", '20 kifrumita. In demdoppel-n 121', 3 artroknnet
mAchte ich die aadeutung des dem n nach syubopieruDg des vokaJs
beigelegten stimtons erkeoneD. — Der irrationale vokal im nomiiiatir
erscheint als a 121*, 10 uuasal 21 tluaal. Man vgl. ferner 130% 3.
121', 12 after 121% 8 uper mit 121*, 9 antar 120% 12 uuntar — vgl.
noch rüe eudung in 120% 1 üuenao.
VoealaBsimilation der stamailbe au die cndsilbe hat statt in
120% 20 domo.
Für die präfixe ist folgendes zu merken : Unser denkmal hat meist
ki, selten gi, und sUmt darin mit den gl. Ra und Rb. Die gl. B
haben neben ka (cu) seltener ga, die gl. Ra auch ki; F hat ka, nur
einmal in der mitte des wertes ga (vgl. Exh. eogaliher) und einmal
ganadon. Die Exh. bat ca (ka einmal), ausserdem galauppene, gapet.
Damit vgl. in unsrem denkmal; 61% 13 kibalont 120% 2 kihuctin
61% 19 kisindi 120% 16 kistorkan 121% 2. G kistentit 121% 33 kisaget
119*', 11 kispane 120% 1 kinada 61% 20 kinuok 121% 7 kimarchftt
120% 6 kilihaz 121% 3 kilütit 120% 9 kiuerkftt 12 kiunäfanit 17 kiunal-
tit 61% 19 kiuuinnit 121% 23. 121% 20 kifrmnita 120% 5 kipannit
121% 6 kipgan 121% 24 fcipuaztj 120% 6 kitar 121'. 1 kitriufit 121% 21
kitar(nit) 121% 2G kitragan 121% 12 kirahh6fi; synkopiert Gl% lO
kuuinntt. Daneben 61% 8 gihal5t 121%. 25 gipuazzit 121% 12 gisizzit
121% 10 manogilib. — Femer haben wir als präfix mid präpoaition
die form ze (120', 16. 120% 8. 121% IC. 18. 24. 121% 6, 9. 15. 25),
daneben seltener za (61% 8. 120*, 12, 121% 15. Denselben stand
finden wir in F (71% 2. 7 za, sonst ze) und im voc. Üb. S. Qalli.
Dagegen die Exh. und Gl. R (z. b. 49, 6. 97, 5. 109, 11. 17. 111, 19.
113, 2. 116, 16. 20) haben nur za, E hat zi. — Muspilli schreibt ar
als präp. (121% 10) und als prüfix (61% 3. 121% 12 arheuit 120% 13
arhapan 121% 27 arhaugan 121% 14 arteillan 121% 3 artruknnet
121% 17 arteile 121% 10 arst^n l2l% 11 arfurpit 120% 22 aruuafen(— )
61% 7. 121% 4 arg@t 121% 21 arliugan (einmal aatßrit? 121% IG).
Hierin stimt das denkmal mit gl. R, Ra, Pa, auch mit F; aber Exh.
hat ur. — Die vorsilbe uar (120% 18 uaraenkan 121% 3 narsimUhit
121% 10 uarprinnit), far (12i% 13 farprunnau) stimt zu den übrigen
bair. dcnkmdlem (Exh. gl. R Pa Ba Hb; E bat schon vir). — Mit int
bei Verben (121% 2 int^n 121% 2 inprinnan; lezteres nicht assttoiliert:
vgl. F 17 nnpilipono) vgl. int bei F, gl. R (». b. 103, 27). l'a, Ba,
Rb, Exh. und E im(phengun) (als prilp. 120% 9) auch in gl. B
(51, 20). — pi als präp. (61% 20. 120% 9. 15, 16. 17. 19) und Vor-
silbe (121% 4 pidnngan 61% l piqneme 121% 11 piquemaii 120% SO
piualla 121% 17 pimidan) ebenso iu F, gl. B, Exh.; E hat bi (bc, pI).
KÜ8PILU 93
Von auffälligen vokalischen erscheinungen sind noch zu notieren
die elision in 61», 4 squirnit 10 kuuinnit 120\ 10 hOrtih 121% 16. 20.
121^ 25 denner 121^, 22 niz; die synalöphe in 121% 24 mannohhein
121% 6 demanne; die auslassung des a in 121\ 6 kipgan (in uula?
120% 21), des e in 120% 14 phhe, und wol auch in 120"*, 22 hlias
121% 1 hliases, die Schreibungen 121% 14 uiz 121% 6 eik 121% 8
uuranh 120^, 13 uuntar sind wol nur Schreibfehler eines des Schrei-
bens weniger gewohnten; dagegen werden wir in der widerholten aus-
lassung des i nach uu (in 120% 12. 121% 25 uurdit 120% 19 uc 121% 7
urho 121% 15 uuze 121% 24uurina; vgl. auch urit 121% 15?) keine
Zufälligkeit mehr erblicken dürfen.
t ist allenthalben verschoben, wie zu erwarten, im anlaut (61*, 5
zungalon) im inlaut zwischen vokalen als zz (61% 4 läzzit 121^, 11
uazzon 121% 12 muozzi 121% 23 üzzan 119% 15 heizzan), als z (121% 4
suilizot), nach consonanten z (121% 19) unzi); in der gemination z
(121% 19 luzigun), in der Verschärfung zwischen vokalen zz (121% 25
gipuazzit 121% 12 gisizzit 120^, 7 sizzan oder z (121% 14 puaze
121% 15 uuize), vor conson. z (121% 24 Mpuazti); im auslaut z in
dem häufigen daz, 121% 19 uaz -121% 22 iz 120% 13. 121% 14 uueiz
121% 16 allaz. — In 119% 14 satanaz 61% 10 satauazses steht z far
scharfes s. — Die lautverbindung st bleibt unverändert (vgl. das häu-
fige ist, 120% 14 stritit 16 kistarkan 120% 17. 18. 121% 6. 121% 14
stSt 121% 17 stgnt 120% 9 stantan 121% 2 Mstentit 121% 7 stSn
121% 16 arstßn 121% 7 mahalsteti 121% 6 stüatago 120% 11. 17 anti-
christo 121% 14 meista 121% 24 fastun 121% 27 Christ); im auslaut
ist t nach s abgefallen in is 121% 20.
Lat. p im anlaut ud verschoben 61*, 19 pardisu 119^, 14 ptna;
im inlaut ist altes p zu f verschoben, so wol nach consonanten 61% 19
hilfa 120% 16. 121% 9 helfan, als in der Verschärfung: 121% 1 kitruo-
fit. Die labiodentale ausspräche erhelt aus 120^, 13 khenfun. Dass
hier die vei*schiebung allenthalben durchgedrungen ist, ist ein zeichen,
dass unser denkmal in der mitte des 9. Jahrhunderts geschrieben ist
(Gramm, s. 236). In D 4 slaifanto 8 slaffa 11 helfan E 162% 8 slaf-
fentemo 163**, 3 rSfo 4 phafifon F 70% 10 Exh. taufi Exh. auch tauffi.
Über die Hrab. und Mons. Gl. s. in der Gramm, a. a. o. Die herstel-
long einer älteren Schreibart, etwa des ph, lässt sich nicht befürwor-
ten. -— Die lautverbindung sp bleibt unverändert (119**, 1 kispane
121% 18 sprehhan).
k anl. ist zu ch (120% 5 chunno 120% 11. 17 antichristo 121% 26
chi[üci] 121% 26 Christ), kh (120% 4 khuninc 121% 22 khunin —
120% 13 khenfun) verschoben, oder unverschoben k (120% 14 kösa
H FITKII
120", li kieftic) oder c (1:21', 29 maucunnes) vgl. OriiinuL it. 33S.
Eb sind (lies dieselben «recbeiunngen , wie in tlen g], Ua; vgl. aueb
A 5', 7 ebellari. aber 32 kfizza B 23 untarchinni D 14 Christ EX6l',
Iß cblagen 163% 7 chanst 162% l cbraft cbunst 23 chiudllnc 1(13', 7
cbauliiiga 163", 5 cbumia, aber 161% 23 kreftigin i62', 14 cruce
F 71', U cliurunka 16 gacbüröa. Die gL H baben ch (6, 23 gachnu-
phit 9, 34 uichDehta 19, 9 cliruiupi u. ö.). seltner b (25, 31. 83, 12
buoUa) oder den unverschobiico laut (61 , 28 kacnopfeo). InL nach n
ist der iinveracbobene laut bewahrt iii 120'', 19 uaraeukau; verschobau
ist US als spirana b nach 1 (121*, 4 uarsnuilliit), nacb r (121', 12. 13.
121% 9 marha), als (affrikatai') ch nacb r 121% 7 kimarcböt. In der
veracbflrfung tritt entweder die verschiebang ein uU afTrikutu klih
(121% 14 quokkben), cb (I21% 9 uuecbant) oder uuverschoben (121«, 3
artrukunet; vgl. gl. H 77,30 arünhnä). Zwiscben vokalen ist es stets
verscbubeu, ein seichen bairischer mundart (Qraiiim. s. 24), als spinuis
bh (120% 9 rahhu 120% 10 rabhün 61% 21. 120% 14 miUhU 120% 16
rihhi Gi% 6. 119% 14 pebbe 121% 17 aprebhan 121% 12 kirahliöu),
als heb (120% 8 rlhche) oder als h (121% 17. 22 raböuo Gi% 21 uue-
liheuio 121% 17. 22 ueliha 120% 6 kiUbait 61% 16 rthi 121% 19 uuie-
Uhan). Im auslaut stebt b (öfter sib 61% 12 uirinllh 121% lO inano-
gUih 120'', 7. 121% 19 uelib 61% 18 siuh). lui algemeineu baben wir
auch hier eine weitgehende Übereinstimmung mit den gl, IIa zu con-
fiUtieren , vgl. inl. zw. vokalen D. 2 missasprähhi 5 unalihento 10 soltbo
E 162% 12 llcbit 161% 22 macba 163% 5 giniacchöst 162-, 2. 3. b 7.
163% 5 solihan lt)2*, 9 wirdiglihen, amphangllheu 70% 2 mihhil 14 ricbi-
soia 17 Srlicbo 7i*, 1 foIUcbo 7 uuelihhemo; nacb consonautect D 3. 10
gadaucho (a) 7 trancha E 161% 15. 162% 7. 162% 21. 26. 163% 8. 19.
163% 5. 7 denchan 162% 17 starchi. — so bleibt auch in MuspiUi
unverändert (vgl. Öfter scal; 121% 24 scolta 120", 2 bimiliskin 121% 3
(bi)milisc); a ist abgefallen in 120% 19 cal. Im uuslaut vor folgen-
dem h entsteht, wie auch sonst gewöhnlich, b: 61*, 3 lihbamun 121%
24. 121% 2. 17. 120% 6 uohhein 121% 22 dehbeiua (vgl. F. 70% 22
Itchamun). — Die hezeichnung des anl. q ist stete qu , nie qbu.
AnL d wird zu t (61", 16 töd 121% 14 tOteu 119% 12 tuo 120% 6
kitar 121% 1 kitriufit 121% 12 tätin 12 täto 121% 21 kitarnit 121% 21
kita — 121% 17 arteile 121% 14 arteillan 61% l touuan 121% 26
kitragan 121% 21 tiuual 12l% 7 utöatago 121'. 3 artruknnet), ebenuQ
inl. und ausl nach cona. 121% Hi untar 120% 13 uuntar 120% 13 San-
tigao 120% 4 stantan 12 1». 2. 6 kistentit 121% 4 lepöntfin 221% SO
uantil 119% 13 harte I2l% 15 rihtungu 120% 5 rebto 120% 7 kiuual-
tit 131% 10 moltii 121', 7 laut 121% 17 bunt 120% 2 uuul 131% fi
MV8PILLI 95
gart 61', 12 ret), nach vokal (120% 16 gote 121*, 10 preita 121^ 12
tötin 121\ 22 täto 121^ 14 töten 121^ 15 guotero 20 miaton 121',
21. 122', 2 miatün; 120^ 21 got 121% 1 pluot 61% 22 muot 121', 16
guot), in der Verschärfung (61', 10 leitit 121', 5 mittUa 120^ 20
steti), sämtliche erscheinungen entsprechen regelrecht dem bairischen
dialekt; vgl. die Verschärfung gl. E, 31, 23 intleitit 77, 7 kapeitit u. ö.
A, 5**, 11 leiti. — Die apokope des t in 121', 2 inprinnan würde auf
mitteldeutschen Ursprung deuten (vgl. Gramm. 332), wenn nicht des
folgenden d wegen ein Schreibfehler wahrscheinlicher wäre.
Anl. b ist verschoben (121', 2 pergä, poum 13 piehe 14 puaze
15. 21. 61', 20. 120', 9. 15. 16. 17. 19 pl 121^ 5 pald 6 kipgan
14 gipuazt! 25 gipuazzit 61', 5. 119\ 14 pehhe 61', 6. 120\ 12 pä-
gant 61', 19 pü 119\ 14 piutit 120^ 5 kipannit 120^ 7 pan 121», 1;
pluot 121', 5. 10 prinnit 13 farprunnan 2 inprinnan 61', 15 pringent
12 P, 10 preita) ebenso inl. (61', 9 ipu 13 upi 120^ 9 hapeta 121', 22
hapet 121^ 18 houpit 8 upiles 4 lepent§n 121', 23 upiles; 61', 6.
121^ 15 umpi 121', 11 arfurpit; demgemäss werden wir auch 121', 20
das habet des mscr. ändern dürfen. Ausl. zeigt sich die Verschiebung
(61', 16. 120^ 15 lip). In A. B. C. E steht der unverschobne laut;
doch hat D 11 fargeban neben 17 upar 18 upila, und im auslaut hat
auch E 163**, 7 tumpheit, aber anlautend stets b (ausser 161^, 12 pist).
F hat anlautend 70"*, 1 pist 11 pringan 19 Pilipi 71', 1 pluot 9 prö-
der 13 princ inlautend 70\ 4 selpan 19 pilipi 71', 2 lipo auslautend
70^ 10. 22 kip.
g bleibt unverschoben in 121% 5. 121\ 15 gart 16 guot 121^ 15
guotero, gomono 61', 8 arget 120**, 21 gotmanno 120^ 16 gote;
dagegen verschoben ist es, und zwar stets als k, in 61', 23 kot
119^ 12 kemo 120^ 15 rehtkernön. Das trift wider zusammen mit
den gl. Ra (Gramm, s. 258). In A. B. C. E ist die Verschiebung
nicht vertreten, wol aber in D (5 kiridöno 8 farkip und vor o, u als
c: 12 cutan 14 cotar; aber 11 fargeban). In F steht anl. meist die
Verschiebung (70**, 20. 22 kip 5 cotes aber 2 gotlichi). — Im inlaut
steht g (121% 4 lougin 121^ 26 heligo 121', 7 tago 12 mägon 121^ 26
kitragan 6 kipgan 8 sageta 18 sagSn 121', 23 kisaget 121^ 15 menigi
121^ 2t megi 61', 14 eigan 120^ 22 müge 20 sigalös 120', 12 sun-
tigan 120^ 15 heuigon 4 mahtlgo 121^ 19 luzigun 121', 19 uuenago
121', 14 pidungan 61% 14. 121^ 15 engilo 121 ^ 8 engilo 9 dinge
19 uiger, pringent 61% 6. 120', 12. 121% 18 sorgen 61', 17 sorgün
121', 2 perga); in der Verschärfung ck (ll9^ 15 huckan) vgl. 120\ 2
in kihuctin; D hat in der Verschärfung gk (3 gihugku, kihugku), oder
blos g (5 lugino); lezteres ist in E stehend (162**, 19 hugi 163% 2
gihiigi u. Tl.). F hat inlauteod die Verschiebung, ausser nach n (TO**, 11
pringan 17 engila; femer 20 etnizztgaÄ 71% 2 eunigero 9 hngiu), id
der Verschärfung 70^ 8. 13 dikkamäs. Die gl. R haben inlautend
meist den unverschobenen laut; die Verschärfung vgl. 45, 35 upar-
hukit 51, 20 henkft 105, 12 anuickeot 37, 7 auuicki u. ö.). — Im aus-
laut ist in M. die Verschiebung regel, als c (61*, 7. 119'. 15. 121', 8.
119', 15 laue 120*, 15 paluulc 120', 1 uuenac 4 khuninc 120', 14
kreftic 120', 29 uc) oder als k {61*, 20 kinuok 121', 6. 17 mak 120', 16
dink 121", G eik) auch als hc (120', 13 uuihc 121', 13 piehc), als hc
(121', 3 enihc) , als eh (120', 12 uuareh. vielleicht auch 121', 20
Usti:h). Unverschoben scheint es nur in 61", 12 ding, was wol nach
120', 15 zu corrigieren ist. Anch den gl. Ra, mit denen TA so viel-
fach stimt, haben auslautend die Verschiebungen (Gramm. 268), ebeoao
F (71', 13 priucj, nicht aber D (4 nOtag, uonötag). Die gl. E haben
auslautend meist c.
Anl. tb ist zu d verschoben in den formen des artikel» und der
pronominalen adverbia, femer in 121', 29 dessc, duruh 9 deota, dinge
22 dehheiua 61', 12 ding 120', 12 dräto 121', 14 pidungan 17 darf;
inl. in den oft begegnenden formen von uuerdau, ferner 120', 20 sinde
121', 8 audremo 121', 1 erda 3. 6 erdu 121', 17 pitiiidan 30 mordes;
und im auslaut (61*, 2. 121', 4 siud 61*, 16 tOd 10 leid 121', 24 sld
121', 5 pald 27 uuard).
Die tonlose labiale Spirans wird anlautend durcb f (oft in fons.
furi 61», 11. liy\ 3 fuir 12. 17 finstri 120', 18 altflante 121', 11
arfurpit 23 kifrumita 121', 24 fastfin 26 fröno) oder durch u bezeich-
net (61», 12 uirinlih 120*, 13 uinstrt 14 uiriuä 120', 18 nar 121', 7
uuiru 9 uora 10 augir 6 uerit 121'. 12 nazzon 16 uilo 19 uiger).
vielleicht auch durch uu, wofern hier nicht Schreibfehler vorliegen
(120', 8 uuora 121", 7 uurho 121', 8 uurant? 120'. 2] uula??>
Durch den umfangreicheren gebrauch von u im anlant nnterscheidet
sich M von gl. Ra (Gramm, s. 268). Auch die gl. R schreiben fast
immer f. Solte man das anlautende ii als eine fränkische gewobnheit
des Schreibers zu betrachten haben, indem mau besonders an die im
Ludwigsliede gebräuehhche Orthographie denkt? In D überwiegt auch f
(nur 6 uizusbeito), ebenso iu F, während in E schon v, u fibwwiegen.
Im iniaut steht f 120^ 3 121', 22 after 121*. 11 luft; aber 121*, 2!
tiuual (för mich ein beweis . dass in diesem worte w gesprochen wurde)
und 61*, 13. 121', 11 bauar. Dieses u fehlt in älteren bairischen glos-
aen ganz. Die Eib. hat anch f, ebenso D; in E begegnet, obschon
vereinzelt daneben u, v. F hat inl. f, aber beachte 70', 14. 71«, 11
tiuual 21 anar. In der Verschärfung bat M 6l>, 3. 131', 4 arbenit
121^ 5 heuit. Sonst ist dies verb in dieser form hauptsächlich in
alenL denkmälern erhalten (Gramm, s. 268. Graff IV, 815 fg.);
doch wol nur zufällig. Ich möchte in heuit, wie in fiuual und auar
an tönende ausspräche denken. — Ausl. 121*, 17 darf.
Die anlautende gutturale tonlose affrikata wird stets durch h
bezeichnet (21**, 2 hörn 4. 5 heuit 17 haut 18 houpit 120**, 12 arha-
pan 121^ 27 arhangan 61*, 4 heri 61*. 4. 14. 16. 19. 120^ 16 himil
61*, 8. 13 halOn 61% 19 hilfa, hüs 120% 16 helfan 119% 13 hella,
harto 120% 16 har§t 121% 22 bap§t); ebenso im inlaut vor vokal
(121% 8 urho = uiriho 3 aha 121% 7 mahalsteti 120% 5. 8 mhal;
vgl. gl. R 73, 29 mahal), vor consonanten (121** 16 rihtungu 120% 15.
120% 10. 15 rehto 120% 14 mahtigo 121% 21 hiouuiht). Auslautend
120% 21 doh 121% 29 duruh. Unorganisch begegnet h öfter (61% 13
hauar 120% 14 helias 21 hlias 121% 1 hliases 121% 8. 21 hio 15 hö-
u!gon 12. 20 heo 21 hiouuiht), so dass wir dasselbe für ein Charak-
teristikum des dialekts anzusehn haben. Dasselbe findet sich auch sonst,
ebenso wie die gleich zu erwähnenden fälle des ausfals, in anderen
bairischen denkmälern (vgl. Granmi. s. 272 fg.). Das h schwindet anl.
in 121% 25 apgt, inl vor t in 121% 11. 17 reto 121% 21 reta 61% 12
ret 121% 17 uit; zwischen vokalen — ein anfang zur ersatzdehnung —
121% 1 intfaan; derselbe Vorgang, nur mit anderer bezeichnung, scheint
mir in 120% 5. 8 mhal vorzuliegen. Vor uu ist es schon allenthalben
anlautend geschwunden, und keine spur der allitteration , auch nicht
61% 8, deutet auf einstiges Vorhandensein (Gramm, s. 270), 120% 3.
121% 19 könten sogar dagegen sprechen; wol aber fordert die allitte-
ration die her Stellung des früheren kihlütit 121% 3. — Zu beachten
ist noch die metathesis in 61*, 17 lihot.
Für s sind auflällige erscheinungen nicht anzuführen ; in der Ver-
schärfung steht stets ss (121% 9 uuissant 10 lössan). — j in den ja-
stämmen ist nirgends mehr erhalten, auch in der I. sw. conjugation
nicht; nur in der Verschärfung hat es spuren seines einstigen daseins
hinterlassen.
uu findet sich anlautend oft durch u bezeichnet (61% 9 uerde
120% 7 uelih 10. 121% 18 kiuertOt 120% 19 uc 121% 17. 22 ueliha
14 uiz 19 ueiz uantil 121% 3 uirdit 17 uiht 19 uaz), ebenso im inlaut
(120**, 15 hSuigon). Weniger auffällig ist es vor u im an- und inlaut
(120% 20 uunt 121', 22 ruouu). Nach s steht einmal uu (121% 4 uar-
sauilhit), einmal u (121% 4 suilizöt). Zwischen d und u schwindet es
(121% 14 pidungan; vgl. R 7, 11. 61, 38. 89, 31. 177, 16 und Gramm.
8. 280). — Von altem hv ist das u geschwunden in 121% 3 aha. Auch
SSIT80BB. F. DBUTBOHB PHILOLOOIB. BD. XT. 7
nach a findet in 61«. 6. l'.'0', 12 sorgSu fil", 17 sorgün schwund des
w statt; sowie in sgla 61". 7. 120'', 1 (vgl Gramm. 8. 282).
Von den liqnidis steht regelrecht doppel-I (in 121*, 10. 11. 23.
121\ 5. 12 aUaz 121^ 18 allero 121*, 5 uallit 120', 10 piualla 119S 3
hella 121', 9 muspille 119^ 2 uuillun); regelrecht 1 in 120^ 15 uiüli;
gegen die regel in 61*, 21. 120*, 7 alero. In der Verschärfung nach
langem vnka] etebt II (121'', 14 arteillan). Auch bei r sind aafßlllig-
keiten nicht hervorzuheben; in der VBrschärfuug steht rr (12l*, 21 mar-
rit); vor h erzengt es y nach sich (121", 29 dnruh). Schwund ist ein-
getreten in 61", 17 finsti, wofern nicht ein Schreibfehler vorliegt. In
120", 3. 9. 10 nuerolt hat die verdumpfung des ursprünglichen a statt-
gefunden (auch E z. b. 161", 24 schreibt uuerolt', ebenso D 13; lezte-
res hat aber D 9 auch uueralti).
Die nasale sind regelrecht verwendet, so doppel-n in dem häu-
tigen denne, mannun, uianno, prinnan 121", 29 mancunner 29 minna;
in der Verschärfung 121", 4. 13 suonnan; als zeichen des atiintons in
121*. 3 artruknnet. Dagegen ist es unregelmässiger weise vereinßicht
in 61', 21. 121 \ 10 niauo 121*, 17. 18 dene. Am ende ist M
geschwunden in 120", 20 piuallan; ebenso vor g in 12l\ 19 ntger
(mit ersatzdeliuung?).
Aus der formenlehre ist folgendes zu erwähnen. tStarkes rerbi
praes. Ind. 3. s. -it (arheuit {2mali, läzzit, quiuiit |!^nial|. kuuinnit,
unirdit [2mal], uurdit. kiuuinnit, piutit, kipanuit, kiuualtit, hitriufit,
kistentit [2mal|, uarsuuilhit, uallit, prinnit, nerit ]2mal|, uarprinuit,
urit, nirdit, heuit, gisizzit). — 3. pl. -ant (61', 6 pägant 14 quemant
121", 8 uurant; mit abfall des t; 121*, 12 inprinnan). Praet. ind. 3. s.
(121", 27 uuard 121', 13 piebc). — Praes. conj. 3. b. -e (61', 1 piquemo
9. 121", 13 uerde 119", 11 kispane 12 wise 121", 22 uuerde). — Infin.
-an (120*, 14 prinnan 120", ö queman 8 atantan 13 pfLgan 16 heifan
21 uuerdan 121", 8 heifan 121". 6 kipgan 11 piqueman 17 pimtdan
18 spiebhan 21 arliugan, ebenso von den ja-etämmen 61*, 3 likltan
120*, 7 sizzan), mit abfall des n 120", 20 piualla. — Partie, praet.
120". 13 arhapan 121*, 13 farpmnnan 14 pidungan 26 kitragan.
Schwaches verb. praes. ind. 3. sg. I -it (61*, 10 leitit 120", 1. 21
unänit 131". 11 arfurpit 21 marrit) 11 -6t (121*, 4 suiliiöt), IH -6t
(120*, 16 harct 121*, 3 artruknnet 23 ktsaget 20 habet 22 faap^t
121", 25 ap6t). — 3. pl. I -ent (Gl*, 15 pringent) oder -ant (121*, 9
unechant, unisaant). — II -önt (61*. 13 kihalCnt). — Praet. ind. 1. 8g. I
mit apokope 120". lO hflrtih. — 3. sg. I -itji flSI", 23. 121". 20 kifru-
mita). — n -6ta (120", 4 uuerköta). — lU -€ta (120", 10 hap&ta
121", B Bag?ta). — Praes. conj. 3. ag. 1 -e (121*. 17 arteile 14 pnaze). —
MÜSPILLI 99
Praet. conj. 3. sg. I -ti (121 ^ 24 kipuazö). — Infin. I -an (61*, 1
touuan 119^ 16 huckan 120^ 19 uarsenkan 16 kistarkan 121^ 4. 13
suonnan 10 lössan 121 **, 14 arteillan). — 11 -6n (120»», 10 rahhön
121^ 12 kirahhön 121', 8 uutsön). — EI -en 61', 6. 120', 12. 121',
18 sorggn 121 ^ 18 sagSn 120', 14 stüen). — Part, praes. dat. pl.
masc. ni: 121*", 4 lepenten. — Part, praet. I -it (120^ 12 kiuuäfanit
121^ 3 kilütit 121^ 25 gipuazzit). 11 -6t (121\ 7 kimarchot 61', 9
gihalöt).
Von ggn und stSn kommen vor praes. ind. 3. sg. 61', 8 arggt
120^ 17. 18. 121', 14. 121^ 14 stgt. 3. pl. 121^ 17 astent. Infin.
arsten.
Von tuen die 3. sg. praes. conj. 119 ^ 11 tuo; von sin nur die
3. p. sg. praes. ind. ist, einmal mit abfall des t (121\ 20 is).
Von den hilfsverben begegnet: die 3. p. sg. praes. ind. (61', 1.
120', 13. 120\ 5. 8. 16. 19. 121\ 4. 11. 13 scal 120^ 19 cal 61', 7.
121', 8 mac 121^ 6. 17 mak 121', 17 darf 120^ 6 kitar 120^ 15
uuili) 3. p. sg. praes. conj. (120\ 7. 11 sculi 121^ 21 megi 121**, 12
mnozzi). 3. sg. praet. c. (121', 24 scolta).
Von uuizzan die 3. p. sg. praes. uueiz 120% 13 ueiz 121% 19
uiz 121', 14.
In der declination der männlichen a- stamme sind folgende casus
vertreten n. s. (61', 1 tac 119^ 14 satanaz 61', 16. 121 \ 11 11p
121", 2 poum 4 himil 120^ 4 kbuninc 121', 5 gart 8 mäk 21 tiuual);
g. 8. -es (61', 10 satanazses 119% 12 kotes 120**, 17 himiles 121% 1
hliases 121% 20 mordes); d. s. -e (61', 14 himile 120', 16. 120% 2
gote 120^, 12 eliase 18 altfiante, satanase 120% 20 sinde); a. s. (61% 16
töd 19 bü 119% 15 louc 120% 7 pan 15 lip 19 uiger 4 sind); i. s.
-iu (121% 4 lougiu). — n. pl. -ä (121% 2 pergä 121% 8 engilä); g. pl.
-0 (61% 15. 121% 15 engilo 61% 16 himilo 121% 8 urho); d. pl. -on
(121% 13 mägon); a. pl. -ä (121% 9 deotä).
Von weiblichen a- stammen: n. s. -a (61% 7 s§la, suona 120% 16
hilfa 120% 1. 121% 14 sela 120% 14 kOsa 121% 12. 121% 13 marha);
g. s. -ä (61% 20 hiia 119% 13 hellS 120% 1 Knädä); d. s. -u (120% 9
rahhu 121% 18. 24 suonu 121% 22 ruouu 121% 3. 6 erdu 121% 10
moltu 15 rihtungu); a. s. -a (119% 14 pina 121% 1 erda 121% 8
marha 121% 9 minna); g. pl. -6no (121% 17. 22 rahOno); d. pl. -6n
(121% 11 uazzdn); a. pl. -ä (120% 14. 121% 14 uirinä).
Von neutralen a-stämmen: n. s. (61% 11 leid 12 ding 17 lihot
119% 11 muot 120% 13 uuiho 121% 1 pluot 3 muor 10 uuasal, uugir
121% 18 houpit); g. s. -es (119% 14 pehhes); d. s. -e (61% 5 pehhe
120% 14 phhe 120% 8 mhale 9 rlhche 22 uuige 121% 16 mahale
7*
100 nfm
1211., 9 dinge); a. b. (61% IJ. ll9^ 3 fuir Öl", 19 hfla 120». 5 mhal
121', 7 lant); l s. -u (121", 7 uuim 61», 18 pardlsu 121', 23 ala-
muasauu); g. pL -o (120\ 6 parno); A. pl. -on (Cl", 5 himilzungalon).
Von ja-stüminBU ist im inasc. Tortroten: n. b. {121% 3 suanärl);
Tom neatr. der n. s. («1*. 4 beri 10 kisiiidi): g. s, (121', 23 DpUea
121», 29 mancunnee) ; d. s. (61*, S berie 121", 15 uuize 121*, 9 (Das-
pille); a 8. (120*, IB rlhhi 61", 16 rihi); g. pL (120% 6 chnnnO; vgl
Gramm, a. 365. 121% 5 horio).
Von i-BtÜmmen ist nur der n. s. f. 121", 11 luft, der d. B. f.
(120% 3 onerolti 20. 121% 7 steti) der gen. pl. 121% 22 t&to and der
d. pL f. (I2ü% 2 kiliuctin 121% 12 tätin), von u-stämmeu nur 121% 17
baut and 120% 20 das compog. sigal^ im Muspilli nachzuweisen.
Von dentalstämmen begegnet 121% 18 der d. c. altflante.
Von sonstigen couaonautischen stammen ist zu nennen a. »on
männlichen au-stfimmen der n. s. (120'', 11. 17 antichristo 121% S
mftno 7 atflatagoj; a^ s. (61% 3 libhamun 23 uoillun); n. pl. (120% 13
kbeufan); g. pL (121% 13 gomöno); a. pl. (120% 11 uuerolt rehtautBon
15 rehtkernon); — b. von weihlichen n. s. (61% 17 aelida), a, B.
(61% 17 sorgttn 121% 24. 121% 2 miatän); d. 9. (121% 24 fastflri);
d. pL (121% 20 miatön); a. pl. (121% 28 mäsün); — c. von jin-Btäni-
men der n. 8. (121% 15 menigl); d. a. (l20% 13 flnstri); a. b. (61% 12
finatri).
Von dem substantivam man begegnen folgende casus: n. s. niao
(61% 18. 121% 12. 111. 22. 121% 8. 20 neoman 120% 15 nioman 121% ti);
d. a. manne (121% 15); g. pl. manne (120% 7. 22. 121% 2. 17); mauo
(61% 21. 121% 10); d. pl. mannun (121% 20).
Vom demonstrativ und relativ gebrauchten artikel ist vertreten
a. masc. n, s. der (I9mai), d. 9. demo (4mal), einmal domo (120% 20),
einmal mit dem folgenden worto verschmolzen (121% 15 demanne),
a. s. den (6raal), n. pl. die (3mal, dia 121", 16). g. pl. dero (61% 14),
d. pl. dSn (120% 16). a. pl. dia (12(i% 10); b. femin. n. s. diu (Smiü),
d. 9, deru (7mul), dera (121% 25). a. a. dia (121% 8}, d. pl. dga
(121% 20). a. pl. dio 121% 24. 28. 29); c neutrum n. s. daz (7inal),
g. a. des (120% 21), d. s. demo (3mal), a. 9. daz (7 mal), dz (121% 21.
121% 1), i. 8. diu (6raal).
Das alte demonstrative t (vgl got. patoi) iot damit verbanden
fil% 12 dazl (vgl. 61% 16 dari).
Vom stärkeren demnnstj'iitivpronomeu findet eich nur alH gen. sg.
neut 121% 29 desse, das aar im ersten compositionsteile flektiert ist.
Vom persönlichen pronomen begegnet im masc. n. a. er (iSnml)
d. 8. im« (7mal), d. pL in 120% 13 ; im fem. n. s. stets die jQngsre
MU8FILLI 101
form si (61», 3. 8. 14. 121«, 15; vgl. Gramm, s. 404); d. s. im 61% 11.
a. s. sia 61*, 9. 10. 13; im neutrum n. s. iz (121*^, 22); g. 8. es 119^
11); a. s. iz (121% 11. 23); n. pl. siu (61% 6).
Als reflexivpronomen wird im acc. gebraucht sih (6 mal); als
possessivpron. das flektierte sin (119^ 11), stngn (l21^ 12), sino (120*,
14. 121**, 11); als interrogativpron. im acc. sg. nentr. uaz (121^ 19),
im i. s. n. uuiu (121^ 14).
Für die flexion des adjektivpronomens ist zu beachten , dass mehr-
fach in eigentümlicher art die unflektierte (starke) form begegnet. Von
der pronominalen form begegnet ein masc. : d. s. -emo (F hat emu;
61', 8 uuederemo 121', 8 andremo 61', 21 uelihemo; vgl. Gramm,
s. 431), a. s. -an (119**, 15 heizzan 120*, 12 suntigan), g. pl. -ero
(121^ 8 allero 61', 21. 120 \ 7 alero 121 ^ 15 guotero), d. pl. -gn
(121', 12 sinen 121 \ 4 töten, lepentgn 121 ^ 14 töten, quekkhgn);
im femin. a. s. -a (121', 17. 22 ueliha 121^ 22 dehheina); d. pl. -en
(12 1\ 12 sinen); a. pl. -o (120*, 13 sino); im neutr. n. s. -az (120\ 6
kilihaz 121^ 5 allaz); a. s. -az (121', 10. 11. 23. 121b, 12 allaz); —
von der consonan tischen decl. die formen: n. s. m. 120 ^ 3 mahtigo
121', 19 uu§nago, d. s. m. 120\ 2 himiliskin, a. s. m. 120**, 15 hgui-
gön 12l\ 29 luzigun, n. s. n. 121*, 10 preita 121^, 5 meista; a. s. n.
121', 21 reta. — Das adverb ist auf -o gebildet (rehto 120', 15 reto
121', 17. 121^ 11 dräto 120', 12 kerno 119^ 2 harte 119\ 13).
Aus dieser Zergliederung des Muspilli ergibt sich mit Sicherheit,
dass, wenn überhaupt einmal das gedieht im fränkischen dialekt vor-
handen war, was mir keineswegs sicher scheint, da die beweise höchst
unsicher sind , dasselbe jedenfals volständig in das Bairische umgedacht
ist, nicht blos umgeschrieben. Die fränkischen spuren beschränken
sich zum grösten teile auf Schreibergewohnheiten, die nur von belang
wären, wenn sie eine Verschiedenheit der ausspräche bedeuteten. Die
aufgäbe kann nur sein, die um etwa ein menschenalter ältere bairische
form zu reconstruieren, wobei sich nur sehr wenig änderungen ergeben
dürften. Auf grund der obigen betrachtungen gewinnen wir folgende
textform :
stn tac piqueme daz er towan scal;
wanta sär so sih diu sSla in den sind arhevit
enti si den lihhamun likkan läzzit,
so quimit ein heri fona himilzungalon,
5 daz andar fona pehhe: dar pägant siu umpi.
sorgen mac diu sola, unzi diu suona arget,
za wederemo herje si gihalöt werde.
wanta ipu sia daz satanäzses kisindi kiwinnit.
102 FIFBB
daz leitit sia sär dar iru leid wirdit,
10 in fbir enti in finstri: dazt ist yirinlih dink.
npi sia avar kihalönt die dar fona himile quemant
enti si dero engilo eigan wirdit,
die pringent sia sär üf in himilo rihhi:
dar! ist lip äno t6d, lioht äno finstrt,
15 selida äno sorgün dar ni ist neoman siuh.
denne der man in pardtsn pü kiwinnit,
hüs in himile, dar quimit imo hilfö kinuok.
pidiu ist dürft mihhil allero manno welihhemo
daz in es unarmuodenlicho sin muot kispane,
20 daz er kotes willnn kerne tue
enti hellä fair harte wlse,
pehhes pina: dar piutit der satanäz allen,
altisto heizzan louc. so mac huckan,
za diu sorgen dräto, der sih sunttgon weiz.
25 w@ demo in rinstrt scal sine yirinä stüen,
prinnan in pebhe: daz ist rehto palwtc dink,
daz der man haret ze gote enti imo hilfa ni qnimit.
wänit sih kinädä diu wenaga s§la:
ni ist in kihuctin himiliskin gote,
30 wanta hiar in werolti after ni werköta.
So der mahtigo khuninc daz mahal kipannit,
dara scal queman kunno kilihaz:
ni kitar pamo nohhein den pan furisizzan,
ni allero manno welth ze demo mahale sculi.
35 dar scal er vora demo rihhe az rahhu stantan
pl daz er in werolti io kiwerköta.
« «
Daz hörtih rahhdn dia weroltrehtwison,
daz sculi der antichristo mit dliase pägan:
der wäre ist kiwäfanit, wirdit untar in wie arhapan.
40 khenfun sint sö kreftic, diu kösa ist so mihhil.
ßlias stritit pi den dwigon lip,
wili d6n rehtkemön daz rihhi kistarkan:
pidiu scal imo helfan der himiles kiwaltit.
der antichristo stet pi demo altfiante,
45 stet pt demo satanäse, der inan varsenkan scaL
pidiu scal er in dem wicsteti wunt pivallan
enti in demo sinde sigalOs werdan.
MÜ8FILLI 103
Doh wänit der wäre des, in wäle gotmanno,
daz §lias in demo wtge arwäfanit staute.
50 Sd daz dliases pluot in erda kitrinfit,
so inprinnant die pergä, poum ni kistentit,
dntc in erdu. aha artruknet,
muor varswilhit sih, swilizdt lougju der himil.
mäno vallit, prinnit mittilagart,
55 st^n ni kistentit: denne stüatago in lant
Terit mit Tuiru ririho wisön,
dar ni inac mäk andremo helfan vora muspille.
denne daz preita wasal allaz varprennit
enti ynir enti luft iz allaz arftirpit:
60 war ist denne diu marha dar man eo mit mägon piec?
*
diu marha ist farprunnan, diu sela stet pidwungan,
niweiz mit wiu puaze: sär verit si za wlze.
Pidiu ist manne so guot, denner ze mahale quimit,
daz er rahhöno welihha rehto arteile:
65 denne ni darf er sorgSn, denne er ze suonu quimit.
ni weiz der wenago man wielihhan urteil er hapet,
denner mit den miatön marrit daz rehta,
daz der tiuval dar pi kitarnit stentit.
der hap6t in ruowu rahh6no welihha,
70 daz der man ir enti sid upiles kifrumita,
daz er iz allaz kisagSt, denne er ze suonu quimit.
ni scolta manne nohhein miatün intfähan.
*
So daz himilisca hörn kihlütit wirdit
enti sih der suanäri in den sind arhevit:
75 denne hevit sih mit imo herjo meista,
daz ist allaz so pald, daz imo nioman kipägan nimak.
denne verit er ze mahalsteti dem dar kimarchdt ist.
dar wirdit diu suona dia man dar io sageta.
Denne varant engilä uper dia marha,
80 wechant deotä, wissant ze dinge.
denne scal mannogilih fona dem moltu arstSn,
lössan sih ar hlewo vazzön: scal imo avar sin lip piqueman,
Za y. 49 vgl. Apoc. XI, 3 „amicti saccis'' und gl. B. bei Stoinmeyer-Sie-
yers 189, 3.
104 PIPEB, MU8PILLI
daz er sin reht allaz kirahhön mnozzi
enti imo after sinSn tätin arteilit werde.
85 denne der gisizzit der dar suonnan scal
enti arteillan scal tCtön enti quekkhgn,
denne stgt dar umpi engilo menigi,
guotero gomöno gart ist so mihhil.
dara quimit ze rihtungu sö vilo dia dar ar resti arstent,
90 sö dar manne nohhein wiht pimtdan ni mak.
dar scal hant sprehhan, houpit sagSn,
allere lido welth unzi in den luzigun vinger,
waz er untar mannun mordes kifrumita.
Dar ni ist io listic man, der dar iowiht arliugan megi,
95 daz er kitaman megi täte dehheina,
niz al fora khoninge kichundit werde,
üzzan er ez mit alamuasanu furiilti in werolti
enti mit fastün dio ririnä kipuaztL
Ni mac sorgen der gipuazzit hap§t denner ze suonu quimit:
100 wirdit denne ftiri kitragan daz fröno chrüci,
dar der hSligo Christ ana arhangan ward.
ougit er dio mäsün dio er in menniskt intfienc,
dio er duruh mancunnes minna
ALTONA, JANUAR 1882. P. PIPER.
DAS MÜNCHENER LIEDERBUCH.
Das „Münchener Liederbuch^ der k. hof- und Staatsbibliothek
(Ms. 208. Mss. music. 3232, früher Cgm. 810), aus welchem Rudolf
Eitner in der als beilage zu seiner Zeitschrift ^ erschienenen samlung :
„Das deutsche Lied," band H die mit musiknoten versehenen deutschen
lieder nebst ihren singweisen, und mehr um dieser willen, veröffent-
licht hat, enthält ausser denselben auch eine anzahl deutscher lieder
ohne melodieen, welche Eitner deshalb imgedruckt gelassen hat Doch
mögen auch sie , obwol einer etwas späteren zeit als jene angehörend,
des abdruckes nicht unwert erscheinen , wäre es auch nur um der ver-
gleichung willen mit anderen ähnlichen samlungen, wie etwa dem
1) Monatshefte f&r Musik -Geschichte, herausgegeben von der Gesellschaft
für Musikforschung; Xu. Jahrg. Berlin, 1880.
FBOMUANN, DAS MÜNGHXNBB LISDBBBUCH 105
älteren^ sogen. Locheimer üederbuche oder dem etwas späteren Ber-
liner.^
Was die nähere beschreibmig des mannscriptes angeht , verweise
ich auf den von Jol. Jos. Maier, custos der k. hof- und Staatsbiblio-
thek verfassten katalog: „Die musikalischen Handschriften der k. Hof-
und Staatsbibliothek in München," I. teil (München 1849), s. 125,
sowie auf Eitners Zeitschrift , a.a.O. undVI. jahrg. (1874), s. 147 — 160,
woraus ich hier nur folgendes widerhole.
Die handschrift rührt aus der Schedeischen familienbibliothek in
Nürnberg her und ist zum grösten teil autograph Dr. Hartmann
Schedels (arzt und historiker; geb. 1440 in Nürnberg, gest. 1514).
Dieselbe gelangte nebst der übrigen bibliothek Schedels um die mitte
des 16. Jahrhunderts in den besitz der kurfürstlichen bibliothek in Mün-
chen nebst einem von H. Schedel um 1490 selbst angefertigten kata-
loge seiner bibliothek, in welchem er obige handschrift (fol. 146, cod.
lat. 263) als „Liber musicalis cum cantilenis" anfahrt; auch befinden
sich auf der Innenseite des vorderdeckeis die werte: „Libellus doctoris
hartmanni schedel" eingeschrieben.
Bis bl. 107 ist das manuscript ausschliesslich von Schedel selbst
geschrieben, die späteren 63 blätter aber abwechselnd von Schedel und
anderen bänden. Es enthält im ganzen 154 lieder in bunter reihe —
132 derselben rühren von Schedels band her — nämlich: 70 deutsche
mit musik, 26 ohne musik, 20 französische chansons, 18 lateinische
gesänge, 2 italienische, 2 tanze und 16 stücke ohne oder mit unver-
ständlichem textanfange.
Auf bl. 54 • steht über dem liede „Die vasenacht tut her nahen"
usw. die Jahreszahl 1461, auf bl. 160: 1465 und auf bl. 139 unten:
„Anno Ixvij." Das lied: „Es ist kein schercz ob senlich smercz ver-
wunt mein hercz" (bl. 142) schliesst mit den werten: „Wan dir das
singt der tewberstein zu einem guten jare," und unter dem liede:
^Das leppisch gut zu lachen ist" (bl. 37) steht von der gleichen band
die bemerkung: „Hoc composuit dux ludwicus bauarie."
Bl. 145.
Ach got wem sol ich clagen
das ich so elend bin
mein hercz wil mir verczagen
wen ich gedenck da hin
lip an das senecliche scheiden
0 we der grossen not
1) Monatshefte usw., VI. Jahrg., 8.67 — 74.
106 FBOMMANH
es ist geschehen zwischen vns beyden
das mocht derbarmen got.
Nn ist meyn hercz besessen
mit swerer peyn so gross
ich kan dein nicht vergessen
wen ich gedenck an das
das du mir host erczeiget
lip dein roten mnnt
0 we meyn grossen leydes
mein hercz ist ser verwuni
Nu wil ich dich wol sprechen
nf meinen rechten eit
mein hercz wil mir zubrechen
von senechlichem leit
das ich dich hab verloren
du aller hogstes . . . (Lücke!)
ich hab dich außerkoren
ober alle so libstu mir
Ogen trost meins herczen
thu nicht vergessen mein
gedenck an grosse smerczen
den du pist alein
der ich do wil so stete sein
ken dir mein hogste hört
mein trauren ich das clage
wis auf mein widervart
Geselle du solst geloben
das ich dich mit treuen gemeyn
ich bin sein nicht en laugen
mein hercz ist dein allein
das auf hast du gebauet
mit ein festen grünt
geselle du solst geloben
mi^ erfreuet dein rote munt.
Bl. 146.
Es ist ein sehne gefallen
vnd ist es doch nit zeit
man wurft mich de pallen
der weg ist mir verschneit
DAS icOnohxkbb ldedeabüoh 107
Mein haoß hat keinen gibel
es ist mir worden alt
zerbrochen sin mir dye rigel
mein stablein ist mir kali
Ach lib laß dichs erparmen
das ich so elend pin
vnd laß mich in dein armen
so yert der winter do hin.
Der Winter wil vnß entschleichen
der Summer vert do her
mir Übt ein seuberUche
weit got wer sie mein.
Ich hat mir erkoren
ein minigliches leut
an dem hab ich verloren
mein Üb vnd auch mein treu.
Das Udlein sein gesungen
von einem freulein fein
ein ander hat mich verdrungen
das muß ich gut lau sein.
BL 146».
Mein hercz ist mir betrübet ser
das schafft sein senckliches scheiden
es mag genesen nymer mer
es mag wol sterben vor leide
mein höchste krön
ich muß dich Ion
ich muß da von
vnd ich muß über dye beide.
Got gsegü lib ich far do hin
mit senicUichen äugen
betrübet sind die synne mein
wo man sich solde freuen
mein eygener trost
mein herczen lust
du bist vor trost
wen ich dich nicht sol schauen.
0 mördigo er fort do hin
mein hercz ich ym ergeben habe
108 FBOMMANN
in smerczen brinnen alle mein syn
die lib mir nymant erleschen kan
geselle mein
meins herczen ein schrein
sleuß anf die libe dein
wan ich das nymer leiden kan.
Elende muB ich ymer sein
wen ich dich nicht schol schauen
verplichen ist ir roundlein rot
do zu ir williche äugen
mein iunges hercz
mufi leiden smercz
in sulchem schercz
elende muß ich bauen.
0 morgen rot ich far do hin
mein schein ist mir vergangen
vorblichen ist ir mundlein rot
dor zu ir liplich wange
zart freulein gut
biß wol gemut es wirt wol gut
wen ich kum wider zu lande.
Bl. 147.
Ein swarczes rusiges dimelein
das thut erfreuen mich
sye spint vnd kert vnd heiczett ein
ir thun ist wuniglich
mit schimphen vnd mit scherczen
sye libet mir in dem herczen
ir gestalt ist adelich.
Stifel braun vnd dar czu stolcz
das want ir alczeit pey
Waschen vnd packen vnd tragen holcz
da von iß sie nit frey
sie thut mir sere libn
scholt ich ir ein scheitlein kliben
des tags zwei ader drey.
Dar czu wer ich auch wol gerecht
mit ir gar wol ver eint
an dem tancz oder wo man sie sieht
do man der freuden spilt
DAS MÜNORBNEB LDSDBBBüCH 109
sie thut mir wol gefallen
sie Übt mir vnter in allen
danck hab mein libe gespil.
Bl. 147 \
Liep han vnd seiden sehen
das thut dem herczen we
das pin ich ynnen worden
wie sal es mir ergen
Sal ich sie nimmer sehen
die aller libste mein
so Sprech ich auf mein treue
mein hercze das leidet pein.
Gedenck an ein gefangen hercze
vnd das zcu mancher stund
vor dir so hart gefangen leit
vnd ist so gar ver&unt
Dud (Das?) hat kein freud auf erden
dan du lip ym erczeigest
Ich biet dich durch dein berde gaet
das du mir freuden erczeigst.
Noch freuden wil ich ringen
zu diser sumer czeit
^b ich es mag volbringen
meines vnmut werden quyt
Eins grüß pin ich begeren
czart libstes lip von dir
wollestu mich des ge&eren
dor noch stunde mein begir.
Ich kom gar heimlich zu ir gangen dar ^
ich ward gar schon enphangen
sie nam meyn eben wäre
Sy truckt mich an irS arme
wol mere wan thausent stund
das laB dich lip erbarmen
mein hercz ist mir ver&unt.
Wan ich an dich gedencke
mit treuen ich dich mein
1) Zwei Zeilen in eine 2asammengeflos8en : loh k. g. heimlich gangen
ZQ ir dar
110 FBOMMANM
von dir wil ich nit wencken
du host mein hercz aleyn
Das han ich dir ergeben
genczlich czu eynS knecht
noch deynS^ leben
alczeit findestu mich gerecht.
Bl. 148.
Mein hercze hastu besessen
du aller libste czart
Efi kan mir nit vergessen
vnd lyt mir werlich hart
wan ich an dich gedencke
so han ich freuden vil
das ich von dir muss wencken
das thut meinem herczen we.
Sy gab mir iren sogen
mit ir sehne weisen hant
Sy sprach got sol mein pflegen
kam wider her zu hant
Dein sogen vnd mein verlangen
macht mir mein iamer groB
Dos lyt mein hercz gefangen
vnd lyt (leidet) manchen stoß.
Bl. 148'.
0 lib wie süß dein anfanck ist
wo du zum ersten enspringst
ctch* hercze lib an argen list
treulich zu lib verpincst (verbindsf)
die mit der grünt in freuden'
vnd gibt [mir] vil werder czeit
das end pringt grosses leiden
vnd sweres herczen leid.
Mein hercz hat sich verphlichtet
in eren gestige (geniget?) zu
mit freuden hoch gestifftet
nach allen meinen fug
das schafft ein reines weihe
von der ich muß dahin
1) LfldEe: willen? wünsche? S) fioei h. L? 3) die miile ergrünt in fr.?
DAS mOnchbmbb ubdbbbugh 111
so geschach mir nye so leyde
weyß got allem ynd ich.
Auß herczen tief vnd doch erseufcz
wen ich an sye gedenck
tc;eraubet ist mir mein hercze
vor leid wind ich mein hende
das ich mich schol erwegen
der miniglichen figar
dye ich mir hab außerlesen
auß aller creatnr.
Noch dir stet alle mein begir
du gewaldiger amantist
0 du edels iralsamplut
wye we mir nach dir ist
ich kan dein nit vergessen
wo ich in der weit hin far
mein freud stet vngemessen
das wiß zart lib für war.
0 frau thu mich des geweren
des ich dich pite mit fleiß
vnd thu mein jugent emeren
allein hastu die speiß
sust lebet kein auf erden
die mich erfreuen mag
nu u^&ar dich got in eren
des pit ich tag vnd nacht.
BL 149.
Eund ich der reynen dynen eben
nach lust gefedlen leben
wes sie u^egert das vril ich sein
frolich ia vnd nicht neyn
ich CTO libe meyn.
Heyn ist ir tugent manick<
liplich iugent vnd nit alt
sie bot zwey auglein dy sint dar
golt far ist ir har
ir mundlein rosen far.
Schold ich ir brustlein ploß an ruren
ir hemdlein weiß auf schnüren
112 VBOMMAim
nem dich lib yn ir ermelfi blanck
kein groser fobe danck
so wer mir die zeit nit langk.
Scheiden meiden wen wild da mich lassen
da krenckest mein hercz on massen
in rechter libe ist es encznnt
in der libe hicze brint
das sey dir lib verknnt
Bl. 149 \
Gnad lip ich far von hinnen
betrübet pin ich hart
das ich bey dir nit mag gesein
ich weiß kein wider fart
des pin ich ser erschrocken
mein mut ist mir encznckt
das scheiden macht mich erstocket
mein freud ist mir vernickt.
Geselle piß vnuerczaget
vnd laß dich trösten groß
bis vnß die zeit betaget
du finst mich doch nit bloß
alczeit ynuerkeret
wen ich der libe wart
biß vns die zeit bescheret
trost mich dein wider fart
Mir benugt lib in dem herczen
dein znsag gibt mir mut
wie wol mich scheidenB smerzen
kein man benügen thut
yedoch thut mich ergezen
dein lib manigfalt
es kan kein man geleczen
du host mein gancz gewalt
Wie ferr ynd lang dye weile
geselle du von mir pist
ydoch so lange weyle
in meinS herczen ist
geaugen (geangen?) manigfalde
wan du doch wenig weist
DAS JfÜMCHBNBB LIBDEBBUCH 113
got füg dich schir zu laude
das weger ich aller meist.
Eonde ich noch vorgleichen
das du genügen thust
an zweifei ewiglichen
solt es mir (Bl. 150) werden last
im herczen sonderliche
in lib freuuüich dich bit
hab alczeit gut gedinge
vnd trag kein vnmut nit.
Wie mag mich trost erlangen
wen ich nit bey mir han
mein lib in hohen prangen
in sorgen muß ich stau
wen ich nit kau erfaren
mein ort (hart?) wie dii-s ergee
so muß dich got tc;ewaren
mein hercz M^egert nit mer.
Verschriben vnd versigelt
in meines berczen grünt
verschlossen vnd venigelt
sol es sein zu aller stund
mein lib in hohen eren
sol wol «<?ewaret sein
an aller ley beswere
gnad lib ich far do hin.
Bl. 150 V
Wol hin es schol geschiden sein
das ist ein swerer orden
Ein plomlein heist vergiß nicht meyn
das ist mir dur'e worden
mein lip das hat gedenck nit mein
gepflanczt yn yre hercze
das ist ein böse zcu versieht
vnd bringt mir große smercze.
Sie kan wol yren mantel keren
kegen regen vnd auch gegen winde
ja czwar ich wil irs wol wescheren
das sy iren gleichen wirt finden
SEITSCHB. r. DBUT6CHE PHlI.OLOai£. BD. XV. 8
114 ntoncAMir
Der sie wirt effen sunder spot
vnd wirt irs wol vergelden
nach dem sie mir gemesen hat
das sie nach kume thar melden.
Bl. 151.
Es leit mir hart vnd ist mein klag
groß senen ich in meinem hercen trag
der schimpf mir nit gefeilet wol
das ich pey ir nit wessen sol
wie hart ich das verdol
mein gemnt ist alles senens vol.
Wer ich sein ab des ich mich sen
alczeit ich hab der liden pein
sy macht mich traurig wolgemat
doch leid ichs als was sie mir thut
das dnncket mich alles gut
mein hercz vor senen ymmer mt.
Mach mich senen frey du werdes ein
kum pald czu mir neur du allein
noch deinem willen fru vnd spat
vnd leich mir her deinen freuntlichen rat
der mich vnd dich nit lat
mein hercz sich seer verwundet hat.
Mach mir sorgen pus du mein leit verker
oft ich mus vnd doch sein nit beger
dos sol ich nymant czeichen den dich
dos soltu fraw (BL 151^) geweren mich
wenn ich dich erst an sich
so sein verriebt neurt du vnd ich.
Das mir ir trost czu giuallen kom
wurd ich erlost das sie mich aufTnem
das ich nit zug im naren sieln
wenn mir kein andre pas gefallen will
treff ich das rechty czyl
swas sie mich hies das wer mir nit czeuil.
(Von anderer hand und in älterer Schreibweise.)
BL 152.
Ach meiden du vil sende pein
wie hostu mich vmbgeben
verschlossen in vor gende schrein
dar in ftir ich mein leben
DAS MÜNOHBNBB LIEDERBUCH 115
•
dar in ich schrey mit lauter krey
vnd kumpt mir gar on eben.
Mein höchstes heil vnd zweifei nit
laß mich des nicht entgelden
das ich dich lib so seiden sech
dar vmb tha ich dirs melden
dar pey erkenn als ich dirs nenn
laß mich gen dir nit scheiden.
Bl 152'.
Mein hercz in steten treuen
in hofnung gen dir was
die mir mein freud thut meren
von tag ie lenger ie paß
jr lib hat mich vmbfangen
welch end ich mich hin ker
nach ir stet mein verlangen
mein vnmut wer zergangen
het mich die zart gewert.
So pin ich ser verfuret
durch ire kluge wort
mein hercz an zweifei spuret
das sie die warheit spart
zu mir an als verschulden
zwar ich sein nie gedacht
das kumpt von fremden schulden
sold ich vngnade dulden
ich hilcz in keiner art (acht?)
Von lib ist mir geschehen
das ich sust nymant sag
het ich mich frir gesehen
so dorfb ich keine klag
jr lib wolt ich «betrachten
an alles wider gelt
dar vmb wart nie gefocbten
mein allerminstes achten
das klag ich aller weit.
Als sie mir thet versprechen
auß ir6 roten munt
jr lib an mir nit swechen
thet sy mir aber kunt
dar nach stet mein beginnen
116 VBOiofijnff
vnd auch mein steter mut
ich hof mir wol gelingen
solt ich die zeit verpringen
die mir verlangen thnt.
BI. 153.
Der mey mit seyem schalle
erfreuet manchs gemut
ein plumlein ob in allen
das stet in hocher plut
Yeiel ist es genennet
das mich erfreuen thut
wo lib in lib erkennet
so wirt es nit zu trennet
wan es stet wol behut.
Wolgemut grünt auch da her
mit seiner tugent rein
noch im stet meyn beger
wan ichs in treuen mein
di edelem blulein zart
in dises meyen zeit
mit tugentlieA arte
ensprossen auB libes garten
haben si manch hercz erfreut
Gar liplich hört man singen
di schon frau nachtigal
auch andre vogelein cliiigen
in walden vber al
Di sich alle thun freuen
des werden meyen gut
si kan mir leid zu streuen
die ich do meyn mit treuen
nach dir mein hercz stecz bnt
Bl. 153*.
Die ich in mein6 synne trag
di ist wunicklicher gestalt
ich dint ir doch wol nacA vnd tag
ir gut ist manickfalt
si hat meyn hercz vmbfangen
so gar mit ganczer macht
das schaffet groß verlangen
hot mich zu traoren procht
DAS IfÜNCHBNBB LISDEBBUCH 117
Trauren var hin mit schalle
ynd du scholt vrlaub han
dir zu wol gefallen
so wil ich prauen tragen
praun weAent verschwigen
ynd ich weis anders nit
mein trauren muß ich sweigen
das hab ich mich verphlicht.
Zu einer die mir so gefeit
auf getrauen so din ich ir
zu der sich hot mein herz geselt
det si des gleichen gen mir
so must mein leid der sterben
in iamer vnd auch in pein
moch ich ir huld erwerben
wie mochte mir paß gesein.
Nu wol hin auf getrauen
hoSnung hat mich demert
dor auf so wil ich pauen
so lang mir wider fert
Hoffen ynde harren
de darf sich nimant an keren
got must dich toebBien
piB das ich zu dir kum.
Bl. 154.
Elend hat mich vmb fangen
so gar on al meyn schuld
nach der mir thut verlangen
mit smercen ich das duld
das machen ire suze wort
do mit hat sie mein hercz verfnrt
manch geselle gut ein frau behut
vnd pringt sich selber in not.
Pein vnd grosses herczeleit
vmb frauen willen vor war
zu tragen sint ir vil bereit
das sag ich oSemodi
ein gutlichs wort die libe stifft
do von wirt im sein hercz vorgift
ein Wochen lip dye ander leit
das ist ir stetekeit.
118 FBOMMANN
Ligen trigen ist ir gemein
wer ir vil glauben wil
si spricht wol ya vnd meinet neyn
piß er kumpt in das seyl
als man auch den volglein tut
man pfeift yn suß vnd macht yn gut
piß sy kumen eyn vnd gefangen seyn
et vnd weren geslagen tot.
Ach got wy gar wirt der betrogen
der nu nicht weis dy weise
ym wirt so offt für gelogen
dy wort fürt sy gar lise
wen er noch yr bot sein vorlangen
suerlichen wirt er den gefangen
als seyn begir das stet zu ir
dar er mag komen schir.
Jomerlicher jamer
wy betrubestu mich so ser
durch dich so leid ich komer
du pringst mir offt smerczen
meyn std doch frauen sich
sy geheit eyn andern sicher als mich
resche lib pald er sy vor alt
so wirt sy genczlich kalt
Wol ich sust wol bekumen
ich furcht es sey verloren
so nem ich keinen frumen
wen ich wurd aber vorkoren
zum ersten ist einer wol gewert
auch alles (Bl. 154^) was seyn hercz begert
pj bald ist das verkart das ist ir art
mit schaden wirt einer gelart
Senecklichen senen
du hsd mein hercz verwunt
ich hab alczeit wol wenen
die lib wer gancz verpunden
mich duncket werlich sicherlich
sy hab ein andern liber den mich
sol mich uu nicht rauen meine traue
auf sy stet nicht zu bauen.
DAS MÜHOHXNEB LIXDSBBUCH 119
Torst ich mich nun rechen
an ir noch meiner Inst
ich wil werlich sprechen
mein wil solde werden gewust
je doch so wil ich schonen meyn
vnd wil nymer yr eygen seyn
seynt das nicht wil wenden mein elende
so hab die IIb ein ende.
Yerwor das ist also
wen dy lib hat vmbgeben
seyn hercz wirt gar selten fro
sy Ä^encket ym seyn leben
wen yn dy gedencken kamen an
nymant er recht berichten kan
uns das er knmpt zu yr nach seyner begir
dy freude verget gar schir.
Eya ir feinen gesellen
nun gedenckt alle dar an
lat euch die lib nichte feilen
dar ir moget abe Ion
gelaubt nicht an ir gesiebt
ym herczen ist ein ander gedieht
manchs suß wort das stiftet mort
vnd bringt sich selber yn not.
Solche libe solt ir hau
wen sy euch gibet gute wort
yntreue solt ir betrem (bekene?) tragen
so wert ir nicht vorfurt
ab sy mit euch gar gutlich spricht
werliche das hercze erfert es nit
also pin ichs verloren das tut mir czoren
far hin ich hab mer verloren.
Ade ade zu guter nacht
nun pin ich gancz elende
het ich das an dir gedacht
meyn lib het lang eyn ende
meyn syn genczlich nach scheiden stet
so mer in zeiten als lang gepeyt
wie wol das hercze meyn muß leiden peyn
ie doch so muB es gescheiden sein.
120 FROMMANN
Bl. 155'.
Ein weiplich bild mich trucket
gar freuntlich an mein brnst
ir wenglein nicht verczucket
das gab mir freud vnd lost
al zu der selbigen fart
ir wenglein die sein roter
wen ye kein rose wart.
Ir eugle die sint clare
ir wenglein rosen &r
dar zu zwei fuslein smale
traget sy gar offenbar
ir brustlein sein hart
recht sam sy weren gesniczet
sy sint gar wol gestsdt.
Ich kan ir nicht vorgessin
der aller libsten mein
ich trinck slaf oder esse
mit trauen ich sy meyn
wen icli sy loben muß
allen kumer den ich hab
tut sy mein hercz husen.
Swarcz wil ich tragen grau
gibet mir guten rat
zu einer werden frauen
si ist gar wol gemut
ich dyente ir vnder tan
sy traget eine crone der eren
ein a dar vnter stet.
Ade ich muß mich scheiden
von der aller libsten meyn
mir geschach noch nie so leide
vnd muß gescheid en
wen ich mich scheiden muß
gesegen got meyn freulA zart
ade ich far do hin.
Bl. 156. (andere band.)
Blaß abe den hunden das ist zceit
dy netz sind auff genommen
welch wilt in guter weyde liet
ich forchte es wil nicht kommra
DAS MÜNCHBNEB LISDKBBUCH 121
wer stellet vnd nichten fehet
was achte ich das der läget
wer merken kan ynd wol verstheet
was darff der vorbaß fragen.
Ich binß vor erret nflF wilder ban
das wilt ist mir entgangen
das ich so lange geiaget han
das hat eyn ander gefangen
traw stete liebe vnd gunst
habe ich dor an gehetzet
laß faren wen es ist mb süst
meyn frewd ist mir vorletzed
Welch wilt dy hnnde gerne hört
vnd Inst nach manchem home
das wirt dy lenge io betört
es schawt wedder püschz nach dorne
kompt eyn sneller dor an
der hat is balde gebissen
wen is meynt es wil in frewden stan
so ist om dy häth zcu rilBen.
Bl. 156'. (andere band.)
All mein pegir sent nach dir
Das schaffet lieb dein so wert
Nun han ich mir gennmmen fQr
Dir pleyben stet vnd vnverkert
Wenn es dir nur gefeilig wer
So mocht mir doch nicht paß gesein
uergangen wer mir senlich swer
das ich teglich &n mittel ser
trag heimlich in dem herczen mein.
Wie wol ich spar vnd nit enthar
Genczlich verkünden dir mein hercz
Das went mir czwar den vnmut gar
vnd furcht eß sey dir doch ein schercz
wenn ich dich frewlein werd vnd rein
so frewntlich vmb dein trewe bet
Geb ich dir denn vrsach zu nein
Das wer mein aller freuden kern (?)
Nun rew mich das ich ye getet.
Solt ich durch wort dich liebsten bort
begeben vnd mir sein vngenem
122 FBOMHANN
das wer ein mort meins herczen hört
wa das dein lieb nicht recht nernem
wan ich all fremden (firewden?) von dir nun han
So ich mein hochsteß .v. an sich
So wird ich trawrenß an
wann ich (Bl. 167) auff erden nicht lieberß han
wie wol dn doch verachtest mich.
BL 169*.
Man singt vnd sagt von frauen vil
dy ich doch alczeit loben wil
Das eyn freolein reyne
mit lieb vnd gut mit freud mit muth
yn rechter treu vordynet.
Als das ich von ir begert
was ich stetiglich gewert
sy wolt mir keynß vorsagen
wen na meyn herz dor an gedenck
ym elend wil ichs vor zagen.
Qeluck vnd heil hat ich von yr
dor vmb sie billich libet mir
da pey nempt euch die lere
wer freuen (frauen) ert der wirt gewert
was er von yn begeret.
Do got der frauen erst gedacht
do hat er freud der werlde bracht
das wil ich wol ic^e&eisen
den nymant erfreut den erfreut eyn weip
dr lieb bricht stahel vnd eysen.
Ach got wy geschyet mir so leid
sind ich mich von der libsten muß scheyden
wie sol ichs vber winden
mir mocht meyn hercz vor iamer vnd sroercz
yn mel leid vor swinden.
Leg ich ein iar yn groser nott
vnd wer mir vater vnd muter tot
noch geschech mir nie so leide
wen das ich mich so elentlich
von meinem bulen muß scheiden.
Elend ist nu das hercze mein
elend muß ich meyn lebtag seyn
elend bin ich geschaffen
DAS HONCHBNEB LIEDERBUCH 123
elend bin ich elend krencket mich
elend lest mich nit slafen.
Nach wil ich über elende seyn
wen das ich brech dy treue meyn
das sol sie wer (Bl. 160.) den ynne
keyn Über ich lian noch nie gewan
oder nymer mer gewynne.
.Ich leyde an schulde.
(Andere band.)
Owe wie gehn ich wuheten
yn mynen synnen gar
myn hertz will nymmer blAten
vnd grawen muß myr myn har
ich hab yn tusend jaren
dich lieb gesehn nye
nu muB dich gott bewaren
das wünsch ich dir dort vnd hye.
Ich forcht der falschen claffer
der ist so vill bye dir
darzu weiß ich eyn äffen
der alcziet thud leyde mir
Ach frow nu thu mich hören
wie woll ich nicht bye dir byn
thu dich dyner schalckeyt weren
so hastu myn hertz do hyn.
Ich hab mich des vermeßen
an aUeß abelan
dyn nymmer zu vergessen
dy wyle ich my leben hau
daran laß dir genügen
du aller liebste myn
Gott wird eß zu dem besten fugen
Ade ich byn der dyn.
Ab ich yage vnd fahe nicht
Schadet es euch ymand icht
Neyn zwar eß nicht enthud
wyß daffer* ich byn glich wolgemüth.
BL 168*.
0 raiserey du hartte speis
wie dustu mir so ant ym pauch
jm stro so peissen mich die leus
124 FHOMMAIIM
die leilach sind mir vil czu rauch
Ich thumer gauch wor vmb thun ich das
bey einem pruger wer mir pas
vnd hulff der dirne mehen das gras.
So geb sye mir ein rossenkrancz
der macht mich frisch vnd wolgemut
Mit der ging ich an den abent tancz
Mein sach ward siecht das pett ward gut
so wer ich aller sorgen ab
die ich ym reuters leben hab
Ich hau kein gelt wo ich hin trab.
(Andere hand.)
Was ich selb viert nit haben mag
das muB ich ainig faren lau
Das jar gibt mangen lieben tag
dos muß ich gen ir ainig stau
Ich gib nit vil vm Iren zom
ob sie den ars dar vnder vill (vall?)
wan vber nacht kumpt aber morgen (morn)
hat si mich zum narren auß der koren
der mein nit wil der laß mich gan.
Es sol mich zwingen zu mein geluck
ein strosack gib ich vm ein pet
wie mocht ich slahen 1 . . t (lust ?) zu ruck
wan ich anderß wo nit liebers hett
wan hübsch vnd fein nach aller lust
das nimpt mir al mein trauren ab
ich wil ir dinen nit vmb sust
an menner treu ist kain verlusst
far hin scheue frau vnd piß schab ab.
Der winter sieht mich vbel an
das rauch hat auß gekeret sich
ich maint ich woltz verkumen hau
so ist der vnfal wider an mich
Die liebst dy mir mein hertz besaß
der slug ich lauten vor der tur
sie ist mir worden so gehaß
vnd lest sie nicht bekumem das
ob ich den winter gantz erfirur.
Sie prtch ain auß pruch von aim zäun
vm das der krig sein fiirgang hab
DAS MÜKCHSNEB LIEDEBBUCH 125
si mocht mich finden in dem lan
ich slug sie mit dem gunckel stab
vnd hilt mich do ich werder wer
vnd ließ dy schuld auff ir bestan
wan haiß ich den der wol enper
ich smirbet mich der (de') aflfen smer
vnd solt recht min vnd lieb zer gan.
Yngeptnev dinst nimpt vnwert end
vns paiden das zu clagen stat
Mit treuen ich mich von ir wend
ir hertz ist wandeis vil bedacht
Ir liebt dy spreuer für den keren
das ist feeiplichs firwitz schult
wer solt nit irz gelimpfs w?egeren
sie kan woll von krehen scheren
des pringt mir laid vnd vngedult.
Bl. 169*. (Andere band.)
Awe meins pleiben ist nymer hie
wenn ich pin worden schab ab ab
sy hot mir durs vnd gruns versagt
vnd all ir freuntschaft a ha ab
mein feins lieb hot mir das hinter gikert
des pin ich ein armer kna a ab.
Awe erderlicher oder awe
vnd wie sol mir gischech ech en
das ich mein feines sönes lieb
mit frewden nienr schol schech echen
vnd das sie doch kein einnicklich wort
nit mer czu mir gech echen (geiehen? wil gehen?)
Awe was schol ich wünschen ir
das sie mich czu senen hat pra a pra acht
vnd das sie doch kein einiclich wort
doch niemancz nach mir fra a agt
vnd das sie mich so gancz vnd gar
gancz vber geben ha hat.
Bl. 114.
All zit zu dir staut min begir
wo ich in allen landen far
du bist die aller liebste mir
durch dich bin ich in fröden gar
da? num zu dank trut werdes weyb
nit. lauß din niytiön zarten üb
des klaffers mund anß seinem Talxchen gnintl
verwysen tfit in argem mfit
der mich erfröt in hertzin wol
wan ich dich lieb ansebea sol.
Wa; alleil mentscben fr3de macht
In Summer vnd in winter zit
an mir da;; alles nit. verfauclit
wann all mein bofTnung an dir lytt
wann ich bedenk den hohen lust
ayn rainer lib vnd zarte brust
vnd des embir dann gebristet mir
der synne min mScbt es gesciu
als ich in hertzen lieblich bger
ich WQnacht auff erd nit frödyn mer.
NOltNIlER«. K. FRDMMAXX.
Nachschrift. Während mir dieser abdrack aiir korrektur vor-
liegt, erbalte ich soeben mit der nr. 10 der diesjährigen „Mouutäbefte
für MuHik-Qesehichte" Eitnar's „Nachträge" zu dem Ü, bände von
„Das dentsche Lied", worin er auf seitö 223^330 eine anxahl bemcr-
kimgen und Verbesserungen, die icb ihm s. z. zu den von ibm daselbflt
herausgegebenen texten des Münchencr liederbnches mitgeteilt . bat
abdrucken lassen. Leider haben sich dabei so zahlreiche lese- und
druckfehler, wie ancb andere Verwirrungen eingeschlichen, dass ich mich
hier zu dieser erkUrnng als einer Verwahrung für mich veranlasst sehe.
NÜRNBERG, IM NOVEMBER 1882. DR. K. FUOMMANN.
LITTERÄTTJR.
ArkiT for üordiak filologi. Udgivnt linder raciivirtriing af 8. Bngro
(Chriatiania) . XleolaoB linder (SWkliolm). Adolf Noreen (üpsnla), Lndv.
F. A. Wlmmer (KJBboahavn), Theodor Wk^n (Land) vuJ GuhUv Sfina.
1. Bind. 1 Befto. 112 s, 8". Chriatiatii« , J. W. Cappeleu. 1882
Vor einiger seit brachten gonnanistiscbo organo die naohricht, dms in Chri-
dtUnia nnter dar leitaog von tinstav Sturm eine aeao zeitei^brift erscheinen werdo,
wi-lclio arbeit^D aoa allen zweigen di^r nordischen pbilologio bringen BOlte, mit der
bcetimrouni; , dass ob gleich sei in welcher der gcrmauiichen Bchriftsprachon die«
siilben geachriebi'n seien. Dorcb dies« clauael mm relohen una luiBere gennanischen
Htammcsbr&dor div band, mit ihnen gemeinum aaf einem felde zu arbeiten, wel-
ches nicht nur für die nordische, HonilerD ancb flir umiere dentacbe spräche, fltr
unser ganzes dentsches alt«rtiun ran ongoroeiner Wichtigkeit ist. Ich sehe in die-
sem nntemehnion den ersten schritt snr verbrOduning der germanischen nationea,
«uf welche schon Jac. Grimin in seiner geschliihto der deotachen spräche hingewie*
aen; denn ideen, welche anter den gelehrten worzol gefasst hnheu. masscn, sofern
sie gesand sind, anch ins volk dringen. Wir dürfen daher das neae unternehmen
mit frcnden begrüaaen niid niQssen es nach krSftcn unt«r«lUttFn , damit es lebens-
fähig werde and sieh stark erhalt«. — Die trofliehsteu nordlaohcn pbilologen —
üwnen wie 8. Buggu, Q. Stonn, 1.. Wimnwr, Th. Wi»*ii usw. habun ja in pua
OL. 127
DcaUchland guten Tdang — haben sich zur redadion dieBes organes vereinigt. Ton
welchem ans jezt Aas erste hoft vorliogt. Eine loitachriit oQt^r jener leitang bedurfte
wol keinec cmgtfelilQng uud da« rorüegendo beft bat nnci Iti anaeren orwartimgen
durchaus nicht gpt&aaoht. An der spitze der arbeiten st^bt eine untfirsncbung von
ü- Bugge über die Rosomonoium gans bei Jordanes cap. 24. (Üpl^sninger om
Nordens Oldtid hoa Jordanes. L) Gleich diese abhandlnng, aas dem gebiet der
deutschen beldensage, iudsb nnaere satoerVaamkeit in anapmch Delimen. Zunächst
wcüt Bngge entschieden znr&clc. das» die BoBomoni etwas mit den Roiolani zu
tun haben. Bosomoni geht nach ihm auf ein got. 'Rusoiiuiana zuräck. netchoa toii
viuem subet. 'niema ^en. rnamins) abgeleitet ist; lezteres haben wir im althd,
roaiuno = die röte. Die Roaomoni sind demoacb „die rothaarigen" (mit hinsieht
anf das haar) oder „die sommeraprossigen" (mit hinsieht aof die haut). Ana die-
sem geacblecht nnn atamte Svauhitd sowie Sibeche , der treulose ratgeber Ennau-
richa, welchen ja mit votlem recht Bagge in der iuGdo. gcns dea Jordanea ilndet.
Aber zum oamen attntt auch die sachc: rotes liaar ab zeichen der treulesigkeit ist
einn alte in der Tolkatradition teatgewnrzelt« anachaanng. — Diese „Rosomoni"
findet nun Bugge weiter in der nordischen [Iberliefemog wider. Atlakr. 19, ''**
(ed. Hildebr.) haben wir die stelle:
langt w aX \^a
Iffda mmis Hl
of roamuf^ijU [RinarJ
rekka rrtunsaa.
Da diese stelle worto der Gudrun an Uunnar sind and nichts mit der Ermanrichs-
«Age zn tun haben, imteraucht Bugge die ursprönglichkeit der Atlakvida tmd findet
ans ihr herana;
1) ein gedieht über den kämpf zwischen Goten und Hannen, von wetcham
brudutücke am schlasso der Hertararanga enthalten sind;
3) ein gedieht, welobea Sprlis und Hamdirs racheziig gegen Ermanrich
enthielt;
3) wahrscheinlich ein lied Gber Ernianrich, in welchem er aelue sObne,
ala sie zum kämpfe gegen Dietrich uuszagen , zor tapferkeit ermahnt. In der
pilreksaaga Ist der inhalt diesea gediehtes noch ziemlich gnt erhalten.
Durch nr. 2 ist non Boanmn^gll (denn ao liest Bugge: rosmQ QqU) nach der
Atlakrida gekommen und dies heiset ^= montea Bosomonomm (das gebirge der
Rosomoni). Das folgende Binar, metrisch ganz unberechtigt, ist nur durch den
Schreiber in folge dea misvorständnissca der aage in unser getUcht gekommen. —
Am schlnaae anrieht Bugge nochmals aeine schon in dieser Zeitschrift entwickelte
anaicht ana (Vll, 388 fgg.), dass die Ermanrichsage stcssweiae ans Niederdeatschland
nach dem norden gelangt sei.
Ad Bitgges arbeit schUeaat sich eine das altgermanische rerbtagcbiet berüh-
rende nntersQcbung Fritznera: ping edr pjödarmal, Nachdem Fritznor die
Schwierigkeiten der steUe Eavam. 113' (Uildehr.):
hÖH aed ^erir
at pü gdw eiqi
pimia ni pjöäans miils
norwegischen Urkunden den alten alliterierenden rechls'
ndl nach, nnd sezt diesen auch an unserer stelle ein.
Alsdann sucht er den unterschied zwischen ßing und ^ödarmäl zn etärtem und
komt dabei zn dem resultat: während das pmg eine veraamhmg nach vorbergegiui-
gener einladung ist (bcbd. „gebotenes ding"), ist das ^ödaTmül (ahd. theotmaUi,
ieit Detmold) -= ^öSurstefna . eine öffentliche versamlang an bestirotem tage ohne
besonder« ankündignng („angebotenes ding"). — Eine kleine eingehende nnt«r-
ancbung von Ang. Schagerström deutet nenaoh-wediseh Öde ntr. = fatum als
ein erst im neuscbwediacben ana dem ntr, des partic. tdhin (ial. avMnn) entstandenes
anbstantiv. das nach analogie der mit snffigicriem artikel verseliencn ntr. sein t
verloren habe. — Hieran schliesaen sieh awei scbarfsinoige grammatische abhand-
ungen Ton Jol. Hoffory. In der ersten derselben (Astrütr og de to nordiaJee
r-lyd) dentet er das feminine nomen propriom AstrIäT als 'Äsfridr, mdem er den
ersten teil mit Bagge (Tidskr. for phil. VTt, 226) mit dsa zusammenbringt, den
zweiten aber nach Gialaaon (Irbog. f. nord. üldkyudighct 1868, 351 ^g.) Sis firidr
deutet. Den Vorgang denkt »ich Hoffory folgenden
Affrldr > Äarvtr > AglriSr ¥fie
Au»/h» > Ucru > hüitrü.
Aaa diesem eiiuiuliuli des t folgt t-hor, tUia nrHprÜ&KÜcbos r Id. li. gcniuin^orma-
DÜuheit) im Duntifloheu aeinon dentalen chsrnkter benahrt, niutit gnttmalen aaifu-
nommtiQ hat, »lo Buggo und Winimer behsapteu. Im 2. aiifsttU ipjidolfr bnM
heinrierski og brydnirtgen) weist HofFory die fiii die altnordische brach icngiitheorie
to ungemein wichtige dstivfnnu eitr« (für spätores jiUtn dat. t. jiutarr) luu einsm
rdmo des akaldeu bjödüU (u. ^W) oacb. — Es fol^'t neiter «ino ablittndlung von
G. 8t arm: „Mar Haandtkri/Ur af „Heimtkringla" angket Snorre iStwIa««m Km
Jüitgaagaemei Forfalter!" Man Dahm bisher an,' dasa die alton dänisoben ttb«r-
setMr der Qordieoheii künigssa^n Laarents Hanaaan (f 15&7) and Pet«r Clanaaen
(1&45— 1614) eine bandschtilt der Heimatriiigla bcniut ttubcn, welche Snorri aU Ver-
fasser derselben ?ennnt habe. Storm weist nun nach, daHs dies auf offenbarem irtnm
bemhtt die praefatiu enthält nrAprünglidi nur Lanrente werk und swar nach der
Frisbök, ana dieaera ist aiu erst dorch Ole Worm, dem urstuu berauagebär von
ClaoBäens Übersetzung, in dieses werk gekommen. Dio ansicsht aber, dass Soorri
der Torfasset sei — die sich Uberhaiipt auch bei Peter findet — geht xaiUok auf
die «on beiden benuite, Borgsbok , wotche eine weitläoflge receneioa der ÜUiuaM
Tryegraeonnr nnd der 01iifBaaf,'a hins helga enthtüt; in lueser wird bei der schlacnt
bei oTuldr tinorri Stnrlason zu widerhotten malen uitiert und in fol^e dessen kiel-
ton beide Oburset^er ihn fär den Verfasser der Heimskringla. — IDmu tvditio nova
bildet den schlusa der wissenschaftlichen abhandlaogen : Nach dem cod. membr.
Hohn, no, 32. 4° liat ü. Cederschiöld dn fär die altnordische litteratorgoichjchto
nicht anwichtiges gedieht zum ersten male beraoägegeben, welohea ar .Allra kappa
livodi' nent („Das lied von allen küiupen' bei Arwidsson, Fiirtookning usw.
hoisst es nnr : KappakTieSi). Dasselbe deutet eine menge «on taten aagenb^nter
BirsoneD au und bildet so gewisse rmassen ein nebenstlick zur blendingadnipa dei
auk Vuldisarsonar (ed. Tb. Mübins . Kiel 1874). Während diese aber ans den
ernsteren isländischen sggur schöpft , boröhrt jenes banptaächlicb die sngengeetalten
der rumantiacben sqgur und der lyipHggur. Soweit es miJglich, ist G. Cederscluüld
den anspielungen des gedichtes nachgogangcn -, dass es ihm bei einem groesen teil
nicht gelungen ist, die qnoUe zu uiden, darf uns omsowuniger wnnder nehmen,
als eine reiche menge dieser «•jgor ja nuch gar nicht hcrausfegeben ist. Hetrischo
erörterangen dieses für deine zeit ziemlich tanstvoUeu gedicbts (der reim ist: aaa
by abvj coc b^_,, die atrophe also Eohnieilig) schliesaen den recht dankenswerten
bcttrag zom verstäadnis desselben.
An diese wissen schaftliuben abhandlangen scIiUnssen sich noch als miacellea
efne kurze biograpbie Edzardia. uin vorzeicbnis der im jähre 188t auf dem gebiet«
der nord. philologie erschienenen nenigkeiten und ein fragmenl einer Jateiniacben
übersotzQDg des Xongenwilet ans dem 14. jahrbimdert
Ich verlasse äÄs ueftuben, welches sich aaeh dnrcb eine anganohmo niiBstot*
tung BQsiseiuhnet,' mit dem wmische, dass die zeitaclirift in Doutscblnnd manch«
freunde finden müge; sie «erdiant es in der tat, wcuu sio, wuran nii'ht zu zwuifetu,
die bahnen weiter geht, welche sie im vorliegenden bette eingoschhigeD.
Die zeitschrut soll erscheinen in jährlich 4 heften von zusammen 'M boguii,
>um subacriptionspreise von 6 krönen.
1} Eioe ansieht, welche G. Storm salbst nuoh in „Forlalen til dual. Slaitl. nf
Puder CUaaaeB ed. Früi p. LTl." TSrteidigl hat.
1) Zu cugea itt die fahrlMtigkcit , mit welcher die konaktur lorgcnommea iat
Ich darf biet nur von meinem kleinen aoTiati iprechau. Üis ni«ngc der fehler in der
mir lugeeandien korrektoi iiburEeugU mich, äats der lotier iles deulicben unkundig, und
iuh babc deshalb dieselbe nicht nur selbft lu widerhalten milin g:eles<>n, •ondern sie
auch durclil«B0D Uuen, k data ich gloobe, dHtUt cinsloboB tu künneii, da» ich >io
Rill dnickfehk'rn wie («. Ht) uhüu, bechaoii, nardtchhen, Sfiden (*8aden) nicht lutöck-
gsMndt habe,
LUTKiO, 1». EKPT. lüät. N. HOOK.
/ DIE BALLADE UND ROMANZE VON IHREM ERSTEN
AUFTRETEN IN DER DEUTSCHEN KUNSTDICHTUNG
BIS ZU IHRER AUSBILDUNG DURCH BÜRGER.
Einleitung.
Ballade und romanze Überhaupt. Begriff und historische
TerhSltnisse.
Ballade und romanze sind, der gewöhnlichen ansieht nach, moderne
oder wenigstens nicht über das mittelalter hinausreichende dichtungs-
gattüngen, und für die jezt gang und gäbe gestalt derselben trift diese
ansieht auch allerdings zu ; in ihren grundzügen aber gehen die genanten
dichtarten auf eine sehr alte, auf diejenige algemeine form der poesie
zurück, welche — der bewegten weise gesprächlicher mitteilung ent-
sprechend — ein ereignis mit starken subjectiven Zusätzen und unter
einflechtung eigener meinungsäusserungen des erzählers widergibt. Ist
dieser erzähler von besonders lebhaftem temperamente , so wird die
mitteilung um so fliegender, abgerissener; er ersezt manches durch
gesten, bei der widergabe einer rede oder eines dialoges vergisst er
die Verbindungen, wie „sagt er", „antwortete er", hinzuzusetzen, mit
einem werte: rede und dialog werden in seinem munde dramatisch.
Ein ruhiger dagegen wird zu einer rein epischen darstellung hinneigen,
während ein melancholisches tomperament die nur kurz angedeutete
tatsache gewissermassen in betrachtungen und empfindungen ausströmen
lässt. Diese besprochene gattung der poesie nun, vielleicht eine der
ältesten, jedenfalls eine sehr alte, hat sich in den christlichen ländern
flurch das romantische element des mittelalters beeinflusst, zu der form
der ballade und romanze krystallisiert, in ihrer älteren, algemeineren
gestalt aber ist sie ein kind des Universums, und in der naturdichtung
fast aller Völker — der geniale Herder hat uns den blick für eine
solche kosmopolitische betrachtung der poesie geöffnet — zu finden.
Die ältesten rhapsodien, aus denen der Homer zusammengefügt ist,
waren solche romanzen, freilich durch den objectiven geist des alter-
tums schon durchaus in die epik gedrängt; eine solche romanze ist das
lied von Hildebrand und Hadubrand , aus solchen ist das Nibelungenlied
zusammengefugt, von solcher art sind die Volkslieder der Slaven, die
SBITSOUB. F. DEUTSCHE PHILOLOOIB. BD. XY. ^
i
nOLtHAÜBEK
sümmungsreiclien lieder z. b. der Serben, ja »elbst unter so wilden
vMkeni wie den Kurden {vgl. Schweiger -Lerehenfeld. franenleben der
erde, s. 66) gibt ea derartige romanzen in dem weiteren sinne.
Ueäse sich an einer auswahl solcher gedichte," s:igt Goethe, „die ganze
poetik ganz wol vortragen, weil hier die elemente noch nicht getreut,
sondern wie in einem lebendigen ur-ei zusammen eind, das nur bebrfitet
werden darf, um als berlichBteB ph&nomen auf goldflügeln in die luft
zu steigen." Aber nicht allein f^r jene frfihen anfange kdnstldriscben
Schaffens, sondern merkwürdigerweise auch für eine verfalsperiode ist
das episch - lyrische lied typisch. Beim auagaiige des mittelaltera, als
KU grossen epen die kraft fohlte, die knanstlyrik im meistergesang ver-
knöcherte und das drama noch in den windeln lag, da ertönten aus
feld und wald jene frischen bauorn- nnd landsknechtslieder, welche die
hegebnisse, die jene einfachen gemüter bewegten, erzählten, wie sie
sich das volk erzahlt, aphoristisch, mit lyrischem durchklingeu, und
welche nicht selten durch die lebhafle auffassnng ihrer nugenanten und
unbekanteu dichter zu dramatischer unmittelbarkeit sich steigerten.
Wer die entstehung und ausbildung dieser voIksUederdichtung
historisch verfolgt, dem werden gewisse Verschiedenheiten sich leicht
erklären, über welche die theoretiker vergeblich bin und her gestritten
haben. Ks ist klar, dass das christliche Volkslied ~ nur von diesem
ist fernerhin die rede ' — einen wesentlich andern Charakter annehmen
muste als das heidnische. Besonders wider muste sich das nordisch -
germanische Volkslied sehr verschieden von dem romanischen gestalten.
In dieser lezteren localen Verschiedenheit liegt der kernpuukt der frage
nach dem unterschiede von ballade und romanze.
Die romanze erhielt ihren namen von der spanischen lingua
romanza, der aus dem lateinischen entstandenen mundart des Volkes.
Alle gesänge in der liugna romanza nante man schlechtweg romanzen;
also war romanze eigentlich jedes Volkslied. Die spanische romanze,
das kind eines heiteren Südens nnd der zeit der siegreichen k&mpfe
der Christen gegen die Mauren, ist von einer verh<nismässig grossen
ruhe und geschlossenheit; sie trägt jenes hellere, lichtvolle, durchsichtige
geprfige, welches ebenso dem heiteren Charakter der südlichen heimats-
1) Er ninaa hier widerlich ood betont worden, diks« di« spwäfiacbo anBbildnng
du epiadien ücdes m der hnnte so genanl«!! hnlUde nnd romanw orst durch du
luittelatter erfolgte. Zwar will Nägelsbiich, G^mnaBialiiHdagi^gik h. 134 (xgL aunb
Hflncbfner gelchrtu äDxoigon, jahrg. 1842, ur. 183 s. 437) einiolni' duc oilen dca
Horaz (z. U. I, 15 u. I, 28) rumamen genunt wissen; alier die iuni^?. geiulitlicliii
tciln&lune des crüfibbrn au den iienjoium seiner dichtnng, wodturh dli'«i' erat iitr
liBlIade und romanie wird, wnr erst unt<T dorn f>in!lii(«i> der chrintlichnn wrl(-
anteliAuiuig uiügtii'.ii.
landschaft wie dem siegesbewostsein einer ganzen nation entspricht^
An Sprüngen, den sparen einfach volkstümlicher erzählnng, nnd an
lyrischer einmischung der Stimmungen des dichtenden snbjects fehlt es
auch hier nicht (Qeibel - Schack s. 127), aber gewöhnlich wird der
epische gang der dichtung w^nig verlassen, und besonders schliessen
diese gedichte durchweg episch (vgl. Geibel - Schack s. 82, den schluss
der Galaynos-romanzen). Ein sehr angemessenes mass für den Charakter
der spanischen romanze war die vierzeilige redondilie mit ihrem vier-
IQssigen trochäischen verse, welcher neben der voltöAcnden spanischen
a-assonanze nicht wenig beitrug, den gang des gedichtes zu stätigen.
Da die italienische litteratur nur wenig episch - lyrische Volks-
dichtungen aufzuweisen hat, die von der südromanischen in vieler hin-
sieht abweichende romanzenpoesie der Franzosen aber an einem andern
orte besprochen werden soll, so gehe ich ohne weiteres zur volkslieder-
dichtung des nordens über.
Ein in mancher beziehung verschiedenes gewand trägt die volks-
liederdichtung im germanischen norden. Der plastischen, abgerundeten
erscheinung des südlichen gegenüber hat das nordische Volkslied den
pittoresken Charakter der aus nebeln auftauchenden und wider in nebeln
verschwindenden nordischen landschafk. Das skizzenhafte und abgerissene,
welches die Volksdichtung dieser länder zeigt, hat seinen grund ausser-
dem in der grösseren gemütstiefe des nordländers, welcher die Vorgänge
der natur und des lebens mit leidenschaftlicher hingäbe erfasst und
widergibt, und dadurch mehr als jeder andere seiner poesie den
Charakter des lebhaften , abgebrochenen gespräches verleiht. Daher die
häufigen fragen inmitten dieser gedichte, oft nur eine zeile lang und
in den nächsten Zeilen beantwortet.
Wenn man die entstehung dieser fragen^ welche weit entfernt
sind, rhetorische zu sein, in einer dialogischen Unterhaltung zweier
Personen über das thema des liedes suchen darf, so muss man das
häufige vorkommen von widerholungen, aus denen die sogenanten
refrains entstanden sind , aus einem einfallen des chores erklären , welcher
dem rhapsodischen vortrage des volkstümlichen sängers mit Spannung
und teilnähme lauschte (vgl. Goerth , über die verschiedene behandlung
der ballade, in Herrigs archiv 46, s. 368 — 406, das. 8.379). Diese
refrains sind in dem skandinavischen volksliede zu der eigentümlidien
form des kehrreims so zu sagen versteinert; dieser, welcher in einer oder
zwei den einzelnen Strophen zwischengeschobenen Zeilen besteht — oft
1) Vgl. Bomanzero der Spanier und Portugieaen von E. Geibel und freiherm
von Schack. 1860.
9*
ia2 KALSHAuaBH
scheinbar sinlos uud ohiic mit dem intialte dieser slrophen m C0rro8])on-
dieren — mischt dem epischeo laufe des gedichtßB einen kuneu, oft
webmutigen lyriscben erguss, niitanter aucb eiue scbneideude, fast epi-
grammatisch zugespizte bemerkung bei (vgl. Geijera abbandlung üb«'
den behrreim in den alten skandinavischen liedern. deutsch hinter Moh-
uike, altachwediache baUaden, mährchen nnd schwanke, Stuttg. u. Tob.
1«36, und beispiele daselbst s. 69, 88 usw., vgl. unch W. Wackernagel,
poetik, rbetorik und Stilistik s. 97). Dem geiste des nordens und seiner
bewohner entspricht ferner der schwermütige, wehe zug, welcher die
volksliederdichtuüg dieser tänder durchweht, die bange todesahnung
und das grauen vor unheimlichen, unsichtbaren mächten, denen der
dichter oder der träger der bandlung unterliegt, während die romanze
des Südens überwiegend den sieg des tätigen auhjectes über die feinde
liehen gewalten feiert und in dieiier Stimmung ausklingt, anderseits
aber in heiteren davstellungen die tiefe uud das packende des germa-
nischen humors nicht erreicht. Als illustrationen für die hier gemachten
ausführungen aus der englischen uud schottischen bailade verweise ich
auf die weiter unten besprochenen beispiele aus der Percy sehen sam-
luug, in bezug auf die skandinavischen aber auf W.Grimm, altdän.
beldenlieder usw., Heidelberg löll, und auf Warrens, schwed. Volks-
lieder der vorzeit, Leipzig 1867, Der name dieser nordisch - germa-
niacben volksliederdichtung komt merkwürdigerweise auch aus dem
romanischen. haUdta biess im älteren italienisch ein tanzUed (vom
ital. hidlo, span. bayle, franz. bdl = der tanz), sodann ein kleines,
madrigalartiges gedieht in bestirnter rhythmischer form; in diesem sinne
komt noch der ausdruck hallafe vor. Von Italien nach Frankreich und
von dort mit den Normannen nach England gewandert, verdrängte das
wort ballade den in diesen Ifindern für das tauzUod gebräuchlichen
ausdruck lai (oder lay), in England besonders nahm es auch die weitere
von diesem worte besessene bedeutung des Volksliedes überhaupt an
und wurde almählig typische bezeichnung für die episch -lyrischen lieder
des angelsächstscbeu volkes im gegensatze zu den höfischen dichtungen
der Normannen. So Messen die minstrels ballad-singers, and später,
als die Volksdichtung verfiel, wurde diese bezeichnung gleichbedeutend
mit Bänkelsänger, wie der zusammeubang zwischen Volksdichtung und
bänkelgesang uns noch eingebender beschäftigen wird.' Schliesslich
möchte ich den «igentümlicheu begriff der ballade uoeh daliin ergÄuzen,
dass dieselbe, dem lebhaft bewegten eharakter entsprechend, sich mit
verliebe steigender metra, der jambeu und anapaesten bedient, womit
1) M»n rergleiche ni der obigen nusfllhrung »rd. Wulf, (iber die Wt»,
tniinenztn und leioh«, Hotddlb. 1941, 1.233.
BALLADE BIS BÜBGER 1S3
wider ihre sangbare form innig zusammenhängt. Jedes Volkslied ist
ursprünglich aaf den gesang oder mindestens die musicalische begleitung
bemessen; die nordisch - germanische bailade hat diese verbindmig mit
der mnsik auf das engste festgehalten, so dass sie sich auch heute
noch vorzugsweise zur musicalischen composition eignet, während die
romanze des Südens weit weniger sangbar ist. Indessen gibt es auch
in der musik sehr zahlreiche romanzen, wie es dort bailaden gibt; da
aber diese beiden begriffe mit den poetischen nicht ganz zusammen-
fallen, so scheint mir zur noch weiteren klärung dieser beziehungen
eine kleine digression in die musik unerlässlich.
Allerdings ist auch in der musik die tendenz in vielen romanzen
die, die ideale ruhe, welche aus dem siege des ethischen subjectes über
feindliche gewalten resultiert, in entsprechenden tonreihen auszumalen,
in der bailade, vorzugsweise den unglücklichen , oft verzweifelten kämpf
des menschen mit den düsteren elementarmächten und seine niederlage
entsprechend widerzugeben, indessen ist dieses unterscheidungsmoment
allein nicht ausreichend. Unter der romanze versteht man musicalisch
in der regel ein strophisch componiertes singstück in einer einfachen
melodie, also recht eigentlich ein simples Volkslied; auch der refrain
des Volksliedes wird in entsprechenden tonwiderholungen und einem
öfters vorgeschobenen ritornell widergegeben; entstanden ist die romanze
in dieser form wahrscheinlich aus dem rondo, einer musicalischen gat-
tung, welche von Eoberger, kleines musicalisches Wörterbuch, Quedlb.
und Leipzig 1833 als „ein lebhaftes tonstück^ erklärt wird, „bei wel-
chem sich der hauptsatz nach jedem nebensatze immer aufs neue hören
lässt.^ Nach der von E. E. Schneider („das musicalische lied in geschicht-
licher entwickelung" 1. 2. und 3. periode, Leipzig 1863—66) gegebenen
dreifachen stufung der liedercomposition nimt die romanze die zweite
stufe ein, die des ariosen liedes, welche über die erste, einfache stufe
der tonliederdichtung dadurch sich erhebt, dass sie, wie das ariose lied
überhaupt, die grundmelodie durch Variationen lebhafter ausgestaltet,
dabei aber anderseits den grundton durchaus beibehält und sich nicht
zu selbständigen tongemälden fortentwickelt. Die bailade hingegen ist
ein grösseres tonstück, welches die form der strophischen composition
verlässt und, volständig durchcomponiert, die momente der dichtung
in grösseren selbständigen tonbildern widerzugeben und auszumalen
versucht; der stimmungsgrundton erklingt nicht mehr in der äusser-
lichen form des romanzischen refrains, sondern ist zum leitmotiv ver-
arbeitet. Während die romanze in der angegebenen weise schon ver-
hältnismässig früh componiert worden ist, z. b. die französische Operette
des vorigen Jahrhunderts von derartigen compositionen wimmelt (vgl.
HOLIHAOBEK
Journal bebdomadaire ou recueil d'Mra cfaoisis dans les opera comiques etc.
Paris, 1764 fgg), welche die Hiller nnd genossen auch in der deatschen
komiBchen oper einfährten, ist die durchcomponierte ballade, die höchste
— dramatische — art einer liedercompoaition weit später gelungen.
Während nämlich meister wie Neefe, Boichardt und Zelter daa probiem
noch nicht völlig zu iQsen verstanden, brach die echte musicalische bal-
lado erst zu aufang dieses Jahrhunderts durch — nicht zum wenigsten
unter dem einflusse der romantiker, der poetischen wie der muaicalischen
— bis sie in Schubert, Schumann und vor allem in Löwe („dem gebo-
renen balladencompositeur", wie ihn Ambros nent) ihre genialsten Ver-
treter fand. Zur illustration des aufgestelten Unterschiedes zwischen
den beiden musicalischen gattungen verweise ich auf die bei Lindner,
geschichte des deutschen liedes im iSten Jahrhundert, hrsgeg. von Erk,
Lpz. 1871, a. 135 tr. mitgeteilten beiden Andr^schen compositionen der
„Weiber von Weinsberg ".
Nach dieser abschweifung in die musik kehre ich zur poetischen
batlade zurück. Nach Deutschland kam der name erst mit der Percy-
schen samlnng,' doch gab es lange vor dieser zeit in unserin vaterlande
einen reichen schätz von Volksliedern, darunter eine »tätliche reihe echter
halladen, welche den gleichartigen gedichten der andern nationen wol
an die seite gesezt zu werden verdienen. Das sind, wie schon oben
bemerkt, jene bOrger- und bauern-, landsknechts-, Jäger- und studeuten-
lieder, welche im löten und 16ten Jahrhundert aus allen huschen und
hecken hervorklangen und erst im 17ten, wenn auch nicht erstarben,
so doch von den gebildeten misachtet nnd vergessen wurden.* Das
deutsche Volkslied ist von den germanischen vielleicht am gemüts-
tiefsteu; es vermeidet in der reget die oft grausig dissonierenden USne
der nordischen und englischen batlado, durchläuft abor im übrigen die
ganze scala volkstümlicher empfindungeu und ist nicht übet geeignet,
das eigentümliche schwanken der bulladu zwischen subjectiver und
objectiver, epischer, lyrischer und dramatischer darstellung zu zeigen.
Das kleine Volkslied „Ks fiel ein reif in der frühUngsnacht" ist volstäudig
1) Daa wort ballade künimt alletdini^B sphon einige rnnl« früher in Deatsoli-
land lor, aber mit zirpirdhaftcr bedciitang; ommal bereits bd Fisuhart (Oargantaa
15T5. vgl. Wackemugel , Fiscbart ». 124), wo es aber nicht zar bezeichnung eine«
epiBi-h - lyriachen volkiüedeg, sondern als aberaetinng dos franieBischen (d. L roma-
oücheii) wurtea ballade in der üben ftogegebeiien bedeutung gebraucht wird (Tgl.
Babelaia 1, 24j.
2) Die deatBcben Volkslieder wurden zaerat (aber ilubritisch) in gröaacrer
menge gesammelt in ,doB knaben wunderhoru' von Achim und Brentano, seitdem
Bfter, am bwUm von L. Ubiand, alte hoch- und uiederdeateche rolkitieder, I
nad Tab. 18U d. 45.
BALLADE BIS BÜB6BB 135
episch ; von einem eingreifen der Persönlichkeit des dichters keine spur.
Ganz äusserlich deutet sich dieser oft im beginne der lieder an:
Nun will ich aber heben an
von dem Danhuser zu singen. (ühland II, s. 761)
oder er wird am ende des gedichtes namhaft gemacht:
Wer ist's, der uns dies liedlein sang?
So frei ist es gesungen,
das haben gethan drei jungfräulein
zu Wien in Österreich.
(Des Knaben Wunderhorn I, s. 202)
oder: Wer ist's, der uns den reihen sang?
Matthias Jäger ist er genant,
(s. Prutz, Göttinger dichterbund. Lpz. 1841, s. 22).
In ganz anderer, innerlicher weise tritt der anteil des dichtenden
subjectes an seinem stoffe in der gemütvollen weise hervor, in der
dieses seine personen anredet oder sie sich unter einander anreden lässi
So die bezeichnungen „o reitknecht, lieber reitknecht mein,^
»0 Annchen, Uebes Annchen mein,«" u. a.
So auch in der in den Volksliedern überhaupt nicht seltenen
nutzanwendung am Schlüsse:
So geht's, wer wider die Obrigkeit
sich unbesonnen empöret usw.
(Wunderhorn III, 236)
oder: So geht's, wenn ein mädel zwei knaben thut lieben,
thut wunderselten gut.
Diesen schluss hat das bekante lied „Der eifersüchtige knabe^
in den Herderschen Volksliedern; möglicherweise ist derselbe übrigens
unecht, da er in dem „Wunderhorn", wo das lied I, 328 und bei
ühlaird, wo es I, 168 steht, fehlt.
In andern gedichten dieser art ist die subjectivität des dichters
völlig durchgedrungen, das gedieht völlig lyrisch geworden, und das
epische dement, die erzählung des dem stimmungsbilde zugrunde lie-
genden anlasses nur noch in ganz flüchtiger andeutung gegeben. So
in dem bekanten:
Morgen muss ich fort von hier,
wo das die wehmütige Stimmung veranlassende tiefere Schicksal (ausser
dem aufbruch) nur (in der dritten Strophe) leise angedeutet ist:
Hab ich dir was leid's gethan,
bitt' dich, woll's vergessen,
denn es geht zu ende.
186 noTjnucaicM
(Vgl. Falilo, Ober dio deutscho baÜade, ia doii Fleckeiseu und Masiua-
sübeu juhrbüchera band 104, s. 401 — 423; das. 414 und 415).
Endlicb die dramatisch- dialogische ausgestaltung der bailade findet
flieh in dem volksliede in weiter ausdelinung. So in dem im „Wnuder-
horn" „Ulrich uud ÄiiBchen" betitelteo (Uliland I, 146), in „Die wider-
gefundene köuigstochter " (Dhland I, 273), „Der eifersüchtige kuabe"
(Uhland I, 168).
Scbou die wenigen heispiele zeigen, dass auch Deutschland im
15ten und IGton Jahrhundert, wenn auch nicht unter diesem namen,
balladeu hcsass , welche die charakteristischen niomente des echten
volkstümlichen, episch -lyrischen liedes aufzeigen. Diese volkslieder-
dichtung verstumte mehr oder weniger im ITten jahrhimdert, und die
bailade nikhm erst in der knnstballade einen neuen aufachwung. Hier-
mit bin ich <auf die eigentliche aufgäbe meiner abliundlung, die deutsche
kuustballade, gekommen. Eine knnstballade kann OfTenbar nur das
ziel haben, in irgend einer weise dieselbe oder eine analoge Wirkung
auf den modernen menschen auszuüben, welche das alte Volkslied auf
die eiufacheii gemilter seiner hörer ausübte; es kann dieser versuch
auf verschiedene weise augestelt werden, über die ich weiter unten
eingehender handeln werde; das eine aber möchte ich gleich hier kurz
bemerken: eine grosse Schwierigkeit dieser aufgäbe liegt in dem wesent-
lichen unterschiede unserer heutigen culturverhSltnisse von denen der
zeit der alten ballade; das volk seit dem beginne des siebzehnten Jahr-
hunderts ist in zwei durch eine ungeheure kluft getrente hälflea
gespalten, die litterarisch gebildeten und diejenigen, welche es nicht
sind, von deneo die leztereu die künstlerischen und puetischen geofiseo
der ersteren nicht mehr verstehen. Wie dem gegenüber nun auch die
kunstballade und -romanze ihre aufgäbe lösen mag, so viel darf man
vorweg aufstellen, sie ist ein episch - lyrisches gedieht, welches orgrei-
fende ereiguisse mit oft dramatischer unmittelbarkeit darstelt. entweder
mehr in dem aphoristischen, dßstern colorit des nordischen Volksliedes
— und dann ist sie eine kuustballade im engeren sinne, oder in
dem helleren, ideal- plastischen gewande der südliehen romanze — und
dann ist sie eine eigentliche kunst romanze. Indessen gebrauchen die
balladendicbter selbst die beiden bezeichnungeu ziemlich unterscbiedslos,
1 auch der name ballado, nachdem er einmal in Deutsi-hland ein-
geführt ist, die Oberhand gewint; bei der immerhin schwankenden
nomenclatur möchte auch ich in dieser beziehuug für kleine wiUtürlicb-
keiteu um nachsieht bitten.
Die entwickeluDg der deutseben kunsthallade gebt nalfirlich parallel
mit der entnickelung unserer classischeu litteratur überhaupL Ihre j
BALLADE BIS BÜBOISB 137
geschichte Hesse sich demnach in fünf epochen einteilen, entsprechend
den hauptepochen in der entyrickelung unserer neueren litteratur im
ganzen :
1) die ballade der zeit der widergeburt unserer deutschen litteratur,
die specifisch so genante „romanze^ Oleims und der bänkelsänger ;
2) die ballade der geniezeit, theoretisch vertreten durch Herder,
practisch am grossartigsten durch Bürger;
3) die ballade der classicität, Ooethe, Schiller;
4) die ballade der romantiker und ühlands;
5) die ballade der neuzeit mit vielfachen Vertretern.
Meine Specialaufgabe, die geschichte der deutschen kunstballade
von ihrem ersten auftreten bis zu ihrer ausbildung durch Bürger zu
schildern, wird also von den obigen abschnitten den ersten und zweiten
eingehender zu behandeln haben, der dritte bis fünfte sollen in einem
schlusscapitel wenigstens in ihren hauptzügen leicht skizziert werden.
Bevor ich aber an meine aufgäbe herantrete, liegt es mir ob, dieje-
nigen bisherigen bearbeitungen zu nennen, welche ausser den abriss-
artigen darstellungen in grösseren litteraturwerken sich speciell mit
meinem thema befasst haben. Dahin gehören ausser den genanten
abhandlungen von Qoerth und Fahle eine schwedische dissertation von
Cl. Joh. Emil Aurell, Om bailaden och romanzen usw. Upsala 1864,
und zwei programmabhandlungen von dr. Hense, Warburg in Westfalen
1878 und 79 und eine desgl. der Lauenburger Albinusschule 1879 von
dr. Blume. Alle die genanten abhandlungen mit ausschluss der lezten
beschäftigen sich indessen, auch sämtlich ohne auf das wissenschaftliche
detail, quellennach weise usw. näher einzugehen, mit der entwickelung
der ballade nur von Bürger an bis Uhland, die Blumesche abhandlung,
auf eine volständige entwickelungsgeschichte der deutschen kunstballade
angelegt, behandelt in dem erschienenen ersten teile die frühere zeit
(ausschliesslich) bis gegen 1770, indessen hat mir für diesen abschnitt
ein bedeutend reicheres material zu geböte gestanden, den Übergang
aber zu Bürger und die Bürgersche balladendichtung in ihrem Verhält-
nisse zu der früheren und späteren gleichnamigen dichtung glaube ich
zuerst quellenmässig behandelt zu haben.
^
Erster Abschnitt.
Die dentBCbe romanze von llireiu ersten aartreten bis zu
den bestrebungen Herders.
g 1. Oleim.
Die erstea deutscheu „romanzen" dichtete Joh. Friedrich Ludwig
Gleim.*
£3 sind diejenigen, welche er 1766 herausgab. (Sie sind aufge-
nommen in die samlung der Gleimacheu werke von Körte, Halberstadt
1811 — 13, band 3, 89 ff.). Dass sieh der gute Gleini in dieser neneu
dichtungsart an die ausliLnder wante, von denen er sie erst kennen
gelernt hatte, ist nicht besonders zu verwundern. Der Spanier Gongora
und der Franzose Moncrif waren seine Vorbilder. Es war von vorn-
herein zu bedauern, dass die deutsche romanze gerade an diese muster
geraten war.
I) Denn wie EoberBtein (geBchichte der deutacbea Dation&llitteratar T, 32)
richtig bemerkt, ecbeint die „RomftDio", welche eich nntei von Crooegks gedichtet!
befindet (aiug, von 1763, bund 11, e. 333 ff., BufgonaiDmen in die „Romanten dar
DentscheD' I, 123 unter dem tilel „Die wobl&n »gedachte nebe") erst später und
unter dem einflösse der ersten Gleimscben entstanden zn sein. Denn dieselbe itoht
DBch ihrem stjjffe (die untreue einer frau und die komische räche, welche ihr ehe-
mann an dem Verführer uimt), nach mehr aber in der nianicr der behandinng jennn
oben erwähnten Qleimschon romanien und der durah sie bedingten späteren rtch*
tUDg entachiedeu nahe. Die Vermutung dieser vcnrantschaft wird noch mehr durah
Am metnim best&rkt, f^J-^^-t-^-L^J-^\
\ ^-^\j-^ j^ das vielfach imitierto metruni der
Gleimscben «BlarianDe'. Nun aber liegt eine nachahmuDg t. Cronegks dnrch Gleini,
von der aoch anderwärts niemals etwas bekant geworden ist, schon mit rückaicht
ftaf des leztercn damals bereits erreichte Stellung auf dem deutschen Pamasse und
seine notorische bekantscbaft mit fnuizösisclicn und spanischen romanzendicbtem
(vgl. KSrto, Gleims leben s. 43) gänilich fern, während nmgekehrt bsi Crouegk.
dessen kurzes leben, ätmlich demjenigeo von Hölty und Körner eigentlich nnt eine
Vorbereitung xu seinem dichterberufe gewesen ist, eine anlebnung aji die allcrdingi
erst kurs vor seinem (1758 erfolgten) tode erschienenen Gleimscben romanien ganz
natSrlicb erscheint.
Was ein noeJi froheres gedieht von J. A, Schlegel (Vermischte Gedichte,
ausg. 1787-89, 1, 271) ,AJax Oileus* betrift, welches Keberstein V, 31 oitiert, w
kann dasselbe meiner ansieht nach kaum zu den romanzen gezählt werden, wenn
es anch etwas ramacienartiges an sich haben mag, jedenfals ist es nicbt mit bovust-
sein als romanze gedichtet, sondern als poetisolie erzählung. Denn es ist dem ton«
der ganzen ersten tu manzene poche voUtändtg fremd, und die behandinng classiMber
Stoffe in ernster balladenmanier war einer weit späteren epoche vorbubalten ; natBr-
liob fuhrt du gedictit auch nicht den su
Don Luis de Gongora y Argote (geb. 1561 zu Cordova, stud. zu
Salsmanca. die rechte, trat später in den geistlichen stand und starb
als titularcaplan des kCoigs 1627) geborte jener zeit an, in welcher
eine eigentümlich schwülstig - phantastische richtung, von Italien aus-
gehend, die litteratnreu fast sämtlicher europäischer vQlker durchzog
und den marinismus, euphuiamus usw. hervorrief. In Spanien vertraten
diese richtung der poesie die schulen der concepücnisten und cultu-
risten; der Stifter der leztoren war eben Gongora. Gongora dichtete ia
B^er Jugend rooianzen und souette, welche sieb, ganz im gegensatze
zu seiner sp&teren manier durch einfacbheit und Zartheit der empÜndung
auszeichnen. Daneben verfügte er über einen kaustischen witz, der
sich in bitterer Satire über die Zeitereignisse ergiesst (man vergl. das
berühmte äonett auf das madrider leben).' Diese gäbe verwendete er
später auch für die romanze, indem er statt der einfachen naiven
behandlung, welche sich an die volksromanze anschliesst, den weg des
burlesk - parodischen einschlug. Das charakteristische dieser manier
besteht darin, daas der dichter, wie der Ironiker überhaupt, über seinen
gegenständ sich hinauserbebt; Gongora. trägt nun die motive der volks-
romanze im tone einer graciösen ironie vor. Diese manier ist aber
himmelweit verschieden von dem specifisch so genanten gongorismus
oder culturismus (b. oben). Um seiner poesie mehr ansehen nu ver-
aohaSen und unter dem eintiusse der berscbenden zeitricbtung (beson-
ders der conceptionisten und des Ledesma) Hess sich nämlich Gongora
verleiten, eine neue art des von diesen gepflegten gezierten stiles, den
estilo culto oder den gebildeten stil aufzubringen und anzubauen.' Das
eigentümliche dieses stiles bestand in einer ganz besonders metapho-
rischen darstellung, die sich auch äusserlich durch eine absonderliche
Wortstellung und eine unmässige bäufung von fremdw5rtern charakte-
risierte. Diesen eigentlich ao genanten gongorismus, welcher die in
1) Vgl. über Gon^ra F15gel, Oeacbichte der koiaisclien litteratur, II, 296,
dessen uiteil aber vol CSr G. zu bort ist, femor Erach □. Grober, EncyclopSdie,
gect. 1, teil 74, fl. 12— 17, Ticknor, Qeschicbte der schönen litteratur tu Spnnioa,
dentmh von Julius, Leipzig 1852, II, s. 148 ff. und GoDgoro, an easa; on the
times of Philipp Ul and IV of Spain, with tranalatious by Ed. Chnrton. vol. !. 2.
London 1862.
2) Von den boranagebem aetner werke werden G.'a romanxcn in llebesromanEen
(lomances amorosoe), lyriacbe (liricoa) nnd burleske (burleacos) eingeteilt, denen
lieh noch romoncee varioa onacblieBaen. Sechzehn dieaer Gongoraacben romanzcn
(darunter nur eine bnrleske) gab Gleims frennd J. 0. Jauobi berana; „Remanzon
ana dem Spanischen des Gongora" Halle 1767. Ob Gleim in irgend einem Ver-
hältnis zu dieser herausgäbe gestanden bat. habe toh nicht ermitteln können. Man
Tgl. über dieselbe die reoenaion in Klotsens Deutscher bibL 2, 1 ff. nnd Hall, gel,
leitongen 1767, 334 C
HO
dieser manier verfasten stücke n&lipzu unverständlich macht, hat Gleim
nicht nachgeahait , obwol auch die späteren Gougoraschea romanzen
mit demselheii getränkt sind. Ton den drei romanzen Gongoras hin-
gegen, die der deutsche dichter nRohbildete. sind zwei einfache und
anmutige liebesrc-innnzßn. und die dritte trägt iiher einen zierlich leichten
und tändelnden als eigentlich bnrleitlfen charakter. Wenn alao Gongora
auch nichts weniger als ein geeignetes vorbild für unsere junge roman-
zpDdichtung war, so wSre die sache immerhin noch nicht so schlimm
gewesen, wenn nicht durch die speci£sch Gleimsche marotte, doss die
romanzo absolut burlesk - parodisch sein müsse, alles verdorben wäre.
Dies zeigte sich auch in Gleiins benuti^ung seines zweiten Vorbildes.
Franvois Augustin Paradis de Moncrif (geboren 1687 zu Paris.
«Iccteur de la reine" und deren vertrauter, t 1770) ward für den
Schöpfer oder vielmehr den regenerator der romanxe in Frankreich unge-
sehen, wie Gleim dasselbe in Deutschland war.'
Ich halte diese stelle für geeignet, uja über die franzfisiscUe
romfinze im allgemeinen einige bemerkungen einzuflechten. Die^^lr.
französische laamizc (vgl. Paulin Paris, le roinancero fran^oi», Par.
1833, und K. Bartsch, Ältfranz. romanzen und paätourollen , Leipzig
IK70). nicht so )!ahlreich wie die altspanische, trägt im grossen und
ganzen ebenfals jenes gepräge ritterlichen geiates mit den motiven der
ehre und liebe; insbesondere um die leztere drehen sieh viele der alt^
fran^fisischen romanzen. Die neu französische litteratur hat in der grossen
kunstromanze vieles, aber nicht viel hervorgebracht: die meisten inis-
laltcn durch rhetorischen bombast, dagegen sind die Franzosen meister
in jener der chanson ähnlichen lyrischen romanze. die von leichten
mclodien begleitet wird und sich von der reinen chanson nur dadurch
unterscheidet, dass das die Stimmung hervorrufende factum noch immer
ans dem hintergrunde hervorschaut. (ZaJilreiche beispiele dieser dich-
timgsart weist der franzilsischö Kccueil de romances tendres et bur-
Jj», lestjues, l'aris 1767 — 73, 2 bände auf.)
Biese romanze cultiviertC' Moncrif in ziemlicher menge und mit
gutem erfolge (wie er denn überhaupt ein sehr musicalischer diditer
war. vgl. Essai sur la musique ancienne et moderne, tomo TV. 263—55),
Daneben dichtete er auch noch zwei längere romanzen, einigermassen
der art der Gougoraschen ähnlich — ob Moncrif aber, wie in einem
1) Von einigen wird Voitnre (1598 — 1C4S) aU regenerntur der runuuim inier
Ttclniebr Akt b&lIoilD in Frankreich aogegoben (vgl. aber ihn Pierors cunv.-lex.
2. anfl. bd 33, b. 157), doch ximl vrenigstens dia beiden in der Elonuchcn Biu^bn
Idor Voitnrescben wi-rkii (PariB läsill bnllndlicben zw«i .b&Uftdou* Toin lyrisclie
f g<(Uclit« und babeo niobls mit ia liivt iu rede «t«beudea gattusg gtmeln.
BAUilDB BIS BÜRGER 141
aufsatze der Deutschen vierteljahrsschrift, jahrg. 1857, heft 2, 8. 91 ff.
behauptet wird, ein schüler Gongoias gewesen, vermag ich nicht recht
zu entscheiden — das parodische dieser romanzen Moncrifs besteht in \
einem über das natürliche hinaus gesteigerten pathos, welches den
einen schritt vom erhabenen zum lächerlichen überschreitet und so in i
dem tone des lezteren wirkt. ^ Gegenüber der graciösen Ironie aber,
mit der Moncrif das tragikomische mehr durchleuchten liess als plan
heraussagte, zog der .^toGleim. alles ins platte ujid ordinäre. Dies
zeigt die erste der Gleimscheu romanzen, zugleich die einzige, in der
er den Moncrif nachahmte.^
„Tiiurige' und betrübte Folgen der schändlichen Eifersucht wie
auch heilsamer Unterricht, dass Eltern, die ihre Kinder lieben, sie zu
keiner Heirath zwingen, sondern ihnen ihren freien Willen lassen sollen,
enthalten in der Geschichte Herrn Isaac Yeltens, der sich am Uten
April 1756 zu Berlin eigenhändig umgebracht, nachdem er seine getreue
Ehegattin Marianne und derselben unschuldigen Liebhaber jämmerlich
ermordet.^ Dieses stück ist eine directe nachbildung der Moncrifschen
„les constantes amours^, nur dass Gleim, um die romanze populärer zu
machen, den überkommenen stoff mit einer Berliner mordgeschichte
(s. den titel) in Verbindung brachte, vielleicht erst nachträglich, wenn,
wie Körte, Gleims leben s. 43, sagt, die drei ersten romanzen Gleims
bereits 1744 gedichtet sind. Im übrigen folgt Gleim seinem vorbilde
nach Inhalt, darstelluug und versbau, meist Strophe für Strophe, und
wo er von ihm abweicht — zusetzend und erweiternd hat er aus den
29 Strophen seines Originals 35 gemacht — da thut er es nicht zu
seinem vorteile^ und es zeigt sich an stelle des eleganten Franzosen
der nüchterne coaetane Gottscheds.
Gleim hebt zu singen an:
Die eh' ist für uns arme sünder
ein marterstand!
Drum, eitern, zwingt doch keine kinder
ins eheband!
Diese moralische betrachtung, die quintessenz der ganzen dich-
tung, wird an dem exempel fräulein Mariannens illustriert, der tochter,
wie es scheint, aus einem gutspiessbürgerlichen hause der damaligen
1) Die beiden genanten romanzen, Les constantes amoors d'Alix et d' Alexis,
das Vorbild der Gleimschen Marianne und das von Herder in seinen „Volksliedern**
nachgebildete Les infortunes inouies de la tant belle, honnSte et renommee comtesso
de Sanlx, sind enthalten in Moncrif * oeuvres « Par. 1 708^ tomo 3, 207 ff.
2) Ich beginne mit dieser nachahmung des Moncrif, weil es zeitlich die erste
dar Gleimschen romanzen ist; die Qongorasdien folgen erst später.
/
/
li
• 4
^.--^
I
I
i I
142 ROLZHAÜdUt
zeit Sie ist verliebt in herru Leander — die einfühning der graeco-
französischen schäfemamen, der Daphnis, Daphnen, Dämons, Ismenen,
Amynte , Ghloen nsw. , welche sich nachher in der romanzenpoesie so
jf breit machen, verdanken wir ebenfals unserm Gleim — also die heldin
' ist verliebt in herrn Leander, und der leser wird zeuge einer häuslichen
scene, in der Marianne ihr „mamachen** recht zärtlich bittet, ihr doch
ihren herzenswunsch in gestalt des geliebten Leander zu gewähren.
„Versprechen Sie mir das, mamachen,
sein Sie so gut!
Dann weiss ich ja, dass mein papachen
es auch gleich thut!**
„Leander!*^ 9»Ach, Sie wollen schelten,
ich seh* es schon!**
„Leander, kind? 0 nein, herr Veiten
sei Schwiegersohn!
Ja, ja, herrn Veiten solst du nehmen,
denn der hat geld,
und du must dich zu dem bequemen,
was uns gefält.
Wie können junge mädchen wissen,
was nüzlich ist?
Die meisten sind erpicht aufs küssen,
wie du auch bist."
„Herrn Veiten soll ich? Ach, ich arme!
Was soll mir der?
Ach, dass der himmel sich erbarme!
Was soll mir der?"
Es schwilt von millionen thränen
ihr schön gesiebt,
und tausendmal sagt sie mit stöhnen:
„Ich will ihn nicht!"
„Du wilst ihn nicht? Ich muss nur lachen,"
sagt die mama,
„wir wollen dir den willen machen,
ich und papa!"
Man schlept sie fort in einem wagen,
hält sie vermumt,
man bittet sie, noch ja zu sagen
und sie verstomt.
(Diese 4 strophen gehören beispielsweise zu den vonQleim eingeschobenen.)
e n (zu Seite 231).
iO, 1. 2.
II 142, 1. 2.
1 von den rosseti, daz was
fche ritter unde Jcneht.
1
•'
»
tu np uvumu svp ^oiiou o
'^puaq ui uvHt svcn s^p'in
fsms u^pdR tiQuts ^m ayosi-,
'orypß dtu ajm dip Bzvup .
>^ 911V t€9?l09J 9fp 9piit>J iU9
sfop i9ipiu( jja u,ryo9jq 9if9\
'^pa zop 9qtanp) ptpij.i9
: '^pzjß fpiPrni jta nv) ,}pn9}S
Wdt ir, künecj erhüben, c
diu tvir in da bringen y son
IV*» 503, 1—3.
Mine schaene swester suU \
ir üfdt ir Brüt^Hde und n
und auch dem gesinde und.
TV" 519, 1. 2.
Mit friuntlieher liebe ^ vU e
enbiutet tu ir dienest er un
510.
Die angest lät beKben, tu
enbiutet sAnen dienest der X
den lie ich wol gesunden; i
dag ich 8in })ote waere mit
II 222, 2 — 4.
da freuten sich von liebe, i
dirre lieben maere, diu in
da wart von edelen frcuwe
II 261* 4 — 262* 4.
do wart vil michel ftieen Vi
Mit waete und mit gebendi
Uote diu vü tiche diu moi
wn den sloUfen recken, die
M wart üe der vaide vil r«
WUa U9tmp\49p *U9^90ji ,ijp j
ftl
^m np jiop stm *u9pu9vp 9u,
}j^ P^ Ä<^»SM«i^ 9m
XI 1138, 2 — 4 (s. auch oben).
tit ir mir künec erloubet, ich sol iu sagen mir,
vaz iu min lieber hSrre her enboten h&t,
nt im ^n dinc nach Heichen so rehte kummerlichen stät.
XVII •> .1748.
Vö .<?f/ uns groze w^illekomen, ir zw^ne degene,
Volker der vU küefw und oucJi Hagene,
nir und miner vrouwen her in ditze lant.
it hol iu boten manigen hin ze Rine gesant
XV 1593.
Daz loteten do die vrouwen und wären sin bereit
i suohten üz den kisten diu herlichen kleit,
larinne si begegene den reken wolden gän.
lä wart vil micJiel flizen von schoenen unben getan.
XV' 1603, 1 Sex unt drizec meide — 1601:
Diu edel marcgrävinne für die burc wtis gegän
nii ir sdioenen tohter, do sach man In ir Mn
ninwicltche vrouwen und manic schoene meit,
lie truogen vil der bouge unde hediehiu kleit.
BALLiDS BIS BtBOEft 148
Sie sieht nach einer kurzen reise
sich eingespert,
wo nach beliebter alter weise
die nonne plärt.
Da soll sie beten und nicht lieben,
allein sie weint^
sie weint und will sich tot betrüben
um ihren freund.
Bald geht „mama mit schwarzer lüge^ zu ihr, um die arme
Marianne durch ein gefälschtes schreiben von der untreue des angeblich
vermählten Leander zu überzeugen.
Schnell rolt in einem goldnen wagen
herr Veiten her,
auch komt ein man mit weissem kragen
von ungefähr.
Gequälet ward von jung und alten
das arme kind,
und die Verlöbnis wird gehalten,
ach, wie geschwind!
Nun freut ein häufen anverwanten
sich auf den tanz,
nun binden mütter, nichten, tauten
den myrthenkranz !
Nun schickt sich zu drei wilden tagen
das ganze haus,
und priester gehn mit leeren magen
zum hochzeitsschmaus.
Nur für die braut ist keine freude
und keine lust,
sie quält sich mit geheimem leide
tief in der brüst!
Betrübt hört sie des priesters segen,
sieht Veiten an
und seufzt bei lautem herzensschlägen :
„Achy welch ein mann!*^
Am abend mehret sich ihr jammer
und ihre pein;
denn ach! sie soll nun in die kammer
mit ihm hinein.
144 nniJSHkunai
Wie* man ein lamm zur ttchlachtbsnk führet,
HO fahrt man sie;
Huht, Hpricht mama, wie nie eich zieret!
die nftrrin die I ^
Nii(th der lioch/oit lobt Marianne fQnf jähre ihrem gatten ergeben,
libor olino dun tunnt goliobton vorgoBsen zu können. Eines tages, als
m widor uUidn ihrer Htillmi trauer nachhängt, wobei sich Gleim zu
cler graoiörion Wendung verleiten lAsst:
KiuHt, uIh Hie sich dem gram ergibet
und einaam nizt,
und ihrem ehmann, den sie liebet,
durch Hpinnon nAxt. (!)
da tritt dieHor inn itimmer, um ihr mit dem geschenke einiger Juwelen
eiuo tVoude tw bereiteu.
Ihm folgt ein kaufkuauu, der Juwelen
und (»erlen trügt,
und der im iuueniteu der seelen
betrübuis hägt (suo!).
Ka int uatürlioh, wie der leser errät, Leander, auf den iu dieser unge-
ai^hickteu weisse hingedeutet wird, der iu der venuummung eines frem-
den händlerti auttritt. Mariauue soll sich die juweleu selber aussuchen,
uud ihr ehegatte verlässt das haus, um awf die jagd zu gehen (bei
Moncrif geht er auf das gericht, wodurch sein kurzes fortbleiben und
(»IC^xUohos ^idererscheiueu besser motiviert wird). Die folgende Strophe,
die Schilderung der erscheiuuug des kaufmauu^* ist tür Gleims geschmack-
lose darslellung bes^tuder^ charakteristisch:
Nun steht mii ^tcerudeu geberdeu
der kaufmaun da,
>oII furcht« von der gehasst zu werden*
die je^t ihn sah.
Weil, statt der roseu seiuer maogeo»
eiu hiuger hart
horabhieug und wie er vergaugeu
gesehen ward, [l)
Siuit ;MU oofur. Dn>it ^u budier.
^ ihh^ Ik iMwe «»( !;» crk' La pttUTTvcte. r«B pUnuvnt w Taine
bALLABB BIS BÜBOBB 145
und: Er zeigt ihr seine waaren, schweiget
und spricht kein wort,
doch geht, so oft er ihr was zeiget,
ein Seufzer fort.
Marianne, aufinerksam geworden, fragt ihn nach der nrsache
seiner leiden, and der kaofmann verrät, dass er ein bild seiner verlo-
renen geliebten bei sich trage ; auf ihre bitte zieht er es aus dem busen,
Marianne liest auf dem verschlossenen kästchen die worte:
Von meinen zärtlich treuen thränen
entstand ein bach!
und floss auf dieses bild der schönen,
ach, himmel, ach!
Sie öfnet und will in Ohnmacht sinken -^ es ist ihr eigen bild.
„Ach, Marianne, Marianne,
ach, stirb doch nicht!
Ach; sieh* mich, engel, ach, ermanne
dein blass gesicht!^
Marianne komt wider zu sich, sie bittet und beschwört ihren
freund, sie auf immer zu verlassen:
Er eilt, gehorsam dem befehle,
urplözlich (!) fort
Ach, seufi&t er, ach, geliebte seele,
nur noch ein wort!
Ich sterb* um dich. Er fasst im gehen
die band ihr an,
zum lezten mal will er sie sehen —
da komt der mann.
^ Stirb ,^ sagt er, „räuber meiner ehre,
mit tausend schmerz!^
Er tobt und stösst sein mordgewehre
in beider herz.
Leander stirbt und Marianne
seufzt: „Himmel, ich
verdient es nicht !^ Sie spricht zum manne:
„Du jammerst nych ! "•
Der mann hat keine frohe stunde;
des nachts erscheint
das treue weib, zeigt ihre wunde
dem mann und weint!
KlTtOHB. F. DBUTtOBB PHIIiOLOOIB. BD. XT. \\^
A ^
HS H0t.ZRtÜ8EK
Ein kläglidu-a gewins»! irret
um ihn herum,
ihn reut die that, er wird verwirret,
er bringt eich um!
Und nun konit die^oral, die Gleim nach Moncrifs vorbilde i
not^vendigea ingiediens der romanze annahm, und die iu der znkui^
so viel Unheil in der romanzendicbtung anrichten solte, indem !
„inoralen*' anhängte auch da, wo sie nichts weniger als passend warai
ja, ganze romanüeu nur auf die moral bin verfertigte und zuflohnitl
Hier lautet de:
Beim hören dieser mordgescbichte
sieht jeder mann
mit lieblich freundlichem gesiebte
sein weiboben an
and denkt: wenn ich 's einmal so fände,
so däcbt' ich: nnn,
sie geben sich ja nur die- bände,
das lass sie thnn.
Neben der jqviajjjüjjöiadien moral trfigt znr Vollendung
lesken Zeichnung in diesem gedichte nicht wenig das aus dem Fraui
siscben mitentlebnte und mit der „ Marianne" in Dentachland sei
beliebt gewordene iiietrum bei, welches in der folgezeit unzählige ml
nachgeahmt wurde; seine parodiscbe Wirkung beruht in dem leiernde
stets widerkehrendeu falle der beiden verse, des langen und kurzen:
Das war Deutactilands erste roroanze, die viel l>erühmte .Marianne'
Ivon den freunden und Verehrern Gloima in den bimmel gehoben
vorherlicht (vgl. J. G. Jacobi, Romanzen aus dem Spanischen us?
8. 72. Ober das urteil, welches ttelbst ein Herder von ihr abgeben konti
s. unten), und bis in die aiebziger jabre stets als luuster einer ecbtfl
naiven und wolgelungeneu romanze anfgestelt wurde.
In ähnlicher manier sind die beiden andern „Romanzen" der bq
gäbe von 17&G behandelt. Die zweite:
„Wundervolle, doch wahrhafte Abenteuer Herrn Schont by Nftcb
Cornelius van der Tyt, vornehmen Bürgers und Gastwirths im WaUf!«iJ
7.U Hamburg, wie er solche seinen Gästen selbst orzüblet. Aus seinf
holländischen Mundart in hochdeutsche Heime treulieb äbersetzet" scbij
dert iu ziemlidi fratzenhafter weise die abenteuer piues holländische
Seefahrers; die andere:
fiAtULDB filS BÜRGEB
147
„Dämons und Ismenens zärtliche und getreue Liebe, getrennt durch
einen Zweikampf, in welchem Herr Dämon von seinem Nebenbuhler am
20. August 1755 auf Auerbachs Hofe zu Leipzig mit einem grossen
Streitdegen durchs Herz gestochen wurde, wodurch er seinen Geist jäm-
merlich aufgeben müssen. Zum Trost der herzlich betrübten Ismene
gesungen,^ ist nach stoff und behandlung mit der „Marianne^ sehr
verwant, ebenfals eine mordgeschichte mit dem motiy der eifersucht.
Nach dieser ausgäbe von 1756 hat der romanzendichter Gleim
lange geschwiegen oder wenigstens mit der publication neuer dich-
tungen zurückgehalten. Und, als er endlich im jähre 1771 die geprie-
sene leier wider schlug, da waren es noch immer nicht die „Romanzen
nach Gongora^, welche erschienen, sondern ein schäfergedicht, nach art
der modischen Schäfereien, ein schäfergedicht in romanzischer form, wie
„der blöde** und „der dreiste schäfer" (s. Körte, Gleims leben s. 39 ff.)
solche in dramatischer gewesen waren , freilich auch nicht glücklicher
als diese.
„Alexis und Elise"* hat den eigentlichen bänkelsängerton der drei
ersten romanzen verlassen und dafür jenen zug weichlicher liebes- und
freundschaffcständelei angenommen, welcher auch in den zwischen Gleim,
Heinse und Jacobi gewechselten süssigkeiten herscht; das thema des
gedichtes ist die überzärtliche liebe zwischen einem schäferpaar — denn
dieses sind Alexis und !ßlise — die handlung besteht darin, dass die
guten leutchen einen armen pilger liebreich aufnehmen und verpflegen,
dies ist der Inhalt des ersten gesanges; aus demselben einige proben:
Alexis und Elise
sind meiner muse lied!
0 liebet euch, wie diese,
sagt man, wenn man sie sieht.
Sie küssen sich und schämen
sich artig auch dabei,
und geben sich und nehmen
mehr küsse nicht als zwei.
Und einig so darüber
dass nie gestritten ist:
ob er Elisen lieber,
ob sie ihn lieber küsst? —
Einst, als auf ihre weide
ein armer pilger kam,
da liefen alle beide
und holten ihm ein lamm usw.
Ln zweiten gesange werden die beiden von Wolfen angefallen,
welche durch Alexis mut besiegt werden. Man lese:
Elise fleug zu scherzen
mit ihrem männchen an;
schon schmelzen ihre herzen,
er, schon ein sanfter mann.
Sie, schon ein sanftes weibeben,
wie sonsten nirgend ist,
kehrt wie ein turteltäubchen
sich zärtlich um und küsst!
10*
148
HOLZRAÜSBl^
ij^jHll
Und plözlich stand vor ihnen
ein schrecklich grosses tier,
in keinem träum erschienen
euch schönen oder mir.
Es war ein wolf ; zu scherzen
war keine zeit, kein ort;
Elise, blass, im herzen
war all' ihr blut, lief fort
Alexis, mehr ein meister
von seinem blut, ein held,
bot seine Lebensgeister
aU' auf im kriegesfeld!
Er geht — die erde bebet —
das tier zu boden, sizt
auf seinem bauch — er lebet
und hat sein weib beschüzt usw.
In diesem läppischen tone ist auch der dritte gesang des unend-
lich langen gedichtes gehalten , in dem der arme pilger wider erscheint,
sich als hirtengott entpupt und die beiden zur belohnung mit einer
schaferei beschenkt^
Eine neue samlung von romanzen gab Gleim im jähre 1777 her-
aus.' In dieser müssen zuerst die „Bomanzen nachGongora^ erschienen
sein, wenn er sie gewiss auch schon früher gedichtet hatte. Es sind
ihrer drei: „Der schöne bräutigam"^ (Todas las obras de Don Luis de
Gongora, Madrid 1654, s. 123, abgedruckt in deutscher Übersetzung
bei Jacobi s. 72), „Der gute tag^ (ib. 84, Jacobi 56) und „Die zeit"^
(ib. s. 117, unter den romances burlescos, bei Jacobi 101). Ich gebe
hier das erste; aus dem originale, einer anmutigen, hübschen liebes-
romanze, hat Gleim in der besprochenen manier ein 11 strophiges poSm
zurechtgemacht, zu dessen scenerie er natürlich wider die Sphäre des
vulgär bürgerlichen lebens eröfhet:
Die kleine Doris weinte laut,
sie hatte recht zu weinen!
Vom schönen Daphnis eine braut,
liebt sie nur ihn, sonst keinen,
und dieser schöne bräutigam
war jähre weggeblieben.
1^ 1) WielAQcL mag sein urteil selbst vertreten, welches er Aber dieses gedieht
'^-^^ Gleim gegenflber füte: „Sie allein können ans nichts oder ans etwas, das beinahe
^«i^ nichts ist, das niedlichste, anmnthigste, anziehendste, interessanteste (!) Ding machen,
das jemals ein Barde gemacht hat. Wie liebe ich diese anmnthig wilden Noten** usw.
Ziemlich ironisch mnss das nrteil von G. A. Bürger gewesen sein, wie ans Gleims
briefe an diesen vom 9. September 1771 (Strodtmann, BriefireGhsel I, nr. 17) her-
vorgeht.
2) Diese samlung war nach Joerdens, Lezicon der deotschen dichter and
Prosaisten, bd 2, s. 148 nnr fßr Gleims freunde veranstaltet und ist nicht in den
buchhandel gekommen, woraus denn auch zu erklären ist, dass selbst der umsich-
tige Eoberstein (V, 32) das jähr des erscheinens der „Romanzen nach Gongora"
mit bestimtheit nicht hat ermitteln können.
BALLADB BIS BÜBOBB 149
Wie z&rtlich er auch abschied nahm,
must* er sie doch nicht lieben!
Denn ach, nicht einmal schrieb er ihr!
Sie sass anf ihrer kammer,
sass einsam, sass, verschloss die thür,
weinf allen ihren Jammer!
Die ganze nacbt hindurch weint sie,
der mond fängt an zu scbeinen,
und sieht die thr&nen; morgens Mb
sieht sie die sonne weinen.
Sie fält in Ohnmacht^ ist so blass,
als wär*s ein kaltes fieber.
Die mutter holt ein ungrisch glas;
die Ohnmacht ist vorüber.
Ein doctor komt, der doctor spricht:
^Das hat man von dem lieben,
die guten Mnder folgen nicht !^
Und viel wird ihr verschrieben.
Ein tränkchen und ein pülverchen
wird ihr zugleich gegeben;
die Amors und die Grazien
erzittern ihrem leben;
ihr liebesgötter, dass ihr*s wisst;
ihr leben ist in Polen! —
Sie schwärmen auf! Ein Wettstreit ist,
sie fliegen, ihn zu holen.
Ach! dass man doch die reise bald
zurfickgeleget hätte!
Er komt! In trauriger gestalt
steht er vor ihrem bette.
Die Amors und die Grazien
sind froh, ihn da zu sehen.
Die tränkchen und die pülverchen,
die stehn und bleiben stehen.
Sie aber sieht ihn nahe nicht,
ein böser verhäng wehret;
ihr blasses, sterbendes gesiebt
ist an die wand gekehret
150 H0LZHAÜ8BN
Die mutter winkt: „Herr Schwiegersohn,
nicht näher hingegangen!
Gestorben sind die rosen schon
auf ihren zarten wangen.^
Der Vorhang wirft sich selbst znrfick;
nach Daphnis wird gesehen:
ein blick auf ihn, ein halber blick,
da war die kor geschehen!
und sehty die kleine Ghloris singt;
sich selbst gesund zu mac)ien,
küsst sie die mutter, ist verjüngt,
die liebesgOtter lachen.
Ihr schönen, mögt nun alle gehn
und euch in tugend üben,
mögt die gesunde Ghloris sehn,
bereit, wie sie zu lieben!
Ihr männer aber, bleibt mir nah,
des liedes zweck zu hören,
denn gute dichter sollen ja
belustigen und lehren.
Es lass' ein schöner bräutigam
nie seine braut alleine,
dass sie vor Ungeduld und gram
sich nicht zu tode weine!
Die liebesgOtter möchten ihn
aus Preussen oder Polen,
aus Rom und London und Berlin
nicht leicht wie diesen holen.
In ähnlicher weise hat Gleim sich die beiden andern romanzen nach
Gongora zurecht gemacht; wie er dabei verfuhr, lässt sich auch aas
einem vergleiche der dritten mit der Herderschen bearbeitung des
Originals in dessen „Volksliedern" ersehen.
Gleim hat in der eigentlichen romanzendichtung nie einen fort-
schritt gemacht (wie er auf einem sehr verwanten felde um so vieles
weiter gelangt ist s. unten), dies zeigen auch die übrigen gedichte dieser
gattung, die wol meistens von seiner eigenen erfindung sind.^ Die
1) Vielleicht sind in dem einen oder andern wenigstens anklänge aa frauL
originale, ob aber, wie Hob (in dem Vorwort za , Deutschlands baUaden- mid
BALLADE BIS BOBQEB 151
meisten derselben sind läppisch und abgeschmackt (besonders „Lieb-
chens geist^), in manchen versucht er, einen volkstümlich sein sollenden
ton anzuschlagen, in ganz eigentümlicher weise in dem „Bitterschlag^,
in dem er einen populären ton durch die einmischung plattdeutscher
elemente hervorbringen will.
Alle diese durchweg so gedankenleeren gedichte Gleims sind, wie
Qleims poesie überhaupt, durch eine glatte und gewante form ausge-
zeichnet. Ihrem Inhalte entsprechend, sind sie alle in leichten vers-
massen geschrieben, die meisten in jenem in allen sprachen so häufig
vorkommenden viermal gehobenen verse, der sich in deutschen godichten
auf den alten germanischen, epischen vers zurückfahren lässt, indem
je 2 Zeilen, also 8 hebungen, ein versganzes ausmachen, mithin jede
derselben einer vershälfte des germanischen langverses entspricht Ob
indessen der von Gleim angewante vers^ auf historischem boden wur-
zelt oder nicht vielmehr auf den französischen achtsilbner oder die
spanische redondilie zurückzuführen ist, wage ich nicht zu entscheiden.
Neben den rein vierfüssigen zeilen hat Gleim bekantlich auch das in
der „Marianne'^ gebrauchte metrum für die deutsche romanze in schwung
gebracht, welches aus je einem längeren (4 — 5 f&ssigen) und einem
kürzeren (2füssigen) verse besteht, welche durch ihren regelmässigen
Wechsel und leiermässigen tonfall dem parodischen Charakter dieser
gedichte wol entsprechen.
Daneben komt auch, wie wol seltener, ' eine Verwendung eines 3 mal
gehobenen verses in den Gleimschen romanzen vor, welche auch ana-
logien im Französischen hat. Gleims versmasse sind durchweg jambisch,
die Strophen in der regel 4 zeilig, eine grössere^ architectonisch geglie-
derte Strophe verwendet er nicht, ebenso wenig wie seine nachfolger
bis Bürger, welche überhaupt in metrischer beziehung wenig bemerkens-
wertes und abweichendes haben, so dass die hier gemachten bemerkungen
im wesentlichen für die ganze folgezeit bis Bürger gelten können.
Ich kann den dichter Gleim nicht verlassen, ohne eine reihe von
gedichten zu besprechen, welche, obwol sie dem namen nach ausserhalb
der romanzen stehen , dennoch vielleicht in höherem sinne diese bezeich-
nung verdienen als irgend eine andere romanze Gleims,^ zugleich eine
der besten leistungen des dichters überhaupt. Ich meine die Preuss.
kriegslieder von einem grenadier, welche Lessing i. j. 1758 herausgab.
romanzendichtorn*', Würzburg und Earlsnüie 1860, s. IV) behauptet, Gleim den
Senece und Marmontel bennzt habe, vennag ich nicht zn sagen , da mir die romanzen
beider dichter bis auf wenige beispiele nnzogängUch gewesen sind.
1) Um 80 mehr ist zu yerwnndern, dass Blume a.a.O. ihrer mit keiner
nlbe erwihnt
152 HOI.SBAIISBH
Goertb in seiner oben citierteu ahbandlung sagt (s. 384): „Wir babea
uns 7.U sehr mit dem gedanken vertraut gemacK, dass eine „ballade"
durchaus einen sagenhaftön inhalt haben, womSglicb eine alte sage
behandeln müsse. Dies ist dnrcbauü nicht n(3tig. DaBJenige, was em
gedieht zur ballade macht, ist allein die das geniüt rührende oder
erschütternde daratellung oder er/äbliiug." Wenn er bierin recht hat,
so wäre damit die berecbttgung der ballade zur darstellung auch neuerer
historischer eroignisse zugestanden. Mag nun aber auch diese bei dem
zu dicht vorgerückten Spiegel der nüchternen wabrheit immerhin ihre
Schwierigkeiten haben, für die romauKe der damaligen zeit war es
jedenfals ein vorteil, an einem grossen, wenn auch nahe liegenden histo-
risoben Stoffe erprobt zu werden. Hs kann hier natürlich nur von den-
jenigen der Gleimschen kriegsliedcr die rede sein, welche, der idee nach
nach den grossen schlachten des siebenjährigen kriegöB gedichtet, deren
gang und ereigniase episch darstellen, die siegeslieder von Lowositz,
Pr^, Rossbach, Lissa und das lied nach der Schlacht bei CoUin.
Gott donnerte, da floh der feindl
Singt, brfider, singet gottl
Denn Friederich, der menschenfreund,
hat obgesiegt mit gott.
So singt das erste dieser lieder den ersten sieg des grossen
preussenkCnigs in die weit hinein. Nun folgt zuerst die Schilderung
jener nacht, welche dem schlachttage vorangieng:
Auf einer trommel sass der beld
nud dachte seine schlacbt,
den bimmel über sieb zum zeit
und um sich her die nacht.
Der morgen bricht an, der kämpf soll beginnen:
Frei, wie ein gott, von ftircbt und grans,
voll menschlichen gefUbls,
steht er und teilt die rollen aus
des grossen trauerspiels.
Da treten die preussischen regimenter an:
So stand, als gott der herr erschuf,
das beer der steme da,
gehorsam stand es seinem ruf,
in grosser Ordnung da.
Das beer stürzt zum kämpfe, die Österreicher werden geworfen;
beim rückmarscbe zwar locken sie die Preussen in einen hinterhalt,
BALLADS BIS BÜRGER . 153
auch der wird erstQrmt und der erste sieg ist erfochten; der dichter
rnft dem geschlagenen feldherrn der Österreicher zu:
Sein (Friedrichs) donner zürnte deinem krieg
bis in die späte nacht,
wir aber singen nnsem sieg
und preisen seine macht
Das ist ein ganz anderer ton als in dem kläglichen mordgeschichten-
gewinsel; ein epischer schlachtgesang, durch die befehle der feldherren
dramatisch belebt, dazu etwas von der rauhen spräche des grenadiers,
der auch treflich das metrum angepast ist, einer Elopstockschen ode
entnommen, aber gereimt, diese kurzen, strammen, man möchte
sagen, preussischen verse, in denen die werte einh ermarschieren.
Ahnlich die lieder ^on Prag und Gollin; das lied von Bossbach
ist, wie die späteren kriegslieder überhaupt, durch eine ängstlich detail-
lierte beschreibung des kampfes alzu sehr in die breite gezogen ; in der
Schilderung der flucht der Franzmänner und der reichsarmee hat es
wider burleske züge, die indessen dort nicht übel angebracht sind,
anderseits hat das gedieht auch schon echt balladenmässige stellen, wie :
Vom sternenvoUen himmel sah*n
Schwerin und Winterfeld, —
bewundernd den gemachten plan —
gedankenvoll den held.
Gott aber wog bei stemenklang
der beiden beere sieg.
Er wog, und Preussens schale sank
und Ostreichs schale stieg.
§ 2. Das typische der Gleimschen manier und der bänkel-
gesang.
Sieht man von den „Kriegsliedem^ ab, welche zu ihrer zeit nicht
mit unrecht selbst von männern wie Lessing, Herder und Goethe mit
beifall begrüsst wurden, wenn sie auch für die gegenwart nicht viel
mehr als die bedeutung eines litterarischen curiosums haben (vgl.
Pro hie, Friedrich der grosse und die litteratur seiner zeit, s. 56, und
Goedecke, Grundriss II, s. 581), so ist Gleims übrige romanzendich-
tung trotz der bewunderung der Zeitgenossen^ einer verdienten Ver-
gessenheit anheimgefallen.
1) Über Wielands urteil s. oben s. 20 anm.; dftss die Halberst&dter, die Jacobi
md consorten, die Verfasser der poetischen band- and lehrbQcher, die Eüttner,
Pölitz, Yetterlein und tausend andere Zeitgenossen die Gleimsciiea romanzen h&ch*
154 UOLZHAUSBM
Und doch ist diese för die entwickelung der deutsche» romaazen-
jioesie von eiaem weit grüsBeren einflusse gewesen als die kri^gsUeder.
Denn 'während die kriegslieder nur wenig iiachabmung fanden,' so
wurde jene der ausgangspunkt für die romanzendicUtung einea ganzen
menschenalters. Wenn oben bei der erwähuung des Volksliedes ang»-
dentet wurde, dass der weg der kunsthallade ein verschiedener sein
könne, so ist einer dieser wege wol ohne zweifei die directe nachbil-
dung des volkstümlichen liedes nach inhalt und form ; diese moss
jedoch von einer glücklichen nachempfind ung des volksgefühls getragen
acin. Gleim hat ein solches eingehen auf die denk- und gefufalsweise
des Volkes entschieden versucht, — hiervon zeugen auch seine „Lieder
fürs Volk" und zahlreiche seiner auasprücbe — aber er verwechselte den
reinen und keuscheu ton des Volksliedes, welches erst durch Herder
der deutschen nation wider erschlossen wurde, mit den gellenden
sängen der marktschreier, welche die lezten entarteten sprossen de»
volkstümlichen liedes sind oder einer ganz untergeordneten kunstdicb-
tung ihren Ursprung verdanken. „Je Öfter," sagt tUeim seihst von
seinen romanzen, „dieser versuch (nSmIich spanische and t'ranzCsiscbe
romaazon ins Deutsche zu übertragen) von den rölunliehen virtaosen
mit den stäben in der band künftig gesungen wird, desto mehr wird
man dem Verfasser glauben, dass er die rechte spräche dieser Spielart
getrofl'en habe.'^ Gleim versuchte also, wie er hier ausdrücklich sagt,
selbst bänkelsängerlioder zu schaffen, womriglich, um den hänkelsänger-
liedern bessere texte unterzulegen. Da nun aber tileim das Volkslied,
welches ihm nur in der gestalt des bänkelsängerliedes bekant oder
zugänglich war, unmöglich als einen imi seiner selbst willen würdigen
Vorwurf erkennen konnte, so behandelte er es ironisch; das bänkel-
sängerlied selbst ist ja an und für sich nicht ironisch ; von den markt-
schreiern werden die mord- und gespenstergeschichton mit pathetischem
anspruche auf glauben vorgetragen und von der andächtig lauschenden
menge für wahr und, als herzerschütternd, auch für schön hingenommen.
lieh prieseD. wird man dclleicht iiatitrlich fioden^ dag orteil aber, welches Herdet
niioh im Jahn 1797 narh dorn erscheinen der grassartigen Bfirger, Goethe oiid
Schillerschen baUadennerko in den Adraete& (vgl. Koberttoin V, 37) abgab, .die
drei romanzoD, die Gleim zuerst in unserer Hproche sang, und noch anübertrofleD
die artig«t«D, die nfuvsten* wird man dem altonideii, kranken und verstiisten
Uerder wol gern veraeihea, aber nicht tu miudesten als verbindlich anorkauaen
kfinnen.
1) Nachgeahmt worden sie in Lavaters Schweiterliedcm am beBt«n (vergl.
Xlotiena Dentsche bibl 3, S3 ff and 17, 684 ff.}, fomer in Gerrtcnbergs ,Uad«m
eines dfin. gtenadiert* und (die schwilcbste DAchbildniig) in Weisioe „AmuoDen-
litjdern".
BUJiADB BIS DeBGER 155
Pfir Qleim aber, den poetisch fohlenden mann, wie für jeden gebildeten,
ist das bänkelaängerlied eine fratee; wenn nun obendrein Gleim auch
noch in seinen Vorbildern Qongora und Moucrif die ironisierende beband-
Inng der rom&nze (wenn auch in feinerer weise) vorfand, was wunder,
wenn er iu jenen, der auffassungsweise des gemeinen volkes zwar
adäquaten, dem gebildeten aber hdchsteng durch das medium der ironie
geniessbaren poetischen gattung das wahre wesen der romanze zu
erblicken glaubte und diese durch seine eigenen producte zu bereichern
and zu Terbessern suchte; daaa er damit nicht in unserem heutigen
geläuterten sinne „volkstümlich " schrieb, sondern im gegenteile das
e^eutlicb volkstümliche gänzlich negierte, ist klar. Hiermit hängt
auch zusammen, was Gleim in der vorrede zu der ersten ausgäbe seiner
romanzen sagt: „Der Verfasser fand in einem uralten französischen lehr-
bache den namen und bald nachher iu einem tranzOsiscben dichter,
dem Moncrif, die sacbe. Die erregung starker leidenschaften , dachte
er, ist der menschlichen geselschaft schädlich, meine romanzen aollen
nur sanfte erregen; so entstanden die seinigeu und wareu in unserer
spräche die ersten." Gleim hielt eben den umstand, daas die gedichte
jener gattung nur vermittelst der ironie geniesshar seien, die allerdings
nur „sanfte leidenschaften" erregen konte, für einen vorzug dieser gat-
tnag; nicht für jedermanns nerven sind tragische erschütteningen , und
die abneigung des sanften Gleim gegen dieselben ist sehr erklärlich.
Nun aber kam eine schar geistloser nachahmer, die, wie solches
in der regel geschieht, sich an das äusserliche der manier anklammerten,
den bänkelgeaang , von dessen verwantschaft oder ideutität mit der
romanze sie von vornherein überzeugt waren, um seiner selbst willen,
liebten und mit einer wahren wut über alle erscheinungen des lebens,
der geschichte und litt«ratur herfielen , um zu parodiereu und zu trave-
stieren. Auch im äussern vergröbei'ten sie Gleims manier dahin, dass
sie seine versuche, durch vulgäre Wendungen die romanze der Volks-
sprache näher zu bringen, in der anwendung von provinciallsmen und
Vulgarismen und durch eine tolle Orthographie nachzuahmen und zu über-
bieten suchten: am meisten vergnügen aber fanden sie au den ellenlangen
titeln, welche, an die anschlagezettel zu den weiland haupt- und staats-
actiouen, wie auch au die phrasenhaften ankündigungen der bänkelsänger
auf den markten erinnernd, als ein fast notwendiges ingrediens der
romanze angesehen zu werden pflegten; nicht minder an den oft spiesa-
bürgerlicben, oft auch cynisch - frivolen „moralen" (vgl. oben), Ton
denen einer dieser dichter selbst sehr richtig singt:
Der fabel folgt die lehre
als wie der frau die magd,
ein ding, bei meiner ehre,
das oft den leser plagt.
Ist in dem voiaufgehcnden im algemeinen der Inhalt des färben-
topfes angegeben, in den die häukelsSuger — man bezeicbnet die dichter
dieser art romanze am besten kurzweg mit dem titel ihrer collegen
auf den Jahrmärkten — griffen, um in rohen kleksen ihre bilder hin-
zusudeln, so ist doch noch eine färbe vergeseen, die auch in der
besprecbung dieser epoche durch Blume ganz flbergangen wird und die
doch manchem dieser Kweifelbaften gemälde erat seinen eigentümlichen
&rhenton verlieh , ich meine den ja auch schon bei Gleim beobachteten
französischen einfluss, der sieb insbesondere im siebenten Jahrzehnt des
vorigen Jahrhunderts auf die romanzendicbtung geltend macht. So sind
z. b. die romanzen der Favart, Marmontel, Saint Peravi, la Place n. a.
von den Deutschen ei&ig bennzt und unter anderen die L<5wenschen
romanzen fast stück für stück ans dem gros^n französischen Recueil
de romances tendres et burlesques, Par. 1767 — 73, 2 bde, entnommen.
Nun ist bereits in der oben s. 12 gegebenen kurzen Charakteristik der
französischen romanzen dichtung darauf hingewiesen, dass die hauptstfirke
der Franzosen in der leichten, der chanson ähnlichen romanze bestehe,
einer dichtart, welche im gegensatze zu dem englischen und deutschen
volksliede nur flüchtig die oberfläcfao des lebens und der empgndung
berührt and bei der bekanten vorüebe der Franzosen für pikanten witz
nicht selten den Charakter jener unnachahmlichen gallischen Schlüpfrig-
keit zeigt, deren nachbildung im Deutschen so leicht ins ordinäre
abßlt. Dies zeigte sich denn auch bei den nachfolgern Oleima, welche
den graciösen schritten der koketten französischen muse in plumpem
cavallerietempo nachtrotteten und die überkommenen französischen stoffe
benuzten, um sie ins gemeine hinabzuziehen und zu verfratzen.
Der erste dieser nachfolger Gleims und zugleich der hauptnach-
beter der Franzosen war:
§3. Löwen.
Im jähre 1762 gab Job. Friedr. Löwen (der Hambnrger tlieater-
regissenr zur zeit Lessings, geb. 1729 zu Clausthal, gest. zu Rostock
1771) einigp wenige bogen „Romanzen" heraus mit dem motto: quia
talia fando temperet a lacrymis? und einem titelbilde, welches einen
der „Virtuosen mit den laugen stäben" darstelt, wie er dem pöbel
seine mordgeschicbten vordeclamiert. Diese, übrigens auch in die 176&
bis 66 erschienene ausgäbe der LAweuschen schiilleu aufgenommene
romanzen sind im gründe nichts als mattere copien doijenigen Gleims.
Die beste und noch einigermasaen erträgliche ist die, welche von „dem
6AtiLAl>E BIS Bt^AGBft 16?
in dem blutigen, doch mnthigen Treffen bei Bossbach den 5. November
1757 verwundeten und von seiner gnädigen Frau Mama beweinten
Junker Hanns (!) aus Schwaben^ handelt.
Ein Junker aus dem Schwabenland
solt* nach des vaters willen
einst rühmlich im soldatenstand
den durst nach ehre stillen.
Während die gewöhnlichen themata der bänkelsänger, mord- und
schlüpfrige liebesgeschichten , brandstiftungen und hinrichtungen — von
der ästhetischen seite einmal ganz abgesehen — auch vom moralischen
Standpunkte entschieden bedenkliche motive für eine derartige, carri-
kierende darstellung sind, so ist ein ganz angemessener Vorwurf fQr
dieselbe das wirklich drollige begebnis mit dem Junker aus dem Schwa-
benlande, der zur armee geschickt wird, nota bene zur deutschen reichs-
armee des siebenjährigen krieges ~ auch die anknüpfung an diesen ist
sehr glücklich — aber bald mit einer tüchtigen schmarre heimkehrt,
die er sich in der glorreichen bataille bei Bossbach von einem schwar-
zen husaren hat auswischen lassen:
Da kam ein tapfrer totenkopf
dem Schwaben auf die hacken
und spaltete des Junkers schöpf
und schlizt ihm beide backen.
Der hochnäsige Junker, der „nach ehre strebt^ und als lieutenant
des deutschen reiches den musketer „entsezlich prügelt^, nachher aber
bei Bossbach mit seiner manschaft um die wette läuft.
Die beiden liefen, blutend lief
ihr lieutnant in der mitten,
der zopf war fort, das maul hieng schief,
der (!) backe war zerschnitten,
das alles ist recht ergözlich geschildert, vor allem aber die ankunft
zu hause:
Er kam, es sei dem hinunel dank!
noch mit geraden beinen,
als die mama grad' kaffee trank,
zu den geliebten seinen.
Die Schwester schreit, der vater kann eine ironische bemerkung
nicht unterdrücken:
Der vater rief: ^Schon wieder da!
Wie, junge! so zerfetzet?
Doch so viel nie bei Pultawa
hat's doch nicht abgesetzet"
(la deQ späteren ausgaben ist diese stelle, nicht znm vorteil« dM
gedichtes, verändert, Löwen hatte den fehler Bürgers, gnte lesarteu
durch ängstliche correeturen in schlechtere zu verändern.)
Der mutter wird himmelangst, was base Kosaiuuud, auf die sie
fSr ihren Junker absichten hat, zu der zerhauenen backe sagen wird,
und der dichter schliesst mit der gut angebrachten ironischen mabnnng
an adlige mütter, ihr söhnchen, anstatt es dem kriegsgotte anzuver-
trauen, lieber an den nächsten bof zu schicken:
Doch, soll er ja auf kurze frist
TOD hause sich entfernen,
so schickt ihn an den nächsten bof,
da kann er mores lernen.
Hof-damen zeigen ihm die spur
galant- und feiner sitten;
denn hier wird von der laudfigur
kein Überrest gelitten.
Drum guäd'ge mütter, denket ja
weit adliger und grösser;
sonst geht's wie Hannsens frau mama
ench allen auch nicht besser.
Cbrigens ist das gedieht entschieden zu lang, so dass es gegen
den schluss ermfidend wirkt. An dem gleiclien fehler leiden auch die
flbrigen romanzen dieser samlung , von denen die zweite die entweibung
eines nonnenklosters dnrch husaren zum vorwürfe hat, wobei es natür-
lich ohne Schlüpfrigkeiten nicht abgebt; die dritte schildert die Schick-
sale „Elpius, eines nach Vorschrift weyland Benjamin Neukirchs henker-
massig verliebten Schäfers", die vierte „die zuverlässige Geschichte von
einem in der Hitze der Begeisterung mit einem Federmesser sich seihst
geblendeten (t) Dichter" usw., schon die titel bezeichnen zur genüge
den geist dieser romanzen.
In demselben genre sind nun auch die romanzen der beiden fol-
genden samlungen in den ausgaben von 1769 und 1771. LiJwen liees
sich nämlich durch die kritik bestimmen (Joerdens 3, 416 ff.), seine
romanzen grösstenteils umzuarbeiten, er dichtete auch neue hinzu and
veröffentlichte sie mit den „verbesserten" zusammen in den geoanteu
ausgaben.
Der französische eiaflnss tritt besonders in dieser 3ten und 3toa
ausgäbe hervor, deren meiste stücke dErecte na«hahmungen franzJlsiacher
• fiATitADS BIS BihtOEB 16d
dichtnngen sind, während von den ersten meines wissens nur eine, das
„Nonnenkloster^ dem steife nach aus dem Französischen stamt; dieser
ist Voltaires Pacelle d*Orleans entnommen (auch für die spätere zeit,
selbst bis auf Bürger, haben französische erzählungen, der Gresset u. a.
zuweilen stoife für deutsche romanzen abgegeben). Die Vorbilder der
Löwenschen romanzen sind, wie schon bemerkt, grösstenteils in dem
franz. Recueil band I enthalten (daselbst s. 63, 67, 94, 97, 299^ 302,
304, die betr. angaben bei Joerdens sind ungenau).
Von den thematen der bänkelsänger ist fast jede art in dem
einen oder andern exemplare bei Löwen vertreten, die liebesgeschichten,
welche er neben dem später zu nennenden Oeissler in besonders her-
vorragender weise cultiviert, werden in seiner darstellung um so wider-
licher durch die frivolen moralen. Besonders charakteristisch ist wol
für Löwens auffassung, wenn er ein gedieht „An eines freundes hoch-
zeitsfeste^ mit der mahnung schliesst:
Bleibt nur im stürm und Sonnenscheine
einander treu
und macht, dass eure ehe keine
romanze sei.
Zur Illustration meiner behauptungen führe ich noch einige
romanzen der späteren ausgaben an.
Ein würdiges exempel ist gleich die erste der dritten samlung
„Tarquin und Lucretia^ (eine nachahmung des französischen gleich-
namigen Stückes von Saint Peravi); welche sich durch ein besonders
lüsternes ausmalen ihres sujets hervortut.
Sie begint:
Stark war Lucretia, zulezt
liess sich ihr herz bezwingen.
Von ihrem kämpfe will ich jezt
ein rührend liedchen singen.
Schon lächelt jedes weib und spricht :
0 singe nur, mich rührst du nicht!
Ein echtes leierlied nach ton und rhythmik ist „Gilbert, Eunigunde
und Landri^, zuerst „Der getödtete Hahnrey'^ überschrieben , nach dem
französischen Fredegonde et Landri von la Place (Recueil I, 67).
„Die spröde Corinna und die zärtliche Margaris'^ sowie „Der
bli^dgewordene Anton^ sind romanzen, welche Löwen seltsamerweise
episodisch behandelt hat, die episode in der lezteren ist dem Tom
Jones (8, 12) entlehnt.
i6ö fiÖLZHAüBBK •
^Hannß (!) Robert, erzählt von Ma Bonne'' ist merkwflrdig als
das erste beispiel für das auftreten des kehrreims,
Ma bonne^ ach, wie furcht* ich mich!
der übrigens ans dem Französischen des la Place (la Veill^e de la bonne
femme, Becueil I, 97, ein stäck, dessen rahmen wenigstens Löwen
benuzte, um eine Schauergeschichte von eigener erfindang hineinzu-
dichten) entlehnt ist, dort lautet er:
H^las, ma Bonne, h^las
Que j*ai grand* peur!
Die Stoff- und ideenarmut der ganzen damaligen romanzensftnger
zeigt so recht das motiv des „Junker Yeit^, welches, dem Französischen
des Favart (II ^toit uue fille, une fille d*honnour, aus dessen Annette et
Lubin) entnonmien ist und in der deutschen romanze unzählig oft wider-
kehrt. Gleim hat es in dem „Ritterschlag^ behandelt. Weisse, der
bearbeiter der franz. operette, betitelt es: „Der geprelte Janker^,
Schiebeier „Der Edelmann und das Bauermädchen ^. Das motiv, die
selbstrettung eines resoluten landmädchens vor der Zudringlichkeit eines
jungen edelmannes, leiert Löwen in seinem beliebten tone herunter, me
gleich die erste Strophe zeigt:
Ein kind von achtzehn jähren,
schön wie ein fruhlingstag,
unschuldig, unerfahren,
wie man gefiiUen mag,
begegnete, kein mensch gieng mit,
dem gnäd'gen junker, welcher ritt
Den schluss bildet die classische moral:
Dies, mädchen, dient zur lehre,
wie man Verführer prelt
und jungferschafb und ehre,
wenn man nur will, behält
Doch ritten wol in unsrer zeit
die guten kinder nicht so weit
Dass Löwens romanzen zu ihrer zeit beifall fanden, darüber braucht
man sich nach dem voraufgehenden kaum noch zu verwundem; vgL
Neue Bibl. der seh. Wissensch. Jahrg. 1767, 269 ff. und die beurteflung
im 32dsten Litteraturbriefe, unbegreiflich aber sind die urteile, welche
Joerdens (3, 429) noch im jähre 1808 (nach Vetterleins Jahrbuch der
poet Lit der Deutschen & 424) und Bouterwek (XI, 204) noch 1819
über dieselben abgaben.
BALLADE BIS BÜBOSB 161
Löwens romanze, namentlich die spätere, ist, wie man sieht, ein
grober bänkelgesang, besonders unangenehm wirkend durch die erzwun-
gene lustigkeit des frivolen tones (vgl. Goedecke, Grundriss ü, 572),
aber nicht allein für die entwickelung der romanzenpoesie überhaupt
von historischem, sondern auch von nicht geringem cultur- und sitten-
geschichtlichen Interesse.
§ 4. Baspe.
Zwischen Löwens erster und zweiter ausgäbe seiner romanzen
erschien ein romanzenartiges gedieht, welches nicht zu den eigentlichen
bänkelsängerliedern gezählt werden kann und doch auch anderseits durch
sein frostiges äussere von dem romanzen- und balladenfrühling, der
zehn jähre später überall bluten und fruchte treibt, so weit entfernt
ist, dass es seinem ästhetischen werte nach doch nur den erzeugnissen
jener früheren dichtung zugezählt werden darf, an die es auch hin und
wider in der form erinnert; ich meine: „Hermin und Gunilde, eine
Geschichte aus den Bitterzeiten, die sich zwischen Adelepsen und üslar
am Schäferberge zugetragen, nebst einem Yorberichte über die Bitter-
zeiten und einer Allegorie." Lpz. 1766 von Bud. Er. Baspe (dem Ver-
fasser des „Münchhausen'^, 1737 — 94, vgl. über sein leben und seinen
briefwechsel Weimar. Jahrbuch UI, 1 — 80). Dass Baspe in diesem
gedichte sogar mit bewustsein die romanze im ernsten tone anzubauen
versuchte, geht aus einem seiner briefe an Herder (vom 7 juni 1773)
hervor, dessen mitteilung aus handschriftlichem mateiial ich der gute
des herrn prof. Haym verdanke. Baspe schreibt: „In dem Briefwechsel
über Ossian erkenne ich Sie ganz, wünsche, dass Sie in Aufsuchung
alter Lieder fortfahren mögen, glücklich zusein, vornehmlich aber, dass
man unsere alten Traditionen und neue sangwürdige Begebenheiten für
die Geschichte und die Poesie zu nutzen anfangen möge. Mit den Tra-
ditionen machte ich vor einigen Jahren einen Anfang im Komanzenton.
Weil aber Gleim unsere Kunstrichter auf die burleske Manier gestimmt
hatte und das Männlein Jacobi eben damals in der Bomanze berühmt
werden wollte (auch J. G. Jacobi hat sich in romanzenartigen gedichten
hin und wider versucht; dahin gehört z. b. „Die Vestalin", vgl. Hall.
Gelehrte Zeitungen 1768, 220), so erregte mein ohnedem nicht ganz
vollkommener Versuch in den Hallischen und conföderirten Journalen
einen solchen Lärmen und Geschrei, dass ich glücklichere Versuche
ruhigeren Zeitläuften und glücklicheren Dichtern gern überlassen habe."
Diese werte beziehen sich auf die ungünstige beurteilung, welche die
romanze Baspes in der Deutschen BibL von Klotz (I, 27) erfahren
hatte. Baspe (es wird noch weiter unten von ihm die rede sein, gele-
IIUXBCHB. F. DBUT80BE PBILOLOOIB. BD. XV. 11
162 BOLZBAÜSEl^
geutlicli seiner anzeige der Percyschen samlung) schickte gewissermassen
als einleitung seiner romanze einen „Vorbericht über die Bitterzeiten^
voraus, worin diese gewaltig herausgestrichen und gegen die angriffe
aufklärerischer Zeitgenossen in schütz genommen werden. Dieser ein-
leitung folgt die romanze, gleichsam als illustrationsprobe ffir die gfite
der gepriesenen ritterzeiten:
Gunilde heisst die stolze schöne,
der jezt mein lied erschalt,
ihr bild belebet meine töne
mit z^ubrischer gewalt.
Schön war sie, wie die morgensonne
und frisch wie frühlingsluft,
ihr reiz goss um sich lust und wonne,
wie rosen süssen duft.
An ihr war alles zum entzücken,
wuchs, äuge, brüst und haar,
die freude lacht' in ihren blicken.
Sie war kaum sechzehn jähr.
Sie findet denn auch bald einen liebhaber und zwar einen sehr
schüchternen :
Vor andern rührte sie Herminen,
wie walt ihm herz und blut!
Allein wie solt' er sie verdienen?
Zu reden fehlt ihm mut.
Seine qnalitäten und besonders seine Schüchternheit werden einige
Strophen lang ausgemalt — endlich fasst sich Hermin ein herz.
Seht, wie er kühnlich sich entschliesset!
Die blödigkeit wird mut.
Seht, wie sein herz sich nun ergiesset
in wünschen voller glut.
Sie möchte schon, aber sie ziert sich etwas sehr.
Doch nein. Sie spricht mit stolzem mute:
„Ein held nur ist mir schön,
den sieg und rühm, erkämpft mit blute,
weit über dich erhöhn.
Ein held, der in turnier und kriege
I nie schimpflich unterlag,
1 und dessen faust, gewohnt zum siege,
oft. Schild und lanze brach.
i
BALLADB BIS BÜBOER 168
Drum zieh' im kämpf zum morgenlande,
um Zion zu befrein,
dort lernest du im ritterstande
erst meiner würdig sein."
Nun solte man meinen, Hermin würde sich schleunigst im kämpfe
gegen die ungläubigen die sporen und die geliebte erkämpfen, Gott
behüte! er geht in die einsamkeit.
^Eein elend soll mich weiter schrecken,
wolan! die einsamkeit
soll mich und meine schände decken,
die ihren stolz erfreut.
Da seufzt er traurig seine plagen,
sein schweres ungemach,
und da seufzt seinen lauten klagen
das echo traurig nach.
Ein traumgesicht tröstet ihn und flösst ihm neuen mut ein; er
beschliesst, schäfer zu werden, um wenigstens in Gunildens nähe weilen
zu können:
Er wird's. Nun hatt' er stab und flöte,
sang, wie ein tauber girrt,
schwärmt um ihr schloss wie ein planete
um seine sonne irrt.
Nicht lang umsonst — denn welch' entzücken!
0 welch ein hofnungsstral !
Er hat das glück sie zu erblicken
am bach im buchental.
Sie ist allein, er fleht noch einmal um erhörung, er beschwört
sie, sich erweichen zu lassen; mit ihrer liebe will er jedes wagnis
bestehen :
„Wenn einstens zwerg' und ries' und drachen
und zaubrer um dich sein
und dich zu deiner quäl bewachen,
dann will ich dich befrein.
Wenn frevler dir zum höhne sprechen,
so bist du mein panier,
80 will ich Speer und lanzen brechen
in schlachten und turnier.'^
11*
164 H0LZHAU8BK
Aber Gunildens eigensinniges köpfchen besteht nun einmal auf
einem abenteuer, wie die geliebte des herrn de Lorges — und da liegt
der riesengrosse feldstein, den der sage nach keiner auf die höhe
tragen kann
als wer fromm, keusch und treu,
den soll er nach dem befehle der grausamen den berg hinauf schleppen.
„Sprichst du im ernste oder scherze?"
frug da gereizt Hermin.
„Im ernste." 0! wie schlägt sein herze,
er fliegt zum steine hin.
„Gunilde — gleich solst du es sehen —
wie stark — die liebe sei —
gerecht — und gütig — mir gestehen,
dass ich — fromm — keusch — und treu."
Die last wird ihm sehr sauer, allein:
Er keicht den berg hinan.
Gunilde sah' es mit entzücken,
fühlt nie empfundene glut,
sie folgt ihm mit entbranten blicken,
denkt mit bewegtem mut:
So schön, so frisch, so unverdorben,
mit gleichem rühm geziert,
hat niemand sich um mich beworben,
hat niemand mich gerührt.
Ich könt' — ich will von ganzem herzen
sein lohn — ihm eigen sein.
Allein er stürzt! — 0 angst! o schmerzen!
Und ihn begräbt der stein.
Sie eilt herbei, sie will helfen — indes es ist zu spät, und der
spröden schönen bleibt nichts übrig, als ihren gram auf dem schäfer-
berge, wo dieses geschehen, in büssender einsamkeit zu vertrauern, wo
sie denn noch jezt um den Bremkerturra spuken geht. — 89 strophen
hat es gekostet, bis wir hierhin kamen.
Nun folgt eine (prosaische) „Allegorie", in welcher das ganze
gedieht dahin gedeutet wird: Gunilde ist die eigensinnige, wunderliche
mode. Hermin „stelt den stolz des menschlichen herzens dar," der
mit der liebe viel ähnlichkeit hat. Beide nämlich erregen leicht die
leidenschaft. Hermins leidenschaft aber ist unglücklich, denn der mode
BAJ.LADK BIS BÜBGER 165
Tornehmste eigenschaft ist es, laanenhaft und unerbitlich zu sein, die
leidenschafk führt Hermin zu torheiten, wie das die leidenschaft oft
tut; schliesslich aber wird Gunilde umgestimt, wenn Hermin keine
heldentat verrichtet, so soll er wenigstens den schweren stein tragen,
wie auch im leben manche schöne die modeforderungen an den zukünf-
tigen herabstimt, wenn nur ein anderer factor für ihn spricht, der
reichtum, gewöhnlich aber endet dieser calcul mit einer grossen diflfe-
renz = quod erat demonstrandum! In der tat, romanze und allegorie
waren einander würdig!
§ 5. Schiebeier.
Nach dem Intermezzo der einzigen ernsten romanze Raspes wird
die burleske romanzendichtung wider unser Interesse in anspruch neh-
men müssen. Ein neuer Sänger betritt die leichtgezimmerte jahrmarkts-
bühne, Dan. Schiebeier (1741 in Hamburg geboren, stud. in Göttingen
und Leipzig die rechte , widmete sich daneben mit verliebe den neueren
sprachen und litteraturen, gest. in seinem geburtsorte 1771). Seine
ersten romanzen kamen 1767 (fünf an der zahl) heraus, „verbessert"
1768, eine neue samlung erschien 1771. Die sämtlichen romanzen
— sie waren mitlerweile von 5 auf 32 angewachsen — sind enthalten
in der nach Schiebelers tode von seinem freunde Eschenburg besorgten
ausgäbe von „Schiebelers auserlesenen gedichten," Hamburg 1773. Die
romanze dieses dichters wie diejenige Löwens hat nur noch für den
litterar historiker, far diesen aber um so mehr wert, als in ihr die
anfange verschiedener richtungen sich zeigen, in denen später diese
dichtungsart zu bedeutungsvoller entwickelung gelangt ist. Insbesondere
lassen sich zwei gesichtspunkte aufstellen, von denen aus die Schiebe-
lersche romanze in fruchtbarer weise behandelt werden kann, das ist
1) die beziehung derselben zur oper und 2) deren beziehung zur clas-
sischen mythologie.
Die operromanze.
Schiebeier ist (neben Chr. Fei. Weisse) der erste deutsche dichter,
welcher die romanze in der oper anbaut; in der Eschenburgschen aus-
gäbe befinden sich zwei derartige gedichte, „Der prinz und -die Schä-
ferin" und „Honesta", die er seiner komischen oper Lisnart und Dario-
lette (erschienen zuerst in 2 acten 1766, dann in dreien 1767, auf dem
Kochschen theater zuerst aufgeführt) eingeflochten hatte. Wie kam
die romanze in die oper? In die deutsche durch nachahmung der
französischen, da die eitern der deutschen oper, mysterien, sing- und
fastnachtspiele keine spur davon aufweisen;^ wie sie aber in die fran-
1) Vgl. Schletteror, Das deutsche Singspiel.
zöBiscIie gekomiuen ist, darüber vermag ich nur Vermutungen aufzu-
stellen.
In der französiscliim operette im ersten drittel des löten jahrhun-
derts taucht aia auf, scheint wie ein pUz aus den) boden geBchoaseii zu
sein und macht sich in den Operetten der Favart, Sedaiue, Maimontel \L a.
so brait, dass sie neben der ariette als notwendiges ingrediena der
komischen oper betrachtet wird ' and in keinem texte fehlt. Nicht ver-
gessen hierbei darf man den dramatischen cbarakter der ballade und
romanze, der bei dieser dichtungsart einerseits auf die möglichkeit eines
ursächlichen zueammenhanges mit dem dramu hinweist (vgl. Carri^re,
Ästhetik II. B76 ff., ausgäbe von 1859), anderseits dieselbe ganz beson-
ders bet^higt, dramatischen gebilden einverleibt zu werden. Man denke
an die unzähligen, oft halbun verständlichen balladenverse und -fragmente
in den stücken Shakespeares und seiner Zeitgenossen, der Uen John-
son usw. und, um wenigstens ein beispiel aus der neueren deutschen
litteratur gleich anzufllbren: stand doch Goethes erste ballade „Ca war
ein Buhle frech genung" unter den liedern des Singspiels „Claudine von
Villa Bella". Noch mehr aber als das Schauspiel muste die oper der
au&ahme von balladen und romanzen günstig sein, wo ja auch das
musikalische elemenl des alten Volksliedes zur entsprechenden kOnst-
lorischen Verwendung kommen kann.* Und nun bietet neben der beson-
ders leichten singburkeit der eben charakterisierten französischen romanu
speciell noch die entstehung der komischen oper der Franzosen einige
anbaltsponkte för die erklUrung der besprochenen erscheinung.
Unter dem einflasse der italienischen opora buffa im anfange des
achtzehnten Jahrhunderts entstanden, wurde die französische komische
Oper bald darauf durch die umtriebe der anlibuffonistischen parte! in
Paris verboten (vgl. Arrey von Dommer, Handbuch der musikge-
schichte s. 407, vgl. auch den betr. abschnitt bei Brendel, Gesch. der
musik in Italien, Deutschland und Frankreich). Man half sich mit
Pantomimen, wozu der teit unter die zuschaucr verteilt wurde, der
denn natürlich von dem ganzen parterre zu der gespielten musik taliter
qualiter mitgesungen wurde. Dieser text war erst prosa, dann waren
es Chansons und vaudovilles. „Als das unsinnige verbot anfgehoben
wurde, war die französische komische oper fertig." * Dass nun die
romanze, die dem legeren Volkslied der vaudevilles und gassenbauer
1) Vgl. dm liereiU abvn oiÜerU Journal litibdunikdaiTe.
2) Vgl Bt-rqaiD in der eiiilfiitnng ru seinen .Boiaanci-s'', Psn» 1773, Ubar
du veriiältiiiB i«T roniBDie xur ^ett«.
3) Vgl BUdc, Prani. litUtfttur in llreclj u. GraWr'j Kucylil. n^t. 1. toil 4B,
6.224—291. d», s, 242.
BALLADE BIS BÜRGER 167
schon hinsichtlich ihrer abstammiing verwant war, sich in diese, wenn
man sie so nennen will, operntexte leicht eingeschlichen haben kann,
wird niemand bezweifeln wollen. Hält man hiermit noch die gelänfig-
keit ähnlich verbreiteter gassenhauer und gesänge z. b. in unseren caf^s
chantants zusammen, so wird man die plözliche beliebtheit und alge-
meine Verbreitung dieser art operromanze leicht begreiflich finden.
Ähnlich wird auch wol die paradox klingende behauptung zu erklären
bzw. zu berichtigen sein, welche Prutz (Göttinger dichterbund s. 258
anm. 1) aufstelt, Moncrifs romanze sei aus der oper entstanden; Moncrif
wird, was seinen musikalischen neigungen durchaus entsprechen wurde,
seine romanzen vielleicht in der absieht geschrieben haben, sie irgend
welchen operntexten einzufügen, deren er selbst mehrere geschrieben.
Ähnlich wie mit den französischen stand es bald mit den deutschen
liedern, welche Weisse, der nachahmer Favarts^ in seine so sehr ver-
breiteten Singspiele einlegte und unter denen sich auch nach franzö-
sischem vorbilde die romanze einbürgerte; Weisse hatte diese manier
aus Paris mitgebracht und seine romanzen, von denen noch weiter unten
die rede sein wird, wurden, wol nicht zum wenigsten durch die Hiller-
schen compositionen, sehr beliebt und giengen zahlreich in den mund
des Volkes über.^ Neben Weisse ist nun Schiebeier der erste Vertreter
1) Was so yielleicht dem zufall oder der laune seine entstehung verdankte,
wurde in der zuknnft von grossen meistern gepflegt und sinnig entwickelt. Musi-
kalisch genommen, gehört die romanze zum ariosen teile der oper. Im anfange
ganz nach der weise des einfachen licdes strophisch componiert, gewint sie später,
ohne zur völligen durchcomposition zu gelangen, die in der oper weniger angemessen
sein würde, durch Variationen eine weitere musikalische entwickelung, der musika-
lische refrain wird häufig zum einfallen des chores benuzt, wie ja auch in alten
Zeiten die lauschende menge in den refrain einstimte (vgl. oben s. 133 fg.)*
Inhaltlich aber wird Öfters das erzählende dement der romanze und bailade
in der weise von Wichtigkeit für die oper, dass es für den fortschritt der handlung,
die exposition oder die klärung besonders verarbeitet wird. So schon das „Als ich
auf meiner bleiche'* usw. in Weisses „Jagd**, wo Hanchen den gespanten hörer durch
die erzählung ihrer Schicksale von ihrer Unschuld überzeugt; ein besonders gutes
beispiel für meine behauptung ist auch eine romanze in Bretzners „Adrast und Isi-
dore" (Bretzner, Operetten, Lpz. 1779, bd I, s. 197 ff.), welche die handlung des
Stückes komisch paraphrasiert.
Das Studium einer reihe operntexte der neueren und neuesten deutschen und
ausländischen bühne hat mir ergeben, dass die romanze ihre Stellung in der oper
behauptet und noch erweitert hat. Aus der unendlichen menge greife ich ein paar
Meyerbeersche opem heraus; sowol die „Hugenotten" als auch die „Afrikanorin**
enthalten romanzen („Hugenotten'', akt I „Ich gieng spazieren einst" und „Afrika-
neriu", akt I „Leb wol, freundlich gestado'', und akt III „Hei Adamastor, könig
der wellen"), welche in textlicher beziehung in nächste Verbindung mit dem gniigo
der dramatischen handlung gebracht sind. Gewisse richtungen vermeiden übrigens
163 HOLZHAUBEN
der deutschen operromanze in den beiden romanzen, die er seiner
erwähnten oper einfügte:^ „Honesta" und „Der prinz und die Schä-
ferin". Ich gebe den text der lezteren:
Es war einmal ein königssohn,
ein wutrich, den die menschen flohn.
Nicht bänger fliehn die kinder,
wenn Ruprecht komt, und nicht geschwinder.
Der vater weinte bitterlich
und sprach vergebens: „bess're dich!"
Die lehrer zwang sein fluchen,
die tore vom palast zu suchen.
Einst fahret sein geschick ihn hin,
wo eine junge Schäferin,
die hitz' und lauf ermattet,
des Waldes grüne nacht beschattet.
Sie ruht im schlaf. Ihr antlitz lacht
gleich einer heitern Sommernacht.
Und frei und immer freier
spielt Zephyr mit des busens schleier.
Wie ward dem wilden, der sie sah!
Wie eine säule steht er da!
Steht eine ganze stunde
mit starrem blick und offnem munde.
Jezt glüht er, von verlangen heiss,
jezt zittert er, sein blut wird eis.
Er glüht, sie aufzuwecken,
und bebt, das mädchen zu erschrecken.
die romaDze, so im grossen und ganzen die sehr lyrische oper der laliener, ander-
seits anch Wagner, dem sie vielleicht die volendete dramatische einheit der oper
gestört haben würde; die Wagnerianer aber haben sie wider cultiviert, nnd ich
erinnere znm schluss dieser eingeschobenen bemerkung an die glanzvolle Verwendung
der Olufballade in Kretzschmers „Folkungern", akt IV, scene 3.
1) Welche nähere stellnng diese romanzen zu dem inhalte der Schiebclerschen
oper gehabt haben, ist mir unbekant, da mir der text derselben trotz aller bemö-
hungen unzugänglich geblieben ist; aus einem clavierauszugo habe ich ersehen,
dass beide, wie vorauszusehen, einfache strophische composition haben. Ihrem poe-
tischen Charakter nach sind sie (vgl. den obigen text), wie auch die Weisseschen,
gerade keine bänkelgesänge, sondern leichte, auch am ende einer gewissen anmut
nicht entbehrende lieder, vom volke damals gern gesungen, aber im gründe ebenso
wenig wahrhaft volkstömlich wie die ganzen landlichen Singspiele der Weisse*
sehen sorto.
%
BALLADE BIS BÜROER 169
Doch sie erwacht, und eilt zu fliehn.
Die ehrfiircht lehrt ihn niederkuien.
Der stolze ruft mit trähnen:
„Verzeuch, vortreflichste der schönen!"
ünGLSonst, sie flieht. Mit trübem blick
und mit gefuhl kehrt er zurück,
das nie sein herz beweget,
seit ihm ein herz im busen schlaget.
Die menschenhuld^ des Wissens lust
entflammen plözlich seine brüst
Der vater will für freuden
im arm des neuen sohns verscheiden.
Er fragt, wer hat dich so bekehrt?
Der Jüngling sagt's. Der alte schwört:
„Ich setze sie noch heute
im hochzeitschmuck an deine seite."
Sie reichen sich die frohe band.
Noch izt hört man durchs ganze land
vom prinzen und der schönen
das lob von allen lippen tönen.
0 liebe, deine wundermacht
reisst herzen aus des lasters nacht,
Schaft toren um zu weisen,
dich müsse jede lippe preisen.
Ist Schiebelers operromanze nur als erster versuch (neben der
Weisseschen) auf diesem felde bemerkenswert, so ist umgekehrt die
andere oben angeführte richtung in der romanze von ihm in der weise
ausgebildet worden , dass er nach dieser seite hin als einer ihrer haupt-
vertreter gelten kann. Ich meine
Die romanze als travestierung der classischen mythologie.
Seit den tagen des Spötters Lucian hatten die alten griechengötter
und -beiden zu mancherlei posseuzeug herhalten müssen, und insbe-
sondere war die travestierung der griechischen götter- und heroenweit
und der ihre taten feiernden gedicbte seit der renaissance in Italien
und Frankreich sehr beliebt geworden. Man schöpfte in Frankreich
vorzugsweise gerne aus dem graciösen Ovid; die travestierung ovidi-
scher scenen aus den metamorphosen in romanzischer form scheint
Senec^ aufgebracht zu haben (vgl. den betr. artikel in der Biographie
170 H0LZHAU8BK
aniyerselle, tome 43, pag. 16 — 21), wahrscheinlich waren schon seine
Travanx d*Apollon (ib. pag. 18) in romanzischer weise abgefasst (Senecte
werke sind sehr selten nnd mir nicht zugänglich gewesen; eine parodie
nach dem Virgil, ^Orphee" betitelt, von diesem Verfasser, ist abgedruckt
in Eschenburg, Beispielsamlung zur theorie und litteratur der schö-
nen Wissenschaften , bd 5, s. 145) ; fortgesezt wurden diese bestrebungen
von Marmontel, Bouffiers und vielen andern, in Deutschland vertrat
sie in der romanze besonders Schiebeier, der sie von den Franzosen
kennen lernte und teils diese, teUs die metamorphosen direkt benuzte.
Wie nun gerade die romanze dazu kam, als medium dieser travestie-
rungssucht benuzt zu werden, erklärt sich leicht, wenn man Gleims
theorie und dazu noch Mendelssohns werte über die romanze (Bibl. d.
seh. wiss. bd III, st. 2, s. 330) kent: „Der ton, der in diesen kleinen
gedichten herscht, ist ein abenteuerliches wunderbare, mit einer possier-
lichen traurigkeit erzählt.'^ Allerdings eine abenteuerliche theorie, aber,
wenn man sie annimt, was liegt bei der geforderten Verbindung des
wunderbaren mit einer possierlichen traurigkeit näher als eine trave-
stierung der antiken mythologie?^ und, abgesehen davon, dass diese
travestierung mit dem wesen der wahren volkstümlichen romanze durch-
aus contrastiert, so kann sie immerhin, wenn mit geist und feinheit
angelegt , etwas pikantes und interessantes haben ; Schiebelers travestien
dagegen sind, wenn auch nicht so gemein wie manche der Löwenschen
romanzen, so doch grösten teils wizlos und platt. Die art und weise,
wie er seine devise befolgte:
Wir singen, spielen, lachen,
die toren klug zu machen,
verbessern den Ovidius,
der es geduldig leiden muss.
möge der vergleich einiger seiner romanzen mit den originalen zeigen.
1) Das travestierende element verband sich in dieser zeit in der Vorstellung
der dichter so innig mit der romanze, dass man ein verbom „romanzieren'' erfand,
gleichbedeutend mit travestieren; so sprach man von Michaelis „romanzierter Äneide''
(Fratz, Göttinger dichterband s. 261, anm. 3 u. s. 262). Die wat, za travestieren,
erstreckte sich sogar auf romane, wie den „Siegwart", welcher zu Millers gröstem
kummer dieses Schicksal erfuhr: „Siegwart oder der auf dem Grabe seiner Geliebten
j&mmerlich erfrome Kapuziner. Eine abenteuerliche, aber wahrhafte Mord- und
S^lostergeschichte, die sich vor etlichen Jahren im Fürstenthum Oetingen mit eines
Amtmanns Sohn und eines Hofraths tochter aus Ingolstadt zugetragen. Der christ-
lichen Jugend zur Lehr und Ermahnung in Beime gebracht und abzusingen nach
dem Lied: „Hört zu, ihr Junggesellen'' usw." Vgl. des näheren über dieses von
einem gewissen Bemritter verfasste litterarische curiosum Prutz a. a. o. s. 372,
fuunerkung 3.
BALLADE BIS BÜBOEB 171
Aus der lieblichen erzählung in Ovids Met. X, 243 — 298 hat
Schiebeier folgendes opus zurecht gemacht:
Pygmalion.
In Cypern war vor zeiten
ein mann, der hiess Pygmalion;
im Bchoss der einsamkeiten
sprach er der liebe höhn.
Er macht vor langerweile
in seinem stillen aufenthalt,
aus marmor eine säule
von weiblicher gestalt.
Schön war es, wie Cythere,
dies werk von menschenhand,
schön, wie sie aus dem meere
getreten an das land.
Er hielt oft ganze stunden
das allerliebste marmorbild,
mit heissem arm umwunden,
von neuem trieb erfält
Mit glühendem gesiebte
Start er es ganze tage an,
wie seines witzes fruchte
ein junger versemann.
Er ruft: „Verzeih, verzeihe
Cupido, meinen Irrtum mir.
Mein ganzes herz voll reue,
Gott Amor, huldigt dir.
Ach, dir ist alles möglich,
hauch einen geist in diesen stein !^
So ruft der künstler kläglich;
Wird Amor grausam sein?
Der Gott lässt sich bewegen.
Und von der fackel, die er schwingt,
stürzt schnell ein flammenregen,
der durch den marmor dringt.
In jedes glied strömt leben,
die äugen öffnen sich, die brüst
begint schon, sich zu heben.
Was gleicht des künstlers lust?
1 72 HOLZHAUSEN
Er führt die junge schöne
vom postament, auf dem sie stand,
mit mancher freudenträne
küsst er ihr mund und hand.
0! wie aus seinen zögen
des herzens mächt'go wonne spricht!
Er gibt ihr mit vergnügen
den ersten unterriclit.
Wenn stets dich zu erhohen
mein herz, Gott Amor, eifrig war,
so fleuch izt auf mein flehen
zur Stadt, die mich gebar.
Statuen wirst du finden,
so schöne macht der künstler nie.
0 vater, vom empfinden
hauch zu, so leben sie!
Auch stellen, welche ihrem inhalte nach zu travestierender dar-
stellung besonders geeignet sind, wie z. b. der Wettstreit der Uk^hter
dos Pierus mit den musen, hat Schiebeier in ähnlich geistloser weise
widergegeben; wie matt sind z. b. die Übertragungen der verse Ov. V,
318 — 332, des gesanges der Pierinnon, und V, 669 — 679, der Ver-
wandlung der Jungfrauen in elstern, stellen, die doch zur travcstie
geradezu herausfordern :
Der hochmutvolle schwärm begann
mit lügenhaften zungen,
er sang, es habe Typhons macht
den Zeus zur furcht gezwungen.
Rauh, wie der eule todenlied
und wie des uhus stöhnen,
schalt der entsezliche gesang,
und alle nymphen gähnen.
Sie sprachen's und der mädchen blick
umströmt ein dicker nebel;
die arme werden tittige,
die lippen werden schnäbel.
Die neuen vögel wollen schmäh'n,
und plappern, statt zu fluchen,
und plappernd fliegen sie davon,
des vaters reiQji zu suchen.
DAT.ULDE BIS Bt^RGER 173
So geht's denn weiter, Phaeton, Iphis, Midas, alles mögliche aus
der classischen mythologie wird abgehandelt, auch die Narcissussage
(nach Ov. Met. III, 340 — 510), ebenfals eines der lieblingsthemata der
damaligen zeit, wird vorgenommen usw.
Die übrigen romanzen Schiebelers.
Schiebeier hat noch viele andere dinge romanziert als Ovids
Metamorphosen, er kramt alle seine litterarischen kentnisse in der
romanze aus, plündert neben Ovid den Virgil, travestiert auch die
sage von Eginhart und Emma (vgl. aber sie Wattenbach, Quellen-
kunde zur gesch. des mittelalters I, 143), singt den Rübezahl an, auch
den Cid, und parodiert Raspes frostiges „Hermin und Gunilde" in dem
unendlich langweiligen „Harlekin und Celarabine, eine Geschichte, die
sich unweit Bergamo zugetragen"; das wunderbarste ist, dass er durch
seine im ganzen recht wolgelungene widergabe der herlichen Ines-
episode aus den „Lusiaden" nicht auf eine bessere behandlung der
romanze gekommen ist.
Allein Schiebeier unterhielt sich eben lieber mit dem „Kammer-
mädchen der Musen", wie er die romanze nent, („Reise nach dem Par-
nass") als mit den edlen herrinnen selbst:
Da nahte die romanze,
halb schleichend, halb im tanze,
ihr äuge tat betrubnis kund,
doch schalkhaft lacht ihr rosenmund.
Dies bild ist für die Schiebelersche romanze nicht so ganz ver-
kehrt, seine dichtung ist, wenn auch noch weniger witzig als diejenige
Löwens — von der ernsten, echten romanze ist ja auch bei ihm keine
rede — anderseits auch nicht so schmutzig; sie ist harmloser und
unschuldiger, und hält sich sowol von den frivolen moralen Löwens
als auch von den grammatischen und orthographischen absurditäten
dieses und des unten zu besprechenden Geissler fern.
g 6. Geissler.
Der dritte im bunde der bänkelsängerhaften nachfolger Gleims ist
der sonst unbekante Geissler,^ der Verfasser der 1774 in Mietau erschie-
nenen „Romanzen". Auch Geissler travestiert am liebsten stoffe aus
1) Über seine porson haben auch Koberstein und Goedecke nichts eruieren
können, möglich, dass seine öftere bezeichnnng als „Geissler der jüngere" auf eine
verwantschaft mit dem bekauten thoologen Geissler oder mit dem halleschen buch-
händler gleichen namens hindeutet, der sich in der litteratnr höchst unglücklich
durch seine schlechte ausgab«; der Höltysclien gedichte bekant machte.
174 HOLZHAüSEK
der classischen mythologie und geschichte, ungleich witziger als sein
Vorgänger, aber auch mit wahrhaft Claurenscher Ifisternheit, so dass
die meisten sich zur widergabe kaum eignen. Als illustration seiner
dichtweise wähle ich den
Baub der Sabinerinnen.
Kaum war das heil'ge römische reich
aus seinem nichts erstanden,
als dessen Stifter sich sogleich
in grossen nöten fanden.
Denn wisst, zu jener goldenen zeit
gebrach's an weibern, so wie heut'
der gold'nen zeit an treue.
Noch war der Bömer nam' ein höhn
ohn' ahnen und geschlechte,
prinz Romulus ein jungfernsohn,
und sie verlaufne knechte;
auf Deuben (!) hungervoU erpicht,
war ihr gewerb' und ihre pflicht,
die reisenden zu plündern.
Sie lechzten manch gebrochnes ach!
nach einem jungen weibe
und gähnten oft beim trocknen schach
nach süsserm Zeitvertreibe;
gen ost und westen schickten sie
brautwerber aus in's land und die
bekamen alle körbe.
Die Väter sprachen ungescheut:
„Lasst euch die lust vergehen!
Für unsrer töchter Zärtlichkeit
sorgt selbst der gott der eben;
nehmt in ein offnes pilgerhaus
landstreicherinnen auf, daraus
nach wünsch euch zu vermählen!^
Das war den herrn ein schlag in's herz;
krieg! krieg war ihr verlangen.
Doch Bomul sprach: ^Yerbeisst den schmerz;
lasst mich, ich will sie fangen.'^
Und gleich stelt er komedjen (!) an
und ladet dazu jedermann,
mit weibern und mit töchtem.
DAtLADB BIS BÜRGRTl 175
Da sparete man keine zier
von decorationen ;
und liess nach griechischer manier
sogar die bühne höhnen.
Ein seidner Vorhang von filee
hieng izt aus himmelnaher höh*
herab bis ins parterre.
Als man zum aufziehn fertig war
und klimpernd stimte, kamen,
in gallaschleppen , paar für paar,
die schönsten fremden damen;
zwar alle waren sich nicht gleich,
die eine jung, die andre reich,
und manche — gar kokette.
Gleich waren junge stutzer da,
die sie in logen brachten,
und überall, wohin man sah,
sich reverenze machten.
Izt gieng das spiel des Stückes an;
die frau vergass darob den mann,
die töchter alF der mütter.
Doch bei des lustspiels zweitem akt
fieng Romul an zu pfeifen:
aus war das licht und spiel und takt,
und nun gieng's an ein greifen;
dort rauscht ein seidner palatin,
hier winselt und dort jauchzt man kühn,
da fallen steckenadeln.
Die männer waren bald verscheucht,
weil ihrer wenig waren,
und viele Hessen auch vielleicht
ihr schäzchen sachte fahren.
Als jeder nunmehr für gefahr
und widerstände sicher war,
gieng man und holte fackeln.
0 welch' ein anblick! Sehet da!
Zur lust und zum erbarmen!
Hier hält die runzliche mama
ein Seladon in armen!
Dort drückt ein abgelebter greis
176 flOLZHAÜSKN
das jüngste mädchen, glüheud heiss,
inbrünstig au sein herze!
Der einen mangelt schürz und latz,
der andern die saloppe;
die dritte führt ihr neuer schätz
zum brautbett im galoppe;
die vierte sträubte sich mit macht,
die ffinfte weint, die sechste lacht,
die siebente verzweifelt.
Ein liebes mädchen, welches sah
sich ihre mutter sperren,
rief: „Immer gehen sie, mama;
ich bleibe bei den herren."
Die alten Jungfern lachten laut,
und jede wüste sich als braut
nicht stolz genug zu brüsten.
Zulezt erschien herr Romulus
und suchte sie zu trösten,
doch trösteten, schreibt Livius,
sie nacht und mann am besten.
Kurz, dieses bräutepressen tat
f&r diesmal treflich wol, und hat
die herrn der weit getragen.
Man sieht aus diesem beispiele, wie Geissler eine saloppe leich-
tigkeit und gewante diction nicht abzusprechen ist, auch versteht er
es, anstatt langatmiger moralen öfter in pointierter, fast epigramma-
tischer weise abzuschliessen , und im übrigen erscheint die moral bei
ihm weniger äusserlich angehängt als vielmehr ein ganzes stück in
launiger weise auf sie zugeschnitten , wie z. b. „Das duell Amors" (mit
Momus) und das urteil des Zeus, dass Amor den geblendeten Momus
mit sich in der weit herumschleppen muss, auf die bemerkung^ dass
dem liebhaber selten der gcck fehle. Bei diesen Vorzügen aber ist
Geissler von einer cynischen frivolität, wie seine witzigen, aber sehr
lüsternen stücke „Männerbeute", „Der pavian und die junge frau" u. a.
zeigen. Wie weit sich die phantasie dieses dichters verirt, geht am
besten aus der stelle im „Fall der Götter" hervor, wo er mit unver-
kenbarem behagen die aussiebten beschreibt, welche die von einem
wagen herunterfallenden göttiunen bieten ! Seine eigenen gedanken über
die romanze verrät er ähnlich wie Löwen, wenn er einem befrenudeten
brautpaare als hochzeitsgeschenk die verse mitgibt:
BALLADB BIB bOBOSB 177
Liebt euch fein zärtlich und dabei
mit immer gleichem feuer,
und zur romanzensängerei
gebt nie ein abenteuer.
Von seiner absichtlich entstelten Orthographie war schon bei Schie-
beier die rede, von seinen vulgären formen, in denen er die Volks-
sprache nachzuahmen versucht, kommen einzelne schon in dem ange-
fahrten gedichte vor; ausserdem hat er auch formen wie „büfchen^
(die niederdeutsche form für bübchen, „kleine Junkers^ und andere, ja
gerade zu falsche und fehlerhafte hat er gebildet, wie den genetiv „des
knabens*^ usw.
§ 7. Zachariä.
(1726 — 1777).
Auch der dichter des „Renommisten^ versuchte sich in dem
beliebt gewordenen genre, indem er ein paar sagen aus den deutschen
Volksbüchern rQmanzierte: „Zwey schöne neue Mährlein als I. Von der
schönen Melusinen, einer Meerfey. II. Von einer untreuen Braut, die
der Teufel holen sollen, der lieben Jugend und dem ehrsamen Frauen-
zimmer zu beliebiger Kurzweil in Reime verfasset." Braunschw. 1772.
Dieselben fehlen in der ausgäbe der Zachariäschen werke, sind aber
enthalten in dessen „Hinterlassenen Schriften", herausgeg. von Eschen-
burg. Braunschw. 1781.
Ich beschränke mich auf die widergabe einiger besonders charak-
teristischen stellen und im übrigen auf die anführung der Überschriften
der einzelnen gesänge, welche eigentlich schon genug besagen.
Das original des ersten dieser beiden gedichte ist das bekante
Volksbuch von „der schönen Melusine", abgedruckt bei C. Simrock,
^Die deutschen Volksbücher" band 6, 1 — 120, ebenso in den „Deut-
schen Volksbüchern" von Schwab.
In Zachariäs werke fuhrt der erste gesang den titel: „Wie Ritter
Beimond die schöne Melusine beim Nixenbrunnen antraf und sie mit
freundlichen Worten sich ihm züchtig und tugendlich zum Gemahl anbot."
Es war einmal ein rittersmann^
jung, schön, geUebt von jedermann,
ein wahres wunder seiner zeit,
voll edelmut und tapferkeit
Sein name. Reimend, war bekant
im Gallier- und deutschen land,
und fünfzig meilen um ihn her
gab's drachen nicht und riesen mehr.
SBRaOBB. y. DBVTSOUB PHILOLOGIE. BD. XY. 12
178 BOLZHAÜSBK
Er reitet traurig in den wald, weil er seinen vetter durch einen
fehlschuss auf der sauhetze umgebracht hat. Am Nixenbrunnen trift
er eine schöne fee, die sich ihm zum gemahl anbietet und ihm alle
schätze und freuden verspricht, wenn er nur geloben will, ihr tun und
treiben an einem tage in der woche nicht zu erforschen, was Beimond
auch hoch und heilig verspricht.
2. Wie Beimond des abenteuers nachgedacht, des andern tags
sich auf sein ross sezte und seinen bruder Seebald nebst seinem gemahl
zur hochzeit einlud.
Die Madame Seebald führt sich dabei in Zachariäs phantasie
folgendermasseu auf:
Madam sass eben beim caffee,
gedankenvoll auf ihr filet;
und hob, indem der ritter sprach,.
ein höhnisch äuge nach und nach
zu ihm empor. Mit schnöden mienen
sprach sie: mein herr, wir danken Ihnen
der schönen invitierung wegen
und wollen beid' es überlegen.
Allein (frug sie etwas sehr laut)
wie nent sich denn die werteste braut?
Sie ist von stände doch? hat geld?
Wo wird die hochzeit angestelt?
Ist sie denn jung und hübsch? Madam,
(erwidert ihr der bräutigam)
sie sollen alles morgen wissen,
wenn wir am traualtar uns küssen.
Die hochzeit selbst wird, wenn's gefält,
beim Nixenbrunnen angestelt.
Beim Nixenbrunnen? Lieber mann!
Ich bitte dich , hör' einmal an,
beim Nixenbrunn? Ja, Ihre gnaden
(sprach Beimond) nochmals eingeladen
zu meiner hochzeit! Morgen früh
beim Nixenbrunn erwart* ich Sie.
Natürlich ist diese ganze stelle auf rechnung Zachariäs zu schreiben.
3. Wie hierauf die hochzeit beim Nixenbrunnen gar statlich und
ehrlich volzogen worden.
4. Wie des ritters bruder mit losen und gleissnerischen Worten
den ritter Beimond wider die edle Melusinen aufgebracht
^aLladb bis büboee l?d
5. Wie der ritter die schöne Melusine im bad erblicket.
6. Wie der ritter sich vom zorn hinreissen lassen, dass er sein
ebgemalj vor den leuten beschämt.
Hierzu lässt sich im volksbuche Baimond im zorne über die
untat seines sohnes Geoffroy hinreissen, welcher das kloster Malliers
mit hundert mönchen und unter denselben seinen eigenen bruder ver-
brant hat. Zachariä parodiert dies, indem er Reimend über Melusinen
deswegen zornig werden lässt, weil sie ihren söhn Häuschen, der das
kätzchen Wienz gequält, derbe durchgeprügelt hatte.
7. Wie die schöne Melusine kläglichen abschied nahm und als
meerfey gestaltet zum fenster hinausfuhr.
Sie sprach's und riss sich mit gewalt
aus seinem arm, und alsobald
fuhr sie gleich einem zauberduffc
durchs offne fenster in die luft:
Und all das hofgesinde sah
das wunder, das mit ihr geschah,
indem sie nach sirenenart
am unterteil verwandelt ward
und sich in einen fischschwanz schloss.
Sie schwebte dreimal um das schloss,
gab dreimal noch mit ihrer band
das abschiedszeichen und verschwand.
Und nun die unerlässliche moral:
Die neugier ist ein schlimmes ding,
wie's hier dem ritter Reimend gieng,
der mehr sah, als ihm dienlich war,
so geht's noch oft der männer schar.
Hört drum, ihr herren, meinen rat!
Die angenehmste dame hat
doch ihren fischschwanz. Trinket sie,
scharmiert sie, spielt sie, zanket sie,
mag sie mit ihren seelenschwestern
gern beten^ plaudern oder lästern,
fährt sie gern zu visiten aus,
zu maskerad, ins Schauspielhaus,
und tät's nur, wie frau Melusine,
die woch' einmal, so zieht die miene
nicht alzusauer! denkt, fein klug,
auch mit dem fischschwanz gut genug!
\V
180 HOLZUAÜBKK
Nicht viel anders ist das zweite mährchen, die aus einer mir
unbekanten quelle, wahrscheinlich jedoch auch aus den Volksbüchern
geschöpfte „Schreckliche Geschichte von einer untreuen Braut, die der
Teufel holen sollen."
Die geschichte umfast drei gesänge, der erste: Wie Weimar und
das schöne Hanchen einander zärtlich liebten und ewige treue sich
gelobten , iUngt — ganz gegen die regel — mit der moral gleich an :
Ihr herm und damen! lernt hier fein,
wie schön es ist, getreu zu sein,
damit euch einst nicht widerfährt,
was ihr in diesem märlein hört.
Hanchen hat ein wenig vermessen ihren treuschwur gegeben:
und halt' ich nicht, v^as ich dir sage,
so fuhr' an meinem hochzeitstage
der böse feind mich durch die luft
Top ! (sagte Wolmar drauf) und ruft
den himmel und den wald zu zeugen.
2. Wie der reiche herr Fixen das schöne Hanchen freundlich sor
ehe begehrte, und mama ihr töchterlein beredte, ihn zu heiraten.
Dagegen fährst du in carossen!
hast zwanzig Schleuder, brttssler kanten
bei ganzen stocken ; diamanten
in jedem ehr, in jeder locke;
gehst stets gepuzt wie eine docke;
trägst deine brüst beständig bloss,
hast perlen, echt, wie bohnen gross,
um hals und arm, briUant'ne ringe
an jedem finger ; und der dinge
viel mehr als ich hier nennen kann.
3. Wie Wolmar den teufel citiert und der schwarze auf dem tanz-
saale erschien, auch was mehreres sich eräugnet (!).
Nach deinen feierlichen schwären
solt' ich izt durch die luft dich führen.
Doch diese strafe wäre dir
nicht gross genuug. Nein! nein! bleib hier!
Dein mann soll dich, statt meiner, quälen!
Er wird dir als tyrann befehlen;
wird stets voll eifersucht dir dräun
und selber doch dir untreu sein.
Kein seufzer soll von dir ihn rühren!
Sein hab' und gut soll er verlieren!
BALLADE BIS BfhlGEB 181
ÜDd ob er gleich so hässlich ist,
dass niemand sonst als du ihn küsst;
so werd' er doch noch hässlicher,
bis bettelarm, vom kummcr schwer,
du ihn unzählig* mal verfluchst
und in Verzweiflung rettung suchst! usw.
§ 8. Die übrigen dichter der bänkelsängerischen richtung.
„Die romanzen der Deutschen.^
Wie Zachariä, so war noch eine ganze reihe poeten in jener ersten
epoche unserer romanzendichtung, welche, ohne alle das hauptgewicht
ihrer dichterischen tätigkeit auf dieselbe zu legen, doch gelegentlich
in dieser dichtungsart etwas verbrachen. Die meisten ihrer erzeugnisse
sind in einer in zwei abteilungen 1774 und 1778 in Leipzig erschienenen
samlnng enthalten, den „Romanzen der Deutschen^. Dieses werk, jeden-
fals in bewusster nachbildung des französischen Becueil verfasst, aber
nach auswal und anordnung mit demselben nicht zu vergleichen , wirfb,
dem abendgelb eines trüben regentages vergleichbar, noch einmal ein
licht auf die ganze romanzendichterei des verflossenen Zeitalters, die es
gesammelt umfasst ; wie leitversteinerungen zeigen die namen der Gleim,
Löwen, Schiebeier und Geissler dem forscher den weg zur beurteilung
der andern erscheinungen ; entschieden am wertvolsten ist noch der erste
band, der zweite, erst 1778, also inmitten einer neuen ära geschrieben,
sammelt, fQr diese noch ohne jedes Verständnis, nur noch die spreu der
vergangenen zeit; der herausgeber, ein gewisser Hirschfeld, hat zwar
schon hin und wider ein herziges Volkslied oder den sang eines kundigen
aufgeschnapt , aber er weiss sie noch nicht zu würdigen, hat er doch
z. b. von Bürger, zu einer zeit, wo dieser bereits einige seiner bedeu-
tendsten balladen hatte erscheinen lassen, nur zwei kleinere romanzen
„Robert" und den „Bruder Graurock" aufgenommen -und sich lieber
nach den geistlosen nachtretern der Bürgerschen manier. Berger (Rosilde,
Forelle usw.) und Schink (Oldar und Eätchen) umgesehen 1 Die zal
der in dieser samlung enthaltenen gedichte ist übrigens, wie auch die-
jenige der dichter, sehr zahlreich. Aus dem Gleimschen kreise ist
Michaelis vertreten („Amors Guckkasten" und „Die blinde Kuh"), von
den Barden Denis („Mutterlehren an einen reisenden Handwerksburschen",
eigentlich keine romanze) und Eretschmann („Alcisidorens Liebeserklä-
rung an den grossen Ritter Don Quixote von Mancha" und „Ebenderselben
Abschiedsgesang"), von den Braunschweigern Eschenburg („Lukas und
Hanchen"), von andern der schon oben citierte Chr. Fei. Weisse mit
seiner operromanze („Hanchen" und „Der geprelte Junker"), ferner
182 Hoi.xii>rfiM
Leop, Heinr. Wagner, der jüngere („Die verbotiien Vei'Wftndluugt'n",
haum eine romanze zu nenneii, und das schwülstige „Mnrat und Fritid«-
ricke"), Kflttner, der Verfasser der „Charakteristiken dentscher dichter"
(mit seinem langweiligen „Magister Knauth" und dem schlfipfrigen
„Elisabeth"), Weppen („Porette"*) und wie die ganze schar der kluineo
geiater weiter heisaeu mag, nnter andern macht sich noch ein gewisser
Grahl breit, welcher die alten Griechen und Römer („Äkt-eou"*, «DuiU*
[soll Duilius heissen], „Der kämpf der drei Horazier") in einer wciso
ansingt, auf welche dieselben wenig stolz sein würden. Lüsst er sich
doch in dem erstgenanten dieser gedicbte zu der wendong verleiten :
Da ward Diauens wut entbrant,
und (?) machte die döesae:
sie schöpfte wasaer mit der haud
und sprüzt' ibra in die fresse (!).
Das ist ein pröbchen von den „besten romanzen", welche der
herausgeber „den freunden des Vergnügens und der pocsiC^ mittsiUe.
Es Btösst mir hier eine bemerkuug aof, wie sie Vilmar ähnlich Qber
die poesie Lobenstcins und Uoffmannswaldaus machte. Man begreift
nicht, wie ernste und gebildete mänuer — denn solelie waren doch
unter den genanten wenigstens Löwen und Schiebeier usw. — derartig
schmutzige und triviale geschichten auskramen konten: stehen doch
viele der in dieser samlung vereiniglen gedichte an anstand weit zurQck
hinter den (ästhetisch freilich auch nicht sonderlich wertvollen) roman-
zen des Casseler grenadiers und naturdichtors Joh. Tob. Dick ! (Zwn
Romanzen I. der bekehrte Säufer, II. daa Abenteuer einer Perräcke.
Cassel 1772). Eigentümlich berührt aber fühlt sich der leser, wenn er
unter dem luftigen poetengesindel in den romauzen der Deutschen ein
paar männer Endet, die er sonst gewohnt ist in den nobleren cirkeln der
musen verkehren zu sehen. Ausser dem schon erwähnten Bürger sind
63 Hölty und Gotter, von denen die beiden lezteren keinen schick-
licheren platz zu einer besprechnng finden würden als diesen,
Denn sie sind die eigentlichen Vertreter der Übergangsperiode sn
einer besseren zeit; von dieser bereits beeinllusst, gühr>ren sie in ihren
ischauungen über die balladen- und romauzendicbtuug noch der
^che an.
Die Obergaiigazelt.
§ 9. Hölty (1748— 1776).
Ludw. Heinr. Christoph HöTty,' der Sänger der Schwermut und dvr
melancholischen frende am landleben, war von den mitgliedern i
1) Seine .BalliLdeu" EUsken in der krit. ausgabo von C. ÜBtlD, hpz. 1069, •. 1'^
BALLADB BIS BÜBGEB 183
hainbundes keineswegs einer der für ballade und romanze sehr bean-
lagten, aber, wie den tjrannenbassern so zolte er seinen tribut auch
den romanzendichtern. Dass sein so empföngliches herz der herein-
brechenden morgenröte einer andern volkstumlichen balladenzeit ver-
schlossen blieb, beweisen die werte, die er noch im jähre 1774 an Voss
schreiben konte (bei Halm a. a. o. s. 222): „Ich soll mehr Balladen
machen? Vielleicht mache ich einige, es werden aber sehr wenige sein.
Mir kommt ein Balladensänger wie ein Harlekin oder wie ein Mensch
mit einem Baritätenkasten vor.^ (Freilich eine bezeichnung, wie sie
Gleims nachfolger nicht besser verdient hatten !) Und so kommen auch
die Höltyschen bailaden im grossen und ganzen nicht über die alte
manier hinaus. Freilich darf man den cynismus Löwens oder die freche
lüsternheit Geisslers bei dem frommen Barden nicht erwarten, aber
doch nimt es sich verwunderlich aus, wenn man in derselben samlung
Höltyscher gedichte, in der das gedieht auf Wieland „den Wollust-
sänger^ steht, auch „Leander und Ismene^ findet, welches in mancher
hinsieht ganz gut ein erzeugnis des „Wollustsängers'^ sein könte. —
Höltys erste ballade „Apoll und Daphne":
Apoll, der gern nach mädchen schielte,
wie dichter tun,
sah einst im tal, wo Zephjr spielte,
die Daphne ruhn.
ist eine mythologische travestie ä la Schiebeier -Geissler, nur etwas
feiner und niedlicher als deren meiste Schöpfungen, die romanze ist
übrigens ein Jugendgedicht des Verfassers, ihr folgt „Narciss und Echo",
welche ausser dem gewählten sujet auch in der art der behandlung
zeigt, wie Hölty in der romanze einem dichtergeschlechte concessionen
machte, mit dem sein inneres wesen nicht das mindeste gemein hatte:
Das fräulein Echo sah einmal
den ahnhem der Narcissen,
der manches jungfemherzchen stahl,
in grünen finsternissen
sich einer badequelle nahn.
Stracks schielten Ihre gnaden,
als sie den schönen Jüngling sahn,
nach seinen vollen waden.
Nach und nach aber mischen sich — wol unter dem einflusse
Bürgers, um dies hier vorweg zu nehmen — andere züge in die bal-
ladendichtung Höltys, welche mehr seinem dichterischen Charakter ent-
sprechen; vor allem tritt eine freude am grausigen in diesen dichtungen
IM
lies jungen Hölty hervor, welcher ja bekantlich schon als knnbe sein
tergnügeu daran fand, auf den kiruhhöfen abends „einsam auf deo grl-
bern umher zuwanken." Solcher apuk ist in ^Toffel und Kftthe" flTTi)
mit den nüchtern - parodiscben elementen in einem seltsamen gebilde
vevmiacht. '
Diese sucht nach darstellung des förchtertichen findet sich noch
gesteigert in der bailade „Ädelstan und Röschen" (1771), deren stoff schon
volkstümlich englisch, während die manier im ganzen franideierend-
frostig ist, ohne indessen — besonders iu der schilderang des ländlichen
lebens. bekantlich einer hauptstärke Hßltys — lieblicher stallen zn
entbehren, bis gegen den schlusa, bei dem ende des ungetreuen Ueb-
habers, sieh alles ins entsezliche verliert. Worauf Gbrigens der ursprüng-
liche titel des gedichtes (in der fassung des manuscriptes) „Ebentbeoer
von einem Ritter, der sich in ein Mädchen verliebt, und wie der Ritter
sich umbrachte" hindeutet, braucht nicht erst gesagt zu werden.
Geradezu barsträubend werden die Schilderungen in der „Nonne"
(1773), besonders von atrophe 6 an, während die lezte „Ballade" der
samlung (in den Vossschen ausgaben „Der Traum" betitelt) in einem
ganz andern tone gehalten, den lyrischen gedichten nahe steht
§ 10. Gotter (1746 — 1797).
Diesen nent Koberstein (V, 3S) neben Bürger als denjenigen
dichter, welcher „in der reibe der hierher zu rechnenden gedichte den
Übergang von jener burlesken manier zu der edleren, echt volksmässigen
aulfassung und behandlung dieser dichtart am besten erkennen lasse."
(Vgl auch Prutz a. a. o. s. 262 anm. 2). Nur darf man unter diesen
übergangen kein bewustes hinstreben auf das volkstümliche erwarten,
wie es Bürgers diehtung charakterisiert, zudem ist auch, wie Prut«
(a. a. 0.) gauz richtig bemerkt, am zahlreichsten bei Gotter noch immer
die Gleimsehe französierende romanze vertreten. Und gerade bei Gotter,
dem franz'Jsisch geschulten, salonm&ssig glatten gegner der stönner
und dränger, welcher die genies wegen ihrer ungebundeuheit und Über-
spannung tadelte (Gedichte 1788, hand 2, vorrede s. VI) ist ein liebe-
volles erfassen der volksm&ssigen englischen und deutschen balladen-
poesie von vornherein nicht zu erwarten, und sein einschlagen verschifr-
dener richtungen in der roroanzenpoesie scheint mir mehr auf einem
unsichern umhertappen als auf einem bewuaten, bestirnten streben Dacb
dem Volkstöne zu beruhen.
1) Währenil ich b«l Atn ^i>dicbten der (ruberen, wie aucb itea wenig«- zngiD^
ftr^lotter die guixeii Uzte »der weDigst«ii8 gröB«cr« eitetu ircgebcn Iiabe. gUab«
1 übltya und Bargeis nur kari verwoisen xa mQsscn.
BATXAOB BIS BÜBOER 185
Die erste romanze Gotters, „Tarquin und Lucretia^ (1769), ist
wie die gleichnamige Löwens eine nachahmong jener französischen aus
dem Becueil (I, 63), doch weiss sich Gotter aof dem schlüpfrigen boden
der französischen dichtung mit Sicherheit zn bewegen, während der
gute Bostocker registrator in den schmutz ^t.
Es folgte 1771:
Der Blaubart.^
Blaubart war ein reicher mann,
hatte haus und hof und garten,
schmauste, zechte, spielte karten,
lebte wie ein tartarchan.
Stark war seines körpers bau,
feurig waren seine blicke,
aber ach! sein missgeschicke !
aber ach! sein bart war blau.
Doch durch seines geldes krafb
trieb er jedes herz zu paaren,
und schon zwanzig weiber waren
durch den tod ihm weggeraft.
Er lässt, immerfort zu frein,
sich die mühe nicht verdriessen;
sezt, den antrag zu versüssen,
stets die frau zur erbin ein.
Von zwei Schwestern der galan
wird er jetzo; schmausereien,
Schauspiel, ball und mummereien
stelt er ihrentwegen an,
Bietet ihnen geld wie heu —
einstens, als sie kaffee trinket,
spricht die jüngste: Hum! mich dttnket,
dass sein bart so blau nicht sei.
Frisch gewagt ist halb getan;
hurtig muss ihn TruUe freien;
Schauspiel, ball und schmausereien
gehen nun von neuem an.
1) Dieses gedieht bezeichnet Götzinger, Deutsche Dichter I, 71 als völlig
verfehlt, und es ist es allerdings, wenn man die echte volksballade als massstab
anlegt, indessen komt diesmal der burlesken manier entschieden der stoff des
gedichtes entgegen.
18G U0LZHAU6EN
Drauf führt er sein Weibchen fort;
ein kabriolet mit sechsen
bringt, als könte Blaubart hexen,
sie an den bestirnten ort.
Gleich der feenkönigin
lebt hier TruUe, sonder sorgen;
vor dem Spiegel geht der morgen
und beim spiel der abend hin.
„Ich verreise, sprach er einst,
nimm die Schlüssel, liebe TruUe!
Zimmer, kästen und Schatulle
stehn dir offen, wenn du meinst.
Nimm dir einen Cicisbee,
um dich zu desennuyieren;
spier im Schachbrett, geh* spazieren,
schaukle dich und trinke thee!
Flieh* die schwarze kammer nur,
sonst ist dir der tod geschworen!"
Noch schalt es in ihren obren,
so vergisst sie auch den schwur.
Bricht vor eile fast ein bein:
krack! so springen alle riegel,
und der schwarzen kammer flOgel
i^fnen sich, sie wischt hinein.
0 der gräuel, die sie sah!
blut in strC^men! tote leiber!
Blaubarts alle zwanzig weibor
hiengen wie gewohre da.
Vor schrecken lässt Trulle den schlüssol ins blut fallen; ihr
s;ouK\hl komt wider, entdeckt den imgehorsam und verdamt sie zum
tode. Auf dem hofe steht sie schon, ibres Schicksals gewärtig, während
Änncht'U nach dem turmo läuft, um nach hilfe auszuspähen.
"rmllen stivkt des blutes lauf
btMui gerückten, scharfen säbel;
schon umringt von todesnebel
seuffet sie zum tunu hin;iaf :
BALLADE BIS BÜBGER ' 187
„Schwester Ännchen, siehst du nichts?"
„Stäubchen in der sonne drehen,
und des grases spitzen wehen;
Schwesterchen, sonst seh ich nichts!"
„Schwester Ännchen, siehst du nichts?"
„Stäubchen fliegen, gräschen wehen,"
„Ännchen, lässt sich sonst nichts sehen?"
„Schwesterchen, sonst seh ich nichts."
Trulle fragt ohn' unterlass.
Ännchen ruft: „Sei guter laune!
Dort beim hagebuttenbaume
reitet man in starkem pass."
Jetzo sprengt man — langt schon an!
Trullens beide herren brüder
kamen von der beize wider
mit dem schönsten auerhahn.
Blaubart kriegt den tod zum lohn,
wird gekocht in heisser lauge;
Trulle kömt mit blauem äuge
dieses mal noch so davon.
Weiber bleiben wie sie sind;
ihre neugier auszurotten,
hilft nicht predigen, nicht spotten;
weiber bleiben wie sie sind!
Mehr noch als das angeführte, neigen die romanzen „Sibylle
oder die strenge Mutter" (1770) und „Die Trauer" (1774) zu dem
Charakter der von Gotter den Franzosen abgelernten, aber mit vie-
lem glück angebauten, witzigen und pointierten poetischen erzählung,
einer feineren, salonmässigen Schwester der bisherigen deutschen ironi-
sierenden romanze; weniger gelang dem Verfasser die nachbildung des
tones der englischen (in „Lukas und Röschen" 1775) und die (ziemlich
kalte) bearbeitung eines klassischen Stoffes (in „Antonius und Stratonice"
1784"), dagegen hat Gotter einmal den naiven ton der volksromanze
wirklich getroffen in dem „Edelknaben" (1786, also längst zu der fol-
genden epoche gehörig), einer nachbildung des reizenden
Mon coursier hors d'haleine,
Que mon coeur, que mon coeur a de peine
aus „Figaros Hochzeit" (vielleicht ursprünglich eines französischen volks-
liedee ?).
§ 11.
Die kritiachen bemühuDgen um die doatscbe
romanze bis zum auftreten Herders.
So bin ich auf unerfreulicliem wege zum eratea Stadium gelangt,
dem Schlüsse der ersten periode deutscher romanzendichtung. Von der
verkehrten theorie Gleims, welche eine reihe mehr oder weniger nnter-
geordneter geister bis zum überdrusse ausgebeutet, hatten sich selbst
die besseren nicht zu befreien vermocht. Auch der för die erste periode
unserer widererwachenden litteratur so überaus wichtige factor der kritik
und poetischen theorie war für die balladen- und romauzenpoesie bisher
ohne besonders erheblichen nutzen gewesen. Die ersten auseinauder-
setznngen über das wesen der romanze fallen in die ära der ,,biblio-
theken". Die Ideen tou Gleim und Mendelssohn sind bereits abgetan.
Schon richtigere Vorstellungen von der romanze hatte, im gegensatze
zu dem von ihm ausgesprochenen (oben angeführten) poetischen Pro-
gramme Scbiebeler, der bereits die notweudigkeit der burleske in der
romanze in abrede stelle und in seiner abbandlung „Einige Kachrichten,
den Zustand der spanischen Poesie betreffend" (N. Bibl. d. seh. Wiss. 1,
3, 209 ff.) sich dagegen ausspricht, dass die romanze durchaus einen
tragikomischen Vorwurf enthalten müsse, und von den Spaniern, die
schon damals als das romanzenreichstc volk bekant waren, nachweist,
dass aus ihren romanzen keineswegs eine derartige theorie abgeleitet
werden könne.
Ebenso hatte schon Raspe theoretisch sehr geläuterte ansiobten
von dem wesen der romanze. In der anzeige, die er (N. Bibl. d. »ch-
Wiss. 2, I, 54 ff.) von der Percyschen balladensamlung macht. hMt er
diese seinen landslenten als muster und die fundgrube der eigenen
nationalen Vergangenheit als einen schätz vor, in den sie lieber greifen
sotten als zu den traurigen mordgeschichten der bänkelsftnger.
Auch Sulzer (in seiner bekanten „Theorie", teil IV, s. Uü ff. der
2ten aufl.) weist den romanzondicbter auf ein liebevolles Studium der
eigentlichen „romantischen zelten"; in die naiven zustände der alten
zelten habe sich derselbe zu versetzen, um ein romanzisches gedieht
schaffen zu können, auch er verwirft (obwol er Im ganzen noch ziem-
lich confuse ansichten hat) die rein burleske romanzenbehandlung.
„unsere dichter haben sich angewöhnt, der romanze einen scherzhaften
tou zu geben und sie ironisch zu machen, Mich dünkt, dass dieses
dem wahren Charakter der romanze gerade entgegen sei. Eine schen-
hafte erzählung im Irrischen ton ist noch keine romanze." Br fuhrt
weiterhin auch die ansieht J. J. Rousseaus an , welcher seiner aatnr
und Veranlagung nach ganz besonders berufen schien, über die romanMOt-
BALLADE BIS BÜBOEB 189
dichtimg zu urteilen. Dieser — in seinem Dictionnaire de musique
(artikel: Bomance) — betont besonders die musikalische seite der
romanze, verlangt zu ihrem vortrage eine gefällige, natürliche, ländliche
melodie und spricht dann weiter von der Wirkung eines solchen gesanges,
wie er Strophe um strophe das herz ergreife, bis man zu tränen gerührt
sei, ohne sagen zu können, woher sie kämen.
Durch die angeführten theoretischen bestrebungen Hessen sich
die bänkelsänger nicht im mindesten in ihrem gekreische stören, und
dies wol um so weniger als diese theoretischen erläuterungen zum teil
sehr der erforderlichen klarheit ermangelten. Wie Schiebeier sich selber
in theorie und praxis genugsam widerspricht, so konten die theoretiker
lange nicht zu klareren begriffen über die bailade und romanze konmien.
Dies zeigt besonders das wüste quodlibet von wahren und Mschen
bemerkungen in der vorrede zu dem ersten bände der ,,Bomanzen der
Deutschen'^ im jähre 1774, — und doch war bei dem erscheinen der-
selben bereits eine neue zeit angebrochen, welche in der bailaden -
und romanzendichtung herliche fruchte reifen solte.
Auf die epoche des bänkelgesanges folgt:
Zweiter Abschnitt.
Die ballade der stürm- und drangperlode.
§ 1. Die bestrebungen Herders um die widererweckung
der deutschen ballade.
Es ist natürlich , dass jede dichtart die phasen mit durchzumachen
hat, welche die gesamtlitt er atur eines volkes durchläuft, und dass sie
den Charakter dieser phasen im miniaturbilde widerspiegelt. Aber ebenso
natürlich ist auch, dass in jeder einzelnen epoche bestimte kunstgat-
tungen mehr oder weniger prävalieren, je nachdem der besondere Zeit-
geist die litterarischen Vertreter dieser epoche zu den einzelnen dicht-
gattungen hinzieht und dafür befähigt. Die knospe der balladendichtung
solte in der genie- und gefühlszeit zu einer ersten, herlichen blute
erwachen. Die vorige epoche hatte ihr nicht viel gutes gebracht, selbst
der meister derselben, 6. E. Lessing (ich knüpfe wider an die kriti-
schen bestrebungen an) hatte ihr nicht aufgeholfen, weil er sich gar
nicht oder so gut wie gar nicht um sie gekümmert Lessing, der mit
dem unerbitlichen seciermesser des Verstandes die composition des dramas
zerlegt und die grenzen einzelner dichtungsgattungen wie diejenigen
ganzer künste mit fester band umrissen hatte, Lessing, ein wie feiner
kunstkenner er auch war, konte schwerlich eine dichtart auferweckeui
190 BOLZHiÜSEV
welche so solir wie das Volkslied auf dein schwanken lioden der empfin-
dung erwacfaseo, in ihren gGstaltiingon wie kaum eine andere von snb-
jectiven eiogebangeu abhängig war und jeder regel tm Bpotten Rchieu.
Diese — die wahre und echte — lomauze bedurfte ja anch einer kritik,
ohne Kweifel, um wider erkant und gewürdigt xu werden, aber statt
des schneidigen Leasing war der ninthoddosere. aber zartfflblige und
gcmütetiefe Herder bestirnt, mit der forschenden sonde in den liedern
wie in den Sprachresten der alten Völker herumznfahreD, überall anregend
und aufstöbernd und seine fände abgerissen und ruckweise dem tages-
licht etitgegenRirdemd.
Es ist hier natürlich nicht der ort, auf die widererweckung der
volksliederdichtung durch Herder des genaueren einzugeben, und ich
verweise hierüber auf die zusammenhängende darsteiluiig in „Herders
Leben" von Haym; nur für die besonderen Verdienste Herders um die
balladen- und romanzenpoesie im engeren sinne halte ich eine kurze
erörterong für uncrläsdicb.
Schon in deu „Fragmenten" hatte Herder auf die volkslieder-
dichtung hingewiesen: etwa um dieselbe zeit waren „Ossiau" und bald
darauf die berühmten Percys Keliques in Deutschland bekaut geworden.
Von Macphersons werke nicht zu reden, welches auf Horders volVs-
tümliche bestrebungen immerhin einen segensreichen eiufluss ausübte,
ist Percys samlung berechtigt, unsere aufmerkxamkeil für einige augen-
blicke in anaprnch zu nelimen.
Auch in England hatte sich um die mitte des acbtzehuten Jahr-
hunderts eine ricbtung bahn gebrochen, welche lenten nie Pope und
.lohnson gegenüber, die regelmässigkeit der Franzosen mit der genialsn
ursprün glich k ei t der Volksdichtung zu vertauscben bestrebt war. Natflr-
lieh, dass diese die versunkenen schütze der alten englischen und schot-
tischen Minstrelsy überall anfzusuchen und wider zu heben sich bemühte.
Aber alle seitherigen versuche in dieser richtung wurden tief in den
Hcbatteu gestelt durcb die Reliques of aiicient pootry. welche blBohof
l'ercy im jähre 1765 hei Dodslej in London erscheioeD Hess. In dar
vorrode entschuldigt sich der heransgeber mit vielen worten wegen
Heines Unternehmens; auch in Flngland waren romanze nnd halladfl In
Iniskredit gekommen, nnd das war nach der bflnkclsängerei in der
revolutions- und restaurationsepoehe kein wunder. Aber Percy griff
in die vollaufgehäufteu schätze früherer Jahrhunderte, von den blgeo
ßthelreda und Alfreds singen seine balladeti, von dem oft düsteren bllit«>
gründe des ritter-, highway- nnd kriegerlebens hebt sich in Uc^tW
färben das bild der liebe und treue (Adam Bell, Clym o' the Oloagh
and 'William of Clondesly, Fair Rosamond , The spauish lady's love u. h.),
BALLADE BIS B&BGEH 191
Ton den schauerlichen scenen der leidenschaft und eifersucht (Glas-
gerion , Little Musgrave) springt das äuge des lesers zu den köstlichen,
wenn auch oft recht derben erzeugnissen des englischen humors (die
Robin Hoodballaden, King John and the tanner, The boy and the
mantle usw.); auch das reich der geister öfoet sich; nun huschen seine
düstem gestalten vorüber (Margareth's ghost und William's ghost), nun
wider sieht man die zaubergebilde herbeieilen (Robin good fellow, The
fairy queen), welche die phantasie eines Shakespeare in dem „Sommer-
nachtstraum^ zu einem glänzenden elfenstaate zusammengewoben hat.
Freilich hat Percy selten die reinen originale widergegeben ; fort-
während hat er die lückenhaften Überlieferungen ergänzt, ausgeflickt
und Überarbeitet und dadurch nicht selten verblasst, modernisiert, ja
yerdorben, wie dieses erst in neuerer zeit durch die Untersuchungen
yon Haies und Furnivall (Bishop Percys Folio Manuscript. London,
Trübner 1868) festgestelt worden ist, bei alledem aber bot Percys
samlung einen unermeslichen schätz edlen goldes, den für Deutschland
zu verwerten die aufgäbe Herders war.
Mit Percys Reliques bekant geworden, wante Herder sein ganzes
Interesse der volksliederdichtung zu, in der er statt der „klassischen
luftblase der modernen litteratur" mit schwärmerischer Übertreibung die
edelste, ja die einzig und allein echte und wahre poesie zu erkennen
glaubte. Mit diesen gedanken hatte er bereits in Strassburg Goethe,
nicht minder andere freunde (Merck, Gleim usw.) zur samlung der
deutschen Volkslieder angeregt, doch gewann seine tätigkeit auf diesem
felde erst algemeinere bedeutung, als er seine 1771 in Bückeburg nieder-
geschriebenen, aber erst 1773 in Hamburg in den blättern „Von deut-
scher art und kunst" erschienenen briefe „Über Ossian und die lieder
alter yölker" herausgab. In diesen zeichnete er alle die gedanken und
empfindungen über die Volksdichtung, die jähre lang sein herz bewegt
hatten, in kühnen skizzen der litterarischen weit vor; in einer den
sprachlichen Charakter der von ihm behandelten gegenstände nach-
ahmenden schwunghaften und dabei abgerissenen spräche sezt Herder
hier die seit fast zwei Jahrhunderten in den kreisen der gebildeten ver-
kante volksliederdichtung wider in das rechte licht.
Yen Ossian ausgehend, findet er, dass bei einem noch rohen, ein-
fachen, natürlichen volke der ausdruck der inneren empfindung an dem
äussern, sinlichen haftet in „form, klang, ton, melodie." Ein „wil-
des** Volk ist ihm ein lebendiges, frei wirkendes volk. Je wilder also,
sagt er, desto lebendiger, freier, sinlicher, lyrisch handelnder müssen
auch, wenn es lieder hat, die lieder des volks sein; vom lebendigen
und gleichsam tanzmässigen des gesanges, von lebendiger gegen wart
1$9 UOLZHACIBM
der bilder, vom zuBamiiieiiliatige and gleichsam notdrange des iuhalta,
der empfindimgen , von Symmetrie der worte, sÜben, buchstaben, vom
gauge der melodie hänge die wundertätige krat^ und das fortleben dieser
lieder durch Jahrhunderte ab.
Herder spricht sodann von dem dramatischeu und handlungsvollen
des echten Volksliedes, von den „sprängen und würfen". Diese erklärt
er aus dem functionieren einer noch unverdorbenen und uiiverkünstelten
Phantasie. Eine solche fast nämlich die dinge der aussenwelt in ihrer,
durch die natur gegebenen räumlichen trennung auf und gibt diese
daher, nur nach räumlicher associaüon verbindend, sprunghaft und
scheinbar uuzusammenhäugend wider. Das kräftige, geniale, urwüch-
sige dieser „Impromptus" stelt Herder nicht mit unrecht weit über
die schwächlichen erscheinungen seiner coätauen kuustdichtuug. er belegt
seine ausluhrungen mit beispielen aus der volkspoesie der verschiedea-
sten Völker und komt schliesslich speciell auf die romanze zu sprechen.
Er beklagt, „dasa diese urapröngiich so edle und feierliche diobt-
art bei uns zu nichts als zum niedrigkomischen und abenteuerücbeu
gebraucht oder vielmehr gemisbraucbt werde." In merkwflrdiger ver-
kennung, die er bis an das ende seines lebens beibehalten hat. lobt er
die Gleimsche „Marianne", die er gleich ihrem französischen originale
fQr ernst ansiebt, und wendet sich dann mit grosser energie und vollem
rechte gegen die plumpen nachsingen „Vni so haben wir Jezt eine
menge des zengs und alle nach einem schlage und alle in der uneigent-
licbsten romanzenart, und fast alle so gemein, so sehr auf ein einma-
liges lesen ~ dass nach weniger zeit wir fast nichts als die Oleim-
scben übrig haben werden.
So hatte Herder in kurzen zögen das wesen und den wert der
vulksliederdichtung nnd ihre hervorspringendsten eigenschaflen charakte-
risiert und anderseits den entarteten bänkelgesang In die gebührendeu
schranken gewiesen. Noch aber fehlte die Illustration aprobe der neaen
behanptungen und damit eigentlich das wichtigste; Herder zögerte Jahr«
lang, seine studieu- und sammelhefte, au denen freund Goethe und so
viele geholfen hatten, herauszugeben. So kam es. dass verschiedene
seiner balladenübertietzungen, bevor sie in seinem eigenen werke erschie-
nen, in der von Kschenburg nnd Ursinns 1777 herausgegebenen samlung
„Balladen und lieder altenglischer und altachottischer dichtart" ' heraus-
kamen und dass Herder in demselben Jahre in dem im Deutschen Museum
erschienenen aufaatze „Von ähnlicfakeit der mitleren englischen und
deutschen dichtkrnist" noch vor herausgäbe seiner „Volkslieder" gelegen-
1) Vgl, dpa Bttrgeraohen bhefweclucl hrag. von KlroaUiiann , II. nr..33a n.Ml.
^AtLABÜ BIS Bt^RaSit l9ä
heit hatte, das lob des mannes auszusprechen, welcher neben Goethe
die edelsten fruchte von Herders geschilderter tätigkeit zu pflücken
berechtigt schien und der ihrer — - wer weiss! — vielleicht noch in
höherem masse teilhaftig geworden wäre, hätte er zur zeit der Jugend,
wo er, noch unbefangen von der nianier, aber auch plan- und regellos
umherirte, die reine und lautere samlung Herders zur sicheren füh-
rerin gehabt; der aber das beispiel der Herd ersehen „Volkslieder" nicht
abgewartet hatte, um mit eigenen glänzenden erzeugnissen die theorie
des meisters zu bewahrheiten, gegen die schon die Nicolai und genossen
die spöttelnden vernünftlerstimmen erhoben.
In demselben aufsatze „Von Ähnlichkeit usw." gebraucht Herder
auch zuerst das wort bailade (während er sich früher des ausdrucks
romanze bedient hatte), welches nun nach dem bekantwerden des eng-
lischen epischen Volksliedes überhand nimt und die früher herschende
„romanze" zurückdrängt, bis lezterer die romantiker wider etwas mehr
anerkennung verschaffen.
In den jähren 1778 und 1779 erschienen denn endlich die „Volks-
lieder" (über die einzelnen Schicksale der mehrfach umgearbeiteten sam-
lung vgl. Haym, Herders Leben I, 687 ff.), in denen sich Herder als
echter deutscher Percy auswies.
Herder hatte es verstanden, Volkslieder der ganzen erde, wenn
auch nicht mit metrischer kleinkunst, so doch ihrem echten klänge und
tone nach widerzugeben, er hatte dem litterarisch gebildeten leser, wenn
auch nicht der menge, gelegenheit geboten, sich von der Schönheit des
alten Volksliedes, der volksballade zu überzeugen, er hatte die wilde
Waldblume aus den forsten der vorzeit gesammelt und nach hause
getragen; noch aber fehlte der gärtner, um sie anzupflanzen, umzubilden
und in der statte der kunst heimisch zu machen.
Zu der zeit nun, als der junge Goethe in Strassburg von Herder
auf das Volkslied hingewiesen wurde, schlug auch in Göttingen ein
Studentenherz, welches, selber aus der kräftigen mitte des deutscheu
Volkslebens hervorgewachsen, so recht geschalTen schien, den von Herder
ausgestreuten samen aufzunehmen und emporblühen zu lassen, es war
(las herz eines der unglücklichsten deutschen dichter und doch zugleich
der beneidenswertesten lieblinge der deutscheu nation, das herz Bürgers.
(Schluss folgt.)
HALLE A/8. P. IIOLZIIAUSEN.
ZKlTSCilR. V. OKUTSCHK FUiU>li001K. KI). XV.
IH
t
>/
ZUR KÜPRUN.
Im begriff eine neue teiUnsgabe der Kudrun abziuchliesseo . IBBBS
ich wflnachen. manches, was ich ?,iir vervolatäuiligung. gelegenÜictl
auch zur beridjtigitng der aninerhuiigeii meiner frfihereD ausgäbe bei-
trt^en zu köuiien glaube, für sich vorzulegen.
Zunächst aber scheint es mir geboten, anzugeben, warum ich die
»rgebnisse einer Untersuchung nicht annehmen kann, welche mit unleug-
barem Scharfsinn die entstehung des gedichts anders erVISrt als auf die
von MiiUenhoff vorgeschlagene, von mir uach eingehender nacbpräfiing
festgebaltenu weise. Gelingt es mir, diesen abweichenden erklärungs-
versncb zu widerlegen, so wird dies zugleich wenigstens ein indirecter
beweis für Müllenhoifs ansieht sein.
Ich meine natürlich das buch von W. Wilmanna .Die Eutwicke-
lung der Kudrundiohtung", Halle 1873. Schon bei seinem erscheinea
koRte ich mich weder von der richtigkeit seiner grundsätzf übcreeogpa
noch auch ^ abgesehen von einzelnen, iti der vorrede zu meiner neneo
ausgäbe angegebenen punkten — den zur speciellen kritik der Kudruo
genmuhteu vorschlagen anschliessen. In wie weit Wilmanns diese leeteren
noch jozt festhält, weiss ich nicht; die principien seiner epischeu kritik
hat er allerdings inzwischen, wie hekant. auch auf die Nibelungen
flbertr^en. In jedem falle glaube ich geltend machen zu müssen, was
meiüea erachtena gegen seine ansieht von der entstehung unseres gedicht^B
spricht, um nicht di'm vorwürfe ausgesezt zu sein, dasa ich die prüfung der
von anderen vorgebrachten gründe irgendwie zu versäumen mir erlaubte.
Wilmanns nirot an, itaas die überlieferte gestalr der Kudrun nicht
nur durch interpolation eines abgeschlossenen gedichta entstanden s«,
sondern auch durch contamination mehrerer gedichte, welche von ein-
nuder unabhängig und abweichend die sage behandelt hfttteu.
Ich mache EunSchst nicht besonders geltend, dasa die eage selbst
um 1200 wenig verbreitet gewesen zu sein scheint, wie wir nach den
nherans spärlichen Zeugnissen des 13. jahrh. annehmen müssen. Bedenk-
lichiT erscheint schon, Jaas die verschiedenen von einander unabhängigen
gedichte sämtlich in der sonst durchaus unbekanten Kuilnmstrupbe
ahgefasst gewesen aein müsten.
Aber entscheidend ist natürlich erst die prüfung im einzelnen.
Werden wir wirklich zu der annähme geführt, dass mehrere derartige
selbständige, im einzelneu verschiedene bearbeitungen der sage neben
einander bttstaoden und dass stücke dieser — wie Wilmanns aonioit
(s. 67 u. ö.) — bereits interpolierten bearbeitungcn unter /.ufügung neuer
verbindungsatficke vereinigt in unserem gedichte vorliegen?
MARTIN, 2üR KUDIIÜK 195
Zunächst noch ein blick auf die Voraussetzungen, die Wilmanns
fBr notwendig hält. Es ist nicht blos die eben erwähnte annähme mehr-
facher interpolationen, die vor und bei der Zusammensetzung in die
alten zu gründe liegenden lieder eingedrungen wären, eine annähme,
die er dahin näher bestirnt, dass diese interpolationen selbst nicht mehr
überall abzugrenzen wären, s. 21. 147. Er nimt überdies vielfach an,
dass die interpolierten strophen beim abschreiben an unrechte stellen
gekommen wären. Er komt endlich mehrmals zu dem Schlüsse, dass
von diesen liedern selbst einzelne stücke weggefallen und von dem con-
taminator (oder den interpolatoren ?) durch neue Strophen oder strophen-
teile ersezt worden wären: s. 29. 33. 115. 130. 134. 139. 154. 185. 187.
200. 201. 203. 210. In folge dieser angenommenen Verhältnisse ist
— wie W. selbst bemerkt s. VIII — eine Sicherheit in der herstellung
des echten überhaupt nicht mehr erreichbar.^ Solche lücken auszu-
füllen kann man ja auf sehr verschiedene weise versuchen, und dies
geschäft kann nur die dichterische phantasie übernehmen, nicht aber
der kritische verstand, der nur die eine Wahrheit sucht. Aber die '/
annähme einer Verdrängung des ursprünglichen textes ist jedesmal eine
petitio principii. Vereinzelt werden wir sie uns vielleicht gefallen lassen:
massenhaft vorgebracht muss sie das gröste bedenken hervorrufen.
Gehen wir zu den einzelnen fallen über, in denen W. seine con-
taminationstheorie für erwiesen ansieht. Sie sind nicht eben zahlreich
und, wie mir scheint, sämtlich anders aufzufassen.
W. begint s. 2 — 21 mit der Schilderung des leidens der Kudrun
str. 986 — 1048. Er zerlegt sie in zwei dichtungen a und h, a (unvol-
ständig erhalten) erzählt, dass Hartmut die Normandie verliess, vorher
aber Kudrun seiner mutter übergab, welche ihr auftrug den ofen zu
heizen und auch ihre begleiterinnen zu niedrigen arbeiten zwang. Nach
vierthalb jähren kehrt Hartmut zurück und lässt Kudrun rufen, h begint
mit einer klage der Gerlind, dass Kudrun Hartmuts geschlecht gering
achte; Hartmut wünscht, dass Kudrun mild behandelt werde. [In einer
interpolierten strophe meint Gerlind, nur gewalt werde Kudrun zur
nachgiebigkeit bewegen; in einer andern widerholt Hartmut seine mah-
nung zur milde]. Gerlind wünscht, dass man ihr überlasse, Kudrun
zu ziehen. Ohne weiteres verlangt sie dann, Kudrun solle den ofen
heizen und andere dienste tun. Kudrun leistet alles willig, sieben jähre
1) Diese Schwierigkeit der epischen kritik, dies neben- und dnrcheinander-
liegen von bruchstücken der verschiedenartigsten gedichto macht W. s. Vll geltend,
um die pädagogische ansieht zu stützen , dass die mhd. dichtungen aus dorn volks-
epoB sich nicht zu unterrichtsgegenstanden eigneten. Aus demselben gründe müste y.*^-ry
man doch wol auch die homerischen gedichte aus der schule verbannen. //
13*
f
liM) MAnTlN
lung. Als Hartoiul zur&ckkubrt, lässt i«r Kadnm holen und macht, von
ihrem Jienst« uateniobtet, seiner mutter vorwürfe. Dieac erwiiit'rt,
Kmlruu habu bestäudig Hartiiiut uud die seiiiigen geschmäht. Hartmut:
sie habe das recht dazu denen gegenüber, die ihr den vater ei'üchlu<;wii
hStten. Gertind: „nur mit schlagen kOnte man Kadrun dazu bringeu,
dich zu nehmeu". Darauf rateu ihm seine freunde, auch gegen deu
willen Heiner mutter Kudrun zu gewinnen. Kudrun beruft sich auf die
niishaudlaijg durch Oerlind. Hai-tmat verspricht, sie zu entschädigen.
Kudrun erinnert ihn an die gewaltsame eutl'Übrung, die den ibrigeo
schlimmen schaden gebracht. [In zwei von W. als interpoliert ange-
gebenen Strophen erinnert Kudrun ihn ausdrücklich daran, dass sein
Vater ihren vater ei'ücbiagen ; sie beruft sich ferner darauf, dass eine
ehe nur mit beiderseitiger einwilligung geschlossen werden köntej. Hart-
niut droht mit uotzdchtigung : keiner seiner mauneu werde ihn desbiUb
strafen. Kudrun verweist auf die räche anderer fürsten, Hartmul
meint, er wünsche nur die Zustimmung der Kudrun zu erlangen. Kudruit
erwidert, sie sei mit Herwig verlobt. Hartmut verdriessücb: er sei
wol Herwig ebenbürtig. Mau versucht es, Kudrun mit gntu uinzu-
;)timmeu und schickt Hartmuts Schwester Ortinn zu ihr. Kudrun dankt
dieser, will aber weiter als magd dienen.
Dies der iniialt der von W. hergestelteu lieder. Ich kanu nur
tindeu, dass er iu bezug auf Ordnung und Zusammenhang selbst unter
der überlieferten form des gedichts steht. Zunächst fehlt dem eiuou
liede der scbluss, dem andern der anfang. Ui a ist der gi'und fQr die
achmähliche behandlung der Kudrun nur durch Em&, 4 augedeutot. In
fi fehlt der erste Versuch der OerÜnd, mit einer freundlichen muhnuDg
ihr ziel zu erroicheu, obschou Hartmut lUül voruusMezt, dass dieser
versuch noch nicht gemacht ist,' so dass er nicht etwa in die IQckc
um eingaug gefallen sein könt». In u bt, nachdem Gerlind befohlen,
dass Kudrun die stube heizen solle, uud uacbdem Kudrun sich daza
bereit erklärt hat (996. 997), vou ihr nicht weiter die rede, Bondeiu
uur von ihren frauen. In h ist wider von den frauen gar nicht die
rede, die doch später nach l'iOi (welche Strophe W. s 3S zu h rechoet)
mit ihr guhudet und gekleidet werden; was docli wol voraussezt, dasa
auch die mädchou schlecht gehalten worden waren. Noch andere
oustüäse bietet b. Iu str. UIU» (welche ttro^he W. alierdiug;^ als inter-
poliert bezeichnet) wfinscbt Hartmut, dass Gcrliud Kudrun schouungs-
vuU iiehc: in der folgenden str. (993) erbietet sich Gerlind erat, sie
cieke» ui dürfeu. Den leisen [oder nach der F(ir interpoliert irkUri«»
^ilr. ivyi den deutlichen] hiuweis der Kudruu auf die tOdung Hetelu
durch Ludwig — den liinneis also auf i^iu von Hurtnmt selbst
I
ZUR KÜDRÜN 107
anderen orten als volgiltig anerkantes hindernis ihrer zusage soll Hart-
niut mit der drohung der notzüchtigung beantworten! Hartmut, der
edle ritter, soll einer solchen roheit fähig sein, dass ihn die einfache
anfnhrung einer unleugbaren tatsache zum fürchterlichsten wutausbruch
hinreisst! (Beiläufig gesagt, auch die lesart rcechen 1030, 3, die Wil-
manns adoptiert, sezt Hartmuts Charakter herab. Nicht die furcht vor
der räche anderer fürsten bändigt Hartmut, sondern die rücksicht auf
seinen ruf, auf seine anerkennung als moralisch gleichberechtigter sei-
tens der anderen fürsten).
Nachdem Hartmut seine drohung zurückgenommen, bringt Kudrun
nach W. sofort ihren lezten und, wie W. selbst s. 2 gut ausführt, den
schwersten grund ihrer Weigerung vor : ihr Verlöbnis mit Herwig. Hart-
mut ist verdriesslich, aber er versucht es jezt noch mit Ortrun. Ich
glaube, W. hat hier, um das logische schema möglichst hervortreten
zu lassen, den wirklich seelenvollen Zusammenhang der Unterredung
zerstört, welchen die überlieferte reihenfolge der strophen darbietet.
In dieser erwidert sie auf Hartmuts directe Werbung, zu welcher
ihn der rat der mannen 1025 veranlasst hat, zuerst mit dem hinweis
auf die mishandlung durch Gerlind. Vergeblich erbietet sich Hartmut
zum Schadenersatz: Kudrun weist ihn kurz ab. Da braust er auf, aber
als Kudnm ihn an seine fürstenehre erinnert, komt er wider mit bitten.
Sie erwidert mit der ernsten mahnung an die tödung Hetels durch Lud-
wig. [Interpolierte strophen fügen die weitere, aber matte begründung
ihres benehmens hinzu, dass man niemand zur ehe zwingen dürfe. Hart-
mut antwortet in einer strophe mit cäsurreimen damit, dass er höhnisch
bemerkt, Kudrun werde dann weiter leiden müssen. Sie erklärt sich
dazu bereit. Im echten lied weiss Hartmut auf den völlig gerecht-
fertigten einwand der Kudrun nichts zu erwidern]. Es erfolgt der ver-
such durch Ortrun auf Kudrun zu wirken. Kudrun dankt ihr. [Es
folgen zwei Nibelungenstrophen mit unpassendem inhalt]. Indem sie ihre
früheren einwände der freundlichkeit Ortruns gegenüber nicht mehr auf-
recht erhält, bringt sie nun gegen Hartmut den lezten, aber auch
unwiderleglichen grund vor: sie wolle das Verlöbnis mit Herwig nicht
brechen. [Interpolierte strophen, drei davon mit cäsurreim versehen,
führen weitere bitten Hartmuts aus, welche Kudrun nur mit schroffen
vorwürfen beantwortet: beides gleich anstössig]. Da gibt Hartmut seine
Werbung auf. Gerlind tritt wieder ein.
IUe_umstelljiingder strophen, welche W. in grossem massstabe
vornimt, i8t_^aho nu.L einejrerscW^ Und womit begründet er
diese gewaltsame umordnung? Hartmut hätte bei dem versuche, Kudrun
durch Ortrun Zugewinnen, nicht zugegen sein dürfen. Zugegeben dass
Ortruii, mit Kodruii alluin gelasȊn, Uobavt auf ^ie uiiiwirkeii kunte, ho
darf man doch wol auuh ohne die Überliererntig zu fliideru iinuohuten,
das» Hartniut nicht l)estlln<lig zugegen war, dasi^ er nur kam, um aicb
von Kiidrun das le7.te wort selbst zu holen lOtu üerurtiges koinmea
und geho wiril j.i aacli sonst in der überlieferten gesLalt des gedicbtes
nicht besonders erwübnt. Ho wird di» Unterredung KWiscbeu Hürtmul
und Geriind 1014 — 1018 ja auch nicht in gegfnwart der Kucinto gettihrt
worden acin, die doch soeben, lOi:) gesprochen hat, und zu welcher,
wio 101<» austli'äckiich erwähnt wird, Oerlind sich nachiier begibt*
Und weder in der Sberlieferten form noch in der von Wilmanns con-
stmiorteu dichtuug /' wird gesagt, duss Hartmul nach der Unterredung
mit seiner niutter das Und verliess, sondern nur 10^23, dass er, nach-
dem Kudrun sieben jähre lang gedient, von seinen kriegsziigen heim-
köhrte.
, Dasä nun Hartmut zuerst nach 3V(. dann nach vi)l)>Uludigem
Y Umlauf von 7 Jahren heimkehrt, erscheint W. s. IS anstßssig und als
ein ^rurid tat annähme der contamination zweier verschiedener dii;btuugi>n.
Ich finde us ganz wol begründet, dass Hartmut die entfährt» /uuäcbst
setuer multer übergibt, damit Kudran nicht durch seine auwesenheit
hestüodig an die erlittene gewalttat erinnert, vielmehr durch die gQtigc
behandlang seiner vcrwanteu gewonnen werde. Nach 3 V^ jähren (l_on),
fragt er Kudrun. wie ea ihr ergangeu sei, und als er, in nicht eben
deutlicher weise, von ihrem lose gehört, macht er seiner mutter vor-
würfe. Heuchlerisch verspricht Gerlind [wenn wir von den interpoliertet)
Strophen lOlö— 1017 absehen, welche stark übertreibend das vor-
bringen, was un andern stellen bereits und passender gesagt ist], sie
werde in zukunft Kudrun eine bessere bebandlung zu teil werden lassen.
Nftch. 7 jähren kehrt Hartmut wider zurück und ohne seine mutt«r
weiter in bctracht zu ziehn (1025, 1), ninit er auf den rat seiner inann«i)
die Werbung selbst in die band. Dass Hartmut von seiner muthtr
getäuscht wurde, bemerkt 1018 ausdrücklich: damit erledigt sich der
einwand von W. lä; „unglaublich ist die ertiudung, dass Hartmut
Kudrun noch einmal in die bände seiner mutter gegeben hniie, nach-
dem er sich übereeugt hatte, wie übel ihre zucbt gewesen war." Kbenso
brig spricht W. IS davon, dass Hartmut bei der erst«n abreise Kudntn
in die bände seiner mutter gebe, „weil er die geduM verliere**: totti
muas er doch die geduld bewiesen haben, ehe er sie verlii>ren kann.
So uusfQhrlich wie biiiber kann ich natürbcb die übrigen vou
WUmauus hervorgehobenen stellen nicht bebandeln. <:ontaminatiOD BOU
I) Vgl. narh Wiltnann» n. 'M6. nobach »n «inirr andtirii •Ultn
iluilictie nebendiiige ale iiiipücite (iD|fedaut<;t voiBUgeeett WDTd«u.
\
ZUR KUDKUN lUO
ferner (W. abschnitt II) da vorliegen , wo das widersehn der Kudrun mit
bräutigam und bruder und ihre rückkehr zu Gerlind geschildert wird.
Wilmanns fasst zunächst die vonMullenhoff als Interpolation beseitigten
Strophen 1274 — 1279 als rest einer zweiten selbständigen dichtung.
Weil hier Gerlind Kudrun schilt, als ob diese mit niedrigen knechten
gesprochen, so nimt W. an, Gerlind habe das vertrauliche gespräch
mit den männern beobachtet. Müste dann nicht die strophe 1322,
welche W. zu derselben dichtung (a) rechnet, ganz anders lauten?
Sie dürfte dann nicht als Vermutung aussprechen, dass Kudrun auf
irgend eine weise botschaft aus ihrer heimat erhalten habe ; die von ihr
beobachtete Zusammenkunft mit unbekanten mäste ihren verdacht sofort
auf die richtige spur fahren. So bleibt nichts übrig, als die vorwürfe
der Gerlind 1275 ff. rein für eine aus der luft gegriffene Verdächtigung
zu erklären, und da dies gekeife mit der folgenden frage nach der
Wäsche ausser allem Zusammenhang steht, es als müssigen einfall eines
zudichters aufzufassen.
Doch W. will zwischen der darstellung des wiedersehns in a und
in h noch einen weiteren unterschied gefunden haben: in a kommen
die beiden am abend, in h am morgen. Für den ersteren Zeitpunkt
beweise 1225, 3, wo Kudrun sagt wir müezen scheiden hinnen, „Aus
zwei gründen", sagt W. s. 28, „tut eile not: einmal damit sie nicht
zu spät kommen, sodann damit sie nicht [mit den männern zusammen]
gesehen werden". Warum soll dieser lezte grund nicht genügen?
Wenn Kudrun sagt, wir müssen fort, anstatt: wir und ihr müssen uns
trennen, so ist der grund für diese ausdrucks weise doch sehr einfach:
sie kann den männern nicht befehlen wegzugehn. (Vgl. .Klaus Groth
„ife sä mi so v^ü", wo aus dem strophenschluss ^Jehann, ik mutt
fori^ auch schwerlich ein schluss auf die tageszeit gezogen werden
dürfte).
Nach Wilmann8_8. 32 soll str. 1320 auf^ 1330 folgen. Danach
hätte Kudrun zunächst sorgfältig die türe zu ihrem und des gefolges
schlafgemache schliessen lassen, dann erst übermässig aufgelacht. Das
lachen ist doch wol ein unwilkürlicher ausbruch des gefühls, wie er
beim mahl der frauen inmitten der feinde Kudrun wol überwältigen
konte. Aber erst sorgfältig schliessen zu lassen, dann aufzulachen: das
wäre doch eine wunderbare, ja komische Verbindung von selbstbeher-
schung und sichgeh nlassen. Ganz verständig dagegen erzählt die Über-
lieferung: Kudrun lässt die türe schliessen, dann teilt sie ihren frauen
die künde von der nahen erlösung mit. Natürlich braucht sich 1362
nicht notwendig, wie W. meint, auf 1320 zu beziehen, sondern kann
auch 1318, 4 meinen.
Ä.3b nimt Wiliimntm duraii uiimIohs, t]a»s 131)5 „die IVauoii schon
goaeasen und wncker getrunkeu üabeu" aml 131G ihueii wider schenkon
uiid truchsesseu beHtimt. vmn und speise (gebracht werden. AUerdingN
berichtet 1305 Kwar nioht vom Bitzeii, wol aber vom trinken nach dem
bade. Wie man bei den bauern auf dem SchwajKwalde noch jeit
beobachten kaiin, war es im niittelalteV sitto, bei oder nach dem bado
wein zu trinken, völlig uiibesebadet des trmikes beim folgenden mahle.
Wider etwas andere« ist der nachttruiik 1329, 4, Man kann also unserer
Kudiiindichtung wol grosse ausführlicbkeit in diesem punkte, aber keinfiit
Widerspruch nachsagen.
Im absobnitt Ul behjiiidelt W. den erstuu echten teil, die_WOT-
bung unj^ilde. Auch hier ninit er zwei diclitungen an: in a geben
sich die boti'n üi^tels für kaufleute aus, in b für geScbtete landes-
herreu. Was hier zu h gereclmet wird, bat Möllenhofl' grossonteils als
Interpolation augeseben. Wilmaiins meint ä, i'2, ein interpolatnr k^noe
iiiclit aus freiem antriebe auf den einfull gekommen sein, wnnn er
kaufleute vorfand, siu zu filmten zu machen, am wenigsten im MA.,
wo edle geburt mit bürgerlichem gewerbe unverträglicher schien aU
heute. Aber wenn das kein intorpolator dmfte, wamm durlle os der
^. coutaminator? Hat er doch nach den annahmen von VV. nach sonst
stücke der ursprünglichen dichtung weggßksseu oder v<DIIig durch neu-
gedichtete ersezt. Und nun lässt sich doch sehr wol vorstehen, wk'
ein interpolator dazu kam, die vorgeblichen kaufleute sich üherdiits a1»
vertriebene fürsten bezeichnen zu lassen. Wenn diese selbst iu der
echten dichtung so verschwenderisch, so watt'enknndig auftreten, du«
Hagens hochmütige selbstverblenduiig dazu gehörte, uiu nicht die tAa>
schung zu durchschauen, so reizte ei den interpolator noch mehr, ihnen
ein völlig fürsten massiges benehmen beizulegen. Er verleiht ihucn alio
eine übermässige pralerei, ja den ebenso übermässigen nuerbiutungen
Hagens gegenüber eine solche grobbeit (323 — 3bü), dass es völlig
unbegreiflich wird, wie der wilde Uagen sieb dergleichou gefalKm lassen
kann. Das sieht auch der interpolator, aber er macht die saeho nur
sobliramer, indem er Hagen im stillen klagen lässt: »H7.'
Um so weniger vermochte der interpolator der vcrsuchllBg >n
widerstehen, als er in andern vntführungssagen die Situation vorfimd,
die er in die Kudrundichtung hineintrug: freilieb war sie du mit allem
II Du vriliiiaiinti s 53 »nni. in mnincr pumiihraM und der lidigL'fiJgU-o bemei-
knns dir' klurbeit vermist, su HkRTBctee icli dontlic-hpr 387, I dat un» hie u hon
niht tcot fTtHngfn die Am^ #fne ,dasH wh »pinun ^1's»nf nicht gt-m hflnj'. Dar
liKohmiit der gLitc verleidet •lern 1(i>ui|,'i< iiu<:li ilco gcniihi dur kuiistln^tuiig, dta *t
,1^ «du solclia aiicrkeDt.
ZUR KüDEUN 201
Übrigen in völliger Übereinstimmung, nicht, wie hier, im Widerspruch.
So im gedieht von Ruther, in den erzählungen dei* Thidriksage von
Osantrix cap. 35, von Kodolfr cap. 48. Hier sind immer bestirnte gründe
vorhanden, weshalb die von dem einen könige vertriebenen bei dem
anderen auf gute aufnähme rechnen können. Ferner ist es in der
Rüther- oder Osantrixsage der werbende könig selbst, der sich für
einen seiner leute ausgibt, und sein übermütiges benehmen wird von
dem gegner notgedrungen ertragen; in der Rodolfsage ist der flücht-
ling wirklich ein dienstmann, dann benimt er sich aber auch in der
fremde wirklich als bescheiden schütz suchender.
Nun construiert Wilmanns, dass zur dichtung a nur Frute als
kaufmaun gehört haben könne, während Wate im schiff verborgen lag
(le/teres eine ganz wilkürliche annähme); dass dagegen in b Wate durch
die fechtprobe Hagens gunst, Horand durch seinen gesang sich die
zusage der Hilde gewonnen habe. Mir scheint die fechtprobe ihren
reiz grossenteils einzubusson, wenn Hagen, wie es einem vertriebenen
fürsten gegenüber geboten ist, annehmen muss, dass er einen waffen-
geübten gegner vor sich hat. Was kann ihn danu veranlassen. Wate
belehren zu wollen, wenn nicht etwa latidsmannschaftlicher hochmut?
Der spass, den sich der könig in der überlieferten form davon ver-
spricht, dass der kräftige, aber ungeübte kaufmaun seiner fechtkunst
gegenüber sich vergebens abmühen werde, geht hier völlig verloren.
Ablehnen muss ich auch die von W. 46 vorgeschlagene änderung 365, 4,
wonach bei der fechtprobe sich Wate dem könige überlegen gezeigt
haben solte. W. meint, nur so lasse sich des königs unmut erklären,
welchen er lediglich des anstandes wegen unterdrücke. Schätze ich den
wilden Hagen richtig, so hätte er dies nicht so hingehen lassen: sich
von dem herausgeforderten besiegen zu lassen , wäre für ihn eine schände
gewesen, die er hätte rächen müssen. Aber er durfte es schon übel
nehmen, dass ihm der erwartete spass entgieng, dass er in dem nach
eigner aussage ungeübten gegner einen fechter fand, den er selbst nur
mit vollem kraftaufwand bezwingen konte. Er unterdrückt allerdings
sein misvergnügen „seiner ehre wegen", weil er es unter seiner würde
hält, den fremden, den er für einen mann niedrigen Standes hält, dafür
büssen zu lassen.
Noch auffallender ist es, wenn Horands gesang ihm als vertrie-
benem lehnsfürsten zukommen soll. Wie könte dann Hilde so erstaunt
sein, als sie hört, dass Horand einen herrn habe (401)? Das wäre nur
möglich, wenn sie in völliger abgeschlossenheit vom hofe lebte, wie
dies ähnliche sagen allerdings erzählen und der Verfasser der zuge-
fügten erzählung von Hagens Jugend auch von ihr berichtet (198).
Aber (\&7m stiuji doch wiili^i' iiielit, duas äio mit liüu j'ri>miluu .in» a»
reiten darf.
Bei iler entfOlintug sollen wider zwi'l lieder ereilcbtlicti sein, die
WilmaiiDs s. 71 reconstniiert. Leider bezlelit sich eine stelle dm olnen
liedes auf das andre. IM, 4 {b) heii^^t es von Hageu; er iruoe nu
höhe sine gfrstangc; es ist natürlich diejenige, diti er '147 (a) verlaoj^
hat. Und warum siud a und b zn trennen? „In b kommen der kOuig
nnd seine familio aus freien stückcu auf das schiff der H^golingi*, denn
sie wollen die ansrfistung der reichen ffirsten Mßlieii, in a sind sie &ti
den Strand gekommen, um die waaren xu beschauen, nnd Hilde moss
aufgehoben und gewaltsam auf« schiff geführt werden'* (W, C8 f.),
Konten aber wirklich nirht der_kramladen am strande uud die echift'e
zu gleicher zeit besichtigt werden? Der dichter von str. 442 nimt dies
doch nnbedenklich an, und die Vermutung von Wilmanns, dass die
Strophe vom coutaminator hcrrfihrt, entbehrt jeder begründung.^
Ka wären noch andere vorachlftge m diesem teile des gedicbta üu
besprechen, besonder.^ zahlreiche Umstellungen, neae auslegungen usw.
So soll nach s. 90 str. 252, 1 wir siUn väcren veile wäfcn undc w^
bedeuten „wir wollen den kämpf flbernehmen". Nun kann wol ein
ritter, der etwa um zoll angesprochen wird, um anzuJeuten. das» er
kein zollpßiehtiger katifmaun ist, antworten, er halte vielmehr walTea
und rflbtung feil. Ohne eine solche Voraussetzung kfiunen die worte
nur heissen „wir wollen Waffen und kleider verkaufen": vgl. Flore 32HO
mUte wät die ich ceile vilcre durch gcmn.
Bei den Umstellungen wird fast durchweg nach hiuwegrüumung
eines anstosses ein anderer neu bergestelt. So a. fiO, wo Wilmanns
nach Wilkeus verschlag 351 hiuter 353 stellen will. Aber 353 steht
doch zu Zhi in der deutlichsten beziehung, welche str. ;<51 vJSlIig
durchschueideu würde. Nach s, 63 soll 2!t6 hinter 21)9 treten. Dann
hatten die fremden kaufleut« auf die gewähruog ihrer bitte wftrteti
mfissen, bis der könig ihre gescheuke an seine leute verteilt hütt^.
Nur noch auf ein principielles xugestSndnis s. 64 möchte ich auf-
merksam machen. Von str. 313 sagt Wilmanns: „sie iat so überflQsng,
das8 man schwer begreift, wie jemand dazu kam. sie hinznznfQgeu".
Eben diese Schwierigkeit ist aber in den meisten fSlIen der gnind fOr
Wilmanns, nicht die von MflUenhoff angenommene Interpolation der
überflflasigen , anstßssigeu Strophen anzuerkenuen, sondern contamlnution
KU vermuten. So gut wie er hier und anderwärts ablehnt, doii gnmd
1) Anch ini^ Kntlivr 3J01 ff. hat An apinlmann itua Urincbentunil, der RnUien
gviuahliu eiitfohr»! wül, fisine trtiwt nm Imdo, lockt ftb«r die königin anfs Mtbiff.
ZOB KUDBUN 203
für die fainzufügung einer oder mehrerer Strophen nachzuweisen, darf
man dies wol auch in andern fällen. Sonst könte man ja auch bei
jeder abänderung einer verderbten lesart den nachweis verlangen, wie
die abschreiber zu ihrem fehler kamen. Gewis verstärkt es die Wahr-
scheinlichkeit einer conjectur, wenn der grund der Verderbnis oder der
abänderung ersichtlich gemacht werden kann; aber einen evident rich-
tigen Verbesserungsvorschlag nur in diesem falle anzunehmen, ist doch
wol kein philologischer grundsatz.
In abschnitt IV wendet sich W. den späteren teilen des gedichts
wider zu und sucht eine dritte bearbeitung c als grundlage nachzu-
weisen, in welcher die prophezeihung des schwans an stelle der erken-
nungsscene stand (s. 103), die befreiung bald auf den raub folgte (111),
Ortwin schon auf dem Wülpenwerder mitgestritten hatte (115), der
Mohrenkönig am rachezug teil nahm (116). Wilmanns selbst sieht die
spuren dieser grundlage als schwach an (112). Ich möchte noch auf
den Widerspruch hinweisen , in welchem der strenge, einfache, paralleli-
sierende stil in der verkündigungsscene zu den durchaus modernen Stro-
phen steht, die wie jene zu c gehören sollen (947. 1654 u. a.). Wil-
manns selbst hält s. 164 die stellen von 833 ab, an denen der Mohren-
könig vorkomt, für jung nicht blos in der sage, sondern auch in der
dichtung.
Im V. und längsten abschnitt werden die einzelnen äventiure
durchgenommen, so weit dies noch nicht geschehen ist. Ich kann auf
das einzelne nicht eingehen, da ich keine kritik des Wilmannsscheii
buches schreibe, sondern nur seine contaminationstheorie abzuwehren
suche.
Der VI. abschnitt behandelt die entwickelung der sagen und der
dichtung. Auch für die sage wird eine reihe von Wandlungen ange-
nommen, deren spuren noch in unserem gedichte sichtbar sein sollen.
Wilmanns schliesst aus jedem einzelnen punkte der erzählung, was wol
vorausgegangen sein müste oder folgen solte. Er nimt dabei keine
rucksicht darauf, dass die dichter, welche mit der sage sich beschäf-
tigten, gewis oft vereinzelte punkte abgeändert haben, ohne die conse-
quenzen für die ganze sage durchzuführen. Zuweilen urteilt Wilmanns
auch ohne genügende rucksicht auf die anschauungen der alten zeit.
S. 226 fragt er „wodurch wäre der aufschub der Vermählung (Herwigs
mit Kudrun) motiviert, wenn nicht durch die abneigung des mädchens
gegen den werber?" Die nordischen sagen erzählen oft von einem
solchen aufschub, den nur der wünsch des bräutigams veranlasst, noch
vor der Vermählung etwas zu volbringen, oder ein ähnlicher grund:
s. P.E. Müllers Sagaeubibl. übersezt von Lachmann s. 118 (sage von
20i NABTU
UtOrn Üitdfolakappi: die braut »oll 3 jatir» tvnrUtn), s. itfi (Lasdaila-
saga: ebenso 3 jahie). Vgl. auch bei Lachmaun 9. 199, aoo, Ebenso
irrig scheint mir die betnichtmig von Wilmanns s. 239 anm. „wie ist
ea mögiicli, dass Herwig die goliebta (1262 ff.) in der band ilpr feinde
lasse". Ähnliche bedenken, die man gegen Shakespeares dnimen richten
könte, hat Kümelin treflich zurückgewiesen.
Noch anderes, was ich gegen Wilmanns zu bemerken habe, füge
ich den nachtrügen 7.u meinen amnerkungen ein, welche ich nunmehr
folgen lasse.
Zunächst ist in der einleitung zu meiner ausgäbe hinzuzufügen:
zn s. IV f. Barlfichs ausgäbe erschien in 3. anfl. 1)^73, in 4ter 16BU;
als Schulausgabe ohne anm. 1K75. Von Übersetzungen ist nachzutragen:
K. Barthel, üebersetzung der Kudriin in Nibelungenstrophen in der
„Mitteruachtszeitung" 1839; ferner die Qhersetznng von H. A^nng-
hans, Leipzig {1873], die von G. "L. Klee, Lpz. 1878. Als selbstflndiger«
bearheitungeu nenne ich noch „Gudrun von J, Schöpf* (dialogisiert).
Urixen 1858, 2, auB. IHüb; .„Gudrun, Schauspiel von J. Grosse", 1872
in Weimar aufgeführt; „Gudrun. Uifhtung von Karl Niemaun, MuNk
von Aug. Klughardt", am 2ä. jan. 1882 zu Nenstrelitz nufgefflhrt: end-
lich ^Horand und Hilde. Gedicht von K. ilaumbuch", Leipzig 1878.
Zn s. XXXIII. Die heituat des Ititerolf ist Ostreich nach B. v.
Muth Z- f. d. a. 21, 182 fgg., ^ der Kudrun aber wol Baiern: Scherer
UV. 7. 63, Das durch den reim herljeigeffihrte lob der Schwaben (744, 2)
begegnet auch bei Volrät Z. f. d. a. 6, 497, heim Tanhftaer HMS. 2. 89*.
Keliu ebd. 3. 24'. Törheim (Lohmeyer) s, ;i7 v, 326. Vgl auch die
betracbtung im Wilhelm von Ostreich Z. f. d. a. 1 , 225.
Zu a. XXXV z. 16 lies: oder die stähe (vendir) der Hiadninge.
Von den Schriften über die Kudrunsage ist hervorzuheben G. L. Klee,
Zur Hildesage, Leipzig (diss.) 1873.
Zu s. XXXIX y.. 4 v. n. Die verwantschaft der Uildensage mit der
von Walther und Hitdegund bemerkte schon J. Grimm, Lat, ged. 384 ff.
Zu 8. LI z. 12 V. 0. Die bevorzugung des brnders vor dem brau-
tigam begegnet auch bei Talvj, Volkslieder der Serben (Leipzig 1853)
Zu str. 2, 2 vgL Gedicht von der tmukenheit v, 99 (Qrinim, Alt-
dentsche Wälder 2, 191) den niunden macht sie also rieh, itr geswüer
wol, er half: si'teti kunicrich.
[Zu Str. 4 und 18 behalte ich meine alte erkllrmig. Volksreohto
nnd gedichte unterscheiden zwei stufen der mündigkeit, unvolkommeae
und Tolkommene: a) unvolkommene, nach dem Ssp. „sie sinen järcn
h/mmeH", uormul I4tesjahr, gibt das recht, waffen lu tragen (str. 4)
2Ü& ILUDBÜK 205
und für sich und andere zu brauchen, = kneht, b) volkommene, nach
dem Ssp. „^ere sinen tagen kommen"'^ normal 21te8 jähr, gibt die pflicht,
waflFen für sich und andere zu brauchen. Der mann ist vormuud
seiner frau, der könig vormund der witwen, waisen, unterdrückten etc.
Darum muss er volle mündigkeit haben, darf nicht mehr bloss
knecht sein (str. 18). Diese volle mündigkeit konte auch vor dem
21ten jähre erreicht werden durch den ritterschlag (swertleäe)^ denn
volle mündigkeit ist notwendige eigenschaft des ritters, der mit
den Waffen für sich und andere einstehen muss. Genau hierzu stimt
Gotfrieds bericht über die erziehung des idealritters Tristan; vgl. Nib.
25 und 27 „wäfen tragen"', und damit aufnähme in die geselschaft der
erwachsenen, aber vor der brautwerbung und der ausübung von regie-
rungshandlungen (40) ausdrücklich noch swertleüe 29 — 34. Zacher].
Zu 6, 1: Eiliaen öbersezt weduwelyclcen stoel durch bona quae
mduo vd vidtme post conjt^gis mortem debentur. Vgl. Homeyer, Der
Dreissigste, Berlin (Akad. Abh. 1864) s. 244 anm.
Zu 8, 2 vgl. ßugge MF. 105, 15 loan da^ ich friunden volgen soL
Greg. 1279 volge miner lere = Laurin 320. Der Schlegel v. 96 (Kol.
Cod. 8. 159).
Zu 15, 4 vgl. Lohengrin str. 124 ahi tvie rUerltche ers sit erlöste!
Zu 17, 4 vgl. Bruder Wernher HMS. 2, 234* mit hundert tusent
Ionen giltet.
Zu 18, 1 vgl. Blanschandin (Germ. 14, 51) ist iemen hünec worden,
phligt der niht ritters orden, zware deist niht endelicJi.
Zu 19, 2: über die attraction des pron. rel. s. Benecke zu Iw. 7748.
Zu 20, 3 der armen „bauern": Birlinger Alem. 1, 287.
Zu 26, 1: Tit. 6119 gestapfeit sint die grede mit cristallen ml
ItUer. Am Erlitzbach heisst gredel eine steinlage vor der türe: Peters
And. zum stoffsammeln s. 41. Am Strassburger münster heisst die
Steinterrasse vor dem ostportal bei Closener die grete: Chron. d. deut-
schen Städte IX, glossar. Weinhold, Altn. leben s. 219 erwähnt „die
süddeutsche aus lehm gestampfte ffrede^.
Zu 27 fgg. Kuther 1543 Ich ne weiz war zö der vurste sal, her
ne hette ettewane schal mit vroweden in dem hove sin.
Zu 32,4: Maerlant Alex. 1, 647 ganst „verbindet '^ die wothden
mit goede. 5, 757 dan sullen giereglie Grieken hare wonden met goude
toieken.
Zu 40, 3 : Crestien de Troies, Charette 1662 sor hoens chevax Irots,
Zu 45, 2: Lohengrin 169 da;^ man sin bleip gar äne schäm . . .
diu viirsiinne den künec hat da^ er ez hieze wenden.
Zu 49 vgl. djp liitpinisfilien verse auf ein fest tles j. 1180 HM3.
4, 715 aum.
Zu 54. 3: GrieshaWr. Vaterländisches 381, 2 v. u. : der selbe
tiudf^ böte (Zauberer Simon). MnL Oaterspiel 613 Äc i» lier iiuvd«a
hode {Antichrist). Brandau lig. v. Schröder G93 des t. h. Wackcraagel
Pred. 281. 19 minnchrieve (siud) des i. b. Noch Ickelssmer (bei Wei-
1,'and und Fechner) dann mit dem andern tolicn pf'affm und müncl*
nolck ists offenbarlich am tag daas sie d&t imf'els botfcn und koff-
j/eahtd sein.
Zu 66 vgl. die achilderuug des greifmillugea Tit. 4805 Ig. und di4'
des drachenfluges Siegfiiedolißd 17 fl',
Zu 67, 4 vgl. Flore 248 und Sommer dazu. HMS, 2. 211' durch
wunder ich daz wunder schribc. :i, 278" nu müht man ir ungenäde
schriben. 3. 442 man müht iugent von im Rckriben.
Zu 62, 1 vgl. Sommer zu Flore 1350. Über das weinsn der
heldeo s, Licbtenstein QF. 19, OLXV. J. Bekker, Homer. Bl. *J, 165 fg.
Zu 62, 4: Ghergang aus indirector in directe rede begegnet aucfa
Loliengrin 84. 10. 169, 9 (vom herausgeber nicht bezeichnet). Altnor-
dische beispißle ». Döring, Isl. Saga 31.
Zu Gn, 3 vgl. Üietricbs Flucht 653 samit unverscJtröten; Ilaben-
schlaiiht 93, 6 diu cleider unverschrölen-
Zu 67, 2. 3 schlägt H. Hahn in den tbesen zu seiner diss. Hall«
1878. vor: welch ein swinde vart — reit, mit berufiiug auf Parz. 492, 1.
Nib. 1522, 2.
Zu 73, 3: drei edle Jungfrauen werden ao in der wildnis gefunden
im Friedrich von Sehwaben (vgl. Völundarkv.) : Ühland, Sehr. 1,484.
Zu 98, 2 vgl. Tit. 467, wo auch die kinder laufen und springen,
so dass ihnen kaum ein tier enlrint,
Zu 98, 4: Ebenso wachsen die kinder in der wildnis auf nach der
Schwaurittersage Ältd. Bl. l, i3l. Vgl. auch Heinrich v. Neueustadt,
Apollonins : Schrceders Ap. XXIX.
Zu 99, 2: Muerlant Nat. Bl. oec is daer een wie ghesetim die de
rouwe vische cten.
Zu 99. 4 [„er lernte alles, was er wfinschte, als er nach heendi-
giing seiner bedrflngnis begann zu verstände zu kommen". Zacher).
Zu 101. 1 : Über de» <famalion 8. W. Grimm, Über Freidank 71 ffe.
.I&nicke Z. f d. a. IG, 323. Frauenlob 8. 27 noch süeser denne der Itt,
fiamatjdne. Vgl. Ovid. Met, 15, 411 guod ithÜii animal nutritw •
aura. Solinus 40. 22. Noch Shakespeare Hamlet lU, 2 King. Soi
fares our eousin Hamlet? Hamlet. Exrrtlmt, i' faiih:
tcons dish: I eat fke air, promise - crnuimfd.
ZÜÄ KUDRtK 207
Zu 101 , 3 ist anstatt Saxo 31 zu lesen 87.
Zu 105, 2 [hinter sinne punctum! Nur die kräftigung des körpers
und des geistes ist Wirkung des genossenen gabilün (101), die hier der
Wirkung genossenen Schlangenfleisches gleich gesezt wird. Dagegen ist
die Verleihung der Schönheit eine unmittelbare gäbe Gottes, in welcher
er eben seine meisterschaft zeigt. Myth> 1, 14. Zacher].
Zu 110, 1: könte mit Salme der Solway frith bei Carlisle, also
nicht fern von Cardigan gemeint sein?
Zu 114, 2 vgl. Weinschlund 59 (Z. f. d. a. 7, 407) ichn hän ouch
niht so guot gewant des ich ze füeren in da^ lant deheine fröude möhte
hän. Also bedeutet hier z. 2 „welches die pilger auf ihrer reise an
sich und bei sich hatten^.
Zu 115, 4 vgl. Kobold und wasserbär Waek. LB. 827, 1 ist diu
selbe creäHure gehiure oder ungehiure?
Zu 119, 4: Erec 3365 ich hei^ ein richiu künigin.
Zu 120, 3: iserlant = Iserterre, Clamides reich im Parzival?
Zu 123, 2. Doch vgl. Nib. 1089, 1. Etzel sagt zu Küdeger j^vriunt,
du seit mir sagen"'. Klee Germ. 26, 397 citiert Klage 1731. vriunt
wird ein söhn angeredet Konrad Parton. 6756; der bauer im Arm.
Heinr. 430. Eraclius wird vom kaiser so genant 1110 (QF. L).
Zu 130, 4 vgl. auch Parz. 128, 10 dm volc er sluoc unde vienc.
119, 4 vögele würgn undvahen. Diese lezte stelle zeigt deutlich, dass
die Verbindung dieser werte auch ein ^jotbqov 7cq6t€qov enthalten kann.
Zu 132, 4 schade unde schände sind zahlreiche beispiele nachzu-
tragen: Genesis Fdgr. 2, 44, 25. Eilhard 9186. Lanzelet 116. Eracl. 4633.
Amis 2252. Wigamur 2272. Neidhard 57, 29 ein schade bi der schäm.
Vie du pape Gregoire p. 16 sans honte et sans damage. Noch Leibniz
Un vorgreift. Gedanken 21 Gleichwohl wäre es ewig Schade und Schande.
Zu 139, 3: doch s. Grinmi Gr. 4, 419.
Zu 140, 2 [hinter süenen komma, 3 hinter lande punkt. Zacher].
Zu 157, 3 vgl. Kaiserchronik 373, 18 behangen mit golde.
Zu 159, 1 vgl. Eilh. 1994. 2125. 3061. Dass aber der versöh-
nungskuss altgermanisch ist, wie Lichtenstein p. XXVII sagt, bezweifle
ich. Auch die beispiele, die Gregor von Tours erzählt 5, 2. 39, können
durch christliche sitte veranlasst sein. Im norden küste man bei gruss
und abschied (s. auch zu 284, 1), ob aber auch bei der Versöhnung?
Zu 159, 4 vgl. Nib. 34, 3 ze riter wurden. 1903, 4 hey waz er
im ze vinde der Menen Hiunen gewan. VgL Gramm. 4, 291.
Zu 161, 2: BaUyghan tnde ich allerdings nicht, wohl aber häufig
BaUjf in zusammengesezten Ortsnamen Irlands.
Zu 186, 1 1. under helme?
Zu 188; aucli im Erec 23i;i emiifiliifjt flcr veruiähltL- söhn da«
reich.
Zu 194, 1 vgl Tit. 401*0 hunilert oder m^rc. Christoph 1287.
Zu 196.2 vgl. Trilhemjus Ann. Hiraang, (ed. Mabilloii, S. GalU
1690) 2, 472 non erat ei (Friedrich voü der Pfalz um 1470) mos vd
conaustudo pauperum exurendi domiciHa, seil pccuma reäempta .,
intacta relinquebal.
Zu 1915.3 vorgeta^ne hi wol verderbt; aber etwas befriedigeadefl
iflt dafOr noch nicht vorgeschlagen worden, ungeUene? ungelecie hat
Zweter HMS. 2, 2I7\ HeinKel Tennutßte vogetic
Zu 107,4: Mutter und tochtor heissen beide Hilde; vgl. Trist.
9775 die smliijcn Isöle swo.
Zu 198, 2 vgl. Herzog Friedrich von der Normaudie 1494 ff., wo
die Icöuigätochter ebenfals iu strenger abgenchlossenbeit auferzogen wird.
Vou behüteter Jungfräulichkeit werden ähnliche ausdrücke wie hier
gebraucht in Köckerts Röstern und Suhrab 7, wo Teniina sagt: wem«
du eum Weibe mich begehrst, bin ich dein Weib; nie Mond- nodt
Sonneslrahl berührte diesoi Leib. Von der abgeschlossenheit einer
aussätzigen Hör, Belg. 2, s. 97 Vaer in so lack si sevcn jaer dat tt
noch sonne noch mane ensach. Vgl. ebd. 101.
Zu 199, 1 vgl. Helreid BryuliUdar 6 vor ec vetra tölf .. er K
ungom jfram eipa seldac. HMS. 3, 442* ich was in dem ewetften jän.
Kbd. 3. 216» i".
Zu 203, 2 Hävamäl 64 pd hmm pat finnr er mep fnrcnum Icomr
iit engi er einna hvatastr.
Zu 208, 1 vgl. Haupt zu Erec' 3106.
Zu 212, 3 vgl. Parz. 22, 17 erst für küneges künne prkant.
Zu 230, 2 1. wolle Wate si« gegen Jrlande mit uns der lote (B»,
Zu 240, 2 da^ tuon ich gerne wol; vgl. 261, 2 vli^icliohen wot
Zu 252, 1 Hävam. 40 viipnum oc rdäutn gleäjae.
Zu 254, 3 Laurin 193 davon (vou einem gfirtel) hat er mielf*
manne craft. Ortnit IOC ewelf m. sterke (von einem ringe bewirkt).
Wolfdietrich A 31 fänfeic manne sterke. Titurel 137Ü. 1423 fünfmmm
sterke. Lohengrin 58 ein gürtd der gap im ahte manne sterke.
Zu 257, 3 Friedrich von der Normandio 2255 at skulde thd «f
aar um kring if haftvith vte fipta, them monde kost eij thryta.
Zu 261 , 3 : fiber galride ». Jänicke Z. f. d. s. 15, 163. Die form ist
auch iu das Altnord, äbergegaugen: galeiil. Sie erscheint ausser der
Kudmu und Herzog Ernst nnr iu niedurrheinischen und niederländiBcheo
(juolleii; ebeu dort ist das mlab. ijaldda m hause Dieselbe eodi
zeigt ranl.
2üB KUDBUM 209
Zu 264, 4: Schönbach , Andreas Kurzmann 26 und pinden auch
den paum mit eisen. Beöv. 216 vudu iundenne.
Zu 269, 1: Br. Wernher HMS. 2, 228^ üf dremel wol gedillet stät
gespenget wol (ein haus).
Zu 275, 4 costliche: vgl. 1104, 4. Parz. 750, 30 nach im ist kosten-
lieh min vart. Doch auch listecliehe hätte parallelen: Völs. s. XXVII
peir büa nü ferä sina listuliga.
Zu 280, 4 vgl. Lohengrin 168 swes man da eines an si gert,
der wurdens voüeclichen driu gewert.
Zu 284, 1. In der stelle aus Buodlieb ist figunt zu lesen.
Zu 286, 4: gestaheter eii ist doch wol der auf den richterlichen
stab abgelegte: vgl. den schwur auf das schwort u. ä. So heisst es
Fastnachtsspiele 591 , 13 ir wert . . geloben ain Sicherheit an disem
Stab. Daher der scherz iin Parz. 151, 27.
Zu 288, 4: der Vorwurf unsinniger lüge mag doch auf eine Über-
lieferung gehen, wonach Hagen verächtlich oder hassenswert erschien.
Freilich ist der mehrfache rührende reim lästerliche : tobeliche : geliche
nicht unbedenklich. Auf jeden fall muss (wie schon C. Hofmann vor-
schlug) die vorhergehende zeile näher mit der 4ten verbunden werden:
da^ er herre wcerc; noch besser wäre dann die Verbindung, wenn z. 4
begönne da^ liegents töbeltcJhe. Ein ähnlicher tadel abweichender mei-
nungen begegnet Eraclius einl. v. 60 ich wil wiz,z,en das, si toben die
mir der rede wider sinf. Vgl. auch 0. Zingerle zu Sonnenburg s. 96. Zu
unserer stelle passt ferner besonders gut Alberic von ßesan^on 27 Dicunt
alcun estrobatour quel reis fud filz d^encantatour : mentent fcllon losen-
getour. Vgl. auch Diemer Ged. 86, 12 «m muget ir wcenen da^ ich tobe.
Zu 322, 2 vgl. Kaiserchronik 355, 3 wir hän pröt unde win.
ebd. 54, 22. Eilh. 2616. Morolf 2140. Oswald (EttmüUer) 2241, wo
freilich auch wUtprcete. Lohengrin 187. Gotfr. Lobgesang (Z. f. d. a. 4,
524) 29, 7. Busant 872. Neidhart HMS. 3, 242' sin win und ouch
sin brot da^ wellet ir in vröuden mit im e^^en. Friedrich von der
Normandie 2775 Äaw ßrde met sik viin ok brödh th^ dugher vcel fore
hungirs nödh.
Zu 330, 1 vgl. J. Zingerle, biten und gebieten Germ. 8, 381.
Zu 333, 2 vgl. Eraclius 1953, y^o frauenmäntel lanc tief unde
wU genant werden.
Zu 336, 3 lies anstatt Kudr. 697 vielmehr 767, 1.
Zu 339, 4 vgl. besonders Osw. 2445 diu juncfrowe sttwnt in aller
der gebeer [d]e ais ob e^ die junge kUneginne wcere.
Zu 349, 1 vgl. Walther 29, 24. Nib. 119, 3. Klage 429 da^ ist
.Üre. Fastiiachtsp. 647, 3 das ist der narrenrat mein.
^ PBILOLOOXB. BD. XY. ^^^
210 MABTXH
Zu 354, 4 vgl. MF. 200, 4 man so guoten . . noch so gemetttehen
(als den dichter). Hitter und frauen unterreden sich in schimphe Lohen-
grin 102.
Zu 356, 2 : Erecs knappen führen 2347 fg. ein jeder pangier Uop-
huot und ein kiule tcol besl<igen.
Zu 360, 4 vgl. Wartburgkrieg 1, 8 eUsam ein kemphe er stat.
Zu 361, 1. In einem meisterlied (Germ. 3, 319), worin das wett-
singen mit dem fechten verglichen wird, heisst es: aus seinen scMegen
hindcr mich so tef ich einen Sprung . . wie bald ich wider auf in gang!
Das hin und her springen unterscheidet die französische fechtsdinle
von der deutschen.
Zu 362, 3 viere ^ein paar"^ s. Wackernagel Germ. 17, 122. Benecke
zu Iw. 821. Erich Schmidt QF. 4 s. 79. In dem eben erwähnten meister-
lied sind es bestimte zahlen: drey geng mag ich wol für in tan . . tii
den vier teeren bin ich guot. Eracl. 1318 starker siege viere.
Zu 364, 2 vgl. Eilh. 4036 der koning von zome nedir sag icmI
begundc bunten als ein kole.
Zu 366, 1 ane vride: Eilh. 865 do stünf ez ane sone. VgL aach
vriduz bei Lexer; Maerl. Torec 1544 alle vrede si uuet.
Zu 366. 4 Franken unde Sahsen sind auch bei Konrad Engelh.
702 verbunden. Franken im reim auf danken: Maere vom Feldbaner
Germ. 1, 350 v. 361 : im Spiel von der Auferstehmig Christi (Mona Altd.
Schausp. s. 123) v. 465. Berühmt war die Schlauheit der Sachsen:
Saxones sagaces Dünmiler, Ostfränk. Reich 207 anm. Dagegen schilt
ihr bäurisches wesen W. v. Hildegaersberch 1, 180 Soe ben ic dammer
dan an Sas of ccn Tricsc ruuf van aerde. Vgl. auch Rein. ed. Mono
1, 126 non Sciftha non Saxo sive Suevus ego.
367, 3 lies stcti siz anders Uttcn ?
Zu 384, 3 Petters Audeut. zum Stoffsammeln s. 37 vergleicht den
Lobedauor ausdniek ültcr Handstceilen. den schlesischen (Weinhold 33)
i'dtcr Handsiceile. Im Ackermann aus B<^hmen 30, 6 hat die hs. B tu
einer hanftcihn. die andern in einem handicenden u. ä. Lezterer wen«
dnn^r entspricht handkehrum Stalders Id. 2. 17, bei Hebel kandmmcher.
Zu 3^4. 4 vgl. noch Hartmann 2 Büchl. 558 e man da ein mUe
M*'*hti oerUen,
Zu 386. 4 v£rl. Mai 14, 38 bl dem kinne er si n>. L Bekker,
Homer. Bl. 2, 55.
Zu 3S9 vgl. Reinfrid 22400 die ivgel in deti lüften ^ die vitdbe
In mcres wäge la<etai untrage dem giifteclicken done. Bruder BerthoM
] . öTl. 22 IS. aUih 13) Der vtigcl singet in dem Infte^ dim
ZÜB KüDBÜN 211
getU in dem toalde, die vische flie^ent in dem wäge, wurme Jcrieehent
in der erden.
Zu 397, 3 vgl. Konrads Spott über den Meisner HMS. 2, 334**
in fuorten über^ lebermer der wilden grifen zwene : da lerten under
wegen dorne singen ein s^ene. Dem gesang der Sirenen wird öfter
ähnliche wunderwirkung zugeschrieben wie dem Horands. Morolf lernte
seine weise zu Indean: str. 256.
Zu 405, 3 lies anstatt 933 vielmehr 953. äbenl unde morgen
auch Exodus, Fundgr. 2, 97, 45. Alexander (Massmann) 6818. 7168.
Eraclius 2824.
Zu 406, 3: Über die 12 Meistersinger s. auch XJhland Sehr. 3, 308.
313. Bumeland von Schwaben HMS. 3, 69 zwdf meistersinger mohten
niht volsagen.
Zu 406, 3 ze prise: vgl. Gotf. Tristan 2291 (mcA sanc er wol ze
prise, 3217. 3588. Lohengrin 223 der künde ez, wol ze p. Zweter
HMS. 2, 214** Untriuwe und Schande singent vor ze p. Neidhard HMS.
3, 215' reien wol ze p, Tanhuser HMS. 2, 88^ unt stricke in (den
kränz) wol ze p.
Zu 412, 4 lies swer iuch dar gevuocte: vgl. 704, 2.
Zu 415, 2 vgl Eonrad Schwanritter 380 hei^e ich unde hin.
Hester 1546 da^ Juden heilen unde sin. Eraclius 4487 da^ er keiser
hie^ unde was.
Zu 420, 1 vgl. Wigamur 4167, wo zu lesen ist: die fürsten giengen
aber sä hin dan sundersprächen. do sprach der künec von Vlächen.
Zu 432, 3 vgl. Ortnit 67 j^Ich wil ouch gegen Riu^en^ sprach
der küntc iljas. „e^ näheni vaste dem järe, da^ ich da heime was,
ich scehe gern da heime min wip und ouch min kint^. Ruther 4961
urlof lier z6 deme koninge nam, iz was der herzöge von Meran (der
alte Berchther) nach deme dar heime sin unf dicke weinite.
Zu 435, 4: auf 3 jähre verproviantiert sich auch Ortnit 42. 216.
Zu 436, 2 : Die abschiedsformel got der muo^ dich bewarn be-
gegnet auch Ortnit 544, 3. Vgl. Keinh. 1150 ich wil vam : got müe^
iuch aUe wol bewarn, Walther 90, 2 von dem ich habe die sele, der
nme^ dich bewarn. Noch Gryphius, Geliebte Domrose 2: Ja Gott
bewahre euch, ich muss eilen. Aschenwedel: Nei, es heisst nickt:
Gott bewahre ech; wir müssen vun wos anders mit anander reden.
Wolfram gebraucht beim abschied: got hOete din: Parz. 124, 17. 144, 3.
159, 3. Aber auch bei der anspräche: got holde dich (iucK): Parz. 138,
27. 147, 19. 30.
Zu 453, 2: im Mnl. heisst over wilde haf „über das meer^ im
gegensatz zur fluss- und küstenschiffahrt: Taalk. Bydr. l, 46.
Z'ä 454. 1 TgL AüD. Heinrich 1410 ^' entcegiem wie gMrm
t:: frcuir Eracl 3«:'31. 3916.
Z~ 4^r-. 1. ^ Tgl. Klage 554 pit mam^ redten tmgem. 9ine
',c.'i:€K %i>iii 9iioM*^€n ipflouben BCD daz er Hagen gdorsie begUm.
Zu 474. 1 fstif lo^^endem mH<4e rgl. Haupts anm. zo Erec'4745.
Z_ 47^. ä i. an^mt = vielmehr: hier so viel als (Wilmanns
Zz 4^X 4 TgL Fnndgr. 2. IS. 37 daz mnffen wir KUe ertiden.
Zu 4'». 2: el-ensii irüiiisch Oswald 2857 ker swdker. sU mir goi-
tciliomi-n
Za 4?2. 2: Tit. 124<J Und aiU herg* rem gdde . . da^ gebe »cfc
dir zi syndy, A'oo*': b^'X Ä^V^i rem oiJde \des Witr er in gewerende).
52o5 'jfiliitn Uro*:. Drei Wünsche iWact LB.* ^16. 3» so wil iA
mtuehen zikavii r-.vN o-^iU eineii Qrozen herc. Bosant fOS wereni aOe
bir^. g:Jt. -iiV ir-.wV t>/i itm<:r durch dieh hin: vgL anch 229. HoIEduuui
Hör. Belg. 2 $. 51 Dof all': bergk^n goud^ tcaren en aOe waiers wgn.
Zn 497. 1 : ^l 9j'r**h4':ft an den s^nt ist zn früh enählc: vgL 503.
Zu 501.2 :ru>: -Gr::lg?len:e": vgl, Klage 661: s. Klee Genn. 25, 400.
Z- 5i*.*. 1: Ül»rr icL ^iusge^iehntea gebrauch von Uni s. Wacker-
Li^rl. Lrt«c:isäl:rr 19
Zi 512. 4: hir: lÄlIei '>>.< von Wates mannen: 545. 3 sind fiber-
iiu:: äu: >e::r i-f-r He^rliiigt-L o»>j gefallen.
Zti 51 o. 4 vr'. T::. 4*.*62 d\z Wide {man und ros) lebten, den
was ffOi 'Ji'^Wi\'Jz'h.
Zu 523. 4 Tgl. H. V. Türün Krone 3671 Mai er die rode gewede.
Zu 531. 2 Tgl. Jü!;gere JuJiih .Diemer. Ged. des XL und AML Jh.)
It9. 17 «i-V: z-r mir oibinUi, >' *n7 »Vi iemker *5it.
Zu 5o7. 1 Tgl. uc-ob Heruiskinierec 2 inseien iwe ridders ene
•.rr-tur-'.
Zu 54* . 2 vgl Frirdrioh t. i. Normandie 2633 Ow sfotta firma
Zu 541.3: i^ /.üwis/üf won lei^?: ans dem deutschen ab Lott-
Lt:. Kuhi.5 Zs. 11. 175.
Z: ö4^. 1 : }*ruT': 7u.^ Aihis C* >. Adelheid Langmann 1^17 do
*- d-yi. r"-r^vr>ri,-:-: v:.ii. Für ias nordische bniädrft^. •paOr siehe
•. .rÄs:*T - V.^ .: ji 1
Z- 'bA, i: 3« Hrideni is: eijjeniliob ein rrischenmal.
Zu 5f>; Tgl Wcifiirtneh B 256 sohluss des Hngdietrieh): er
■hji ^tner viAter i^pi.
Zu 562. 4 Tel auch 479. 4
ZÜB SUBBÜN 213
Zu 569, 4 vgl. Gregor. 729 ein herrCy des namen ir tcol gdich.
Zu 581, 1: der Text der Geographie des Rad. v. Ems (diese Zs.
13; 199) hat icaria.
Zu 583, 3: Zweter HMS. 2, 192 stoie scd er an der Mute si, des
schcene stät vür maneges schcene gehrcenet
Zu 587, 1: Auch in Strickers Karl 344 begegnet die form Orme-
niehlant. In historischen quellen (mlat): Mone, Unters, zur HS. s. 31.
Zu 588, 1 : die nordische form Sigrltnnr spricht für germ. nj).
Zu 596, 4: vor 439, 4 ist einzuschalten 81, 4. 116, 4. 330, 4. Im
cäsurreim erscheint spise : tvise I131i
Zu 598, 4 : über die bezeichnung gemischter gefühle s. Lichten-
stein zu Eilhard CLXXIV.
Zu 610 vgl. Lohengrin 33 ein hoher gräve der warp umbe ir
minne. sie sprach „icÄ wände da^ min vater iuwer herre wcsre. LAcifer
der het iuwer muot, da von er viel, als ir vü lihte selbe tuot^.
Zu 611, 3 minem herren = „vater": zu 777, 4. Etwas anders
Ort. 217, 1 vaier tmde herre! 72, 2 vater unde herre, man unde
kindelin,
»
Zu 619, 3 ist zu lesen: hetumngen mit swtere? vgl. zu MF. s. 233.
Zu 623, 4 vgl. Wackernagel, Poetik 393. Ein unzweifelhaft ge-
suchtes Wortspiel bietet der Tit. 4639 so waer von Kumberlande ium-
hers fri vor im der kronebaere; vgl. auch 4650, 4.
Zu 637 über rücke s. Lachmann, Kl. Sehr. 1, 173.
Zu 637, 3 vgl. Kummer, Erlauer Spiele XVlI ; wozu Z. f. d. a. 8,
382 noch einige beispiele bietet. Dieser gebrauch des inf anstatt des
part., der sich für die verba praeterito - praesentia im Nhd. aus den
älteren starken participialformen erklärt, ist besonders im Niederrhei-
nischen und Niederländischen verbreitet. Beinaert 11 3699 als wi nu
hebben hören spreken; vgl. 4177. Volksbuch von ßeinaert s. 98 tote
my hadde leeren deylen.
Zu 639, 3 vgl. Ben. X, 1194 Gonmanda la bare en sus trere
^den schlagbaum aufziehn, um jemand in eine bürg einzulassen".
Zu 641, 3. 4: auch Heinrich v. Türlin Krone 2208 fg. unterscheidet
Galois und Walois: jener völkemame bezeichnet Parzival, dieser
Kalogreant.
Zu 643, 1 : Der eddische Spruch begegnet zwar nur in papierhss.,
wird aber bestätigt durch Völs. s. XXI Berst heldr vid üvini pina en
pü ser brendr. Andere altn. stellen bei Heinzel, Saga s. 41. Vgl. Parz.
356, 11 veltstrUs sol uns doch baz gejsemen dan da^ se tms üg der
märe nemen.
Zu 644, 3 vgl. Walther 89, 17 owi der ougenweide!
214 MABTIN
Zu 644, 4: Eindh. Jesu 1523 werhaft alse biderbe Uute.
Zu 645, 3 vgl. Yeldeke En. 6413 lumus dede onrechte.
Zn 649, 2: Übeles Weib 240 salde diu ist sinewd und waUet
umbe als ein rat Spervogelsche spräche im anhang zu Freidank 8
(Müllenhoff Sprachproben* 113) Gdukke die sint sinewel.
Zu 651, 4 vgl. Klage 390 min allerbeste^ künne.
Zu 652, 2: gewafiiet vor die frauen zu treten ist gegen die euht.
Haupt zu Erec* 8966. Zamcke, Gato s. 132, Tisehzucht v. 138 so sdUu
niht für frauwen gän gestcertot.
Zu 656, 3 : über lihte als Standesbezeichnung s. auch Bech Germ.
7, 86.
Zu 657, 4: Bock QF. 27 s. 20 begründet Vollmers lesart holder
danne ich uxere tu deliein maget die ir ie gesähet. Wenn er aber aus
der handschriftlichen Überlieferung toeib magi das erste wort vorzieht»
weil maget wol, aber nicht toip glossem sein könte, so ist vielmehr
zu beachten, dass der Schreiber der Eudrun öfters nach gntdfinken
einen satz weiterführte und erst nachträglich die lesart der vorläge
hinzufugte: 226, 1 es ist mir vil tcol gesait erkant, 532, 3 sam es ein
regen tet ioäre. 547, 2 manig frowe wayse; vgl. ferner 287, 3 sein unäe
wesen, wo ein überflüssiges und hinzugekonmien ist, 606,4. 747,2.
882, 2. 1029, 3. 1094, 3. 1122, 3. 1155, 1. 1158, 3, wo wegen des wil-
kürlich gewählten tretce das richtige eide weggefallen ist, 1644, 1, wo
geßeget zugesezt ist, 1674, 1. Einige der angeführten f&Ue hat auch
Bartsch irrig als glosseme aufgefasst: Uerm. 10, 51 fg. Zu uiserer
stelle vgl. auch Hausen MF. 54, 30 sU daz ich im holder bin danne
in al der fcerlte ie frauwe eitlem tnan.
Zu 663: 1^ ist überflüssig nach 653, 1. Dass Hetel abwesend
sein soll, erscheint nach 659 sonderbar.
Zu 670, 2 : die stelle aus Strickers Karl entspricht dem Rolands-
lied 5, 32 die lant ItestHnten aller meist l<erc.
Zu 673. 3 vgl. Mone Schauspiele 2, 52 (Redentiner Osterspiel v.
513 fg.'i tce is desse ureldcftere de dus kämet airepide here oft dai al
de fccrlde S9fn egetie $y? Thid. s. liS9 rida skulu peir mega # friäi um
alla verold.
Zu 674, 4 vgl. buggean ferahn Hei. 309. vulnera mereri Tac
Genn. 14.
Zu 680. 1: rromce gebraucht Gernot Kriemhild gegenüber Nib.
1050, 2. Siegfried gegen seine mutter Nib. 62, 3: beides in interpo-
lierten Strophen. Die mutter wird so von der tochter angeredet "inilolL
148, 19, vom söhne 161, 11. m%u>ter unde froufce Ortn. 71, 1. 74» 1 v. 0.
Zu 692, 3 lies: bezeichnet hier nur — .
ZUR KUBRÜN 215
Zu 695, 2 : ituri in prodia canunt Tac. Germ. 3. Vgl. Müllenhoff,
de poesi chorica s. 23.
Zu 706, 3*: als dftö i^oivod aufzufassen: Haupt zu Erec^ 393.
Zu 711, 4 vgl. Tit 4200 die dicke machte er dünne. Lohengrin
692 die dicke rüme, 166 die enge rümet.
Zu 725, 3 vgl. Lohengrin 53 swar ich ze stürmen quam oder
in strUen.
Zu 744, 3: richtiger interpungiert Wilmanns s. 156.
Zu 754, 4: tilge Das — versprechen.
Zu 757 vgl Crestien Perc. 7936 ains me lairoie trestoute vive
destrender: andere afr. beispiele bei I. Bekker, Homer. Bl. 2, 70. Bruder
Berthold 1, 27, 19 Und wcere ez din eigen bruoder, du sottest in e ze
tüsent stücken lä^en sniden (als für ihn einen falschen eid schwören).
Zu 763, 4 bemerkt Wilmanns s. 184 „das Schreckliche soll man
nicht aussprechen", und vergleicht 1363, 1. Aber hier heisst Ludwig
Gerlind schweigen, weil er erst selbst sich von der gefahr überzeugen
will, ehe er weiteres anordnet. Was an unserer stelle gemeint ist,
bleibt unklar und die richtige Überlieferung zweifelhaft.
Zu 767, 2 soll es heissen schenken man in hie^ . . vor den mceren.
Zu 775,4: Wolfr. Will. 261, 20 da si den heiden schänden.
Zu 782, 4 8. B^tzer, Zur Gesch. des deutschen Kriegswesens
(Strassb. Diss.) Leipz. 1877 § 11.
Zu 790, 4: laststeine hat auch die Überlieferung bei Eilhard 8619.
Zu 801, 3: der attributive genitiv scheint mir doch bedenklich und
die Änderung minnecUche sehr naheliegend. Etwas anderes ist Nib.
352, 2 ir pmcfrouwen dri^ic meide.
Zu 805, 1 vgl. 2 Büchl. 659 stcie uns scheiden driu lant. Etwas
abweichend Parz. 744, 5 durch vier künecriche, und wider Osw. 2167
swenn er ez (das hom) erschalte creflidiche, so horte man e^ in dem
dritten kwnicriche.
Zu 808, 1 lies : erzählung von den gefallenen rittern Hetels.
Zu 825, 4 vgl. M. V. Craon 1749 fro gesetze.
Zu 862, 1 vgl. Veldeke En. 7159 doe wart da begonnen ein sper-
tcessel vde grot.
Zu 863: Saxo (Müller) s. 118 Hotherus tunica ferrum spemente
succindus. Ebd. 122. 179.
Zu 875, 1 : Solche rhetorische fragen begegnen besonders in der
geistlichen dichtung des 12. jahrh., daher sie auch E. Schröder QF. 44, 28
aus der predigt ableitet: Exodus (Diemer) 155, 23 une moht in immir
wirs geschehen? Friedberger Christ MSD.* s. 78 wi motiher immer wirs
gsätm? Bolandslied 56, 25 wie maechte iz da wunnechlicher ^n?
216 XASTTN
Anegeiige (s. QP. 4-k, 28). Doch auch Morolf 774, 5 tcie mocMen $i
kuoner sin gewesen? Eilhanl vgl. QF. 19, CLXXVIII. Selbst noch Erec
2869 wie möht e^ ha^ zU sin? Stricker in Pfeiffers Obongsbuch s. 31
V. 48 tvie mähte er immer richer shi?
Zu 888, 1 möchte ich die annierkuug so fassen: nH>rt stm. und
n. ist an sich „widerrechtliche tötung^, naturlich das recht im sinne
der altor- und volkstümlichen anschauung genommen, wonach die offene
tötung eines feindes etvas durchaus berechtigtes war. Was Herwig
meint, wird durch die nächsten zeilcn erläutert: das blinde morden,
welches auch der freunde nicht schont.
Zu 888, 4: Tit. 2925 üz drizigen niht der dritte kumt nimmer
hin. 3575 si hringefit niht den dritten von Plenanze. 4272 Er brähfe
niht den dritten, Ludwigs Kreuzfahrt 2132 ir quam der drt^igisie
niht hin; 5931.
Zu 893, 2: eine schwierige stelle. Wie 1348, 4, so legt man sich
auch sonst mit dem haupt in die schilde, um still zu schlafen : Beinout
261 leiden hacr hooft in hure scilde ende sliepen; vgl. Heemskinderen
49. Allein hier muss es sich um die oft, auch in historischen quellen
erwähnte kriegslist handeln, den feind durch lärm und hello fener
glauben zu machen, man wolle dem Schlachtfeld nahe bleiben, während
doch ein entweichen oder ein nächtlicher angriiT von anderer Seite her
beabsichtigt ist. Lezteres ist der fall Ruther 2684 fgg. Der lierzoge v(m
Merän hie^ Dieteriches man vUzeelkhe wachen unde großen schal
machen . . Dieterich . . der reit umme die hcideiischaft. Zu unserer
stelle und zu str. 894 gibt ein seitenstilck die erzählung W. Scotts,
Tales of a grandfather 1, 9 Tlic Scofs army kindlvd grcat fires througk
their encampmvnt and made a noise and shouting and hlowing of homs
as if they meant to rrmain all night there as heforc. Ein geschicht-
liches beispiel s. Winckelmaiin, König Philipp s. 328. Steht also in
unserer Strophe z. 1** und 2' in Widerspruch mit dem folgenden, so muss
die Verderbnis in jenen halbzeilen gefunden werden. Aber wie ist zn
ändern? na Icgd iuch niht zttal itcer houhet üf die sehilde. »»
hahet usw.?
Zu 011, 2. Zu den von J. Grimm und Jänicke gesammelten
stellen fuge hinzu Eneit 0455 sl. bclcvcn onbegraven. si äten krän ende
raren, wun ende gire end ander ondirrc, die si den soldeft. Eilhard
6046 den rogclin wart da ire sjnse uf lange Sit gegeben. Titurel 3823
Da lac so vil der toten den raben ze einer spise.
Zu 916 vgl. Titurel 5852. 5862 , wonach an einer begrUbni
ein kUster und ein spitid gebaut werden.
ZCB KÜDBÜN 217
Zu 925, 2 vgl. Rol. 296, 18 Ter kaiser antwurt ir sä „liebiu,
liebiu Alda, ich netar nicht lieg in . . laider dune gesest. in
niemir.
Zu 940, 3 vgl. Klage 320 vil maneger riche weise.
Zu 956, 1 s. Langguth Ava 20, wo aus Hesler eine ausdruckliche
bestätigung dafür beigebracht wird, dass vrie als flickwort dient.
Zu 959, 1 vgl. Valentin Boltz (Wackernagel LB. 2» 145, 18) 0 wce
du tviester grimmer todt, es ist nit zyt^ laß mich on nodt.
Zu 961, 3 vgl. Riither 1812 hundert megede lossam die volgeden
ir swären, alle valehere (1. valehäre).
Zu 970, 2 vgl. Lohengrin 77 daz, sich ir aller vreude begunde
riehen.
Zu 986, 3: über den conjunctiv nach dem comparativ s. Bock
QF. 27, s. 7.
Zu 990, 1 vgl. Hartmanns Greg. 381 und tröste si harte wol als
nian den frii^nt nach leide sol da^ nieman erwenden Ttan,
Zu z. 3 vgl. Oswald 2333 da^ habe üf al min ere.
Zu 996, 4 vgl. Wackernagel Z. f. d. a. 6, 140. Daher in den
parodien des minnesangs: Winterfreuden mit einer Stuhenheizerin Stalin
Wirtemb. Gesch. 3, 759. Vgl. die topicka des Tkadleßek in der Parodie
des Ackermanns von Böhmen.
Zu 1011, 2 vgl. Nib. 1046, 1. 2 Sus sa^ si nach ir leidCy da:^ ist
alwär, nach ir mannes tode tool vierdhalp jär. Gfutrünarkv. 2, 14 Sat
ec mep poro sjau misseri.
Zu 1015, 2: diu alte tvülpin wird eine böse schwieger auch genant
im König von Reussen (Pfeiffer, Mai) s. XII. XIV.
Zu 1017, 2 vgl. Neidhard 78, 1 solher vlüste hän ich her geseilt
wol driz,ic jär; vgl. 67, 14. Marner (Strauchs ausg.) XII, 18 tvie
stät e^ über drizic jär? Georg 4345. 5733. Heidin 1009. Titurel 6053.
Zu 1018, 1 vgl. Rol. 1, 24 ie ba^ unde ba^. Br. Wernher HMS.
3, 15^ ie lenger ie ba^ unde baz,, Reinh. F. 754. Jüdel 103.
Zu 1021,3: über die siebenjährige frist s. ühland Sehr. 4,
166. 7 jähre ist Salme in Pharaos besitz: Morolf 929 (Vogt CLVI).
Vgl. die Heidin (Bartsch Md. Ged.) 595. In der Schwanrittersage (Altd.
Bl.) 1, 131 ^söben ganczen j/ner'^ leidet die junge frau. S. auch Grimms
Märchen 3^ s. 84. 154 Wie in den Nibelungen 1327, so rächt sich
auch ThS. 359 Grimhild nach sieben jaliren. Sprichwörtlich MF. 67, 3
Ich lebt e mit unge^nache siben jär.
Zu 1030, 3 vgl. Eilh. 4299 da^ im wart gesprochen manch
lasUr in dem lande. Wolfdietrich A 127, 4 fg. swenn ez, (die aussetzung
iAo) (2ti» weit gefreischety so bist du der liute spot Und bist
218 luiiTix
auch eetnem hünege Immer m^e enwiht. Seghelyn 5536 %. sondt men
ons daerom ontliven, sttJc soudcn sprcJcen die nu swiijhen tta den rechten
van dm lande.
Zn 1033, 3 vgl. Wigaraur 5126 fg. äne man wdlt ich immer sin
p da^ ich wurde Sin wip. mtnem vater nam er den tip ... er wwre
»»n gar vil richer geschol (Rudr. 1406), ob ich haie mannea lip.
Vgl. anch Parz. 414, 14.
Zu 1036, 2 vgl. Nib. 1730, 2 swa^ im da von geachtht, da% itt
mir vil tinmare.
Zu z. 4 vgl. Wolfr. Willeh. 380, fi stocr daz suocht, da^ van-
der, ein puneis stach, der ander stich. Parz. 593,26 auch sol «fn
suochen vinden. Wigamur 3714 er vindet da^ er saochei. 6228 des si
beide gerlen da^ heten si gevunden. Oswald 2807 st wurden beidenl-
halp geteert alles des ir herze gert. Maerlant Torec J569 die didheit
soect, vintse onlanc. Jßngeres Hildebrandslied (Waek. LB. 1* 1424, 3)
wes sie begerien forten, des wurden si gewert. Aber auch in freund-
lichem sinne: Georg 1708 ir vindet an mir swes ir gert (gaBtfreund-
ßchaft). Stofl'eln (Germ. 6, 396) der vant daz er da suoeJUe (bewirtung).
Röinfried 21628 ir vtndetit swae ir sttochent. Lohengrin 237 dae er
suocht dae cander (in der brautnacht). Ist die redensart parodie tob
Ev. Mathaei 7, 7 Quaerite et invenietis?
Zu 1089, 1 : die form Holtseten gebraucht Hermann (von) der
Damen HMS. 3, 170".
Zu 1096, 4: Vogelbeize als vergnügen der Jugend in Ulrich, Lanz.
466 (ein junkherre). Huon 336 Gerars li menres rejiaisi un esprevier.
Lohengrin 177 beizen vater und söhn. Als vergnügen der alten; Erec
2032 fg. Doch auch der eben verheiratete Tristan beizt: Eilh. 7196.
Zu 1101, 4: die 60000 Diannon Hildens mit den 20000 Ortwina
(1100, 3) ergeben zusammen die öfters erwähnten 80000. Eine andere
zählang 1120.
Zu 1109, 2: über glockenspise s. Schßnbacb Kurzmaun 27.
Zu z. 3 vgl. M. V. Oraon 680 sin anker wären messinc
Zu 1117, 4 vgl. M. Y. Craon 760 sine mamtere die sungen unde
ruoten.
Zu 1119. 4: Kftaigsfaoven (Regel Chr. d. d. St 1. 338) das ghiff
im oueh zuo kanden. Trimnnitas (Kömer« Volksl s. 76) auch /»ej und
leid ffieng im euo hand.
Zu 1126,3: gegen C. Hofmanns ansieht über das Lebermeer a,
MüIlenhofT, Alterthumsk. 420 anm.
Zu 1128: (iber das tcazzermeere s. Uhland Sehr. .S. 338 aam. 273.
ZÜB KÜDBUN 219
1129, 2 1. vliezen; vgl. Tit. 2950 der grie^ ist edd gestetne swä
dm wa^er vliezen t
Zu 1138, 1 ach ach s. zu MSD. XXXII, 1, 45. QF. 35, 16. Vgl.
auch Kindh. Jesu (QP. 43) 660. 930.
Zu 1141 vgl. auch Otfrid 5, 25, 5 then segal nitharläean.
Zu 1154 fg. Im Morolf kundschaftet Salman nach seinem weib:
384 fgg.
Zu 1154,3: Amis 526 ehint von vater und von muoter.
Zu 1155, 2: Henneberger HMS. 3, 39^ ich hoere sagen und ist
war: man sol durch vriunde sterben unde genesen. Merswin Neun
Felsen s. 133 sterben noch genesen. Lievl. Chron. 554.
Zu 1185, 1 vgl. Genesis Fdgr. 2, 19, 1 da§ leii gieng ir zuo.
Georg 4395 so gel dir vreude zuo = Ortnit 507, 3** {im).
Zu 1220: Walewein 1425 ende omboot hem goeden dach . . Die
cnape seide j^god lone u, here! Goet dach ne wert mi nemmermere;
ic bem den goeden daghe ontgaen^.
Zu 1225, 1: Wolfdietrich B 621 din lant si dir smlic. De Bo,
Westvlam. Idiot. Zdlig somuylen gebruikt voor rampzalig, eUendig:
dat z. proces kan nag lang aanslqpen. So sagen wir auch ablehnend
ironisch „danke". Ähnlich wird aivm und bei Virgil laudare für
ablehnen gebraucht.
Zu 1247, 3 lies: anders aufzufassen ist 1487, 3 so (dagegen) bin
ich Herunc.
1254, 4 stelt Klee mit recht das handschriftlich überlieferte nemen
wider her.
Zu 1259, 1 vgl. Eilhard 6679 wä tut ir hen üwem sin? Crescentia
(Ges. Abent. 1, 138) v. 125 war tuostu herre, dinen sin? Eraclius 2944.
2987. Z. f. d. a. 7 Beisp. X, 70.
Zu 1263, 3 vgl. W. Grimm, Über Freidank s. 68. Stricker Karl
880 diu boeste noch diu beste. Amis 914; vgl. auch Bartsch zu
Karl XLVm. Georg 4286.
Zu 1263, 4 vgl. Sommer zu Flore 2730. Tschechisches Volkslied
(Erben FisnS 155) komu ste nds poruöüa.
Zu 1283, 3 vgl. Friedrich v. d. Normandie 2053 jak skal idher
da a idhra hwdh ok göra swa at man ma se her idhart blodh.
Zu 1290, 1 vgl. Thidr. S. 160 segiä satt ok liugid eigi.
Zu 1292, 1: dem boten ist auffällig, da zwei boten gekommen
sind. Vgl. aber auch 816, 1 Er sprach.
Zu 1300, 4: Wolfr. Willeh. 289, 29 seht wiech bin erzogen.
HMS. 3, 222* sich wie uns her NUhart hat erzogen. König von Reussen
(Mai ¥• Pfeiffer) s. XL
'J2() MABTUI
Zu 1316, 2 Vgl. Parz. 581, 11 Arnive diu alte gebot mit ir gewcUte
dati ir mhnniu riefe, die tvUe der heÜ sliefe, also = laut spräche-
Vgl. Parz. 160, 27.
Vax i:uh, 4: Ober das lachen der Schadenfreude s. ühland Sehr.
1, \VM\ Hahn, Sagwissonschaftl Studien 373 vergleicht Odyss. 18, 163
(Ponolo])(0 r^^^^'oi' {V fyikaae. Zu unserer stelle passt besonders Rüther
:J875, wo auch das hieben der entführten, welche befreiung hoft, ver-
ilaoht orweokt.
ia22, 4: ansprechend ist Klees Vermutung, dass van ir vriunden
atis z. 2 widorholt ist; der vors lautet dann da^ du ihi verliesest beidiu
dt^ii lip Miirf ouch die fVr.
Zu inai Vgl Völs. s. XXYIII BrynliUdr ak Ounnarr sätu vid
5ilrwi/fiM^ ok df^fA'H g()it vin, — Der reim ^est : herest ist in den
I^HÜchtou dos 12. jahrh. nicht selten. Vgl. auch Lucifer und Jesus
^v. d. Hag. OornK 9) w 25%'> an dem akten tage vergoß er erest sin Unat
aller h^riit. Kud. v. Kms, vorrede zum Buch der Könige 61 (Mass-
mauu, Kaiserchr H. 184).
Zu l»a%S. 1 vgl Maerhmt Torec 754 (/c) sal van Tartdte scriven
i\tr# Iks fßi nikA niW cnhebt gekört. Ebenso am scUoss des X. ab-
s^rhnittj^ 2244 j%V
Zu i;^4i^. 1 vgl Hdvaniil 153 brmnrni srd brtiit {Icfiy
Zu i:i60 vgl, die Warnung des wicht<^rs Osw. 2079.
Zu i:^6t%: nur teich<>skopie vjrl Thidr. s. 200. wo die scUUe anf-
g^4ÜiU w^rd«u^ und die i<li$ehau ebd. $28.
Ku l.^T2. 1 Tgl. Samsin QF. ;^\ lO. Der Walküramane Snm-
hrffr b^^i^ijgt den v^Ji^i^^b ak ahg^rmaiiisieh.
F,« l,^7.\ i Tgl. TRv fll:i^ Wtf «vttm.
7.ti U^TT, 4 Tjrl ^jv^ker rfwff«^ Cbo&gsha^ 5^. 53, t tS'i Der
A^ r^'m hffr^rm U^^ d^r wunvz /hmkA himrv «ywm. Xesssttafiseh:
^•U^i^ T^^n Ka$): \>r?ikJ::^ :^ ^> v K^un I äfCtf Tts m yiiwra fv
riß- rm **^
Jx l,<i^\. ^ ^rl Tit. >J4^1 i/ «'/"•^ mmk 3ter a^p^mm nf utr.
y.irr tTÄCf ':*a'*4 vcl Ra/oil w Ourtvra: *. aJ^ r*^- ns- ,-*< i
2T7R KüDBXm 221
getan mir nicht zu sagen) wer du bist und was dich antreibt mich
herauszufordern" ironisch = „du hättest besser getan mich nicht
herauszufordern". Zu Uhte vgl. besonders Wackernagel Kl. Sehr. 1 , 309
anm. 16. Der vergleich begegnet wesentlich in späteren quellen.
Zu 1441 : dass gegenwart der frauen die kämpfer zur höchsten
tapferkeit entflamt, ist altgermanisch: vgl. Tac. Germ. 7 (gegen Wil-
manns s. 196).
Zu 1455, 3 vgl. Ulrich Lanz. 154 Si ahten deine da toider da^
man si warf unde scho^.
Zu 1463 vgl. Aegidius (Z. f. d. a. 21) 1132 tote gerne ich under
die erden vüre oh ich mohte. Unser Frauen Klage (Z. f. d. a. 1, 37)
117 dat si fluen ob si mohtin undir die erde, Edolanz (Altd. Bl. 2, 151)
117 si sint tot, si h^ten danne gevider da^ si oben ü^ flugen, Crestien
Chev. au lyon 1110 fgg. que ceam n^a huis ne fenestre, Par ou riens
nule s^an alast, Se ce n^ert oisiaa: qui volast, Ou escuriax ou cisemus
Ou beste ausi petite ou plus. Bestem und Suhrab von Rückert abschnitt
106: Doch sei ein Fisch im Meer, ein Vogel in der Luft, Die Räch'
ereilet dich, wo ich lieg' in der Gruft.
Zu 1476, 1 vgl. Flore 7152 der vil ungemuote zage (der admi-
ral, welcher die wehrlosen kinder erschlagen will).
Zu 1476, 1: verwante eines Verbrechers mitbestraft: Reinaert 2538
aXle die hem ten tiende Jede syn belanc, suUent becopen. Ghaucer, Troy-
lus and Chryseide 1, 13, 6 And sayden thai he and alle his kyn atoones
Ben worthy for to brennen alle fei and bones.
Zu 1491, 3: Apollonius von Tyrland bei Schröder XXXIII pider-
man er nie wart wer sein veint lange spart.
Zu 1538: sol^atenleichen ins wasser geworfen: Germ. 17, 215.
Auf dem ersten kreuzzuge: Henning, Nibelungenstudien 49.
Zu 1621, 4: undertän ist die geliebte MF. 16, 2. Gesam. Abent.
XXXV, 499. Der mann MF. 43, 5. 51, 24; vgl. PB. 2, 394 fg.
Zu Tit. 4863 den west er in der unse da^ er in entsag.
Zu 1642, 4: geben unde Wien erscheint verbunden auch Klage
der Kunst HMS. 2, 336*. 337*. Kaiserchronik 495, 19. Spervogel MF.
25, 29. Osw. 2063 Z. w. jf. Stricker Frass Wack. LB. 811, 1 u. ö.
Zu 1644, 1 1. anstatt „grammatisch falsch" vielmehr „eine jün-
gere form".
Zu 1664, 3 vgl. QF. 35, 11. 31. Partonopier 8648. Noch Wick-
ram, Goldfaden ir goltfarbes har . . ein gespunnen türkisch gold.
Zu 1675, 1 vgl. Nib. 42, 4 und besonders Gerbers Perceval (Pot-
vin 6, 204) Et quant assee orent jue Bien sont li menestrel loe : Car
taut vaUet et chevallier 8e penoient de despoiUier Et de doner lor
paremenii Cotes aorcoe et reu&es vaires . . . Tela i vint pauvrcs et mendis
Qui fu riches de graiti avoir.
Zu 1678, 'A vgl. Parz. ää, 16 swie verwüestet vkbt s^n lant, doch
künde Gahmuretes kant stoenken sölher gäbe solt als ai die hohtme
trüegen gdt.
Zu 1685. 4 ?gl. Burcard Waldis (Wackernagel LB. 2, 164, 29}
das er seins guts ein Ilerre sey. Walewein 10257 Bi jk hen ic mytu
go^ here. Seghelyn 1197 dats al dat goet daer ic af ben heer.
Äla die vorliegenden bemerktiugen bereits zum druck ahgeaant
waren, kam mir die abhandlung von B. Symons, Zur Kudrun (Paul
und Braune, Beitr. 9, I^IOO) vor äugen. Auf s. 9 wird mit recht
bemerkt, dass ich in der eiuleitung zu metner grösseren ausgäbe s. XXI
unter den fallen, iu nelcheu die Satzverbindung von einer strophe zur
andern übergeht, auch str. 73. 74; 274. 275: 1326. 1327 hätte nennen
STBA88BURO, 9. NOVEMBER 1882.
E. MARTIN.
t
ZUR KENTNIS DER ALEXANDERSAGE
IM MITTELALTER.
Es ist in mehr als einer beziehnng von grosser Wichtigkeit, sn
wissen, wie weit sich die kentnis der Alexandersage im mittelalter
erstreckte und worauf sie beruhte. Die frage ist eine ausseiordentlicli
verwickelte und eine annähernd sichere beantwortung wird noch lauge
auf sich warteu lassen, da unsere bilfsmiltel noch gar zu unsichere aind.
Das bauptwerk, die Historia de preliis Alexandri Magni, jene bearbei-
tung des Paendokallistbenes durch den arcbipresbyter Leo aus der mitte
des 10. Jahrhunderts, ist noch immer nicht herausgegeben, und i>s wird
auch einer dnzelnen ausgäbe schwer gelingen, ein klares bilil von den
vielfachen text^estaltungen zu geben, welche das werk im laufe von
etwa fünf Jahrhunderten durchgemacht hat Nicht nur im einzelnen hat
jeder abschreiber den Wortlaut des teites wilkQrlich verändert, soudem
die Anordnung des ganzen hat wol mehr als bei irgend eiuem andern
werke jener xeit die freiest« Umgestaltung erfahren. Die hauptsftcb-
lichsten im einzelnen festzustellen, die handschriften und drucke dem-
gemäsa zu gnippiereu, wird die vomebmlicb^te arbeit des herausgebers
sein. Wichtiger aber ist es, dem ursprünglichen werke Leos uahe zu
ZÜB ALBXAHDBBSAOE 223
t
kommen, fals uns das original wirklich verloren sein solte. Da ist es
denn unumgänglich, auf den griechischen grundtext zurück zu gehen,
aus welchem Leo übersezt hat. Hier sind wir aber widerum nicht
weniger Übel daran, denn „der griechische text des sogenanten Pseudo-
kallisthenes ist nur in sehr mangelhafter Überlieferung auf uns gekom-
men. Von seinen nachweislich noch vorhandenen zwölf handschriften
scheint nur eine einzige die Pariser nr. 1711, noch die älteste, die alexan-
drinische textgestalt, und auch sie nicht mehr in ursprünglicher fassung
darzubieten. Alle übrigen gewähren — soweit sich aus den freilich
meist nur spärlichen über sie vorhandenen nachrichten erkennen lässt,
entweder eine zweite jüngere und mannigfach veränderte, wahrscheinlich
in Griechenland entstandene, oder gar eine dritte, noch jüngere, durch
andrangen^ auslassungen und zusätze noch mehr entstelte recension^
(Zacher, Julii Valerii epitome Halle 1867 p. HI). Die sache wäre ein-
fach, wenn dieHistoria auf eine dieser recensionen zurückgienge. Aber
„der griechische von Leo aus Konstantinopel mitgebrachte text gehörte
zwar noch zur älteren alexandrinischen recension des Pseudokallisthenes,
hatte aber einerseits doch schon manche einbusse durch auslassungen
und ändrungen erfahren, und andrerseits auch schon manche zusätze
von bestandteilen der jüngeren recension aufgenommen^ (Zacher, Pseudo-
kallisthenes p. 109). Hier liegt also reichlicher stoff für eine kritische
arbeit vor und es wird von Interesse sein, zu sehen, wie sich Leo seiner
vorläge gegenüber verhielt, besonders ob er sie durch benutzung andrer
quellen aus der Alexandersage oder aus seiner kentnis derselben ver-
mehrte.
Die Historia war zweifellos die hauptquelle für Alberichs franzö-
sisches werk. Liesse es sich feststellen, welchen text derselbe benuzt
hat, so läge die sache weniger schwierig: es würde sich nachweisen
lassen, dass auch er, wie er nach freiem ermessen gewisse seinem
geschmacke nicht entsprechende stücke (z. b. die Nectanebus - geschieh te)
ausmerzte, aus weiterer kentnis der sage ergänzungen machte. Es ist
dabei nicht ohne weiteres anzunehmen, dass ihm noch ein älterer unver-
fälschter text der Historia vorlag, da auch die erweiterte und veränderte
textgestalt, wenigstens wie sie die Pariser handschriften der Historia
bieten, bis ins 12te, wenn nicht 11. jahrh. zurück zu reichen scheinen.
Aber Alberichs werk ist verloren, und so tritt die frage bei der beur-
teilung Lamprechts in ein erneutes schwieriges Stadium. Denn gerade
soviel ist uns von dem Französischen erhalten, um uns vor der annähme
zu bewahren, als habe sich der deutsche dichter alzu sklavisch, ohne
eigenes urteil und ohne eigene kentnis der Alexandersage, an seine
Vorlage gehalten.
\
224 KUffZEL
\
Baut sich so auf eine uns onbekante recension des Pseudokal-
listhenes ein ganzes reich gegliedertes gebäude von Alexanderbearbei-
tungen auf, das seine weitere gliederung in allen abendländischen
(französischen, deutschen, englischen etc.) und morgenländischen litte-
raturen findet, so bleibt ein nebenbau nicht ohne einfluss, der auf dem-
selben gründe entstanden ist. Zwar kann sich seine gestalt an Üppig-
keit mit jenem nicht vergleichen, aber auch des Julius Valerius Über-
lieferung ist keineswegs so sicher, dass wir in allen fällen einen sicheren
schluss über seinen einfluss ziehen können. Besser sind wir über seinen
epitomator unterrichtet, der nach Zachers meinung früh die Übersetzung
des Julius Valerius verdrängte und zu einer grossen Verbreitung gelangte
(vgl. Zacher, Julii Valerii epitome p. IV).
Ob und wie weit diese lateinischen werke von Alberich- Lamprecht
benuzt seien und dass auch noch andere uns noch unbekante quellen
von einfluss gewesen sind, wird an anderer stelle nachgewiesen werden.
Auf die gleiche beobachtung führen auch einige stellen deutscher werke,
welche genauere kentiiis der sage verraten und mit unserm Lamprecht
in keiner directen beziehung stehen.
Alberich -Lamprecht verlässt bekantlich nach der geschichte der
königin Candacis, an welche sich in übereinstimnmng mit der älteren
gestalt der Historia die berührungen Alexanders mit den Amazonen
reihen, die darstellung seiner quelle und folgt der erzählung des Iter
ad paradisum von vers 6597 fMassmann, Gedichte) an. Eine reihe
fabelhafter geschicliten sind dadurch in wegfall gekommen. Der Basler
bearbeiter fugte dieselben, einer andern darstellung folgend, wider an,
und wir dürfen darin keine zufällige neigung desselben sehen, da wir
darunter episodeu finden, welche schon vor Laraprecht in Deutschland
bekaut und beliebt waren. Es sind die von den bäumen der sonne
und des mondes, von der luftfahrt und von der erforschung der meeres-
tiefe durch eine taucherglocke. Wir finden sie am ausführlichsten im
Anno, womit die darstellung der Kaiserchronik im wesentlichen stimt.
Die eiugeklammerten worte fehlen in der Kaiserchronik Diemer 17, 22.
Anno (ed. Bezzenherger) v. 203 fg. heisst es im gesicht des Daniel:
Das dritte tier war ein leopard mit adlerflügeln. Der bezeichnet
den griechischen Alexander, der mit vier beeren durch die länder fuhr,
bis er der weit ende (bei den goldnen Säulen) kennen lernte. (In Indien
brach er durch die wüste, mit zwei bäumen besprach er sich dort).
Mit zwei greifen fuhr er in die luft. Mit einem glase liess er sich in
das meer. Da warfen seine treulosen leute die kette in das wasser.
Sie sprachen: wenn du wunder sehen wüst, so bleib auf dem gründe.
Da sah er [drei tage lang (fehlt im Anno)] manchen grossen tisch, halb
ZUR ALEXANDBRSAGE. 225
fisch, halb mann (Kaiserchr. ein wunderbares tier, das ihn gar oft
umwälzte). Da wolte er sich am leben erhalten (das meer riss ihn
zu gründe. Durch das glas sah er manches wunder), bis er sich mit
einem blute an das scharfe meer wante. Als die flut das blut empfand,
warf sie den herrn ans land. Er kehrte zurück, von den seinen wol
empfangen.
Während die ersten geschichten nur dem namen nach erwähnt
werden, und man darf annehmen, auf diese weise nur dem eingeweihten
verständlich waren, wird die meerfahrt ausführlich erzählt. Anders im
Basler Alexander. Nach dem zug ins paradies folgen die Taucherglocke,
die Luftfahrt, die Sonnenbäume; erster e mit folgenden abweichungen,
vers 4247 fg.:
Alexanders geliebte hält die kette mit dem glase, in welchem der
könig ins meer steigt. Er hoft sich auf diese verlassen zu können.
Einen hund, habn und eine katze nimt er mit. Drei tage und drei
nachte gieng ein fisch vor ihn. Die frau, umworben, wirft die kette
ins wasser. Alexander tötet die katze, das meer wirft ihn ans land.
Er kehrt zurück, von den seinen froh empfangen.
Bei aller Verschiedenheit in der anordnung der stücke wie in der
darstellung des einzelnen ist eine gewisse Übereinstimmung nicht zu
verkennen. Auffällig ist es zunächst, wie diese stücke zusammenge-
kommen sind. Dies findet seine erklärung weder in den uns vorliegenden
texten des Pseudokallisthenes, noch in der erweiterten gestalt der Historia,
wie sie durch die drucke (Strassburger und Utrechter) repräsentiert wird,
mit welchen hier die Pariser handschriften im algemeinen stimmen.
In den drucken wird erzählt: 1) säulen des Hercules und wüste, cap. 94.
95; 2) arbores solis et lune, cap. 112; 3) per grifones in aerem leva-
tus, cap. 127; 4) profunda maris, cap. 128. Im Pseudokallisthenes stehen
nr. 1 und 2 zusammen im dritten buche, nr. 3 und 4 aber getrent im
zweiten buche und zwar die meerfahrt vor der luftfahrt. Julius Valerius
komt hier nicht in betracht, weil nr. 3 und 4 in seiner Übersetzung mit
dem ende des zweiten buches überhaupt fehlen.
Anders nun in der kürzeren fassung der Historia, wie sie sich
in einer Münchener und Bamberger handschrift (abschrift der lezteren
mir durch die gute des herrn director Volkmann in Pforta zugänglich
gemacht) findet. Hier steht nach der erzählung von Antipaters verrat
und dem briefwechsel Alexanders mit Aristoteles ein brief des königs
an seine mutter, welcher mit ausnähme der sonnenbäume alle unsere
stücke vereinigt enthält und zwar in der reihenfolge des Anno. Der
Wortlaut ist folgender:
ZEITSCHB. F. DEUTSCHE PHILOLOGIE. BD. XT. 1 5
1 Olimpiadi umtri Bue dilecte gaudium. quantutn fecimua s prin-
cipio usqtie iliun veDiSBeinns Asiam BiguifiGAtam est tibi, itemm Qotnm
tibi sit quantuDi fecimus antea (?). a Babilouia cepi ire coadunato popalo
nieo numerü CM. venimus autem ad columnas Eraclii. iuvenimas
b columnas duas. uaam auream et aliam argenteam, habentes in longitu-
dine X cubitos vt in latitudine cubitos II (moTimas inde?) et perfo-
rautes eas inveuimas eas ex auro. penitoit autem me quod perforasaem
Gas et clauai Toramen illarum et posui ibi solidos mille quiugeotos auri.
moTimus inde et ingressi sumus desertnm, invenimus loca frigida
10 atqne obscura, ut pene dod agnosceremus n08. et exinde iter egimus
VII dies et venimus ad äuvium calidum invenimusque ibi mulieres
Amazonas speciosas nimis portantes horrida vestimenta, tenentes amu
argentea in manibus earum, equitantes. es et ferrum non invenitor ibi.
iungentes nos ad ipäum fluvium minime transire potuimus eo qDod
15 es8<^t altitado et latitudo illins magna valde, plenus beatiia magnia.
abinde venimus ad mare rubrum, et erat ibi mons altus. ascendimm-
que eum et eramas quasi in celo. cogitavi cum amids ut inetraerem
tale iiigenium, quatenus asceDderemna in celnm et vidoremus n
hoc celuin est quod videmus. preparavi griphas at((ue ligavi eas com
20 catenis et posui vectes ante eos et in summitate illorum ciltaiia (V)
et ceperuiit ascondere in celum. diviiia quidem virtus deiecit eoa ad
terram longius ab eiercilu meo iter dierum X in loco campestri et
nuUam lesionem sustinui in ipsis cancellia ferreis. tantam autem alU-
tudiuem ascendi, ut sicut area videretur esse terra sub me. mare autem
S5 ita yidebatur mihi sicut ciroco (I. draco) girans eam et cum fort!
aogustia iunctus sum miliübus meis. videntes autem me clamavenint
Veait iterum ia cor meum, ut meusurarem profundum maris
et feci venire astrologos et geometricos. precepique illia ut construe-
30 tetar mihi vaaculum, in quo valerem desceodere In profundum maris
et perquirere admirabiles beatias, qae ibi habitant. feceront autem
Aliwoichongen in B; 1 0. dileot« matri g. 2 notnm üt tibL 3 in aatei.
4 antem fehlt. 6 babent«». 6 cobite doodedm. oabitat dno, perfoiaiu eaa Ist.
1 antem teUlt. S ibi aomin p«nBaDte solidos mille qningenti. auri fehlt 10 eiinda
itcmviinus. 13 BTgeot^a arnia. 13 eamm fehlt. inveDiatnr ibi iacgeatea non
invenipntiiT ibL iaogeiilM nos. 16 plamsqac erat reptUiboa ot bestüe mognla
ralde. 10 ascendimae enm et qnasi essemiu in eolo. 17 aniicis mein. 18 aacen*
damn cnlam, Tidercm si «st hoo eelis. 19 prepaiari ingoniniD abi s^derem al
apprahondi gripbaa. 20 twrum oibaria iUonun. dbaria aach di« druck«, il mci
G«lnm, virtoa abunibrana coa d«iecjt ad. 23 autem fehlt. 24 ridebatui. 26 sint
draco. IK mo eieroitui meo» accIamaTBnmt. 28 fundum. 39 «t fehlt vor ftci.
' j tali modo: IbaUmtu dolawa.
iBIJB ALEXANDRBBAOB 227
mihi dolittm (oli)vitrenm et ligatar catenis et regitur a fortissimis mili- 1
tibos. (hoc andito Alexander precepit talia fieri et tali modo perqui-
8iyit profondam maris). vidi ibi et alias bestias habentes imaginem
terrenarttm bestiarum ambulantes in profunde maris quasi quadrupedia
vaniebantque usque ad me et Aigiebant. vidi ibi et alias admira- 5
blies causas quas recitare non possum. gaude mi donüna mater
carissima.
Schwerlich wird diese Verknüpfung der behandelten züge ganz
zuftUig in den verschiedenen werken übereinstimmen. Die behandlung
der ineerfahrt zeigt aber, dass wir in dem abgedruckten stück der
Historia die ursprüngliche quelle nicht zu sehen haben. Im Anno und
der Historia halten die Soldaten die kette, im Basl. Alex, die geliebte.
Anno und Basl. Alex, erzählen von einer durch treulosigkeit hervor-
gerufenen gefahr, wovon die Historia nichts weiss. Anno und Historia
erwähnen furchtbare tiere ; die Hist weiss nichts von vergossenem blute,
welches Anno und Basl. Alex, übereinstimmend efwähnen. Die Überein-
stimmung erstreckt sich bis auf die „drei tage^, die zwar im Anno
fehlen f in der Kaiserchronik und dem Basl. Alex, aber stehen, und bei-
läufig mit dazu beitragen, zu beweisen, dass Anno und Kaiserchronik
nicht in unmittelbarer abhängigkeit stehen, sondern aus gemeinsamer
quelle geschöpft haben.
Es fragt sich nun, ob die quelle, in welcher unsere stücke aus
der Alexandersage zusammen und die meerfahrt in den hauptzügen so
behandelt war, wie es Anno und Basl. Alex, zeigen — auf obige recen-
sion der Historia zurückgehend in selbständiger weise dichtend die meer-
fahrt ausgestaltet hat, oder ob wir neben der Historia noch eine andere
quelle annehmen müssen.
Dass die drucke wie die Pariser handschriften der Historia den
ursprünglichen text mannigfach umgestaltet haben, ist besonders in
bezug auf die anordnung der geschichten schon dargetan. Eigentümlich
aber ist es, dass sie im texte selbst oft prägnantere züge enthalten als
die kürzere fassung. Die episode von der meerfahrt bestätigt dies. Wir
geben den Strassburger druck mit den abweichungen des Utrechter:
Quomodo Alexander petiit profunda maris. Post hec ascendit in
cor Alexandri ut maris profunda quereret et omnium piscium genera 35
1 ligetor. regant emn. fortissimi milites; 2 precepi, cito talia facere. per-
qniaivL 8 ibi diversas figaras piscium atque ex diversis coloribus vidi ibi et alias b.
imagines. 4 ambulantes per fondam. 5 veniebant. 6 gaude mi kmä mater.
Abweichungen des Utrechter dracks: 34 ftberschrift: de descensu in mare.
pott hoc autem. in corde. 35 ut perquireret profundum maris. et — scruta-
letor fehlt
15«
*J*.>K KINZKL, ZUB ▲LBXAin>BBBl(nS
1 srrutarolur. statiuKiuc iussit vitrarios ante se venire et precepit eis nt
tart^ont lioliuiii ox vitro clarissimo et splendidissimo ut possent a foris
oinniii i'liirissiino conspici. factumque est ita. deinde iussit enm cathe-
nis t\MT(Ms rolo^ari et a fortissimis militibuar teneri. at ille intrans ipsnm
f) (loliuiu ohiusii ]>orta ox pice composita descendit in profruidum maris,
viditiiuo ihi (livtTäUR iiguras piscium et diverses colores habentes ima-
ufinos host in rinn torro et per terram in profunde maris tanquam bestie
poilihus anibulantos et eomedebant fiructus arbomm que in profunde
maris iiascobantur. ipso autem belue veniebant usque ad eum, postea
10 ru^obant. viditquo alia mirabilia que nemini voluit enarrare eo qaod
lumünibus inorodibilia viderentur. tempus vero mansionis sue in aqnis,
i(uoii nülitibus suis prodixit Alexander, completum erat et traxenint
oum nüliios ad suporiora.
Vor&;Ioiobon \Yir hiermit nun die darstellung des Pseudokallisthenes
II. .U"^, so orpbt sich, dass sie nicht nur die ausführlichste ist. sondern
auoh momonto biotoi. auf welche die erzühlung der deutschen werke
ohno /woifol /urüoksxoht: * ^uucl^wr .irx^t^ fiunor fOLoaty ix^^ f^y^
\hi'/,%h Kt'tt n] x^\)/i » crrrt>r KQOtxia^ rdr kÜUoSov^ är/yctyov airdv Sia td
»M r.K'.iUi ux(Hix^^hixt, Die Soldaten zogen ihn also herauf« weil er
boiV'l sTOjrobon butto, Jios zu tun. sobald die kette bewegt würde.
»'> .V^ '/»o^iii^vv i^k^Wif^^f laiji xflTajtJjw crrror. itai al&i^ rd
*i:fc .»*;ci#ii\ 1^*11*^1 i>r» xcrf ciac iJiiii rrx€i<^ dtCTÄoaic^^ fßiJtrrtw dta
I .r foi.v u^in: jLuC'nn aviCn iz/x^' i/^Vx;« " luxi Idot fi9inr rrauuB-
;*C^^«T|,Ti.v i;:*Wc vV'a:,Tffi crrioi itiV rö xJic^i^ fr r^ Cfouan orrof Tun
«:»» ;(:;«! ii:tOi ^^ i ; rh -fi ucoLQÖ^n rc3r rrioio^irfr m/iOc- h6$^
'OiM sV ..J Ä«rfir .'»i^C «Tri Ol fXirrot ifrrrxt'iT«- Xfii rcerrcsc <Süa-«er
:•> i^x.» K> vixlArvn >vh äu> d:r?^r dirst^liusg f.Ureisie paukte:
V .> .:> .: .^_:. .* — ? :iSi:;tJi :.v Lvicsöj .•»jÖ;c/M;* i»^3t:tL hbts»
:f-^w .'. . -jax .•-.:..•:. r:Äm?f irociTi* ;i»f i^xa"; a iwö; m&rif». ? ^^^ü imrät
«i; \i\,i.t'L'i-r. x:;k> a .'^jt.i;> .-ibiA^te ^i«i» 4l»ni». £kikv h/üu: ^ ^miL apBPwcnnfcw
^^. LUfc ^*i t1•;•'-c^tlif Sammc ?Siwr4aMK«8iK!«ii» ^ Vi3 y
X. KETTNEB, EMPFANG DBB GlSTB IM NIB. 229
Da nun eine directe benutzung des Pseudokallisthenes ausge-
schlossen, es auch unwahrscheinlich ist, dass mehrere Schriftsteller
selbständig zu einer solchen auslegung und auffassung dieser darstellung
kommen können, da endlich in beiden deutschen werken sich der cha-
rakteristische zug der blutsühne findet, welcher in keiner der zugang-
lichen queUen einen nachweisbaren anhält findet, so müssen wir anneh-
men, dass es im 11. Jahrhundert noch eine andere auf Eallisthenes
zurückgehende darstellung der Aleiandersage gab.
BERLIN, OCTOBER 1882. KARL KINZEL.
ZUR KEITIK DES NIBELUNGENLIEDES.
DEE EMPFANG DER GÄSTE.
Die Verschiedenheit des stils sowol als die ungleichmässigkeit in
der behandlung des sagenstofTes ist von jeher als ein hauptgrund ange-
führt worden gegen die ansieht, dass unser Nibelungenlied die Schöpfung
eines dichters sei. Schon bei einer flüchtigen prüfung wird man bald
auf eine einteilung der dichter nach drei klassen geführt werden. Es
sind dies erstens solche, welche noch an der sage selbst ihr volles
genügen finden und dieselbe in würdiger form zur darstellung bringen.
Auch hier Hessen sich noch Unterscheidungen vornehmen: von einer
echt altepischen, sprunghaften, zuweilen bis zur Unklarheit knappen
widergabe der überlieferten züge der sage (z. b. XIV 1466 fgg., XVI*,
XVII') erhebt sich die dichtung in anderen teilen zu einer ausbildung
der sage in lebendiger, voller, zusammenhängender handlung und psycho-
logischer Vertiefung, wobei auch zugleich manche härten der Überliefe-
rung gemildert sind — z. b. XX. — Anders die dichter, welche zur
zweiten gattung gehören: sie waren einer rechten Würdigung der alten
sage nicht mehr fähig, sie fühlten sich veranlasst, dieselbe teils zu
beschneiden, teils zu erweitem oder in die länge zu ziehen; und so sind
eine menge höfischer Schilderungen hineingedrungen, zu gunsten derer
der alte stoflF entfernt oder verflacht ist — z. b. III. Immerhin aber
sind diese darstellungen von ansprechender form , oft sogar gewant und
durch eine gewisse anschaulicbkeit ausgezeichnet. Eigentümlich ist, dass
solche abschnitte in der ersten hälfte des liedes einen ebenso grossen
platz einnehmen, wie sie gegen ende mehr und mehr zurückweichen. —
Die dritte art der dichter sind endlich die urheber jener abschnitte oder
Strophen, wo die dichtung im algemeinen in kleinigkeiten und äusser-
Uchkeiten sich verliert, zuweilen zwar noch alte sagenstoffe heranzieht,
SSO
viel häutiger aber nur den zweck verfolgt, den inhalt zu vermElireQ
[larcb einfühning von Statisten oder dnrcb eine derartigs verwenduug
der haupthelden. Die daretellung ist roh oder ermüdend und wird oft
so geschmacklos, wie es nur bei ganz poesie- und formlosen liandwerks-
massigen spielleuten und dilettanten möglich ist. Dieses sind jene inter-
polatoren Lachnianns, deren machwerk er ans den andern atrophen als
uueeht ausgeschieden bat.' Freilich gibt es auch unter den jüngsten
dichtem ausnahmen hiervon, und selbst solche, die mit vollem recIitG
den namen eines dichters verdienen, z. b. 861* fgg.
Es scheint mir nun von besonderer Wichtigkeit, die zweite klame
der dichter näher kennen zu lernen, weil dadurch die mSglichkeit gegobea
wird, nach jenen beiden andern selten hin um so klarer die grenzen
festzustellen. Da aber hei diesen abschnitten, die so arm an sagen-
gemäsaem inhalt sind, eine von der sagenuberlieferung ausgehende kriUk
uns nicht genügende aufachlüsse geben wiirde, so sind wir angewiesen,
den algemeinen inhalt zn prüfen. Fasst man hierbei einen in den
verschiedensten teilen des liedes behandelten gegenständ ins äuge und
untersucht, wie er jedesmal dai^estelt ist. so muss sich dabei die zahl
und der eharakter der dichter, die daran gearbeitet haben, erkennen
lassen: denn jeder neue dichter, der denselben gegenständ angreift,
wird ihn natürlich m mehr oder weniger abweichender weise gestalten.
Für diese Untersuchung scheinen mir besonders geeignet zn sein die
Schilderungen von dem empfang der gaste, ein gegenständ , der einerBeits
im einzelnen sehr ausführlich behandelt ist und anderseits durch den
grösten teil der lieder sich hinzieht, wie folgende übersieht zeigt
I 75 — 127. Siegfried in Worms.
n 140— 151. Die sächsischen gesanten am hofe Günthers.
222. Die boten der siegreichen Burgunder.
242—260. Die siegreichen Burgunder und die gefangenen
Sachsen in Worms,
III 2ßl* — 266. Die festgäste in Worms.
IV' 377*— 398. Günther usw. in Isenstein.
477* — 481*. Dio Nibelungen in Isenstein.
IV " 5U8 — 522. Siegried als böte Günthers in Worms.
527—559. Günther und Brunhild in Worms.
V 647* — 655". Siegfried und Kriemhild in Xanten.
VI 683 — G99. Gere als böte bei Siegfried.
(710 fg. Gere in Worms).
725 — 742. Siegfried, Siegmund, Kriemhild in Worms,
vn 820 — 824. Die falschen Sachsenboten in Worms.
1] Ich beioictin« im folgenden diese steUan mit '.
SMFFANO DBB 0Ä8TB IN NIB. 231
XI 1115 — 1139. 1164 — 1172. Büdiger in Worms.
1236* — 1238* Kriemhild in Passau.
1240*— 1260. Eriemhild vor und in Bechlaren.
Xn 1277 — 1299. (1301. 1302). Kriemhild und Etzel.
1319 — 1322 in Etzelnburg.
Xm 1370 — 1387. Werbel und Swemel in Worms.
XV' 1682 — 1607. Die Nibelungen in Bechlaren.
XV' 1652. XV^ XVI'— XVn^ 1755. Die Nibelungen am hof Etzels.
Alle diese Schilderungen bieten ein reiches, kulturgeschichtlich
wichtiges material, das sich leicht zu einem einheitlichen bilde grup-
pieren lässt, wie ich dies in dem jezt erscheinenden Programm des
Gynmasiums zu Mühlhausen in Th. versucht habe. Dass aber in einer
solchen gesamtdarstellung die einzelnen handlungen sich so zusammen-
fBgen lassen, dass sie eine folgerechte entwicklung bilden, beruht auf
der gleichmässigkeit der Vorstellungen und auffassungen , welche in
diesen darstellungen waltet. Noch auffallender als dieses sachliche
zusammenstimmen ist die ähnlichkeit, teilweise sogar gleichheit der
form. ^ Folgende Zusammenstellung der parallelsteUen, für deren anord-
nung im ganzen die in der erwähnten abhandlung aufgestelten gesichts-
punkte massgebend gewesen sind, wird dieses erweisen.
(Hier folgt die tabeilarJBche fibersicht der pgr^elstellen; s. einlage).
Wie ist diese fülle von parallelen zu erklären, die mit ausnähme
des liedes V durch alle lieder^ deren Inhalt die mOglichkeit dazu bietet,
sich hinziehen und besonders zahlreich uns entgegentreten, wenn wir
die lieder IY\ VI, XI, Xm, XVH^ mit einander vergleichen? Diese
parallelen sind viel zu bedeutend, als dass sie sich auf die fast unbe-
wuste einwirkung eines algemein verbreiteten und herschend gewordenen
epischen stils gründeten. Auch in den gedichten der früheren periode
finden sich nie so durchgreifende Übereinstimmungen,^ obgleich bei den
kurzzeilen^ die so oft das bezeichnendste wort im reime haben, eine
gleichmässigkeit in der darstellung gleicher gegenstände noch viel näher
liegt als in den langzeiligen Strophen. Auch müste doch von der ein-
wirkung eines so gebieterischen algemeinen epischen stils etwas zu
merken sein in gedichten wie Alphart, Gudrun und, wenn auch in
geringerem grade, in den kurzzeiligen Klage und Biterolf. Man muss
also diese ansieht schon von vornherein beschränken auf die annähme
eines stiles, der unter epischen dichtem einer gleichen zeit, einer
gleichen landschaft, in gleichen äusseren Verhältnissen und aus dem
gleichen stände zur geltung gelangte. Und so hat man auch in der
tat diese eigentümlichkeit erklärt. Es bestände denmach ein indirecter
1) 8. Wackemagel» Litg.« s. 125 anm. 83.
Zusammenhang itwischen den dichtem. Es lebte also in Ostreich, ato
Wiener hofe oder wenigstens in heziehung zu demselhun eine ansaht
von diditem ritterlichen Standes, unter ihnen einer oder einige, di«
als mustergiltig augesehen waren und einen stil und ton der epieohoo
darstellung angescblagi>u hatten , mit dem die andern dnrch lesen,
hßren oder U-rnen vertraut geworden waren und in den sie daher öfter
last uuwilkürlich hineingeiieten, wodurch ihre diobtungen eine gewisse
fonuelhaftigkeit uad üboreinatimmung erhielten. Sehen wir ans nun im
Nibelungenliede nach solchen fonneln und wendnngun nm, die jeder
dichter, der diesem kreise angehörl-e, verwenden koute, gleichviel in
welchem gehtete der volkssage er dichtete. Zu solchen lassen sich
rechnen: IV 389, 2 — 4 = I 75.4, 76, 3. 4; I 79, 4 = XI 1125, 3;
XI 1259, 1. 2 = SVn- 1675. 1. 2; XV' 1593, 4 = II 261*. 4; HI
278, 3. 4 = IV 532, 3. 4; IV- 640. 4 ^ XT 1255, 4; IV" 648, 4 =
VI 737, 4; IV" 551, 3. 4 = XU 1296, 1. 2. An allen diesen stellen
lässt sich eine gewisse notwendigkeit des Inhaltes erkennen . diese bringt
bestirnte w3rt«r oder ausdrücke mit sich, und diese wider bewirken,
dass die überlieferten, im gedScbtni.'! des dichter» zunächst noi^h schlum-
mernden formen in sein bewnstsein treten; auf diese weise schliesRen
sich an jene Wörter oder ausdrücke die entsprechenden sütze mit den
entsprechenden reim Verbindungen.
Übereinstimmung berscht jedoch nicht bloss in Strophen oder vereen
algemeisen inhaltes, die mit leichter andemng in jedem anderen epOB
von gleicher versform angowant werden köntcn, sondern auch in Stro-
phen, die einen entschiedenen Nibelungenstoff, womSglteh noch durch
reime gebunden, enthalten. Solche sind XI 1115 — lllß^XIII 1370
— 1373, XV' 1606 =XVII'- 1742, Gehören aber diese atrophen unbe-
dingt zum Nihelungenepos. so muss der tonangebende diuhter ein Nibe-
lungendichter gewesen sein. Seite nun in jenem kreise ein original-
dichter den mittelpnnkt gebüdet haben? Das ist nicht denkbar, bb
mnste sonst dieser In der Schilderung des empfitnges eine wunderbare
Vielseitigkeit entfhltet haben. Wenn es aber mehrere tonangebende
diKhter gewesen sind, solte man es da i» der tat für möglich halten,
dass gerade diese kein iloniment ihrer tStigkeit hinterlaast-n haben, und
nur das werk ihrer schQler ans voriiegtP Das ist doch höchst unwahr-
scheinlich: einer oder der andere würde sicherlich in nnserem Nibelungen-
liede vertreten sein. Dann aber würde der Zusammenhang der parallel-
Stelleu schon ^um teil «in directei werden, und allerdings kann man
es sich nicht vorstellen, wie ebne einen solchen so gleichmSssige Strophen
sich gebildet haben »ölten. So würde die nächste frage mn: welch«
der stellen sind original und welche ahmen dies« nach?
EMFFA5G BEB GlSTE IN XIB. 233
Zunächst müssen natürlich diejenigen unechten strophen nach-
ahmungen sein, welche mit echten übereinstimmen. Und dieses müste
sich durch nachweis von realen oder formalen mangeln bestätigen
lassen.
IV'* zeigt mehrere sehr starke anklänge an I. Als Günther
Siegfrieden und seine recken im hofe sieht, ist es ihm leid, dass er sie
nicht kent (denn jedenfals wünscht er sie angemessen begrüssen zu
können) 81. Als Günther die Jungfrauen in den fenstem der bürg
Bmnhilds sieht, ist es ihm auch leid, dass er sie nicht kent 377'". In
I fragt er deshalb Hagen, in IV* Siegfrieden. Das motiv ist aber in
IV* gleich wider benuzt, und zwar möglichst unpassend. In I 87. 102
gibt der weltkundige Hagen die antwort: ich habe Siegfrieden zwar
noch nie gesehen, aber es kann kein anderer sein als Siegfried, der
dort so herlich geht: wir sollen ihn gut empfangen — wie kurz und
treflFend ist dadurch die erscheinung Siegfrieds charakterisiert! In IV
394*, das sich im ausdruck imd reim sehr eng an 87 hält, wendet sich
Brunhild an eine ganz beliebige ihrer mägde — die natürlich Siegfrieden
viel besser kent als Brunhild selbst! — sie erhält den bescheid: ich
habe zwar sonst keinen von jenen beiden früher gesehen, doch einer
ist darunter, der Siegfried gleicht, den solt ihr gut empfangen. In
unechten strophen begegnet dieses motiv mit dem reim gesehen : ver-
jehen noch zweimal: XI 1118* 1. 2 und XIII 1372* 1. 2, beidemal
ist Hagen die auskunft gebende person; auch diese zwei stellen sind
für beabsichtigte nacbahmungen anzusehen. Am leichtesten lässt sich
dieses bei XI nachweisen. Die antwort Hagens komt in ganz entspre-
chender form zweimal vor, 1118* und 1120. Die erste ist an sich
überflüssig und leer und dient nur dazu, eine bemerkung über die
kleider der gaste einzuleiten; dabei wird auch zum zweiten mal das
herbergen erwähnt, und hierzu komt noch eine widerholung: das zwei-
malige fragen 1117, 4 und 1115, 4*. Also bildet 1115, 3* — 1116, 2*
nebst 1118*. 1119* einen zusatz, bei dem der ungeschickte interpolator
widerholungen nicht zu vermeiden vermochte und sich mit 1118* 1. 2
ziemlich genau an I 87 anschloss, während 1120 freier ist. Mit diesem
zusatz hängen nun auch die unechten verse an jener stelle in XIII
zusammen. 1118* 1. 2 stimt zu 1372* 1. 2, ebenso 1370, 3* 4* zu
1115, 3*. 4*, beide in die schon an sich ziemlich gleichen strophen
1115, 1. 2 + 1116, 3. 4 und 1370, 1. 2 + 1373, 3. 4 an derselben stelle
einsetzend. Beide erweiterungen sind daher offenbar von demselben
interpolator, der die anmeldung an den könig nach dem Vorgang von
I und VI (683) nicht unerwähnt lassen wolte und zugleich einen hin-
weis auf die prächtigen kleider für wünschenswert hielt. Dabei nahm
SM ■. KBTTICKB
er jenes motir ron I 87 wider auf, ohne dabei zu beradEsichtig«!/
dieses in XI schon an jener stelle verw&nt war.
Eine andere stelle von IV". die sich als nacbahmang verrtt, M
396*. 397*. hundert oder m&e steht an derselben stelle in 396' wie
in m 278, die truogen stcert enhatä 397* imd 277; dabei hat aber der
interpolator nicht recht beachtet, dass es sich dort tun einen restanüng
handelt, und lässt so fSr den empfang, der doch ein einfacher ist und
jedenfals in eioem gemach Bicb volzieht (?gl 397* 4), aber sechs hoo-
dert menseben als Bmnhilds gefolge zusammentreten, während dort nur
faondert recken, fiber hundert fraaen und eine entsprechende anzafal
Jungfrauen Uten und Kriemhilden begleiten.
n 260* — 263* zeigt eine solche armseligkeit des ansdrudn
(z. b. die im komen solden 260*, 4. da si nu &>ldeu kernen 261*, 1.
dat si da sMen tragen 262*, 1. die dd soläen honten 262*. 3), da»
man annehmen mnss, der ioterpolator hat die in IV' und XV' widw»
kehrenden verse sich zusammengeborgt.
Ist man also befugt, das Terhaltnis der mit echten par&IlaleD
unechten stellen als ein directes and zwar als aacbahmong anzosehen,
so muss man uon weiter tragen, was für eine beziehung zwischen deo
Tielen parallelen echten stellen waltet.
Die darstellungen zeigen nicht alle in demselben grade &hnlicb>
keit. Wesentlich unterscheidet sich der empfang in IV* von den andeni.
In drei zeilen wird 389 ganz knapp und formelhaft der empfang dordt
die dienerschaft bezeichnet, dann folgt unmittelbar 396, die begrüssnng
durch Bruohild. Äncb diese scheint mir in ihrer jetzigen form nicht
die ursprüngliche za sein: der sUI der atrophe stjmt öberein mit dem
ron VI 732, und deshalb ist sü (Lachmann si) auch wol zu halten.
Dieselbe formet für den empfang durch die dienersehaft komt nur
noch einmal vor mit ganz leichter Sndening I 75. 76, aber durch zwei
andere dazwischen stehende yeree in zwei stropheu verteilt Die ver-
hindong riter unde knehi : daa was michel rehl begegnet beim empfang
noch einmal XV" 1660. l. 3. Wie 1 76. 1 unterscheidet auch XV reelm,
riter und knehle 1&87, nicht so bestirnt 1744. 1513. Vielleicht waren
die zwei verse urspnlnglich nicht mit jener formet Terbuoden. Sicher
ist aber, dass der folgende abschnitt 77 — 101 nicht frei ist von einem
bineingearheiteten stücke, auch abgesehen von den unechten Strophen.
Es liegt nämlich ein Widerspruch in der ttandlung, der nur durch irgend
einen zusatz bervorgfrufen sein kann. Gleich nach dem emptang fragt
Siegfried nach Günther und wird in den eaal, wo der kSnig sich auf-
bfilt, gewiesen. W&hrend desaeo spielt sich im saal, wo man Siegbied
bereits gesehen, oino tiemlioli lang» goeue ab, 87 wird noch ausdrück-
EMPFANG DSB 0Ä8TB IN HIB. 235
lieh von einem aufenthalt Siegfrieds auf dem hof geredet. Es ist ent-
weder das hinzutreten von strophe 77 — 79 oder von 81 — 85 (86)
gewesen, das diese Störung veranlasst hat. — Das Verhältnis von 87.
102 zu den unechten Strophen ist schon besprochen und dabei auf die
freiere widerholung in den echten XI 1120 hingewiesen. Aber auch
diese steUe ist ihrem wesen nach von 87 durchaus verschieden. 87 hatte
eine tiefere bedeutung; was aber hat es fär einen zweck, wenn Günther
sich an Hagen wendet wegen der angekonmienen fremden, und dieser
erklärt: ich habe zwar Rüdeger lange nicht gesehen, aber er scheint
es zu sein? Solte es ein hin weis auf Hagens Vergangenheit sein, so
wäre der doch zu unbedeutend. Ohne zweifei hat hier der dichter von
XI das motiv aus dem älteren liede I nachgeahmt, zum teil mit bei-
behaltung der form. — Noch eine Übereinstimmung mit einem späteren
verse ist zu bemerken: 127, 3 = 1600, 3 — also zum dritten mal mit
XV. Die beiden verse gleichen sich ganz merkwürdig und sind dabei
doch in etwas verschiedenem zusammenhange. Seinem ganzen Charakter
nach ist XV jünger als I : aber weshalb solte der sehr gewante dichter
von XV diesen einen vers entnommen haben? Und die werte, gerade
an dieser stelle der strophe sind so zufällig, dass auch an eine epische
formel nicht zu denken ist. Ich glaube, man kann sich der ansieht
nicht verschliessen , dass der dichter von XY noch nachträglich an I
geändert hat Sonst aber fehlen in diesem liede wie in lY* die meisten
der bei den übrigen empß.ngen vorkommenden züge , das verlangen des
gastes, gleich selbst zum könig zu gehen, und eine begegnung von wirt
und gast wie 103, 4 steht nicht in einklang mit den fSrmlichkeiten, die
sonst beobachtet werden. So nimt also auch der empfang in I eine
Sonderstellung ein.
In der jüngeren fortsetzung von V schildert 647* — 656* einen
empfang, ohne eine parallelstelle zu haben mit ausnähme von 655*, 4:
der den schoenen unben mit ftiise dienen began. Doch ist dieser vers
mit dem vorhergehenden syntaktisch verbunden und unterscheidet sich
insofern von den selbständigen formelhaften Strophenschlüssen XI 1248, 4.
1250, 4. VI 735, 4. 736, 4. IV^ 557, 4. Auch rUer unde hneht : dan
was michel reht 646*, 1. 2 begegnet hier wider, aber nicht beim empfang
und hat auch durch das zugefQgte meide unde vrouwen einen etwas
anderen Charakter. Es ist dieses stück also nicht bloss durch seine
weit geschicktere form von den meisten übrigen jüngeren Zusätzen
unterschieden, sondern auch durchaus selbständig gegenüber den älteren
abschnitten gleichen Inhaltes.
Nach abzug dieser abschnitte bleibt aber noch eine menge von
darsteUungen übrig, die sich so ähnlich sind, dass es zwischen ihnen
236 K. KETTNEB
(uiie iliroctc boziolmug geben mnss. Mit diesen wollen wir uns im fol-
f^endon ausschliesslich beschäftigen.
Durch eine sehr weit verzweigte verwantschaft zeichnet sich
uHmcntlicli die darstellung des empfanges in XI aus, darauf folgen XIII,
VI, IV^ \WIV\ XV; hierzu kommen noch U, ni, VII, XH; auch diese,
ui\(i biolhst solche darunter, bei denen der Charakter des empfanges eine
h'ln^^^ru Schilderung nicht zuliess, zeigen immer noch zahlreiche und
autTallonde ahiilichkeiten. Hätte hier eine nachahmung statgefbnden,
so niüsto doch, wie bei dem Verhältnis der jüngeren Strophen zu den
onts|>rechonden älteren, wenigstens bei einigen sich priorit&t und ab-
hängigkoit nachweisen lassen. Welche strophe aber solte wol den Vor-
rang verdiiMien unter VI 698, XIII 1385, XI 1253, XVII^ 1751, unter
XV U\Oi\ und XVir 1712, unter VI 733 und XI 1254, unter IV* 532
und XY 1601V Man kann von keiner dieser Strophen behaupten, dass
sie nacli form oder inhalt hinter den andern zurückstände oder zu ihren
nachl)arstrophon nicht recht passte. Bei den kleineren Übereinstimmungen
ist OS vollends nicht möglich, eine spur der nachahmung aufzufinden.
Ks wurde sieh aber auch eine solche annähme mit mehreren gründen
entschioden zurückweisen lassen. Zunächst sind die ähnlichkeiten nicht
anf cinzolno gruppen beschränkt, sondern leiten zwischen den verschie-
densten abschnitten hinül>er und herüber. Wie soll man sich eine so
eomplieierte naehi\hmung erklären ? Die lieder selbst sind auch gar nicht
so ungeschickt , dass ihre dichter das bedürfhis gehabt haben solten , sich
ausdrücke, verse und strophen von andern in solchem umfange zu erborgen.
Ferner dürfte doch wol unter all diesen dichtem in folge äusserer umstände
eiuer oder der andere nicht ganz unter gleichem einfluss mit den übrigen
gestanden habeu, und selbst wenn man hiervon absieht, würde schon
die versohiedeue individualität der dichter es mit sich gebracht haben,
da>s Ihu dem einen die aulehnung an den musterdichter, oder sagen wir
selbst die beeinHussung durch einen herschend gewordenen epischen süL
uiohi dieselbe war wie l)ei dem andern, so dass je nach der gr(^sseren
clor o'rinsrereu freiheit der behandlung jene aK>ohnitte sich von ein-
av..:';r v.uterschoi.ien müsten. Vollends aber win? nicht zu begreifen.
wit^ ;s !n%:lioh is:. dass sämtliche dichter bei der anirabe von gewissen
i:lei>her; ceco:i>täu-:ea fast deiche formelhafte verse und rwar an sdei-
eher stdiO ^obr.iv.vriü. dass ferner einreine g;inz zutüMp» wendung«&
sich iv. cleivhor stelle der Strophe widerholen imd unter diesen sogar
solche, die überbiurt fast nur beim empämg und nsr hier an der-
selbe:; stelle verkommen
Ich werde diec>e bemerkungt^n niher erldim und k^giüBikii. Der
-rt; rViic der k';ea wird be»chrieba U* IT% VI» TD« XI. SIL DiM
EMPFANG DBB GASTE IN mB, 287
darstelluügen sind, auch II und VIT soweit wie möglich, sämtlich
stereotyp gehalten. Wie ist es denkbar, dass sechs dichter diesen
verlauf so analog darstellen und sich dabei in den ausdrücken so sehr
widerholen? Die bo tschaften stehen aber auch nicht isoliert da, XVII **
z. b. zeigt sehr starke anklänge an dieselben.
Bei den grossen empfangen in IV^ VI, XI spielen die firauen
eine bedeutende rolle, die galanterie der ritter muste füglich dabei
berücksichtigt werden, warum aber wird bei jedem jedesmal im vierten
verse (1248. 1250. 737. 736. 557) dieses mit fast demselben algemeinen
formelhaften ausdruck bezeichnet?
II 222, 3 und XV 1590, 3 heisst es an derselben stelle der stroplie
dirre lieben maerey diu in da wären komen : vernomen und diu lieben
maere, diu er hete vernomen : Jcomen. Hieran schliesst sich das schon
erwähnte I 127, 3 und XV 1600, 3 Sifrides knehten, nian schuof in
guot gemach und überal die knehte, si heten guot gemach. Beides ist
für eine nachahmung zu unbedeutend, für eine epische formel aber das
erste zu nichtssagend, das zweite zu sehr durch zufuU zusammenge-
bracht. Und selbst wenn man diese stellen für formein ansehen wolte,
schreiben wol solche eine aufnähme in den dritten vers vor? Dieselbe
frage würde entstehen bei VI 744, 3 und XVIP 1755, 3 alles des si
gerteny des was man in bereit : geseit und verseit
XI 1127 stimt zu XVII** 1750; an eine nachahmung würde hier
am wenigsten zu denken sein: 1750, 3 ist entschieden kräftiger als
1127, 3, obgleich XI sonst das werk eines geschickten dichters ist.
Auffällig ist auch der jedesmalige zusatz an gleicher stelle: vil gerne
iet man dajs und mit vlize tet man daz^ und in ganz entsprechender
weise sezt widerum an gleicher stelle der dichter von VI zum schenken
hinzu : niht langer man daz liez (697, 2). Dieselbe Wendung begegnet
im Nibelungenliede noch dreimal, nämlich bei der jagd VIII 902, 1
(Ke), rV 556, 2 (lie), XVTI** 1746, 2 daz langer niht enlie. Warum
komt nur bei Schilderungen des empfanges diese wendung an der glei-
chen stelle der Strophe vor, und warum an derselben stelle sich wider-
holend die entsprechenden Wendungen?
Es gibt far alles dies keine andere erklärung, als: die sämtlichen
analogen Schilderungen des empfanges sind von einem dichter verfasst.
So ist die merkwürdige Übereinstimmung der form leicht erklärlich
Wenn man heutzutage bei widerholter darstellung einer und derselben
Sache schon in gewöhnlicher ungebundener rede sich bemüht, mit dem
ausdruck zu wechseln, wieviel mehr muste ein dichter Schwierigkeiten
haben, der in einer durch metrum, reim und strophe gebundenen rede
und in einer immer noch etwas formelhaften poetischen diction sich
bewegt, deren faandhabung innerhalb jener form ihm an und für äch
schon nicht leicht war. Selbst in ein und demselben liede kommen
solche widerbolungen vor, z. b. I[ 161, L und 247. 1 ; IV" 510, 1. 3 and
519, 1. 2: XI 1248. 4. 1250, 4. 1243, 3. 4. 1259. 3. 4. Die häufigkeit
derselben nnd ihre grössere oder kleinere Ähnlichkeit ist natflrlicb ein
massBtab für das talent des dichters; dämm erscheinen sie zuweilen in
ganz auffälliger weise in unechten Strophen auch bei verschiodenem
inhalt, z. b. II 200*. VI 739», XIII 1428*, ferner VI 734* (vgl. XI
1126*, 3), I 3*, II 210*.
So ist auch der gnind der sonstigen gleichmässigkeit dieser ab-
schnitte klar. Selbst bei einer chronologischen, lokalen und sozialen
Zusammengehörigkeit einer mebrzahl von dichtem wfirde sich aus den
vielen parallel laufenden und sich einander auschliessenden handlangen
nicht ein solches System von regelu des empfanges ableiten lassen, ea
würde eine Verschiedenheit des intereases und der erfabning zur geltung
kommen, sodass teils manche schwerer vereinbare zQge neben einander
stehen würden, teils lücken eintreten würden, well der umfang der ^-
zelneu scbildernngen nicht so gleicbmflssig ausgefallen sein könte. Form,
inhalt und Charakter stimmen aber durchaus zu einander.
Hat sich also somit ergeben, dass diese ^cbildornngen , soweit sie
sich ähnlich sind, sämtlich von demselben Verfasser herrühren, so ist damit
nicht gesagt, dass auch die iieder
1 dichters seien. Es lässt
i ein dichter, welcher etwa verei
u denen sie vorkommen, erzeugnisse
ich recht wol die mögUchkeit denken,
inigend und deingemäss auch erwei-
ternd am Nibelungenliede tätig war, solche Situationen, die sein Inter-
esse in anspnich nahmen, nach seinem geachmack umformte und erwei-
terte. Als eine solche erweiterung bebt sich sehr deutlich aus XVU
der abschnitt XYIP 1742^1753 und 1755 heraus, namentlich wenn
man ihn an XVII* anscbliesst, aber auch die übrigen, besonders die
mit der Thidreksaaga übereinstimmenden teile stechen mit ihrer ein-
facheren darstellung und ihrer rasch sich entwickelnden handlung sehr
ab gegen diesen breit geschilderten und in aller form sich bewegenden
empfang. Wie hier, kann der dichter noch Öfter verfahren sein : er mag
manchmal an einzelneu atrophen umgemodelt und zugeeezt haben —
so wird ihm auch die botachaft Küdegers im wesentlichen schon vor-
gelegen haben — an anderen stellen hat er grössere etflcke hinzugefügt
wie z. b. in 1V^ Auch in I 76, 1. 2, 127. 3 und IV* 308 kann man die
band dieses dichters erkennen (vgl. s. 234 fg.). Selbstverständlich wird
er sich nicht damit begnügt haben , bloss empfange au beschreiben ; wir
sahen bereits, wie aucb die featscbilderung in in eine verwantschaft
mit diesBa empfaDgaBchilderangen zeigt Hiennit ist auch gleich die
KHPPANC^ DXft gIbTS tN HIB. 289
tendenz des dichters bestirnt. Er gehört eben zu denen, welche das
volksepos in höfischem geschmacke ausgebaut haben.
Gehen wir nun darauf ein, die Stellung des dichters in der
entwicUung der höfischen poesie und des in ihr zum ausdruck gebrachten
ritterlichen lebens näher zu bestimmen, so stossen wir gleich bei den
Schilderungen der grossen festlichen empfange auf einen höfischen
Charakter des lebens und der darstellung desselben. Dieser zeigt sich
ganz besonders in der art und weise, wie der minnedienst bereits sich
geltend macht Die galanterie in den diensterweisungen gegen die trauen
wird stets geübt und öfter als nötig erwähnt (IV ** 557, 4 u. ö.), die
recken zeigen ihre kfinste vor den frauen (VI 738, 4. XI 1247, 4), sie
jfinden grosses vergn&gen an der Unterhaltung mit ihnen (IV^ 556),
überhaupt an ihrer geselschaft (556, 4), sie freuen sich an ihrer Schön-
heit, an ihrem feinen benehmen , es ruft dies ihr lob hervor und fordert
überhaupt ihre kritik heraus (IV *^ 548, 4. 549. 550. VI 736. 737). Höfi-
scher prunk ist in massvoUer weise angewendet: die zurüstungen, der
Ueiderschmuck , der festaufzug, dazu die waffenspiele bilden die haupt-
momente dieser feste.
Die algemeinen formen des empfanges aber sind durchaus frei
Yon höfischer etikette und lassen sich wol erklären aus naheliegenden
äusseren umständen und natürlichen gefühlen des anstandes und der
freude. Selbst da, wo ein gewisses ceremoniell diesen formen anhängt,
ist es nicht neue höfische sitte , sondern zugleich brauch früherer zeiten.
Eigentümlich ist nur, dass solche selbstverständlichen handlungen uns
jedesmal mit gleicher Umständlichkeit angegeben werden. Fast regel-
mässig wird bei den gesantschaften das nachsuchen und erteilen des
Urlaubs erwähnt, stets wird hervorgehoben das vnlkommen, das grüssen,
danken, neigen und alle die sonstigen höflichkeitsformen und -formein.
Auch die im leben üblichen erweiterungen des grusses oder dankes lässt
der dichter sehr häufig seine personen aussprechen, so z. b. die freuden-
und freundschaftsbezeigung des bewilkonmenden wirtes VI 698, 3. 4.
732, 4. XI 1253. XIII 1385. XV 1596, 4. XVÜ'* 1751. 1752. An
diesen formen selbst ist also nichts speciell höfisches wahrzunehmen;
auch ist ja natürlich , dass diese grundformen sich in der zeit ziemlich
gleich bleiben, so dass sie wol selbst bei einem entschieden höfischen
dichter nicht höfischer sein könten. Aber die ganze behandlungsweise
ist es, welche die höfische tendenz des dichters bekundet. Denn offenbar
will er die formen als solche hervortreten lassen, um uns zu beleh-
ren, wie in dem leben der höfischen kreise, das er schildert, von den
formen des anstandes nichts unterlassen wird. Freilich ist er hierbei
ausser stände, über die gewöhnlichen formen viel hinauszugehen, daher
dieae wiilerholungeii , dieses verweilen l
diese gleichfürmigkeit des ausdracks.
Der dichter begnügt sich aber nicht danait, unn nur von dem
mass dor anwendung jener formen eine aiiitcbaauug ?.n geben, er will
lus auch die Überzeugung beibringen, dass die art und w«ise ihrer
anwendung durchaus den regehi höfischen austaudes entsprach. Schon
die handelnden personen nahmen es hiermit recht gewissenhaft, rv*
lässt Guntlier sehr ausdrückliche bestimmungen über den hergang des
L-mpfanges an Ute und Kriemhild überbringen, in demaelben sinn ermahnt
VI Günther Brunhilden, seine gaste schön zu empfangen; XV erteilt
Küdeger genaue bestimmungen Über die form der begrüBBung. Niemals
aber versäumt der dichter in algemeinen ausdrücken die art und wei>e
des empfanges als eine feine, höfigcbe za bezeichnen. In allen dar-
stellungen stehen neben dem enpitäJten, grüeee», sprechen ausdrücke
wie vil tcol, schone, güeiliche, mirMediche, geeogenlkJte , zühtedich»,
mit tren usw.; dazu so minneclic3^ enphähen gehörte man noch nie
646. 9 und ganze Strophen wie VI 730. XlII Vilü, auch I 104 (abwti-
chend von dem sonstigen Charakter dieses lieilcs). Ebenso werden die
mit dem empfang verbundenen nebenbandlungen charakterisiert: mit
vil grözcn xühten vrou KriemhUt dö ^ IV ö44, I. <iä wart mitinec-
lichen gmomen U der hont 647, 2, 8. such 654. in eüiiten ffröze itigm,
und küsse» minnficlichen VI 737, 2, 3. der kirre stuotU von seäde,
daz was durch gröse zuht gdän XI naö. 4. mit gühten sm einander
fixe vil manic meit XI 1356, 1. vil minnecÜcheti dienest Süediger dö
liiit 12ü'2, l. hei/ was man größer ti^te an dcti von Biirgonden vant
XV 1602, i.
Man sieht also, wie der dichter, nm eine Vorstellung von des
feinen formen dieses hoflebens stu erzeugen, einerseits immer wider die
formen als solche vorführt, anderseits uns unablllssig auf die feinheit,
die bei der .lusfübrung derselben beobachtet wird, nachdrücklich blo-
wetst. Aber auch was dieses leztere betrift, so wendet er vorwiegend
die ulgemeinen bestimmungen an stelle der bezeichnenden handlung an.
Fasgen wir dieses alles zuBamiiien, »o müssen wir über die Stel-
lung des dichters in der entwicklung der hdÜachen poesie folgender-
masKen urteilen. Der dichter will hotisclies leben zur darstellung briageu,
er weiss sclion von demselben und ist dafür «inguuomuien , aber er kent
es nur aus der ferne: seine erfahrungeu darin sind noch nicht so
umfangreich, dass er seiner iihanlasie eine genügende fülle von Vor-
stellungen zugeführt hätt<>, um bunte, wedisetvolle bilder des hOfisi^eD
lebens za entwerfen. So erhalten seine Schilderungen eiuerseit^ etwa»
gleicbföroiiges, anderseits etwas gesuchtem, da sein boatreben, höfisch
DITTBNBBBOBB, ÜBRB CAB8AB B. 6. BD. HOLDEB 241
ZU sein, zu oft und auch an nebensächlichen umständen sich geltend
macht. Es fehlt noch die Unbefangenheit und frische der eigentlichen
höfischen dichter, welche dem sie umgebenden schönen dasein mit voller
seele sich hingegeben haben und ihrer freude daran fast unwilkürlich
in ihren dichtungen ausdruck geben.
Ein solcher dichter muss entweder einer zeit angehören, wo das
höfische leben noch nicht in seiner ganzen reichhaltigkeit oder zu einer
solchen geltung sich entfaltet hatte, dass es auch den vorstellungskreis
der dichter beherschte, oder er muss einer landschaft angehören, in
welcher das höfische leben noch keinen rechten boden gewonnen hatte.
Berücksichtigen wir diese beiden forderuugen zusammen , so werden wir
auch hierdurch hingewiesen auf das ende des 12. Jahrhunderts und auf
Ostreich. Am Wiener hofe scheint die volle höfische galanterie und
etikette nie so ganz durchgedrungen zu sein, da in Ostreich in folge
seiner läge wie bei dem naiveren Charakter seines Volkes die Verhältnisse
flir die entwicklung des feinen ritterlichen geselschaftlichen lebens weniger
günstig waren als im westen und in Thüringen.
MOHLHAUSEN I. THÜR. EMIL KETTNER.
LITTERATUR.
C. Juli Caesaris belli Gallici libri VIT, accessit A. Hirti liber octa-
YQs. Recensuit Alfred Holder. Ereiburg i. B. und Ttkbiugen 1882. Aka-
demische verlagsbuchbandlung von J. C. 6. Mohr. 396 s. 8^
Obwol drei neuere ausgaben des bellum Gallicum mit kritischem apparat
(von Nipperdej, Frigell und Dübner) existieren, so komt die vorliegende dennoch
einem lebhaft gefühlten bedürfhisse entgegen. Denn abgesehen davon, dass Nipper-
deys grössere ausgäbe längst vergriffen und sehr selten geworden ist und auch bei
den beiden anderen äussere gründe einer weiteren Verbreitung im wege stehen, ist
auch von keinem dieser gelehrten die au^abe, aUe überflüssigen handschrifben aus-
zuscheiden, von den für die textesgestaltung massgebenden dagegen absolut zuver-
lässige und genaue collationen zu geben, in vollem umfange erfült worden. Dies
hat sich Holder vorgenommen, und bei seiner bekanten akribie und seiner reichen
erfahrung im handschriftenlesen dürfen wir dies buch mit dem vertrauen zur band
nehmen, endlich ein ganz sicheres fundament für die tezteskritik des Cäsar gewonnen
zu haben. Wenn ich dies als das hauptverdienst der arbeit bezeichne, so soU damit
keineswegs geleugnet werden, dass auch die gestaltung des textes mit gewissen-
hafter benutzung der leistungen anderer und mit besonnenem urteil vorgenommen
ist, dass sich dem herausgeber im ganzen ebenso wenig wUkürliche neuerungssncbt
als ein ängstliches und vorurteilsvolles festhalten an jedem buchstaben der Über-
lieferung vorwerfen lässt. Druck und papier sind, wie bei aUen neueren Unterneh-
mungen der rührigen Verlagshandlung, vortreflich.
HALLB A/s. W. DITTENBISBOEB.
SB1T80I1R. P. DKUTSCHK PHILOLOOIB. BD. XV.
16
tsleudzk Aevontyri. iKlimdische logenden nuvcllen und mirtibtii
lierftusgeguben vod Hugo tierluf. Erstär Ijandr Text. lUlte n. S., Bodi-
banOliing duä WaiseohaoHüs, l88Si. XXXYIII, 311 ü. 8« Jt 5,t0.
Durch di« Horgfältige samlung, lieiea ersten band ich vdrläafl^' kura aueign
IKüulitu, indem icb nian eingcliendore bcsprecltimg bis zam ersuheitieD des iWOiMn
iiurUcIclialte, bat Gering eiu neues gebiet der islnDdischeu litterariAchiin Utigkdt im
niitt«l<ur dem studimn zugänglith gemacht. Isländisch sind die legenden, novall«n
und schwanke — kztersr ausdruck suheint mir den vuriug zu verdienen vur .ml^
eben" — , die teftnljfri der vorliegenden gamlaug (reilicli nur der spraclui UHh.
Ihrou atuffen naeb sind aie graste ntcil ei, wenn aueh nicht üusnohmslus, intematiulial.
Allein äe waren jchen deswegen uiner veiütfuiitlichung, auch vuia litteraturguaclilolit-
liuben standjiunkb) aus gvsulicn, durubaos wert, weil Bio, wiv es den auBohein htt,
Kum teil naüh verlorenen aaalSndiduhiin quellen iLbgeCssEt aiud. Audurariieita lisd
auch die wfmt$ri von beträclitlicliem wert« für unsere kentnis des islündiechen wott^
ttohatzes: sie enthalten eine xiemliehe aiizahl von ausdrileken , die in den Wurtei-
bächern fohlen. Beide punkte solten hier nicht erörtert werden, da der hcrausgebar
einen zweituu band, der die annicrliiuigen und ein ausführliches gtoasar bringen
wird, far eine nahe üukunft in aussieht gestelt liat. In den anmerkuugen wird ober
die quellen der cinieluen atfivke und Über verwoute enählungen anderer litteratar«a
gehandelt werden. Uiu bekanta eorgliilt dos verfasaurs, suwin diu unterntützuBg'
Reinhuld Kohlers sind uns bärge für die reich haltig keit nud den wert derselben.
Der vorliegende ersta band enthält den t«xt von 4d lügenden urid 44 kleinna
aovellen und erx&blongen, von denen äS aus der OiBcipUna clericaÜB stammeo
Datu kommen noch 8 tragment«. Vuu diuxeu IUI stucken waren bisber bloss oean
veiSfFentlicUt , welche ich xur leiolitercn thorsicht hier insaimnenstetle:
Nr. 8 «f MarixUino pd/'a: Heilagra mauna sögnr [Chrietiania 1677) I, TU
—7101 vgl. Postola sögur (Christ. 1874), s. 467 ff. [Möliius, Veraeichnies b. ää).
Nr, 11 fird Karlamagnüni: KarlaniogiiDs sitga udg. af C. E. lingor (Cbriat.
ISfiO), «. MI — 47. Jeduch beruht üngers text aujjseblieselich auf zwei papieriuuid'
suhrifton, während Gering fUr den anfusg die pergamenthandBuhriften cod. AH 657 B
4" und uod. AU 238 fol. benutzen kontc (vgl. Cederschiöld , Germ, ib, 141 and ÜeriiiK
s. XXXll f.).
Nr. Vi af ägimd Abnalont erkü/inkups ok af eiiium Itimda: Furnmanna c&|pir
XI.44U-446 und in G.VigFüssoos leelundie Prose Reader (Oxford 187»), >. 284-830.
Nr. 23 JÖTiaP^tT Uithtpv HaOd^anunvr : Biakupa sügur II. (Kph. 1878), 2S3-a80-
Nr, 34 af lÄskujn ok püka: Pustula »ögur (Chciat. 1874), 6. 383—389.
N'r, 79—82 in K. Gislasons 44 Prover (Kph. 1860), s. ilO-48fl.'
Alles Gbrige Badet sich hier xum ersten male godrackt. üb^r die beaaztdi
haudschrift«n — 19 im gauxen — gibt dio vonede (N. VUl — XXXIIX] die oöüg«
aiiskunft. Die hunptsäcbliclutu ausbeute gewährten zwei amaoiagnlUsche niembnuMD
nnd eine ritoukliolmer papiurbandsuhrift. Ein teil dos maUrials wnrde dem faenns-
gubcr von Möbius flberlassen , das meiste hat er jedoch selber abgcseli rieben oder
abactiTeiben lassen, nnd olk abschrift«n giad nachträglich mit dun buudaehriflMi
Vergliohen.
Die teite sind normalisiert, und «war naeh mawgabe der ältcreu teile du
od. AU 667 B, 4". Diese handsohrift, deren Inhalt O. Coderachl&ld, Germ. 25, 189 C
v«Tj!«icbuet hat, besieht aus bructutückon vuo twei Iih-, von denen diu altnrn (TOn
1) AuB)crd«m dai Furväli A (Dacb Cod. AH 667 B, 4") in der •'iiiUituiig tu
l-'i^üarBehiiilili ausgäbe der Cluru* 4afa (LuuJ 1SI9)> *. lU-
&BBB GBRIN6, tStBNDZK ASVENTYBl 243
Herausgeber mit B bezeichuet) der mitte des XIY. jahrhs, die jüngere (C^) dem
ende des XIY. oder dem anfange des XY. jbs angebört Die Orthographie von B
ist ausführlich von Gering besprochen (s. Xni — XXIII), welcher mit recht bemerkt,
dass sie überall noch die traditionon des XIII. jbs erkennen lässt. Dennoch hätte
meiner ansiebt nach die entscbeidung für die rechtschreibung dieser hs. bei sämt-
lichen texten einer eingehenderen rechtfertigung bedurft. Die durcbführung einer
normalisierten Schreibung war allerdings hier ebenso geboten, wie G. sie in seinen
ausgaben der Finnboga saga und des Olkofra pättr mit recht gemieden hat. Ich
weiss, dass diese leztere ansieht nicht von allen geteilt wird,^ allein über die Zweck-
mässigkeit der normalisierten texte der vorliegenden publication wird es kaum streit
geben können. Yen den hauptquellen ist die eine (Cod. AM 624, 4°, von G. mit A
bezeichnet) erst um die mitte des XY. jbs geschrieben und zeigt im lautstande,
der formenlehre und dem wortvorrat schon vielfache annäherungen an die neuere
spräche Islands (Gering s. IX f.) ; eine zweite, der Cod. Holm, chart. 66 fol. (a), ist
im jähre 1690 geschrieben; und auch der jüngere teil des Cod. AM 657 B, 4^ zeigt
bereits einen „etwas verwilderton Charakter** (s. XXI II). Es muste also eine ein-
heitlicbe Orthographie gewählt werden, zumal der herausgeber mit recht bei den-
jenigen stücken, welche in drei alten, von einander unabhängigen hss. überliefert
sind (namentlich nr. 81, 1. 2. 82) den versuch einer kritischen reconstruction des
archetypus gewagt hat. Inwiefern nun dieser einheitlichen Orthographie die hs. B
mit recht zugrunde gelegt wurde, muss eine Untersuchung über die zeit der ent-
stebung der samlungen lehren, welche in diesem bände vereinigt sind. Yermutlich
wird der zweite band hierüber näheres bringen. Dass die ältere samlung des Cod.
657 B, 4® vom bischof Jon Halldorsson (1322 — 1339) aus dem Lat. übersezt sei,
bat Cederschiöld , Germ. 25, 130 vermutet, weil die von Gering auf s. 3 gegebene
Torrede (formdU Ä; Cederschiöld betrachtet sie als „nachrede**) unmittelbar auf die
Clarus saga folge, welche wahrscheinlich von dem bischof übersezt ist (vgl. Clarus
saga ed. Cederschiöld, Lund 1879, s. II). Allein jene vorrede bezieht sich wol eher
anf die Übersetzung der Disciplina cloricalis des Petrus Alfonsi , welche sich ursprüng-
lich in der hs. an sie angeschlossen hat (Gering s. XII. XXX).
Die textesberstellung gibt mir zu keinen bemerkungeu anlass. Wie in den
früheren arbeiten des herausgebers erhält man auch hier den überaus woltuenden
eindruck äusserster Sorgfalt. Wo mehrere hss. vorlagen, ist in jedem einzelnen
falle mit umsiebt verfahren (vgl. nr. 11. 16. 17. 23. 24. 26. 78. 81. 82. 83. 90). Im
übrigen ist vieles glücklich gebessert, in den aus a aufgenommenen stücken nament-
lich nach dem lat. originale, kleinere lücken sind in eckigen klammern ergänzt.
Auf einzelheiten einzugehen unterlasse ich, so lange nicht die aunierkungen und
das glossar erschienen sind.
Ich berichtige schliesslich einige versehen der vorrede. Auf s. XXYIII findet
sich die angäbe, die hs. H (Cod. AM 764 A, 4«) sei vom herausgeber „nur für
nr. XXIII benuzt**. Dagegen ist nach s. 24 das stück 7 (af Tiberio keisara) aus
dieser hs. aufgenommen. Wo steckt das versehen? — Auf s. XXX, z. 6 v. o. ist
in der angäbe der reihenfolge der in a erhaltenen afitityri das stück LXXYI (s. 198
— 200) vergessen. — Nicht ganz genau ist die bemerkung auf s. XXXIY „dagegen
erwiesen sich in nr. LXXXI, 1. 2 und LXXXII neben C die handschrifton FL als
gleichwertige, unabhängige repräsentanten des archetypus**, denn nur das stück 81,
1.2 ist in CPL, 82 dagegen in CFG (und a) überliefert, vgl. s. 232.
1) Ygl. diese Zs. 11, 373 und Gerings bemerkungen in den Beitr. zur deutschen
phU. (Hfdle 1880), s. :) f.
Da«s man dem iweiteu bände des iutoresa&iilm «erkcB mit dvn betten Nwar-
tiiu);eD eutifcgenaehon darf, liraoclie ich nitch dorn gesagten nicht AuddrUoklicb li«r-
vorxnheben, Meise besten wünsche begleiten den heran sj;eber bei der Tollendung
einer arbeit, die sich durch ruhige Sberle^ung und sortcHiltige feile vorteilhaft au»-
xeichnet für andi^ren deutschen pnblioatianen auf altn. gebiet ans aJlemenratcr Mit.
we]clie. f&r den anßnger bestirnt, dieaen dunsh unklare und apranghnfte dnTHteHitng
mehr verwirren als fördern mSasen.
1. J
18S3.
Altboi
*
iches lesehiich. Zasammengeittell t und mit ^losaar ver-
sehen Ton Wilhelm Braune. Zweite aufläge. Halle, Niemejer 1881. Vni.
228 BS. 8". Preis JH 3,
Die Sprache und Litteratnr BentschlaDdi bis zam xwjilften Jahr-
hundert. FCr Vorlesungen nnd zum gelbstantiTricbt bearbeiUit von Dr. PmÜ
Piper. Erster Theil*. Litteratnrgeschichte und Grammatik des AltliuchdentMlini
und Aitsänhaiscben. IX. 471 ss. Zweiter Theil; Lesebuch des AltbochdeutaohAti
und Altaachsischen. VItl. 256 es. Paderborn, Schöningh, 1880. Preis jn.M.
Über die anläge des Brauneschen althochdentseben Ipsebuehs, doucn iwidt«
aaflage rasch auf die erste (18T5) gefolgt ht, sind die leser dieser zeiUohrifl bereite
durch die eingehende besprechnng von K. Zacher |bd. TU. 459—456) uii1«ni<liteL
Diu auKwahl der texte iat in der neueu aiiHagc ira wesentlichen dieselbe geblieben.
Hinzugefügt sind die ven Bsruck aufgefundenen beiden gedichte, Memonto niori uud
Ezzos gesang nach dem Strasaburger fragment. die Hanielborger nml Warxboi^r
markbcschreibuDgun (der eigeunameii halber) ; die stBcke ans Isidor oind etwas ver-
mindert, die Auswahl aas den Fragmenta theotisea nach den Friedländ ersehen ent-
deckungen etwas verändert worden. Zu einem cspitel ans Isidor und lur EihortaÖo
sind die Ist. teitc hinzugefügt, entsprechend einem a. a. o. geäusserten wuna^e,
ausserdem ist die lateinische xuacbrift Otftids au Liutbert in die aninerknugen aaf*
genommeu. was sehr xn billigen ist Teit und glosiar sind im wesentlichen die-
selben geblieben, nur das« im leztemn der Wortschatz der neu aiifgenuromenen stQekD
und, was der an^ger besonders dankbnr bcgrftssen wird, der des nioderdeaUeheii
anhange volstSndig eingetragen ist. Lücken sind dem ref. nach längerem gobraaclie
des bnchea nicht aufgefallen ; doch m&gen ein paar andere punkte aus dem glouaf
hier noch gelegentlich zur spräche gebracht werden.
In der einordnang der mit tonloser partikel beginnenden coniposita Ist der
Verf. nicht ganx nonseqnent gewesen; wAlircnd er im algnmeinen nach der tonsüb«
ordnet, finden wir f&llo wir äbölganhid s. 1G8, antgÜnmla 170 unter a, fbr^'fom
183 unter f, wShrend irbolgorio ndr. 173 unter h vcneichnet ist FDr eine nena
aufläge würde ck sich empfehlen . liier volle cunsngueuz bermstcllen, oder doch Ter-
weise einiufügen, wndnrch x. b. in den gegebenen fSIIen die xudammengebörigkeU
von ^HilgaiMd nnd irMgono, anitAwnia und ahd. »ihauo s. 20ti xufurt hertor-
träte. S. IPi!) h&tte unter nltiA vielleicht neben ags. tiM auch got. iifAs gnnda
wegen ueines a1>w><irhenden geachlechtos mit vorteil «ngeftihrt worden kODiieii.
S. ITO wird antltUti, antluMt mit gut. aUls etc. Kasammeiigcrtelt, Mass man nicht
vielmehr in anttiitti diu gut. ludja, alt«, lud erkennen, nnd in den foniien mit a
eine Umgestaltung ditMi.T bildung dnrch dun einfluts einer in Ihrer reinen geatolt
verloren gegangenen ahleitnng von «rfitnn, wie ags. ondteliota'f — S. 171. ».4L
äilmn. Ebenda wird «. v. irhntim die alle erldimng widergegeben . wouacli die*
ÜBSB BRAUNS, AHB. LBSBBÜCH 245
yerbam eigentlich „beissen, weiden lassen^ bedeute; vielleicht denkt man aber rich-
tiger an ags. bdttm „zäumen*', so dass irbei^^en eigentlich „abzäumen ** hiosse; so
komt auch die präposition ir- besser zu ihrem rechte. S. 173^ dürfte als älteste
form nicht sowol bruHhen als bruhhan anzusetzen sein, da das präsens dieses ver-
bums ohne zweifei ursprünglich stark ist, wie bringan; alts. ags. brucan im verein
mit dem mangel des umlauts im hochdeutschen beweisen doch mehr als got. brük-
Jan, — S. 174*» sind thanän, thanana und thawne zu einem artikel vereinigt, was
gewis nicht zu billigen ist (wie denn Braune selbst htoanän, -cma von hwarme
trent). — S. 177* wird ein fem. ebana, ebina angesezt : ich weiss nicht, ob auf andere
bel^e gestüzt, als Otfrids mit ebinu, welches wie mir scheint von Kelle samt dem
dativ zi ebine, mit ebme richtiger zu einem stn. &fmi gestelt wird. — S. 178^ sezt
Braune entert als f. an, es könte aber auch stn. sein (so Kelle). — S. 179^ wird
fangan neben fähcm doch wol nur auf grund von fangentemo s. 22, 14 angesezt;
im text hat Braune selbst mit recht die notwendige besserung fräghntemo aufge-
nommen; fangan im glossar ist also zu streichen. — S. 180 '' fers m.; in der älteren
zeit scheint das wort vorwiegend n. zu sein; jedenfals muss schon wegen Otfr. I,
1, 44 (Braune s. 89) das neatrale geschlecht mit angegeben werden. — S. 181* unter
viginscapM 1. fiantacaf; ebenda fehlt n. hinter fUz-hus. — S. 182'» bringt unter fUtoh-
hSn auch ,,got. flekan*^; es genügt hierzu auf Braunes Got. gr. § 179, anm. 4 und
Bezzenberger, Got. .4 -reihe (1874) s. 56, anm. 4 zu verweisen. — S. 182 '^ 1. fräno
statt frano. — S. 187», z. 10 ist 13, 20 statt 13, 18 zu lesen. — S. 194 »» hat sich
•Braune wol durch die bemerkung Scherers in den Denkmälern s. 632 f. mit dem
verweise auf trahta trachten, Graff Y, 514, verleiten lassen, crücithrahto in der
LoTscher beichte mit „trachten nach dem kreuze" zu übersetzen und mit Scherer
zu trahta einen ganz unglaublichen nebenstamm auf -t anzunehmen, während das
wort doch offenbar gleich mhd. kriuzetraht, kreuztragen, ist, wofür das mhd. wb.
III, 78 f. und Lexer I, 1743 hinlängliche belege geben. — S. 197 lies Ud n. statt
Ud m. und got *leißu statt leißua, vgl. Graff II, 192 und Gallee, Gutiska I, 38. —
S. 202 ist mtmtburt wol als f. anzusetzen nach alts. mtindbvrd, ags. mundbi^rd, —
8. 218», z. 10 v.u. Für got. *8taß{8) ist das geschlecht nicht belegt. — S. 214»» 1.
sistrutten, zistruddan statt zistntten, zistrudan (wenn nicht etwa das u lang sein
Bolte). — S. 217 wäre besser trittwa, gitriuwi als älteste form anzusetzen gewesen,
statt triwa, gitriwi; bei hrtuwa s. 189 nimt ja auch Braune die gruppe iuw wie es
scheint als ursprünglich an; und dass got. iw und iggw auch im deutschen geschie-
den waren, lehrt ja die verschiedene behandlung von werten wie deo, kneo einer-
und von triufjoa, hriutoa u. ä. andererseits sofort. Bei irüwen etc. würde ich (wie
Braune dies auch bei büan s. 174* tut) umgekehrt lieber trüen voranstellen, da
gerade die ältesten denkmäler das w nicht zu haben pflegen (Paul -Braune, Beitr.
VI , 569). — S. 218 ^ wäre umbitourft trotz des dativs umbittuurufli Rh (Ahd. gll.
I, 541, 42) doch nach ags. ymbhwyrft vielleicht als m. anzusetzen. — 8.219^ 1.
%mkund statt unkunt, vgl. kund s. 194 *».
Zwischen die beiden auflagen des Brauneschen lesebuches fält das erscheinen
des handbuches von Piper, dessen zweiter teil, das lesebuch, hier im anschlusse
an Braune zunächst besprochen werden möge. Das werk ist im wesentlichen dem
Braunes nachgebildet; insbesondere folgt Piper seinem Vorgänger in dem praktischen
verfahren , im glossar den ostfränkischen lautstand zu gründe zu legen. Die auswahl
der texte ist selbstverständlich im grossen und ganzen dieselbe. Zweckmässig
erscheint mir die, sichtlich Müllenhoffs Sprachproben nachgeahmte, stärkere heran -
Ziehung urkundlicher namensamlungen , zweckmässig auch die ebenfals nach Müllen-
316 sisvma
hiifls vorgungL' eingeClthrtc nebuneinnndorstdlluug i-ntspreuhendet stödiu kil* dui
Monaeor fnigroentüti ond Tatiati In iiamll «loa I immun. Dagegeu nürde ni&ii du
etüuka aus dem Aniioliod . der Wienur GeiieaiB und das Melker Harienllid ulviii> scludaii
eutbehroo. Ist somit was d«u tituff anlangt, Piiiere buch ebeoM briiuelibar &ls daa
Braunes, »o nteht vb tin it&uberkait der ansflthrnng w«it hinter diasum zurück. Dia
bei P. berdchendu iiiigonituigkeit der quellen nidergabe berührt aber aiu ho widrigM,
Als der Verf. dnrch die für die zwecke eines bandbiiiihes innist ganz fiberfl&iiEigo
vorzeicbnuDg von luinutioD der btuidachriCtliiben überlieferting {wir corrcuturcn nnd
TMinri'n) den schein einer ungewöhnliuh surupulnsen Burgfult i^rwockt. loh will »10
belege die rcsultatc einer vergleidiung der stücke aus der Benediutini!rr«gel (4'/*
cvlumnen), Isidoi (B' , seit«») and den Ujuinen (b eulauineu) mit den urlgin&l«n
heraetsen. Bcnedictinurregel: 27,10 lies giv für jfiu. 2S 4ali»uaitö f&r «ä-
hwutö, 28, 1 tni»nlih/ui tfii tnisfilihc, !t itesero nir ikttTt, 29, 1 farlaiusuntt fb
farlatuanU, 31 etlo fQr diu; dazii ao falschen quantititen 37, ISl pliv«« atatt pU-
vve», ä7, '20 kruuähhete (ao s. S5B bericlitigt für heuu«iAA«t« dea toites) statt knuuilh-
hete, X7. 29, ä8, 31 tmiRiianf, 37, 31 uutmnanl statt »iiäntuifti et«, (im glo«Bar faUt
das wort), 30, 12 vriui statt iviati (xu 30,34 ist derselbe fehler s. 3&6 bnriobtjgt);
31, 7 ieduht statt ktdiht, 13 iuKmA/ui» statt intlühhan; falsche vrortabteilungen;
^, 'M cot ckunäUhlui für cotclmndllhho divinitas, äU. IS iiankan^anU statt ccon
kanffonU sed aiiibulantuB, 30, 30 /i(u »prahhu statt filusprähhit multiloquto. Kemei
ßnde icli 27, IS die abküranng k aurgelQut durch ikcHiiMso, sonit hewiniio; and in
sonderbarem widersprach zq des tcrfaii«crs soastigor maiiier stvbt Heine gowotmlielt«.
nicht ausgoach rieben 0 werte der hst, einfach lu ergänzen, ohne die handschriftUcbo
lesart kentlich zu machen , sobald nicht anndracklich ein ab kürtnngez eichen ataht,
So wird z. b. zwar kmviiwu gesezt. weil die hs. k hat, aber 27, 33 m\midwt, 29, 14
trxAtfn ^hiuiidit in einfachem antiquadruck uhne kuntlichmachung der iirgEnzang,
obwol die hs. nur diu endungen cko, (in, dU bietet. ~ Ähnlich iüi Isidor: ä4i9
lies gkvUtiUkht fär -UiAe, 11 hhrAuomt für herduomf, 14 IiiAAc für tnA«, 16. 2i Mr<
(fwm fQr her-. Vi ehibot für ^ol; 35, 3 oh fttr of', 31 ^muatliUiho ßr ernM«diM(>>
SS offariiihhö^ für -tttAwf; 34!, 4 dhoj» fQr «ttasf, 23 miti dir en'k, 30 ^r Oi fr;
97. 1 fnAU für ItAi, 11 cirin fUr ö-rm, 29 f >iAtJt f^r fdhüi; 3», 10 ->rAt> ror-oM,
17 guidkit flir quhidit, 19 A«brin«cAin Ar hebraruiJuu, 31 aerdh- ftvr iwrd-, 39. i
cAunne fkiichi» für cAunnra fintche, 10 rühhcn fQr riihes, '21 noh für im; 41), 1
UHUxsiTitti für uuunnttn, !> («vuin für mnti», 15 fuun fflr cu4r, lä riiA/ie fhr niA^
37 riihhviön f3r rühisön, 30 er flir er, H orm^i^rin für -/wrzin: 13, U frwtttnak
für er-, 16 atrlühho iru statt lurlnho ff«, 19 «frrmscfttrt für ebriritchin. Unter diatui
fehlern iat besonders die gänzliche nichtbeachtung dea ; iii rtlgen, das doch (^imaii
danaolben wert hat wie •" uod oe, udiI bei Isidor deswegen sprach g^scbichUieli
boBonders iutereasant iat, weil es lieweiat. dnss schon (Inntala das ai>genfinte grtiru-
uhene e den iifToDeu ä-laut gehabt hat; s. die beiBpielu bei Weinhold )>. I>S f (m
fehlt daselbat h. 63 ^ruairdkic 39, 24): die beiKiiiels tBr re, ae in dcntäch«n worton
iind «er 1 1 , 7. 28. 17. 4. 21 . 19, 23, 9. 27, 23, maer 25, 20, orrliAho 3», 18, «r-
UMm 41. 2, aeruttirdighiH 39, 28. -irkti 29,14; es steht also der 0-Uut einmal
(wie in Pa. etc.) tHr den ans ai contrahiertcn monophtliongen , sodann aber, mit
einziger ausnähme »u» ^dfiüi 27, 27, neunmal flir i (douu *nitis(- »ird von Wein-
hold a. B. 0. mit unrecht rntn umgelautotun e gesielt. — liam. unklar Int mir dsa
verhiUtnis Pipers zu der collati«» Külbjiigs. Fünfmal aezt er lounngen K&lbiuga, I
nie ea acheint »Ih conjertaren, in den Icit (34, 30 dbes, 35. 22 dhrortindiu, 28 Ittngb«,
37,9 üSB, 3»,S gheba) und bemerkt in den Varianten die abweichenden toBungea
ÜBKB PIP£B, SPRACHE DEUTSCHLANDS 247
Holtzmanns, dann lasst or wider die 39, 17 in üzsonöndem die falsche lesang im
texte stehen, und merkt au, dass Eölbing uzssonondem liest; 39,20 schreibt er
endlich im text antdhecchiteTO ^ dazu wird als lesart ohne weitere bemerkung der
t d
hs. antdhec cht. dero angegeben, obwol Kölbing ausdrücklich antdhec chi. tero als
lesung der hs. aufführt. Sonst merke ich an die falschen circumflexe in psalmscöf-
(fes) 38,30. 42, 22 und smalero 41,27. Auch fenc ist nach isidorischer Schreib-
weise zum mindesten nicht wahrscheinlich. Da mir das princip der quantitäts-
bezeichnung im Isidor noch nicht hervorgehoben zu sein scheint, so will ich hier
in kürze einige statistische angaben darüber machen. Die regel ist, dass langer
Yooal in geschlossener silbe durch doppelschreibung bezeichnet wird, in offener silbe
aber einfach gesezt wird. So zähle ich in geschlossener silbe (auch im wortinnern
vor doppelconsonanz , wie in boohhum, riihhes etc.) 16 oa, 112 «t, 7 oo^ 5 uu,
zusammen 140 doppelschreibungen in geschlossener silbe; für langes e wird in
geschlossener silbe ae, ee, ^ gesezt: die ligatur oder die combination der beiden
zeichen gilt für hinlänglich um die länge anztizeigen; so kommen noch 22 beispiele
zu den obigen 140 hinzu; dagegen finde ich sicher langen vocal in geschlossener
betonter silbe nur 21 mal nicht bezeichnet; dazu kommen allerdings noch zwei belege
für herro, wo vielleicht bereits Verkürzung vorhanden war, zwei für uph, dessen
quantitat obenfals nicht sicher ist , und 6 für den enklitischen dativ. pl. dhem. Das
Verhältnis der doppelschreibungen zu den einfachen ist also ungünstig gerechnet
etwa wie 6: 1 (dagegen finde ich in offener silbe nur 31 doppelschreibungen, dar-
unter fallen 19 auf die kurzen wörtchen see, sii, dhrii, denen man durch die dop-
pelung offenbar etwas mehr körper geben wolte). Wenn nun Isidor ausnahrolos
fünfmal fenc schreibt (Paul -Braune, Beitr. I, 507), so ist damit für ihn die kürze
des vocals erwiesen. — Ich komme endlich, mit übergehung einiger punkte, über
die sich streiten liesse, zu den Hymnen. Hier ist zu lesen 8, 2, 2 tak für tac,
10, 1 farlihc (imperativ!) für farlihe; 19, 3, 4 sigouudUo für -tMoita (das leztere
ist druckfehler meiner ausgäbe, aber s. 105 von mir berichtigt) , 7, 2 chmiedan für
ehuedan, 12, 11 iwte für inti; 24, 10, 1 simblum für simblnm; dazu sind wider sechs
nnausgeschriebene werte ohne andeutung ergänzt.
Wenn ich hinzufüge, dass das glossar an ähnlichen mangeln leidet wie der
text, so kann ich mein urteil über Pipers lesebuch nur dahin zusammenfassen, dass
demselben die notwendige philologbche akribie fehlt, zu der anzuleiten (das buch
ist für studierende bestirnt!) eine der hauptzwecke und hauptpfiichten des akade-
mischen Unterrichts ist. Was würde wol Piper sagen, wenn er fehler wie die
gerügten bei einem andern nachweisen könte?
Ich gelange endlich zu dem ersten teile des werkes, der littoraturge-
schichte und grammatik des althochdeutschen und altsächsischen.
Während seit dem erscheinen von Braunes ahd. lesebuch ein bedürfnis nach einem
neuen werke derselben art nicht vorhanden war, so gehörte in der tat eine die
massenhafte und zerstreute litteratur über ahd. nach einheitlichen gesichtspunkten
Zusammenfassende arbeit zu den dringendsten bedürfnissen unserer studierenden.
Der plan dieser abtcilnng von Pipers werk ist also ein sehr zeitgemässer, und es
kann dem verf. auch das lob nicht versagt werden, dass er mit unverdrossenem
eifer die litteratur, die ihm zu gesiebte gekommen ist, für seine Übersicht excerpiert
hat. Das buch ist also brauchbar als ein repertorium über die verschiedenen mei-
nungen, welche bisher über die einzeliragen der ahd. resp. alts. litter aturgeschichte
und grammatik aufgestelt sind. Aber gerade die art der repertorisierung, welche
der verf. befolgt hat, macht den nutzen des buches in den bänden von studierenden
■jiH
siKmBS, Ohkb pipkr, spbachk dbi:t«cb[.a-iii6
wliler llliisurisuli; ijcnii nirgriidH findi.-t Hich ciii einigermaeBcu cinlioilJicbor stMil-
[•uiiltl diirrliKefflhrt, dor n» liem IcTnendcn ermöglichte, gIcI) in dein ^winv der
*or)[atriticen<^u mcinuiignu innicht zu finden. Dub di^iii verf- anaaer ßr OIMd setk-
Ntindifco Mtnlungen »af nhd. gebiete niuht xu gebule gestauden 2a hithcn «cheineD,
iUm wir alMu nicht ein« Übersicht Über da« za behaudolndc gesiuiitg«biot bcliuni-
iiien, aondiTti oinu üburiiiisht Über diu in der Utteriitur xufUlig nnd ran den ver*
«vhi»deiut«u »Undpiiukton au« bnreits bea^bc^il«t«n teile, ist Mbon von St«tnidB]«T
hervorgnlKibcbn worden. Vkui wiiuint'lt du buch an tahlloKcn ungeaauiglieiten oder
undeatliohkuituii liu einxetnen [tu denoo, beilltuflg bemerkt, die üuBBorHt salopp«
■vbrelbweiau dos verfAsaera nicht wenig beitrügt).
Ein oliaraktortatlachi» beiapiel von der art des Torrasaera, widersprechenda
illnge mit oinatid«T zu mlso1ii:'n, aeigt sieb t. b. sdion auf a. 'i. Dort leaon wir;
.Da« gurnianiBcbo unterscheidet aich ... von den urverwandten sprachen dnrch . . .
dm vokallsolii: anHUubigflaatx (wolcfaea aber auch erat (!) in den einzelnen genua-
ni*r,beii aprachoii wirkt]." Wonii da« vocaliachc anslautageaetx , oder riidnehr die
■iialaatagiiaatxu , erat in dun ei nael spräche n wirken, ao geboren sie eben nicht m
■l«ii obarakteriaticiii dea gennnniaoben. Oder meint der verf. etwa, daai auch naeli
dem sintritt des algonieiDon germ. aaaUutageaetEes einEelne vooale in den etoMt-
apraclitin furtKefallen seiun, die das germnniaehe nocli baaaaa? Dann gehört die
vrwiUinnng diuasr tataauhc erat rouht nicht hierher. — S. 6 berichtet: ,Die West-
gutoii beuutai-n diu rununschrifl . wie das Tondernscbc taoni, der Bokare^iler ring and
vlii Sobiiuuiiacliur brakteat beueiseii." Ah«r was haben denn das erste und daa dritU
dieser denkinftler mit den Westgoten xn tnn? Im engen ansclduss daran wird »af
deraelben »^iU^ ii« alte lehro von der entwiekelung des runenalpliabeta von M leielua
aUB dnin von nur 16 leicheu mhig wider vorgetragen, von den abachlieMandan
untonuchuugcn WJmmers idt nicht «inmal die rode! — N'adi s S tollen unter bera-
fung BQf Ohrinffa abhaudlang in dieser is. vn. 378 S. (nieht VII. 36. wie IHp«T
dmekt) die gotischen geistlichen äuqja and Fri|>ila „den Hieionjmus um rat wtgim
einrir geplanlen jiealiui'nüberaetxung* angegangen haben: aber davon atubt nioliU tn
dem briet« des Hieruntnius, es handelt sich nm «ine. wenn auch noch ■<
vemiatung, nnd das bütt« aDgi<deut«t werden mtkasen; vielleicht soll du .
eiD paar aeilen vortier das audiikcken, nur wird niemand, der den saekterlil
kent, daa aoa den wurten heiaualeaen. ~- S. IS erfahren wir, data in C
dec nnlant noch nicht so gewirkt hat wie Im ahd. — S. 13: .Fortaa |
41*m beiden dlalckte (hodi - unJ Dtederdvqtaeli) «tc gveonderte «fnekta \
«Inuider her, and daaa dioM iprachliehc Mibudtuig aoch nno politiicbe mtfi
Ui («telf« hktta, nigwa dl« SaebMokriege Karla.* Saite da« wirklich der n
MMalMait der diage aeiaT — Ick Uittere aab gnatewol na nnd rtn— e i
gehfmtbtti Je* laider esf die BMdcvtei« beaeffckng, iaaa tm 1
n Uftttar« *m ranile die deutecfcc tUntUng be^geeohneba. aaf des I
4*Ar mw fnli^nm aaL Wo? bift ■■■ eolMat; mnaiet Da wv intkÜi
heU vvnkMipr. nk «r BelüBMu jiA ta*M nfacdyh* aalt .,«■ di» s«tU g*-
iibriik III' ttmerte: (a. mtk OMT to *. 4. Bafani &mm. I, K. 4as famaS» ia
«bwetw» MMcrapbie «aivwaeO« «ar im twtt <nl akte nc«a«lkb>.
Tattaa «n4n wir a. 79 brfehrt. tos Tletav vM Oapaa 4ea jeit ta PaUa \^aH-
befaea Coia geacbiiebM ^i iaaa aata» kaaa aua dach Pifm «Mt«. imm m \
V« 4« laL harMwe M6 m* itekrift nafeftict habe. afaU nntaka. Hat 4
PiKe Beb eiebl «^mI daa vw««ct ia Baakea «a« »m dtStgtti aaareb« «sCb
F%MMia m ni>ia («|mcM *. tS (.) w4«r aae* am ** «erwett TtcSaca ui
AHER8BACH, PHILOL. VEBSAML. 1882. 249
gelesen? — S. 80 wird gesagt, ref. habe erkant, dass der text der SGallor Tatianhs.
▼on 6 Schreibern geschrieben und von einer siebenten corrigiert sei ; das ist abermals
ungenau, der sechste Schreiber des textes ist der eorrector, von dem siebenten
Schreiber rühren vielmehr die Praefatio des Victor von Oapua, die angäbe der ca-
nones etc. her: was einem aufmerksamen leser der beschreibung der hs. in des ref.
ausgäbe s. 1. 2 sicher nicht entgangen wäre.
Ich habe die vorstehenden boispiele aus wenigen selten herausgegriffen , nicht
um alle anstösse zu erschöpfen , die selbst diese wenigen selten bieten , sondern nur
um eine vorsteUung von der überaus lockeren arbeitsweise des Verfassers zu geben,
die ganz mit dem mangel an akribie harmoniert, der dem lesebuch zum Vorwurf
gemacht werden muste. Widerholt betone ich , dass das buch das resultat emsigen
(freilich sehr auf das äusserliche gerichteten) samlerfleisses ist, dass es dem vor-
sichtigen und bereits kritisch geschulten benutzer vielfach bequeme auskunft gewährt.
Aber für den gebrauch der studierenden kann es wegen seiner unmethodischen
anläge und der daraus sich ergebenden Unübersichtlichkeit, und wegen der zahllosen
ungenauigkeiten in keiner weise empfohlen werden.
JBNA, 12. DBC. 1882. B. BIEVBBS.
BEBICHT ÜBER DIE VERHANDLUNGEN DER DEUTSCH - ROMANISCHEN
SECTION DER XXXVI. VERSAMLUNG DEUTSCHER PHILOLOGEN UND
SCHULMÄNNER IN KARLSRUHE,
vom 27. bis 30. September 1882.^
Die germanisch -romanische section constituiert sich mittwoch, 27. September,
12 uhr. Erster versitzender geh. hofr. Bartsch von Heidelberg, zweiter versitzender
prof. Behaghel von Heidelberg. Der erste versitzende begrüsst die mitglieder
der section. Hierauf wähl der Schriftführer: als solche werden prof. Amersbach
aus Eonstanz und prof. R. Meyer aus Karlsruhe vorgeschlagen und angenommen.
Anzeige von begrüssungsschriften : der versitzende legt 50 exemplare des 20. Jahr-
gangs seiner Bibliographie vor, welcher der section gewidmet ist; und von prof.
Funck in Karlsruhe eine anzahl exemplare seiner schrift: Beiträge zur Wieland-
biographie. Die zahl der in das album der section eingetragenen mitglieder beträgt
52. Der versitzende macht einige mitteilungen über das jezt vollendete mittel-
niederdeutsche Wörterbuch. Die section beschliesst, ein dankschreiben an das reichs-
kanzleramt und ein glückwunschschreiben an dr. Lübben abzusenden. Der ver-
sitzende gibt eine kurze Übersicht über die geschichte der germanisch - romanischen
section; das andenken der verstorbenen wird durch erheben von den sitzen geehrt.
Man stelt die tagesordnung für die erste sitzung der section fest. Schluss 1 uhr.
Erste Sitzung. Donnerstag, 28. sept., 8 uhr morgens.
Vortrag des geh. hofr. Bartsch: Die gründung germanischer und roma-
nischer Seminare und die methode kritischer Übungen.
Der vortragende begint mit einer Übersicht der germanischen und romanischen
Seminare, wie sie nach Rostock, wo neusprachliche Übungen unter Wilbrandt ge-
halten wurden und 1858 durch Bartsch einen strengen philologischen Charakter
erhielten, an den deutschen Universitäten im laufe der lezten Jahrzehnte entstanden
1) Unter benutzung der protokoUe und eigenhändiger aufseichnuogen der herren
prof. Bechstcin, archivrat Wülcker, dr. Rieger, prof. Fischer und dr. Kluge.
230
dad. Gleioh^ttg ist die art Aet beEeJnhuung , ob semiusr oder «uuietnt, loAnt-
ohon eto., triehtig dagegen der basitz oinor besouderu bibliotbek iiDtl didub BrbvJb-
limmers, In dorn dleaulbc aufgestult ist. Eine einseitige rkhtang der QbitnKOD i»X
xtt veriueidon, vor allem die nach der prahtiscbeu scite. Diese geCobr Hegt bnuo-
dera nahe in den fninzöaiaohen und engliaohen Übungen. Üai richtige i«t ancli biet
diu Verbindung pbilulugiscber and jiSdagagiscber auabildung. Für den späten) leiirOr
den Deutaobvn ist die gesisliicbtliehe entwiddiuig des Nunhocbdeatacben and das
Verhältnis x«ri«chon Bcliriftsprach« und munilarten wichtig. QrgMeru «iaseOKdi&ft-
licbn arbeiten, wie sie in den seminarou der ulasaisckcti pbilologie Bblich rind,
soltcn erst Im lezten etudienjahre verlangt werden nnd können passend der prometioiM*
Schrift oder der wissenschaftlichen arbeit beim staatseiamen als unterläge dicoeu-
Im Obtigen sind roferate xwockmässiger. — Für die textkriti«chen Übungen empfohlen
■ich einfache bandschriften abdrücke, wenn nicht die iis. selbst bcnuxt werden kaiui.
Die verschiedenen teile der arbeit sind nnter die niitglioder zu verteilen. Üi<^ tcit-
oonstitution ist von allum nnnStlgen conjicieren Areixnbalteu , alles urthogmjduscbv
bei der algeineinen Charakteristik der h8. xu geben, nickt unter den lesartuu. QegiUL
BchlnsH des Hemeaters künuen aasorboitiingun Über das duichgcnommene atatfiudtoi.
Auf diese weise wird man das erreichen, iras vur .-ülem der studierenden jugond
not tnt: methodisches arbeiten.
Der Vorsitzende teilt hierauf den leit des glL'ickwnnsch:ichTeihens an dr. lilib-
bnn mit, dasselbe wird in dieser form angenommen und von simtlichen scetionn-
mitgliedern unterzeichnet.
Vortrag von prof. Bcchstcin aus Kostock: Die Floia, das älteste mAccnro-
uische gedieht der deutschen litteratnr.
Dieses einst beliebte, öftere gedruckte nnd in ältere sauünngen aufgenommene
gedieht (ältester druck aus dem jähre 1593], dessen deuteche bestftndteilü nieder-
deutsch sind, wurde sowol von Genthc in seiner Geschichte der inacoarüaischen
poesie (1829) als auch von Schade in seiner schrift Fercula macoarouiua (ISöb)
besprochen nnd im teite mitgeteilt^ von Qenthe ohne angäbe der qnellc, von Suhade
aus einer jüngeren hochdeutschen bearbeltung vom jähre 108^. Eine neue auagabs
warde veranstaltet von dr. SabelUcus (bachhändler dr. Eduard Wilhelm Sabell). ICt
ihr lugleich erschien von demselben herausgeber ein xwcitos ahnliches bücUoiDt
eine ausgäbe der bekaiiten Dissertatio juridica über die flübe. Der vortragende
bokante. das» et diese leztere ausgäbe mit besonderer freude begrUsst hatte, wdJ
er in ihr die ersehnte gnte nnd carrecte ausgäbe dieses unseres ällenten maockro-
niscben gedicktes zu finden hotte (Oenthes test Ist schleckt nnd unzuverliUBig,
Schade benuite eine jüngere hochdeutsche boarbeitnng vom jähre 1G89), zumal aocb
auf dem titel tu lesen stand: „Ein macearonisclies (iedicbt vom Jahre 1593, nach
den ältesten Ausgaben revidin." Untt>r i)en .Sltestcu ausgaben" war doch ohne
zweifei anch die älteste, nur in einem i-inzigen Wnllcnbfitteler uxemplar bekant«
vom jähre lö93 verstanden. Diese etwnrtnng erfülte sich tudesBcn nicht, KrwiM
Mch also auch die neni.- ausgäbe als recht iinvolkuninien. so erbObtu sie diwb doa
vortragenden Interesse wesentlich und zwar beiunders auch dasluüb, well der hertan-
fcber tiD ansohlnss an eine schon im vorigen Jahrhundert ausgespruubeno verrnntung
di( ansieht anfstelto, der altnst«, ohne ortsangab« eTschisntne drnck von t5S3 a«!
wabrseheiulick In ftostuek bei Angustin Ferbcr gedruckt. Da die Kostuek«r biblio-
Ihek kein alt« oiemplar der Flola besizt. «<i want« »ich Bcchateiu, bextndera wogen
der frage nach dem dniikar und druckurt nach Wolf' nb&ttel, Herr oherblbliotliekar
dr. von Heineranno «ante nicht allein das oiniige eieiajiUc vun ir>ys, *i>udnrn hatte
PHILOL. VBRSAML. 1882. 251
auch die grosse gute, eine zweite ausgäbe von 1627 beizulegen, aus deren lesarten
höchst wahrscheinlich hervorgeht, dass dem druck von 1593 noch ein andrer voran-
gieng. Die vergleichung des vor der band ersten druckes von 1593 mit verschie-
denen drucken aus Augustin Ferbers officin führte zu gar keinem resultat. Es ist
möglich, dass die Floia in Rostock gedruckt wurde, aber es bietet sich hierfür gar
kein äusserer anhält. Dagegen lassen sich innere gründe hierfür beibringen. —
Die lesarten der ausgaben von 1593 — 1627 ermöglichen nun erst eine betrachtung
der spräche. Der vortragende beabsichtigte keine genaue darlegung, sondern wolte
nur wenige beispiele anführen. Wie alle niederdeutschen Schriftstücke des ausgehen-
den 16. und 17. Jahrhunderts nicht einen einheitlichen lautstand gewähren und den
einfluss der hochdeutschen Schriftsprache zeigen, so finden sich auch im ältesten
druck der Floia unter den correcten niederdeutschen stammlauten , vocalen und con-
sonanten auch hochdeutsche und neben den specifisch niederdeutschen vocalen auch
gemeinniederdeutsche. Als besonders charakteristisch für den vocalismus der Floia
hob der vortragende hervor, dass ei für hd. ie, gemeinniederd. e erscheint; au für
hd. uo, gemeinnd. ö; eu für hd. öü, gemeinnd. oe, also ganz wie im mecklenbur-
gischen dialect Fritz Keuters. Bezüglich des titeis ist Bechstein der ansieht, dass
Floia festzuhalten sei — die beiden Wolfenbütteler exemplaro schreiben Flöia — stelt
indessen die frage zur discussion. Schliesslich führte er einiges charakteristisch
niederdeutsche aus dem wertschätze an. Hierauf fanden die lateinischen formcD,
in denen die deutschen stamme auftreten, eine nähere betrachtung. Der bis jezt
geltenden annähme gegenüber, dass in der maccaronischen dichtung regellose frei-
heit hersche, will der vortragende zeigen, dass nach seinen beobachtungen wenig-
stens zunächst in der Floia keineswegs alles regellos und wilkürlich sei. Die ver-
schiedenen latinisierten formen, die der dichter aus den deutschen stammen bildet,
sind nebenformen , die er aus technischen gründen schaft und braucht. Näher gieng
der vortragende auf die wähl des geschlechts der Wörter ein, da öfter das deutsche
geschlecht mit dem geschlocht des latinisierten nicht im einklang steht, weil der
dichter ein bestirntes lateinisches wort im sinne hat und an dasselbe erinnern will.
Hierin liegt ein gut teil der humoristischen , der parodistischen Wirkung. Eine reihe
solcher Veränderungen des genus werden beigebracht, ebenso ein boispiel von nach-
geahmter lateinischer construction.
Von einer besprechung einzelner stellen sah der vortragende ab und wante
sich der frage zu: „wer und was war der dichter, wo haben wir ihn zu suchen?**
Verschiedene erwägungen führen auf einen professor der medicin in Rostock. Der
vocalismus des gedichts stimt mit der mecklenburgisclien mundart. Aber unter den
eingeborenen professoren jener zeit findet sich keiner, dem man die Verfasserschaft
der Floia zutrauen könte. Jene lautverhältnisse finden sich auch sonst noch in
Westfalen und im herzogtum Berg. Unter den gelehrten von Rostock hatte bezie-
hnngen zu jenen gegenden Wilhelm Lauremberg, der vater des berühmten Johann
Lauremberg, Verfassers der niederdeutschen Scherzgedichte. Der vortragende sucht
im einzelnen diese Vermutung näher zu begründen und will sich genauere nach-
forschung vorbehalten.
Herr Ar mi tage von Heidelberg bespricht in seinem vortrage über die Docli-
nation der Parisyllabica im Provenzalischen den oft belegbaren unterschied eines
cas. rectus der participia auf -h (ereventah) und eines cas. obliquus auf -t (ere-
ventat); h wird als resultat der Vereinigung * + t in der endung -ti erklärt- Ver-
wante erscheinungen wie tuh = toti usw. werden in den kreis der erörterung
gezogen. Schluss der sitzung 10 uhr.
Zweite sitiung. Freitag, 39. »ept., morBens 8 ohr.
Den vortng Ton archivrat Wülckor auHWeimar: „Über Latbeis Btcllaiig zar
kDriäohBischen kanzlai* faut« der vortragende in atiinen reanltaten in folgender v«ise
EDBammen. Dio kötiigliuhe res)), kaiserliche kanzlei ist es, die den anatoss nr ent-
wioklaug des modernen HcliriftdentiHsli gegeben liat. In directer vermitluDg, nicht
durch dio rei(^llsl4tgBka^lIei gewann sie einlluw mnäcbat auf die einzelneD fDretlichon
Q&d atSndiaclien kansleien, dann aaf die geEcli&ftsiiprache anderer cerporalionen und
nurde alinfthlich überhaupt aprache der gebildeten. Da nun aber die kaneleien
nicht eine fertige spräche tlbernabmen , sondern nur die ihnen äberkommcne mund-
artliche redeweise dem Hochdeutschen anzuähuliohen strebten, ao war. ubgeeehen
Ton einigen oberdeutschen eigen tS mlichkeiten , welche alle annahmen, doch «nem
jeden achreiber ein gresHCr Spielraum bcIasBCn, vrie weit er seine mundart der könig-
lichen apraohe anboijnemcn weite. Es entstehen iladnrch versohiodeDi' richtangen
in ein and derselben kandei.
Schon vor Lntbcr hatt*: diese spräche ihren oiiigang in die litterntrir gefiui>
den. Aber da die gelehrten nnd ihre verleger aich nach der jeweUigen kanalei
ihrer heimat richteten, mnste immerhin noch eine grosse rielgeataltigkeit der drucke
verschiedener städte entstehen, lagen auch, bei den Schwankungen in den ksnileien
selbst, unterschiede iwischen den drnckeii derselben stadt nahe.
Dieser heillose wirwar konte nur dadurch gebessert werden, duss eine gewal-
tige aat«ritfit gesett nnd anaschlag gebend dazwischen trat. Sie fand sich in
Lnther. dessen Schriften durch zahl and geist die titteratur beherschton, dessen
Sprache von dem damals zeitweilig ganz Deutschland dnrch dringenden protestan-
tismUB als eine von Gatt eingegebene angeaehoD wurde. — Luther aber hatte ainh
die dem Mittel dentscbcn zunächst stehende Schreibweise der kuraKchaischen kanzlel
angeeignet, hatte sie aber, nälirend voriäuHg die kanzloi bei der allen schwanken-
den schreibueise verblieb, selbständig weiter entwickelt.
Rineni Luther beagtn sich anch Niederdeutsch I and , da« sein plattduntsch
geraduzu aufgab, und s» bleibt dem grossen refornutor der mhm und das ver-
dienst, die Schwankungen der achreibnng beseitigt und eine feste basia geaehalTen
XU haben, mit der ein wesentlicher teil der einheitlichen, ganz Deutachlaiiil umfaa-
senden aohriftsprache gegeben war.
Der Vorsitzende gibt einige g'-achäftliche mitteil nngen , legt die eben eracMe-
nene Götz-ausgabe von Baechtold vor und steh die tagesordnuog für die dritt«
Sitzung fest. Schluss 9'/, nlir.
Dritte aectionsaitiong. Samstag, 30. supt., tnorgeua 8 uhr.
Dr. Hai Rieger entsprach dem wünsche des versitzenden, eine probe aus
der fortsetzung seiner arbeit (iber Kliniker mitzuteilen, und wählte dazu die bespre-
ohung des 1786 erschienenen, ein oder zwei jähre vorher verfassten satirisohen
mfcrchens „Der goldene Hahn", daa nachnials selir wesentlich umgearbeitet unter
dem titel „Sahir* in der reihe der philosophischen roniane widerkehrte.
Der vortragende gab eine analysc des Werkes nnd teilte verschiedene inter-
essante stellen deast^Ibon mit. Aus seiner bespreohung hoben wir eine beciebnng
au Goethes Faust hervor, die er in einem uiutive dos KUngerschen närcheus kq
erkennen glaubt. — Ans dem Zusammenbruche des glücklichen natnrzuitandea , in
welcbem das volk der Cireasaier bb zur entzanbornng des goldenen hahna dahin
lebte, rettet sich ein unschnldigea tiebeupaar in ein« ]>i>hle. Aus dem gründe dieMT
h&hle ertönt die stimme eines geisies, der »ich dem liebenden paare nicht zeigt,
PHILOL. VER8AML. 1882. 253
aber zu ihm spricht und ihm eine vorstellimg von seinem wesen zu geben sucht.
Dieser geist unterscheidet sich von Goethes erdgeist dadurch, dass er nicht nur als
physikalisches, sondern sehr stark als ethisches princip in Rousseaus sinne hervor-
tritt. Aber da Kiinger alles, was am Faust bis zum herbst 1775 gedichtet war,
notwendig gekaut hat, kann man schwerlich umhin, in einer Vereinigung formeller
anklänge, eine freie reminiscenz des crdgeistes zu erkennen. Es wird diese Über-
einstimmung an verschiedenen stellen nachgewiesen. Nun komt hinzu, fährt der
vortragende fort^ dass der geist bei Klinger sich in einer höhle offenbart und der
erdgeist in der scene „wald und höhle^, wenigstens für den anthropologischen teil
seiner Offenbarung, das gleiche local wählt. Vor den eintritt in die höhle fallen
bei beiden dichtungen furchtbare naturerscheinungen , die grosse ähnlichkeit auf-
weisen. Jener monolog Fausts nun ist, wie man übereinstimmend mit recht annimt,
1787 in Italien gedichtet, war also dem Verfasser des goldenen hahns nicht bekant.
Das übereinstimmende in der erfindung scheint daher auf eine der ursprünglichen
dichtung angehörige prosascene zurückzugehen, die der gereifte dichter in blank-
versen umarbeitete. Redner hält es deshalb, unter hinweis auf die gereiftheit, die
sich in diesen versen ausspricht, im gegensatz zu dem ursprünglich Faustischen,
dem ungestümen dränge die schranken der persönlichkeit zu sprengen und in das
naturleben einzudringen, für wahrscheinlich, dass die Schrecknisse der natur beim
eintritt in die höhle, einst wie bei Elinger probe der entschlossenheit waren, wäh-
rend sie jezt nur die bedeutung von zufalligem schlechtem wetter haben , wofür die
höhle dem naturforscher als Zufluchtsort dient. Es wird wahrscheinlich, dass die
höhle selbst, deren leistung jezt darin besteht, als abgeschlossener stiller aufent-
halt die betrachtung auf ihr subject zurück zu lenken, einst wie bei Elinger die
wunderbare offenbarungsstätte des naturgeheimnisses nach allen seinen richtungen
war. — Die Offenbarung selbst zu schildern war eine aufgäbe, die am ende jedes
dichterische vermögen überstieg; es Hess sich davon nur in Versicherungen oder in
zerfliessenden , nichts aufklärenden bildern reden. Klinger vorsucht es. Man mag
sich, meint redner, eine adlerhöhe vorstellen, um welche Goethe Klinger in einem
versuche dieser art habe übertreffen müssen ; in einem einigermassen ähnlichen stile
wird immerhin in der ursprünglichen höhlenscene die sache behandelt worden sein.
Der vortragende weist nach, dass es überhaupt auffallend sei, dass Klinger sich
auf dieses schwierige feld begeben , da es bei der anläge seiner dichtung ganz un-
nötig war. Daher scheint es, als habe Klinger die Offenbarung nur beibehalten,
weil sie ihm in der erinnerung an Goethes Faust, vom erdgeist und dessen höhle
unzertrenlich vorkam; was denn voraussezt, dass sie mit beiden bei Goethe wirklich
verbunden war.
Nach beendigung dieses Vortrags schreitet man zur wähl der versitzenden
der section bei der im nächsten jähre in Dessau statfindenden versamlung. Die
wähl f< auf prof. Zacher und prof. Elze in Halle. Der versitzende macht femer
mitteilung über ein in Weissenburg geplantes denkmal für Otfrid.
Hierauf begint prof. Fischer aus Stuttgart seinen vertrag über den voca-
lismus des schwäbischen dialects.
Redner versteht hier unter schwäbisch den dialect, der zwischen Schwarz-
wald. Bodensee und Lech gesprochen wird, und der mit den bairischen und frän-
kischen dialecten die nhd. diphtongierung von t und ü, bezw. iu, zu ei und au
bezw. eu gemein hat. Abzurechnen sind die grenzgebiete im nordwesten, wo Über-
gang ins Rheinfränkische, im Südwesten und Südosten ins AUemannische , und längs
des Lech, wo Übergang ins Bairische statfindet. Im nordosten dagegen ist die
254 AMEB8BACH
grenze f der alten Aagsborg- Würzbnrger diöcesangrenze gleichlaufend, haarscharf
zwischen üchwäbiüch nnd ostfräokiHch. Da die vocale des Schwäbischen nördlich
and südlich dor Alb im wesentlichen dieselben sind, so ist nicht eine trennnng in
Ober- (südlich von der Alb) und Niederschwaben (nördlich von der Alb) Yorzn-
nehmen, wol aber, wie man sehen wird, eine solche in Ost- und Westschwaben.
Der grosse reichtum des schwäbischen dialects an lauten wird, dem mhd. gegen-
über, noch gesteigert, nicht zum vorteil der Schönheit des dialects durch die neignng
zum nasalieren, die nur in wenigen fällen sich auch ohne eine sprachgeschichtlich
richtiges n geltend gemacht hat (näs =» nase), dafür aber vor n und m regelmässig
eintritt und erstercs in geschlossener silbe auch bei nachfolgendem zweitem conso-
nanton , wie im Französischen in den nasalierten vocal aufgehen lässt {mä = mann,
hod — > huud).
Die alten kürzen ä, i, ü sind der qualität des lautes nach durchaus erhalten,
während die quantität schwankt {vdter, bäl =^ ball). — B als umlaut von a ist ge-
blieben. — e, die brechung von ta ist zu äa geworden. — ö ist geschlossen; zu ä
wird es vor r. — ö ist zu c, u zu i verdünt.
Die alten längen sind von den alten kürzen streng geschieden.
d ist zu ä geworden (vor »i zu ö): fräga =^ (Tagen, dagegen säg» =^ sägen,
(ß ist geblieben. — i und ü sind wie im Nhd. diphtongiert worden, aber von altem
ei und ou genau unterschieden, i lautet n; ei dagegen in gebildet schwäbbcher
ausspraclie ue (bib «=» corpus , laeb ^=s brot ; nnf --= pruina, maturns, raef = anulns).
Dieses ae ist im volksdialect orsozt durch ein oe oder äe {loeb, lad)). — Das oe
(äe) herscht unbeschränkt östlich einer linie, welche zwischen Tübingen, Esslingen,
Schorndorf westlicher- und Reutlingen, Kirchheim, Gmünd östlicherseits verläuft.
Westlich dieser linie dagegen herscht statt oe der andere diphtong oa oder <lo,
welcher ganz analog dem französ. oa (tw) in roi u. ü. die äusserste stufe der laut-
verschicbung ist: ei — «i — ae — oe — oa,
Mhd. ü wird, dem n analog, zu ^u; ebenso ou, parallel ae zu ao. Mit alt
ei und o^ sind ja die einfachen längen e und ö ursprünglich identisch. So ist es
auch im Schwäbischen , wenn wir statt oe und oa ein älteres ae statuieren. Uedner
fllhrt dies weiter aus.
Die umlaute der diphtonge m, öu sind consequent entwickelt: tu wird zu 91,
weil es kein ü gibt, ebenso öu zu ae. Redner gibt eine historische entwicklung
dieser laute, wie sie nach seiner ansieht allenfals statgefnuden hat.
Neben ti«, dem umlaut von u, gibt es mhd. ein originäres, aus u gesteigertes
IM. Dieses m ist schwäbisch vom umlaut m streng geschieden; es lautet ui. Die
brechung dieses ii«, mhd. ie, ist als 1^ erhalten und von einfachem t streng geson-
dert. Ebenso sind auch m und ie noch getrent. Gleich ie ist auch uo, als u»,
erhalten und von h durchaus geschieden; sein umlaut, mhd. üe, HLlt mit io zusammen.
So stelt sich uns, folgert redner, der schwäbische dialect als eine einheit
dar, und seine untordialecte sind von einander weit weniger verschieden als z. b. die
innerhalb des allemannischen dialects. Redner bestreitet die ansieht Birlingers, daas
nur die Schwaben östlich einer linie von Marbach über Kirchheim , Ehingen , Leut-
kirch usw. an die Allgäuer Alpen, Schwaben, d. h. luthungen seien, die westlich
davon aber alle Allemanuen, und schliesst mit den Worten: Wir worden also das
rocht haben , die jezt „schwäbisch** redenden gebiete als eine einheit innerhalb der
grossen allemannisch- schwäbischen dialectgruppe anzusehen, wie das elsassische und
das südalleniannische je eine siUche bilden.
PHILOL. VS&SAltL. 1882. 255
An diesen Vortrag schliesst sich eine kurze discussion zwischen prof. Be Ch-
at ein und dem vortragenden bezüglich des umlautes im Schwäbischen.
Da die für die sectionssitzung bestimte zeit bereits abgelaufen ist, so richtet
der Vorsitzende an die mitglieder der section die frage, ob dieselben gewilt sind,
sich in die algemeine sitzuug zu begeben, oder dem auf der tagesordnung stehen-
den vortrage des herrn dr. Kluge aus Strassburg über „deutsche etymologie" noch
anwohnen wollen. Man beschliesst das leztere. Der vortragende weist darauf hin,
dasB die deutsche etymologie sich noch nicht die achtung und liebe erworben habe,
wie die romanische etymologie, welche — auf der bequemer zugänglichen lateinischen
oder germanischen grundlage leichter controllierbar — die weitesten kreise sich gewon-
nen hat. Dass dem Deutschen eine solche grundlage, d. h. eine historisch erreichbare
nrsprache fehlt, und dass die complicierten gesetze der linguistik unsere wortge-
schichte nicht leicht machen, ist an der abneiguug gegen deutsche etymologie ebenso
gut schuld, wie die Unsicherheit der mothode der altern grammatik. Nach dem
volständigen Umschwünge der grammatischen Studien darf auch auf germanischem
Sprachgebiet jene von Diez geübte kritische etymologie arbeiten, deren grundlage
die lautlehre ist. Aufgabe dieser etymologie ist nicht die frage nach dem Ursprung,
sondern nach der eutwicklung eines wertes ; das einzelne soll den gebührenden platz
in der Sprachgeschichte bekommen. Redner hebt hervor, dass die lehnwörterfrage,
wo diese aufgäbe am bequemsten erreichbar scheint, noch nicht die verdiente auf-
merksamkeit gefunden hat. In der lehnfrage gibt nach Rud. Hildebrands Studien
im DWb. nicht der laut, sondern der begriff den ausschlag, der Sprachhistoriker
hat über dem einzelnen lehnwort eine kulturströmung zu suchen, welche es mit
andern verwanten begriffen importierte; eine solche kulturströmung muss für uns
zunächst aus der spräche gewonnen werden, indem wir die gleichalterigen entleh-
nungen zu gruppen sondern. Erst in zweiter linie muss der Sprachhistoriker die
geschichtlichen documento verwerten. Redner führt dies weiter aus. Neben der
lautlehre, fährt redner fort, muss die etymologie auch die fiexions- und suffixlehre
behufs genauer fixierung der wortgenesis berücksichtigen. Das princip der neu-
Bchöpfung, von Diez für das Romanische längst anerkant, von Paul für das Ger-
manische vertreten, muss der etymologe unter dem gleichen gesichtspunkt der gruppe
betrachten, wie die lehn werte: es sind wesentlich bezeichnungen für schallarten und
arten der bewegung, welche die spräche neu schaft. Ein eigenartiges etymologisches
princip ist endlich das der ncubelobung untergegangener worte unter dem einflusse
einer archaisierenden , oder auch puristischen litteraturbewegung. Auf manche der
erwähnten punkte und andere für die kritische etymologie wesentlichen momente
(Volksetymologie, dialectmischung) konte der vortragende aus mangel an zeit nicht
näher eingehen, weshalb auch von einer discussion abstand genommen werden muste.
Der versitzende dankt den sectionsmitgliedern für ihr zahlreiches erscheinen
und erklärt die Sitzungen für geschlossen. Prof. Förstemann erhält nochmals
das wort, spricht seine befriediguug aus über den angenehmen, durch keinen mis-
klang gestörten verlauf der Sitzungen und fordert die sectionsmitglieder auf, den
beiden versitzenden für ihre bemühungen den dank der versamlung durch erheben
von den sitzen kund zu geben. Ebenso wird auf anregung von prof. Bechstein
den Schriftführern der dank der section ausgesprochen.
KONSTANZ IM OCTOBEK 1882. PROF. AMEBSBACH.
PREISAUSSCHREIBEN.
Der unter dem Protectorat« Direr KSnigl. Hoheiten dos GrussbprzoKs Karl
Aleiauder von Sachsen und des Prinzen Georg von FrensBeii 8t«bende ..Verein
riir Deutsche Literstnr" (gegrBndet IST3), in dem Bestreben, den Ut«ratur-
trenoden immer Gediegeneres in allen dcDJenigen DiscipÜnen duzabiet«'» . die dem
Ziel und Streben einer Nution&l • Liternttir in nrnfasacndereni Sinnr niitH)irrclitai,
Bi-hreibt drei Preise aus:
Erster Preis: 4000 Mark
Zweiter do. 3000 do.
Dritter do. 2000 do.
f&rdrei aUTOtzfiglich erkannte Monographieen bdb derDentecben Geachiuht*
oderKnltargeechichte, die ansehenden StolF mit Tiefe des Gedankens and fesaelo-
der, in bitherem Sinne des Worts populärer Darstellung verbinden. Dem Zwecke würden
n. A. Themata entsprechen, die eine bedentaame Entwickeliingsperiode unseres Votka
oder eines deutseben StammeH, das Leben einer deutschen Reichs8t»dt in der Epoche
ihrer Bl&the und Macht, daa Wirken bahnbrechender Geister anf politischemw
socialem, literarisobem oder künstleriscbnn Gebiete behandeln. AnsgescbloBsen
sind kirchengeschichtlichc Themata nnd blosse Sammlnngea von Anfaätüan, eowit
Alles, was keinen einheitlichen pcreSnlichcn oder sachlichen Hitt^lpankt darbietet,
überhaupt Specialitäten , die nnr kleine ansgenählt« Büdnngskreiae intereuireii
dorrten; ferner Themata, die in früheren Pablicatiouen iles Vereins bereits bearbeitet
wurden. Die Arbeit aoU nicht weniger als 30 Drnckbogen und woinOgliob niebt
mehr als 23 Drnckbogen im Format der Voreinapublicationen nrnfassun.
Der Einsen dun gstcrmin an den unterzeichneten geschäftlichen Leiter den
Vereins endet am 1. October 1888, Die Veröffentlich ong der PreiszuerkenntDiwe
erfolgt am 15. Decembor 1883.
Zn jedem Manuscriptc wird ein Hotto erbeten und ein mit demselben Hotta
bezeichnetes aber gescbtossencs Courert, welches den Namen des Verfassers entbUt.
Die drei Courerta werden geQlfnct. deren Motti die Preisempßnger bezeichnen.
Unleserliche Hannscripte werden nicht geprüft. Durch die Znerkennnng eines PretsM
wird das auMchliess liehe Eigenthams recht der drei Werke yoni nVerein fBr Dentach«
LiteratTir' auf die Dauer »on 5 Jahren erworben.
Das Preisriehteramt haben öbemommen die Herron:
Radolf Gneht, ordentlicher Professor an der Universität Berlin.
Wilhelm Scherer, . . . . .
Julius WelzeBi^ber, . . . . -
unter Zuziehung des Schriftführers des Vereins, Herrn Dr. Lndwii; l^nt.
BiBun, im Deiember 1S83. I. A.
Der gosch&ftsfUhrende Director
Verlagsbudihändler B. Hoftnaim.
Der IV. Jahrgang des von der Gesellschaft für dentscho Philologie au Berlin
heraasgc^bcneu . Jalireiberidit Über die Erschein nngm auf dem Gebiete der 0er-
maniacben Philolngie" wird demnächst im Verlage von Carl Beissner in Leipxlg
>r*okeben.
• IL 8. , Hni4utra(itn«l iti
BRUCHSTÜCKE AUS DER SAMLUNG DES FREI HERRN
VON HARDENBERG.
VIERTE REIHE.
Fortsetzung zu bd. XIV g. 63 fgg.
1.
PREDIGTEN AUF DIE FEST- UND HEILIGENTAGE.
ERSTE HANDSCHRIFT.
Vier pergamentbläUer in 4^, das volle blatt ungefähr 20 centi-
meter hoch und 15 centinieter breit Das erste und das vierte, und
ebefiso das zweite und das dritte blatt bilden je ein zusamnienhä/ngendes
doppelblatt; zwischen dem zweiten und dritten scheint nur ein doppel-
blatt, das mittelste einer läge, zu fehlen. Jede seite eiithäU 2 spalten^
von je Sl Zeilen j ohne liniierung. Die schrtft, von einer geübten hand
aus dem anfange des 13, Jahrhunderts j ist fest, regelmässig und deut-
lieh. Kurze s begegnen auch im auslaute nur vereinzelt; das i ist fast
nur neben n, m, u, zu bequemerer Unterscheidung, mit einem feinen
striche versehen. Die abkürzungen beschränken sich innerhalb des deut-
sehen textes auf die algemein üMichen; reichlicher sind sie verwendet
in den eingestreuten lateinischen Sätzen; sie auch im drucke beizube-
halten war unnötig. Für die interpunction genügt der punct, in
massiger Verwendung. Der anfang neuer sätze wird bezeichnet durch
rot durchstrichene , die textschrift nicht überragende capitalbuchstaben,
Predigtanfänge sind hervorgehoben durch rote, die höhe von zwei text-
Zeilen einnehmende initialen, und durch kurze rote Überschriften , welche
aber nur dann eine besondere zeile erhalten, wenn in der vorange-
gangenen textzeile nicht mehr räum genug für sie übrig geblieben war.
— Das erste blatt hat ungefähr 2 centimeter seines vorderen randes
verloren j und dadurch in seiner zweiten spalte einige buchstaben an den
enden, und in seiner dritten spalte an den anfangen der Zeilen einge-
büsst. Für den druck sind diese kleinen lücken wider ergänzt , und
die ergänzungen durch einschliessung in eckige klammern kentlich
gemacht worden. Durch abreibung und andere beschädigung haben
gelitten die Vorderseite des dritten, die rückseite des vierten, und am
meisten die rückseite des zweiten blattes, jedoch sind nur wenige Wörter
auf der rückseite des zweiten llattes völlig unleserlich geworden.
SBIT8CHB. F. DEUT80UB PHILOLOOIK. UD. XV. f^
968 fSB, von t
Diese vier blättrr, wdche aus de»* nachlasse des archivdirecicrs
dr. Mone in Karlsruhe slammen, gewähren 3 vohtändig und 3 unvol-
ständig erhaltene Predigten auf Fest- und auf Iteiligenfage,
geordnet tjoc/» ihrer retkenfolge im kirchenjahre; und gwar:
1) Be Matthia apoatolo: 24. februar. Vohtändig erhalten
— Aus einer perijamenthandschriß des 14. Jahrhunderte, nr. 7G0 der
Leipziger Universitätsbibliothek, welche auf 303 zweiapnUigen quart-
tiäitern über anderthalb hundert predigten auf sonn-, fest- und hei-
ligentage enthält, h/it Herrn. Leyser (Deiäsche itredigien des XIII.
und XIV. jh. Herausg. von dr. Herrn. Leyser. Quedlinburg n. Lciptig
1638) eine auswahl verüff entlieht. IHe Aier folgende predigt über den
apostel Matthias stimt mit der von Leyser s. 86 unter nr. 17 nus der
Leipziger handschriß (W, ÖS' — fl9*) entnommenen wörtlich iiberein;
nur dass der schreBier des Leipziger textes mehrfach andere, sinnver-
teante ausdrücke gebraucht, und nanietitlich Wörter und antschen ein-
gesehaltd hat, die, ohne den sinn zu ändern, lediglich zur crteeittrvng
dienen, und dem Leipziger trjte ein etwas jüngeres gei>räge geben. —
Leider sind LeyserS angaben über die Leipziger handschriß (s. XXJIIfyg.)
so mangdhaß und unzulänglich, dass sich aus ihnen genügend« aus-
kunft über charakter und inkalt derselben nicht gewinnen lässt. —
Zwei andere predigten auf S. Matthias verzdehnet Steinmeyer in
dem zum 30. bände der Hatiptschen zeitschriß gehörenden Anzeiga- für
detäsckcs alterthum {Berlin 1876). bd. 2, s. 233.
2) In capite jejunii, am beginne der fastenzeU, an ascher-
mittcoch, an dem milumch vor t^adragesimae oder Invacaoit; demnach
in die texten Wochen des februars mler in die ersten des mdrz fallend.
Volständig. — Andere predigten auf Caput jejunii and Quadrage^mae
verzeichnet Sleinmeger a.a.O. s. 239.
3) In annunciatione S. Marias, an Mariae Verkündi-
gung; 25. märz. ünvolständig -. nur wenige seilen lies anfanges, der
schluss fehlt. — Andere predigten auf Mariae Verkündigung verzeichnet
Steinmeyer a. a. o. s. 232.
4) Ünvolständig. Erhalten ist nur ein geringer teil des Schlusses,
und nur vermuten lässt sieh, dass dieser zu einer predigt in eoena
domini, am gründonnerstage, oder etwa in parasceue, am
charfreitage, gehört haben tnöge; denn darauf führt die sleUung der
predigt, unmittelbar vor der oslcrpredigt , und auch der inhaU rf«
erhalteneti Schlussstückes, welcher für gründonnersiaij otUr charfreitag
wol passend erscheint. Auf dem vor diesem bruehstücke fehlenden miU
leisten doppdldatte der läge wird mithin wahrscheinlich der schluss von
nr. .V loui der anfang von nr. 4 tjcstnnden hibe». — Andere predigten
bbüohstOokb iv. predigten. 259
für gründonnerstag und charfreifag verzeichnet Steinmeyer a. a, o.
s. 229. 230,
5) In die Paschae, am Osterfeste; ftUt demnach in die Uzte
woche des märz, oder in die ersten des april. Vol ständig erhalten. —
Diese predigt stimt widerum mit einer der Leipziger handschrift
nr. 760 (bl. 64'' — 65^), welche Leyser a, a. o. s. 61 fgg. unter nr, 7
mitgeteilt haty ganz in der seihen weise über ein, wie es oben unter nr. 1
angegeben tourde von der predigt auf den apostel Matthias. Nur ist
die reihenfolge in der Leipziger handschrift eine ganz andere, sofern
die predigt auf Matthias nicht der osterpredigt vorangeht^ sondern erst
34. blätter hinter dieser erscheint.
6) De Letania, am tage Letania major oder an Rome-
crüze, am tage des meren criuzeganges, d. i. am St. Marcus-
tage des evangelisten, am 25. april. Unvolständig ; nur der anfang
ist hier erhalten. — Dieser feierliche bittgang ist im jähre 590 von
dem pabste Gregor dem grossen eingesezt worden, als die pest in Rom
unUete Durandus, in seinem Rationale divinorum officiorum, sagt
darüber in einer bei Haltaus, Jahrzeitbuch des deutschen mütdalters
{Erlangen 1797. 4^) s. 100 ausgehobenen stelle: y^Litania Jiaec dicUur
Gregoriana vel Romana. Vocaiur etiam cruces nigrae, quoniam in
Signum moeroris ex tanta hominum strage et in Signum poenitentiae
homines vestimentis nigris induebantur et cruces et cUtaria nigris vela-
bantur^.
Franz Karl Grieshaber, professor am lyceum zu Rastatt in
Baden, hatte Javier halbe bogen in 4^"' von bücherdeckeln abgelöst, und
hat den darauf vorgefundenen text mitgeteilt in seinem 1842 zu Rastatt
erschienenen buche ^^Vaterländisches aus den Gebieten der Literatur,
der Kunst und des Lebens^ s. 257 — 292. Die sehr sorgsame und
genaue beschreibung, welche er s. 259 fg. von diesen pergamentblättern
gibt, passt in allen einzdheiten so volkommen auch auf die Harden-
bergischen, dass sich schon daraus sofort die Vermutung ergibt, dass
beiderlei blätter, die Hardenbergischen wie die Grieshaberschen , aus
einer und derselben handschrift stammen. Und diese vermutwig wird
noch bestärkt durch die Wahrnehmung, dass die erste zeile des ersten
Grieshaberschen bruchstückes sich an die lezte des lezten Hardenbergi-
schen unmittelbar und genau anscMiesst. Zur veranschauiichung dieses
Verhaltens ist hier im drucke dem anfange der predigt de Letania nach
dem Hardenbergischen blatte auch deren schluss na^ch dem Grieshaber-
schen beigefügt worden. — Wohin die blätter nach Grieshabers tode
gelangt sein mögen, ist mir unbekant.
17*
Aus den GrieshtAer sehen hläliem ergeben sich folgende predigten
{deren iüierschrißim, teenn sif- in den hruckstücken wrloren und dtshaih
von Grieshaber ergänzt sind, hier tw klntmntrti gescfdossen sind):
1) S. 266 (Marci evangeliatae) — de Letania; 35. april.
Igt »war unvolständig, aber der kirr fehlendi: unfang ist auf dem hiten
Hardenhergschert blatte erhalten.
2) S. 269. Philipp* et Jacobi; 1. mai. Unvolständig; es fehlt
der schlttss.
3) S. ä7ä. {In die ascensionis), am himmelfahrtstage.;
also im mai. Unvolständig; es fehlt der anfang.
4) S. 27a. In die Penfecostes, an pfingsten; also in de»
testen Wochen des mai, oder den ersten des Juni. Untiolständig; es
fehlt der schluss.
6) S. 279. {De Johanne Bapiisia); 24. Juni. Unvolständig;
es fehÜ der anfang.
6) S.280. Petri et Pauli apostolorum; 29. juni. Unvol-
ständig; es fehlt ein beträchtliches stück in der mitte. — In der Leip-
tiger handselmft nr. 760 erscheint diese predigt auf bl. 137'* in sehr
verbürgter fassung. Sie ist aus dersdbcn veräffenÜicht durch Leyser
in den Altdeutschen blättem von Haupt und Hoffmann Leipx. 1840.
2, 187 — 189.
7) 5. 284. De Maria Magdalena; 22. Juli. Unvolständig;
es fehlt der schluss.
B) S.285. (S. Petri ad vineuta), Petri ketlenfeier; l.august.
Unvolständig; es fehlt der anfang und oMch der schluss.
9) S. 289. (In die assumpttonis B. Martae virginis),
Mariae himmelfahrt; 15. august. Unvolständig; es fehlt der anfang.
— Die von Leyser aus der Leipziger handsehriß nr. 760 (bl. 117*
— 119") unter nr. 19 auf s. 93 — 98 mitgeteilte predigt In asaumpcione
beate marie ist eine völlig andere.
10) S.292. De sancio Bartholomeo; 34. august. Unvolstän-
dig; es fehlt der schluss.
R. Cruel hat in seiner reichhaltigen „Geschichte der deutschen
predigt im mittdalter'* {Detmold 1879) auf s. 151 — 155 auch diese
Orieshaberschen hruchstücke besprochen, und dabei xugleich darauf hin-
gewiesen, dass auch bruchstikcke einer anderen handsehriß desselben
predigtioerkes bereits gedruckt sind. Es hatte nämlich AdaB/ert Jett-
teles von Josef Diemer in Wien erhalten „fünf ganee und zwei durdi^
schniUene blätier vott doppellugen einer iiaabcr gesdtriebenen perga-
mcnthandschrift des 13. Jahrhunderts in klein 4", welche aus Klagen-
BRUCBSTOOXB IY. PRBDIOTBIV. 261
furt stammen soü,^ und hat den inhaU der fünf ganzen Uätter im
jähre 1872 mitgeteilt in der von Bartsch herausgegebenen Germania,
Jahrg. 17, s. 335— 354, eine genaue beschreibung der Uätter hineuzu-
fügen aber leider unterlassen. In diesem abdrucke erscheinen die pre-
digten nicht in der reihen folge des kirchenjahres , sondern bunt durch"
einander gemengt {november,. mai, december, august, September , august),
und es lässt sich nicht Mar und sicher erkennen, ob der herausgeber
nur die einzelnen blätter in unrichtige reihenfolge gelegt hai, oder ob
die chronologisclie Ordnung der pi'edigten schon in der handschrifl selbst
aufgegeben und in Verwirrung geraten war. — Ordnet man sie nadi
dem verlaufe des kalenderjahres , so ergeben sich folgende predigten:
1) S. 343 — 346, (Inventio crucis), kreuzer findung ; 3,mai,
Unvolstandig ; es fehlt der anfang und der schluss.
2) S, 352, (S, Petri ad vincula), Petri kettenfeier;
1. august. Unvolstandig; es fehÜ, wie bei Orieshaber nr. 8, der anfang.
Dagegen ist der bei Grieshaber fehlende schluss vorhanden y und das
diesem varangehende, ungefähr eine druekseite (s, 352— 353) befassende
stück stimt mit dem entsprechenden stücke des Grieshaberschen bloMes
(s. 287 — 288) volkommen überein, bis auf zwei geringfügige abwei*
chungen des ausdruckes, welche, ohne den inhalt und sinn zu ändern,
bald auf diesem j bald auf jenem blatte, entweder fehlerhaftes oder rieh-
tiges bieten, so dass sich die beiden texte einander gegenseitig berichtigen,
3) S. 349, (De sancto Bartholomeo), 24. august. Unvol-
standig; erhalten sind nur wenige zeUen, kaum zehn, des Schlusses; so
dass zwischen diesem Schlüsse und dem hei Grieshaber {nr. 10, s, 291 fg)
erhaltenen anfange noch ein beträchtliches stück fehlt,
4) S, 350. 8, Mathei apostoli et evangel., 21. September^
Folgt auf voller seile, unmittelbar nach der predigt auf Barthdomaeus,
und ist volständig erhalten,
5) S. 351. Sermo in dedicande dS (? da? = dominica?)
ecclesie, auf das kirchweih fest, Unvolstandig; es fehlt der schluss.
Diese predigt geht über den text Ps. 86, 1. 2: Fundamenta ejus in
montibus sanctis; diligit dominus portas Sion super omnia tabemacula
Jacob, und ist gänzlich verschieden von der durch Leyser s. 115 unier
nr. 24 aus der Leipziger Jiandschrift nr. 760 (U. 128'' — 130^) mitge-
teilten. Daraus, dass sie si<ih hier auf voller seile unmittelbar anreiht
an diejenige auf S, Matthaeus, lässt sich vermuten, dass damit ein
kurz nach dem 21, September, mithin grade in diejenige zeit fallendes
fest gemeint sei, während welcher noch jezt in Mitteldeutschland die
välKg weltlich gewordenen kirmesen von den landleuten mit schmaus
und tanz gefeiert u>erden.
S63 FBH. VOH UAHDEIlBBBa
6) S. 340. (De sancto Martino): 11. novetuber. Unvotstimdig ;
es feUt der anfang.
7) S.341. S. Andree apoatoli; 30. november. Folgt in ivller
säte untm'ltelbar auf S. Martinus, ist aber unvolständig; es fehit der
schbtss.
8) S. 346. (De S. Nicoiao); 6. decembcr. Unvolständig; es ft^t
der anfang und nucA der schlusn. J. Z.
Erstes Halt.
VW. a. 1. De Matbla apostolo.
In loi;ttm iutle traditoris fttbßUutus est Mathias aposloius im
imperfectus remaneret duodenarins tmmerus apostolorum. — Zwelf finl
der zeichin da zu himile. di di rniine vrabe flrichit. in idicbirne loufet
(ie drizic Aage. zwelTe ßnt der tuaiide di daz iar teilent. zwelfe fint der
wind) di den luft tribeut. zv di^r ft^lben wis wolde unfer herre zwelf
apOBtolOB hau. di hat er irwelt dj wile er iü dirre werlde was. di belie-
ben alle bi uunine herreii in Tiiier miiine un iu lioer warbeite. biü an
iudam aleinin, der in vernt der in verkofte. der irhinc fich lelbiD et
crepttit mediuf. et diff'ufa funt omnia uifcera eins {Aci-, t, 18). Er ze-
bralt allir ufl llne daniie viliii iiz ime. Do UDfer herre zv himele gevarn
wii», uA fiuin heiligen geill fineii heiligen apostolia gefante. daz 11 allir
bände zvDgin kvnden fprechen. un li da genellit würden. Doz 6 den dot
oit fohten \l. forhtenj, Do Hunt fancte petir nf. un deth (ine rede. Q
warin da gefaiiiinel di anfirii herrin meinetiD. zwenzic un hundert. Do
fprach fancte petir. vaßr herre bat unfer zwelfe irwelit. der ift einer
an dem un
b. rehten vnndin. iudas der in [verjrit. wi ez dem irgaugtn ift
[daz] wizzit ir wole. vQ alle di zv [ihejrim lint daz er ßch irbinc. Ns
fngit unr di fcrift an de[me] Talter, daz er vertlucbit & vor (go]te. un
lin anunit dar zv er g[e|ladit warb mit unl' audini. daz er verwort |/.
verworbt| hat. un verlorn, daz Tal ein ander be&zzen. et{esjlichRr nnder
den Inten, di got [hie] gefamrait hat. deme l[und[ieh| fi, alliz daz unfer
herre getan [ha|be. fider dem male daz er get(oQft] wart ime iordan«
uon fancte |io]hanne baptilta. Oo er daz |h.itte] geredit. da namin [fehlt
a\] zwene h[erren. der] biz einer iofeph. un bäte ein[en] zvnainin. daz
er ein gere|htj man were. qq der undir daz [was] der gut« fancte Ma-
thias, un tiiftin] ir gebet un fprachin zv unfjerml herren alfus, Herre
der almeb[tige] got. du alle tngende wole [weist] du zoug unf welicli
dirre [zwei] ir oinir ü der dir gevalle. an |der| zwelllen »tat di iuda«
verlor[en] hat da lizin ti werfen daz lo[zJ do vil ez uffe fancte M&tbiaro.
u[fl] alin wart er gezalt. daz er [der] /welf[i'r| einer folle lin. M|an|
bbuchbtOckb iv. pbbdioten. 263
rw. c, [lijsit an dem [l. den] buchin daz er uil [d]emfitic were.
un gotir wortis [ui]l vlizec. Groze zeichen det got durch in. ull do er
di ciiftinheit [vijl wole hate geueftint mit d6 gotis werten, do multe er
dnn alle di andirn zwelfbotin datin. er gab finin Hb uü fin bluth
[d]urch unfirs herren minne. vn [djurch der crifteuheite willen, vü [w]art
gemartirt inrae ^ zv ihe[r]ufaleni. Sin heiligiz gebeine [u]dm fider di
kuniginne helena [di] daz heilige cruce vant ufi [v]urte daz mit ir zv
coltenop[e]le. dannin quam ez zv trire. Wan[n]e fimiliche buch fagint.
daz [8i]e dannin burtic were. daz in [g]eturre wir betalle nit sprechin.
[da]z d iz dar fente. un daz i\ dau[n]en geborn were. wanne wir [iz]
an den alten fcriften nit hau. [djanne daz wir wole wizin [d]az ez dar
quam, fit quam ez zv [gjoflar. wi ez dar queme des in [wjizze wir nit
uon keinen din[g]en. Nv bitte wir den heiligen [apostojlum. daz er uch
gnedic fie [v]mbe unfirn herren. daz ir nit [verjwifit werdit aiime iun-
giften [ta]ge der ewigen gnadin. p. x"". d.
d, 2. In eapite Jenll {l. Jejunii).
Derelinquat impius uiatn fuam et uir iniquus cogitationes fuas,
et reuertatur ad dominum, et miferebitur eius et ad deum nostrum
quoniam multus est ad ignoscendum {Jes, 55, 7). — non enim uüt
mortem peccatoris. sed ut conuertaiur et uiuat (Eeech. 33, 11). — Dife
wort di fprach ein heilic man her ysaias. ufi manet unf daz wir zv
gote kerin. vfi unreht lazin. ufi quit alfus. Der unreht man der laze
finen unrehtin wec. vfi der ubele man laze finen ubelin gedanc. ufi kere
wider zv gote. ufi er irbar[met] fich über in. wände er michil ift. ufi
gnedic zv vergebene alliz unreht. ufi gerit nit des fündigen menfhen
dot. funder daz er sich bekere ufi lebe. Diz ift unf ein michil troft.
daz unfir herre. der unf nach rehte uil wole mochte verteilin. daz der
uns bitet ufi manet. daz wir unf bekerin. ufi lazin unfer unrehten wege.
Ufi ubele gedenke, ufi kerin wider zu ime. Wilich fmt di unrehtin wege
di wir lazin fuln. daz ist der ubele wille. daz fint di uppegen were.
wände der wec den man leitet dar er fal. alfe dut der ubele wille. ufi
der gute wille. leitit den
Zweites blatt.
VW, a, menfchen entweder zv dem ewigen libe. oder zv dem evrigen
dode. Weliz fint aber di ubele gedenke, daz fint di. di den uberhur
trahtint. di manflaht gedenkent. di untruwe virretnille. gelogin vrkunde.
Meineide, trügenheit. uberaz. uberdranc. den mort div dube. den hohen
mut tragen. So getane wege. ufi fo gedane gedanke. di fuln wir lazin.
ufi fuln wider kvmen zu unfime herren. Wo mite, mit den almufen. ufi
1) inme ist rot dnrchstrichen. Das richtige ergibt sich ans dem lieipzij^er
texte bei Leyser: inme lande zv ihemsalem.
4 HARPBKBBKQ
mit gutin werken, ulfu da gefcribeu ilt. Abfcondite demofinam in fintt
pavperis. ut ipsa orel pro'uobis ad itominum (EccUsiasi. 39, 15). —
Quia ficHt aqua ejtinguit itfnem ita clcmoßna exÜnguit peccatum (Kccle-
siast. 3, 33). — Berget uwer ttlmuaeti in der anneii Thoz dornh dax S
biteii vor ucb zu unfime lierreii. wände alfe daz wazzer daz für ledit-
airo lefi'et di alinure di Tunde, Merket wole daz di fcrifl rprichit. Daz
man di almnfHn fulu hrerige» ufl iRTgen. daz ijl airo gel^rocliin. das
wir di gvteii werc ne Tuln nit diin. den werten daz G di liite Teblti, wir
Tuln fi tun den worten daz fi got aleine Tehe. nfl ß inphahe. wer durch
rum wole tut. deme inlo
b. net got nit in tiin» riche. Ime newirt andirs nit loues. wan
daz uppege lou dor lute. als vnrei herre quit in dem ewangelio : Amen
dico uobis receperunt mercedem fuam {Matlh. G, 2). — Zware Tag ich
uch di ir almufeu alfo gebeut, di hant ir Ion inphaugen. Dife dage ßnt
unf gefazt z? buze. daz wir nu Tuln buzeu alliz daz wir miO'e taa hau
in allime iure, wir fuln maze han in difeu dagen ullir boliu dinge, ob
wir ü betalle nit inoiogeu gelazen. Wir I'uln dicke unfer bihte dun. wir
Tuln minre ezzen. minre trinken, minre Tprocbin. wir fuln kuHiche Ivben.
US di almufen gut goben. uS fuln des gedenken, daz wir ein alTe unde
ein erde liu. zv alTen ufl zv erden ful wir werden, daz beceicliinit uuch
di alTe di wir inphan. da;( wir da mite gemanet werden wannin wir
bekumin ön. UQ war wir kumen I'uln. VQ daz wir ouch dife buze otoiu-
ticliche loillen. wände daz ilt unfer kerrine di wir gen fulu uor difen
oltern. uor uil manige manflat di wir getan ban. an
rto. c. unrer uil armen feie. Alfo dicke fo wir honbetfuiidin (9)
dvn fo irflabe wir di arme feie, der den hat treget ßme neben criltuu.
der iH manflehtic. ulfe S. Johannis quit. Omnis qui oiUt frtUrem fuum
homicida est (1 Jok. 3. 15). Swer finen ebencrillen bazzit der ill man-
riehtic. alle di funde di wir ie getaten di ful wir walTen in fontc laeri-
uHtrum gui est secundus baptifmus. in dem burnen der treh^ne. du
ilt der ander touf, der gefehlt alTo dicke fo lieb der aiTue iiieufcbe r-Iagit
Ufl in fme fvnde räwent ufl di beweinet dau abo fpracb her danid (?)
Lauabif me et fuper niw-in dealbnbor (Ps, 60, H). Herre got du fall
mich waTcben fo werde icb wizir. dan der fne. Ni ne wart kein Tue fo
wiz. fo di feie ill di mit deme ruwen unde mit den trebenen gewaXTen
Wirt, dan abe fpriehit ein {'f) heilige propbeta Lauamini mundt estate
{Jes. 1, 16). Walllt ucb Maniger wefchet Geh vn ne blibet nit
reine. Swer kv bicbte kumit un di funde (V) bewwnet. der
hat Geh wol gewafohen. Vellit (fehlt er) aber widere fo gefehlt ime alfe
d. dem fwine. daz Geh wefchet ud aber wider in den phul velUt.
der oist nit reine. Swer abir ßne funde clagit un di beweinet nn buu
BBUGHBTOCKS IV. PBBDIOTBN. 265
inphehit ufi di geleiftit. ufi iz ouch danne midit. der hat fich gewaffen
ufi der irt reiue. der mac ouch froliche zu den oftern zu gotif tifche
gen ufi den gotif lichamen fiuer armen feie, vnde sime übe.
vnfer herre des gnade grozer ift dan unfir unreht der ruche unf alfo ze
waHene alfo zv reinegene daz er nit an unf invinde daz ime miffevalle.
Qui cum patre et
3. In annuncione (l. anniiiiciatione) 8. Marie.
Ucee dominus nouum faciet in terra, femina circumdabit virum.
(Jerem. 31, 22), — Dife wort di fprach der heilige prophet unfirs her-
ren her iheremias. damite hat er unfirs herren gehurt iroffint ufi di
gnade di er tun wolde mit uniir vrowen fancte Marien, do fprach er
dife wort alf ime der heilige geift gebot, unfer herre fal tun ein nvwe
dinc uffe der erdiu. ein wip fal einen man umbeuahin. Mit den werten
was di gehurt bezeichint unfirs herren» Der was werliche ein man über
alle man. wände er groze manheit ufi groze knehtheit
* «
*
Drittes blatt.
4. (In coena domlnl?)
VW, a. fe valle fo fin wir felic. zware habe wir des niht getan
fo ift ez unf vreiflich. Hute ful wir di waren minne haben zu vnfirn
ebincriften. Quia Karitas operit multitudineni peccatorum (1 Petr. 4, 8).
alfe fancte Jacobus (/. Petrus) sprichit in finer epiftelen. Di minne
bedeckit di mannicvaltigen funde. von der minne sprichit ouch fancte
paulus. Si diftribuero in cibos pauperum omnes facultates meas. et ß
tradidero corpus meum ita ut ardeam, caritatem autem ß non habuero,
nichil michi prodeft. {1 Cor. 13, 3). Er quit. Gebicli alliz min getregde
armen luten zv ezzene. vfi gebich mich felben zv der martile alfo daz
ich verburne vfi hetich danne der minne nit. iz envrumete mir niht.
Durch daz so rate wir uch daz. daz ir di wäre minne habet vnder ein
ander, werfit von veh den haz ufi den unrehtin zom. wände daz ift
ignis alienus quem fufflai ignis urens. Daz ift daz vremede vur. daz
blefit der burnende wint. daz ift der leide tuvel. der birnet di armen
feie. Swo er den nit ufi den haz ufi den
b. zoru inzvnden mac. dan abe kumit er feltin. er inbrenge
fcheltin vfi manflaht. raub vfi braut, vfi zv allir iungift gotis zorn.
so verwirket sich der arme menfche vfi ftirbet in den funden vfi vert
ZV der helle. Dar vor rauzc uch bewaren vfi helfe uch des. daz ir hüte
alfo irfchinet in allir reinikeite. alf uch gut si zv deme übe vfi zv der
feie. Ipö adiuvante q, v. & R, {d. i. Ipso adjuvante qui vivit et
regnat).
5. Id die pafce.
Htc est dies qttam fecit dominus exultcmus et letanur in ea.
{Fs. 117, 24). — Liben di heilige fcrift div fpricWt zv uns airiis. Dii
Ul der dac den got gefcbafSu hat, nv vrowe wir unf an ime. Alle
tage hat got gercbaftüi. idouh netneliche bat vnrer herre dilen dac ime
felbiu 7,v lobe va zv trofte vns vnde allir der crirtonheito zv ertn HB
ZV gnadiu. Wände alfo hvte wolte er irrten voonie tode mit deine
Felbin vleifche daz er durch uns zv der uiartile hale gegebio. Er
zebrach di helle nnde baut darinno den tiwel deii leiden viant. Vll
vurte als hüte eiiien kunicklichen rovb
rw. c. der feligen Tele sv hiniüe. di dariune beriozzen warea.
nemeliche der di iioeu willen getan baten. Älfe hate mrt der iangift«
dac. alTe hüte M wir irHeu mit Up un mit Tele, eintweder zv dem
ewigen lihe oder zv deme ewigen dode. Vor dem iuugeftiu dage alTo
Tancte Jeronimus vus gagit. So Tuln vunfcehen dage Qu an der ieiichime
ein zeichin fal werden, daz ift eiflich. Des erftiu dages Fat daz mer
uf ftigen vber di berge vtrzic ctaftirn hoch. Des audirn dagia. fal ex
linken aKo tife daz man iz kume geFehen mac. Des tritten dage» wirt
iz eiflich alfe zvm erfben. Dee uirden tages. alle di tir di da fint io
dem mere oder in den f€n oder in andirn wazzeru. vtt di viscbe fulli
Qch famnen obene vf daz wazzer. iifi i'ulu niicbil gedoze machen mit
ir nimme. waz duz bezeichene daz wmz got wole Des funteii ({. fünf-
ten) tages. fo fiiln di wazzer alle verbirnen alTo wit fo di werlit UL
Des febftin tages di crut vii di bovine di werdint alle tovwie aon
blute. De» Qbinden tagis alliz daz gezimere daz
d. dar ift. alüo wit fo di werlt ilt daz fal alliz zevariu. Des
abtin tages fo intflizeu üch di velfe vn vallont di berge, UQ daz wirt
grvwelieh ze febene. An dem uvndun tage. Io wirt groz ertbibe vD fo
getan gevelle daz nine wart uon anegeuge. An dem zebinden tage.
fo wirt daz ertriche alliz ebenfiebt Des elfttn tagis so vallint di
fterren von deme bimele. Au deme zwelftin dage fo falu die Inte
hervur gen di lieb verborgen hant nor den groziu vorhtin. vt gen alTe
II fin vnrmuic. An deme drizebindime tage, fo fumnit lieb alliz dai
gebeioe der toten, vn di grober fuln lieh ufdvu. An dem virzehinden
tage fo fterhint alle di dannoch lebendic ürit. An dem vunzehinden
(l. vuüfz.) dage. Co Tal brinnen alliz daz ertriche oftern vn weften. dar
nach kumit der tungilte dac, Sicherliche fwur fo hüte reinecliche den
gotis lichameu iuphehit. der mac lieh darzv wole trollen, daz er dauae
iRfte mit dem almebtigen gote. der abtr vnwerdekliche dar zv get. d»r
inhat kein teil mit gote. Alfe faucte paulu» i|uib. Aiiu-n dico «obii.
yuod
BRTTCHSTÜCKB IV. PBBDIGTEN. 267
Viertes hlatt
VW, a, omnis (fehlt: fornicoitor) aut inmundus aut auart^s non
habet heredidatem in regno dei. {Ephes. 5, 5). Ich fage uch zware
qait er. daz hurere vfi vnreiae menfchen di hant dekein erbe in deme
riche des almehtigen gotis. Iz was gefcriben iu der altin. e. daz unfir
herregot gebotin bäte dem finen volke daz fi in den oftern folden ein lamp
riahen. daz folte ane vlecken fin vn folde ein fterre ün mit des blute,
folden & beftrichint (l. bestrichen) di fwellen. uü daz ubertore. daz felbe
lamp folden ^ ezzen gebratin. nit gefotin noch ro. Wurdes ich (l. iht)
über daz folte man verbirnen in dem vure. daz lamp folden ^ ezzen
gefchuht. yf) vnbegurt. ufi fbebe folden ^ han an den henden. diz ift
alliz bezeichenlich. Daz lamp daz ift nnfer herre ihesus cristus von
deme fprach sancte Johannes der toufere. Sehent wo daz lamp get des
almehtin gotis. daz fal abe nemen allir dirre werlde fmide. mit des
blute ful wir unfirn lip un unür feie zeichinen, gelobe wir werliche üne
martile. un intfan wir wirdecliche finen heiligen licfaamen. vfi fin heiligiz
Wut. fo ift unfir truffchubel wol gewihit mit des
b. lambis blute, tunc non nocebit nobis angdus perctdiens, Sone
mac unf nit gefchaden der flahinde engeL daz ift der tuvel. WoUe
wir daz lamp ezzen alf uns gebotin ift. fo fuln wir unf fchuhn. vfi
fuln vafte geloubin daz got menfche wolde werden durch unf vfi fuln
euch gerne volgen den gvten bilden der heiligen di ^ uns vorgetragen
haut, di als wole menfchen warin. alf wir andirn fo fin wir wol gefchuht.
Wir fuln unf euch gurtin. wilich wis. wir fuln unfir vleif twingen von
bofir geluft vfi ftebe in den henden han. daz fint di geiftlichen werc.
daz ift der kirchganc. daz ift di vafte. daz ifb daz gebet, da mite ful
wir unf weren den vnfihtlichen hvnden. daz fint di ubelen tuvele. Wir
fuln euch merken daz wir daz lamp fuln ezzen gebratin. Wir nefuln
iz nit fiden oder ro ezzen. Der izzit iz ro der gelovbit daz got unfiR
herre. ockirs ein luter mensche were. Der fudit iz fwer irgrunden wil
di gotheit mit menf lieber wifheite. Der aber uafte geloubit. daz unfer
herre ihesus cristus
rw. c, si ein war got ufi ein war menfche ufi daz er unfir armiz
vleif inphinc von vnfir vrowen fancte marien mit der gnadin des heiligen
geiftis. der izzet iz gebratin afi . . . liehe ufi ... . liehe. Daz da belibet
daz burne man in dem vure. Swenne wir alliz daz. daz wir uon unfirs
herren gotheite horin nit uollin grundin mvgin. daz ful wir deme hei-
ligen geifte lazin. der alle tuginde wol weiz. Wir geturren iz uch nit
lengen. Wanne der almehtigot helf uch des daz ir daz lamp alfe hüte
muzit ezzin. ufi inphan daz ir den ewigen lip besizzent. ipö pft (d. i.
ipso praestante)
26»
6. De letaiüa.
ConfUeimnt alUrutrutn peccaia vcstra et male pro mttican ut falue-
mini. {Ep. Jac. 5, Ui). Dur heilige apostolus Tancte Jacobus der manit nnf
m fioev epifteln. mit tlifen worteo di wir nu fprachio. Er quit bihtet nwer
faude. uworä unielites. vo bihtet vor eia auder daz nch DDfer lierre
helfe durch Tme gnade. Der oberftt; arzit uiiruK herregot. der hat ut>r
ein arziteie verlihin. ane di wir iiit genulin luugen. da/, ift div bihte. di
d. wir tun Tuln unrem prlfteru. vou der fprach her dauid Dixi
confitcbor aduerfttm »le iniußiciam meam domino. e( tu remi/ifti impie-
totem peccaii mei. {Ps. 31, 5). Er quit daz. Ich fprach das \<äi
beiehin fal min unrehl DDÜiiie lierreii wider mir. uü dv übe herre ver-
gebe mir mine runde. Merkit üben duz er quit. Daz er beiehen wil
tio uni'fht uniime harren, wider ime Felbin. Zware Tage wir uch dos.
wil {l. vil} miiljch ift vn vil awere. wider des menfcben gemute. dax
er lieh felbin rüge ufl daz gote offine. U(l üuen priftere. iz Ift ablr
troftlicli. Waude fo er der funden zv bihte tcumit. fo verkufit II anfir
herre. ua fo ue weiz er der tuvel nit ez ne ß dannu fo vile. daz er
aber wider dir iugevalle. Iz ift bitte der dac daz wir an den buchin heixin
Letaniam niikioreiii den aber ir beizit roiucruce. daz folt ir vernemen
wammbe der dac alfo genant fi. In fnncte Gregoriou cite des hei-
ligeu babiTtes. da hato fich daz lut verworlit gegen dem ulmehün gote.
durch daz fo quam ein vreiflich urteil abir diz lut. daz was der gehe
dot. der quam mit einer fuchede. di
{Grieshaher S. 266.)
di btKh heixini pestem igwinariam (l. inguin.). er bcstunt di lote
unibe di hegetruse. und an dem dünnen, also <ier steche mit eime sperv.
oder mit eittic pßtc. und also schire so sie bestunt. so musten st sterbet.
Di not di was mictiel. unde dae ItU «il nider ulsf es utU were. Do
vur der bainst xu. der vor sanetc gregorün was. der hix pelaius. ttade
was ein redcUch man. und ein gut man. unde manele dag lut. unde
kit beide paffin unde leien. mwniche unde tiunnmi mit den crucm gen.
unde mit detue heilicduome. unde hie si goi biten dae di groee not g^
stiüel wuorde. due inhaif allie nit. utider des das si mit den eruce»
gingen. ivuUin unde baruuz so quam ein wetir und ein dumeslae. uade
kIuc den hubist selben ne tode. unde diu M wart eeslovbit. also di adutf
so si den hirthe verliscnt. Jdoeh nach der wisen herren rathe di da n
rome warin. So gmih-n si genteinltche daran dai si sancte gregorium
kuren tu einem babistc. der wag ein edil man. und ein gut man. und
ein urise man der buche, unde minnete unsim herren twi aUime
sime hergen. der bäte gestißei sehs düster inn sicUicnlajtde. und^ haU
den lUlin sines eigenes also vil gegebin. alse si u bedurften sv no^
BBUCHBTOOKB IV. PBKDieTRN. 269
durfte, dae sibinde doster das macht er älda ev rome. und alda
munichete er sich, do er da vemam das si in zu babiste sezeen wolden.
do wcus ig ime uil leit. unde vloch unde bare sich. Alda vermddite
in der aimehtigot selbe mit eime lihte, dag schein über in. eise liht.
(üse di sunne. do wart er uunden tmde gewihit zv babiste mit grogin
eren. unde mit grozgir zvuersicht. aUir dirre werlde. Dannoch newas
nit gestillet die groz ungnade des gehin dodis. under deme lute. Do
gedahte sancte gregorius. wi er dem lute soUe gehelfen, vnde hig alle
di samnvnge di gv rome waren, unde da bi im {l. in) keiner nehede.
unde hig si gen mit den crucen. von latran von sante paule. dannen
ZV sante petro. unde sanc selbe di messe, unde machte nvon köre von
dem Volke, in vnsirs herren ere unde den (l. der) nvon köre der engile.
In eime köre warin di paffin. In eime di muniche. In eime di nun-
nen. In dem uirden di einsidde. In dem vunfien die regelere. Inme
sesstin di meide. Inme sibindin witewen, Inme achten di reifte kint.
Inme nvnden dag lut algemeitüiche, Do inmitten stunden bischove
unde di gelerten herren und bevesprten (bevesperten?) dag lut. unde
maneten unsim herren sinir gnadin dag er gestillen wolle di ungncide.
Vnder des quam der slac. unde uil des lutis ein michü teil nidir dot.
also uü dag (fehlt: man?) brivefe achzic menschen di da dot lagin. in
einer kurcen stunden, Do karte sich sancte gregorius unibe. unde hig
si ir hende nimmer nider gelagin. wanne allig gv gote ufheben. unde
rufen unde sprach. Herregot dig lut ingeswiget nimmer du negestüles
dise Ungnade. Do gestunt det unser herre dem lute gnade, unde wart
der gehe dot betalle gestillet. Do gebot sancte gregorius über alle div
* Christenheit, dag (fehlt: si) den dac uirete unde beginge mit vroner uaste.
unde mit den crucen gingen, uor den gehen dot. unde vur alle di not
di in der heiigen cristenheite were über alle di werU. Durc dag heigit
dirre dac rome cruce. Hute sult ir alle uwer not unde der heiligen
cristenhett beuelen unsime herren. unde suU demtUliche get (l. vlegen?)
uwem heiligen den Worten dag si uwer botin sin gu dem almehtingote.
dag er uch sin riche verlihe. unde den ewigen lip. QtMd ipse prestet.
2.
PREDIGTEN AUF DIE PEST- UND HEILIGEN -TAGE.
ZWEITE HANDSCHRIFT.
Zwei aus dem na^lass des archivdirectors Mone in Karlsruhe
stammende eingdne pergamentblätter in 4^, jedes 22 ceniimeter hoch
und gegen 14 ceniimeter breit; die seile gu 36 durchgehenden geilen,
ohne liniierung und Spalteneinteilung. Die sdirift, von einer geübten
hoMd aus tlem ende des 12. oder dem anfange des 13. jnhrkunäerta,.
iti kräftig, retjelmäsitig und deutlich, aber nemiich gross und sehr
gedrängt, und deshalb nicht eben schön. Die s sind durchweg Itmg,
die i nur selten mit einem feinen striche versehen: die t ragen mxA
nicht über die mle empor, unterscheiden sich aber deutlich von den e;
die auslautenden e sind oben rechts an der schleife mit einent anffe-
fügten haken vers^ien, welcher dem des r sehr ähnlich ist. Die ab-
käreunge» beschränken sich im deutschen texf^ auf die üblichsten und
tügemcin gebräuchlichen, begegnen etwas reichlidier in den eingestreu'
ien lateinischen lextsteVen. Als interpunetionsteichen ist nur der tmuct
verwendet, aber ziemlich häufig. Neue satte beginnen mit rot durdt-
strichenen capitalbuchstaben.
Von jedent blatte ist nur eine seite lesbar. Von der schrifi der
andere» seilen ist nur ein sclnmmer iihrig geblieben; doch würde »
gründliche reinigung und vorsichtiger antvendung eines guten reagens
noch manches lesbar werden. Die lesbare seite des ersten blatles sckeitU
dessen rückseite zu sein , zu sehiiessen nach den freilich nur unsi<Aere»
vcrmtdungcn, welche sich der sehr übel besdiaffenen anderen seile nock
abgeunnncn lassen. Die lesbare seite des anderen blattes ist deSicn
Vorderseite: denn in der legten xcile der anderen seite lassen sich noch
die zwei Wörter „groze buniie" erkennen, und diese gehiireH in di«
fortsetenng iler legende von Petrus und Simon Magus.
1) Die lesbare aeite des ersten blattes ergibt ein bruchstück der
predigt In die ascensionis domini, auf himmelfahrt, fdU
demnach ungefähr in den mai. Anfang und sckluss g^rechen. Das
erhaltene stimt, mit geringen und unerhebliche» ai/weichuagon, zu dem'
texte be( Grieshttber s. 273 zetle 12 bis zur lezten eeile iler s. 274.
3) Die lesbare seite des zweiten blattes enthält ein bruchstäek
der predigt auf das fest Petri et Pauli apostolorum. gehört dem-
nach zum 29. Juni, entbehrt aber gleichfais des anfanges und des scht»^
ses. Das auf dieser seife erhaltene entspricht, widerum mit germj/en
und unerheblichen tdtweickungen , zunächst deni texte bei Grieahaber
von s. 381 geile 20 bis seite 282 zeile 8. Dann aber folgt im Grtes-
haberschen texte eine lücke, und in diese hinein reichen die letU»
32 geilen dieser seite, und auch die gesamte unlesbar gewordene rüdl-
seite dieses blattes fält noch in den ftereich derselben liicke.
Erstes bltdt.
(lu die asooiiHlonb donilni.)
die (iaz tivr inbreaaen Tal, Daz itl der tiafel. ufJ alln fine vollere.
Oie fnleL ewecUche brinnen in dem fivre. Von deine fivre iFt gescriben.
fgnifrorum »on eiiivgwtur. H unmif em-um uon morirtur. {Marc. !t, 44
BBÜ0H8TÜ0KB IT. PBBDIOTBK. 271
et Jes. 66, 24). Der ubelen fivr wirt aimer verlefchet. ufi ir wunn der ir-
Itirbet nimer. Lieben. Der ubele wnrm deift der leide tivfel. der &e fal
nagen, un marteren, naht ufi tac. Daz wir da fprechen. nabt nfi tac. daz
fprechen wir umme daz niht. daz da iemer werde tac. oder tages liecht.
da daz ewige vinftemifTe ift. wände ez ift alfo gefprochen daz ir ungenade
iemer mer weren fal. Nv fulen wir hude biten unferen herren. der durch
unfich in dife werlt wolde kumen. daz er unf def volle helfe, daz wir dar
muzen kumen da er die ewigen genade bereidet hat. allen finen holden,
die in minnent Lieben. Diy uifart unferef herren. die waf bezeichenei
manege wif. in der heiligen fcrifde. dannen abe fprach der wife falomon
in eineme buche, daz er gemachet bade, von unferme herren. ufi uon
der heiligen cristenheide. Simäif factus est dileclus ineus capree hin^
ntdoque ceraarum puper montef aromatum, (Cant. 2, 9). Lieben. Min
liebe, der ift gelich worden, eime rehe. ufi eime hint chalbe. uffe deme
berge guter würze. Daz reh. ufi daz hintchalp. daz ünt zwei fnelliv
thir. ufi varent al mit fprungen. ufi weidenent gerne an den bergen.
Lieben. Daz bizeichenet unferen herren. def fnellecheit div ift groz.
wände minner wilen. danne ein oucbrawe die anderen berure. fo umme
wert {L umbevert). unfer herre. alle die werlt. mit finer wifheide.
Alfe da gefcriben ift Attingit a fine usque ad finem foriiter et
difponit omnia fvauiier. (ßap, 8, 1). Er triffet uon eineme ende* der
werlte. ufi aller der dinge, die er gefchaffen hat biz an daz ander ende,
ftarche. ufi fezzet allez zefaze gemehliche. Sine fprunge waren feltzene.
der waf einer von deme himele. in dife werlt. durhc unfere funde. Der
ander an daz cruce. da er fine hende. an fbracte. ufi die durhcflagen
wurden mit nagelen. ufi damite gewann er den namen. Qiwd eft fuper
amne namen. Der da ift. über alle namen. daz er ein herre ist gehei-
zen def himelef.
Zweites blatt.
(Petri et Pauli apostolomm.)
in der ewigen verluft. wände du def wandef. daz man die genade
def heiligen geiftef. folte koufen ufi verkoufen. diu herze ift fprach er.
yol aller unreinecheite. un div bittere galle. def unrechtef div hat dich
betalle irivuUet (l. irvuUet). Lieben alfo wart er vertriben. ufi fider
malef. fwa er fancte petrif werke iht vemam. da fchalt er in. ufi fprach.
er were ein trigere. ufi ein bofe vifchere. Do derfelbe tivfelef böte,
dar quam, do tet er manic zeichenlich zouber. da die houbet ftunden
irgraben. in den fulen. da fchaffeter. daz die livte duchte. daz fie lebeten.
Die er wolte ftecken. die ftecketer. allen gahef. daz ^e von der ftat.
niht kumen mohten. un machte fich ungefichtlich. ufi verfwant den luten
272 FSH. VOK BAROBHBBRd
nnder den hsiiflen. vß ver mnx ßcfa def. daz er die toten wolde injuicken.
ufl ander nianic dinc tete (l. tet er), die die Inte, wunderlich diichtea.
Saucte peter nfi Tante paulnf. die ne würben niht. mit decheiner tru-
gene. die taten die toten ut'ften. in unferef herren nameii. qB maht«n
die ficben gerant. uD predigiten aller tegelichef. daz godefwor (^ wort).
ufl fprachen. fwer ßeli an zouberere icht hefte, dei- mulle gotef hulde
verlorn han. All'ur hub lieh in der (tat. ze rome. midiel gezoc nü worf-
nilte. un zweiunge under deme üvte. SumeUche volgeten saocte petro
un lUncte panlo. die god irkanten. den aber idelcheit lip waf. die wol-
gelen (/. volgeten) deme goukelere. Diz quam dn für den keifer M
rome. der bioz nero. ud war untiure. def libef. un unreine des muteC
umme die Tele, fo nebat {l. hat«) er decbeine achte. Er waf nngelUlt
er fchilhete. er war kale un hate eine andere uureiDecbeit. die die buch
heizent. Erinfi {d. i. heruiam) inteftänorum rcilieet demiflionem. Er Hao
Gne muter. ufl ßnen bnider. ufl iinen meiller fenecam. uude lucannm
poetam. ufl die burc. hiez er inftecken in zwelif enden, mit fiure. durch
anderer nit mere. wände durch fine gelnil. die eideilen, ufl die bozelten.
die ze rome waren den nam er den lip. unrchuldic. mit verretniffe. Ni«
mochte, geborn werden Tnlich hurore. Tulich vraz. fnlich trenkere, ufl
aller bofheite waf er vol. der waf do ze rome keifer. ufl daz riche. waf
mit ime gelatleret. ufl verfchelcbet. Der hiez do für Geh gewinnen
(^monem den zouberere. ufl fancte Petnim. ufl fancte Pauliim. nß.
Ipracb zu in allen drin. Ir herren waz ill diz
Es haben sich demnach herausgesfrlt Itruchsiücke aus drei ver-
schiedenen pergamenlhatidschriflm p-mrs und dexxclhcn jirtdigtfmthes,
welche einander gegenseitig teils bestiUigm, teüs ergänzen; und etear
1) die der ersten von Hardenbergischen bläüer und die der Gries-
habersehen. die beiderseits aus einer und derselben bandschrift stam-
men; 3) die von Jeitteles bekatii gemachten; 3) die der eweiten von
Hardenbergischen blätter.
In dem Missale Romanum ex decreto sacrosandi conctUi Trvi0n~
tini restiiutum, Pii V. pont. tnax. jussu ejJitum, et Clementis VIII. pri-
mum, ntme denwt Urbani papae VIII. audorifate reeognititm. Alit~
werpiae, ex officina PlanUniana Salthasaris Moreti. J€45, teelehes mir
eben eur band ist, bvgivt (s. 505) das .Proprium missarum de sanetii'
mü „In vigilia S. Andreae ajiosldi"- am 29. november, und sehlteul
(s. 752) mit ^In feslo S. ftJri Alexandrini cpiscopi et morfyrts", am
36. november. Demnach wird in diesem Missale das kirchettjahr ofßäel
BBÜCH8TÜCKB IV. PRBDIOTBM. 273
t
gerechnet vom 29. noveniber bis zum 28. november, so dass S. Andreas
(29. november) bereits in das neue, dagegen S. Martinas episcopus
{11, november) noch in das alte kirchenjahr fält. Wenn nun in den
von Jeitteles veröffentlichten bruchstücken die predigt auf Andreas (s, 341)
sich auf voller seile unmittelbar anschliesst an diejenige auf S, Martinus
episcopus, so kann zwischen diesen beideti docti nicht füglich ein ganzes
kirchenjahr liegen soUen, vielmehr möchte man auf die Vermutung
geraten, dass für den Verfasser diesei* predigten das kirchenjahr nicht
erst mit Andreas j sondern schon mit dem uralten haupt feste des unnter-
anfanges, mit dem christlich umgetauften feste S. Martini episcopi
begonnen habe. Bringt man nun unter dieser Voraussetzung sämtliche
bruchstücke der drei hier erwogenen handschriften in die Ordnung des
kirchenjahres , und bezeichnet man zugleich fehlenden anfang einer pre-
digt durch einen ihrem titel vorangesteUen , fehlenden scJduss durch
einen ihm nachgestelten^ lücke innerhalb einer predigt durch einen ihrem
titel eingesclholteten stem, und ebenso kleinere oder grössere lücken zun-
sehen je zwei predigten durch steme zunschen ihren beiderseitigen titel-
Zeilen y so ergibt sich folgende, 21 predigten befassende, chronologische
Ober sieht des erhaltenen:
Jeitteles.
1) 11. november {s. 340) * De S. Marttno.
2) 30. november (s. 341) S. Andree apostoli*,
3) 6. december (s. 346) * S. Nicolai *
von Hardenberg. L
4) 24. februar (1.) De Matthia apostolo.
5) Februar (2.) In capite jejunii.
6) 25. märz (3.) In annunciatione S. Mariae*.
7) März — aprU (4.) * In coena domini.
8) März — aprü (5.) In die paschae.
y) 25.april (6.) De Letania*.
und Orieshaber (s. 266) *(De Letania).
10) 1. mai (Griesh. s. 269) Phüippi et Jacobt"^.
J eitteles.
\\) 3. mai (s. 343) *Inventio crucis*.
« «
Grieshaber.
12) Mai {s. 272) *In die ascetisionis.
tmd von Hardenberg. II. *In die ascensionis*^
SBIT80HB. r. DBUT8CHB PHILOLOGIE. BD. XY. \^
974 fBa. VON HiBDBKSKBa
13) Mai (s. 375) In die pmiecostes'^.
U) 24. jani (s. 279) *De lohannc Bajitista.
16) 29. jani (s. 380) Petri et * Pauli <tpostolorum.
und von Hardenberg. II. "Petri et Pauli apostolorum
Grieshaher.
Ifi) 33. juli (s. 284) De Maria Magdalma*.
17) 1. august (s. 285) *8. Petrt ad vinculn*.
und Jeitteles. (s. 353) *S. Petri ad vincula.
* •
(irifishabfir.
18) 15. augu!>t (s. 289) *Assuiiiptio Mariae.
19) 24. august {s. 291) De saticto BartJxdotmeo*.
und Jeitteles. (s. 349) 'De sancto BaHholomaeo.
Jeitteles.
20) 21. September (s. 550) S. Matthaei aposloli.
21) {s.351) In dedicatida ecdesia*.
Aus dieser Oheisiclit ist zu cntnaknuyn, dass in diesem predigt-
buche diejenigen fe.'it- und heiligentage vertreten waren, welche schon
von alters her bis in das 12. Jahrhundert algemeine, oder doch wäi
verbreitete kirchliche feier erhallen hatten. Zugteich aber läsat itit^,
nach massgahe dieser Wahrnehmung, auch mit leidlicher Wahrscheinlich-
keit eine Vermutung aufstellen betrcfs der übrigen fest- und heiligat-
tage, welche in denselben predigtbuche mögen berückBirJiHgung gefunden
haben, wäJirend die bis jezt aufgefundenen und bekant gemachten frrttcA-
stücke desselben nirJUs mehr von ihnen dnrbielen.
Zieischen nr. 2 und 3, nofb. 30 S. Andreas und decb. 6' S. Nico-
laus, leird scJiwerlich eine ganze predigt fehlen. — Dagegen bestdU
eine sehr beträchüidie l&cke ewischen nr. 3 und 4, decb. 6 S, Nicolam
und febr. 24 S. Matthias; Hier fehlen möglicherteeise : decb. 8 concepth
Mariae, 21 Thomas, 25 nativitas dotnini, 26 Stcphanus, 27 Johannes
evangelista, 28 Saneii Tnnocentes, Jan. 6 Epiphania, fehr. 2 purifieatio
Mariae, 22 cathedra Füri; jedoch könlen die predigten auf 25. — 3$,
december, Nativitas domint, Stephanus, Johannes evangelista, Inno-
cenies in dieser samlang ülierhaupt gefehlt haben, als gehörig bu äat
Sermones de tempore, unter welche sie von alters her gewönlich eing^
reiht wurden. — Zwischen nr. 6 und 7, mö/ee 25 annunciatio MariM
BBÜGHSTÜOKS IT. PBBDIOTBN. 275
und coena domini fehlt wol kaum eine ganBe predigt; und eben so
wenig etvischen nr. 10 und 11, mai 1 Philtppi et Jacobi und 3 inventio
crucis. — Umfänglich können auch die lücken nicht sein zwischen
nr, 11 und 12 y und wünschen nr, 13 und 14. In betracht kanten hier
etwa kommen mai 6 Johannes ante portas und mai 25 Urbanus, Auf--
fallen aber könte, dass, nach den Qrieshabei'schen blättern zu schliessen,
juli 13 Margaretha im predigtbuche wahrscheinlich nicht aufnähme
gefunden hatte ; es scheint jedoch dieses fest erst nach dem 12, jähr-
hundert eingefiihrt worden zu sein; une auch visitatio Mariae, 2. juli,
erst vom pabst Urban VI. {1379 — 1389} angeordnet worden ist. —
Zwischen nr, 16 und 17, juli 22 Maria Magdalena und aug. 1 S. Fetri
ad vincula scheint eine predigt auf juli 25 Jacobus zu fehlen. — Ob
zwischen nr. 17 und 18 j aug. 1 S. Petri ad vincula und aug. 15 assumptio
Mariae, etwa eine predigt auf aug. 10 Laurentius fehlen möge, erscheint
tmsicher. — Dagegen ist sehr auffällig, dass, nach den blättern von
Jeitteles zu schliessen (fals nämlich diese chronologische anordnung
darbieten, was freilich nicht festgestdt ist), zunschen nr, 19 und 20,
zwischen aug. 24 Bartholomaeus und sept, 21 Matthaeus im predigt-
buche gefehlt haben solte sept, 8 nativitas Mariae. — Endlieh hinter
nr. 21 folgt underum eine sehr beträchtliche lücke. Hier fehlt möglicher-
weise sept. 22 Mauritius, und wahrscheinlich sept. 29 Michael archan-
gduSj oct. 18 Lucas, 21 Ursula et 11000 martyres, 28 Simon et Judas,
fwvb. 1 omnium sanctorum und 2 omnium animarum.^
Die bruchstOcke der hier besprochenen drei handschriften sind
sämtlich in Oberdeutschland aufgefunden worden, aber ihre spräche
trägt nicht oberdeutsches^ sondern mitteldeutsches gepräge. Und in
Mitteldeutschland mag auch, und noch im 12. Jahrhunderte dies pre-
digtbuch selbst entstanden sein. Aus der bemerkung in der predigt
nr. 4, auf S. Matthias apostolus, 24, februar, dass y^daz heilige gebeine"'
dieses apostels nach Goslar gekommen sei, Hesse sich die vermtUung
schöpfen, dass der Verfasser nicht gar fem von Goslar gelebt haben
möge. Es scheint aber sein werk alsbald grossen beifaU und ziemlich
weite Verbreitung gefunden zu haben, woraus sich die fölgerung ergibt,
dass es einem wirklichen bedürfnisse in befriedigender weise entsprochen
1) Möglich bliebe aber auch, dass für diese predigtsandvmg jene in älteren
sacramentarien , vor abfassung des Missale Bomanum, begegnende anordnung mass-
gd)end gewesen wäre, nach welcher das kirchet^ahr nicht mit den adventssontagen,
sondern mit der weih^uichtsvigüie begann. Dann würde die oben angenommene
reihenfolge und bezifferung nur d)en dahin zu ändern sein, dass die nummem 1
bis 3 nicht an den anfang^ sondern an den scJüuss des ganzen, hinter nr, 21 zu
stellen wären.
18*
»8
vnreht. ir haint vngelimpi' vfl allpf tw' geflehte. fwaz ir teche '
noch vr gizogen. «läz iü gelicb wie ef aller li erlogen, daz ir in lieänt
daz dftite mich gft vis nH virgoflint daz vufchvldige blH. ir bant och
gefproüben vor mir. er habe vw' u vn vw' Fabbatii gebrochen, daz bant
zwelf erb" man wider rprocben mit gemainem mvnde. daz er nvwon
ßecbe Ivte mache gefvnde. vn DVt anderf habe getan, mich dvnket git
daz ir iu lazent gau. die iudea fcbrvwen g^ fere do. zi yylAUy alfo.
er hat nvt allaine daz lahbatQ gebrocheu. er hat ein wort blarfeniis
gefprochen. daz im noh enkainem menchen gezimet. waii er gotc da
mite ßn ere beuimet er Tprichet er li eiu kvnig gar üffenlich. vn &
Seh gotef Ivn vö liimehicb. Do pylatus <1eu biTchof vi^ did iuden alTa
herte Tab. zi in allen er Jo l'prach. lanl in gan er hat deu tot nvt
v'rrchull. ich Tcbalen wol daz er doch groze b^ze dvidet. vfl lant die
clage l^en iiider. die iuden Tcbrvwen alle nider li drÖten im vf den
kaiTer liuen herren, Twie er in wolti von deme tode genereti. pylatus
ibesum aurach. alftir er do zf im Tprach. wie Fol ich mich mit dir ge-
baren, ihesns Fprach alF dir von
rw. gote iJt gigeben, wau nio;l'er vfl alle wilFagen. haut giwill^et
vor manigen tagen, vö der uiarter die man an mir Fol bigau. vR wie
ich dar nah von deme tode fol erllan. die iuden iivwen aber gar Fere
do. vfl Fprachen zf pylato alfo daz wir dir nv von iiu faifcin viL fe
horelt dv felbe daz er gote liri ere binemen wil. wan fwaz alle wiiragen
hant von dem gew'rcn melliaf geF^t. daz hat er allel' vf ßch felber gelait.
Pilatus l^racb bat er da mite vwern goL biFcholten ald im geflSchot.
To ribte Felbe ab im zwie vwer wille girvchet. deF antwrteu die luden
aber do. pylato vn Fprachen alfo. wir haben daz von der ultrn e. die
vnf got Fante bi vnFerm vatcr nioyFe. fwa ein menche deme andern hat
geä?chet alder gefeholten. daz Fol im mit gaiCel fchelegen werden vir-
golten. fwer aber gote benimet line ere. den Fol mau fvritainen nah her
moyFel' lere daz hat ihesus offenlich getan, nv wellen wir daz dv in
baizeft crvcegon aU man Fcbaher vn morder tvt. daz dvnket vnf vf
vnfer warhait gSt, pjlatua llfnt VB gie vi" zf deme volke fvr daz riht»-
bvr. er wolte ft'rFfcben wie Fv Gnen tot woltin maineu. do fub er vil
Ivte gar Fere wainen. vfl do er daz wainen von den iHen Fach, do gie
er wider in zen rtrllen vfl Fpracb. ich ßhe vil Ivte gar fere waineo.
mich dvnket daz d( gantaiue nvt ellv Hoen tot welle mainen. def ant-
wrten die iuden do. pylato vfl fprachen alfo. wir klagen enkaiu dincfa
fo fere fo daz er hat daz volk virkeret. mit (iner valFchvu lere, er iA
von galylea da het er angivangen vn ill mit finer lere vm her gegangen.
Vn do pylatus erhörte daz. daz ei' von galylea deme lande waz. do
berodef ricbfot iu den ziten. er wolte lieh mit im ^rffnen wan Ü batoi
BRUCHSTÜCKS IV. PA88ION80B8CHICHTB. 279
groze vieDtrchaft gegin en ander, herodef der kvnig vn pylatus der
rihter.
Zweites blatt.
VW, die riter daz giwant daz fv ihesu haten ab gizogen. fi tailton
ef daz iegelichern ein tail wart finer wat. do haton Q^ noh do einen rok
der waz ane alle nat alf fi gifahin den rok fo ganzen do. G fprachen
z^ einandren alfo. wir fon in lazen ganze, vfi fon ein lof werfen wem
er werde zetaile. daz belcha dar vmbe. daz d\^ gefchrift ervvUet wrde.
die der wifage andeme falter fprach. do er den felben tail vor lange
in dem gaifte fah. diuiferunt fibi veltiroenta mea. et fuper neltimenta
mea miferunt fortem. entvche ef alfo fprichet. & hant min gewant vnder
fleh getailet. vn hant ein lof giworven dar vber dif fprichet dauid andeme
falter. nv hat öch pylatue haizen gefchriben vber ihesum df wort fpra-
chen alfo. ihesus nazarenu8 rex iudeoruni. dv wort fprechent alfo entvzche
hie ift ihesus nazarenus ein kvnig der ivden. dv gefchrift die ivdeu gar
fere m^te. & giengen fvr pylatum mit grozem zorne. vfl fprachen war-
vmbe er heti gefchriben daz er were ein kvnig der inden. ef were nvt
enwarhait. wan daz ef ihesus von im felber heti gefait. do antwrt pyla-
tus den iuden er fprach daz ich han gefchriben daz ift gefchriben. die
iuden baten pylatum aber do. vü fprachen zv im alfo. ez ift morne
fabbatQ vn vnfer öftren, vfi ift nvt billich daz an den crvzen biliben die
licham. dv folt haizen daz man ir gibaine zerflahe. daz fi fterben daz
man fv noh hvte bigiabe. pylatus tet daz in die iuden baten er hief
fin ritter daz fv ir gebain zerflügen. die ritter taten alf in ir herre
gibot. fv giengen hin do waren die fchaher noh do nvt tot. ir gebaine
zf zemvrton. daz fv balde mfzen fterben. fv weiten ihesus och han
getan daz. wan do ü fahin daz er von im felber tot waz. enkaine im
do fine gebaine brach, wan daz in ain ritter mit ainem fper dvr die
fitvn ftach. daz blft vn wazer von im vloz. die erde ef vnder deme
crvce bigof. Do gie der herre centvrio. zf deme rihter pylato. er fait
im waz grozer zaichen er heti gisehiu. wie die ftaine an finem ende
VW, werin zerfpalten. wie daz ertrich het fich erfchvtet. vfi wie
der vmbehank in deme tempel was zerzert. wie dv vinftri angie do man
in ze fexte an das crvze nagelen ane vie. Vfi do pylatus erhörte daz. vor
klvphfe waz er den tag an allef maf. er bifante die ewarten vfi die
fvrften do. vfi fprach zf in allen alfo. Ir herren hant ir dv grozen
zaichen gifehin. dv an ihesus tot fint bifchehin. fi fprachen vil dike
bifchehin ift dif. daz dv fvnne ift worden eclipsif. daz bifchit fo dv fvnne
dem mane zenahe iSfet. ir lieht üe den ein wile fvrbozet. mit den
jrorten wolteii f? pylatum botrigen. alfvr li von im giengen. Dar n^
Hr [lylatum gigaugen kao. joreph von aroiuatbia ein gvter man. der
tTrilon er ainer von der iurfchait {l. iutsctibeit) waK. wan er och nie
geftSnt iiüch gefaf. fwa Aie mden lerate giengen. wie ihesua mit valche
wrde givangen. er bat pylatani Aaz nr im ihesns Hcbam göbe. daz er
& bi der felbvn tage Kit bigr^be. pjlatua tet vil gerne daz. doch wndert
, daz er fo halde tot waz. iofeph gie hin vil balde. er nam ihesum
f«h deme crvce. ein rainer tvch er mit im nam. dar in wander den
balligen licham. dar kon och nicodemus der iuden fvrrte, vfl brabt von
edilen wrzen ("in kcfper Talbe. die er in üue bende naui. vf! bedraich
da mite den balligen lichnm. nv hate och iofepli der gvte. ein grabe
gewrket in ainen ftain. da trvgen Tv ihesum hin. fi begrvben in da vn
laiten ainen giozeu ftain vber in. ioFeph vA nicodemas 11 baide va
glengeu wider hain mit grol'eni lalde. vfi do die iuden borten Tagen,
daz iofeph ihesum hate begraben, li zalten im. ef ze ainer milTetat. va
giengen vber in zerate. daz rt in dar vmbe wolten vahen. vfl nicho-
r demum den fvrften. ü träten 6ch den zwelven die profeliti gahaisen
die vor pylato biwarton da^ iliesu8 waz ein e kint. vfl allen den
i im vor pylato gertfnden. G iahen ß müen
AU^i BRUDER PHairPS MAEIENLEBEN.
( emea pert/amentfnen doppelblaltes In 4'*, ufdches alg emi
I drei (inger starken bandes in klein 8" gedient hat, und in folge
1 stark beschädigt und ü>)cl euf/eriehtet ist. Die volle- breüe des
voUtändiger trhaltenen blattes beträgt 17'!^ centimeter, die höhe,
utchdem der obere und der untci-e rnnd bin in die Schrift hinein ver-
oren itind, noch 18 ctnitintete}; Von dem anderen arg verstümmtiteu
Hatte ist die iwdere hälße giaiz weggesehnUten. Dienchrifl, ron einer
geübten iiand des 14. jalirhunderts , ist fest, regelmässig and sehr deut-
lich, etoeispaltig , xu ursprünglich wahrscheinlich je 34 teilen, von
n jezt am oberen und unteren rande Je 2 Ins ■? durch verstümme-
verloren sind. Die versc .sind abge^c^. beginncti stets mit einem
f durchstrichenen capitalbuchstaben , und hinter jedem folgt ein pund.
' Überschriften geben den Inhalt der eineclneti absättc an, weiche
ich mit roten durch rtcei Meilen reichettden inHialen anh^ien.
tm-gleichung mit der ausgäbe „Bruder f%üip]>8 des Car-
ters Marienkben, herauag. von Heinr. RütJiert Quedlinburg und
g. 1843" ergibt, dass noch erhalten sind die verse 8011—8042,
-8074, 8077 — 8110, 8113 — 8145; 8714 — 8747; 8822—8854.
mncuh wurden twischen dem ersten und dem iweiten blatte wahr-
M
BBÜCH8TÜCKB lY. MABUSNLBBBN. 281
scheinlich 4 blätter fehlen Mit hilfe der ausgäbe ist es auch gelungen,
selbst an den recht übel zugericMeten stellen , besonders auf der rück'
Seite des ersten und auf der Vorderseite des eweüen blaues das meiste
noch mit genügender Sicherheit eu lesen. Durch abnutzung oder Ver-
letzung völlig unlesbar gewordene oder ganz ausgefallene Wörter und
verse sind nach Rückerts ausgäbe ergänzt, und die ergänzungen in
eckige klammern eingeschlossen worden.
Der text des bruchstückes zeigt zwar jüngere Schreibweise und
sprachformen, ist aber im ganzen doch noch ziemlich cotrect. J. Z.
Erstes blatt.
VW, a.
Daz du woUes bi mir sin.
Daz ich mich genyten din.
Mit [freuden nach dem leide m]in.
8015 Ich wil vmmer bi dir sin.
Ihefus sprach dfl mfiter min.
Du falt min nnmmer werden an.
Doch mit dem übe den ich han.
Macht dfi gefehen nit stede mich.
Biz dfl kumes zy himelrich.
8020 Maria fprach wa von [ist] daz.
Ihefus fprach die wile ich waz.
In deme leben daz doetlich.
Was do mochte man ftede mich.
H6ren grifen vnd fehen.
8025 Daz en mach n& nie gefehen.
Wan ich bin nfl vnt6tlich worden.
Vnd bin in gotlichem orden.
Dar Uterus loreph erfcheln.
Tj^yn man geheizen iofeph waz.
^ Zo dem die iuden dmgen haz.
8030 Wan er zo pylato quam.
Vnd urlop von pylato nam.
[Daz] er zo deme Cr[uce qu]eme.
Vnd ihefum von dem Cruce neme.
Iofeph der vil heiige man.
8035 Vrloup von pylato nam.
Vnd legete ihefum in ein grab.
Vnd vil fchone beuild gap.
Wan er daz hatte be[gan]gen.
An ihefft crift vmme [fekU daz ge]vangen.
S'
282 FHE. VOM HAEDimtwm
8040 Von den bofen [luden er w]art.
In [ei]nen kerk[er yaste] gespart
Ihefus dem felben manne vnime daz.
« «
b. 8045 Von der luden [kerker loste].
In (in hfls hin heim In f[ande].
Daz waz den luden groze fc[ande].
Wan des anderen dages frü.
Zo dem kerker quamen du.
8050 Vnd In da nlt Infänden.
Des nam üe alle wunder.
Dar Ihefas fent lacob erfehein.
^ente iacob hatte fich vermezfen.
Daz er die wUe nlt wolde ezfen.
Bit daz Ihefos von deme tode.
8055 Erftflnde daz gehlz er gode.
Ihefus erfehein Ime vmme daz.
Zo hand do er Irltanden was.
Daz Uterus fent peter errehein.
'o petro auch Ihefus quam.
Vnd Ime üne groze clage benam.
8060 Daz det er alleine vmme daz.
Daz er fin Iflnger worden was.
Dar Ihefus den drin marien erfehein.
arien der magt fwefbern zwa.
Vnd marien magdalena.
An dem dritten dage quamen.
8065 Zo dem grabe vnd mit in namen.
W&rtze vnd gftte falbe M daz.
Daz ^e ihefum wulten baz.
Beftrichen die vll hellge wip.
Der in dem grabe den heiigen lip.
Nit wfirde fmekin in dem ftelne.
Noch fulen mochte der lip reine.
Do üe z& dem grabe [nahen].
Quamen. einen fteln fie fa[hen].
8074 Groz ligen fib[er] üme grabe.
rw, c. [Do z4 dem grabe die] frauwen quamen.
[Ein engel] bl deme grabe las.
[Sin ge]want foe wis was«
z
M
BRUCHSTÜCKS IV. MABIBHLBBBN.
288
8080 [Davon] der frauwen [herze erschrac].
[Si trost der engel unde sprach].
Wen [suocht ir hie vil^ heilegen] frauwen.
Ger[ne weit ir ihesom] fchauwen.
Er ilt hie nit er ift erfkanden.
8085 Lebendic von des dodes banden.
Zo finen i&ngeren get hin.
Da ir He vindet vnd Taget in.
Daz von dem dode erftanden ift.
Ire lieber herre ihesu crift.
8090 Daz ^e varen zo galile.
Da füllen Re alle fehen.
Bälde die feibin frauwen lieffen.
Den iungern allen zofamen rieffin.
Vnd fageten daz erftanden were.
8095 Von deme dode ire lieber herre.
Die iungeren lieffen in den ftunden.
Vnd die tücher auch da vunden.
Da ihefu lip waz in gebunden.
8100 Einen [floir ouch] da funden.
Da ihefus haubt waz in gebunden.
Vnd daz grab ledich funden.
Sie gingen heim vnd wiften nit.
Vmme die wunderliche gefehlt.
Wa daz ir vil lieber herre.
8105 Ihefus [hin] komen auch were.
Wider [maria ma]gdalena.
[Zo] dem [grabe] gienc dar [na].
[Vnd da ihesum stende vant].
[Sie viel m]der alzo haut
8110 [Vnd wolde] ime küfTen fine fäzze.
« •
d, Zo minen iungeren ganc [nu hin].
Daz fie gen zv galyle.
8115 Da füln [^ mi]ch lebenden f[ehn].
[Maria gienc do sa zehant].
[Da si die iunger alle vant].
Vnd [sagete daz erst]anden [were].
Von [deme dode ir lieb]er herre.
8120 [Zo ir] do quamen andere frauwen.
Die wolden [gerne ihe]fum fchauwen.
284 FHB. VON HABDBNBERG
Sie begunden [wider] gehen.
Zo deme [grabe vnd vunden] ften.
Ibefum [do G] quamen wider.
8125 Alle vor in vielen nider.
Vnd fine fäze kufben sie.
Vnd fine wunden auch da bi.
Crift trofte Ge mit ffizzen wor[den].
Da von g[efreut die franjwen wor[de]n.
Daz Ihefas den ellf inngem erschein.
8130 "Tvie iunger von der iuden f[orgen].
^ Waren [in ejim hufe verb[orgenJ.
Die duren waren alle ver[fpart].
Die floz die [waren] wol bewart.
Durch beno[zzen tur] ihefus.
8135 Quam [zu in in daz?]felbe hucs.
Zwifchen den iungern ftunt er enmiten
Vnd fprach [nu fi in mite] godes fr[ide].
Die iungeren erschraken alle fe[re].
Sie wau[den daz ez e]in geift w[ere].
8140 Ihefus [fprach her z]o mir get.
Mine he[nde vnd] mine füze fet.
[Vnd alle mines libes wundJen.
[Die find noch vrifch vnd vnverbunden].
Nit fal fich f[orht]en uwer kein.
8145 Ein geift hat nit fleisch ader bein.
»
Zweites blatt,
« «
i>iv, a. Claretum vnd win da schen[ket].
8715 Ihefus vnd die heiigen dren[ket].
Derfelbe clarete ift alfo.
Daz er nummer wirt vnfro.
[Der fin getrinket einen trunc].
Der ift vmmer ftar[c vnd iunc].
8720 Der ist vmmer [fchone vnd] minneclich.
Der fflnnen vnd dem ma[nen gli]ch.
So groze freude mach er drinken.
Der nummer hertze mach gedenken.
Noch z&nge gefan noch [....] fchriben.
8725 Die freude sal ewiciiche bliben.
Die felbe freude tegeUch.
BBÜCHBTOCKE IV. KABIENLBBBN. 385
Emuwet unde meret fich.
Als von der andacht marie[Q g]edano.
Na der tercien vnd Texten fauc.
8730 Als man in deme ral[tere vint].
Die tercie vnd fexte gehei[zeu] tint.
Dar nach wirken ^e beg[vnde].
Die arbeit die üe wol kun[de].
Alle di werc die frolicb.
8735 Waren, vnd auch zimelich
Flizelich irs Werkes pf[lach].
Von Texten vz (l. vnz) an den mit[ten djacb.
Auch die heiige fchrift ^e [las].
Als fie von werke mäzich [w]az.
8740 Solde fie zo dem tempel gan.
Vnderwilen müfte daz gefch[e]n.
An dem mitten da[ge none].
Sprach maria [die maget vron]e.
Darnach mit dem [engel got].
8745 [Sande ir das himelische brot].
Mit grozen freuden nam r[i daz].
Vnd mit Tuzzer andacht az.
* *
b. Erhalten sind nur die anfangslmchstahen der verse 8756 — 8779,
rw. c, Erhalten sind nur einzelne endbuehstaben weniger verse.
d. 8822 [swa sie] daz horde da von (fehlt sie) floch.
[vnd sich] von bofer rede zoch.
[numm]er fie zo reden plach.
8825 [ ] fie nie wort gefprach.
[ ] die wort
Die maria die magit hort-e.
Alle zit z& gode kerte.
Daz £iQ auch da mide merte.
8830 Den gelauben der criftenheit.
Der waren minnen reinikeit.*
Hinderrede nit enplach.
Nfimmer nit die fAzze fprach.
Da ieman mide betrübet würde.
8835 Alfo hüte ^e ire worte.
Daz ^e (fehÜ redt) alle zit daz hefte.
386
FHB. VON HARDBHBIBe
Von den Iflden da (L daz) &e wifte.
Als yman leit vnd yngemach.
Ader ein beträCTal gefchach.
8840 Daz half He mit trAwen clagen.
Sin leit begande ^q niide dragen.
Vnd troft in afich mit füzzer rede.
Wie ^e mochte ime helfe dede.
Daz ift die regel nach marien.
8845 Die reine magit godes amien.
Nach ires f&nes uffart plach.
Mit rein(Z)ichem leben manchen dach.
Daz rente panlus zr marien quam.
panlus in den felben ftunden.
^ Ward bekert von finen fundeu.
8850 Do quam er zo iherufalem.
Bamabas der quam mit ime.
[vnd mjarien die magit fach.
[vnd vr]aüwete fich daz er den tach.
[Hete ge]lebet daz er fchafiwen.
5.
AUS DEM WILLEHALM ULRICHS VON TÜRHEIM.
Die hälfte, eine spalte, eines pergamenthlattes , 7^1^ centimeter
breit, 27 centimeter hoch. Der obere rand ist bis in den iext hinein
weggeschnitten, und ein senkrechter schnitt, der die schrift jedoch nur
wenig verlegt, geht durch die ganze spalte. Die grosse, ziemlich regel-
mässige und sehr deutliche schrift des 14. Jahrhunderts steht zunschen
wagerechten und senkrechten mit der feder gezogenen linien. Die verse
sind abgesezt, und beginnen mit durchstrichenen capitaibuchstaben.
Die Vorderseite zeigt bei v. SO eine blaue, die rikkseite bei v. 25 eine
rote initiale, Erhalten sind auf jeder der beiden seilen 40 verszeilen,
so dass am oberen rande kein vers zu fehlen scheint, denn zwischen
den beiden spalten fehlen etwa 80 verse.
Da herr dr, Ed, Lohmeyer in Kassd so gütig gewesen ist, den
text dieses bruchstikkes mit dem der Kasseler handschrift zu vergleichen,
ist es möglich geworden seine durcth beschädigung entstandenen lücken
aus der Kasseler handschrift zu ergänzen, und aucli durchweg die
abweichenden lesarten der Kasseler handschrift hinzuzufügen. In der
Kasseler handschrift finden sich die entsprechenden stellen auf bl. 235 * ^ *"
und 236^''.
BBU0H8TÜCHB lY. WILLKHALM. 387
Nach herm Lohmeyers urteile gehört der text dieses hruchstückes,
obgleich er nicht frei von Verderbnissen ist, doch eu derjenigen hand-
Schriftengruppe j welche einen reineren und echteren text darbietet , tmd
stelt sich am nächsten eu einem kürzlich in Müncheti aufgefundenen,
53 verse darbietenden pergamentquerstreifen : cgm. 5249, 7/ J, Z.
Vorderseite.
Der [selbe in die barken fprang]
Das was [an der knappen dang]
Vur die barcke er fie ftiez
Dekeinen er darinne liez
5 Daz mer ir leben künde zem
Bennewart der begnnde vem
Vil vafte gein dem fchiflfe
Daz er daz da ergriffe
Da er bekam hin an daz fchef
10 Sin rtange div gap manic tref
Die in dem fchiffe waren
Ein fterben da nit verbaren
Ane eine deine parte
Div bot Bennewarte
15 Daz houbt vf die faezze
Yfi fprachen nim ze buezze
Von nns herre daz wir han
Yfi ruche vns daz leben lan
Dannoch me fie taten
20 Mit ylizze ^e in baten
Daz er &q leben liezze
Swar er Glb glouben hiezze
Dar wolten &e glouben
Er fprach ir woltent rouben
25 Aber Sante lolianen
Yß fines gutes anen
Daz han ich iuch vnder varn
luwer genifet niemmer barn
Ir muezzet alle ligen tot
Cass, 1) Bennewart irgreif daz schif | Daz was ein vil selig grif | Der selbe usw.
4) Keiner 5) Hern muste daz leben da vercem 6) Kunde 8) her onch daz
begr. 9) hine quam a. d. schif 10) diu fehlt uil maningen trif 12) da fehU
17) waz 22) Swaz 23) Des 24) wollet 27) v 29) Im
288 FBH. VON HARDENBBBQ
30 pBuchan ime die hende bot
^ Der was der was des fchiflfes herre
Vü fprach wir han vil verre
Her gefueret diz golt
Daz du ze rehte haben folt
35 Ez were anders her nibt braht
Die gote hant es dir gedaht
Mabamet vn dar zv apolle
Ez lit manic guldiu knolle
Dort in ienen fchriuen
40 Der folt du dich gefinen
Rückseite.
* «
[Irboten als ich im habe] getan
Dem ich [fiu gut genojmen han
Daz ich ime die toten fende
Er fol noch von miner hende
5 So grozzen flag [enphjahen
Daz gein [ime beginnet] nahen
Sin felbes totlichiv vart
Saget ime er heizze Rennewart
Der ime die gäbe habe gefant
10 So bin ich ime fa bekant
Des antwurte ime do cruchan
Swes ir vns nit weit erlan
Herre daz muz wefen
Wan wir mugen nit genefen
15 Ez enfi danne iuwer willet gut
luwer mut ift vnTer mut
Wir (in iv alfo verfeit
Daz wir iv leiden swaz ir weit
pRvchan du bift vil wis
20 Witze vü eilen mac pris
Beiagen fwa er ift veile
33) Yz g. daz 35) inwere anders dir 36) hattens 37) Mahumet dar zv fehU,
39) In ienen schrinen binnen 40) Nu s. d. d. versinnen | Helt vfi lazen vns den
lip I Ere an vns di reinen wip j Di man zn rehte sol eren vor 1) Ich in wil des
nicht inpem | Im bringet di toten gente | Van mir in einen prisente | Deme ku-
ninge Terramere | Iz wart ni kunige di ere 7) Sins lebens 9) hat 10) znhant
bekant 13) moz alliz w. 18) in feMt 19) sere wia 20) mag din pris 21) iz ist
BBU0H8TÜCKS IV. CATO. 289
Nv varnt mit gutem heile
Gein dem yogete von Baldac
Dem nieman wider legen mac
25 An kuniclichem werde
Der na lebet vf der erde
Wolte got daz er erkande
Werne er finer manigen lande
Solte iehen vfi wer er were
30 Wie gar in danne verbere
Daz er Mahamete ytl hamone
Nienmier keiner finer crone
Deheinen dank gefagete
S wanne iefv daz behagete
35 So wurde er ir vil gar behert
Wer ift der die weite nert
Erkennen du den Cruchan
Nein du alTo iil min wan
Ob ich dir in nu nande
40 Din lip fin nit erkande
6.
CATO.
Ein papierblatt in folio, gekauft hei einem antiquariatshuchhändler
in Frankfurt a\M.; 28 centimeter hoch, 21 centimeter breit; von einer
hand des 15. Jahrhunderts deutlicJi aber nicht schön geschrieben; zwei-
spaltig, die spalte zu 49 bis 53 Zeilen. Nur die spalten sind in feine
linien eingeschlossen, die Zeilen dagegen entbehren der Uniierung, Die
verse sind abgesezt und beginnen mit capitalbuchstäben j die sich von
der Schrift des textes in grosse und gestalt jedoch nur wenig abheben.
Auf der vierten spalte ist der anfang des zweiten buches nur dadurch
angedeutet j dass räum gelassen ist für eine durch zwei Zeilen reichende
initiale (T). Von den zu gründe liegenden lateinischen versen sind
stets nur die anfangswörter aufgenominen.
Das blatt enthält von einer jungen erweiterten gestalt des deut-
schen Cato den schhiss des ersten und den anfang des zweiten bucJies.
25) kaninclicher 30) her dan 31) mahumete hSmonen 32) Nummer siner
minneste cronen 34) ihesuso 35) ir fehlt 37) Irkentes 38) Ich wil iz aber
dar vore han 40) in nit
SEITSCHB. P. DEUTSCHE PHILOLOOU!. BD. XY. 19
290 FBR. YOR RABDnffBSBO
Die Strophen 1 , 37 und 39 und die vorrede des ewoUen huches gestatten
eine vergleichung mit den von Fr. Z am che (Der deutsche Cato. Leip-
zig 1852) s. 92, 93 mitgeteilten entsprechenden stdlefiy und dartuich
lässt sich vermuten, dass der text dieses blattes am nächsten stimme zu
dem texte der von Zarncke mit F bezeichneten und auf s. 71 kurz
beschriebenen papierhandschrifl des 15. Jahrhunderts der königl. biblio-
fhek in Berlin, Cod, germ. man. in 8®, nr, 101.
Um die benutzung bequetner zu machen y sind hier im abdrucke
die nicM eben zahlreichen und auf das gewöhnliche sich beschränkenden
abkürzungen aufgelöst worden. Ferner sind am rande daneben gesezt
worden die Zahlung der distichen, und bei der vorrede des zweiten
buches die Zahlung der verse, nach dem von Zarncke s. 174 fg. gege-
benen abdrucke der Züricher lateinischen handschriß. Endlich sind,
ebendaher entnommen, unter dem texte auch die volständigen lateinischen
verse hinzugefügt worden, J. Z.
{Liber l)
VW. a. So setze dynen czu vorficht
Czu eynis audirn tode nicht
20 Exiguum munus. Accipito placide
Hat dyn armyr frunt den mut
Daz her dir gebit eyn cleynis gut
Czu fruntfchaft daz faltu enphan
Svnder allen bofen wan
Gutlich vnd lipplich
Vnd lobe is ouch volleclich
Nem auch den wyllen vor dy tat
Der von getrewen herczin gat
21 Infantem nudum. Paupertatis onus
Wen du wordift nakt geborn
So la dir nicht wefin zorn
Ab dyr bywyln dyn armut
Eczlichin gebrechin tut
Daz trag geduldeclichen
So wirt deyn zele reychen
20) Exiguum munus cum dat tibi pauper amicus,
Accipito placide, plene laudare memento.
21) Infantem nudum cum te natura erearit
Paupertatis onus patienter ferre memento.
BBUCHSTOCKB IV. OATO. 291
22 Ne timeas iUam. Qui mortem dtc.
Yorchte nicht dy letzte not
Dy geheyfin ift der tot
Wer des todis verebte hat
Der verluit daz her gelebit hat
23 Si tibi pro merüis nemo Incusare deum
Hoftu deyner vrvnde keym
Lyp getan dvrch belfir heyl
Lonit her dir nicht der tftt
Der deyn dinft enphangin hAt
Doch habe keyne vngedoolt
Tnd gyb auch gote nicht dy fchoult
So manchis tvmmys menfche tut
Den vngelucke zere mflt
Der do fprichit harthe fchir
Weide is got her lonit mir
25 QiMd praestare potes. Ne ßs ventosus
Was dv geleyftin macht czu hant
Daz fpare nicht wiltu genant
Welin eyn gerechtir man
Der feyne worheyt haldin kan
Lug nicht vnd habe fteten mut
Wiltu daz man dich heyfe gut
Wenne wer do vyl gelobin wyl
Der m&s ligin ane czil
26 Qui ßmtdcU uerbis. Tu quoque fac fimile
Wer mit fuzen worthen fich
Stellit fruntlich wedir dich
Der (l. des) hercze dir nicht gunftik ift
Begene em mit zulchir liil
So man vyndit hy befchrebin
b. Lift mit liften wyrt vortrebin
22) Ne timeas ülam, quae vitae est viltima finis;
Qui tnortem metfät, quod vivü^ perdit id ipsum,
23) Si tibi pro meriHs nemo respond/U amicus
Incusare deum noli, sed te ipse coerce,
25) Quod prestare potes, ne bis promiseris uiU,
Ne sis ventosus, dum vis bonus esse videri,
26) Qui simulat verbis,' nee corde est fidus amicus,
Tu quoque fac simvies (hs. $imiks)\ sie ars dduditur arte.
19*
292 nm. VON HASDsiraBBo
24 Ne tibi quid defit, Idque quod est tempta (?)
Dy zalt czeren auch czu maze
Wiltu daz dich daz gut nicht laze
Waz dv halt daz behalt
Tultu daz zo wyrilu alt
keynen kvmmer darfftu hau
daz pblegin alle weyfe man
27 Noli homines nimium. Fistula dulce dtc.
Laze dich an keynen man
Der do vyl fuffyr rede kan
Dy pheyfe fingit zufes fpil
Dy den vogil betrigin wyl
Daz phlegen valfche lute
Tor den faltu dich hüten hflte
28 Cum tibi fint nati. Instrue quo possiut
Wer kindir hat vnd arm ift
Der Tal fy leren kflnfte lift
Do methe fy gut irwerbin
Daz fy nicht verterbin
29 Quod vüe est carum, Sic tibi nee cupidus
Gebit dir ymant fyne gäbe
Dy nicht vyl nuczis habe
Daz fal dich dünken harthe gut
Ouch faltu habin zolchin mut
So dv wylt ouch gebin ymant icht
Das dich dyne gäbe dunkyt eyn wicht
So mag nymant heyfin dich
Gyrig adir wundirlich.
30 Que culparc foles, Turpe est doctori
Waz dich dunket milTetan
Daz faltu nymmer ane gan
24) Ne tibi quid desii, quod quaeriSj hoc (var. quaesitis) utere parce,
Utque quod est serves, semper tibi deesse puiato,
27) NoU homifus blando nimium sermone probare;
Fistula dulce canit, rolucrem cum decipit auceps,
28) Oum tibi sitU vutti nee opeSy tunc artibus ülos
Insirue, quo possint inopem def endete ritom.
29) Quod vUe est, carum, quod carum, vUe puMo;
Sic tibi nee cupidus nee aivarus nosceris tdli.
30) Quae euipare soles, ea tu ne feceris ipse;
Twrpe est doctori, cum culpa redarguit ipsum.
BRUCHSTÜCKE IV. CATO. 293
Dem lerer is nicht wol an (tat
Tut her waz her vorbathin hat
Wer do lere gebin wyl
Der tu auch gutir werke vyl
Sint dy wort den werkin gleich
So ift dy lere zeldin reich.
31 Quod iustum est petita. Nam stuUum &c.
Wiltu bete feyn gewert
Vnd waz deyn hercze begert
Zv bethe waz fey mogelich
Erlich vnd czemelich
Welchis bete iA alczu gros
Der wyrt allir bete blos.
32 Ignotum tu tibi noli Cognita tudicio
Du falt keynen fremdin man
Werdir wen den bekanten hau
Eeynis fremdis mannis lebin
Machtu nicht irkennen ebin
rw. c. Daz dir an dem bekant ift
Offinbar an arge lift
33 In morte aUerius. Pro lucro tibi pone dient
Sint vns eyn vngewiffes lebin
In fteten furgen ilt gegebin
Mit manchirley erbeyt
Dy dynem lybe ift uf irleyt
So fecze dir vor den gewen
Dy czyt vnd habe czulchin fen
Daz dv in erbeyt gerne ftrebin
Wellis dorch eyn langis lebin
34 Vincere cum possis. Obsequio quoniam
• Haftu einen kumpan
Der keygen dir hat miiletan
Biflu fterker wenne her
31) Quod justum est petäo, vel quod videatwr honestwn;
Nam stultum est petere, quod posstt jure negari.
32) Ignotum tibi tu noli proponere notis;
Cognita judicio constant, ineognüa casu.
33) Oum dubia incertis versetur vüa pericHs,
Pro lucro tibi pone diem quicumque (var. quocumque) laboras,
34) Vincere cum possis, interdum cede sodaU,
Obsequio quoniam dülces retincntur amid.
294 FRH. VON HAKDBMBBRa
Wortrag em daz ilt dir wer
Do yon werdin frunde gut
Daz eyns dem andim Übe tut
35 Ne dubites cum magna petas. hys etenim rebus
Dv falt eyns cleynen den gewem
Von deme dv wylt eyns grofin gern
Man iai mit fulchin dingen
Front czu famene brengen
Wer daz grofe wyl enphan
Der fal auch daz cleyne lan.
36 Litern inferre caue. Ira odium generat
Mit dem dir frunfchaft ift geborn
Czu dem trage keynen czorn
Mit em dich auch nicht genithe
Mit keynerley ftreythe
Mit dem dir genade ift gegabin
Mit dem fultu gutlich laben
Von czome kompt has vnd neyt
Do by auch grofir fchade leyt
Is tut eyn man in grymmekeyt
Daz em domoch wirdit leyt
Frunde eyntrechtig füllen feyn
Dy laflirs eynik wellin feyn
Fruntfchaft vnd lybe gancz
Wirt eyntrechtik an alle fwancz
37 8en4arum ob culpam cum te. Ipse tibi moderare
So dich der knecht in mifletat
So grobeclich irczomit hat
So faltu czornis mofen dich
Daz dv dir nicht feyfk fchedelich
An Übe vnd auch an gute
Tnd rtuwer dyme gemute
Daz deyn knecht icht fcheyde
Von dir in czornis leyde
35) Ne dubites, cum magna petas , impendere parva;
Eis etenim rdnis cof^ungit gratia caros,
36) Litern inferre cave, omü quo tibi gratia juneta est;
Ira odium generat, concordia nutnt amorem,
37) Servorum eulpis cum te dolor urget in iram,
Ipse tibi moderare, tuis ut pareere postis.
BRUCHSTÜCKE IV. CATO, 295
38 Qt^m fuperare potes. Maxhna etenim morum
Dem dv dich mochtis gleychen
Dem faltu auch entweychen
Wer do hat gedoldege fethen
d. Dem volget grofe toguath methe
Gedult vorwindit alle not
Dy brengin euch nicht den tot
Wer do wol verwindin wyl
Der fal ouch vortragen vyl
39 Conserua pocius. Cum labor in
Behalt ouch wol czu rote
Beyde vrü vnd fpote
Daz mit gi-olir erbeyt
Gewunnen halt vnd in gelet
Wem fyn ermut (?. erbeit) knmpt czu fchadin
Der wirt mit ermut obirladin
So daz her mit kummirs not
Verdynet eynen bofen tot
Daz mage ich Tagen folchin luten
Dy fich vor fchadin nicht en hüten
40 Dapsäis tnterdum. Cum fueris felix
Biftu zelig vnd wirft reychin
La dir dy ere nicht entweychin
Vnd tu ouch dyme lybe gut
Czu vordirfb vnd habe milden 'mut
Keygin den nefbin frundin deyn
Den faltu ouch gehulfig feyn
(Liber IL)
(praefcUio)
81 /nn\eKwm ß forte Virgilium legtto
V / Wyltu lichte irwarbin lop^
Wy man den ackir buwin fal
38) Quem superare potes, interdum vince ferenda ;
Maxifna enim morum semper patientia virtus.
39) Conserva potius, quae sunt jam parta Idbore;
Cum lahar in damno est, crescit mortdlis egestas.
40) DapsiUs interdum notis et cariM amicis,
Dum fueris felix, semper tibi proximus esto.
81 Tdluris si forte velis cogfwscere cuUtts
Virgilium legito; quod si mage nosse läboras
1) Corrigiert in: irvaren wol.
296 VBH. VON HARDENBERG , BBÜCHSTÜCXE lY. CATO.
So fache dir virgilium
Der fclireibit do von grofen r&m
83 Herbarum vires. Si romana cupis, LtAcanum
Wiltu irkennen crutis craft
Wol nach rechtir meyflirfchaft
Daz kan dir macer wol gefagen
Welche craft die erfite tragen
Wiltu abir darnach ftrebin
Daz dv noch dem vromen (Z. von der romer) lebin
Eunneft Tagen mere
Wy fy do erbere
Eeyn eren vindin Ilrethin
Dor vmme faltu fere bethin
Lucanom der von ritterfchaft
Schribet grofer Ilrite craft
86 Si quid amare libet, Nasoneni petito
Haftu abir in dynen fynnen
Dy vrouwen lip czu gewynnen
Wiltu des eyn meyftir wefin
Des bete dir nasonem lefin
Der fchrybit von der mynnen
Wy man ir fal begynnen
* 88 Ut sapiens viuas. Per que fenwtum
Haftu abir fdlchin mut
Daz dich wyfhayt dunkit gut
So volge meyner lere
Herharum vires, Macer tibi carmine dicit.
Si Romana cupis et Punica noscere hdla
85 Lucanum quaeras, gut Martis pradia dixit.
Si q^iid amare libet, vel discere amare Ugcndo,
Nasonem petito ; sin autem haec est tibi cura,
Ut sapiens vivas, audiy quae discere possis
Per quae semotum vitiia deducitur aevum;
90 Ergo ades et, quae sit sapientia, disce legende.
297
DIE BALLADE UND ROMANZE VON IHREM ERSTEN
AUFTRETEN IN DER DEUTSCHEN KUNSTDICHTUNG
BIS ZU IHRER AUSBILDUNG DURCH BÜRGER.
(SohluBS.) '
Die auslblldiing der deutsehen Iballade dureh Bflrger.
§ 2. Bürgers persönlichkeit.
Bei der besprechung der Bürgerschen balladendichtung möchte
ich, dem historischen gange der bisherigen Untersuchung treu bleibend,
zunächst die hauptwerke dieses dichters durchgehen und durch eine
analyse des Inhalts und der composition derselben ihre bedeutung und
ihren gehalt nachweisen, in einem zweiten, mehr theoretischen teile
die eigentümlichkeiten der dichtweise Bürgers und ihren Fortschritt gegen
die romanzendichtung der früheren zeit entwickeln. Da aber Bürgers
dichtung wie die weniger deutscher dichter pathologisch ist und die
eigenen lebensumstände des autors, ans denen sie hervorgegangen,
beständig widerspiegelt, so möchte eine ganz kurze darstellung der-
jenigen lebens- und bildungsverhältnisse Bürgers hier am platze sein,
aus deren schösse seine dichterische persönlichkeit hervorwuchs, und
welche das zusammenwirken jener zwei scheinbar so weit auseinander-
liegenden demente bedingten, welche — um es kurz vorweg zu neh-
men — das wesen der Bürgerschen poesie zusammensetzen, ich meine
die bereits oben angedeutete richtung auf das volkstümliche und zugleich
sein streben nach äusserer, fast in antikem sinne aufgefasster form-
vollendung.
Gottfried August Bürger war von hause aus eine kräftige,
natürlich sinliche harzernatur, so recht aus der gesunden mitte des
Volkes ; zuerst auf dem bäuerlichen pfarrhofe seiner eitern , dann in dem
hause seines grossvaters, des biderben Ascherslebener „hofisherrn''
Bauer aufgewachsen. Hatte die romantische unterharzer heimat in der
nähe des Falkensteins und des Selketales die empfängliche phantasie
des knaben schon frühe mit frischen waldbildern und mit den sagen -
und spukgestalten der gebirgs- und raubrittergegend erfült, so lernte
er in Aschersleben die in der dortigen gegend noch lebende volkslieder-
dichtung kennen, die neben der bibel und den alten kirchenliedem sein
gemüt schon frühe anregten. Der formensinn des Jünglings wurde auf
dem Pädagogium in Halle durch den talentvollen lehrer Leiste und auf
der dortigen Universität durch die philologischen Vorlesungen des pikanten
IQotz geweckt, dessen umgang freilich, wie später derjenige im hause
von dessen Schwiegermutter in Qöttingen, der starken neigung zum
X
ltOI.EHADatUI
sinUchen in dorn jungoa Bürger ein bedeukliche» Übergewicht gab.'
In Gfittingen, wnhio sich Bürger von Hallo aus begab, wurde er, wie
damalB alle weit, ein glühender verebrer von Ossian und Shakespeare,
die er in dem sinne der auHerwählten aufzufasseD wnste, sein
lieblingsstadiuni aber wurden eine geraume /.eit lang die englischen
volksballudeu, die ibm in den oben erwähnten Percjs Keli()uea, mit
denen er sieb indessen erat bei seinem aufentbalte in Gelliebausen nnd
WöUiuerahausen eingebender beachäftigte , obwol er sie schon in Göt-
tingen kennen gelernt hatte ' und in einer andern samlung (Old ballada,
Evans editioii 1T77) zugänglieb wurden; sein formales talent fand
widtTum pflege in dem umgange mit Götter und Boie, sein sinn für
die natur wurde in der wald- und burgenreicben umgegend von Göt-
tingen angeregt und unterhalten,^ während er auch für seine leiden-
1) Vgl. aber Bürgers aufenthalt auf dem pädogo^nm zn Holle: Daniel , Bflr^or
auf. der Soiiiilc, Protamin dca Königlieben Fädagoginma 1845, abgedruckt bei
Daniel .Zerstreute Blätter", Halla 1866. a. 47—72. in betreff dca Verkehrs mit
Klotz Strodtmann . Briete ven und an G. A. Börjfer 1874. bd. I. iir. l ff, und
bd. IT, nr. 897 (im anhang), Über die Göttinger verliMtulaee spcdcl I. nr. 7 n. 40
Innd IT, anbang ur. 892. Der ktne wegen werde ich die Strodtmannsrhe avnlang
der brii'Ic Bürgere mit 8. B. bezeichnen, die einzelnen briefa nach den unmineni
(nicbt Seiten] citieren.
9) Vgl. S. B. 11. 318, 336, 338. 341 uiw. Obrigens glaube icb, das« Iffirger
in GSttingen gleioh die ganten Reliques kennen lernte; denn wimm mit Qrise-
bach (G. A. Bürger. Biographiacb-Iiterarische Skizie vor deseoD ausgäbe von BBTg4r«
Werken, Berlin 1872. e, XIII) Dr die erste BeJt diu medium des aohwiclilieben aiia-
zuges annehmen , welcbtr von den ßeliqnee IT67 In Götting«n bei Victorinns Boa-
eiege] orscbienen war, den auch Tittmann, Gottfried Augnst Bürger, einleitirag itn
■einer kritiaehen anegabe der Bürgerscben Gedicht» 1868. s, XLV citiert. nnd wel-
cher im ganien nur 11 von den Percyromanzen , darunter nur zwei der uniwoifel-
b&ft von Bürger bennzten enthält. Übrigens entlich nach Goedeeku. Bürger in
GStUngen nnd Gelliehaueen , 1873, a. 17 rur zeit des anfenthaltes io Q&tUiigen sulbrt
niobt er die Bcliqnes von der GBttinger bibliothck. Modern UOlty. ^orch den ste
den übrigen dichtem erst bekant wurden* (seit dem 33. no*. 1770). Oeedecke bat
die nlton Biisleihebflcher nachgesehen , unter den «. 79 ff. aufgeführton von Bürger
entliehenen werken befinden sich die Relitjues nicht; Bürger bescbränkt« sicli bher-
haupt in der benntzang der bibliothek als stndent beinahe ansscbliosalich auf jori-
stischo Bachen, während Holt? fast nnr dichtoristlie werke in anaproch ualun.
3) Der einfliiBs der romantischen gegend von Gellichnnann etc. nnf Bürgere
dicbtung iat nicht hoch genug anzuschlagen: es linden sich in dem Bärgerivhen
biiefwechse! lalilrejobo daninf beifiglicbe andeutnngen vim ihm selbst nnd van selten
«einer frenndc. Die Gleichen t. b., die er ven GolUebanaen aus auf tügUeheE
I Spaziergange erreiehen konte. beabsichtigte er, in einer nach ihrem namen s:
I benennenden ballade zu verherbeben. Tgl. S. B. III, 6<)U, 003 n. &.<&, vgl. auch
den brief Cramera vom october 1773. S. B. I, 124. wo ea von der Lonore li
„Kor in der Geisterstunde nnd hei den Ruinen der ultcn Gleichen kennte •
mtück enU}iinaaii mm.'
BALLADE BIS BÜBOER 299
Schäften dort nahrung fand; insbesondere die leiden und freuden der
liebe bis zur neige kostete.
Das war der amtmann Bürger, den das „Actum usw.^ und „In
Sachen Gelliehausen ^' nicht abhielt, einen balladenton in die weit
hinauszusingen , wie er in der deutschen kunstballade nimmer war
erhört worden.
§ 3. Die ersten balladenversuche Bürgers.
In der Bürgerschen balladendichtung ist eine regelrecht fort-
laufende entwickelung nicht zu constatieren ; einige jugendversuche )
abgesehen, erreicht er die höhe seiner dichterischen production sehr
bald, von da an geht es hinab und hinauf und wider hinab wie das ,
leben des dichters. . '
In seinen allerersten versuchen freilich steht auch Bürger noch
auf dem boden der Gleim - Löwenschen manier, ja, auch er ist sich
über die begrifTe der ballade und romanze nichts weniger als klar
das beweist seine 1769 oder 1770 gedichtete „Stutzertändelei", ein
burlesk -lyrisches gedieht, welches er anfangs „Stutzerballade" betitelte
(vgl. Döring, Bürgers Leben s. 18 und den bekanten brief Boies an Gleim
über Bürger, S. B. I, 11), das zeigt vor allem seine „Europa" oder
„Neue weltliche hochteutsche Beime, enthaltend die ebeutheuerliche
und wahrhaftige Historiam von der wunderschönen Durchlauchtigen
Kaiserlichen Prinzessin Europa und einem uralten heidnischen Gözen
Jupiter item Zeus, genannt usw. Also gesetzet und an das Licht
gestellet durch M. Jocosum Hilarium, Poßt. caes. laur." Dieses gedieht,
über dessen entstehungszeit viel gestritten wurde,* unterscheidet sich,
1) Althof deutet sie nur ungenau an: „ungefähr um 1773 oder 1774", Rein-
hard im register zum 1. teil von Bürgers Gedichten nent „vermuthlich 1773",
Götzinger, deutsche dichter. Lpz. 1844, 8.200 behauptet , sie läge zwischen dem
entwürfe der „Lenore" und dem „Raubgrafen"; diese angaben sind falsch. Auch
Koberstein (V, 38 anm. 28) weiss sich nicht recht damit zu helfen. Der Jahreszahl
1773 widerspricht der umstand, dass die „Europa" bereits im jähre 1771 in dem
erwähnten briefe Boies an Gleim über Bürger als fertiges gedieht Bürgers auf-
geführt wird (vgl. Grisebach, oinl. XV), sie scheint demnach, wenigstens in ihrer
frühesten fassung, etwa aus dem jähre 1770 zu stammen, wohin sie auch
Strodtmann in dem register zum Briefwechsel (IV, s. 293) sezt. Das stück ist
in der folge verschiedentlich umgearbeitet, wurde viel bewundert und ist deshalb
in dem ersten bände des Briefwechsels häufig citiert. Abschriftlich scheint es schon
vor 1775 verbreitet gewesen zu sein , welch leztere Jahreszahl Tittmann s. 320 nent.
Gedruckt wurde es nicht 1774, wie Döring angibt, sondern erst 1777 zu Göttingen
(ohne Ortsangabe), nachdem es Boie für das deutsche museum zurückgewiesen hatte
(vgl. S. B. I, 287). Bürger benuzte in diesem stücke die romanze zu polemischen
zwecken, indem die verse „Eu'r batzen soll euch nicht usw." gegen Nicolai und
genossen gerichtet, spedel auf des ersteren vorrede zu „Danyel Wunderlichs Alma-
nach" gemünzt waren. Vgl. S. B. 1 , 285 und 286.
wie BChou dor litel besagt, in nichts von der bänkelflftngermanier der
voraafgeheude« {leriode, ja. es^iat vielleiclit das gemeißato gedieht^
wcjlches in dieaer. manier verfasst worden^ ist und nur durch den witz
tmd die gewäute form dor darstellung den unterschied dos dichtera
gegen jene frostigen reimer erkennen lilsat.
Ein unverkenbari's streben nach dem voUfstümlichen verrüt bereits
„Der Uaiihgraf**.^ Voss bemerkt zu dem briefe vom 22. april 1773,
in welchem Bürger dies neue stück an Boie mitteilt, der dichter habe
angestanden, „ob er ballade die scherzhafte und romanze die rührende
erzShlnng des vniksliedos nennen solte oder umgekehrt," Boie habe za
dem lezteren geraten.
Von dem „ Ranbgrafeu" weiss man freilich auch nicht recht, ob
man ihn als oine scherzhafte oder rührende erzählnng bezeichnen soll.
Schlegel, Charakteiistiken und Kritiken, KSnigsberg 1801, hd. II, s. 61
will ihn sogar eine idylle genant wissen !
Was znnachst den stoff angeht, so knfipft dies gedieht an die
geschieht« des wilden grafen Älbrecht vom Regenstein bei Quedlinburg
an; knüpft an, sage ich, denn es schildert dessen erlebuisse durchaus
unhistorisch ; die ganze Regenateiner gescbiclite iat aber nur episodisch
behandelt, wider angeknüpft an die scbanersageo , welche diese bürg
umgehen, und welche ein vorn herfahrender postitlon seinem mixenden
erzählt; diese erzäblung läuft in eine spitze anu gegen die franzlIsiBchen
ranbritter aus Bürgers tagen, die douauiers Friedrichs H., deren einer
au den wagen tritt, um ihn nach ungegtempeltcm tabak zu untersuchen!
Die erzSblung des „Schwagers Matz" wird im sinne und tnne eines
solchen ungebUdeteu rosaelenkors reebt gemütlich und mit manchen
fuhrmannsausdrGcken und -witzen untermischt, vorgetragen, aber es ist
ein unterscbied zwischen fuhrmannswitz und volksmüssiger darstellung!
and das ganze schon durch seinen wunderlich gemischten Charakter in
der tat ein ziemlich abgeschmacktes product, wie es von Probte be-
zeichnet wird,
§ 4. Borgers Lenore.
Mit dem „Raubgrafen'' ziemlich gleichzeitig hatte Bürger ein
ueuus werk concipiert, welches der deutscben romauzeu wir sagen
Ton nun au besser balladendichtung — eine glAnzende wcndung zum
bOBsem geben und den nanien seines Verfassers als des tatsächlichen
reformators dieser dichtungsart für alle zeit unvergänglich machen
soUo: die Lenore. „Ich habe eine herrliche Romanzengescbichte i
I) Die iticbtnng cntsUnd im april 1773 , vgl. 8. ß. 1 , 75. Die uigsbs
Uütziiig;erB (i. SOO), „Der Ranbgnif' mi lucrtt im VossficbeD mosDiialniaiudi 1
ursebieBeji, ist tuuichtdf.
1
BALULDB BIS BÜ&GEB 801
einer uralten Ballade aufgestöbert," so berichtet er über diesen neuen
fund an Boie am 19. april 1773.^ Bürger hatte ihn schon im voraus-
gehenden Winter getan, als er, wol ganz zufällig, einzelne werte aus
einem alten volksliede oder, wie sie in der dortigen gegend genant
werden, „sginnstubenliede" singen hörte. Er forschte weiter nach,
vermochte jedoch von der Sängerin — der hausmagd Christine — ausser
den zeUen: Der mond der scheint so helle,
die toten reiten schnelle
und den werten des gesprächs: „Graut liebchen auch vor toten? Wie
solte mir grauen? Ich bin ja bei dir" nichts als eine — wol sehr
abgerissene — mitteilung über den Inhalt des Volksliedes zu erfahren,
von der art, wie man nachrichten über solche gegenstände aus dem
munde ungebildeter leute zu erhalten pflegt; an den text der ballade
selbst konte er nicht kommen , wie er ausdrücklich angibt. Eine freundin
aber, bei der er sich nach dem liede weiter erkundigte — vielleicht die
hofrätin Liste oder fräul. von Bülow? — teilte ihm aus einem andern,
wahrscheinlich denselben stoflf, nur in einer Variation behandelnden,
übrigens niederdeutschen volksliede die melodiösen zeilen mit:
Wo liese, wo lose ^i }ü{>.
rege hei den ring
(vgl. Pröhle, s. 101 anm. und A. W. v. Schlegel im Neuen deutschen
Mercur 1797, s. 393 flf.). Schon Schlegel weist auf die Ungerechtig-
keit des zweifeis an dem ehrlichen namen ß. A. Bürgers hin, wenn man
nach dem vorbilde einiger kritiker immer und ewig nach einem origi-
nale der. JiCnpre sucht; die benutzung eines solchen stelte Bürger ihm
gegenüber, abgesehen von einigen zügen des alten Volksliedes, durchaus
in abrede. Dasselbe tut er in einem briefe an Boie vom 6. mai (S. B.
I, 79): „Herr, das ist euch eine Ballade! das ist ein Minnelied, die
sich gewaschen haben! und ganz original, ganz von eigener erfindung!"
Jedenfals ist, was Bürger an gegebenem steife benuzte, zu seinem
grösseren teile auf dem boden des, wie es scheint, verklungenen deut-
schen Volksliedes zu suchen,* wie Bürger das widerum selbst andeutet
1) Vgl. S. B. I, 73. Bürgers briefwechscl über die Lenore wurde mit anmer-
kungen herausgegeben von Voss, abgedruckt unter anderen in dem 7ten bände von
G. A. Bürgers „Sämmtl. Werken", herausgeg. von Reinhard, Berlin 1824, s. 51 — 89,
in der ausgäbe der Bürgerschen werke von Bohtz, Gott. 1835, s. 463—471; er ist
femer enthalten in S. B. bd. I.
2) Das im Wunderhorn „Lenore" betitelte sogenante „Volkslied" ist zuver-
lässig gefälscht. Vgl. Wackernagel, Zur Erläuterung und Beurtheilung von Bürgers
Lenore in W. Wackernagels „Kleinen Schriften*', Leipzig 1873, bd. 2, s. 399—427,
daselbst s. 421 und „Des Knaben Wunderhorn*" herausgeg. von Birlinger und Cre-
^ celius U, 8. 264 anm.
(S. B. I, 82, in dem briefe an Boie vom 10. mai): „Der StöfT ist aus
einem alten Spinn stubenlioile genomineu". Schwerlich dagegen wird
au eine bonutznng des englischen SufTolk miracle an» der schon dam&ta
sehr seiteneu balladensamlung von 1723 zu denken Hein, die ftärger
wol nicht zugänglich gewesen ist, wie I'röhle lü3 6. glaubhaft gemacht
hat. (Diexe sauiluog beßndct sieh auch jezt nicht auf der QAttinger
bibliotbek). Ich habe dieser bailade, wenigstens des ganzen tettes,
nicht habhaft werden köunao, vielleicht, dass aus derselben direct eine
Widerlegung des englischen kritikers möglich wäre, welcher (in ITie
Montbl> Magazine, sept. 1796, vol. II, nr. f*, e. C03) diese ansieht auf-
gestelt hat. Der Iftruieude streit, der sich nach Bürgers tüde über die
Originalität der „Lenore" erhüben hatte, ist überhaupt längst in hjper-
kritischer diftelei versumpft und, ihn noch einmal aufrühren, Messe nur
den quark breiter treten.
Viel wiclitiger als diese ganze frage ist die tutsache, dass der
dichter mit si^iner „Lenore" einen beneidenswerten griff in einen unge-
heuren sageucomplex tat (welches Wackernagel. Zur Erklärung und
Uetirtheilung vou Bürgers _Lenore" in Wuckernagels „Kleioeu Schriften'*
Leipz. 1873, bd. U. 399—427) und Pröhle (0. A. Bilrger, Leipz. 185G.
77 — 115) philologisch eingebend erörtert haben. Dieser sugeiicomplei,
etwa demjenigen der Parzival- oder wilden jügersage vergleichbar, ist
ein gewaltiger baura, dessen Jiste sich über die volkslitteratur fast der
gesamten arischen Völker erstrecken, deutsche, englische, skandinavische,*
I bretonische, serbische, neugriechische Volkslieder sind aus seinen Eweigeo
l ersprossen, von denen einige selbst die heissen tüler Indiens Oberschatten,
wBbrend andere und nicht gerade unbedeutende, in den deutschen Harz
und in die gegcnd von Göttingen gewachsen sind, wo sie G. A. Bürger
zu gesiebte kamen. Dieser sagencomplex verdankt seine gewaltige aus-
dehuung seiner ethischen tiefe und der algemein empfundenen Wahrheit,
auf der er ruht, der Wahrheit, dass das leben beziebungen von einer
feste und inuigkeit zu knüpfen vermag, dass sie selbst der tod aufziT-"
lösen nicht im stände ist. Unter diesen beziebungen nimt wie begreiflich
die liebe, speciel die geschlechts- und gattenliebe eine hervorragende
stelle ein. Daher die zahllosen sagen des beiden- wie des christen-
tuines, dass gestorbene widererscheinen und lebende durch den uuignug
1) E* ist mir gplnagen, «q ileD mblrricli-^n vnn Wackernagel und PrOhl«
mit^tciltflii licdcrn unil liederresten Biia tlnr alten volkasng« tmcii das frKgiiicnt
(■iti«s RcbwinliBchcn vulksHcdcs d«r protinx Sclion«n iu ennitti^lii iiaitgi'tuilt in dur
vorrMe ta der ächnDiligohen VulbsUedeTBaiultuig foa UeijcT ond Afielluii)i ea lautet:
M&Dui skiuet.
DOdmu rider:
Ar da icJte räddec liii. Holla?
^
BALLADX Bli BÜBOBB 803
mit diesen abgeschiedenen selbst dem tode anheimfallen. Dahin gehört
das verschollene Göttinger Volkslied , dahin die William und Margareth-
balladen in dem Percy, welche Bürger zweifelsohne gekant und (nament-
lich Sweet William's ghost, Percy 3, 126 [ich eitlere die Reliques nach
der zweiten ausgäbe, London, Dodsley 1767]) in einzelnen zügen bei
der ausarbeitung seiner „Lenore^ benuzt hat.
Der umstand, dass Bürger eine so tiefsinnige und wahrhaft volks-
mässige sage von so algemein menschlicher Wahrheit erfasste, verbürgte
einerseits von vornherein die beliebtheit und popularität seines werkes,
während er anderseits durch die richtung auf die tiefe, welche er der
kunstballade gab, für diese bedeutungsvoll wirken muste. Ein glück-
licher. Zufall fügte überdies, dass Bürger gerade in jener zeit, im mal
1773, die „Fliegenden Blätter von deutscher Art und Kunst" bekant
wurden, welche alles, was bis dahin von sinn und drang zur volks-
poesie in dumpfer ahnung in seinem busen geschlummert hatte, zu
freudiger klarheit erweckten. Das spricht er selbst aus in dem briefe
an Boie vom 18. juni (S. B. I, 89): „0 Boie, Boie, welche Wonne! als
ich fand, dass ein Mann wie Herder eben das von der Lyrik des Volkes
und mithin der Natur deutlicher und bestimmter lehrte, was ich dunkel
davon schon längst gedacht und empfunden hatte. Ich denke, „Lenore"
soll Herders Lehren einigermassen entsprechen." — Und bald darauf
lernt er ein anderes werk kennen, dessen unmittelbaren einfluss auf
die „Lenore" Bürger selber wider ausdrücklich angibt (brief an Boie
vom 8. juli, S. B. I, 93): „Dieser „Götz von Berlichingen" hat mich
wieder zu 3 neuen Strofen zur „Lenore" begeistert! — Herr, nichts
weniger in ihrer Art soll sie werden, als was dieser „Götz" in seiner
ist." Und sie ist in der tat nichts weniger geworden, nur, dass „Lenore"
Bürgers bedeutendste Schöpfung war und blieb, während Goethe den
rühm seines „Götz" durch grössere werke verdunkelte!
So wuchs denn die „Lenore", von dem deutschen volksliede ange-
regt, von den werken der stürm- und drangperiode gezeitigt, unter
den veredelnden eindrücken, die eine romantische natur schon vor der
gehurt auf das kind der phantasie ausübten; nicht, wie die meisten
werke der stürmer und dränger war sie eines tages da, sondern in
harten wehen rang sie sich aus dem schösse des dichters, und der
ganze Göttinger bund hat bei der gehurt geholfen. Der einfluss dieser
begeisterten, phantasie- und gemütvollen Jünglinge, sowie derjenige des
nüchternen, aber formgewanten Boie auf die lezte äussere gestaltung
der „Lenore" ist immerhin nicht gering zu achten, wie aus dem betref-
fenden briefwechsel (S. B. I, 109. 111. 115. 117 flf.) hervorgeht, wenn
auch nicht alle von den freunden vorgeschlagenen änderungen verbes-
SOi B0LZHAÜ8EK
serungon waren. An den bildem und ausdrücken, sowie am rhytbmus,
wurde fortwährend geändert — „Lenore kreischt unter der Feile", heisst
es an einer stelle jenes briefwechsels — aber auch ganze atrophen
wurden umgeworfen, umgeschafien , andere eingeschoben. So lautete
bekantlich — um nur ein beispiel anzuführen — der frühere anfang
abweichend von dem jezt in aller munde lebenden:
Lenore weinte bitterlich,
ihr leid war unermesslich,
denn Wilhelms bildnis prägte sich
in s herz ihr unvergesslich.
Erst im September 1773 war ^.Lenore'', die im frühjahr begonnen
worden, druckreif, und es lässt sich nun übersehen, was Bürger aus
seinem stoffe gemacht hatte.
Ein gewaltiges bild verzweifelter liebesleidenschaft hatte er ge-
zeichnet, welche in ihrer stärke zu raserei und frevel wird und dadurch
ihre trägerin dem tode überliefert. Aber wie wird dieser geschildert!
Das hineinwogen der geisterweit in die irdische wird zu einem
zweiten grossartigen gemälde neben dem ersten, dem bilde der ver-
zweifelten, und diese gemälde sind durchaus in dichterische bewegong
gesezt; alles ist handlung, echte, dramatische, sich immer steuernde
handlung, welche mit einer furchtbaren katastrophe abschliesst^
Seiner composition nach zerfalt das gedieht in drei._hauptteile.
Zuerst wird, nach den kurzen einleitungsworten, die scene eines aus
dem kriege heimkehrenden heeres in epischer ruhe entwickelt; alsdann
die Verzweiflung der unglücklichen braut geschildert, welche den geliebten
unter den einziehenden nicht gefunden: diese und die folgende scene
sind völlig in dialoge aufgelöst, die erste in das Zwiegespräch zwischen
1) Es ist übrigens nicht zu vorkonnen. dass die gruadidce des Volksliedes
oilor der Volkslieder des tranzen aajronkreises durchaus umgestaltet jsj, In allen
jenen ist os die liebe selbst. wi^Iche den andern teil zu dem geliebten ins grab
zieht, und derselbe fol^ bi:; zum lezten augeublicke im innern willig, wenn er sich
ai'.«*h vielleicht vor dem grabe entsezt. Lenorens tod aber ist eine strafe för das
fffvoliide aullehuen ihrer leiden schaft gegen gott und die göt liehe ordnang. Über
die ethische berechtigung dieser moilcmi'n, etwas theologisierenden auffassang Hesse
sich streiten, jedi-nfals i>t fin zug. wie Giazinger (s. VXi) und andere angemerkt
haben — der einzige in der »Lenore" — geschmacklos . dass nämlich der geliebt«
am Schlüsse selb>t als der tod tmd volzieher des götlichen Strafgerichts enchfiiot
(str. 30). Auch das dortige bild, die Verwandlung des reiters in die (moderne)
Schreckgestalt des tinlcs als
gerippe
mit Stundenglas und hippe
Ist meiner ansieht nach als abstossend zu bezeichnen.
fiALLlDX BIS Bl^BOSll S06
töchter und matter, die leidenschaftlichen aasbrüche der einen und die
trostversuche der andern, die zweite, der geisterritt, in den dialog zwi-
schen Lenore und Wilhelm, die angstreden des mädchens und die immer
grässlicher klingenden werte des gespenstischen reiters.
Mit genialer meisterschaft ist die Charakterschilderung in der
„Lenore^ ausgefQhrt; die Charaktere sind voll individueller Wahrheit
und mit realistischer schärfe aufgefasst, die einzelnen züge fast alle
wahr und würdig; eine eigentliche so genante mani^r ist allerdings im
werden begriffen, aber sie taucht noch unter in dem lebendigen ringen
und schaffen des Jünglings und ist von jeder beengenden starre noch
weit entfernt.
Vorzüglich wirkt gleich der anfang:
Lenore fuhr ums morgenrot
empor aus schweren träumen,
„Bist untreu, Wilhelm, oder tot?
Wie lange wüst du säumen?^ —
Mit einem schlage steht der leser mitten in der Situation. Und
nun die glückliche anknüpfung an die schlacht der Soldatenlieder, die
populärste des siebenjährigen krieges:
Er war mit könig Friedrichs macht
gezogen in die Prager schlacht
und hatte nicht geschrieben,
ob er gesund geblieben.
Es ist friede geworden und das beer zieht heim:
Geschmückt mit grünen reisern.
Allüberall ist freude, nur das arme kind läuft vergebens die reihen
auf und ab, ohne den geliebten zu finden, bis sie, von der Verzweiflung
übermant, sich zu boden wiifb. Diese steigert sich in reissender climax.
Erst, als die mutter sie in die arme schliesst, klingt es noch
sanft und resigniert, wenn auch aus völlig verödetem herzen:
„0 mutter, mutter, hin ist hin!
Nun fahre weit und alles hin!
Bei Gott ist kein erbarmen.
0 weh, 0 weh mir armen!"
Die trostworte der mutter aber reizen sie zum Widerspruche, der
sich mit dem grade der trostgründe immer mehr steigert:
„Was Gott tut, das ist wolgetan"
sagt die mutter und Lenore entgegnet:
„0 mutter, mutter, eitler wahn!
Gott hat an mir nicht wolgetan."
suTtoB». y. BB*i»^ ""«^eia. bd. xy. ^^
ao6
Die mntter erinnert an das sacrament, welches ihren jammer lindem
werde; sie antwortet:
^0 nintter, mntter, was mich brent.
das lindert mir kein sacrament,
kein sacrament mag leben
den toten widergeben.*^
So wuchst Lenorens wilde leidenschaft. bis sie auf den lezten
trost^Tund der mntter mit den wilden« wnnderscht^nen worten himmel
nnd h^lle heransfordert :
^O mntter! Was ist Seligkeit?
0 mntter I Was ist hölle?
Bei ihm« bei ihm ist Seligkeit
nnd ohne Wilhelm höUe!
Lisch ans, mein licht, anf ewig ans!
Stirb hin« stirb hin in nacht nnd grans!
Ohn* ihn mag ich anf erden,
mag dort nicht selig werden.'
So wütei sie weiter gegen sich seltner« bis naeh sonnemmtergang am
himnic^l viie steme heranf liehen. Ton einem nachhansegehen der
Leuore meldet der dichter nichts: er hat hier nnbewnst, aber mit rielem
clück die s^rnnghaäe weise des Tolksliedes nachgeahmt und hat dies
anch ge^n die Gvtüaärf r frennde Teneioigt. * Lenore ist offenbar allein
in ihn^m klmmeivheu, als es dranssen an die tnre pocht:
Uni horch! nnd horch! Der pfonenring
«nj I051?« Irise klinirliaditc!*
Dann kamen disnrh die pfone
TrTLehsilicb dies*? wone nsw.
Und snn steht d^r c?l:t^:e vor der itr^ u:ii schon wird er dem lesn;
dem a&:h eii:e c>^vi^i^,^ kil:< ar ihm iiich« ezitsreiit. ia anheimlidier
arde-fir.c aiier ieT*.'it:
Weit rin ::h b*r v:- B:^!i
Ich biir^e sri: nici azf^&aci;:
zzi w«i ux* ti:t mr ZH
i Tvtrsis :.n7 fiiif :f fc/:ifcrf. Wfuz. ü?i iJÄi cmj ;«^iidn<
fiALLADB BIS b4b6B& 807
Lenore versteht weder diese noch auch eine zweite, ebenso geheimnis-
volle andeutang:
„Sieh' hin, sieh' her, der mond scheint hell,
wir und die toten reiten schnell.
Ich bringe dich zur wette
noch heut' in's hochzeitsbette.''
Die beiden ersten Zeilen, eine Variation der stelle des Volksliedes,
widerholen sich in den folgenden Strophen mit leisen, aber charakte-
ristischen änderungen. Das erste mal sagt Wilhelm: »Wir und die
toten reiten schnell^, eine Zweideutigkeit, deren wahren sinn das mäd-
chen ganz und gar übersieht und den nur der achtsame leser mit
grausen zu verstehen glaubt.
In den folgenden Strophen aber heisst es:
Hurrah, die toten reiten schnell,
welches wider zu dem dahin jagenden reitersmanne treflich passt.
Lenore aber hat sich nichts ahnend zu dem reiter aufs ross
geschwungen :
Und hurre, hurre, hopp, hopp, hopp!
ging's fort in sausendem galopp,
dass ross und reiter schnoben
und kies und funken stoben.
Ist vielleicht in dem hurre, hurre, namentlich in der öfteren widcr-
holung dieser klangmalerei etwas zu viel des guten getan, so ist ganz
vorzüglich der gespenstische ritt eingeleitet, der im folgenden mit voll-
endeter kunst geschildert wird:
str. 20 Zur rechten und zur linken band,
vorbei vor ihren blicken,
wie flogen anger, haid' und land!
wie donnerten die brücken!
Str. 24 jagen sie noch schneller:.
Wie flogen rechts, wie flogen links
gebirge, bäum' und hecken!
Wie flogen links und rechts und links
die dörfer, städt' und flecken!
Str. 27 geht es vollends in rasendem fluge:
Wie flog, was rund der mond beschien,
wie flog es in die ferne!
Wie flogen oben über hin
der himmel und die steme!
H(kK HOLtllAÜSlM
Alior mohr noch als diese Schilderung muss der dialog die auf-
luorksainkoit in ansprueh nehmen; das furchtbare, in balladenmässigem
rotVain immer widorkehrendo:
^Graut liobchen auch? der mond scheint hell!
hurrah, die toten reiten schnell!
Graut liobchen auch vor toten ?**
\\{\\\ dio sioli von minute zu minute steigernde angst des mädchens.
woloho j»ich in den kurzen antworten spiegelt Das erste mal (str. 20)
antwortet sie:
««Ach nein! doch lass die toten!*
l>as andere mal i^str. 24):
,,Aoh! lass sie ruhn, die toten.*'
IKis le/te mal ^^str. ül"^ kreischt sie auf:
,.0 weh! lass ruhn die toten!*
Tnd da/.wisohen die luttigen gespensterbilder, der leiohenzug und das
,,i;esiu.lel- am hoobgericht • welche auf des reiters aufforderung alle
hin:erdreiu irerasselt und geprasselt kommen — die fürchterlichen hc-ch-
zoits^üste! — Auch der eintritt auf den kirehbof wird meisterhaft
ireschil.iort :
Kasch auf eia eisern gittertor
giug's mit verhängtem lügel.
Mit schwanker gert* ein schlag davor
versprengte schloß und riegeL ^
IHe tlügel dogea klirrend auf.
U3'i über griber ging der lauf.
es blinkten leicaensteine
rundum im monienscheiie.
t V'i J*e«?e *EtfiIe iiiüt^ *i»:ii iie sa^. Lui< iIs Büryir btiim Tnre-Ka ier-
%ri^ tjcrr-v^vlic i3«l -.»a&wzc Ti|in »crtiilt« AiU^«pniK«m wi. -fines ier iiüinriien,
Lcii' r*.:vsjr>vaan;^a ^rtiäsiert t^ ien brltjt Boieü an Abtaut. 5. 3. IV ir. '*:*:i
im i.:;u.»:,' . Ais itju brvfVn >. S. l. l»}?. Z*}*y imi MT ^hc Aövr in^-wt-'i-iaiit
iicrv« r ..k>c^ ■• . .iciif l^oor*;^ ."He^un;^ im ixnüiinät* BUrsper iiit iva im^a x- »-
-••«*■" Wr^ jiOi- ; tsaainun ^**»«o -win ükoa, ia Bür>pir üe :Mt2^ ,LdD«-r*-* 'r< un
sC'i". j'ii "in i'T •.•iroiii^'r nirvrsität u Bürger ▼»>« iem «aönicstf »c.ir-. >•*»!.
Ich i^< \ '^ei ter «T^cOir?' x\t( sie ^«»tii^aLÜr bsui«*. Tai iitf iem Jncfe 'iür:;*^^
4
BALLADE BIS BÜRGER 309
Ebenso das zerfallen des statlichen reiters, bis auf den oben JryÄn^
erwähnten punkt und die schon von A. W. Schlegel (Charakteristiken
und Kritiken II, 48) gerügte zeile:
Huhu! ein grässlich wunder!
Nicht minder echt balladenmässig ist das verschwinden des gespen-
sterrosses und das geheul der tanzenden geister. Auch der schluss^
— man mag über die idee urteilen wie man will — wirkt entschieden
ergreifend:
Geduld, geduld! Wenn's herz auch bricht!
Mit Gott im himmel hadre nicht!
Des leibes bist du ledig,
Gott sei der seele gnädig!
Das war die „Lenore", die erste, echte deutsche kunstballade,
welche Bürger, „wenn er sonst nichts gedichtet hätte, allein die
Unsterblichkeit sichern würde." „Sie bleibf*, nach Schlegels treflichem \
ausspruche, „immer der kostbare Ring, wodurch er sich der Volkspoesio, \
wie der Doge vpn Venedig dem Meere, für immer anvertraute."
Eine solche dichtung muste einen stürm von beifall in Deutsch-
land hervorrufen , und gerade dem umstände , dass die erste eigentliche
deutsche ballade eine „Lenore" war, ist nicht zum wenigsten das
algeraeine interesse zuzuschreiben, welches von nun an die gattung der
ballade und romanze in unserem vaterlande in den dichterischen wie
in den weiteren kreisen der gebildeten bevölkerung gewann und be-
hauptet." *
1) Über den albemon Vorwurf, „Lenorc" habe keinen schluss, möchte ich
nur kurz auf Götzinger (s. 195) verweisen.
2) Über den erfolg der Bürgorschen dichtung geben die berichte der Zeit-
genossen die unzweideutigsten nachrichten. Dass der hainband ihr zujauchzte und
dem dichter die angeroasste poetische condorwftrde von nun an gern cediertc, ist
leicht begreiflich; wie wenige litterarische erzcugnisse durchflog die „Lenore" ganz
Deutschland, wie unter dem landadel auf dem Eichsfelde» so findet sie in den kreisen
der adeligen damen in Holstein bcwunderung (vgl. S. B. I, lö6), ein andermal hört
sie Bürger selbst auf dem dorfe von einem Schulmeister vorlesen ; auch der umstand,
dass sie in dem Göttinger Musenalmanach erschien, ist nicht unwichtig, da sie
wesentlich beitrug, diesen in den verschiedensten kreisen beliebt zu machen und
för die zahlreichen bailaden der folgenden Jahrgänge von vornherein ein lebhaftes
interesse erweckte. Aus den musenalmanachen wanderte „Lenore" gar bald in die
Chrestomathien und lesebücher und wurde im eigentlichen und edelsten sinne ein
liebling der deutschen nation. Ich übergehe die zahlreichen Übersetzungen, nach-
bildungen, illnstrationon usw. des gedichtes, möchte aber doch die compositionen
mit einem werte erwähnen. Bürgers bailaden wurden sehr vielfach componiert,
strophisch und melodramatisch, obwol dieselben durch das aufgeben der sanges-
massigen, einfachen form des Volksliedes zu der ersteren art der composition sich
310 HOLZHAUSBN
§ 5. Die übrigen balladen Bürgers.
Hatte Bürger mit der „Lenore^ die bailade im grossen stile
eröfnet, die, wenn auch nach inhalt mid form in vieler beziehung
volksmässig, doch durch die grossartigkeit der auffassung und dar-
Stellung einenstandpunkt einnahm, auf den sich das Volkslied unmög-
}3iL lieh stellen konte, so trat der dichter dem einfachen volksliede, soweit
es künstlerisch angebaut werden kann, auf eine andere weise näher.
Es geschah in jenen kleineren gedieh ten unter seinen ^balladen^,
welche er seit 1773 neben der grossen balladendichtung herlaufen
liess und welche mehr das specifische wesen der romanze, namentlich
im lyrisch -musikalischen sinne, an sich tragen. Diese gedichte haben
übrigens nicht den springenden, abgebrochenen Charakter der alten
Volkslieder; es sind stille anspruchslose blumen, manche durch ihre
lyrische färbung den Claudiusschen liedern ähnlich. Dahin zähle ich
z. b. das reizende „Spinnerlifid**, welches Schlegel mit recht gelobt
hat. Andere sind episch, aber sie sind, ihrem umfange nach doch
nur genrebilder, kleine balladische genrebilder, die eine weiche, träu-
merische Stimmung hervorrufen , wie z. b. „Bobwt" (1775), das liebens-
würdige gegenstück zu Claudius' ^Fhidile^ ; zuweilen erheben sie sich zu
dialogischer, fast dramatischer ausgestaltung, wie „Der_ntter und sein
liebchen" (1775), und das sinlich derbe, aber gesunde „Der wolgesinte
liebhaber'^ (1792) nach The silent night her sables wore in den Ancient
and modern songs, Edinb. 1776. I, 289.
73'/ Den gang der Bürgerschen grossballade der ernsten richtung werde
ich von jezt an weiter zu verfolgen haben, wie sich dieselbe nach der
Lenorecomposition zwar nicht eigentlich höher entwickelt, aber doch in
verschiedener weise ausgestaltet, auf wegen, welche far die entwickelung
der deutschen balladenpoesie überhaupt nicht unwichtig geblieben sind.
Der zeit nach früher fölt indessen ein rückschlag in die manier der ironisie-
renden romanze, in welche Bürger überhaupt öfter zurücMält, und von der
einzelne spuren auch den meisten seiner ernsten balladen sich anhängen.
Freilich forderte nicht leicht ein stoff so zur burlesken behandlang
heraus wie die sage der „Weiber von Weinsberg" (die romanze ent-
stand nicht, wie Griesbach angibt, 1774, sondern 1775 — 76, vgl. die
briefe Bürgers an Boie vom 19. aug. 1775 und 15. juli 1776, S. B. I, 183
und 255), welche Bürger wahrscheinlich aus der ,.Allgem. Geschichte von
wenig eigneten. Es zeugt diese erschoinuDg übrigens widemm von dem auch in
den componisten lebenden gefühl des Zusammenhanges der bailade mit dem gesange;
Bürgers „Lenoro*' wurde zuerst von dr. Weiss in Qüttingen componiert, dann von
Andre und weiterhin von Zumsteeg (Leipzig 1798, querfolio). Vgl. hierüber Döring,
G. A. Bürgers Leben, s. 68 anm.
BALLADE BIS BÜBGEB 311
Schwaben und der benachbarten Lande^, Lindau und Ghui* 1772, teil I,
601 fgg. und Crusius, AnnaL Suevici (Dodecas 2, p. 382, ed. Prancofurt
1595) kennen lernte. (Vgl F. W. VaL Schmidt , Balladen und Romanzen
der deutschen Dichter Bürger, Stolberg u. Schiller. Berlin o. jähr, s. 24flF.).
Die zärtlichen weiber, welche ihre männer „huckepack" aus der bela-
gerten veste schleppen , in der tat eine lebhafte illustration des du sublime
au ridicule il n'y a qu^un pas! Auch zeigt Bürgers dichtung, die sich
durch einheit und einstimmigkeit über den „Baubgrafen" unvergleichlich iv^ .
erhebt, wie man auch das bänkelsängerlied durch humor und geistvolle
behandlung, wobei einige derbheit immerhin nicht ausgeschlossen ist,
zu einer ästhetisch nicht übel wirkenden dichtung verarbeiten könne.
Einen entschiedenen missgriff dagegen, nicht sowol in der wähl
seines Stoffes als vielmehr in der behandlung desselben tat Bürger in
einer bailade, welche von minder begabten dichtem in der folge alzu-
häufig nachgeahmt, zu traurigen .verirrungen auf dem gebiete der bsd-
l^en- und romanzendichtung führen solte, in seinem „Lenardo und
Blandine". Bürger entnahm den stoff aus einer novelle Boccaccios
(Decamerone 4, 1, die gleiche materie ist in den romanischen littera-
turen sehr vielfach behandelt, vgl. F. W. Val. Schmidt a. a. o. s. 43 ff.
und desselben „Beiträge zur Geschichte der romantischen Poesie" Berlin
1818, s. 30 ff.), welche die geschichte der liebschaft einer jungen witwe,
der königstochter Sigismunda, mit ihrem diener Guiscardo erzählt. Von
dem vater belauscht und zur rede gestelt, weist Sigismunda mit weib-
licher würde jede schwächliche äusserung des gefuhls zurück, und als
ihr der fürst das herz des getöteten liebhabers in einem goldenen geßsse
übersendet, trinkt sie das bereit gehaltene gift, drückt das geliebte
herz an die brüst und stirbt, den unglücklichen vater in der läge des
sophocleischen Kreon zurücklassend.
Aus diesem einfachen Stoffe hat Bürger unter luxuriöser ausmalung
der gegebenen und einflechtung mancher neueren züge ein 82strophiges
balladenopus geschaffen. Tragen nun jene zusätze Bürgers schon im
ganzen den Charakter theatralischer effecthascherei, so ist im einzelnen
alles so überladen und schwülstig, die ausbrüche der leidenschaft sind
so sehr ins furiose und tobende, die schreckensscenen so ins gi'asse,
schauerliche, körperlich angreifende hineingemalt, dass die bailade kaum
anders als einem groben, an dicke pinselstriche gewöhnten geschmacke
wol behagen kann, den feineren leser indessen durch eben diese züge
unangenehm berühren muss.
In dieser beziehung verweise ich insbesondere auf str. 8 — 11, wo
Blandine — auch ein zusatz Bürgers — in dem briefe den geliebten,
312 HOLZHAUSEN
anstatt gleich in ihre kammer, zuvor nächtlicher weile anter den apfel-
baum bestelt, und auf str. 14 — 16, die scene unter dem bäume, and
19 — 20, die Schilderung des ^spanischen molches^, des Mhochstolzie-
renden prinzen^, der gekommen ist:
mit perlen, gold, ringen und edelgestein
die schönste der schönsten prinzessen zu frein;
ferner auf str. 33 — 52 , die im höchsten grade bombastische und von
der einfach treuherzigen weise der volkserzählung himmelweit entfernte
darstellung der liebesscene in dem gemache der prinzessin. Auch die
raserei der lezteren (64— -76), „die zum sprunge singt und zum sänge
springt^, ist entsezlich übertrieben, wie auch die erscheinung der drei
gespenstischen junker (60—62) nicht im entferntesten der echt balladen-
mässigen behandlung ähnlicher gegenstände in der „Lenore^ gleichkomt.
Dass Bürger in diese ausschweifende manier verfiel, hat seine
guten litterarischen Ursachen. Dem einflusse Shakespeares, des miss-
verstandenen Shakespeare, haben wir, wie die tumultuarischen dramen
von Lenz und Eliuger, so auch das furiose gebahren der neuen ballade
/ zu verdanken; auch hat Bürger in der liebesscene an einer stelle
(str. 47 — 50) wahrscheinlich^ die berühmte scene aus „Romeo und
Julie'' act III, scene 5:
„Wilst du schon gehn? der tag ist ja noch fern;
es war die nachtigall und nicht die lerche^ usw.
nachgeahmt, freilich, wie ein vergleich mit dem originale zeigt, nicht
recht glücklich; insbesondere hat er sich die schönste weudung am
Schlüsse der Shakespeareschen scene entgehen lassen ! Wichtiger indessen
ist die Shak^spearomanie und der stürm und drang in dieser ballade
überhaupt; wenn „Lenore**, zusammen mit den „Fliegenden Blättern'^
und dem „Götz'' die stürm- und drangperiode in gutem sinne ankün-
digt, d. h. den fortschritt bezeichnet, den das geniewesen gegen die
dürre regelmässigkeit einer früheren epoche unleugbar gemacht hat,
so ist „Lenardo und Blandine'' die Vertreterin der stürm- und drang-
ballade im tadelnden sinne des wertes, welche die auswüchse und Ver-
kehrtheiten jener litterarischen epoche widerspiegelt.*
1) Für ganz sicher erwiesen halte ich diese behauptung Schlegels (a. a. o.
8. 53) Dicht, da dasselbe motiv nnabhftagig vou einander in der litt^ratar öfter
Torkomt, besonders in der volkslitteratnr, vgl. Uhland, Alte hoch- und nieder-
deutsche Volkslieder, teill, 173 ff. Unter den neueren dichtem kehrt dasselbe unter
anderm bei Tegner in der Frithiofsage, im 7ten gesange, wider.
2) Mit den meisten producten der stürm- und drangperiode teilt „Lenardo
und Blandine^* auch die Schnelligkeit der abfassung gegenüber dem monatelangen
schweren ringen um die „Lenorc**. Ebenso contrastiert wundersam die fast vorlaute,
BALLADE BIS BÜBOBR 313
Abermals eine gauz andere behandlang der ballade oder vielmehr
die behandlung eines ganz andersartigen balladenstoffes versuchte Bürger
in zwei neoen dichtungen, von denen die eine sich zeitlich an ^Lenardo
und Blandine^ ziemlich nahe anschliesst, die andere zwar bei weitem
später abgefasst wurde, aber, der passenden gegenüberstellung halber,
mit hintansetzung der in dieser besprechung im ganzen befolgten histo-
rischen aufeinanderfolge, hier mit eingefügt werden soll ; in rede stehen
„Das lied vom braven mann" und „Die kuh''. Es ist die ballade J7T^.
der gegenwart und des täglichen lebens, welche Bürger in diesen dich-
tungen anbaute und — wenigstens in ernster behandlung — zuerst in
Deutschland heimisch machte. Hat die darstellung von ereignissen des
heutigen lebens in einer form, die doch wesentlich der Vergangenheit
angehört, immerhin ihre Schwierigkeiten, so bot deren noch grössere
der Stoff, den sich Bürger für die erste ballade dieser art ausgewählt
hatte. Diesen stoff erklärt F. W. Val. Schmidt (a. a. o. s. 50) für eine
Zeitungsnachricht, Bürger selbst aber antwortet auf Boies bemerkung in
dem briefe vom 26. juni 1777 (S. B. II, 345), dass ihm derselbe aus
Marmontels poetik bekant sei, er kenne ihn auch nur aus derselben;
ich habe indessen die geschichte in diesem werke nicht gefunden.
Übrigens pflegte Bürger in dergleichen angaben nicht immer ganz
zuverlässig zu sein, wie er denn in der vorrede zur ersten ausgäbe
seiner gedichte auch selbst sagt, dass „die handlnng als wahr erzählt
werde'^. Die mitgeteilte begebenheit aber war die rettung einer armen
zoUeinnehmerfamilie bei einer wassersnot unweit Verona durch einen
landmann, der die ihm dafür angebotene belobnung ausschlug.
Aber nicht jede in den „Vermischten Nachrichten" mitgeteilte
guttat ist poetisch zu verwerten, am wenigsten aber ist eine solche,
wenn sie keine gelegenheit zur darstellung eines sitlichen conflictes
bietet, ohne weiteres für eine so dramatische gattung wie die ballade
nuzbar zu machen. Anstatt nun diesem mangel etwa in der weise
abzuhelfen wie Goethe in „Johanna Sebus", der dem stoffe eine psycho-
logisch interessante seite abzugewinnen wüste, versuchte Bürger den
seinigen zu beleben durch widerholte rhetorische anpreisung des beiden
und seiner tat. Eine solche bildet schon den inhalt der ersten strophe,
wo held und tat noch ganz unbekant sind. Str. 2 — 8 treten epische
aber alsobald wider in leiseD zweifei überschlagende anpreisung des gedichtes (8. 6.
I, 232) mit dem natürlichen auQaachzen einer echten sangesfreade nach jedem stück
Lenore. Sonderbarer weise zieht nicht nnr Boie (S. B. I, 235), sondern anch Herder .
(ib. I, 265) und anch Bürger selbst (ib. I, 231 n. ö.) diese ballade gegen „Lenore*" '
vor und lezterer wül dieses geschraubte und schwülstige gedieht zum belege hinter i
seinen „Herzenserguss über volkspoesie" gedruckt wissen (ib. I, 232).
314 HOLZHAUS E3J
rl-rment« ein. die H-höne Schilderung de? eisganges mit seinen folgen,
der t*eir^i}.rrii> d^r armen zr-lnenamiii^. Die eicgeflochtenen knncB
:ra;?en Lävh dem l^nTen manne kann man zar belebung der seene sieh
hier ^eme gefallen lassen. Xan aber werden str. 9 nnd 11 schon
^idi-r mii diesen fragen und den fatalm re-ien über die brarheit ans-
Crfuii. ur.d nachdem Lnn endlich die kiihne tat des braven in krftftigei
Zügen v-.rgerragen ist. wird der leser wider unangenehm berührt darcfc
die {ä<\ taktlose an ni:d weise, wie in str. 17 das motir der bdohnong
hervorgezogen wird« und die Wirkung der herzigen Strophen 18 imd 19
wird piaralT^iert . wenn man in der ersteren wider eine der viden
unballadenmässigen rhetorischen Wendungen h':*rt^ nnd nach der leztem
die Schlussstrophe liest, welche durchweg rhetorisch gehalten ist wie
der eingang.
Borger hat diese rhetorischen parrien mit voller, bewnster absieht
so stark h-rvom-eten lassen: er beabsichtig;*? ein Tolles durchdringn
der epischen durch «üe lyrischen teile des gedichtes zur spedfisch lyri-
schen romanze. wie dies, abgesehen von dem titel, auch ans einer stelle
der von Carl v. Keiihard herausgegebenen Bürgerschen Aesthetik (teil IL
s. 261) hervorgeht, wo er das -Liei vom braven mann*^ neben ^Des
armen Suschess träum- einer der kleineren romanzen. gedichtet 1773),
als Vertreter der echt Irrischen unter seinen romanzen anfuhrt. In
Wirklichkeit aber stehen die lyrisch - rhetorischen nnd die epindwn
bestaniteile in dem -Lied vom braven mann* ziemlich nnvermittdt
neben einander, das gedieht ist bei seiner Verarbeitung znr bailade
gewissenuassen auf halbem w ege eiLgefroren. und die Tenmalgamienuig
der epischen und lyrischen bestaniteile des gedichtes, welche sich in
der allen volksballade von seltner volzoe. die aber der moderne halla-
den«licht<T immer erst auf künstlichem weüe erreichen mnss, ist rem-
glückt, überhaupt ist das .Lied vom braven mann^ dem begriffe dncr
ballade nicht recht en:i>- rechend . immerhin aber als erster Temch in
seiner ar: für die geschichie der balladenp«>esie wichtig, nnd wenn anch
dies? baüade in der ge^el»enen form nicht recht popnllr werden koate,
so ist sie anderseits durch ihren i-ha": wie wenige von Bürger, fir den
unierrch: ks-:nder« geeignet, uid mancher der späteren balladaidickter
mag d-irch sie am" iiiS trebie: dieser dichtnngsan hingeffihrt worden aaa-
M:: leirv/.riii t^esseren: erf.Ije Lrelang es Bürger, einen stoff znr
bailade zu gr>:a':rr.. der n-ch wei: mehr als derjenige des .Liedes vom
braven m^ir.n- dem gew-'h-üchen. ;a sogar dem trivialen altagndaaon
1 I*&hiz. rf-:ir.v :;h vn .0 :ri'-;r saüt:! braver
.«^ r.:r.rr! rener: lirir: ^rfKi^iri:- .Su: ir. ^nr djÄ akiit btar
YjtI. Scilr^cl Ä. 1. ;•. «. 57.
BALLADB BIS BÜRGER 315
entnommen ist, in der bailade „Die kuh^ (zuerst im Masenalmanach
für 1785 erschienen, nach Pröhle 1784 verfasst).* „Eine Kuh, die von
einem wohlthätigen Manne einer armen Frau in den Stall geführt wird,^
fragt Götzinger, „was macht das auf die Phantasie weiter für einen Ein-
druck?" Aber der dichter der „Lenore" hat diesen stofif behandelt, ,
mit der genialität, die er in der „Lenore" bewiesen hatte, und merk- J
würdiger weise ist das stück auch nach demselben plane im kleinen
angelegt, nach dem die „Lenore'' im grossen gebaut ist; eine ganz '
genau mit jener correspondierende dreiteilung.
In dem ersten teile folgt auf eine ganz kurze exposition:
Frau Magdalis weint auf ihr leztes stück brod,
die episch gehaltene Schilderung der heimkehrenden dorfherde:
Heim kamen mit lieblichem schellengetön usw.
Das bild der herde muss den schmerz des armen weibes um ihr treues
tier auf das lebhafteste erregen. Der dichter lässt durchblicken, dass
die kuh der witwe mehr als ein blosses Versorgungsmittel, dass sie
ihr ein lieber hausgenoss gewesen.
Wie die eingangsscene mit derjenigen in der „Lenore", so stehen
auch die verzweifiungsscenen in beiden gedichten in pai*allele. In dieser
scene unserer ballade zeigt sich des dichters kunst am grösten. Dadurch,
dass er frau Magdalis' kummer und angst zum mittelpunkt seiner dar-
stellung machte und diesem eine sitliche beziehung zu geben wüste,
hat er seinen widerstrebenden stoff poetisch geniessbar und balladen-
gemäss gemacht. Anfangs erzählt er auch hier rein episch die leiden
der armen witwe , in schlafloser nacht (str. 4 — 6). Als aber (str. 7)
bei erster dämmerung das hirtenhorn die witwe von neuem an ihr elend
erinnert, bricht diese in lautes jammern aus, und die scene wird dia-
logisch-dramatisch im dritten teile; den angstv^orten des weibes ent-
spricht das inmier vernehmlichere bi-üUen des tieres im stalle. Auch
frau Magdalis hat in ihrer Verzweiflung gegen Gott gehadert und diese
Sünde findet ihre strafe in den fürchterlichen ängsten, welche ihr das
brüllen des tieres im stalle verursacht; aber man fühlt doch, dass die
in der angst hervorgestossenen werte der armen witwe, die sie in
heissem gebete abbittet, eine alzu harte strafe nicht verdienen, und,
während bei Lenore alles in dunkel und grauen sich verliert, findet
1) Eine äussere veranlassang , allerdings nur eine solche, zu diesem gedichte
kann Bürger die „Cpantryman's lamcDtation for the death of bis cow" in den oben
citierten Old ballads (Evans edition 1777) gegeben haben (in der ausgäbe der Old
ballads von 1810 steht sie bd. 1, s. 268 ff.). Auf die benutznng der Old ballads
durch Bürger neben den Percy^s Rellques hat meines wissons zuerst Weinhold
(„Heinr. Chr. Boie'' 1868, s. 200 anm. ö) aufinerksam gemacht
liier in ^ük» tnorgi^nü erlVuulicIicr helle" dio gescliicbte einen erfreu-
liclidii abschlu»», und «iur dichter wagt — (Hesiiial ganz leiKe und daher
echt bttUadeumäsaig — seinen eigenen anteil und »eine persilulichkeit in
d*r weise anzmleuten, wie ea auch in manchen volksliedoTn (s. p. 13ß
dieaea laundcs) dichter oder »chreiber tun (vgl. Schlegel a. a, o. a. 58).
Koch eiiien andern weg schlug Üürger ein, der in der folge zu
reicher befniclitang des balladen- und romanitengefildeB führen aolte,
die dircote umbüdung alter voDcstümlicher balladendichtuiigen. Nacli
seiner Gbvrsiedelting nach WGllmershausen nümlicb hatte er Bich mit
erneutem Aeisse den alten, von der univerHit&t her lieh gewordenen
Percystudien ' wider zugewant, und — die folge hiervon — eine reihe
hearbeitungeu altengliacher balladen unternommen. Ich Qltergehe die erste
(„Bruder Graurock und die pilgerin, mai 1777, nuorst erwähnt
in dtim balladenbriefe vom 19. mai desselben jahres)* und die letzte
„Graf Walter"' (in dem Hürgerscheu briefwechael von Strodtmann
gar nicht erwähnt, wenn sie nicht, wie mir allerdings sehr wahrschein-
lich ist, in dem briefe des advokaten Bollmann an Uürger |S. U. IV, 824|
unter „die maid" verstanden ist: zuerst erschienen in der zweiten aus-
gäbe der Bürgerschi'U Oedichto von 1783, das gedieht ist nach dem
englischen Child Waters Hei. III, 54). welche nichts weiter als ziemlich
wortgetreue fibertragungen sind, um ausschliesslich diejenigen lü bespre-
chen, welche Bürger durch freie Umarbeitung und durch eigene zutaten
von seiuem gut und blut ku ecliten kindern seiner muso gemacht hat.
In der „Kntführung" (december 1777, nicht, wie Pröhle a. MO
angibt, jannar 177ö, da Burger indem briefö vom 2fi.dccomber 1777 anm.
die ballade bereits als fertig anführt) — s. S. B. 11, nr. 419 — versuchte
1) Zu tief beliftiifitnng , tlats Furcy, tlen Bflrger ituhoo auf der niii*emtit
Etndiort. erst in don splturen jähren imclihaltigor anf ihn eingewirkt faabe, vg\.
oben 8. ■IdÜ lind Boiea brief an Attliof 8. B. IV, anhiing, nr. 899.
2) In betrnlT dieaor ballmtn müclito iah mir vinvn interewanten litl^niriBtlwn
irtnm anfahren. Diewlbo int iiftmlich lieulich würtlicli an» Pcrcjs Iteliia«« 1,243
The friw of orilers gray Qbenest, in dem Neuen deatai^hen M^reur bd. 3, n. 143 It
»ber onrhiijii t-iiif) Abhandlung von F. D. Omter. wolvhc der liQrgcrwibm ballade
«ine teilweise origiiuliC£t vindieinrte, indvui Griter siu, ahn« diu eratgtrnanto stUr.k
KU kennen, frischweg ton dem zwar stuflich verwauten, aber ganz anders 1aQt«a-
den üentle berd^man (Reli<|iicB II, 78) ableitete. D&ring (o. a. o. arnn. zu s. 106).
Wf'Icber otToubiir beide gedichte nicht aclbat eingeMbnn, oiliort die Gr&teraebc
abhandlung aU iinetlonnacbweiHun^ des Uttrgurschen gedichteB. Audi dur »rtikal
.Bürger* in Krach und Gnil-cn Encj'kloiiUdi«, Beet 1, tull 13, s. 371—379, das. s. 379
anm. 31 zählt den ganz krllikluseo Oräterschen wtntt unter den quellennoch-
weiien tilr du getlleht auf.
3) Vgl. Qbor dieae balbuld Selileget a.a.O. b. 42 dd<1 Bbthup Parcy'a Folio
MaDQSDTiiit ed. by Halt» luid Fumivall U, 378 mm. Londou, TrUbnor, 18€e.
BALLAD« BIS BÜBOBB dl7
Bürger, das eoglische The Child of ElP (Percys Eeliques I, 107) durch
er Weiterung des inhaltes und durch detaillierte maierei auf eine form
zuzuschneiden, welche hinsichtlich der kraft mid ausfuhrlichkeit der
darstellung mit der „Lenore** concurrieren solte. Wie er das einfache
vierzeilige versmass der Percyballade mit dem architektonisch geglie-
derten strophenbau der „Lenore^ vertauschte, so hat auch die handlung
in manchen zögen anklänge an diejenige seines meisterwerkes erhalten
(vgl. Götzinger a. a. o. s. 237). Durch diese von dem dichter angestrebte
kraft der Schilderung erhielt indessen das gedieht ein von dem schlichten
wesen einfacher Volksdichtung ausserordentlich verschiedenes aussehen.
Schon Percy hatte das vorgefundene Volkslied inhaltlich wie formal
bedeutend umge^j^tet,' und manches, was die früheren beurteiler des
Bürgerschen Werkes bei Percy noch für volkstümlich hielten , war schon
merklich von der ursprünglichen fassung des Volksliedes verschieden.'
Immerhin aber hatte das gedieht auch nach Percys redaction noch eine
gewisse einfachheit behalten, welche durch die Bürgersche Überarbeitung
völlig verloren gieng.
Bei der besprechung dieser komt es mir nun weniger auf eine
vergleichuug der einzelnen kleinen züge an, welche original (Percy-
1) Dieses ist der richtige titel des alten Volksliedes, nicht das gewöhnlich
geschriebene Child of EUe. Vgl. Bishop Percy's Folio Manuscript ed. by Haies and
Purnivall ,1,8. 182.
2) purnivall äussert sich — nicht ganz mit nnrecht — über die art der Percy-
schen bearbeitung, „ein Wachspappenfabrikant wfirde ebenso wohl versuchen, die
Venus Milo zu restauriren.**
3) Auch hier stioss Bürger auf ein sehr beliebtes und in vielen Versionen
verbreitetes nordisches Volkslied (vgl. Haies and Furnivall a. a. o. s. 132 — 134).
Merkwürdig ist das Schicksal derjenigen, welche Thomas Percy vorgelegen hat.
Der inhalt derselben ist folgender: Die geliebte sagt dem ritter von £11, dass ihr
vater ihm den tod geschworen ; der anfang des gedichtes ist abgebrochen , augen-
scheinlich ist die scene unter den fenstem des Schlosses des fräuleins. Der Junker
sezt diese auf sein ross, um sie zu entführen ; vor der stadt von dem vater und dem
bruder derselben eingeholt, bittet er die geliebte abzusteigen, um während des bevor-
stelienden kampfes sein ross zu halten. Hier bricht das gedieht ab, fragmentarisch,
wie es begonnen. Aus diesem fragmente nun hat Percy unter wilkürlicher benutzung
der einzelnen teile ein ganz neues zusammengeflickt, welches im wesentlichen fol-
gende Züge enthält: Der ritter wird auf seinem schlösse von dem pagen seines
fräiileins benachrichtigt, dass der vater sie einem andern bewerber, dem Junker von
Nordland geben wolle. Darauf hin beschliesst er des fräuleins entffthrung, welche
auch gelingt, aber dann durch die zofe verraten wird. Die liebenden werden ein-
geholt, und der ritter von Ell tötet den Junker von Nordland, worauf ausserdem
durch das erscheinen seiner vasallen eine für ihn günstige Wendung des kampfes
eintritt; diese benuzt er, um seine bitte um Versöhnung an den vater der geliebten
zu unterstützen, welche denn schliesslich gewährung findet.
318
redaotion) and Bürgers Dachdielitimg untorschciden , and ich vemoisG
in dieser beziehung auf die eingebenden erSrteruiigen bei Sclilcgel (&. A, o.
s. 26 ff.) nnd Qötziuger (a.a.O. s. 231 ff.), nur liügt mir daran, die-
jenigen punltte hervorzuheben, welche für die spüter zu besprechende
manier BQrgers von Wichtigkeit sind.
Etwas verdächtig ist dem an den bänkclgetiaiig guwOhnten äuge
schon der längere titel „Die Entführung oder ilittar Karl von Eichen-
Uorst und Fräulein Gertrude von Hochburg."
Die von Percy neu zugefügte epische anfannsstrophe bat Bürger
mit glacklichem instiuct weggelassen, und echt balladiaeb - dramatisch
begint er mit den kräftigen worteu :
„Knapp, saile mir mein dEinenross" u«w.
Von böser ahnung urahergetrieben (vgl. Child of Ell, atr. 1. 2)
begegnet der ritter der zofe des fränleins, welche ihm die binde von
der durch den vater begünstigten werhnng eines andern bnhlen bringt.
Aus der echt ritterlichen Stimmung, in welche die Percyballade ver-
BCzt, wird der leser des Bürgerschen gedichtes bald herausgerissen,
wenn er den vulgären ton hört, in welchem die personen der dicbtung
mit einander verkehren, und der name Plump von Pommerland versest
voUendg in die atmospliäre der roden junker des sicbzehnttm oder acht-
zehnten Jahrhunderts oder deren nachkommen in den Spielhagenschen
ronmuen. Den mangel eines scharf gezeichneten zeitcolorits und die
dadurch entstehende unBicImrbeit in der stimranng würde mau nun frei-
lich noch gern in linuf nehmen gegen den lebendigen, dramatisch-
helebton aufbnu der handlung, welche bei Bürger gegen die Percy-
ballade an strafflieit und gescblosaenheit gewonnen und darum die frei-
lich zweifelhafte Vergünstigung erfahreu bat, in J. J. Engels Poetik
(Engels Schriften, Beriin 1806, bd. 11 s. 321 ff.) als muster einer poeti-
schen handlung aufgestclt zu werden. Aber es ist nicht zu leugnen,
dass Bürger bei dem nachzeichnen an vielen stellen die färben zu dick
anfgetragen und das zarte der englischen dichtungen grQslonteils ver-
wischt, dass er auch, um dem ganzen mehr cffect zu geben, dorch
mlkflrliche änderungeu allerlei Übertreibungen in das gedieht gebracht
iinfl endlich gar zu viel Vulgarismen als Volkstümlichkeiten auftischt.
So packt es den ritter (str. 2) bei der roeldung der zofe
wie mit krallen an
und schüttelt ihn wie Heber
hinüber und herüber.
Ebenso ungebärdig beträgt sich der vater dos fränleins (str. 4)
und dies« „zuckt von herzenawehen" (str. 5).
BALLADB BIS BÜROBB 319
So verschwendet der dichter gleichsam alle ihm zu geböte ste-
henden mittel: die bilder (str. 7), die ausdrücke: In str. 8 wünscht der
ritter der zofe den gotteslohn gleich „zu hunderttausend malen^, und
die geliebte will er aus „tausend ketten erretten" und „riesen gegen
hieb und stich abgewinnen".
So verschwendet er auch die effectvollen reimwörter: körn und
dorn, laub und staub, kling und klang usw.
An stelle der gegenüber dem schlichten volksliede schon ziemlich
sentimentalen (und deshalb von Fumivall getadelten) Percystrophe :
And thrice he clapsed her to his brest
And kissed her tenderlie,
The teares tbat feil from her fair eyes,
Banne like the fountayne free
lässt Bürger die noch weit überschwänglichere strophe 18 mit dem an
dieser stelle kaum zu rechtfertigenden langen herzen
mit rang und drang, voll angst und lust
treten; st. 24 und 25 lässt er die ritter sich vollends wie schifferknecbte
gegenseitig anfahren, wobei in sonderbarer Verwirrung der zeitverhält-
nisse (vgl. oben s. 318) erst die mittelalterliche lanze saust und nach-
her die modernen säbel geschwungen werden, wie denn nachher aus
dem alten ritter, Gertrudens vater, ein „freiherr" wird, der — ein bild
k la Lenardo — im zome „einer feueresse gleicht" (str. 31), aber nach-
her in thränenströmen zerfliesst (str. 35), nachdem ihm seine tochter in
einer für ein adeliges fräulein immerhin recht derben weise ihre abnei-
gung gegen den gefallenen Plump ausgesprochen hat (str. 32).
Wenn nach der voraufgegangenen besprechung Bürger sein original
durch die vielfachen änderungen im grossen und ganzen vielleicht ver-
schlechterte,^ so ist dabei nicht zu übersehen, dass er nur durch akkli-
matisierung seiner beiden und eine allerdings übertriebene annäherung
an das deutsche landbaronentum der neuzeit seine Übertragung populär
zu machen hoffen durfte, und wenn Schlegel gerade mit bezug auf
dieses gedieht den einfluss der zu spät erschienenen Herderschen ^^Yolks-
lieder" vermist^ so ist doch dagegen einzuwenden, dass noch so vor-
zügliche Übertragungen poetischer erzeugnisse fremder Völker im origi-
nalen geiste wenig hofhung haben, in einer nation völlig heimisch zu
werden.* v
1) Tgl. Doch Doenniges, Altschottische und altenglische Volksballaden, Mün-
chen 1852, 8. 145 anm.
2) Bürger selbst schreibt über die „Entführung'' an Boie (5. jannar 1778|
S. B. II, 421): „Die Entfühmng kommt dem Ideal meines Geistes von veredelter,
Bevor ich 7.u iler besten der Bnrgeracben nach bil düngen engliscbi^r
originale übergehe, iiiö[-,hte icb noch eine andere von diesen besprechen,
welche, wenn auch durch die gemeinheit ihres touea nicht seltea an
die niedrigsten DürgerBchen balladeu erinnernd, dennoch als das er^te
beispiel humoristischer (nicht komisch -paroilischer) behandlung der
hnllade in Deutschland interessaat ist.
„Frau Schnips" (juli 1777, vgl. S. B. II, 350 n. ö.) ist eine,
wie die „Eiitfahrung" ihr original vergröbernde, allein auch wie diese
dasselbe treflich in deutsche anachauurig fibertragende bearbeitang von
„The wanton wife of Bath" (Percy lll, 145), einem schwankartigen
gedichte ans der späteren, etwa der nacheliaabelhanischen zeit, welches
in der damals aufkommenden, dem deutschen bänkelgesang in mancher
be/Jehmig ühnlichim mauier die Schicksale eines zankafichtigen weibes
nach dem tode — als folie dient jene ergözliche figur aus Chaucers
Canterbury Tales — schildert. Das ganze Ifiuft allerdings auf eine art
moral hinaus, doch möchte ich nicht mit Schlegel hierin eiu bindernis
tür eine romanzen artige behandlung sehen; denn nach meiner ansieht
ist nur die gezwungene art des bänkelgesangea, eine romanze der moral
wegen zu dichten, oder die ganz äusserlicbe anhängung einer solchen
zu verwerfen, nicht die anfügung einer derartigen, durch die Situation
wirklich nahe gelegton bemerkung am Schlüsse eines godichtes, wie ja
derartige reflexiouen, welche bei ergreifenden oder irgendwie merkwür-
digen Vorgängen sich dem denkeudi^n menschen aufdrängen, in der
form kuraer audeutungen auch in der volkspoesie vorkommen (vgl einl.
s. 135 dieses bandes). Weniger gerechtfertigt vom ästhetischen Stand-
punkte halte icb die angehängte „apologie", welche aber Bfirger um ao
notwendiger schien, als er durch seine mutwillige und lascive behand-
lung des gegenständes — bei seiner ohnehin exponierten Stellung — zu
litterarischen und persönlichen augrifl'en herausgefordert hatte.'
lobftiidigvr, dttrBUll«odt.'T Volksiioosie «i-lir nftli». Mit wi-oigen von tncioen Qndicht«ti
bin iüb dosfalU ta diirchftaH ^ufricdeo als init diecein.''
K) Diese Hiod ihm Dicht erspart gobli^hcn, cboDso wenig darch die „Apologio*
uls durch did im ioliAitgrogiBtar des HutunalDiauecbe von 1182 abgedruckt!' berufnoK
nuf dcii vcriiicintliehen gDr, thcul.* P«ro}', der das origiuiü in »einoD tUliqac« aligo-
ilmckt, und nur den ,eniatbaft«n Addison", der e>b in dem Spectator nr 34S cinu
I troflielie balladn genant batto- .Fran SchnipB" erlebte das sehickial d«r olIordiDga
j ^S£l*.iiTerwaDten „Gurupa'. daas uiemaiiil nie In «eine xeitMbrift auriiehiiirn wultu,
iibnol mehrere kritikcr. unter andern I^cbtoubor^, sieb K«br mr aio ausgoBprocbeii
^ hittten. a&ckini,' wies sie (In drtu brlofe *om ^. juli ITT7, 8. B. II, 853 für «ejneu
Almoaach mrOok, itueh Boia (20. juH 1T17, S. B. II, 851) mabntn aar rorsidit in
betreff des dmckra. Bürger selbst liens sie ans der erst«« ansgahe seiner (iedichte
{ort (vgl. 3. B. II. 405] 1 sie vrubien erst in dc^u oben geuooton Jahrgang den Oül-
liDK«r Manuualuianaebs.
BALLAOB BIS BÜBGfiB 321
Mit seiner ballade ^Der Kaiser und der Abt^ dagegen tat
Bürger, analog der „Lenore^, abermals einen sehr glücklichen griff,
diesmal nicht in einen umfangreichen sagencomplex , aber in einen nicht
minder ausgedehnten kreis schwankartiger darstellungen, welche diesel-
ben oder ähnliche motive, zum teil schon im altertum, behandelten.^
Eine eingehendere besprechung der litterarischen ausbildung und Ver-
breitung dieses schwankes wie sie in der anmerkung gegeben ist,
bietet um so mehr Interesse , als Bürgers dichtung gewissermassen als
schlusstein den ganzen kreis der darstellungen dieses durch die zeit
sanktionirten litterarischen Stoffes harmonisch abschliesst ; auch über die
letzte und beste gestaltung desselben in der englischen yolksballade —
und diese hat Bürger (ausser vielleicht dem Burkard Waldis) allein
benuzt — weit hinausgehend.
1) In der algemeinsten form, der rettang aus einer Verlegenheit durch die
auflösong bestimmter fragen erscheint der der Bürgerschen ballade zu gründe
liegende stoff bereits in der antike, unter anderm inPlutarchs, Symposion (moralia
I, 6 — 10) und dessen queUen, morgenländischen erzählungen, aus denen er in
„Tausend und £ine Nacht", gekommen ist. („Die Geschichte des weisen Heykar".)
Ich übergehe den „Ffa£fen Amis" und „Eulenspiegol", welche beide dasselbe
motiv ohne bedeutende originale zusätze behandeln, und bemerke aber gleich hier,
dass das mittelalter überhaupt zwei neue zöge hinzufügt, erstens den gegensatz
zwischen weltlicher und geistlicher macht, welche letztere von der ersteren durch
die fragen in Verlegenheit gesezt und zugleich mit unverkenbarer ironio behandelt
wird (edelman oder fürst, könig, kaiser usw. und abt) und femer den zweiton
gegensatz zwischen geisÜoser studiertheit (des abtes) und urwüchsig genialem mut-
terwitze (eines müUers oder schafers). In dieser form ist die geschichte — die
romanischen darstellungen sind überhaupt sehr zahlreich — zuerst von dem ita-
liener Fr. Sacchetti (Novelle di Franco Sacchetti , Cittadino Fiorentino) bald nach
1370 behandelt worden. Der erste der genanten gegensätze muste den protestan-
tischen Burkard Waldis besonders anziehen , während er den zweiten (er behandelte
den Stoff in seinem „Esopus, ganz new gemacht und in Heimen gefasst" 1557,
Beb. III, Fabel 92) durch die geschmacklose ändorung, dass er den schäfer zu
einem heruntergekommenen gelehrten macht, völlig verwischt und das ganze in
eine nicht minder geschmacklose fabel auslaufen lässt. Treflich behandelt ist die
Sache von Pauli („Schimpf und Ernst", Fft. 1563). Das neue motiv aber, dass
der abt durch seine Üppigkeit und faulheit zu einer bestrafung eigentlich heraus-
fordert, tritt zuerst in der englischen volksballade auf (bei Sacchetti lässt er dem
fürsten zwei zur pflege übergebene doggen räudig werden). Die englische volks-
ballade lernte Bürger in Percys redaction kennen. (Reliques II, 306.) Die ballade,
wie Fercy sie vorfand, war nach dessen angäbe, wahrscheinlich bereits zur zeit
Jacob I. abgekürzt aus einer altem ; Joseph Ritson hat sie nach den vorgefundenen
restcn wieder abdrucken lassen (A select collection of English songs. Second
edition. Lond. 1813, 11, 317). Ein anderer abweichender text war nach Percys \
raanuskriptnote in der Collection of old ballads 1726, vol. 2, p. 43, no. YIII, ein
eben solcher in den Historical ballads 1727 unter der Überschrift King Olfrey and
the abbot.
Z£ITSOHB. F. DSUTSCHS PHüiOLOOIB. BD. X?. 21
322
Denn noch in dem englischen gedichte nach der rediktion Percys
ist ein gnt teil mittelalterlicher roheit, welche den modernen leser
nicht wenig Mrt, ihm zum mindesten den reinen gennss der homo-
ristischen darstellnng trfibt. Im englischen ist King John — wie in
Tielen andern englischen balladen ist der vermfene Johann ohne land
damit gemeint — ein roher, gewaltthädger forst, der eigentlich dem
reichen abte aus Scheelsucht am zeuge flicken wilL
And he ruled England with maine and with might,
For he did great wrong and maintain'd littte right
Der deutsche kaiser dagegen ist offenbar einer Ton den guten
herrschen! und dabei ein wackerer kriegsherr, der sich*s sauer werden
lässt in „Hitz* und in Kälte"", (str. 2).
Und nun die gemütliche Schilderung des feisten pfäffleins im
vergleiche zu dem stolzen englischen prälaten! (str. 3 u. 4 bei Bürger
= str. 2 u. 3 bei Percy).
Im englischen lässt Johann den abt nach London rufen und ver-
dächtigt ihn ohne grund des geheimen Verrates an seiner kröne; als
der arme abt seine Unschuld beteuert, erwidert der könig ziemlich
unmotiviert:
Yes, yes, father abbot, thy fault is highe,
And now for the same thou needest must dye,
For except thou canst answer me questions ihree,
Thy head shall be smitten from thy bodie.
Das ist unleugbar eine brutalität, welche den leser empört, da
ja der abt eine solche strafe durch nichts verdient hat.
Ganz anders bei Bürger, wo der kaiser in brennender Sommer-
hitze vorbeireitet, wärend das pßLflflein gemächlich vor seiner abtei
spaziert Da kann man es freilich diesem kaum verdenken, wenn er
den geistlichen herrn ein wenig necken will, und schliesslich wäre es
vielleicht der abtei und dem lande kein schade, wenn sie statt des
gemütlichen, aber faulen abtes einen anderen, strammeren herrn
bekämen.
Auch die fragen hat Bürger um einen glücklichen zug vermehrt
(str. 10):
. . . . „allein
Es soll auch kein titelchen wahres dran sein.^
Natürlicher ist auch die länge der dem abte gewährten frist,
welche überhaupt in der litterarischen entwickelung dieses schwankes
stets gewachsen ist, bei Sacchetti sind es drei tage, bei Percy drei
Wochen^ bei Bürger drei monate. Vortrefflich ist femer die angst des
BALLABB BIS BÜBGBB 323
armen pfaflfen geschildert (str. 13 — 15); wie aber Götzinger aus
str. 15:
Da tra^ ihn auf selten betretener bahn
Hans Bendix, sein schäfer, am felsenhang an
die andentung eines Selbstmordversuches herauslesen will, kann ich bei
dem temperamente des abtes nicht begreifen, während er anderseits
mit recht einen fehler darin gefunden hat, dass Bürger die Übertragung
des englischen in das deutsche colorit und die angleichung seines
Stoffes an die gegenwart so weit treibt, dass er den von trübsinn ver-
zehrten abt einen „bleichen, hohlwangigen Werther" nent.
Die rede des schäfers, der es dem abte gleich ansieht, dass ihm
etwas fehlt (str. 16) und insbesondere die art, wie der abt die fragen
des kaisers reproduciert , sind von Bürger unter entschiedener Verbesse-
rung seines Originals vortreflich behandelt. Der abt gibt in seiner
komischen Verzweiflung die ganzen fragen des kaisers wieder, fügt
natürlich auch hinzu, was gar nicht zur eigentlichen frage gehört (vergL
str. 18 — 21); darin ist also die refrainartige widerholung der ballade
zur erreichung einer humoristischen Wirkung benuzt.
Während sich nun Bürger allerdings den günstigen zug des eng-
lischen Originals (str. 17 bei Percy), die ähnlichkeit des abtes und des
Schäfers, entgehen liess, hob er dagegen den mutterwitz des leateren
in seiner Überlegenheit über die Schulweisheit (str. 23) sehr geschickt
hervor. Auch die komik der antworten des vermeintlichen abtes hat
Bürger glücklich gesteigert: (str. 29)
„So setz' ich mein kreuz und mein käppchen darein,"
da ja kreuz und käppchen für den schäfer im gründe ganz wertlos sind.
Die antwort des kaisers in str. 30, welche, besonders in ihrem
letzten theile, fast sprichwörtlich geworden ist (vgl. Grimm, deutsches
Wörterbuch IV, 11, S. 106), ist ganz von Bürgers erfindung und eine
sehr passende erwiderung auf die bedingt gehaltenen worte des abtes,
welche eine derartige antwort herausfordern.
Nicht minder kann es eine Verbesserung genannt werden, wenn
Bürger den schluss des schwankes, der bei Percy nur zwei strofen
einnimt, bedeutend erweitert und dadurch die persönlichkeit des Schä-
fers noch mehr in den Vordergrund gerückt hat, der nicht nur einen
hellen köpf, sondern auch das herz auf dem rechten flecke hat.
Wenn mich bisher eine Zeitlang gedichte beschäftigten, an denen
der genius Bürgers nur in sofern beteiligt ist, als er fremde originale,
wenn auch mit starken eigenen zuthaten, umformte, so ist
„Des Pfarrers Tochter von Taubenhain"
diejenige seiner balladen, an welcher am meisten von des dichters
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BALLABB BIS BÜBGEB 325
ner momente behandeln. * Vielleicht eher berechtigt ist dieser Vorwurf
Schlegels von der seite, dass dieser stofF speciell für Bürgers behand-
langsweise der bailade etwas verßLngliches hatte; konnte er doch bei
seinem streben nach ausführlicher behandlung der grossballade leicht
in eine peinigende detailmalerei der psychologischen wie körperlichen
zustände der unglücklichen heldin verfallen , wie es in der tat in dieser
dichtung der fall war, wodurch diese ein gewisses criminalistisches
gepräge nicht verkennen lässt. Anderseits ist es Bürger gelungen, die
Schilderung dieser seelenzustände so in den lyrisch -dramatischen teil
der bailade hineinzugiessen und diesen wiederum so geschickt mit der
epischen erzählung zu verflechten, dass von diesem Standpunkte aus das
gedieht gerade als ballade eine nicht verächtliche stelle einnimt; schade,
dass sich Bürger auch hier der einmischung von vulgären dementen
nicht ganz entschlagen konte!
Meisterhaft ist der eingangs welcher mit der aus der erzählten
geschichte erst resultierenden schauersage anhebt , wodurch der eigent-
liche Inhalt der ballade zur episode wird. Das gedieht verläuft nun
rein episch bis zu dem briefe des Junkers an Bosette — ein glanz-
punkt in diesem ersten teile ist die Schilderung des Schlosses und des
Junkers (str. 4 u. 5) — und nach diesem bis zu der scene auf dem
schlösse nach der verstossung der pfarrerstochter Auch die liebes-
scene in der laube ist episch gehalten, nicht ohne raffinierten realismus,
aber auch nicht ohne tiefe poesie. Dasselbe finde ich in der meister-
haften beziehung der aufblühenden und reifenden natur zu dem zu-
stande Bosettens (str. 15 — 17). Dagegen zeigt der lezte teil — er
ist dem inhalte entsprechend grossenteils lyrisch - dramatisch — in der
roheit der geschilderten Charaktere und sitten, in dem übertriebenen
realismus der reden, endlich in dem häufen grässlicher Vorstellungen
(vergl. str. 30, 32, 35, 37) eine Ssthetische verirrung, welche den viel-
jfältigen tadel einigermassen rechtfertigt, welchen dieses erschütternde
und, ohne diese zutaten, poetisch befriedigende gemälde eines echt
tragischen, dem volksieben entnommenen geschickes bei den meisten
litterarhistorikem gefunden hat.
Nur kurz erwähne ich „das Lied von Treue" * (sommer 1788),
welchea zwar eine der besseren balladen des dichters ist, aber litterar-
1) Ich erinnere boiläofig auch an eine kunstbaUade, Schülers „Eindes-
mörderin."
2) Der der baUade zn gmnde liegende stoff ist im mittelalter, besonders in
französischen werken, vielfach behandelt. Mitgeteilt wurde die geschichte in lo
Grand d'Anssys Fabliaox oa contes du 12i^me et Idieme sibcle. Paris 1779, t. 1,
pag. 34, und femer dreimal (in verschiedenen Versionen) in der bibliothöque des
Bomans, das erste mal 1775 nov. pag. 84, alsdann durch den grafen Tressan 1776,
a26
historisch wenig bemerkenswertes enthält, um die wandening dareh
die Büi^rschen bailaden mit der dichtong zu beschliessea, welche,
das zweitgr(>sste balladenwerk des dichters, den r«gen würdig be-
schliesst der mit der «Lenore*^ am besten wäre er51biet worden.
aml I. p. 159 ^naeb dem rittem>iiiaii ron Tiistaa und der icböBCB Tsc«h), enfflidi
1777. ferr. I , pjLjr. S7 imeh einem Cibliau). Ver;^ F. W. VaL SdimidC a. a. o.
p. 111 ü Veigl. Dimlop, ,Geädi. dor rn>sadichnuigeii usw." öbenut toa lieb-
nMrht. Berl. 1851. s. S4 tg. und 111, rergL Mich Gnsw. lelubudi der titeratnr-
g«tsehichte 3>. abt 1. heft 1S42. s. 250. Ejb ähnliches abentecer vixd sater
andern aneh im deatseben PamTml Wolframs roa EgchenbaA mxtfetoh. BärfreT
vmrde aaf die belauitmaebanfir des gniea Tressaa bereits im jähre 177S dmrdk
Boie aafmerksim gemacht, (Yer>d- dea brief Boies aa Btiiger vom 10. dex. 177)$.
S. B. n. 519. Wie veit ihm die indem pablikitiiMien bekant gevesen sia>i. Ter-
mag ich nicht azuixgvKrn). scheint al^r zn seinem gedichte ent durch die dessel-
ben st<>ff behandelnde ballade ,Sch«~« CUrchen" seines freim>les Stclko^g aas dem
jahrv 17^1 iWerke der l-rnder Stoiheig. ans^. Toa läS7. 1, 273 — ??"» afeie^gt
vordea in sein.
Was Stolbefvrs behandlung betrtft. so kann ich Schle^eel nicht «nrecht g«bem.
der (a. a. o. s. ^~<0' dieselbe an s»! fvr sich gegen die B4rger'scfe T>:r3äehL.
Die erxähl:i£^ ist bei Su^lberg anmsrlg^sfr ^ doftigi», da«» cckris ist alterömlkiaer.
Dabei ist J^ks s.tiv mh den huxni<en. abveiche&l v^vn den altem enähl-zadces . ik«>-
tischer as-s^bilict : B&rgers dichtan^ aber steh: speciäsch als baLfcie klher. bei
ihm ist all'f:» krafti^r. lebendiger, dramasisctiAr : allerdings »t sieht n InpMB.
das» vider Üe tes*iett2 aof eine moralischie virruig etwas Wrvvrtntt. Z*mt oikcit
hat Borger Kkrh seiner schon mehrfach be!«pric&»en gev*jaheit wsa^haw^eiX^
Eine stelle in «lern gedSchte eri?ner^ jjl die Hriseh-rhetonaehes parciA ^es
^Liedes jQm. braven Maan"^. ^ säch mit 'Um beides «ad seiner %at 3esduftfg«B:
der dächter scheint aoeh hier afti don ech&fs bolladenton heraiuge£illea la se«.
£s ist Str. 23:
.0 sLinaer der tietie. jezt vara* ich euch last.
n fesft nik'ht aof biedermaoms-vOrtiahes getttat«
djiSiS iher« liebe xkht rjtftet!*
Ebeffiä-? i5C T^rf-hlt str. 33:
^r»?r herr vom Sretne T«r^*hnKnt den stieh^. vekhe» kh dem: Jfcfihiz. ein £Tw»fi*:h
vTsd^r!** T^r^-efichen m*'chce. Der feser veü» ^lüch. das» die Ttifaa$ir*hesiie
iuihs ■'Ar. itica aa: den Junker virn ^teine sein soL. jber «i aic mdAÜM!»-
luvscjir. -im. £:-;5o 1 1 «iävn. AOiai i-iriien üe jteile üp* virisn^ tcainp:iL
Im ür^n iss ^<ta^ Lied tju Tr?ae* Ji tch'em boUafiencuiM wiüj&«n: t.jk
ien T-;Li.*3!i»:g Tr."ijl'jn ind ibertrieben aiaair.rrtirn LLssemnijivn lad v>fndTinir!a
itft iaöscl-e ivir aieat gana firei. liKh tp-fen iieselben niirht ^frade lini swhr
!lenr r. 5l> lui iCr. li :
Die scsrme <ier iüb^
imi str l^ .
,rad niutfCesc i*i ewi|t .ia tiacküra . in huai,
vQm leh bis sani irirbel bmehweäsiK.*'
ud sa. :S}
BALLADB BIS BÜRGER 327
^Der wilde Jftger*^ ist das produkt langer jähre, wie die ^Lenore"
die frucht vieler monate gewesen/ man hat deshalb wohl nicht mit
unrecht auf eine ungl6ichmässigkeit der behandlung aufmerksam machen
nnd endlich str. 21 das scheussliche :
„Wir haan, als hackteD wir fleisch zur bank."
Ich benutze diesen ort, um noch kurz auf zwei wenig bekante, interessante
balladenfragmente hinzuweisen, die Bürger in dem briefe an Boie vom 30. april
1778 mitteilt, aber, wie es scheint, nie vollendet hat (vorgl. S. B. TI, 483 u. 484
und Weinhold, Boie s. 204). Das erste hätte ein „Lenardo" werden können, nach
dem anfange zu schliessen; er lautet:
Ines von Eastro.
Husch, hin und her, huschhuscht* ein träum,
und stört* ein prinzenbotte/
Drin lag ein paar, auf seid* und flaum
In fester liebeskette.
Don Pedro war*s, der königssohn,
und kronenerb* von Lissabon,
der heimlich sich Agnesen
zur gattin auserlesen.
Die zweite, „Der Hecheltrager", die Bürger selbst eine „äusserst schnurrige
(nicht schaurige, vrie irtümlich bei Weinhold steht,) Romanze'* nent, wäre eine
coUegin der „Europa", „Frau Schnips** usw. geworden. Bürger teilt in dem
erwähnton briefe eine ganze reihe durchaus burlesker strofen aus derselben mit
ich führe die erste zur probe an:
Zu Brüssel hei! gieng*8 lustig her,
auf herzog Philipps schmause.
Sie zechten eimershumpen leer
und vol (!) sich, bis zur krause.
Sie trieben recht das kälbchen aus,
auf gottes weit kein fürstenschmaus
war diesem zu vergleichen.
1) Nach Reinhards leichtfertiger angäbe ist er „vermutlich aus dem jähre
1785**, vergl. Götzinger (a. a. o. 269).
„Der wilde Jäger** wurde zuerst angekündigt in dem briefe an Boie vom
11. october 1773, kurz nach der LenorevoUendung (S. B. I, 123): „Kund und zu
wissen männiglich, insonderheit denen es zu wissen von nöthen, dass ich wieder
ein rasches, muthiges Gefieder ausgebrütet habe. Es hat scharfe Fänge, einen
gierigen Schnabel und sein Geschrei verrät einen nicht wenig innerlichen Grimm.
Sobald ihm noch einige Schwungfedern gewachsen sein werden, solPs zu Urnen
fiiegen.** „Der wilde Jäger** wird von da an nicht wider erwähnt bis zum sommer
1775 und nach diesem erst wider ende 1776. Im jähre 1777 hat Bürger wieder
eifrig daran gearbeitet, aber erst 1778 wurde das gedieht in der ersten gcstalt
fertig. Vergl. die briefe vom 12. und 26. märz 1778 (S. B. U, 454 und 465), wo
er noch nicht vollendet, und denjenigen vom 30. april 1778 (S. B. II, 483), wo er
in der ersten redaktion fertig ist; diese ist etwa derjenigen der „Lenoro** zu ver-
gleichen, wo diese noch anfängt: „Lenore weinte bitterlich.** Bürger nahm den
„wilden Jäger** in die erste ausgäbe seiner gedichte noch nicht auf, und vom
m niüstmn geglaubt, immerhia aber wurde in dem yrerko die ewar
im Tfirgteicliu zu der „Lenore" ruhige, aber mutig-frohe echafTenalust
gekrönt, weictie sich in dem briefwechsel Öfters ausspricht. So in dem
briete an Boie vom 19. august 1775 (S. B. I, 183): ^Mein wilder
Jfiger wild entweder ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn oder eia
Hundsvott. Je länger und je mehr ich daran arbeite, je höher steigt
mein Ideal von der lebenden und webenden episch-lyrischen Poesie.
Wenn iuhs erreiche, so wird hinfort Lenore nur mein Mond, dies aber
meine Sonne sein," und am 19. mai 1777 (S. B. II, 336), wo er von
mehreren balladenprojekten spricht: „Der wilde Jäger" dürfte ver-
mutlich die kröne werden, well seine ausrQhmng bis jezt meinen ideen
von dem wesen wahrer lebendiger poesie mehr als irgend ein anderes
stQck entspriciit.
Noch einmal griff der geniale dichter in einen grossen und weit
verbreiteten Sagenkreis, aber es ist nicht daran -in denken, daas er
über denselben irgend welche kritischen Studien gemacht: zweckloser
noch als bei der „Lenore" wäre hier ein forschen nach den einzelnen
sageoqnelleu.' Von der heidnischen Urbedeutung der wilden jSgersaga
hat BQrger noch nichts gewusst, konte auch za seiner zeit noch nichts
von ihr wissen ; er hat den wilden Jäger in der echt populären gestalL
aufgefasBt, in der er noch jezt unter dem volke als der tolle Hackel-
berend umgehl, populärer noch, als ihn in neuester zeit sein landsmann,
der geistvolle Harzer Wolff auH'aBste; das niotiv der beiden ritter hat
er, wenn nicht frei erfunden, ans einer ähnlichen fassung der BackeU
bergsage umgestaltet, * ähnliches gilt von dem motiv der klausuerhUtte
in bezug auf die von Pröhle mitgeteilte sage vom Kehbergor graben;
in dem versinken des wilden Jägers aber einen erdfall oder sogenanten
nobiskrug beschreiben zu wollen, wie Pröhle (a. a. o. e. 128) ihm zu-
mutet, daran hat der ehrliche Bürger sicherlich nicht gedacht Eine
bestjmte gegend ist in dem gedichte nicht gezeichnet, doch mag
Bürger an den Huusrück gedacht haben, wo die wild- und rhein-
la mai 1779 ab (8. B. IT, 542) vorschwindet die ballade aqb den erhaltenen brief-
wochMl g&ntlfcb, h\» zu den späten briofen, welche tiftch der pabllkatioo des gt-
dichtes im miueaaliiiBnach (jnhrgang 1786) geschrieben wurden. „Der wilde Jäger'
in der una vurljegeeden form iet «in jodcnfalls vielfach iiiti' und überarbeitete
werk, mSglieh, düa din Inzto beuboitDOg erst im jobra 1TB5 geBcblossen wurden;
dieae» aber mit (lütiinger kui der tstaauhe des 1786 erfolgton dnickes felgotn xu
wollen, ist sehr i^ewsgt, weil Bürger Dacbweislich mchri^rc gedichte auch nach Ihrer
leiten vuUeudung'eine leitlang in pulte behielt oder wenigsten* nur nntcr seinen
rreunden drcnlierea lies«, bevor eie gedruckt wurden.
l] Siehe FtöUe %. a. o. e. 124—129.
2) Daeelbot s. 186.
BALLADB BIS BÜBOBR 829
grafen hausten wie auf der andern rheinseite die sagenberühmten Ro-
densteiner. ^
Die composition des gedichtes ist der der „Lenore^ ähnlich, doch
ist die ballade eigentlich monodramatisch, die andern personen haben
nicht viel mehr bedeutung als der eher in der antiken tragödie, das
ganze Interesse concentriert sich auf die wüste, aber imposante gestalt
des wilden grafen.
Meisterhaft ist wiederum die exposition:
„Der wild- und rheingraf stiess ins hörn."
Meisterhaft auch ist der schwere, aber charakteristische bau der
strofe und besonders die Verwendung der reime in den beiden anfangs-
strofen; die erste malt in der offenen o-assonanz die klänge der jagd,
die zweite in dem a den klaren klang der domesglocken, welcher zu
dem wilden treiben des grafen einen friedlichen gegensatz abgibt
Und nun:
Bischrasch quer übern kreuzweg giengs
mit horridoh und hussasa.
und schon kommen auch die beiden seltsamen reiter; keine trockenen,
bleichen allegorien sind sie, sondern lebenswarm und voll gezeichnet;
man denke nur an die Schilderung ihrer rosse:
des rechten ross war silbersblinken,
ein feuerfarbner trug den linken.
In geschicktester weise ist nun im verlaufe des gedichtes das
epische und das lyrisch - dramatische balladenelement zu einem äusserst
lebensvollen ganzen verflochten. Wie eine wand durch gitterwerk und
Verzierungen, so ist die erzählung des jagdverlaufs durch die reden
der fremden reiter und des grafen und die bitten des durch die rohheit
des lezteren bedrängten landmanns, hirten und klausners durchbrochen.
Der Wechsel zwischen erzählung und rede findet auch innerhalb der
strofe statt, deren bau zur aufnähme verschiedenartiger demente sehr
geeignet ist. Die ersten vier zeilen sind männlich gereimt, kurz ab-
schneidend, die beiden endzeilen klingen weiblich aus; in diesen teil
sind die reden gewissermasson als resultat des voraufgehenden ge-
schoben.
So z. b. str. 10:
„Lass stürzen! lass zur höUe stürzen!" usw.
oder 11:
„Erbarmen, lieber herr, erbarmen!" usw.
1) Eine rheinsage liegt nicht zn gmnde, verschiedene bearbeiter poetiscber
rheinsagen haben sich in dieser beziehnng durch die baUade täuschen lassen.
•JI»er rrtf Terstc-binLii: o** tü^^^sl ▼Dien
VüLÖtfr^iC is; d* sdliiäfiroLr 6» ihrQirßKi*btt dnrdi fit kcm-
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»iiii i&$ zDr-rr it-r n-eiSfiiiii:!: . »Tvr!>= ^tCL^-^^f-z jirsr äfft kvf^ vm*
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mit« -.- '-• v.^.Ni*"-^ N.^.i, M.'. ... ,:.\n;.'v-. -üvi: :rxiifa xftck hause
BALLADB BIS BÜBGBB. 331
§6. Die dichtart G. A. Bürgers,
ihr unterschied und ihr fortschritt gegen die balladen-
dichtung der früheren epoche.
Nach der Wanderung durch die Bürgerschen balladen komt es
darauf an , die algemeinen eigenschafben seiner dichtart zusammen zu
fassen und zu einem bilde zu vereinigen, welches geeignet ist, die
stufe zu bezeichnen, auf die die ballade durch Q. A. Bürger gehoben
wurde, den fortschritt gegen die frühere und wenigstens im algemeinen
auch die anknüpfungspunkte an eine spätere balladendichtung. Erst
durch eine solche mehr theoretische betrachtung wird die bedeutung
Bürgers in ihrem ganzen umfange ans licht treten.
Bürgers balladendichtung unterscheidet sich von der dichtung
einer früheren epoche schon durch den ungleich weiteren kreis der
Stoffe.
Mit genialer Vielseitigkeit schöpfte Bürger aus dem vollen borne
alles dessen, was poesie heisst, griff in die lieder und sagen des Volkes,
des eigenen sowol, denen er in den spinnstuben und unter den linden
des dorfes lauschte, ^ wie auch des englischen, die er besonders in
Percys Sammlung vorfand; daneben weiss er sich anderseits der
begebnisse des lebens für seine balladendichtung zu bemächtigen; im
algemeinen sind es einfache, nicht verwickelte begebenheiten, die er
behandelt, aber solche, welche das einfache gemüt ergreifen und er-
schüttern. Zugegeben nun auch, dass sich Bürger in den Stoffen hin
^V. und wieder vergriffen — so hätte er z. b. unstreitig den Percy aus-
giebiger und zugleich mit sorgfältigerer auswahl benutzen können — so
bleibt die tatsache bestehen, dass Bürger der balladonpoesie anstatt
der bisherigen engen sphäre ein freies, grossartiges gebiet würdiger
Stoffe erschlossen.
j
Hinsichtlich der darstellung ist Bürger der erste, der in grösse-
rem massstabe und consequenterer durchführung seine balladenstoffe
als ernste, um ihrer selbst willen der darstellung würdige gegenstände
auffasste und damit zugleich die ballade und romanze aus der komi-
schen gattung, zu der sie bisher in Deutschland ausdrücklich war
gerechnet worden, unter die ernsten gattungen der poesie versetzte.
In dieser seiner tätigkeit knüpft er an die vorhandene Volksdichtung,
wie schon oben gesagt, gerne an, geht aber jp „der. anaffibrung über ^>^,
sie hinaus und erreicht seine hauptsächlichste bedeutung als schöpfer der
V7Ü. grossballade , d.h. derjenigen dichtung, welche die epischen, lyrischen
und dramatischen demente , die in den kleineren balladen mehr oder
1) Yergl. HerzeDsergQss über Yolkspoeüe, Werke, Bohtz, s. 320.
3;^
weiiig»fr ^tniQt aaftreceQ. mh künstlen^schem bewnscaeoi m siA
vereinig.
Die •ioTi.-krlliniiig di**«es prinoips isc Böiger ixi Tn.mfhm
biilLidea in iKrrorr&geader weiie gelangen. (.JjeiLore'
•Pt':irrer?tooh:er*. •Wilier jslger".)
I>is dnm.iäiohe elemeas inibe^adere cricc ausser iii
in -ier Bärzer^ciieii irr?säbAlLiile aa«-'ii in der compa^aci«» im
Die omniogrekherea seiner balLhieTi ^ind ciäC alL! Oiiek
iTio^ be$tiin:en pLme gebaa::. ier sich mk 'ie!]! latban Gnes faiif>
i&:ig^ii T-i!T!:L< verrieichea liesi^e. veLcheoL aar •üe penpede feUL
üaa 7:frjri. üe •Lenopfl 1. iki: kone exp^jäicioa. ^Lemm iabr
ni.jr^QTMu- i iir: iiiiog rriiciitfa aiaiser ind 3uch
-H-h il«L "jeginaeade Terv-L-kelaag :). lir: : rorÄar^iEea'ie ▼«
ier z^a:scerr::i. 4. lin pedpeci»f :>fiiiL. 5. ok::: kJOAPipdis. ^am
ixiuii>c üud JDiü "nii*. ,r»ie enüTirirmir*. «I^r wude jag»ir*. ja^ v«m
jioa -^< Terr'ijür; . nisC ille 3ärz<irH:aea biiHüiiea :oaip^nin.
Die auve Lir?WLlaag ies ilten T..ä5g»singw< !nic Barjeria
■i*finer lalLide iur.'h'vevr beibeiialr^n . -vihrfnd •j.)edie ae in -»im^pHi
-s^mer bailudea. :. "j. jh •Erik^aig*. in iie T.^ricin£g^ lofEiäeai&r Abt
z»-biliier-fa ims^^rr«. In üeser bt^zieiiing <£}nimHa besonder? -irtiuri»"*.
^Dttr Tude ;üir?r-. - ia«:h -Lenartu md 3Lui«iine"' äe •ersdieiiiaiK 'iör ^
tr*i "unkcT ji )»*tmeiit: ji iie<*fni 'leibeiiuiten ier naiven TijIksvoF*
KviliniT ie'zr ^S^abür -fii .TTnd iar iie ponaÜLrrar iie*«er baÜaitiHL
Zadiir*ii liLrs 3nmr iie neiso^a ?ein»*r ^cjie sor zr.'S&bailaA ?f
"-rLTHeiret*? . mi^ri- -r. i^o^a mu ?ung^iirea ies tdicen T.i£kijiedaB
ir 'Ä-^ncrü:: )»•! md ii>^ct rt'.ii iDtriüapr SU iie :»»nnen le* 7«iik;».
ir'ir- ziui»? iü^Ua<.dniifii» a. .. jLüii'i -L^Svana -** ii*i ipb'.'irsische "w^^s^
i*-^ ■ 'Lk^Üe-it"? -n uau^aejx ?eintr "•maajfra i'.üi.iviifj ;a "Twifen. Sn*
loiiLr -r-iTTn ii^r '•nkicümÜ«'j»-'i *.<'fiu;L^ lu-i vir'e* ier ^ten Vau»-
Ltn TH'^rii -iLi: wilcrünc^ i^^-'J ^^ .5ii:'v:»?r <• :. ?. n ier ^eaora"*"
BALLADB BIS BÜRGSB. S33
balladen, wo er unmittelbar an das Volkslied anknüpft, die „Lenore'^
und die „Entführung^).
Das Volkslied deutet zeit und ort seiner begebenheit und die
Umgebung seiner personen nur an, ganz anders Bürger:
Er war mit könig Friedrichs macht
gezogen in die Prager schlacht
und hatte nicht geschrieben,
ob er gesund geblieben,
und dann die ganze einzugsscene !
Auch seine örtlichkeiten führt Bürger in sauber ausgearbeitetem
detail vor: dahin gehört die Schilderung des Schlosses Falkenstein in
der „pfarrerstochter^ und des eisgangs in dem „lied vom braven
mann" usw.
Tor allem scharf und ausführlicli gezeichnet sind die Bürgerschen
gestalten und Charaktere, Bürger fahrte eine individualistische charak-
terbehandlung zuerst in die baUade ein. Mit recht bemerkt in^ dieser
beziehung Götzinger (a. a. o. 400) : „Lenore hat mit frau Magdalis und
mit Bosette nichte gemein, obwol die Umgebungen gerade dieselben
sind, und wie unendlich verschieden sind der wildgraf und der mar-
schall von Holm, Karl von Eichenhorst und der brave mann, das
pilgermädchen und Gertrud , Hans Bendix und der kaiser!"
Die superiorität der dem echten Volksleben entnommenen , lebens-
vollen Charaktere Bürgers über die trockenen Schattenbilder der bän-
kelsänger tritt besonders in den dialogen seiner balladen hervor. Auch
in diesen hat Bürger die form der Volksdichtung aufgegeben bezw.
völlig umgearbeitet. Hfir^dialog des Volksliedes ist abgebrochen, die.
psychologische motivierung nur undeutlich angegeben, oft geradezu un-
verständlich ; Bürger dagegen glänzt in grossartigen, die gedanken
i ^f/:völlig erschöpfenden dialogen (vergl. die berühmten dialoge in der
„Lenore" und im „wilden Jäger"), und in diesen liegt gerade eine
hauptstärke der Bürgerschen balladendichtung; anderseits ist er der
erste, welcher versucht, 4l5__ Ballade zur darstellung einer sittlichen ^ ^U$\
idee zu benutzen (^Lenore", „wilder Jäger"), wenn auch mit geringe- >tw-6 ^
rem erfolge.
Ich habe bereits bei der besprechung von Bürgers persönlichkeit ^A7>
auf zwei fär seine behandlungsweise poetischer stoffe besonders cha-
rakteristische merkmale hingewiesen, die richtung auf das volksmässige
und das streben nach äusserer, formaler correctheit.
Was den lezteren punkt angeht, so teilen Bürgers balladen
begreiflicherweise die seine übrige dichtung auszeichnende formvollen*
\\
334 ROLsnifssx
dung; das ängstliche streben Bach äusserer correctbeit indessen,
ia der lektilre der späteren gotlichte Biirgers oft so peinlich
tritt in den balladen um so weniger hervor, abi diese (mit ausnähme
einiger der kleinen roman7,enartigen gedichte) sämtlich vor der Schil-
1 Igrachen^ecension erschienen waren, welche beVantlich den dichter
I erit veranlasste, diese art hyperkritik an seinen werken zu üben; auch
y haben sich für die bailaden keine Varianten nach der ausgäbe fou 1789
vorgefunden, wühreud ifwiscben der ersten und zweiten ausgäbe immer-
liiti nicht unbeträchtliche verschiedenheiteu in den balladent«xten exi-
stieren. Indessen ist anzunehmen, dass die balladen bei ihrer ersten
verSITentliebung gri^atenteils schon in einer mehrfach und sorgfSltig^
ßberarbeiteteti fassung erschienen, wie solches von der „Leuore", dem
„wilden jilger", auch der „Europa" u. a. feststeht.
Ia seinen yolkatüin liehen bestrebungen, welche so ganz dem
gouius Bürgeri entsprachen, waren dessen eigene dunkle gefühle und
ahnuugen zuerst durch Herder zu klarerer, hewuaater anschanung
erweckt worden. Wie nun Herder durch den an und für sich ganz
berechtigten kämpf gegen die steife, conventionelle , verzopfte poesie
seiuer zeit b|s zu äet übertriebenen ansieht von^ der_aliaiB_bereclitigung
der Tolkspoesie gekommen war, so suchte auch Bürger — em_ejjedenk-
licheTfippe seiner dichtung — die grosse des dichters in der volks-
tQmlicben dichtung und das kriterium seiner poesie in der pojmlaritäL '
Ein volksdichter aber in dem sinne der alten miuütrels oder
balladenaüuger ist in unserer zeit bei der treunung unseres Volkes in
die kilasseu der Htterariscb gebildeten und nicht gcbildeteu nicht uiefar
mJiglich. Ein volksdiclitor im modernen sinne kann also nur derjenige
Kuin, der entweder mit angaben der ersterou klasse in der ideen- und
empfindungssphäre der zweiton, des „voIkes", dichtet, oder dem ea
gelingt, seine dichtung so zu gestalten, dass sie dem ungebildeten zu-
länglich, zugleich aber dem gebildeten geschmackvoll genug ist; denn
ein dritter weg, den Ooerth (in seiner citiorten abhandliing s. 382) so
M nont , die denk - und emplindungawcise des zwoiteu teiles In den
' nur dem ersten teile zugänglichen kunslformen darzustellen, d. h. die
empGndungsweise des Volkes nur al^ objekt der dichtung zu benutzen,
kann doch unmöglich als wirkliche volksdiohtnng bezeichnet werden.
Nun ist von den beiden oben angegebenen arten die orsle entscliiedea
I) POr Boiiio tSbrigi-n» njcbt xa Bjstematiwlior klarbeit tintwicVsltfln th«ore. .
ttaehnn Minchten Gbor illn«an iiantl aiad besondcrB soln .HerOTn»ergasB UhorTulks-
VO^o' nnil liio lieidan vorn^Jivii m dtui aiispibmi •'•i''er gMcUU zu vergldcben,
(Werke. Bohti. ■. 31» fg.)
BALLADl BIS BÜBGBB 835
SO niedrig, dass sich ein wahrer dichter kaum zu ihr verstehen wird;
die zweite aber , die von Schiller in seiner bekannten recension ^ als
forderung aufgestelte , so schwierig , dass sie kaum in der einen oder
andern dichtung durchzufuhren ist — am ersten noch im einfachen liede,
wie es Claudius u. a. anbauten — am wenigsten aber, wie Schiller in über-
stiegenem idealismus von dem dichter verlangte, in allen gedichten
desselben oder auch nur in der mehrzahl. Ein volksdichter also als
dichter für den zweiten teil des Volkes, den litterarisch nicht gebilde-
ten, ist, wenn er nicht bei der ganz niedrigen aufgäbe stehen bleibt,
seine bezüglichen gedichte nur far diesen zu verfassen , in unseren tagen m
nahezu eine Unmöglichkeit, und das bestreben eines dichters, volks- "^^
tümlich zu sein, kann sich allein darauf richten, durch eine möglichste
enthaltung von allen positiven, specifisch der klasse der gebildeten
angehörenden elementen und durclF eine klare y algemein verständliche ^
darstellung die grenze der zugänglichkeit für seine dichtungen mög-
lichst weit in den besseren teil der zweiten klasse des volkes hinein-
zuschieben. Bürger aber fasste die aufgäbe volkstümlicher poesie '
vielmehr als die einer durchschnitsdichtung auf, wie aus seinem ver-
gleiche des Volksdichters mit einem Schuhmacher hervorgeht, welcher
fertige schuhe zum markte liefert und sich dabei für das gros derselben
eines durchschnitsroasses bedient.'
Bei dieser auffassung wird man es erklärlich finden, dass Bür-
gers dichtung viele elemente aufnahm , die dem gebildeten , ich will
nicht sagen y ganz ungeniessbar sind, aber die ihn doch abstossen;
anderseits aber wäre trotz des erwähnten strebens seine dichtung bei
weitem weniger in das volk eingedrungen , wäre Bürger bei seinen
absiebten von kahler theorie ausgegangen, und nicht vielmehr sein
wesen und seine ganze dichterische persönlichkeit mit diesen be-
strebungen auf das innigste verwachsen gewesen.
Als ein echter söhn des deutschen volkes, mit welchem im
innigsten verkehr er den grösten teil seines lebens verbrachte , brauchte
er die empfindungs- und anschauungsweise des volkes sich nicht erst
anzueignen, da er sie in den meisten beziehungen teilte; daher seine
>v/^!8inliche, packende art der darstellung, sein Interesse an der frischen,
1) In betreff dieser rielbesprochonen recension verweise ich des näheren auf
Schlegels ansieht in der seinigen (Charakteristiken und Kritiken 2, 1 fg.) femer auf
Eoberstein Y, 39, anm. 31; die von dem lezteren dtierte nochmaUge entgegnnng
Bürgers (ausser in der „vorlfiufigen Antikritik") ist keine prosaische, sondern eine
poetische, „der vogel ürselbst, seine Recensenten und der Genius ** (Gott, mnsen-
almanach f^r 1793).
2) Siehe die „Vorrede zur 2. ausgäbe der gedichte**, Werice, Bohtz^ s. 329.
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^•.•rrLiir^-^ Lt TTr^.iT-il-i^ t;i ■:L;irn- zii ^Irichiissen and far-
"T— iir ii.i-i. LÜ :'.zz-:-^L :ii>rl.-:r.:ir- r.«: if^fi er mali und mit
I^iT- irrri^T r-ilri Liiiif. irT Li:!: fl: rirri Ttririzrncn eesohmack,
- Li'.n ft: :> rrir-ri. ItITti ie? Tf—^rr rfrilirTci: ^bellet
I'ir iTriifi'r?:- ':il: ':i Bir^Tr? T:lk>:t ■■■',: :hrn l*e5trebangen
j'iriir: ?^:1t i:r-:'ir. "Wi^ r^irr^: ii ^fizri rrlrfen. besonders in
.---i1j:-i LZ T-nr-.t'T ::r^:.ii :. *:■. SlI '/ivv'rli^. an den hofrat
L.r-rr. iL fTii-i ?.'i--jr: ».iv: T^ Lr. I.': ij"i ..?w fi^i mit Vorliebe
.1 -• i?:i2rrljTi zil irri-ti rrlri.^Ärir:: trcei:. >:■ iriLCt er auch in
■T.iri "i^liiTi i'^n- Irrirt^r wrii;:L^tr. i.r.i szsiricke an. welche
i-.i-: r.ir: f: >.i":.ri "iI ^rr-^xir::^:- >::^:-if lichi eben zum Tor-
>^r ^'Tz..'l-:^ D-j.i üefr i.tzl l.s .:r.:i::LÄl:«:.i^:öLes sind aller-
ir- i- -.-1 Tr :-: i;tr^rr?.i_rL ic'.li.;::. srhr lr:itL?wihr und indi-
- — 1.-: .^ ':. jrfirrt- i -t ::. I..s r. ..";. \//.r:.ir;<r uni reiner kunst
'^Lr'rzL -'.r ?.•/:. i'/i: äiir. l':f> ^ ür ti:.?: .itT « tSt-nilichsien punkte,
-L l-:-i .r: ilti- :-::.;.> S.i.ul::^ .i:.>:^Ä> :.Ähn; ;:ni uehmen muste;
i ■_:;:►: ..*:•?: r.it*.: >:/:. .u i ::.■.: i ::.*";:'::: ;:yc .:;ri7;:c«r elemente in die
i.^ii-L-. "i.iuz.j :n. >■ ::.oV.: Ktwh:.^:. ;'i*.> iT iv.t^^er. entsprechend
ctiii ^Tr: ,i:..: ^. r äl'k,*.:.:^ iicr ;il:r:i ^» *Asl .:.;;:. r.;-vh \v«r aller anderen
3 P.: :.;. :..r:: »x: :-.M,:v. •.,-.vJ v..*: ^ .*■ \.o*'..>: :■■ jviricn wi^Ttzusam-
i:.- is^vT-c: i-; -. •..; .; - *«:! .■.-,*..: j,. r . /,. ms 'v iV — . v. ' ^. .\ ^ y -.."j,-^ ^J^ landes
hrfr>tr»»ni '. rA^i'w>»•hA1^'^^ ", .. » ,i;*:»H.s V, v!. ..*-. .:.,..<, r,;;hrureiunTis" ubw.,
wi>jTviiti Aij»ior>tii* >,*iiKMi «.MHuKhiwik«'« kv«'*''«*« »•^>! AVius^rwiiea i»t, und die
meUun »u:>;it«»'« *U iwtit oni^nu-l) lum, 1..' .■«»;,■■ ä'.> n,.\: cf'ciu:*« bezeichnet
BALLADl BIS BÖ&OBB 837
(lichtung das recht vindicieren zn müssen vermeinte, gewisse rauheiten
au sich zu tragen oder, nach seinem ausdrucke, ,, etwas rostig zu sein." ^
Ja, Bürger treibt das streben nach Volkstümlichkeit in diesem
punkte so weit, dass er einerseits ausdrücke gebraucht, die nur in der
Vulgärsprache üblich sind , anderseits seine spräche geradezu dialektisch
zuspitzt ^
1) Vergl. ^ Herzenserguss über volkspoesie*^, Werke, Bohtz, s. 320, S. B.
I, 183 und n, 361.
Za dem angedeuteten zähle ich unter andern redewendungen und aus-
drQcke wie:
„Sie hatten's ein küssen, sie hatten^s ein spiel **
(„Lenardo,^ str. 33, erste ausgäbe).
„Da stinkest nach stinkender hoffahrt mich an.*'
(eb. str. 68; hoffahrt
ist eine schlechte ändemng Bürgers in der 2. ausgäbe, wenn es überhaupt etwas
anderes als ein druckfehler ist; die lesart ist in alle ausgaben der BQrgerschen
gedlchte übergegangen, indessen ist die ursprüngliche lesart der ersten ausgäbe,
^hofart", wie leicht einleuchtet, bei weitem vorzuziehen.) usw.
Die realistische art der meidung von Blandinens tode:
„ Prinzessin ist hin ** (eb. str. 77).
„Kind Gottes." („Bruder Graurock und die Pilgerin" str. 4).
„Ein bürschchen, das den ganzen tag
durch koth lief und durch moor,
speist wol sein nachtbrod von der faust
und sinkt am herd aufs ohr."
(„Graf Walter« str. 32).
„Herzenskarl." („Entführung" str. 14).
„Herunter, Junker Grobian!" (eb. str. 25).
„Der Ungeschliffene" (eb. str. 27).
„Kein armer Verbrecher fühlt mehr Schwulität."
(„Der Kaiser und der Abt" str. 12).
usw. usw.
2) Zu dem ersteren möchte ich den von Bürger mit Vorliebe gebrauchten
unedlen ausdruck „schmcissen" („Entführung" und „Lenardo" öfter) und Wörter
wie „huckepack" („Weiber von Weinsberg" str. 9) u. ähnl. rechneu; auch braucht er
„klepper" für ross („Entführung" str. 13), „köter" für hund („Tied von treue"
gern öfter) u. dergl.
Zu dem letzteren zähle ich die häufige an Wendung niedorsächsischer Wörter
und Wendungen, die Bürger sowol von seiner hcimat her als auch durch seinen
langen aufenthalt in Göttingen und umgegcnd geläufig som musten. Ein Studium
des „Wörterbuchs der niederdeutschen mundart der fürstentümer Göttingon und
Grubenhagen" von Schambach, Hann. 1858 hat mir denn auch gezeigt, dass eine
menge von Bürger gebrauchter volkstümlich dialektischer ausdrücke, dem nieder-
sächsischen, speciell dem in Göttingen und umgegend gesprochenen dialckte ent-
stammen, und ist mir dieses noch durch mündliche mitteilungen bestätigt worden.
Als beispiele citiere ich:
den medersuchsischen Provinzialismus „Ach und Krach" („Entführung" str. 26),
ZEITSCHB. V. DEUTSCHE PHrLOLOOIS. BD. XY. ^^
^
338 H0LZHAÜ8BN
Wenn auch manche dieser versuche, durch solche äusserliche
mittel auf volksmässiges dichten hinzustrehen, recht wirkungsvoll sind,
so hat anderseits durch Übertreibung und unkünstlerische Verwendung
derselben die spräche des dichters manchen flecken erhalten. Immer-
hin aber sind diese gering anzuschlagen gegen das verdienst G. A.
Bürgers , nach den rohen tönen des bänkelsanges der deutschen bailade
eine grosse, geniale und edle spräche gegeben zu haben. Berühmt ist
die musik der Bürgerschcn spräche überhaupt, und gerade die ans-
führlichkeit der grossballade gab dem dichter gelegenheit, seine poeti-
schen mit grossartigen ton- und klanggemälden zu begleiten.^
„ einbotzeln '^ („Kaiser und Abt" str. 16, Scbambach s. 86).
„fickfacker" („Frau Scbnips,« str. 10, Seh. 269).
„jappen" („Wilder Jäger" str. 35, Seh. 94).
„kliffen" („Wilder Jäger" str. 1 u. ö.. Seh. 103).
„ klimpcrklein " („Frau Schnips" str. 23, Seh. 103).
„kurrig" („Kaiser und Abt" str. 1, Seh. 117).
„prachorn" („Kaiser und Abt" str. 26, Seh. 158).
„verklomt" (vom niederdeutschen verbum verklomen, „Pfarrerstochter" str. 32,
Seh. 263. Man vgl. das bei Reuter öfter vorkommende „vcrklamt.").
„Die Muthung" („Lied von Treue" str. 31. Vgl. Weigands Deutsches Wörterbuch,
2. aufl. 1876, 2, 166 — 7, und andere.
Auch altertumliche und seltene Wörter gebraucht Bürger, wo sie ihm durch
fülle des lautes oder andere Vorzüge wirkungsvoll erscJieinen:
Den imperativ „bis" („Entführung" str. 9), die form „ entfleuch *" (Lied vom
„braven Mann" str. 4), „nifte" („Wilder Jäger" str. 1, vergL Weigands deutsches
Wörterbuch, 3. aufl. 1878. 2, 499), „leugst du" („Entführung" str. 25, vergl.
Schmellcr, bairisches Wörterbuch, 2. ausg. von Frommann, München 1872, I, 1461),
„die Muthung" („Lied von Treue" str. 31. Vgl. Weigands deutsch, wb.« 2, 166 u. a.
1) So verwante Bürger mit grosser meisterschaft die assonanz (.,Tjonoro*'
Str. 21):
Was klang dort für gesang und klang.
Was flatterten die raben?
Horch! glockenklang I horch todtensang:
Lasst uns den leib begraben I
Auf die anfangsstrofen des „wilden Jägers" wurde bereits hingewiesen.
Man vergl. femer „Das lied vom braven Mann": str. 1 reine a -assonanz,
dann str. 2 und 3 in der Schilderung der heranwachsenden Wasserflut die vielen
o, ebenso in str. 6 das herlichc:
„Die schollen rollten stoss um stoss."
In gleicher weise ist Bürger meister in alliterationen :
So „Lenore" str. 18 das wundervolle:
„still, kühl und klein."
wo neben der k - alliteration auch das milde 1 ausserordentlich melodiös wirkt.
Ähnlich im „Lied vom braven Mann" str. 2:
„Er fegte die Felder, zerbrach den Forst"
BALLADE BIS bObGXB. 339
Auch im reime weiss Bürger vortreflich zu wirken; er liebt volle
und bedeutungsvolle reime. *
Nicht minder versteht es der dichter, in metrischer hinsieht seine
balladen in ein angemessenes und schönes gewand zu kleiden und mit
grosser kunst weiss er die metra dem gedankoninhalte seiner gedichte
anzupassen. Bßrgers balladen sind in steigenden, jambischen oder
anapästischen metren abgefasst, dem lebendigen, stürmenden Charakter
der nordisch -germanischen und insbesondere seiner ballade durchaus
angemessen.
In der „Lenore*^ wie in manchen andern wendet Bürger jenen in
jeder vershälfte viermal gehobenen vers an, welcher auf den alten
germanischen epischen langvers zurückzufuhren ist. Metrisch betrachtet
ist jede vershälfte eine jambische dipodie, abwechselnd akatalektisch
und katalektisch. In der zweiten hälfte der achtzeiligen strofe folgen
in der „Lenore^ je zwei akatalektische und zwei katalektische zeilen
parweise. Dieses metrum gibt in seiner epischen ruhe einen vor-
„Pfarrerstocliter ** str. 36:
„Das flimmert und flammert so traurig.''
„Wilde Jäger" str. 1:
„Laut klifft' und klafPb' es, frei vom koppel."
Auch verwendet Bürger in grosser fülle die alten germanischen reim-
worterverbindungen , welche neben den allitcrationen eine grosse roHe in den rcchts-
altertümem spielen. (Vergl. Grimm, die deutschen rechtsalterthümer 1828, s. 13).
Derartige Verbindungen, worunter viele Bürgersche neubildungen , sind: „Ach und
Krach" (vgl. s. 337), „Korn und Dom," „Iiaub und Staub," „Rang und Drang,"
,,Sang und Klang," „Stiel und Stein" usw.
Endlich wirkt Bürger sehr gerne durch die realistische einführung von natur-
lauten. Dahin gehört sein:
„Und aussen, horch! ging's trapp, trapp, trapp." (Ijenoro str. 13)
„Hurre hurre, hopp, hopp hopp" („eb." str. 19).
„Trarah! trarahl durch Flur und Wald."
(„Entführung" str. 28).
„HaUob, halloh zu Fuss und Kossl"
(„Wilder jäger" str. 1).
„Susu, Inllul, sasu."
(„Graf Walter" str. 47).
Ich mochte diese anmerkung nicht schlicssen, ohne auf die berühmte com-
binierte klangmalerei in der ersten strofe der „ Pfarrerstochter" verwiesen zu haben :
Da flüstert nnd stöhnt's so ängstiglich,
da rasselt, da flattert und sträubet es sich,
wie gegen den falken die taube.
1) Ich erinnere, um die beispiele nicht allzusehr zu häufen, nur an die
bedeutungsvollen reime in der ersten strofe der „Lenoro" und die klingenden
reime daselbst str. 14 „wachst du — lachst da."
340 HOLZHAÜSSK
trof liehen hintergrund ab für das wildbewegte leben der ^Lenore.'
Besonders wirkt auch die Verschiedenheit der beiden strofenh&lften;
dem bewegteren ersten teile folgt ein weiches ausklingen durch die
weiblichen reime am Schlüsse.
„Das Lied vom braven Mann^ ist in einer sechszeiligen strofe
gedichtet, die ersten vier zeilen bestehen aus jambischen dipodien, in
denen die jamben ganz rein gehalten sind, während diejenigen der
lezten beiden zeilen mit anapaealbn versezt sind. Dieses metmm ist
sehr glücklich auf den inhalt des gedichtes zugeschnitten. Jede strofe
desselben bildet ein inhaltliches ganze, welches durch die Verschieden-
heit des metrums in zwei hälften geteilt ist und zwar so, dass der
inhalt der zwei lezten zeilen gewissermassen das resultat des in dem
ersten teile gesagten ist. So str. 1 z. 1 — 4: Das Lob des braven
Mannes , worauf in 5 und 6 das :
„Gottlob, dass ich singen und preisen kann^ usw. folgt.
So sind auch alle die fragen nach dem braven mann, kurze
ausrufe und, soweit es geht, kürzere reden dem zweiten teile einverleibt
Eine analoge Zweiteilung weist die strofe des „wilden Jägers*^
auf, worüber ich oben (s. 329) zu vergleichen bitte.
Anapaestisches mass ist unter andern im „Kaiser und Abt*^
angewant, ein zum launigen volksschwank treflich passendes metram,
im einzelnen mit vieler kunst ausgeführt; man vergl. unter anderm
die hübsche metrische maierei str. 3.
str. 1 — 3 waren in lauter reinen anapaesten gebaut, nun aber folgt
3, 3 der gewichtige spondens bei der Schilderung des behäbigen abtes:
„Wie Vollmond glänzte sein feistes Gesicht."
Weniger gut gewählt ist, wie auch der inhalt dieses gedichtes,
das metrum von „Lenardo und Blandine," dagegen möchte ich noch
in dem „Lied von Treue" auf die mit fliegenden anapaesten durch-
sezten jamben und die nach weise des kurzen kehrreims vieler däni-
schen heldenlieder eingeschobene zweifüssige zeile dieses reiterstOckes
aufmerksam machen.
Folgte Bürger in dem masse der „Lenore" und ähnlichen bewusst
oder unbewusst den grundformen deutscher epischer poesie, so richtete
er sich in seinen Übertragungen aus dem englischen ganz im allge-
meinen nach den dort gegebenen massen , die er aber in seinem bestre-
ben nach correktheit zuschnitt („ die Entfuhrung " z. b. auf das Lenore-
metrum), auch in dieser beziehung von der einfach- volkstümlichen
weise der englischen volksballaden abweichend.
Noch möchte ich kurz darauf verwiesen haben, dass manche der
Bürgerschou masse und besonders strofen mit denen bekanter kirchen-
BALLADE BIS BÜBOEB 341
lieder eine grosse ähnlichkeit haben; ein jBinfluss des kirchenliedes in
(^eser beziehnngjtuf Bürger, der sich schon in seiner jugeud für das-
selbe lebhaft interessierte (vergl. Grisebach, biogr. -lit. einleitong
s. YIII) ist durchaus nicht unwahrscheinlich.
Schluss.
Die weitere entwlekelimg der deutsehen ballade bis zur
gegenwart.
Mit der besprechung der Bürgerschen bailade ist meine aufgäbe
erledigt. Indessen möchte ich diese abhandlung nicht schliessen, ohne
wenigstens einen blick auf die ferneren Schicksale der ballade in unse-
rem vaterlande zu werfen und zugleich den einfluss der Bürgerschen
ballade auf die weitere entwickelung dieser interessanten dichtungs-
gattung flüchtig zu skizzieren.
Wie Gleim der erfinder der schwächlichen französischen romanze
in Deutschland, so war Bürger der schöpfer der echten ballade. Wenn
im vorigen des öfteren darauf hingewiesen wurde, dass Bürger in sei-
nem streben nach volksmässiger behandlung der ballade in mancher
beziehung irte , so war doch dieses streben för eine gesunde entwicke-
lung der balladenpoesie in Deutschland sehr wichtig. Bürger machte
die ballade einem grossen teile des Volkes zugänglich, er machte sie
auch unter den dichtem populär und beliebt. In den siebziger und
achtziger jähren des vorigen Jahrhunderts fieng , besonders durch Bürger
angeregt, alles an, balladen zu dichten: die musenalmanache , beson-
ders die Göttinger, sind dafür sprechende zeugen. Insbesondere Bürgers
dichtweise wurde nach ihren verschiedenen richtungen nachgeahmt und
fortgesezt.
Ich übergehe die nachahmung der burlesken ballade Bürgers, wie
sie unter andern Lichtenberg in seiner „Simplen, jedoch authentischen
Belation von den curieusen, schwimmenden Batterien usw.^ versuchte
und wie sie in ähnlicher^ wiewol veredelter manier Langbein in das
gebiet der poetischen erzählung überführte, ebenso die durch „Lenardo
und Blandine^ besonders angeregte schauer ballade , welche dem romane
gleichen namens vergleichbar, von Schink, Weppen, ürsinus, Schmidt
von Werneuchen u. and. cultiviert wurde.
Den ton der edleren, insbesondere der ritter - ballade , suchte,
unzweifelhaft unter Bürgers einflusse , Fr. Leopold v. Stolberg zu treffen^
während sein bruder Christian ziemlich schwülstige erzeugnisse in die-
ser gattung zu wege brachte ; überhaupt machte sich der ganze haiubund
3i^ fiOLZHACBKM
daran, uacli dem boispiule Bürgers, balladen m dichten — aat Hflll;)
hierher gehöiigo versuche ist ja böreits Mugewiesen — auch Voss unA
Miller haben kleine, mehr lyrische versuche gemacht. Aber diese dich-
ter so weuig wie die andern bei Koberatein V, 41 gouauteo, maler M&Iler
und JuDg-Stilliug erreichten nur annäberml den meiüter, obwol die
leztgenauteu in anerkennenswerter weise sich bemühten, einen volfca-
mäasigen ton in ihren balladen und ronianzen einzuschlagen. Ober-
haupt liegt das wesentliche des einflnsses der Bürgerachen balladen
nicht in ihrer einwirkung auf diese dichter, welche noch onmittelbar
unter seinem banne stehen: das epochemachende der Bürgerachen besUc
bungen für die ballade war die Universalität derselben rncksichtlich der
Stoffe und der behandlungsweise. Wie in der folgezeit von begabt«»
dichtem alle möglichen gegenstände in den kreis der balladendichtung
hineingezogen wurden, so wurde auch die ballade mehr als rein &aaser-
liche form, als ein episches gedieht mit lyriscb-dramatisehcr darstel-
Inng gefasst. eine form, in die man jeden möglichen stoff voq einiger
bedeutung giessen könne, dem zugleich der dichter je nach seiner Per-
sönlichkeit viel oder wenig subjecüve zusätzo geben mochte.
Die anknüpfuug an das Volkslied, die Bürger begonnen, FBhrU
in der ballade Goethe durch, welcher eine reihe unserer schönsten ondi
sinnigsten Volkslieder umdicbtete, wobei er teils nur mit leiser band
an der form veredelnd änderte (wie in dem „ Haideröslein " und vielen
andern), teila die naive volkavorstelluug iu diejenige der gebildeten
umaezte (wie z. b. im „Erlkönig"); auch in den nicht aus dem volks-
liede entlehnten balladen lässt er gern leise anklänge an dasselbe in
Wendungen und sprachformen walten. ' Dabei sind Goethes balladen
meist nur scenen; wenig tritt der handelnde, individuelle charaktoE
hervor, öfter ist der vor der macht der naturgewaltea erliegende, l
passiv sich verhaltende mensch gezeichnet. Iu diesem genre
Goethes erste balladen „der Fischer," „der König vonThulo," „Erlkönig**
u. and. und die spAtesten gehalten, während die in dem sogenaatea
halladenjahr (1707) gedichteten sich zum teil der maniet des mitarbei-i
tenden freundes Schiller nähern, wie „der Zauberlehrling, " „dteBraofe
von Corinth," „der Gott nud die Bajadere."
Die ^jllersche balladeumanier bestand im wesentlichen darii
das» er von einem anschluss an das Volkslied und volkstümliche did
tung völlig abstrahierend, die ballade und zwar die grossballade &
form zur darstetlung von ideen benutzte. Seine Charaktere, obwol
I) Vergl. den Creilich nicht ilbcmll eticbhaltigen aufaatx «in it. Pi
„Quethoc Lj'rik and üaa VotkRlied' in der „ AilgemelDeu eonatnratJT
- von U. V. NttbuiiiuB, aqiUtuber 188t.
BALLAJ>B BIS BÜ&GBB 343
wellig individuell verschieden, treten gleichwol als träger dieser ideen
bedeutsam in den Vordergrund. Der darstellung von ideen entspre-
chend wählt Schiller seine stofiFe, gewöhnlich grosse und vor wickelte
begebenheiten: „der Taucher," „der Ring des Polykrates," „die Kra-
niche des Ibikus," „der Gang nach dem Eisenhammer," „die Bürg-
schaft," „der Graf von Habsburg" usw., wie man sieht, nicht wenige
aus dem altertum.
Ton den antiken Stoffen , welche Schiller in weiterem umfange
zuerst in die ballade eingefährt hatte, wanten sich die romantiker
wider mehr den seit Bürger in der ballade und romanze beliebt gewor-
denen mittelalterlichen und ritterlichen Stoffen zu, die sie auch wie
dieser mit verliebe zu darstellungen des gespenstischen und grausigen
benuzten. Aber es ist ein greller unterschied zwischen dem gesunden
realismus Bürgers und den meist unklaren, verschwonmienen , häufig
mystisch allegorisierenden darstellungen der meisten der romantischen
balladen, deren Unwahrheit nicht selten auch äusserlich durch aufputz
mit fremdartigen versformen, spanischen assonanzen statt des reimes
u. dgl. sich kenzeichnet. Am besten sind diejenigen von Aug. Wüh.
v^ Schlegel, der übrigens noch besonders viel antike Stoffe behandelt
(Sibylle/' „Arion," „Pygmalion," „Kampaspe" usw.), die meisten
balladenwerke der Fr. Schlegel, Tieck, Arnim, Brentano, Fouquö da-
gegen lassen , wenn auch manche hübsche ausiiLhrung eines mittelalter-
lichen Stoffes unter ihnen ist, wegen ihrer Unwahrheit und manieriert-
heit völlig kalt
Von der mystischen Unklarheit der romantik wurde die ballade
und romanze durch Ludwig ühland erlöst, welcher, eine echte, kernige,
deutsche natur, Bürger nicht ganz unähnlich , und gestüzt auf das von
den brüdem Grimm begründete sagenstudium , die alten deutschen
sagen, mährchen, schwanke und züge aus der deutschen geschieh te,
auch altfranzösische romanzen herzhaft aufgriff, ^ und sie in oft kecker,
kurzer, drastischer manier zu balladen und romanzen verarbeitete. Bei
Uhland stehen nicht wie bei Bürger die begebenheiten, sondern die
Charaktere im Vordergründe, aber die Charaktere um ihrer selbst wil-
len, nicht wie bei Schiller bloss als träger sitlicher oder historischer
ideen; Uhlands Charaktere sind scharf und individuell gezeichnet und
in dieser beziehung den Bürgersclien zu vergleichen; überhaupt ist
Uhland in mancher hinsieht erst von Bürger der weg gezeigt worden,
so in der balladischen behandlung der alten volkssagen und der Um-
setzung fremder romanzendichtungen in deutsche anschauuugsweise,
ebenso in der mehrfach von ihm versuchten humoristischen behand-
1) Yergl. Eichholtz^ qaellenstadien zu Uhlands balladen. Berl. 1879.
Sa UOLZILVIISSK , BAEXADK KU xOBOItR
lung der ballade; auch Uhliuid liebt wie Bürger voIkstQmliche wi'irter
iiiid wendangon, pronnzialismon und archaiäuien. Von Uhlands bedeu-
tendsten ieistungen auf diesem g;ebiete erw&kne ich nur „Klein Uoland,'*
„ Goldachmidts Töchterlein , " „ Graf Eberhard Raaachebart , " „ Tail-
lefer," „des Sängers Fluch," „Bertrand de Born,* „das Schlots am
Meere," „das GlUck von Edenhall" usw.
Die zahl der balladeudichter nach Uhtand ist legion; fast jeder
der bedeutenderen dichter des neunzehnten Jahrhunderts hat eine anzahl
gedichte in dieser gattung hinterlassen.' So schlössen sich, um nur
pinige zu erwähnen, Kerner und Schwab als getreue schiidimappeii au
Uhtand an; Chanüsso näherte sich in manchen hierher gehörigen gedich-
ten der poetischen erzählung und der fabel, H. Heine schuf mehr spc-
cifische romanzcn, die er auch so nante, manche von eigentümlicher
Schönheit („die Grenadiere," „Belsazer" usw.)i Sirachwitz dichtete
gläuzende Nordlanda- und Eirenballaden und „Historien." Während
Annette von Drosde eigenartige baüaden aus dem westtäliacben haide-
und Stilleben („der Haideniann," „die Junge Mutter," „dio beschränkte
Frau" u. a) lieferte, luhrte Freiligraths glänzende phantasie die bal-
lade in den wllstensaud der asiatischen und afrikaDischen steppe („der
Scheik vom Sinai," „der Löwenritt," „der Mohrenfürst"), die Oeibal,
Schack, AuasL Qrfin und andere bemfihten sich, den Deutschen auch
die schätze englischer nnd romanischer dichtung zugänglich zu machen.
In so manchen dieser bestrebungeu findet man die fäden wider, die
einst aus den bänden Rürgers giengen ; nm aus vielem emes noch anzu-
luhren; wäre wohl Z^dlitz' „nächtliche Heerschau" oline die „Lenore*
und Sjmrocks „Eicheuaaat" ohne den „Kaiser und den Abt" möglich
gewesen? Ob die ballade noch eine groase zukunft habeq^ wird ? Nach
dem grossartigen anbau dieser dicbtiuigsart in unserem Jahrhundert
ist es fast zweifellos., und es ist nicht unwahrscheinlich, dass gerade
dem Jahrhundert der oiseubahnen und der electricität, welches das reine
epos nicht mehr kennt, das schwelgen in reiner stimmungslyrik gerne
als schwächlich verurteilt uud im drama uichU sonderliches leistet,
wie manche andere Zwischengattungen auch jene episch-lyrisch-drama-
tische gattung der ballade und romanze mit dem weiten felde der
Stoffe, welches sie eröffnet, der buntheit und Vielseitigkeit der cumpo-
sitton und dem spriugenden und onstäten der manier, welches äe
gestattet, auch fiirderhin nicht wenig zusagen wird.
1) Ich vorweise nur die
ballaiten- iinit romamendichtcr t
bürg und CaiUmhe 1860.
IiELTZ A.'u,
reichhalügo B&mliiiig Ton J. Hub, DeDtsohUnils i
iD G. A. BBrgeT bis auf diu neneaU c«it. WBtx-
P. HOLZIUirSEN.
3iÖ
ZUM AKNSTEINER MARIENLEICH,
Was MüUenhofiF und Soherer („Denkmäler" und „Geschichte der
d. Dichtung im 11. und 12. Jh.") und Eobersteins litteraturgeschichte
über den sogenanten Amsteiner Marienieich sagen, fusst auf dem texte,
welchen Benecke im jähre 1842 im zweiten bände von Haupts Zeit-
schrift s. 193 fgg. veröffentlicht' hat. Da dieser text und das wenige
was Benecke über die handschrift mitteilt, durchaus nicht den eindruck
macht, als habe derselbe grossen wert auf eine volständige uud genaue
widergabe gelegt,, so habe ich denselben von neuem verglichen. Aus
der ehemaligen Fraemonstratenser-abtei zu Arnstein an der Lahn ins
archiv zu Idstein gebracht befindet sich das psalterium, in welchem
das lied steht, seit eiuigen jähren im königlichen archiv zu Wiesbaden.
Durch die gute des directors der k. archive, herrn professor von Sybel,
des herrn Staatsarchivars dr. Sauer zu Wiesbaden und des herrn biblio-
thekars dr. Steffenhagen habe ich sie auf der hiesigen königlichen
bibliothek benutzen können.
Sie ist vorn und am Schlüsse defect und war es wahrscheinlich
bereits, als ihr, nicht vor dem 15. Jahrhundert, der jetzige einband
gegeben wurde. Blatt 1 bis 111 enthält die lateinischen psalmen.
Blatt 1, zeile 1: nem dierü in seclü. Bl. 29 links ist leer. Mit bl. 30
begint eine neue läge. Hier allein findet sich eine zwei drittel der
Seite ausfüllende initiale mit bild. Die schrift bleibt dieselbe. Bl. 111
bis 119: Ganticum Esaie prophete, Anne pph. etc. Bl. 119: ymnus
Ambrosii. Bl. 120: Cauticum Marie. Bl. 121: fides Athanasii. Bl. 123:
Paternoster. Bl. 123 links: Letania. Bl. 126 links: Preces. Bl. 127
links folgt auf rasur von anderer band: Hymnus de nativitate
domini (Corde natus ex parentis). Bl. 128 : De passione domini (Rex
Christe factor omnium). Bl. 128 links: In Pascha (Ad cenam agni
pro vidi). Bl. 129: Veni creator Spiritus. Bl. 129 links ist radiert und
leer. Ohne zweifei hat auf allen blättern von 127 links an deutsches
gestanden. Auf bl. 129 links erkent man noch: z. 4 den anfangsbuch-
staben A, z. 9 M, z. 14 D, z. 21 D. Auch auf bl. 130 rechts erkent
man nur noch die anfangsbuchstaben der absätze, nämlich z. 2 Jf,
z. 7 jB, z. 10 Ä, z. 13 S, z. 16 H, z. 18 Jf, z. 22 D (oder 0).
Bl. 130 links begint nicht mit einem grossen anfangsbuchstaben.
Daher muss das auf dieser seite auftretende deutsche gedieht, der
Amsteiner Marienieich, wenn nicht schon 129 links hinter dem hym-
nus „Yeni Creator,^ doch bereits auf bl. 130 rechts begonnen haben.
916 JKLUItUIULS
Z. 2 begiitt sifie. Z. i h. Do alle duse. Das tblgende ist
uur hiö lind da oburliäcliUcli imradiort. Uie schrifl ist recht deutlich
und von Benocke ziemlicli gouau gelesen worden. Docb steht bl 131
links z. 23 daf: Bl 132 recht» z. 5 gejingmi frouie diner, z. 10 gde,
die i» godef, z. 15 kercn. de, z. 22 cofa, z. 23 is nif. Bl. 132 links
■i. i otniSde, z. 19 uvrtcn ig, 1.21 cedir. Bl. 133 z. la geduUHga.
heßer, i. 14 bedragcdcn. Bl. 133 links /.. 17 ist sul übergeschrioben.
Bl. 131 rechts (Miülüuhüfl' v> 237) ist derc nicht „durch daruntergesezte
punkte getilgt," sondern hnlb rudiert. Bl. 134 links ist alles übtir-
radiert. Jedoch iat noch zu lesen : ?.. l güilen fuH. der fal unf alle
gcuade, z, 2 de ßle wir gercn. der unf, i. 3 er...gc». tum
allen unfcn »öden: z. i . . . dick . . nden. das fint def, z. b . .ef vnders
^n, z. G hilf vns mcgcdin. Hilf z. 7 dincM armen luden, die
dich uan... z. 8 ... der ... ne aner&fent unde, z. 9 def an dir gefu*
chenl. kerc das din, z. 10 ..ge ce dienen ..., z. 11 ... gode ... cdw».
wut allen guden, z. 12 en. die die, %. 13 ... d^ dir bit
uorte ... z. 14 . .. ci((j dig bii — z. 15 en. N« müse dine mädi-
eheit. le z.l6 de .. en unfe brodicheU: td unfe not z. 17
de mir armen, ?. 18 llc bcgr . . . en fm. nu, hilf, z. 19 ... UHjfe-
din. l.(h bcnelen, z. 20 funder ... z. 21 alfe ... z, 22
— an unfen hören i.2'Ä ... dcf gcuaücn. das er (ie ... Wa»
auf bl. 135 rochtfi steht, iat von Bcnocko genau gegeben worden.
Bl. 135 links •£. 1 lof z. 2 here he gotrofte mig ogcstu an z. 3
mich dm lof der if etvedih .... z. 4 dem funder der iemcr . . . gelik
z, 6 detn icmer grün. Bc z. 6 nedictus fi fun gelouel
z. 7 unfe here ß z. S den z. 9 .... fange ... z. 11
bit ßncm, z, 12 Ich ge z. 14 gelove ig in. z. 15
De spiriiu scö. z. 16 begint mit S. Zu erkennen iut noch, das» eis
deutseber test folgte. Das Marioulied itit von derselben band, welche
das Psatterium scbneb. Verschieden ist die hundschrirt dor hileiiüscfaon
hymuen auf bl. 127 bis 129. Die rasuren ia dem Marieuüedu stam-
men von dem Schreiber der Uymnen. Derselbe weite für andere platz
gewinnen, wie er den räum für die vorhandenen durch radieren gewon-
nen bat
Auf den beiden selten bl. 139 links und bl. 13U recht» mit samt
den ersten drei zeilen von bl. 130 links haben, aus den erhallonen
anfangsbucbstabcu zu scbliesscn, zwOlf Strophen oder abschnitte gestan-
den, welche höchst wahrscheinlich zu uuserm gedichte geborten,
fehlen also zu beginn desselben nicht, wie Bunecko glauben tnacbte,
drei zeilon, sondern über zwei blattseitcu, etwa 68 reimpaare.
dem abstände zu rechnen , den die einzelnen initialen von
ZUM ABM8TSIMEB MAaUKLEICH 847
haben, ähnelten die fehlenden Strophen an umfang nicht denen zu
anfang des erhaltenen teiles, sondern den späteren von v. 63 des tex-
tes der ^Denkmäler "^ an. Nimt man hinzu, dass, was auf bl. 134
links erhalten ist, fast nur ein gereimtes gebet zu nennen ist, so trift
die Charakteristik des gedichtes, welche in den „Denkmälern'^ im ver-
trauen auf den Beneckeschen text gegeben ist , nicht zu.
In den längeren verszeilen v. 4— 11, 16—- 31, 36 — 43, 56 — 63
(des textes in den „Denkmälern'^) hat man algemein dactylen gefunden.
(Wackemagel, Literaturg. 133, 21, Eoberstein s. 107 fg. und Müllen-
hoff und Scherer , Denkmäler s. 433.) Vergleicht man die in rede ste-
henden verse des Arnsteiner gedichts mit den dactylen, welche in
andern liedern, z. b. in der Sequenz von Muri auftreten, so fält auf,
wie sich die dactylen dort leicht der deutschen betonung anpassen,
wie dagegen die dactylische betonung im Arnsteiner liede starke ton-
verrenkungen hervorbringt. Nun schliessen sich die formen der Sequenz
von Muri teilweise direct an eine bekante lateinische Sequenz an und
dieselbe hat recht künstliche formen und eine gezierte ausdrucksweise.
Das Arnsteiner gedieht erscheint schlicht in der spräche und in seinem
längsten teile höchst einfach in der anläge. Es fragt sich, ob die
dichterin in jenen versen wirklich dactylen im sinne gehabt hat. Viel-
leicht lässt sich jede langzeile ansehen als aus zwei halbversen beste-
hend, von welchen der erstere vier, selten drei hebungen, der leztere
drei hebungen hat, denen nicht mehr als einsilbiger auftakt vorangeht.
Die wichtigsten änderungen, die in den „Denkmälern'' an den betref-
fenden versen vorgenommen sind, werden unnötig, wenn man den
dactylischen rythmus fallen lässt.
V. 7 Dkm.: alsia godes hinde aUeine geeam,
Text: alzis godes kinde aUeineme gejsam.
Es ist auch nicht begreiflich, wie ein abschreiber dazu gekom-
men wäre, für aUeine yjaüeinetne^ zu setzen.
V. 9 Dkm.: sine wirt umbe dem du dunkelet nid.
Text: sine wirdet umbe dem du dunkelere niet,
Wirdet ist grade mitteldeutsch. Vgl. Weinhold, mhd. Gramm.
§ 351.
V. 11 Dkm.: aUeine gebere du, heiliges! wif.
Text: allein gebere du daß kint^ heiligez unf.
Ob gebeten so früh ohne angäbe des objectes vorkommen kann?
V. 19 Dkm.: iz is älinc und liUet sint tüsiz & was.
Text: iz is alinc unde lutet sint alsiz e des was.
Man sieht nicht ein, warum der Schreiber e in e des verändert
haben solte.
MH JBI.LIM0HAÜ8
V. 21 Dkm.: daz vincstcrnisse is verdrivet dar uz.
'I\jxt: d(us vinvdernissc verdrivet is dar uz,
V. !>H Dkni. : an der hluonieth sal ruowen der heilige dreJden.
Toxt: an der bluomen aal geruon der heilige geist.
litwH lludüt «ich schon Mh (Mhd. Wb. II, 819). Das gedieht
/oi^t vorlit^hü fftr das vorbulpraefix ge-.
V. U) Dktn.: van ime 8(d ifie die craft godes etUfan.
Toxt: van ime S(U sie die godes craft entfan.
V, 12 Dkm.: heilig mcidin, Text: Iheilig niegedin.
Wonn die in den „Denkmülern** getroffenen emendationen wirk-
lich in oinom urtoxte gestanden haben, so hat der abschreiber das
daet)iisoho motrum nicht mehr gefühlt und die verse dem entsprechend
verändert.
Innerhalb nnsen^s godichtes besteht eine sprachliche verschieden-
heil y.wisohen v. 1 101) und von da an bis zum Schlüsse: v. 47, 66,
68, KHK loa steht c/c ^= der, welcher. Dagegen v. 38, 202, 203,
-MIK *,*67 dtr. Das der in v. 17 steht betont und hinzeigend. In v. 86
wird «/«r in dvr hiiHtlischcr hof besser als genetiv gefasst Her = er
»teht v. :i*K \\K ru>, dagegen <r 128, 252, 277. V. 99 steht heren,
nachher v. 1*K^, 20*>, 221 kcrrt^n. V. 33, 53 steht rti«^ = von- Nach-
her nur «MM, Das ln1nkisch-s;1ohsische der (y\ 22 iia der dnrg quam,
V. 1%^ «/m ihr ki^i^ei. \\ 57 Mumie der din miuh'iiuom) komt nach v. 110
nichi mehr vor.
HemvKe hatte hinsichtlich der abfa^i^un^isieit des Amsteiner lie-
des l^nnerKt, die spräche und die nnme wiesen auf eine bedeutend
ftuheu' «cu als das 13. U. jahrhuuden, welchem die handschrift
ai^^vhx^tw sv« dass \\ir als^^ nur eiuo aKi^^hritt einec» von einer fraa
jCxHlichtotcu lusU^ \cr uns h;i^t:e:v Mülleuhoff. IVnkmller s. XXXV
s«"«! als s^nuo eutsstchuiv^r^ei; \\ lUO au« ;juler\iiu^ niic einem frage-
jeichc« Vuch Ss'hcivi a. a. vv ^ ;^7, Kolvrs;eitts lusenturgeschichte
und ^\eulhold lu sputet iuil)eIhvvKs;cu:>\-hea ^rarumASTJ M^heinen für
aus^caucit*, au'.uuchu\'tt« das^ ecs ::t si:e ttiiue c^ 12. ^ihrhanderts
f*lW* IV >fcci*.Vi:vu \fcvMte. au* Ih'::c\Io t'J^r cia i;ieni* al:er des gedieh-
a^K\«yK « .^^ >'.a;; ,«>* >;ui >v^Iev'^:^'ri;^^ xxbüS Ju^en^Luilkli im
jtle^v^e a^,^^^^i,';tiÄ*^v v>v^ilc i*:»ivi.:^i:va Ij^s^ii «\?^ifa« wird asoh
n^ei^Uäsl wvj IVoivvKe c^-xnä \\i>*Xk>5v a:(: ^ti^ >*/ rrriitj fa2scrt;u^:^eit
ZUM ABK8TXINBB MABnBNLBICH 349
forschung, MQüchen 1850 s. 36 gegen Benecke, „dass man bei dicli-
tungen von klosterfraaen deren Zeitalter nicht nach der spräche "und
Schrift allein bestimmen dürfe, weil beide altertümlicher zu sein pfleg-
ten, als bei gleichlebenden mönchen und weltlichen dichtem. Auch
die reime der ersteren seien ungenauer und roher. '^ Die schrift der
frauen mag einer etwas älteren schreibschule angehören können. Auch
mag ihre spräche diabetisch gefärbter sein als die von männern.
Altertümlicher ist dieselbe wol nirgends gewesen. Wol aber könte in
einem abgeschlossenen kreise von klosterfrauen eine ältere weise zu
reimen und zu dichten noch lange fortgeübt sein.
In den „Bruchstücken aus Jansen des Eninkels Weltchronik ^
München 1854 gab Both s. 31 bis 36 bruchstücke der „Sprüche der
Yäter^ heraus, welche er von Friedemann aus Idstein erhalten hatte.
Von diesen Sprüchen hatte ihm Friedemann geschrieben , dass sie ganz
die Züge (aber nicht das format) des Marienliedes des Amsteiner Psal-
teriums trügen und Both hat (Beiträge s. 37) hieraus geschlossen , dass
sie ein werk der nämlichen dichterin seien. Die spräche dieser bruch-
stücke der „Sententiae S. Patrum^ ist allerdings mitteldeutsch und die
konsonanten stehen auf derselben lautstufe, die unser lied aufweist.
Auch in der Schreibung der konsonanten und in den gebrauchten wer-
ten ist nur ähnliches zu beobachten: Vorliebe für anlautendes f z. b.
V. 18 fluch y V. 38 furhtifiy v. 48 firlisin, v. 51 ferhren^ v. 53 ferbor--
getij V. 56 fun = von, v. 83 fih; fd; in sanfda = sanft v. 15, 136, 140;
V. 11 „dtn selbis lobis ingere nit,^ Vgl. Amsteiner L. v. 223. Jedoch
steht inlautend b = v unseres gedichtes : loUt = lobt. Stets ist =
ist. Aber die vokale sind sehr verschieden. So vor allem die verliebe
der Sprüche für a auslautend: v. 7 dass ist godis gaba. — des sagvL
ime gnadtL, v. 134 rufet der hana, v. 136 sanfda unde warma ligen.
Dann i im auslaut: v. 3 gelobit, v. 10 lobin, v. 22 dk lob lagit, v. 47
liUn = lieb werden, v. 49 du sagis, v. 112 bedin, V. 56 u in fun
= von, V. 53 ferbnrgen = verborgen. Vorkommen von iv: v. 73
deme divfele und von ui v. 28 duifel. Des weiteren soll dann nach
Roth, Beiträge s. 35 und 37 auch die Giessenet handschrift nr. 876
in derselben zeit wie die „Sprüche der Väter*^ und das Marienlied , im
Amsteiner nonnenkloster geschrieben sein. Was aus dieser Giessener
handschrift in Haupts Zeitschrift bd. V, 515 fgg., und bd. IX, 166 fg.,
desgleichen bei Adrian, Mitteilungen aus Handschriften und Druckwer-
ken s. 417 fgg. vorliegt, hat in spräche und Orthographie gar keine
beziehungen zu dem Amsteiner liede.
Für die bostimmung der entstehungszeit des Amsteiner liedes
sind vielleicht v. 280 — 281 nicht ohne wert, welche die am Schlüsse
960 jKiT.iNOnAüs
des „Salve Regina" vorkommmiiJcn worte: 0 clemons, o pia. o dolcia
Maria in der rielleicht ursprüngliclieren form: Milde Maria, gcwMge
Maria, suose Maria enthalten. Nach der „Chronica praesnlum spi-
rensis r-ivitntiis «e veteribas rodictbus collecta" bei Rccanl, corp. bist,
iripd. aevi 11 bat der heilige B(?rnbard, alt* er einst im domo zn Speier
betete, diese clauael dem Salve Regina binzugofügt „(Bemhardns) in
ecclesiam majorem iutrodactns est, in qua dovotam istam Antiphonam
Salve Regina cum additione illarum clausnlarnm finalium: 0 clemcns,
0 pia, 0 dulda Maria flexis genibas ante iraaginem bnatae Mariao Vir-
giniH perfecit." Der jesnit Raynaud fiibrt dieae nachricht in seinem
werke „Ifarialia" anT „Guilelmus Klsentcnias in Chronicis Spirenaibna"
zurilclc. Der h. Bernhard habe in vorzöckung drei mal diese worte
widerbolt und seitdem seipn sie dem Salve R<<gina l)eigefiigt. Über die
chronih des 0. Elsentenius veimag ich nichts beizubringen. Ist die
nachricht richtig, so kann das Arnsteiuer lied nicht vor dem jähre 1148
entstanden sein, indem der in rede stehende aufenthalt des b. Bernhard
zn Speier in die jähre 1147 bis 1148 fält.
Was in den lezten reimzeilen vor v. 1 gestanden, Uast sich atu
folgenden parallelstellen erraten: In einem liede aus dem 12. jahrhan-
dert bei Ph. Wackemagel, Kirchenlied FI, nr. fi3 beisst es von Maris:
frfrf spricht du seist enodt und chlar — der magenchrnft zu einem
Irmpd itcar — Er spricht du seist de)- choeitseh ein prunn — gnr
niin der werU ulmm die sturine — ein Spiegel oh niler ehlarhrit chtnr.
Reinmar von Zweier, Leicb von der Erlösung str. Id sagt: Van drm
diu sunue enpfenget — den hastu gcnngcngct. Docli kann der
abschnitt auch von Maria als .lumen solis," als ^aurora ecclosiaa**
gebandelt haben. In einem liede bei Mono, Hymnen II, s. 183: Gande
aurora ecclestae . . . Esto nobis Ini praevia et oriens ad gaudia at
veri solis specie fruamur." Lactantius , Divin. Inatit. De originu erro-
ris Lib. II, cap. 9 (Opera ed. 8. Gallaons Lugdnni Batavomm 1660
(1.189 sagt: „.... orientem occidentemque ex quibiia Oriena den aficen-
setur, qnia ipse Inminia fona et illastrator est rerum."
V. 1 — 7. Zn übersetzen ist: ... alle diese weit von der rord«
ebne schmerz und mühe ausgeht, damit sich himmel und erde fronet]
möchte. Das kind, welches unsere trauer zu vertreiben kam, kam
ohne irgend welchen schmerz von dir. Ser in v. 6 kann auch gradexa
pwehen" bedeuten.
V. 5 das te storcne quam umcti ruwen. Zu den tfl den .Donk-
mälern" angeführten heiapielen für der rwce vergleiche kölnisch der
rouwe bei Prommann. Ma.II, 450 b und mnd, «<tiw = schmem.
aad fem
tnnac ^
ZUM ARNSTBINlUt HABISKLEICH 351
V. 10. nog bewoUen ward din megedlicher lif, Niht betooUen ist
ein beliebter ausdruck für die unbefleckte gebiirt. Ph. Wackernagel,
Kirchenlied ü, 317: nie din lip hetoollen ward; ebenda nr. 286: ein
edd reine luter unbewöllen meit, Walthers Leich : du maget vil unhe-
wollen,
V. 11. allein gclere du, ÄUein hier mit dem indicativ in der
bedeutung „wenn auch."
y. 12. Sint du daß hint gebere. Nachdem du gebarst, als du
geboren hattest.
V. 16 — 29. Swenen so das dunket unmugelich — der merke
das glas dag dir is gelig. Näher als die in den „Denkmälern" s. 431
und von Diemer, Beiträge 6, 39 angezogenen quellen liegt für diese
verse eine stelle in den werken des h. Athanasius , Benedictinerausgabe
Patavii 1777, Tomus II Athanasii Quaestiones aliae nr. 19, s. 286:
Sed et aliud audi mysterium; Sicut domus circumsepta (oTxog Ttegi-
TtsQcpayiiievog) undique, quae habet orientem versus vitream puram
et tenuissimam fenestellam {iehvov ... Ttaqa^qidiov) ^ Oriente
sole, radii ejus penetrantes vitrum et ingredientes domum totam col-
lustrant: et rursus transeunte sole et egredientibus radiis vitrum non
confringitur , sed ab ingredientibus et egredientibus repercussionibus
radiorum solarium manet illaesum. Ita intelligas de semper virgine
Maria. lila enim castissima, ut domus quaedam circumsepta iam sit,
Filius et Verbum Dei ut radius divinus ex sole justitiae patre dcscen-
dens, qui per vitream fenestellam aurium illius ingi'essus, sanctissi-
mam domum ejus illustravit et rursus utidem novit, exivit, ne minime
quidem f^data virginitate illius: sed sicut ante partum etiam in partu
et post partum Virginem castam conservavit." Übrigens bemerkt der
herausgeber s. 280 über die Quaestiones aliae : „Nemo erit qui Atha-
nasium tantarum nugarum patrem esse suspicetur."
Unter glaseuinster v. 29 ist denmach ein ganz kleines rundes
glasfenster zu verstehen. Es öbersezt wörtlich das fenestella vitrea
der Quaestiones aliae bei Athanasius. Vinster war zunächst nur eine
lichtluke. Mhd. Wb. III, 298, mndl. vinster = valluik. Den vocal i
in vinster erklärt Weinhold , Mhd. Gr. § 39 als durch die liquida n
hervorgerufen, wobei mouillierung mitgewirkt haben könne. Indessen
hat auch das mittelniederländische gewöhnlich, das mittelniederdeutsche
häufig vinster,
V. 30. Juden, die ug wiVen ce gode kerefi — werket daz glas
das mag ug leren.
852 JKLLINOHAÜS
Dass die Juden an der jungfräulichen geburt besonderen anstoss
nahmen , weiss auch Vridank 24, 6 : Die Juden nimt des wunder gar —
d(iz eine magst Krisf gebar. Auch ein altfranzösisches lied bei F. Wolf:
Über die Lais s. 435 bezeichnet die Juden als feinde dieses gedankens:
„Ave! rois est des angeles fructus ventri tui — Gyn ne le welent
croire, tuit fussent or brui!** Nach St. Paulinus vonNola, Epistolae 37
(Bibl. Patrum VI, s. 226 Lugduni 1677) stirbt Rahel, die „vetus puer-
pera," ein typus der Synagoge, zu Bethlehem bei der geburt ihres Ben-
jamin (Genesis 35, 19). Ebendort gebiert Maria ohne Verletzung. Chri-
stus ist das ende des gesetzes. „Jacob quoque dilectam illam et
expectatam Rachel tumulo celebri honoravit Quo mysterio conjui
patriarchae ... in synagogae typum moritur, et partu filium doloris
enixa illic ubi erat virginis partu legi finis edendus: Finis etenim I^s
Christus."
V. 24 — 25. Van dir schein daz godes liet in alle die latii —
do van dir geboren warth unse heilant. Ahnlich im Friedberger Christ
15: lufheda ober alle di lant ... braih uns der heilant. Die verse
spielen auf das gleichnis vom stern aus Jacob 4. Mose 24, 17 an.
V. 32 — 43. Ue van Jesse sal wahsen ein ruode. Das gleich-
nis von der wurzel Jesse hat schon Tertullian, de carne Christi,
cap. 21: quia ipse est flos de virga profecta ex radice Jesse.
V. 35. die wort die sint belochen = die werte sind verschlossen,
d. h. dunkel , wie denn mittelniederländisch (Reinaert v. 2270) vor-
komt in eere belokenre na^ht = in einer dunkeln nacht.
y. 41. da mite sal si den viant erslan. Sonst heisst es gewöhn-
lich, dass der söhn den bösen feind vernichtet. Otfried I, 5, 52:
thcn alten satanasan — wilit er gifahan.
V. 49. her (der husch) nietne cegienc, Wol nicht zergieug,
fiel auseinander, sondern vergieng. Mittelniederdeutsch togan =
vergehen, neuniederdeutsch he geit der to = er geht drauf.
V. 50. (Der husch) bran unde louvede, Louede steht nicht, wie
in den Denkmälern s. 431 gesagt wird, statt lougcde. Es muss einen
gcgensatz zu bran enthalten. Läge dieser gegensatz bloss in v. 51
das für ime nine scadedc, so müste dieser mit einer adversativen Par-
tikel beginnen. Mono, Hymnen II, 612 z. 5 heisst es: Vernans ardor
mystice nominaris. Wozu Mono bemerkt: „Vernans" bedeutet hier
„viridis" und bezieht sich auf den grünenden dornbusch des Moses,
der nicht verbrante, Daher heisst „vernans arJor" der grüne brand,
die unverbrenlichkeit des brenbaren." Wackernagel, Kirchenlied II,
269, 1 „7)er hyniele viur dar ynne xmbran — syn nest mid euch syn
loub nye wart versenget."' Für louuen = flammen findet sich weder
2t7M ABN8TEIKBB MARIBNLBICH 353
im mbd. wörterbuche noch bei Lexer ein beleg. Das mhd. lotiben =
laub bekommen, z. b. die gerte begunde hüben (Mbd. Wb. I, 1048),
giebt mittelfränkisch louuen, mittelniederdeutsches lotum = bloygen,
gronen. Also „er brante und schoss laub.'^ Wie es denn v. 56 heisst:
gruofiede daz louf in deme füre. Vgl. zu erouvede v. 69.
V. 53 fg. daz vane dir — got hie in erden — erberwet solde
werdest, erberwet = geoflfenbart. Zu den Denkmäler s. 431 citierten
beispielen far irbarwen = erzeigen komt noch Germania X, 138: so
barwet de duucl = so offenbart sich der teufel (der im antichi-ist
steckt). „Vom Leben Jesu" bei Diemer, Ged. 299, 1 begint: Do got
hie in erde — geborn solt werden. Grazer Weltchronik bl. 14**: Do
got wolt auf der erden — durch uns geporn werden.
V. 58. sconecheit steht nicht in den mhd. wörterbuchern, mnd.
schonicheit.
V. 63. Daz nie ore ne gehorde nag ouge ne gesag. Vgl. noch
Lucas X, 23 und 24.
V. 64 — 69. „Virga Aaron" heisst Maria schon bei Augustinus,
Serm. 18 de tempore. Auch in Notkers des älteren hymnus, bei Wal-
ther und in einer sequenz des mönches von Salzburg bei Wackemagel,
Kirchenl. II, 581 v. 5 folgen die gleichnisse von Aarons ruthe und von
Ezechiels pforte auf einander.
V. 69. erounede wird für erougnede stehen , zumal da erou —
nede getrent ist. Bei Lexer II, 188 ougenen = zeigeo.
V. 70. Du porte beslozzen. Maria heisst „porta clausa" bei
Ambrosius, de iustitutione virginis cap. 7: „quae est haec porta, nisi
Maria, ideo clausa quia virgo."
Nach V. 73 muste in der reihe nach dem vorgange der meisten
lateinischen und deutschen lieder das gleichnis von Gideons feil kom-
men. Doch fehlt es auch in einem hymnus aus dem 10. Jahrhundert
bei Mone II , nr. 573.
V. 86 — 109. Marienloblieder nach dem Ambrosianischen lob-
gesange zu dichten war beliebt. Solche finden sich bei Mone, Hym-
nen II, 501, bei Daniel, Thesaurus Hymnolog. II, s. 203 und bei
Raynaud, Marialia s. 239. In einer mitteldeutschen Übersetzung eines
solchen „Te deum Mariae" aus dem 15. Jahrhundert heisst es: CJwru-
bin dich umbringen — seraphin dir sufzlich singen — Ave koniginne
werde — du erfrauwest hyemel und erde — der apostdn frauwe und
aller cristen . . . und die j)ropheten alle gar — die merteler und hei-
ligen aUe — loben dich mit richem schalle.
V. 90. cdlez daz herie der heiliger engele. „Omnis exercitus
angelicus" in der kirchensprache.
SEITSCHR. F. DBUTBOHB PHILOLOOIB. BD. XY. 23
954
jKLi.i)iaiuüa
V. 92. die in godeB andouge fient. Atulouge, gegpuauge acheint
sonst nicht vomikoiiimei). Graffl, 123 (Marcian. Capella.) m sinero
anaougi = \n praeseuti.
V. 8G — 97. Dio engel sind hier för den himmel, Oie prophotcn
für das alte, die apostel fQr das neue testament, die heiligen für das
Zeitalter der kirche Christi angeföhrt.
V. 109. vortet : werlt. Das in den Dcukmftlom für werU gesezto
ivcrlet kann doch nur die auaapracho wefrlt bedeuten, so dasa die
Schreibung der handachrift ebenao deutlicli ist.
V. 110 — 111. Das is mir tanc sc sagene — wie Her du sis ce
himele.
Bis V. 85 hatte die dicbterin ihre erinnernngen aus der Marift-
niachen typologie zunächst erschöpft, V. 8G — 97 hat sie den Ambro-
aianischen lohgeaaug. v. 98 — 109 einen andern liturgischen passus auf
gott den acliöpfer rerwertpt.
V. 112. te etiis oug niemanne kunt. Im texte steht deutlich is
nif («)/■ = ni if).
V, 127. ce dinem sune helfen. Wi ropen to di so swinde —
Jtelp uns to dinem ktnde heisst es in einem niederdeutschen Uariea-
liede (Zeitschrift d. Ges. f. Schiewig - Holateinsche Geschichte Vü, 198.
V. 132. mine lidicheit du hat mig dikke verleit. Ltdichett iat
hier so viel wie losheit, der zustand des lodigseins von dorn bände
Christi. Aus dem ausdrucke darf man Iceinesfala schliossen, dasa dio
dichterin früher ein üppiges weltleben geftihrt habe. Derselbe kann in
dem aündenbekentnisse jedes Christen stehen. Lidic gehört zu den
Worten, in denen das mitteldeutsche gern i gegen mlid. und mnd. c
behält Die an das fränkische grenzenden sachsischen mundarton haben
jedoch i z. b. tlg = leer, mik = made (aus mülik), jnk = mark
(aus pidiA, englisch pitk), kriß = krebs, tolk = onterich (aus widik).
V. 134. dae i'sr van minen sctdden — vertmrtc sine hidde. Die-
mer, Oed. 295, 10 (Loblied auf Maria) Ich hnn tion mtncn salde» —
des oberialen huldc — uerlom.
V. 151. dad ig. TJnverschobenes t hält sich am weitesten den
Rhein hinauf in dem pronominalen neutnmi dat. Hier d statt t. Ein
solches d im auslaute = mbd. t findet aicb in unserm denkmale immer
nur dann , wenn das folgende wort mit einem vokale oder mit oiuera
d begint So v. 78 Itedig, v. 262 geled uns, y. 10 ward din, v. I3b
fled dir, v. 25 warih unfe (tb = d).
V. 164. Euof.be. mig gestfrken. Hier ohne er, vgl, Leior 11. 546,
ZUM AIUrBTEHrBB MABISmJEICH 355
V. 157 — 167. Die heiligen frauen werden hier als Vorbilder der
tugend aufgestelt. Gewöhnlich dienen dieselben in den Hymnen als
typen der Maria:
V. 160. Sara die otmuodige. Der kirchenvater Ephrem vergleicht
in seiner rede über Abraham nnd Isaak Sara mit Maria. Sie wurde
von der kirche nach Hebräerbrief XI, 11 wegen ihres glaubens neben
Abraham, dem ^pater multarum,^ „mater omnium gentium^ genant.
Maria aber ist die neue rechte ^mater gentium." Das lachen der Sara
bei der Verkündigung Isaaks mochte von der dichterin als äusserung
demütigen glaubens aufgefasst werden. Die richtige deutung hat die
Hymne bei Mone H , 586 , z. 45 : „Tu es Sara nobis ridens — visus
ac praeludia — tibi visum dari videns — Isaac ex gratia." Ferner
ebendort 378, z. 4: „Haec est Hester imperatrix — Sara risus gene-
ratrix.**
y. 160. Anna du gediddiga. Deutlich: gedtddigB. Das einzige
mal, dass das in den Arnsteiner „Sprüchen der Väter" so häufige aus-
lautende a in unserm gedichte auftritt.
Die heilige Anna könte ein vorbild in der geduld sein, insofern
sie nach der frivolen legende zwanzig jähr unfruchtbar war. So heisst
es denn auch in einem liede bei Rajrnaud , Marialia s. 23 : „Ergo Anna
mater optima cumulatius multo tuas lachrymas deus solutus est quam
vel Rebeccae vel Sarae." Man könte auch an die Lucas II, 36 — 38
vorkommende prophetin Anna denken. Aber keine von beiden komt
sonst in der Marientypenlitteratur vor, da sie Maria für einen ver-
gleich zu nahe stehen. Vielleicht hat die dichterin an Susanna
gedacht. Diese wird in liedem ein vorbild Marias genant. So Mone,
Hymnen II, 586 z. 45: „Tu es Sara ... tu Susanna quam accusat
nunc senum perfidia. tu regina quam excusat — legis Providentia."
Die kirche wird wol ursprünglich bei der „senum perfidia" an die ver-
lästerungen der kirche durch die Juden, die hier als greise auftreten,
gedacht haben. In dem „Lobliede auf Maria" bei Diemer , Gedichte
312, 2 heisst es: Swer sich ie zu dir geuie — den uerlieze du nie —
dae bewarst du wol da — an der guten Susannen. Und Diemer,
Gedichte 375 , 9 (Gebete einer Frau I) du ... erlost — die uile göten
fufanna — u(m gewein alten mannen. Auch in einem Marienliede bei
Paul und Braune, Beiträge lU, 363: Dir wonet Susannen vnschuld mit.
V. 162 — 163. Hester du milde — ludit du wieeige. Mone,
Hymnen H, 378 z. 4: Haec est Hester imperatrix — Sara risus gene-
ratrix — Thecuites advocatrix (2. Könige 14, 4) — Judith hostis
triumphatrix. Und in einem andern von einigen dem h. Bernhard
zugeschriebenen Hymnus bei Mone II, 507 z. 186 fgg. wird Maria
23*
f • r^.THJlV?
.ZrTrl"'.: Vi> :-:;i.:>r3 -Judith foni? — nwa tra-**!!! laoem mor-
t:*! — Hr-t-r i:-= ;^ iE ort:* j-^rtis — !!:••' c: »im:!* nue sortis —
J:hi:.~-i ivr m'i-.h von Silzbar? Wiokrrtüeel . K:ro':-»nlied IL
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M/:r. J^ '•' . J'4'i''fi — «rA'oiNif?! >:ij--* mi-f ^'jHn:n — dar »f « Kendesi
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V i'U. liji-j nu'hn •/»> •>'>«"-■«. Auch iati*r iies^n sind wol
n: h: hrilije rrji-L ir? obrl?:':>heri i-i-dltrrs. s-i-üd-rrn alttestamenl-
l::i-. wie Ket^^joa. R-:b. Atirii: z*: vrrstrLrn-
V. i>7. *nrf\* Ke vr-rsilhie »r- 5:^:1 »r- nir ii«>:h v. 244.
If€'\^^ 'sjl\, ■> r '-. Wie sjloht- irhLTirz mitie'.irUi^.h früher eintrat
-'.- ■ -rrlr-:?- h, - ^T-r fir w:I i- irr^-rli-e:. i-i: >."h;n in Allen krei-
-^L X:T:T::r~:-:r.Ii--?. ^tl-.hc -ile ziittriL:- i-rde-tiche i -ine spniohen,
j'i.-jrr^il >:. Vjl. iu- i. 'i'ii. : r.T' .-*';!• v 224.
V. ji.. -li r .- ;'.- • st-i: t:-'. für ♦.'»«ir-"«: .-'i^';. unverstasd. Ndd.
•iHN'T -• .': L-rir*: iLC-r-srifft. Tiiiil^l:.!:. ^ewissci^'?«. Lvra. Plattdent-
•---i. '- - 'V'^-.. - 17 2*- 1 "^
r- f. -fr ?-•'•'», *i..>:Ä-:i.. ÄbzlLL Iti Krzir:. •j«?\i. :>>3 • 15 («jebete
V Ji'2. T' - -■• •• : '••:'-■ J'r — i»!*-.« v/ors in'<#>f«*r. Die-
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iri-ir -. -J ii 'r*rf,n^. It-i T'r.e.:I..i-'j. rT:i:-c> de Annunciat.
V L'j7 J/tt- :. t -: :Vr :r«{*'i IVj^s: !>: >.>a>: kein gelänfij^er
::..:r.- i- : Mirli.
V.J..'. i»r • :< '.♦•»'%> Z;:':r>: iri A:^ni>::n, sermo 6 de
'vr.Tirn- Pou:'.iv'hor U v\n?-.::i: v» ::•. *.v^:-::i B. Tin:. nr 1 «.fons
.;<ot n i'^n^i .; ; v.jr.i:\ lu'.u y.K.ia><;;:v..- N'.l Mirwalie-i in der Zeitscbr.
dor rio>.'i:>.'V..it^ t". St-VKsw -H !s; iii'>.* .vh:e VII. :^.v: dn bist des
V ?.»r» *.\»7 n :%. . > I,: ,\ *. ."''*; *^*{ •;.-yv- frozrr dufmen
in dov h.iiui<oli!'.ii. \,iJs M;:!!.»:-.!:.^:» V,*: v <-«< Mr^r die eewohnliohe
li.vlouuiiK „Ivsiuhou. xuh iiv.,x ,i;... .; ...^.« - liiTor den beispielen, die
boi i»i.Hr uu miiN^lluvIisioutM h.*M w.^!!o!>;vh uad W Lexer angefthrt
ZUM ABN8TEINBK MARIENLBIGH 357
werden, ist kein einziges, in welchem sieb an wisen ein iufinitiv
anschliesst. Dagegen heisst es Heliand 5064 fg. : liigunnun im rädan
thö hero si gimsodin mid wärlöson nuinnun mengimton an mahtlgna
hrist te giseggiane sundea. Hier wird das wort erklärt „den weg
suchen und finden um zu." Dazu stelt sich mnd. wisen, ein urteil
abgeben. De richter msede, dat se vry unde loes gengen (Mnd. Wb.
V, 742). Es ist wahrscheinlich statt zu gehelfen : üsgeh, geschrieben,
darauf vor von „uz"' ausgelassen und dere vor grozer eingeschoben
worden : Wise uns zu gehelfen — uz von grozer dufene = suche und
finde den weg, werde uns uns aus grosser tiefe zu helfen, uz van ist
in unserm liede beliebt v. 36, 182, 278.
V. 237. dufene = tiefe, auch grundloser morastiger boden. Auch
mhd. bei Lexer tiefcfie. Diemer, Ged. 305, 4 (Loblied): Nu lig ich
in dirre tieffe — an dine gute ich nu rufe — daz du mir bietest
dine hatU.
V. 240. Dar uns in hat gevalt — eva unse muoder — nu flie
wir alle zu dir. Wie Christus der zweite, neue Adam, so ist Maria
die zweite Eva, die rautter der rechten kinder. Schon Tertullian, de
carne Christi, cap. 17 stelt Maria der Eva gegenüber. Vom h. Augu-
stinus gibt es eine predigt von der Eva und Maria.
V. 242. weirmn und suften. Im Salve Eegina: gementes et tten-
tes. Bei Diemer, Gedichte: weinen und siufzen,
V. 244 — 45. la du dich erbarmen — die not die wir armen.
Im „Te coeli reginam laudamus" deutsch bei Mone, Hymnen H, s. 231:
dar umb biedden wir armen — laisz dich unser auch crbarmeti.
V. 246. in dirre dale Jieldcn = in diesem schroffen talabhango.
Heide, ein in der litteratur seltenes, aber in ober- und niederdeut-
schen Ortsnamen häufiges wort. Schambach, Wörterbuch der Göttinger
Mundart s. 78: Helle, Ortsname der an tiefen abgründen haftet. Die
dichterin sieht sich am schroffen abhänge. Über sich erblickt sie Maria,
deren fusse sie fassen möchte. „Sceptrum affer clementiae — in hac
valle prostratis" in einem liede bei Mone II, 616 z. 37.
V. 242 — 247. An dieser stelle klingen einige zeilen des Salve
regina durch, wie auch von der Elisabeth von Schönau berichtet wird
(Acta Sanctorum lü, Junii s. 641), dass sie auf dem Sterbebette sprach:
„Ad te clamamus filiae Evae, Ad te suspiramus, gementes et fientes
in hac lacrymarum valle."
V. 248 — 251. Stella marts bistu genant — na deme sterren der
an daz lant — daz muode schif geleidet — dar iz ce rasten beidet.
St. Bernhard, Homilie II über „Missus est Gabriel": „Ipsa est prae-
clara et eximia Stella, super hoc mare magnum et spatiosum neces-
358 jsLLnraHAus , zum abhbtkinxb kabisnuuch
sario sublevata.^ Sie ist „sidos immobile,^ ^Stella maris et cynosura
ad quam iu hoc naufragoso oceano navigantes cursum dirigere opor-
teat.^ In griechischen Mariengebeten heisst es: didov iaov nQÖg yahj-
vovg fieiavolag Xiiaevag ö^iuCßO&ai. Augustinas de trinitate lY, 20
nent die ewige Seligkeit „patriam transmarinam.^ In einem liede bei
Mone 11^ 398: („Per te navigantibus — Stella maris datnr — Imnen
viae panditur — poriius demonstrator.^ Diemer, Gedichte 298, 5:
Also der mersteme — den scefinan leitet wrre — nihef genen breidem
se — uns tet diu uinstre da beuor u?e — do du tnaget do irsceine.
y. 250. Der ausdruck daz muode schif komt in der älteren deut-
schen litteratur wol nicht vor. Lateinische klassiker kennen ihn. Yir-
gil, Aen. I, 168: Hie fessas non vincula navis uUa tenent.
y. 252. Oeled uns an Jesum. Wie das „Ave maris Stella^
schliesst: nt videntes Jesum — semper collaetemur.^
y. 254 — 259. Diese verse sind wol wörtlich einem kirchlichen
gebete entnommen.
y. 264. dig Crist g&nam cemuoder. Diemer, Qed. 296, 7 (Lob-
lied auf Maria): Zeiner mütcr er dich nam — ujsjser allen unben.
y. 265. als iz wale gezam. Als ist hier beinahe causal gebraucht,
wie im Mittelniederdeutschen und Mittelniederländischen. Oudemans I,
148: Als du een niensche sijiste en niet got = weil du ein mensch bist
V. 269. daz bezzeste wif gebere — du in wiues hunne were.
Auch in Walthers Leich und im sog. Lobgesange Gottfrieds derselbe
ausdruck.
KIEL. H. JELLINGHAUS.
ZU WALTHER 18, 15 UND 84, 30.
Zu den werten:
Mir hat ein licJU von Franken
der stolze Missentere bräht:
daz vert von Ludewige.
bemerkt Lachmann (z. 84, 33) richtig: „kerzen, etwa geweihte, als
gäbe geschickt ziemen weder den gebem noch den empföngern." Fer-
ner: „ein symbolischer gebrauch, dass der geber zum zeichen der
begabung eine kerze bis zu dem beschenkten gehen lässt, muss der
sprichwörtlichen bezeichnung des geschenkes zu gründe liegen , ist aber
bis jezt nicht nachzuweisen."^ Der zweite teil der behauptung dürfte
die probe wol kaum aushalten. Aus der von Wackemagel aus dem
PaOSCH, Zü WALTHEB 359
Baseler dienstmannenrecht s. 26 beigebrachten stelle hat man zum teile
(s. Wilmanns 1. aufl. der Waltherausg. s. 273) unrichtig gefolgert. Die
Verpflichtung, welche für die Baseler bischöfe bestand, scheint auch
anderwärts in kraft gewesen zu sein. Der fürsterzbischof von Olmütz
begabt noch gegenwärtig aljährlich die personen seines hofstaates und
die beamten seiner residenz mit kerzen. Diese begabung war aber
früher algemeiner. Noch vor wenigen jähren erhielten in Freiwaldau
(im Breslauer bistum) die öffentlichen beamten am lichtmesstage vom
pfarrer kerzen; hierorts heutzutage nur die bediensteten der kirche,
ihre patrone u. dgl. Die kerzen wurden in der kirche angezündet und
nun in feierlicher procession um dieselbe gegangen. Nach beendigung
des aktes behielt jeder sein licht als eigentum. Dieser gebrauch hatte
jedoch noch weitere ausdehnung. In Steiermark (bei Eibiswald) und
in Oberösterreich schlagen am lichtmesstage die wachszieher ihre buden
vor der kirche auf und freunde und bekante beschenken sich mit den
erstandenen Wachskerzen und wachsstöcken. Dazu vergleiche man, was
Simrock in seiner Waltherübersetzung (1876) s. 330 bemerkt. Dies
leztere fährt zur ansieht, dass vielleicht kerze im volksmunde sprich-
wörtlich für geschenk gesagt wurde. Und in diesem sinne metapho-
risch , nicht symbolisch möchte ich den ausdruck in den beiden an der
spitze bezeichneten stellen auffassen.
WEIDENAU. FBANZ PROSCH.
BEITRÄGE AUS DEM NIEDERDEUTSCHEN.
Die eoi^ojiction ftne, ftn.
Handschriften und alte drucke bieten dieses wort am häufigsten in
der form ain (Hag. Köln. Chronik und Weberschlacht) , seltener ist aefi
(Theoph. 1, wo Hoffmann an gesezt hat), am seltensten sind ane (Hag.
Chr. und beisp. im Mnd. WB.) und an (Weberschi. 214).
Verbreitet war die conjunction vorzugsweise am Niederrhein und
zwar nicht bloss linkshreinisch , sondern auch an der unteren westfäli-
schen Ruhr, wo Theoph. 1 gedichtet sein wird, vermutlich sogar wei-
ter östlich in der grafschaft Mai'k; s. unten. Aus anderer gegeud lie-
fert das Mnd. WB. zwei beispiele, eins aus Bremen, aus Greifs wald
das andere.
Hervorgegangen muss sie sein aus der präposition äne, an (ohne),
nicht bloss deshalb, weil sich die formen genau decken, sondern auch
weil sich für die bedeutung ein Übergang nachweisen lässt. Es finden
sich nämlich »teilen, welche mit eioeiu Idcht m erg&nzendeii demon-,
strättve auch [nHpOHitional gefaaät wer<leu kÖnnuD. Man vorgleiche t. h.t
ock cn schall mc lunten murstccn ulhvorvn ilesset jar ovcr, ane dach-
stctm (den) tnach mtt vuren. Brem. Stat. 741 (Mnd. WB.). Leiulit stat-
tet düu liegrif ohuc. aussor eiu nur und iloch; vgl. ik tvil dat awe-
ren an dci heligen, dat ih van dttsscr ganser vasten ny rnschcs tigg
OH dorfle belaslett aen alleine fo tncndddage {du) vergai ik aUirik
minor klage unde koße usw. Tli60|ib. 1, 134.
Als conjuucüoa zeigt ätie, an besonders die bedeiiluiiguii doch
und wenu auch, zwischen welcheo sich wtdcrum Übergänge nachwei-
sen lassen. Mit der bedeutung doch findet es sich im Theoph. 1, 127.
32U rgg. 232 f. 447. C42 fg. 710; bei Hagen in folgenden stellen: aiu
do der slril al was gedain unde an die naicht bcgunde gain, si qua-
men und nameti einen vrcde. 1^52 fgg. ; ai» soldm't wir uch nett selm
sagen. blbS; ain solde it an ein stridcn gain, st kaitd de ric/teit van
der stat und den alremi^islen sehat. 5153 fgg.; in der Weberschlächt :
Heinricii Jude was ir ein, ain dcdc hie'l nude. 209 fg.; Vrank vanme
Hörne was der eicht, an leas't emc gom. 213 fg.
Fllr den Qbet^ang zur bedeatung wenn aaüh stehe hier ans der
Weberschlacht : dai cn künden sg «ri( ivcder sagen , sy moislcn volgen
dem meisten pari, ain was it in to iloin hart 130 fg.; aus Hagen:
ane hcddeit hundert duscnt ander gebrant: dit is in alme lande
hekani, man inhcdde so waile neit ila af geseen. 4001 fgg.
Mit wenn nueh oder auch (nebst inversiou) müssen folgende
stellen fiberaezt werden, aus Hagen: 226. 368. 44a. 4G2. 467. 12&9.
1382. 2644. 2701. 2743. 2763. 3003. 3237. 5U75. 5217. 6236. 655(1.
5663. 5796; aus der Weherschlaoht ; 271.
Der Teiilbonista gibt aur fibersetzung von tarnen unter andern
mertloch und aindoich. Diese ausdrficke werdou völlig synonym sein-
Sie zeigen uns, was ohuedifs nahe liegt, daiis ain auoh die bedeutung
aber hatte. Wir lernen daraus aber auch, dass ain »ch sogar in der
grafsüi^haft. Mark als conjunctioD gefunden und bis heute eriialt«n hat,
freilich in der lautlich abgi<8cbnttuht«n form m. Unser endöch, eiu
durch aber verstärktes doch, welches , wie franz. ai, auf eine vornei-
nende trage antwortet, kann nichts anders sein, als jenes ain dock
des Teuthuui»ta. Dieses en erscheint bei nus ausserdem noch in ei\jd
und ennä.
An t weder, antwer, unter, rnler.
Von diesen wortformen wurden aiUwer und enfer schon erwähnt
bei K5ne z. HetJ. anmerk. 1105, antwer auch im Mnd. WB., atUtr in
dieser /.eitschr. IV, 114.
BEITRAGS AUS DEM NIBDEBDEÜT8CHEN 361
Die stelloD, in welchen antwer, anter, eiüer mit folgendem ofte^
oßy of genau dem nhd. entweder — oder entsprechen, mögen über-
gangen werden; doch stehe hier ein beispiel des seltenen enter, welches
Köne aus Hbb. 385 anfuhrt: enter hir in deser tit^ ofte na desen
leven. In folgenden stellen dagegen ist antweder, antwer, anter nicht
als conjunction, sondern als adverb enthalten ; ihr ofantwcder, off ant-
wer, of anter stattet ein oder anders, oder sonst, oder aber,
oder doch: here, man wüt da uren neven van Koveren [vain] , of
antweder zo dode slain. Hagen 880 fgg.; ind sees swyne off ant-
wer dar vur eyne mark, Seib. Westf. Urk. 1127; der stede ein jair
lank ein pert holden seulden of anter von deme wintappen laissen.
Nuwe boich. 8.283, 11. Mit fehlendem, aber zu ergänzendem of:
nochtans wU ick ni gloven, dat du solcks van Sost weidest schryveyi, —
anter wel my geven gut bescheit, — wu se tho Sost dat erfuUen und
vor Sodome recht werden geschuldete Dan. 148.
Nach dem antwer — oft, anter — o/*, erUer ofte = entweder —
oder ist es mehr als wahrscheinlich, dass antweder, antwer, anter,
enter aus derselben quelle fliessen, wie nlid. entweder , mhd. eintweder
= ein de weder, eins von beiden. Grimm 6r. 3, 38. Wir dürfen uns
antweder aus altniederdeutschem ain di hueäar entstanden denken.
Alts, lautet es en di huedar, Helj. (Schm.) 111, 7; 8.* Bei ags. and-
hväder mag es zweifelhaft bleiben , ob dasselbe = and — hvääer oder
= an ^ di — hvMer. Das di der alts. form wird ein bei der laut-
Verschiebung zurückgebliebenes ti, te (an, in, bei, zu) sein. Eins an
beiden zusammen ist = eins von beiden. Ein solches di (als zurück-
gebliebenes ti) fält bei einem compositum weniger auf und lässt sich
sogar in der heutigen Volkssprache nachweisen; vgl. holter — di — pol-
ter = dän. huUer til bulter. Das mhd. de weder (eins von beiden)
muss sein ein verloren haben. Das auffällige an der niederrheinischen
und westMischen form hängt offenbar mit der vom hd. abweichenden
betonung des compositi zusammen. Weil der erste teil den ton hatte,
so wurde aus ain nicht ein oder en, sondern an, dessen vocal sich
aber später verkürzte, wie schon die kölnische Schreibung nicht ain
oder aen, sondern an zeigt. Dass der hauptton diese läge hatte, leh-
ren anter, enter, welche sich nur unter dieser Voraussetzung aus atU-
weder, antwer (nicht antwer!) bilden konten. Weiter spricht dafür,
1) Die stelle lautet bei Köno 7250 fgg.: hie ni mag is tidi hemithan. ac hie
dago gehuüikes diwt en di huedar, wanot eftha tcaJmt, Nur das en di hueäar
des Cod. Oxon. kann dem dichter angehören. Der Monac. will durch sein oder
weder {alter uter) verdeutlichen. Die steUe zeigt so recht die entstehung des
anter — o/Vc, entweder — oder nach ihrer bedeutung.
d&Bü in Weätralen iiocb houte ent (Iüb fiil. cutwMcr uiiil des |ilattdeiit-
scben etUiceddcr häuÜg betont wird.
WähreDd nun die hedoutuiig der bd, conjunction entweder sich
leicht aus „eins von beiden" begreift, acbi'iut of anlwcdcr Schwierigkeit
zu machen. Das» diese Zusammenstellung nicht aus dem bednrfnisH
des dichters hervorgegangen ist, zeigen die prosastollün der orkundo
bei Soibertz und des Nuwen Bnichu. OITenhar war die zusEunmeRstel-
lung von of und atitwcder eine der kölnischen mda. geläufige. Icli
denke nun, ans dem begrifle des andern = eins von beiden, konte sich
ßin synonym für anders, aber, doch entwickeln.
Huitmlle.
Das vorstehende im Mnd. WB. nicht gedeutete wort kana als
rolle ftir die band nur ein rollhandtuch meinen, wie dergleichen
bei unseren bauern gebräuchlich sind; sein synonym ist ricktlwde. HSn
langes an den schmalen enden zusammengeuäbtes bandtuch wird Aber
einen hölzernen pflock (vgl. dtcehmgenger im Mnd. WB,) gezogen. Die-
ser pttock ist in dem sogeuanten handdaukshusc angebracht.
KOrbOm.
Das d. und das nd. WB. bringen hörhomen, kürbäumen und ver-
stefaeu unter dem zu gründe liegenden körhöm einen „ausgesuchten
besten bäum.*' In ersterem werke wird nun vermutet, der ursprQng-
liohe begrif sei der eines baunies, den sich der markbereclitigte zam
bauen wählte. Aber schwerlich erhielt ein banui , der bald nach der
auswabl gefält wurde, diesen namen. Suchen wir andere auBknnft.
Weist. 3, 17.S heiset es: da jemand ungeweiset, wie oben gemeldet,
einen eichenstamm hauwen wurde, sei 6 goltgl., einen kacreichenboem
lOgoltgl, eine boiche 4 goltgl. , einen eiehenbaum zu sturen 2 goltgl.,
einen beer- oder surichshaum (wilden bini- oder apfelbaum) i goltgl^
einen groisseu hülsen */t Sf<^ltgl. geben. Aus dieser Satzung gebt her-
vor, dass ein korböm augewiesen, und dann ohne strafe gehauen werden
konte. Der zweck, zu welchem bäume ausgewählt wurden, die dann
den namen kirboine erhielten, wird die erbaltung von guten samen-
bäuuien sein, wenn eine waldstrecke abgetrieben werden solte. Einen
samenbaum zu bauen, bevor er neuen anwuchs geliefert hatte, war
natörlieh ein schwerer Waldfrevel. War der zweck erreicht,, so konto
der Bumenbftuni zum hauen angewiesen werilen. Man vorgleiche za
korbom, ausgesuchter zucbthaum, den körhengst aia ausgesuch-
ten Kucbthengst, so wird das metaph. korlomen, nach einem vor-
züglichen gatten suchen, desto passender erscheiuen.
BEITBAOB AUS DEM NIEDBBOEUTSCHEN 863
Imungre, imlge.
Diese in Bruus Beitr. s. 237 vorkommenden formen sind in
inninge, innige (einwehrung) zu bessern.
Kolse.
Ist d(xt de hülse (erklär, randbenu hose) of schoe also wt blicken
in der tvanderinghe y dat se ionghdinghe dar mede to er locken. B. v.
d. joncfr. F. 63 ^ Die randbemerknng hose hat verleitet, kolse darch
beinkleid, hose zu deaten, aber jenes hose ist offenbar das nie-
derdeutsche = strumpf, und frauenzimmer werden in der zeit, aus
welcher das Schriftstück stamt, keine beinkleider oder hosen getragen
haben. Bekantlich bedeutet das aus kolse entstandene nl. kous eben-
fals strumpf.
Stalle 9 stallen.
Bei Lac. Arch. 3, 336 lesen wir: vnd der ciister vurfi. soü der
gemeinden haldenn den fnog (I. mey) vfi (den mai hindurch) einem
(1. einen) vadle (beugst) vp den froenbend (frohnwiese) , vnd wer sine
meren (stuten) g estalt wiU hauen, der soll ein fl, (? viertel) haueren
in seinem slyp (rock- oder kittelschöss) hr engen, den st a eil darmit
zo foedem. Wir haben hier ein deutsches stalle = equus ad stal-
lum, L. Visig.; stalhengst. Eil.; staüonCy ital.; etalon, franz. = be-
schäler und ein verb stallen = beschälen. Wie das verb von
stalle abgeleitet ist , so stamt lezteres von stall , sofern man den beschä-
1er nicht mit den stuten und füllen auf die weide gehen liess, sondern
meist im stalle fütterte, vielleicht im gegensatze zu reit-, wagen -
und ackerpf erden , welche viel ausserhalb des Stalles waren. Möglich
wäre auch, dass stalle nicht von stall, sondern von stallen, to stale,
mingere, rührte, nachdem dieses stallen die bedeutung „beschälen^
erhalten hätte.
Tdmseherigr.
Weist. 3, 179 (nr. 1348) steht: homines solivagos qui vulgariter
dicuntur de tomscherigen Itiede. Vergleichen wir volschirig (ib. 163)
= mit vollem anteile, volberechtigt , und heutiges fuUschearig = vol-
ständig, was alle seine teile hat^ so ergibt sich, dass tomscherig den
solivagus (enlucke, enlope) als einen menschen bezeichnet, der jedes
wahren besitzes baar und ohne ist, also expers in aller beziehung.
Tom ist alts. ttwmi (leer) ; vgl. osnabr. tömig , leer und ruhig von men-
schen und geschäften.
ISEKLOHN. FR. WOESTE.
E
>rUtito:
LITTEIIATUR.
Bic. Kochs altdout-cUr. mjsturiED Dach uiner haiij-
B XV. jalirliunJurta /upi ersten mal n hrrBORgcgebcii niid
vuu ilr. Karl Ferd. Kuumer. WU>d 1SS2, Holder. (LXl ii. KS g.)
Die EkDupro einricbtung von KaniiiiurB Lflchwu ist ^»wüholkb uiasturbttft :
nllci stellt KD scjnitm richtig«» platie, trägt riberselirifton und riLTidweievr, ist mit
vutantxb lüttem und gennaon inhultmngube& vsneticn , in grossen »der klelOMi,
genulen oder uurslTen lutletu gettat, gaut nauli wttnedi. Auch Am vorÜKgond«
buch gibt xeiiguia vun deinsolkin gt.>ticbii;k und deradbi-n sorgMt in tudiniscken
dingen. Es zcrfiilt in drei toilc; I. einlvUung, II. tuit, III. glossar^ wulcbeoi
einige noobtrSgo nud bericbtignngen folgen.
Dur cinleitung voraoa gebt ein „rorxciebuis der gebrauchten abkfir-
inngeu' (s. V— Vm). Man findet darin eine fast vubit&ndigc aufx&hlnng dar
«Inschhtgigtin , giLUz oder teilwoisB edierten geistlii'bun siiielo: nur weniges bleibt
tu ergänzen, i. b. Pkiler, Woihuachtslicder und kripiwngiiieU au» Obui'Osteneiuli
und Tirol I, 1831; doxu mnss man noch ein panr Schriften zählen, «nlche Kntnmef
in seinen Knnierknngon heunit, aber ana imbcltanton gründen hier nicht angefllbrt
hat wie dio übrigrn, so Hilchsack, Diu Heidelberger pasBionsipiel; Schrüer,
Doutaebe weihiiiu'lit8ä|>iele aus Ungarn nsw. — Giue kleine bibliograpbisebe Uneben-
heit ist ee, wenn Kammer den ujnfnng oiniger npiolo in grösseren Sammelwerken
durch die erste oud lext« seitensifier markiert, bei andern aber die aoblnsaziffer
wegläset, HO dase man Ober die uusdehnung dursolben im ungewissen bleibt; ebenw,
wenn er bei den einen handscliriften »der sjiit'len das allor annjerkt, t»i den
andern aber, wo ce eben ao leicbt halte guscbehen kuunen, dar&bor schweigt.
Die einleituDg bebandelt zunächst die ViirbKltnissu der handschrirt. Di«
sechs edierten deutjchen spiele stehen in einem codex der biscbBfliohon bibliotbok
in Brian mitten unt«r lateiaischen trActaten. Kummers bu«n)irnibnng desselben ist
kurz und genau, nur vermisse ich dio angäbe Gber diu grüaee nud zabl di<r lugen,
welche ja immer ein wichtiges und oft das vinicige krit^rium hergeben lur bestim-
mung, wie fiele und welche blfittor in der bandachrift fehlen. Uindor gut sind
Kummers orürteiiiDgen über die echrcibcr des cndex. Er unterscheidet deren vier
nnd ausserdem noch drei andere, welche nachtrftge, ««rrecturcn und bemerk ungen
xur spielordnuDg teils in den text, teils AU diu runder gesezt haben. Das wären
aUu 7 bftnde auf 24 blättern; aber bei keiner oiuiigeo ist der versuch gemacht
worden, ihre «irkliolie ezistenz durch patäograpbiscbo und orthographiKche grltnds
sn beweisen, was notwendig wäre, solte Kummers angäbe mehr sein als ein rdn
subjeetires gntachten , dessen richtägkoit m pritfen uns alle anhalt«punkto fehlen.
Im Montfortcr cedei hat Kummer nnr twei achreiber gefunden, und gleicbwol
waren deren vier, wie die genauere Untersuchung desselben gelehrt bot. Wer ver-
sichert uns nnn, das« sich Kammer diesmal nicht auf die entgcgongoscxt« aeite
verirt und ucben erblickt iiat, w<i vielleicht nur fUnf »der noch weniger sind?
Dos 11. cnpitel der cinloitung behandelt die „Lant- nnil tpracbfurmen
der handsubrift." Ich bin xnnäehst schon in bexug auf die methude in mehr«-
rsn punkten anderer neinuug als Kummer. Er trent alle reime von seiner spracb-
licbeu uutetsnuhiing ab und behandelt dieselbeu im Ilt. capitel, unter „vcrskiuiit"
leb glaube aber, doss jede sprachUche »ntcrsuehung vom reiraroglstor auHiDgebon
WACKSBNELL, ÜBBlft KUMMBB, BRLAUE& SPIELS 865
und zunächst die frage zn berücksichtigen hat: welche reime geben zengnis für
die spräche des dichters und welche sind ungenaue reime im eigentlichen sinne
des wertes? Begegnet z. b. bei einem dialeictdichter des 15. Jahrhunderts der reim
zom : wom (« worden), was beweist er für die „vorskunst" des dichters, in des-
sen ohr beide worter gleich klangen? wol aber ist er für die spräche und Schrei-
bung desselben bemerkenswert. Diese ausschcidung der sprachlichen reime von
den bloss ungenauen wird in verschiedenen f&llen verschieden ausfallen; fast durch-
weg jedoch werden die sprachlichen formen im contexte, der vergleich mit gleich-
zeitigen poetischen und prosaischen denkmälern und die rfickblicke auf den ent-
sprechenden lebenden dialekt hinreichende anhaltspunkte dazu bieten. Ist sie durch-
gef&hrt, dann erhebt sich die frage: welche von den vorhandenen sprachlich merk-
würdigen erscheinungen stehen in betonten und welche in unbetonten silben? und
femer bei diesen denkmälern des 14. und 15. Jahrhunderts noch die frage: welche
gehören der sprachlichen Übergangsperiode überhaupt an und welche sind specifisch
dialektisch ? Oder mit andern werten : alle merkwürdigen sprachlichen erscheinungen
sind zu befragen nach ihrer Stellung zwischen mhd. und nhd. einerseits und zur
mundart des dichters (resp. der handschrift) andrerseits. So ist z. b. die längung
hochtoniger, im mhd. kurzer stamsilben keine dialektische, sondern eine algemeine
orscheinung der Übergangsperiode, und nur im umfange ihrer durchführung zeigen
sich dialektische Sonderheiten.
Auf derartige dinge hat Kummer keine rücksicht genommen; er begint in
der altgewohnten weise: „a häufig für o," fahrt so fort und hört so auf. — Ich
will nun den einzelheiton seiner aufstellungen nachgehen.
Die a ^m 0 zählt Kummer in jener reihenfolge auf, in welcher sie die hand-
schrift bietet; aber eine systematische anordnung hätte sich mehr empfohlen , näm-
lich die nach den dem a folgenden consonanten. Dann würde sofort ins äuge
gefallen sein, dass die meisten a = o vor folgendem r erscheinen. — Aus II , 129
ist pochen mit einem fragezeichen angeführt. Die stelle lautet: wnd war dar zu
sufs weins vol, so wivrd mir di zung zu dem guem pochen , woraus sich ergibt,
dass pochen nicht = pochen, sondern das im bairischen dialekte algemeine pachen
= kleben ist, wie auch Kummer im glossar richtig angemerkt hat: so voll süssen
Weines mochte Lappa sein, dass ihm die zungo am gaumen kleben bliebe. Das
süsse klebt. In derselben bedeutung begegnet das wort auch III, 155. Hätte
Kummer die einzelnen falle nach den consonanten geordnet, so würde er gar nicht
in zwüifel geraten sein, oh pochen oder pocJien vorliege, weil sich sonst kein ein-
ziges a = 0 vor folgendem ch findet
„e für ic," dazu die beiden belege stefcMnder und we. Allein in we steht e
nicht für ie, sondern für eu, tu; denn es ist nicht das mhd. wie, sondern der
instrum. mU wiu (vgl. Weinhold, mhd. gr. s. 473), der bairisch {mit weu) häufig
ist. Daraus ergibt sich zugleich grossere Sicherheit dafür, dass auch in stefdnnder
e nicht für ie, sondern für eu, tu steht; wie Kummer selbst vermutete. Der ganze
absatz ist demnach so zu überschreiben: „e für eu, iu,**
Bei „i als zwischenlaut** stehen drei belege: milich, volig und icelich. Wer
aber die älteren formen dieser Wörter zu rate zieht (z. b. weUh, hwelih, hrüeiks),
wird finden, dass wirkliche svarabhakti (hier t) nur in völig vorhanden ist. Man
weiss ja, wie die dialekte vielfach alte vokale mit und ohne f&rbung bis in die
gegen wart herein bewahrt haben. — Bei den belegen für ö = c wird auch ver-
vempt (: chömpt) II, 163 anzumerken sein, was axif vernömpt weist, welches im
Bairischen häufig ist.
WACKXBNBIJ.
„tri (ay) entspricht &1tein ei." Du ist Blies, was Kummer fiber diesen di|ili'
tboDf; Mgt. Mao mnsH daraus BchUeasen. das» dnrchwog tu = «i «teht. Nqd
findet man gleich im anfunge des teit«» die oorrcctv einem, die demniuh [aisdi
wüe, wenn niclit die weitdro lectljre bewiese, dius nur Euniincrs an^h« tn der
lautleliro mangolliaft ist) deim mhd. m bat sieb erl:<«o in leider lU, 837 and
meist in nin.
,au (geachriishen ay) t&r ea (wm ia) and ifu;° dazu werden mehrere beleg«
angerabrt. Woher weisa denn Kammer, dass in diesem diphthan^ y ^= w steht?
Sonst seit er y überall = i, 2. b. oy = oi, iiy == ai, nur einige *y sind aucli i«
eu gemacht worden, z. b. tturehleychtiß U, IT lu diirehleuchlig. Hir will et schei-
nen, <Ielss der beransgebor diese ay hätte stehen lassen oder edaer anderw^ligeo
TorfuliTungswnise ^eni&ss ale ai blltte geben tnllcn; denn ich erblicke darin d«n
anbug jeuer orbellung des tu (-^ tu und öa) nu ei, welche im lebenden dialekte
ziemlich algeniein geworden ist; man spricht hierzulande nicht die f¥tad, londafa
die freid; nicht die leut, sondern die leit usw.
Die angäbe, dasa in haint (htnaM) und glUgen (ffine"') ii für altes l steht,
wBrUe ith mit dem fierttolgendon abeatze (wo es heisst : „ri entapriuht altem i">
verbunden nnd gcscbricbcn haben: .manchmal ersaheint fUr et auch die schreibnnif
li» wie in gaigen usw."; dann würde jeder sofort er]<ennen, dass wir es nicht mit
einer besondern lantliuhen ersohcinung zu tun haben , sondern nur mit einer grft-
phiaehun wunderlich keit, irio der Schreiber der Erlaner spiele deren so viele bat.
„CT» fBr ie in sUnifclmd nud ieupper" trift wider nicht gann das richtige;
denn eu steht nicht für ie, ^sondern ganz rcgelaüssig für tu, nnd das bemerkens-
werte liegt nnr darin, dass in diesen wGrtem der dialekt wider die ältere lautform
{ttitif-. Hup) bewahrt hat.
Dass t40 sehr häufig in nhd. weise als u oTBcbeint (z. b. eu chhtghait IV, 18;
mutt I, 42; guten III, 206 usw. (man vgl. dazn auch die reime «o : tt auf t. XCC),
wird im ganzen „voknliamuB" gar nicht erwähnt.
Ich komme zum II. teile dieses capitels, zum conaonantismna. Im
zweiten absatze desselben schreibt Kummer: ,p tritt zwischen stamsohlicsseudeB m
nnd die endnog, Bair. gr. 123: dwwpt, nempt, iemppiant, nempmen, imipl.' Kao
sieht gleich, dass die belege »ar vuraimgcliendvn regel nicht passeu, oder steht in
iempmanl, ttfiapmm p vor der „endaag'i'' Anf die endiing kernt es hier gar
nicht an , sondern nur auf dio art der consonanlen , und ea wäre daher se zu
schreiben gewesen: p ist fibergangslnut von finender labialis zn labialis oder don-
talis. — Ansserdem bleibt bei den labialen noch einiges zu ergänzen, so bei y,
dass dasselbe auch Tür b erscheint im inlante vor deiitali« und ausgefallenem toc«1,
also entstanden ist <larch homogene assimilatiou , z. b. haupt (^ hmdiet) m, 581
n. a. Feiner steht III, 1071 im texte um; ist diese nhd. furm dort richtig (und
die „bcrichtigungcn" am scbhissc dei bnchca corrigioren sie nicht), so wäre sie in
der lantlehre liier anunfüliren gewesen; denn 6 ist durch angleichung an das vor-
hergehende bomorgane nt verschwanden.
Aach die dentales sind etwas mangelhaft bearbeitet wordeiu Ich Will nnr
nachtragen , was mir bei einmaliger rascher lectdro den toitcs !n den weg gelaufen
ist. Der aasfall des ä in wem (= werden) I, 8, 53; m/rn (= vorden) UI, 80
wird gar nicht crwilbnt; nnr im III. teile, bei der , verbal ßciion," sind diu worta
angefahrt, als wenn der scbwnnd des d nar.h r eine ÜPxiun»* und nicht vielmehr
e'iw- lauterschein ung wäre. — Über dt-n antritt von d in der»chinen 11, 83; der-
ÜBBB KUMMBB, SBLAÜBB 8PIBLB 367
gan ü, 98; derparmen III, 2; derstanden Hl, 1390 ü. a., welcher besonders im
Bairischen beliebt ist, fehlt gleichfals jede Dachricht.
„t ist abgeüedlen in siech HL, 653, %ch{t) 784**; daza hat Kummer selbst in
den „nachtragen^ Springer in, 827 ergänzt Es fehlt aber noch ich TU, 285 und
y, 307. Bei siech und spring , welche nur einmal überliefert sind, bewahrt Kam-
mer die apokope des t, hei ich jedoch, welches dreimal belegt ist, im Bair. und
Alem. überhaupt öfters begegnet und noch den reim siech : nich(t) m , 901 an der
Seite hat (vgl. s. XXJI) , corrigiert er durchweg die volle form ein.
Der folgende absatz „antritt eines unechten t** zeigt wider bedenkliche lücken.
Kummer führt nur drekcht, unzt, simant an; allein in iemcmt V, 85 und noch oft;
in niemant m, 71; V, 94 und noch oft; in indert JH, 91; siist m, 12; nindert
m, 104, 604 u. a. ist doch auch der „antritt eines unechten t*' zu constatieren ?
Den gutturalen consonanten ist |es nicht viel besser ergangen als den den-
talen. Über die zahlreichen ch, kch = k und c z. b., welche durch die ganze
handschnft verbreitet sind, hat Kummer kein wort gesagt, und so begreift es sich
wol, dass der ganze II. teil des zweiten capitols über die „consonanten** wonig
mehr als eine halbe seite f<.
Der in. teil dieses capitels behandelt die „yerbalflezion.** Zuerst wer-
den verschiedene flexionsformen angeführt von „komen, werden'^ und „leiden ^'^
dann folgen „einzelne endungen** und darauf wider verschiedene flexionsformen
von „sein, tuon, haben, dünken, mac, sd, kern, mvoz, weiz, wü,''^ — Was wol
den herausgeber zu dieser wunderlichen gruppierung mit den „einzelnen endungen**
in der mitte veranlasst haben mag? Und warum findet sich denn unter den behan-
delten verben nicht auch l&zen, dessen verschiedenartige formen erst im glossar
zusammengestelt werden?
Bei den belegen für den apokopiorton Infinitiv sucht man vergebens verdien
m, 142 und zawn (: danvk^ III, 942, welche auch auf seite XX unter den reimen
nicht zu finden sind. Aber nicht nur im infinitiv, auch im particip prät. kann die-
selbe apokope eintreten: IXE, 1234 erschin, neben dem gewöhnlichen erschinen I, 7
u. ö., was Kummer gleichfals nicht angemerkt hat. — Beim verb. auiil. sein
ergänze: ir seiczst III, 850 und sei vair II, 81, das sich mit <uo wir DI, 48 ver-
gleicht, welches Kummer verzeichnet. — Bei sc^tiU^n schreibe I, 57 statt I, 55
und ergänze neben i/r söü II, 172 auch schult II , 6.
Im IV. teil wird die „nominalfloxion** behandelt Im zweiten absatze cor-
rigiere VI, 206 zu VI, 218. Ausserdem sind bei den Substantiven einige auffal-
lende formen wider ganz übersehen worden: V, 126 erscheint di teufein als nom.
plur. (blieb auch im glossar unerwähnt); IE, 259 das kinde als acc. sing. (vgl.
dazu Weinholds Mg. §437); III, 1131 twalme als nom. sing. (vgL dazu Weinh.
Mg. § 431).
„Dem. und rel. pron. fem. sing. nom. deu.** Diese angäbe Kummers ist
richtig; aber eine andere, die wichtiger ist, fehlt, nämlich die, dass deu auch als
acc. sing. fem. erscheint in IV, 360; derselbe fehler findet sich auch bei den
adjectiven, wo es heisst: „eu als endung des fem. sg. und neutr. plur. noch erhal-
ten**; von den vier belegen, welche Kummer dazu anführt, sind zwei fem., aber
beide nur nominative. Doch II, 135 wäre claineu rest und III, 78 eisneineu pruoch
als acc. sing. fem. zu finden gewesen, welche wie oben das deu ohne zweifei als
analogiebildungon anzusehen sind. — Ein dativ wie II, 208 von einer rain maid
hätte wol auch einen platz verdient und nicht woniger der dativ sing. masc. auf n
statt m (vgl. Weinh. Mg. § 487), wie HI, 1059 mit senden herzen u. a.
fl6d UACKEBNBLL
Blit einer „syntai," hesUhemil ans 17 ecUod, eclilic^«t •!»» t^upiu-l Qlwr <li«
„laut- und aprAchformeo der hs."
Bus folgende bringt die „rerskunst* und «war »unitdist cinn xnaomiDon-
stelliing der reime (*, XVin— XXIIlJ. Bei den roimun zwischen knrnera und Un-
gern Toliftl steht die bemerkiiug-. doaa sie „nur uIb ^n|ihi8i;he untersclilede , niehi
ah imgcuauigkciteD gelteu können." Mir int niulit kiar, wasKunimor damit aagen
will. Ich nehme e. b. IV, 410 ercn : geieeren: iro ist liiur der „graphiache unter-
Bchied?" Diese reime, in der auRnprache und Schreibung des gutan tnbil. vuu üa-
ander aoterschicden , sind jezt in beiden gleich nnd beweisen wie liele andere di«
eingetretene nbd. dcbnung offener, ehemals kurzer stauiailben. — Die reinte aia,
welelin nur vor r stehen, beweinen dii3 auHspracliu dtis a ^^ o; dugagcn die roirae
ü : o und ä : ö die auBSpraclie des ä ^— ö.
Bei den ceneoD an tischen rninicn m;» fclilt uiif a. XX and XXII allaatU :
prant TU, 148. — lieime wie mfin : »ei deuten auf naanlierung, welche auch der
lebende dialckt in diesem werte zeigt — Bei nu«#n (dat. xing.) : glax tU, 582
denkt man an die st. furm. Bei dt« viechg : gicH II, ö3 kann kein meuBcb xwri-
lulii, dass dts Vieh ku carrigioren aei, da nach vier reimbelego nachrulgun, wo die
apobope schon in der tiand^chrift volKogen int, nnd du xwoi bisttev vorher diuiar
Seiionfllose gcnitiv auch aas dem eonteit« belegt wnrde: ebenso stebeu die ding«
bei icar :jareti VI, 217; hvi umbpkmkehen (infinitlv) : latttc!» : gcheaiipankch Ul, &3I,
während bei »wettet : gtstent IV, 520 wider der lebende diainkt auf die länglichere
form führt. Auf h. XXn macht Eommor selbst beaserungavoncbllige , alloto dls
viirstebeuden sind nicbt darunter.
Anf s. XXI huisst es: „tenuis oder media reimt mit spimna: III, IM ndb'
CÄeti .- gep'tclien ," dann werden aus Pichlor die belege angeRlhrt fachen {= PÖAm)
:»cMadKn [= alahrn inf.) 46, IT; machen : badum 14C. 15: woj« soll denn daaf
wo ist denn da die tenuis oder media? freilich darf man nicht vom nbd. ans-
tehen. — Ebenda heisst es weiter: ,ih; ; »m, eine buriacLe eigentUmliobkeit
Mg. 198." Allein daa ist nicht richtig, denn diese reime finden sich anoh im ale-
raannischen imd in andern dialekten; vgl. Wnlker, PB. Buitr. IV, 34; Seiler.
Basier mnudart 217: Schucb, Boncra aprnube 35, nnd meine ausgäbe des Mont^
fortor CTiXVI.i Ober den i'harakt«r diesrs gnitnraien naaalB ng hat aithon Valen-
tin IckclHaniiT im l<i. jahrhandert richtiges zu erzUilen gewiiast. Intereunntn
belege gibt aacb die von Scbünbach herausgegebene Bened. Tegel 111, WO n
und selbst der labiale nasal ni mit dera gutturalen wechseln : liMUikiam (■- -tmy«).
anrnMum, Daher verlt< es sich auch mit den ng t nd anders als Kummer meint,
wvlober sie nnterscliiedslos unter die „veraohiodenen median," wie j/elai^ : iwr-
wgfn usw. eingekeilt bat
S.XXIV — XX.VI handelt der her.iasgeUer über die .kurzen roimpaaro,' „die
gesangstQeke nnd atrophen.* „Die gi-s|>räabo sind in paarweian gereimten xcilen ,
nbgerasHt, die im grossen und ganien dvn gosetion der tiüfiguhen viennal gehobe*
nen vorne folgen. Es flnduu sich aber auch terao von 5, 6 nnd T hebniigeu mit
regelmässigen gebunden; h&ufig sind stampfe verse von 3 hobungon." DIsM
1) Wie an-lrro so «chmibt auvli der UonIfoilDr goradota na für tij in trrunntn :
gumuuti {^i friiHigf) IS, 161. Mvin rerenaenl im litt, cuotralblatt (1S81) nr, 14
meinte, diese« jfenmnni kemnia von lämm. Allein aobun der >lnn der etvlle hiuo iha I
von «einer niainuni abbriDgen künaan uad iiih^Ii <!el mehr illo fortietinng dai t9f~ 1
jlriuhM. in ««Uher n heiait: k tieyt ilir ^mA wJ ätr naciiigaU uiw. I
Cbeb kckhbb, bblavkr spiel« 869
«Dgabe ist KU algemcdu und framt uns dabei wenig; denn dme aebeo Ihebigon
veneu nach melir- und weuigertiebige aUhen, weiss man bei solcliea spielen des
15. j&hrliandertB bo luemlich sicher im voraus. Man erwartet wenigstens eine bei-
läufige angäbe über das xablenverb&Itnis der unricbtigeD zu den richtigen verseil,
BD welcher man abseben kann, um wie viel die versuieissung dieses denknials besser
eder scbleekter ist als diu der anderen «an derselben gattung. — Bei den gesang-
stftekcn und atropUeD bat Kunlnlt^^ seht äusserüch angeatdnet: er geht von spiel
zu spiel und merkt die gefundenen Strophen an in derselben folge, wie sie die
handschrift bietet; so körnt gleichartiges auseinander und voraobiedenea zaBammen,
wie es oben der znüall will. Da folgt gleich anfangs hinter einer achtieiligeii
atrophe ein gesäts in leichform, dann wider eine achtzeilige atrophe, dann
mo<i aiebenteilige, dann eine vielzellige asw. £ine tunerliche anordnnog.
welche von der einfachsten strophenform ausgienge und almahlich bis zur compli-
ciertesten fortscb ritte , scbione mir ein viel deutlicheres bild zu geben von der eis-
fachheit ond niannigfaltigkeit , von der t^chnik nnd dem fcansfgrade, der im stro-
ph^nbaue dieses denlcinals, resp. dieser denkmäler, angestrebt und erreicht wird.
Da» IV. CBpitel forscht nach der „hoimat der spiele." Die handschrift
ist bairisch, demselben Sprachgebiete gehören- auch die spiele selbst an. Durch den
am Schlüsse des VI. apielea gegebenen verweis auf das regi^trum in üninnden nnd
dorch die geographische angäbe in III, 164 fgg- kumt Enmmer zam resultat, dass
die kärntische Stadt Gmünd im Liesertal, nürdlich von dem attberühmten kloster
Hillstadt, als belmat anseres denkmnla zu gelten habe. Aach die nfibe Tii'ole. wo
das geistliche spiel im 15. und 16. Jahrhundert eine reiche blüte entfaltete, die
ualiB verwantschaft der Erlauei spiele mit den Innsbruuker, Brixner, Eallcr nnd
Bterzinger spielen und der rege verkehr zwischen Kärnten und Tirol spricht za
gonsten des kärntischen Gmünd. Man wird diesen anafuhrnngeu KnmmerE in ihrem
ganzen umfange beipQichte» müssen.
Das V. nnd l&ngste capitel der einleitung (XXtX— LXI) bringt „vorbcmer-
kuDgen zu den cinxelueu spielen." Mit grosser nmsicht und Sorgfalt setgt
Kummer, aas welchen haaptscenen die einzelnen spiele zu summengesellt , wie die-
selben mehrfach au unrichtiger stelle eingereiht worden sind, so dass dadurch der
innere Zusammenhang zu schaden gekommen ist, und erörtert dann die verwant-
schaft der Erlauer spiele mit andern gleichen Inhalts aus nah und fern. Boweisen
diese nntursuchungeii Kummers auch, dass die pnblication der geistlichen Schau-
spiele noch viel zu lückenhaft ist, um eu stricten wissenschaftlichen ergebniasen
kommen sa können, so hat er doch damit allen folgenden berauagebern richtige
lingerzeige gegeben und denselben ihre arbeit erleichtert.
Der einleitung folgt der teit der sechs spiele (s. 5 — 167). Dio .Orthogra-
phie'' desselben reguliert Euntmer im wesentlichen nacli Weizsäckers grund-
aätzcn in den deutschen reichstagsacten , bd. I, vorrede s. LXV — LXXX. Da auch
andere germanisten anheben, grösaere denkmäler des 14. und 15. Jahrhunderts
nach diesen normen m tractieron, so wird ea am platte sein, dieselben einmal
■ näheren prSfung zu nnterdeheu. Jeh beschränke mich hier vorläufig auf
jene, mit welchen Weizsäcker die „Verdoppelungen oder Verstärkungen des coriso-
nan tischen lauta" vereinfachen will.
Schon in der frage nach der Ursache der consonantenhänfungen wird man
ihm nicht beistimmen können. Er sagt LXXU: „es ist kaum zu zweifeln, daaa
die in jeder beziehung unoUtze ond störende hAufong der buchataben (resp. der
consonanten) teilweise nur deshalb von den Schreibern dieser zeit (des ausgehenden
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■Mm «tshoitlieb«! iciireibDiig rcTlArm, mi «o mthr mn
gahSr ftSgeirlMeii; daber die enebeiniin^, dus na in rielei
Mhniba k1< ifari Torg&ager bixI uachfolger. leb will ein
■Inauilifldi*D und bairuch«n tchrinen dieser periode ist dti
«ehr bcliabt, aUm datJcdt, leentehen ntw. Dom nbd. tag? encbeiBl aie fl
und doch ut rie fiel richtiger kb die reine lenut* unierer gegeswärtigni •
webe, denn daa k bocbdeotscber «örter wird dareheehaitUcb ele al&iAU |
chen (igl Wetnfaotd, Mero. gr. §219: Wiuteler, Eprenur mnudwt t
dnbcr die QberUeferten kch tilgt and Ic dafBr schreibt, bat nicht g
VFnchlecbteH-
Andera grOode (Br die nehniDg der consonuiten erwaduMi a
phonetiMhoT nnd «og. etj'mologiKbeT *^reibgng, fetner aiu der m
Wicklung der BbergtDgiiperi'ide , wie wir «ogleieh sehen werden, wc
Minen gnindattze WelMttelieTR ptafen, ron denen er glaubt, „dnu
rodo alehcnd« iwit befolgt werdtn kännen, otine der spräche «ehe z
„I. CuDiunanten im anUate des wort<t« oder der stlbe Terlieren ihre i
twilnng rteta, also tu, ril »tatt Isu, tfil" new. Ans Afn bei Weizaicker geM.mM
tta belegen ergibt Hieb, das* nnr tt {a) in betracbt komt, da eine andere i
peloBg im anlant« nicbt begegnet, wie ich achua oben erwähnt hmb«_ Nun I
man aliar Dbei die bodeutuag des fi im anlaat« gar niebt nrteilen, wenn man nicht
aocb die im in- nnd auelaute lu rate sieht. Da iPigt eich aber, dass U in allen
drei ttUeii glelcbmftaiig gebraaeht wird ülr hartes z und daisetbe Tom weicbea^
welches auch schon vielfach ( gegcbrieben wird, aDlerecbeidet. Das i in htrM-f
ein gut« anderes aJa jenes In dm. Die alten Schreiber taten hier etwas UmUi
wie die modernen henosgeber mhd. denkmäler. welcbe für das oraterc i
andere j Terwcnden. U ist also eigentlich gar keine „»erdoppelong ," eimdem |
tia mittel, die beiden in der anssprache gelrenten laute anch fit dAS auf* I
ainander XO halten, nnd wer tt Qberatl tilgt, rerwischt diesen qateradltAd i
Weiuäcker, der A<ti, kantd usw. sehreibt wie diu. Erat da, wo { bbentU ■
if») geschrieben wird , kann U fallen gelassen uud i geseliriuben werden , weil j
ÜBEB KülfMKB, KBLAÜBR 8PIBLB Sil
die verachiedenen laute durch verschiedene buchstaben gekenzeichnet sind. Wenn
daher Zamcke schon im j. Titurel, Martin bei Saehsenheim die U stehen liess, so
hat das seinen guten gmnd. Nun begegnet es im 14. — 16. Jahrhundert aber auch
öfters, dass rohere Schreiber den umfang des tz über die oben gezogene grenze
hinaus erweitem und auch date, alleU, etz usw. schreiben. In diesen Wörtern
kann der wUde schössling entfernt werden, weil er keinen lautlichen wert besizt;
denn dass diese Schreiber wirklich date gesprochen haben, wird niemand glauben. —
Wenn Tereiuzelt auch zty zc '^ U, cz begegnet, so braucht man darauf keine rück-
sieht zu nehmen, da der unterschied rein graphisch ist
„n. Consonanten im auslaut des wertes oder der silbe, A. ver-
lieren ihre Verdoppelung oder Verstärkung a) in betonten silben nach einem vokal,
dessen länge zweifeUos bewiesen ist durch seine diphthongische natur wie kriegk,
eidt, auff, lauff^ greiffen, beuten, oder durch eine Schreibung wie brieffe usw.,
also kriek, eit, auf, briefe** usw. So Weizsäcker. Allein hier ist wider ganz ver-
schiedenes unter einander gekommen. Nehmen wir zuerst die beispiele nach der
art von kriegk, eidt und fragen, wie entstand hier wol die sonderbare Verbindung
der lenis mit der fortis?
Die etymologischen consonanten in kriegk und eidt sind sä g und d, welche
in unserer nhd. Schreibung ausschliesslich |zur Verwendung gekommen sind, wäh-
rend das mhd. der ausspräche gemäss im auslaute die fortis schrieb, wie Uriec, eit,
hcmtt 2^ usw. Hier durchkreuzten sich also zwei principien: die phonetische und
etymologische Schreibung, jene herscht in der altem, diese in der neuem zeit; in
der Übergangsperiode aber stiessen beide aufeinander, erhielt der oonsonant der
neuen Schreibung neben dem der alten geltung. Die mischung von alt und neu
bildet ja überhaupt den wesentUchsten charakterzug des 14. — 16. Jahrhunderts.
Nun ist es unsere aufgäbe, jeder zeit gerade das zu lassen, was sie besonders
charakterisiert. Wolt ihr daher nicht gefölligst auch 6ie kriegk , eidt, handt, magk
usw. in ruhe lassen, da sie so treflich zum gesamtcharakter der zeit stimmen?
Aber gesezt, wir würden eueren correcturgelüsten nachgeben, so läge die
frage vor: wie wolt ihr vereinfachen? Wolt ihr mit Weizsäcker hant, kriek schrei-
ben, so gebt ihr der alleinherschaft des alten princips eine zu lange ausdehnung;
schreibt ihr aber hand, krieg, so verfrüht ihr die alleinherschaft des neuen prin-
cips: in jedem falle also trübt ihr die geschichtliche Wahrheit, wenn ihr bei den in
rede stehenden Wörtern die überlieferte consonantenverbindung ^ beseitigt.
Nun komt es aber vor, dass unbedachtsame Schreiber diese consonantenver-
bindnng mechanisch auch auf Wörter übertragen, wo weder ein altes noch ein neues
princip wirksam war, wie in krangk, wergk usw. Und hier öfihet sich von selbst
die grenze erlaubter correcturen.
Gehen wir nun zu den andern der oben angeführten fälle über, zu auff,
lauff^ greiffen, brieffe usw. Weiter unten bemerkt Weizsäcker, dass ,,da8 lautzei-
chen f zu denjenigen gehört, welche eine besondere neigung zu graphischer Ver-
doppelung zeigen.** Dem entsprechend folgt noch eine reihe von belegen wie uff
(^^ üf)f welches Weizsäcker zu uf corrigiert; graff («c gräme) ^ welches Weizsäcker
1) Weizsäcker nent sie „Verstärkung'* der consonanten. Soll diese „verstär-
krmg" in demselben sinne genommen werden, in welchem man auch die grmination
Verstärkung nent, so würde sie eine ganz unrichtige auifassung von der entstehungs-
weise und bedeutnng dieser consonantenverbindung erzeugen ; soll sie aber nicht in die-
sem sinne genommen werden, was ist dann damit gemeint ?
24*
S72
Btohea liMt; Stiffle, dürffU, hulffe, herschafft nsw,, welche Weizsäcker wider sn
utifU, dürfte obw. corrigiert. Hütt« die ganx riofatige beobacbtung, Aaan gerad« f
im iu- nnd auslaute m gern verdoppelt wird, nü'ht aaf die erwAgang fQbrcn kOt»-
oen, ob nicht etwa «uhuii iu dar oatur dioBOS pansonauteu die ursachu ««inar fa&u-
ligen geiniiiatäou läge? Noch Schiller schreibt axtff, herschafft, lufft, uterffai,
sanfftts UBW., lud Gödcke hal in seioer kritiaohen aiugabe die geniiuutiun bewahrt.
Ja noch mehr: beorbeiter lebender dialekte wie Winteler, Hnnxiker □. ft. verwen-
den ;f nach vokalen, diphthongon, nach I und r, z. b. louffen, rufffe, reiff, Mffm,
icerffen usw.. um dainlt die phonetische natur dieser Bpiiantiechen forti« lu ofaank-
teriaiuren. Wenn nun die bUuher dieaer phonetiker iu Weizsäckers h&nde gerieten,
so würde er nach seinen grnndsStien die ff vereinracben oder — fielleieht Mich,
namentlich wenn er Wintclera und Hnnzikers saaeinandersetzongen über dteaen
conaonanten anfschlüge, seine grundaitze andern und ^ auch in den arkouden sto-
hen laasen.
äohen wir auf den ntclisten punkt in WeixBückerii daratellang über: „b) di«
voieinfachnng fiudet aacb statt bei nnbetDoteD silben wie htUienn, t%uritmtn, oOeet,
Iteidniasche , terderibnust , verständniag , honigk , lÄitumm , bi»t%u»mcn , binAoff,
büchoffe; aacb wird hdntt in hart verwandelt wegen der anologie fon habami and
habcH.' Hier iat wider veraohiedeneB unter einander geraten. Die geratnation In
der aenouBBÜbe -en und in keidnissche hat WeixBäcksr mit reobt getilgt, da de
keinen lautlichen wert beaizt und demgemäsa wol auch nur bei den rohesten scliiei-
bern begeguet. Über die Schreibungen alleei, kinäffk ist schon oben gehandelt wor-
den, bie andern Mle aber stehen nicht iu .unbetonten ,* sondern in nehentonigsD
Silben. Auch der vokal in nebentonigen Silben koute gelängt werden: htrtög,
bitchöf (vgl. Paul, beitr. VH, lOä). Oft ist die Iftaguug eingetreten, oft auch uicbt.
nnd wo die Überlieferung gemination des consonanteQ zeigt, künnen wir auf daa
leitete aohliesaen; diese besizt dabei „lautlichen wert.'' Bei den compaaiten mit
-tumm (=^ tuom, g. döms) deutet sie auf kQnang des vokals, da naeb den früheres
dpraeb Perioden langer vokal oder diphtbong xn erwarten wäre. Der schrei bgebraach.
den wir uns im nhd. gemacht haben, kann hier durchaua nicht xnm niasstab di»-
nen. — Bei kann ('— hält) stüzt «ich Weizaäcker auf die analogie von Aobcnw.
Allein dieso analogie trift nicht, wie leicht zu ersehen iat: denn bei Aann handelt
es sich un eine slameilbe, deren vokal der regel naob lang ist, aber schon aehr
frQhe BQch verkürzt ersohoint (vgl. Weinhold, Algr. s. 383). Auch in den leben-
den dialekten ist er in beiden gestalten nachzuweisen. Wenn nun Woiisäcker die
geniination des stamschlusaes tilgt, so verwischt er damit wider den anholtapDiikt
für die quantitatslrage.
Im folgenden absalze c) lehrt Weizaäcker, daaa die Vereinfachung anch etat^
finden kann ,in schwocb botouten einailbigen Wörtern, wo wir die schärfnng heute
nioht Diebr anszudrQcken gewohnt sind nnd meist anch in den vorlagen geschwankt
wird, also u statt üa (filr itt), den (artikel) statt denn, welches für enm blribt
(anch wenn es für denat durch eliaion des zweiten e stehen könte, wafalt man bu-
ser den, wenn nicht sonst der Schreiber entsohieden denen durchweg vorzieht), gt»
statt jienn {j;egim), von statt tonn, uf, of, daruf, darof sUtt uff usw., viek {proi
euQ, hinwek (June) statt viegk, hinvegk, in, darin usw. statt hui nsw., m BtkM
(für ihm, oder in dem; dagegen iwane nnvcriuidert), bi» statt (nis, bia rtAtt
Mb nnd bit, tu, daru9 statt «a», damaa, tu, danu statt um, daruai, mä (msI
wander) statt tnitt {mittenatder) , man statt mann [(r»D£. on; wogegen ilaa sali*
stantdviaeh gebliebene mann das dop^Dlte » behält, fala ea ein aolchea hat), äat.
lELB 373
wtt sbttt dett oder dezz »sw. , dta, wt» aUtt dean, teesg. ebenso da», was statt
düa», toats, and dae statt fjaf; oder due nair., und in EUHamneiuetiungeii wie
t^las statt af^las (für ablass], thoM statt etlu>a£, «tcof statt eczvitui, etlich statt
fteKcA, »luAc atfttt etliche, uItcA«r statt ic^ltcAcr (begreiöicb auch das richtigere
iklichem statt tcklichtm oder ij^tlicAem).'* Wir werden das gute und Sble dioser
lehre an besten erkeuneu, wenn icb gleich den folgenden abaatz mit anfSbro; vor-
erst will iüb nur aas dem gesagten jene lalle ausscheiden , welche zn den schon
frülier besprochenen gehören; «)f {= üf) za den ff; viegk, ijjklichma za der var-
bindung von lenis und fortis; bitz, daU, deU zo U. In iaa {=• ist) wird man
riberhaD)it muht von einer eigentlichen gemination, sondern rielmehr von einer
bcimogenen assiuiilation reden, die dann natürlich nicht ao ohne weiteres bei seite
gesohaft werden darf. Bei genn (— gen, gen, gegen) wird sich die Bache ähnlich
vorhalten wie bei hana, han, hän; vgl. Sommer au Flore 141 nnd Jänicke in
«tachr. f. d. a. 17, &06 nnd altd. stud. 59. — Der folgende absata B. lautet: , dage-
gen bleibt die verdupiielnng oder verstärkang dea uonsonanteu in hotunteii silben,
wo sie die achärfnDg der lezteren nach Icorzem vokal andeuten kann, iinboküm-
mort darnm, ob dem letteren eigentlich organische ISnge oder klirxe zakam. Je
aehwankendor die lant- und Bchreibrerhältnisse der zeit sind, lun die es sich han-
delt, am so miaalicher w&ro es gewesen, hier durch veroinfachuug nachhelfen zu
wollen; die längen und kürzen haben gewechselt und die ausspräche ist beute viel-
fach noch unsicher. Allerdings ist die verdo[ipeluDg des conaonanten noch kein
sicheres zeichen für die wirkliche schärfnng der silbe und kürza des vobals . . . ;
aber gerade weil die frage der quantität so vielen zweifeln unterliegt, wolte ich
in keinem falle darüber entscheiden, und zog vor, alles anverändert zu lassen,
ausser in fallen, wo die läage des vorhergehenden vokals durch seine nator and
Eobieihung unzweifelhaft ist wie oben bei U, A. a (worüber wir schon gebandelt).
Es bleibt also die verstfirkang des consouanten , sei es dass dieselbe darch wirk-
liohe Verdoppelung, sei es, dass sie durch zueaaunenstollang der media und tennis
ansgodräckt wird, in schaffen, ffraff, lotli, soll, »ladt, statt, tugk" usw. — Ich
stimme mit dieser auseinandorsetzung Wciisäckers ganz fibeiein nnd bedauere nur,
dass er den vorausgehenden abaatz nicht auch so behandelt, resp. mit dem lezteren
Terbimdeu hat; denn der nntersohied, den Weizsäcker Kwischou beiden macht, exi-
stiert in dieser weise nicht, oder ist etwa mann weniger betont als soü? oder
st«ht in etlvias = ettmoae, die gemination nicht aoub in der betonten stamsilbe,
da man weder fttiwas noch ettewäi sagt? schnzt in mitt, biea, mann die genuna-
tion nicht auch den kurzen stamvokal wie etwa in toiO, statt usw. ua«.? Unsere
nhd. Schreibung hier als correctiv zn gebrauchen, verbieten schon die zahlreichen
inconsequenzen , welche sie in sich birgt. Es ist Qborbaupt einer der zunächst lie-
genden irtümer Weizsäckers, dass er bald nach mhd. , bald nach nhd. weise corri-
giert; am deuüichaten tritt das s. LXXV zu tage, wo er sagt: „einiges schwanken
war Dbrigens, wo die wähl zwischen media and tennis blieb, namentlich anfangs
nicht zn vermeiden; ich eotschloss mich daher zu der maiirae, im algemeinen die
t^nuis als die schwerere form den sieg davon tragen zu lassen, also ^»E, bunt,
galt, hmklUA f&.i landt, bundt, galdt, Icungklidt zu setzen, in manchen ISlIen
aber der hentigen Schreibart zu folgen, da man doch z. b., wenn man einmal bei
dem unausstehlichen »ndt nicht ausharren will, in dieser periode nicht mehr unt
fBr und drucken kann." Heisst das nicht, die reinste wUkfir pruklamioron? Wer
■ehreibungen wie taut, ffolt nsw. .ausstehen" kann, wird wol aacb die tennis in
tnU and in den manchen andern fällen, welche Weiisäcker nicht nent, Tertrageo?
IckvinUcr IM
Midi i|Miw äakmOK» mAitiOsm
wU CkIsBi htnOat, »tkte {■ *■
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.befolgt«« ptVBdiiti« ftr 4i« werke eiB«i einBClMaii
■«fcrlftiUtlef» Dickt iB gaascB aafkBgc «»4 fit »iie «rkandBl-
■ ■■iBDf gir lickt aKweBdk» ■•!■ wtrdea.'
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farioAc k*fcn kli n riaidMltB
lU , I CeUt üa wort. Ewaa avt aadi Ego-, «r. /^mmm etn. Du w«rt
M obM iwtUd rieWf, akr die fenn iprMitig; 4<bb dkUw «»d «chniW' a|c»>
ebM Uirfa^. w»i m kun ^Imt nw /V>mM9i («^ i. b. m, «», 7(») ^er /IttMM
hMiws (TgLIT, Sl). — m, 286 itelit daa gani mwtmprMhlidw ^». — in,6&8
gtM fiMim krio« «rtriglidia lüui; *ien«id)t ut rmtm oder, da * nni i Sites
*Ml»«la, faauK n aefarc^ii. — m, 780 ist miihat offrabw oor kiu der obcm
xaDa barabgekiMiii&en. Kommen TWMhlag, daftr liUrm lu iMtrigiercQ, geWiBt
aoeh da4nreli an wahraclieiiiUcbkdt, da« der medkos in »einet antworl di« ftMUB
mit «Inem iluillch«D wniucfae entlBort: m, 798 *md tafs ewcK vnl »nnm AwMm
/om- — Wann Knnunor WduCoken gnodsitzen folgt, wamm fit«Lt dann UI, S6$
MueȤfUif ~ lU, 96'J wird widet die rein mhd. form gin eingeseit. die hier nidit
|>aMl. -~ l)fr dativ III, 10A9 «ut aenden herte» h&tt«, wenn m bewahrt wlfd
(and di« flberliernniDg iat gar wot m&glieh; vgl. Weinliold, mhd. gt. s. 491), kd
4m .ntiißlnallloiion" angemarkt werden mUod. — III, 1065. 66 bt wul äaö loiroV. —
III, IIH.1 er n itreleliat]. — Ol. 1193 ut jfuihtn d<>ch wol nur achreibfehler der
liandedirini Knininnr nahm diew form auch inii glossat auf. — UI. U9it blAt
di« varlant« d'em unklar; mIb wfirde db nicht nein, wenn das uaehfolgende oder
VuraiKgchnndi) wurt dalHriitSndR. — III, ViSÜ moss otn«, welches naT ans den
ralxuodnn r«r*n oiDgeilrangen Lit, gentricben werden, ebenso daH komma, daait
*Umt alJM und beiiitr lut dein klaffen, oder Ich versetze dir mit der flaehan huid
■In« uaw. — III , \SW: das toU du un» nicht verilaQen (.- taigtn). Daa int 4«r
kVEIl SPlKi.B
376
einzige reim a : ai, welcher in den Erlaner spielen begegnet, nad daher sehr ver-
d&obtig. U, '16 kiitt>t eine ähnliche stalte »üit >r tnier eeraweigen. verauxiifen .-
tmge» wäre ein guter burischer reim; itbrigeus ist dita ganze stnok von 1217 —
1366 durch zeichen ans der haodschriCt aaageschiedeD.
IV, 26 corrigiere aus der hellen. — IV, 393 steht der reim crwerfeti : ster-
ben; da unter ermerfen nur das algemein geläufige erioerben gemeint iat, Fült die
correvtnr nicht schwer; am so mehr überrascht es, dass Kummer in der einlcitong
a. XXII dieselbe unter den „weniger sicheren" anführt In derxeile begegnet wer-
fen ^= Kerben noch ein paar mal, aber das beweist in rückaicht auf den angefahr-
ten reim nur das Terderbnis des schreibcrs.
Warum steht nach TI, 95 ein abeatz? Der nahe verwante ludna de depo-
dtione cnicifiii Ton Debs hat keinen. Am Schlüsse dieses veraas ist der pnnkt in
streichen und nach 96 la setzen. — VI, 130 and 124 wird mee dreimal widerholt,
VHS dem entsprechenden verse in der ersten und lezt^n Strophe und der molodie
entgegen ist, auch bei Debs steht owe nur einmal. — troiiUt VI, 137 ist grSulich
ind wol Bchreibfebler für truetz: s nach t häuflg ;. — VI, 138 liest Debs : üt leben-
lig tod, stiitt Mientiger. VI, HO fehlt wie sehr oft aller rbythmus; ober Doba
licHt viel besser; lieben fraieen ehlagt mit mir. — VI , 150 darf die conjnnction
kaum fehlen; bei Debs ist der von wider ganz in Ordnung nnd beisst: vater und
achtpher uaw. — VI, 163 wol loan für im», vgl, z. b. 175. ~ VI, 170 begegnet
noch vnde, das in diesen spätem dcnkmälem selten zu finden sein dürfte; Debs
schreibt dafür und aaelt.
VI, 217. 18: JH prophecein ist uiarden toar, die mier teol var secknk jaren
weissagt der alt Simeon. Jeder sieht aus der ganzen stelle sofort, dass aeehiik
unmöglich ist; denn die woissagong Simoons fält erst nach Christi geburt In den
Varianten bemerkt Kummer: „»eckest bis auf -i% durchgestrichen; rielleicht vor man-
chem jar wie im S. Stcph. P. Sp. 330, 3, 13." Der erste schrciber hatte also mAeeik
geschrieben ; das bemerkte ein Icser und strich vom worte gerade so viel weg, als
daran falsch war, vergaes aber das richtige darüber zu schreiben, und das ist
nicht mangem, sondern dreyss^-ii); so äberliefurt auch Debs.
Dass der reint jaren : war zu jar : M>ar zu bessern sei, habe ich sehon oben
(s. 5) gesagt; wenn noch ein Zweifel darSher bestehen könte, würde ihn Debs ler-
»treoen , der jar öherliefert.
VI, 223 lias »wert, aber Debs liest besser ein swcrt. — VI, 224: sol ver-
»neiden dein gd in deinen hereen. Der vors ist fiberzJLbüg nnd die aosdraekaweiso
zweifelhaft, Wider bietet Debs die richtigere le&art: das Hol veraneiden dein hertie.
Ich bemerke, doss ich mit diesen emendationen aus Debs Eumuiem keinen Vor-
wurf mache; denn er konte sie nicht wissen, da sich die volständige ausgäbe Debs'
erst in der Vorbereitung befindet; aber schon aus den wenigen hruc h stücken , welabe
Pichler geliefert, hat Kummer gana richtig die nahe verwantsohaft zwischen Debs
und Erl. Bp. VI erschlossen.
VI, 23b dir alio gar; Debs hat dir so gar, was vorzoüehen ist, da auch
die andern drei verse der Strophe keinen aaftakt haben. — VI, 368 ist in dem zu
langen verse ich zu streichen; dagegen in dem zu kurzen v. 269 wol mich oder
tnieh n& zu ergänzen; auch 400 liest Kummet vm aol ich nu, während Debs sprach-
lich nnd metrisch ri<!htiger achreibt wo schol ich mich. — VI, 398 begegnet ein
dativ wie III, 1059; da auch Debs aus fiiratenleichen hat, so ist dadurch die Über-
lieferung hier nnd mittelbar auch an der frflheren stelle gesichert.
8l6 WICKEBWBI.I. , tBBR KrMMKH, BHI.irM HPHLB
Di« eteüa 40» — 10 ecbeiut mir lerderbt. KumiDet li««t:
ich man and pitt ««A nJI fceut
und pcgund» an dem lAenHgen tag,
das irr mit mkr habt di clUaff
umh mein gro/»€» laid.
Knmmer ühereext lebtntigen t<tg mit Icbzeit. Doniiiach wUrdcn die zuhbrcr oder
ksst gobeten , besondera bei ihrer lob^iuit die snlimerzen Mnriens bekU(;eii zu
helfen, und da« ist widersinnig: daiiD «eno siu klagen, mllMc>ii die oa solbotrei*
aUniUich bei lebseit tun, da aio ea vor oder nacbber oUuelÜD nicht käunen; fer&N
wfirde man bei dieser Qbersetziing tageti orwartcn. Ich glaube daher, dogs hier «in
Icaefehler des oltoo schreibera vorliegt und zii beaseru ist heutigen tag, inu cinetc*
gat«D simi gibt: „iah bitte euch alle hcuf (dann wird das „beut" noch einmkl
besouders betont) „und vorzüglich an dem heuligta tug, dofa" usw. Die ausdrück-
liche betonoDg des ,hentigen tag" int leicht erktÜrUch , da da« gpicl für den cbar-
freitag beetimt war und besonders an diesem tage die crinoening aa daa leiden
Christi und Mariens erwecken sulto. Daber widerholt der dichter auch 120 noch
einmal dieselbe bitte: da gedenhävet heut idl an.
Im glossar (171 — 196) habe ich nur einüelno stellen nachgeptüft. Es ist
eingerichtet fär solche , welche des mittelhocb deutschen nicht k'sndig sind nnd
zugleich auch für wiaBenachaftliche zwecke. FOr die ersteron ist gewiss genog
geschehen, denn auch würter wie atieiU = abend, «cAen =3 zeben siud ongcnbrt;
die teztoren aber durften einigemal zu kurz gekommen sein. Bei unelrrich z. b^
welches Leier In der bedeutung „schmlinke* gar nicht belegt hat, steht nnr der
verwds anf IV, 361 ; das wort begegnet aber noch öfter. KSlbing hat jtüigst wjdar
mit rocht betont (englische stud. VI, 153), dass in einem speciaiglossar wenigstens
die wichtigeren Wörter alle belegatellen an der seit« haben sollen. aiu/rncA seit
übrigens ein anstrich loraus. — Schlägt man in Kummers gloesftr rrile anJ, §a^
findet man „erde sL f. V, 193 auf erd U. 63'' — punctum. Der leiicograph, der
spater kommen wird, Kummers gaben entgegonznnehmon , wird daa lesen und d«r
meinung werden, dass erde in den Erlaner spielen unr at. gebraucht sei, sich »ber
damit beträchtlich schneiden, denn es begegnet in vers und reiiu öfter» ate sw. C
Bd cMttrt I, 50 ist entweder der rcrwoia auf kcUe bei Leier nnrichtig oder
CS hat die „nominalflexlon* in der aialeitnng eine lücke mehr. — ConslmctioDeii
wie die Ul, &02 bütte sowohl der laie als auch der genuanist wahrBcheinlich sehr
gern angemerkt gesehen. ~- Unter ituiit ist statt su« III, 13 «usl in schreibeu,
welches ausserdem noch viel SRer belegt werden kann.
Der bedeatonde wert dieser Erlaner spiele in litt« rarhistorisch er und simob*
lieber hinsieht und das verdienst, welches sieh Knmmer durt^h die bearboitnng nnd
heraasgabe derselben erworben hat. ist schon ondorwirts hervorgehoben worden
nnd wird hier frendig bestitigt.
iirüBBRtrcK. J. B. WACsZRireu..
Weither von der Vogelweide. Heranagegeben und erkliirt von W. WII-
nutnns. Zweite vollständig umgearbeitete ausgäbe. (A. u. d. L:
aermanie tische bandbibliothek, herausgegeben vun Julias ZmImf.)
Halle. Waisenhaus 1683. XII. 500s. 8. n. m. 10.
Die zweite ausgäbe hat mit der ersten (1869) wenig mehr gemein als den
vcrlasKer der gedichto , den berausgeber , und einen nicht olzugruESon tnll dor
BBSB WALTHBH BD. WIIMANNH 377
erklärenden aoneTkungeD. Alles ilbrigs ist nea oder völlig verändert. Zunäohst
die einleitung. In dieser fehlt ganz der abschnitt I (1. 1—28) über den minne-
BBOg im slgcmeinen nad das leben nnd dichten WfütherB im beaonderen; wob darana
geworden ist, lehrt die Belbst&ndigo biographic, welche fiberhanpt als notwendige
Vorarbeit nnd ergfcnzuug der zweiten ansgabe in allen stücken nn betrachten ist.
Far abschnitt 11, Walthera knnst (1. 28 — 58), aind drei gesanderte teile eingetre-
ten: die spräche (2. 20—43). die metriacbe form (2. « — 63), atil (2. 63 — 100).
Ans abschnitt lU (K 58— 112) sind die kritischen anmoikiuigen zu den einzelnen
liedem ganz entfernt: sie kehren am ende der zweiten ausgäbe (b. 455 fg.) nur sehr
veränrlert nnd lermindert widor. Dagegen ist fnr die kurzen mitteilnngon über
die h&ndscluifton (1. 58 — 65) eine weit längere abhandlnng (2. 1 — 19) oingeseit,
die sich besonders mit den samlangeu der gedieht« beBobaftigt and der anf diese
begründeten zarerlässigkeit der Überlieferung, welche Wilmans (2. 18) änsaerst
germg anachl>,
Nicht weniger eingreifend ist die Umgestaltung des textes (2. 101 — 113); die
in der ersten ausgäbe versnchte chronalogische anordnnng ist ganz beseitigt, die
liedar sind in der folge des Lachmannschen toit«B (3-'125] gegeben; der veruuch
einer ehtcnalogie, woUher die hanptarbeit der ersten ausgäbe bildete,
oreoheint in der «weiten ausgäbe zwar auch wider, aber nur auf einer ein-
zigen Seite <2. 455), ähnlich wie bei Lachmann s. 126. — Es folgen dann: im
ersten anhang lieder nnd strophen , die Lachmann in die anmerknngeu nnd in die
dnleitung gesezt hat. (2. 415—446), ähnlich dem anhang der ersten ausgäbe
(339 — 378); im zweiten anhang (2.447 — 453) nachahmungen nnd parodien durch
andere dichter; ein Verzeichnis der wichtigeren abweiobnngen in den teit«n von
Lacbmunn, Wackernagel and Rieger. Pfeiffer und BartBch, Stmrock, Faul (2. 4^
— 480), jedoch rein statistisch, (aat ohne kritische bemorknngen; Verzeichnis der
lieder und spräche nach ihren anfangen (3. 481 — 486), d. h. alphabetisch nach
dem anfnngswort, während die erste ausgäbe (379—390) die Lacbmannsche (221—
232) tabelle noch den reimen hatte. Die Tergleichnng der Lachmannschen zahlen
mit WilmBnns (1. 391 — 392) ist selbstredend als überflüssig fortgofallen. Das
register (2. 487—499 = 1. 393—402) verweist nicht nur auf die ausgäbe selbst,
sondern auch auf Wtlmanns Waltbcrbiographie. Eine lileine anzahl bcrichtigungen
(s. 500) macbt den beschlnss; dieerklämng der abkürzongen (1. 402) ist fortgefallen.
Prägen wir nun nach den gründen für diese tiefgehenden veräudenmgen, so
finden wir dieselben in dem Torwort (s. V — X) genügend dargelegt, wobei gleich-
zeitig weit aber die Waltherforschung hinausgehende gmndsätze entwickelt werden.
Den anfälligsten unterschied, die veränderte folge nnd die einfühmng der
Laehmannschen Zahlung, begründet Wilmauns dadurch, dass er seinen ersten ver-
SQch einer cLronulugie [Gr mislusgen und die dabei angenommenen gosichtspnnkto
fftr falsch erklärt — ein freies bekentnis, dessen vielleicht nicht viele anloren fähig
sind. Die mittel, welche ihm jczt eine nene cbranologie möglich machen, nämlich
die betrochtuDg der kunstform, hielt er aber (s. IX) nicht fSr ausreichend, um
damit eine neue reibenfolge der gedichte mit fflcherbeit zd gewinnen; Wilmaons
hat hierdurch sein buch vor dem gcachiok bewahrt, in einer dritten aufläge viel-
leicht wider eine neue Zählung zu erhalten, nnd zugleich erreicht, wie wir wenig-
atone hoffen wollen , dass niemand Waltbers gedichte in der folge anders als nach
lAcbmann citiert. So werden wir hoffentlich vor dem grenzenlosen zustande der
citatonverwiirnng gerettet, der jozt schon algeraein eingerissen ist und mit jedem
neuen Waltherdrucke wuchs.
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KINüBL, DBRB V, BAKDIUt, DltTTBCKH TBIL. IM OROVI^B. 319
Die deutsche Philologie in GrondrisE von Karl von B^der. Padcr-
boro, SchSoingh 1883. XTI and 456 ss. 8". n, m. iS.
Zq bibliographischen arbeiten gehört viel Belbstverlengnung, denn sie sied
sehr mBhsain, und selten entspreciien auerkennung und erfolg der aufgebauten
mühe. Mit geringscbätzung glauben die meisten auf die zusammengeatelten bnchor-
titel blicken za dfirfen, ilie dem einen nichta oder lU wenig, dem andern niehta
neaes zu sagen Gcheinen, und vornehm liält sich hier ein jeder für berechtigt,
lachen Dod mängcl zu tadeln oder an der anordnung und gruppierang des stuffes
zu mäkeln, welche dem bibliographen oft viel kopfz erbrechen machten. Hier muss
ein veibsHer mehr als bei jeder andern ftbeit von dem natzen überzeugt sein, den
sein nerk als Uülfsntittel der Wissenschaft bringt, und die hafnung hegen, dass
jeder, der dasselbe zur guten stunde ausnnzt, ihm den schuldigen dank nicht ver-
sagen werde. Diesen dank verdient K. v. Bahder dafür, dass er es nutemommen
bat, Heinrich Hoffmanns „Deutsche Philologie im Grundriss" in einer dem heutigen
stände onsrer wiasenscbaft entsprechenden weise neu ^u bearbeiten.
Jenes verdionstliche buch, im jähre 1836 in Breslau bei Adorbolz erschienen,
enthielt mit regieter 239 weit gedruckte seiten und um&sste in I einloitung, A enoy-
clopadie, B geschichte der deutschen philalogie, 0 hülfsnittel ; II litteratnrgeechicbt«:
m spräche, A grammatik, B etfmologie, C Iciicographie, D mandarten, G poetik
□nd prosodie, F stit; nnd zam schiaas auf zwei Seiten „einige belspiele guter art"
von rv henuenetitik und kritik. Dieser lezte abschnitt vtirzcichnotc in 15 nummem
a. a. Lachmanns Über dos Uildebrandslicd 1S33, Nibelungen XS36, Wolfram 1833,
Iwein 1827, Walther 1827; W. Grimms Rudolf 1828. Freidank 1834; Schinellera
MuspÜlJ 1832: Beneckes Wigaluis 1819; Primisaers Suciienwirt, Hoffmanns Beineko
Vob; Hallings Pischarts Glflckhaftea Schiff; Elupatoeks Oden von Vetteriein 1827
und von Gruber 1831. Das buch wird als denkmal der Vergangenheit seinen wert
behalten. Über aufgäbe und zweck desselben äusserte sich Hoffinaun in der umfang-
reichen einleitung p. VI: „e* schien mir in vielfacher beiiehung nözlich, einen
bibliographischen nmriss dieses ganzen sich jezt erat systematisch gestaltenden
stodiuflia zn entwerfen, damit jeder, der sich ans beruf oder neigung damit boaufaäf-
tigt, leichter den ganzen stofT, die hhlfsmittel und quellen usn, ilborsiebt, und
wenn er die Wissenschaft in fördern beabsichtigt, auch alle Incken kennen lernt,
die sich hie und da ergeben. Es konte hier nicht darauf ankommen, nur die goten
hfloher namhaft zu machen, die geschichte der Wissenschaft bat aacb auf die ver-
febleuden richtangen gebfihrende rückaicht za nehmen. . . . Dio ausgaben einzelner
deutscher scbriftsteller der älteren aowol wie der neueren zeit und ihre biogiaphien
liegen ausser dem boreiche meiner schritt und fallen überhaupt der apeciellou litto-
raturgeachichto und der hibliographic aDheim."
Diesem plane ist von Bahder in seiner erneuerung des Werkes im wesent-
liehen gefolgt, zunächst insofern, als er der anläge und dem zwecke des ganzen
entsprechend titcl an titel reihte. Hoffinann weite es „mündlichem vortrage über-
lassen, den wert oder nnwert jeder einzelnen erschcinnng n&her anzugeben and
auch vBahder „hatte diese Verwendung des grundrissea nebenher im äuge. Ausser-
dem, ßUirt er fort, dachte ich mir ihn in den bänden des gelehrten, dem es von
wert ist zu übersehen, was auf dem gebiet, dem er sich anwenden will, goluistet
ist nnd was noch zu tun nbrig bleibt." Es ist anznerkennen , dass dies schon ein
recht erstrebenswertes ziel war, aber wir möchten es doch nur als ein vorlänflges
bezeichnen. Ton nnschäsbar höherem werte erschiono uns ein werk, dass jede
Bchrift kurz nach ihrem werte charakterisierte nnd den fortsohritt darlegte, den es
M
Lme, Ann 1
in dor entwicklung der wissenscLaft bedontot. Wir erhielten damit ein comp«
der deotecben Philologie, das einmal der wiKsetiBcbaft selbst zu gute k&me, i
»her tincb ffti weitere kreiae aU die, welche varleanngen halten oder böreo,
grösten nut3;en wfire. Ein Bolchos compendiura durfte dann aber auch die litteratoi-
denkmäler nicht entbehren, nnd es wäre sehr nünscbenswert, daas vBabder die-
selben in einem zweiten bände des grundriasus TociluGg in der form de» eben gelie-
ferten bebandelte. Es ist wol ausser zweifei, Juss sieb wenigstens in don lexten
jähren das Interesse der auf unserem gebiete arbeitenden überwiegend den deok-
mälern zagewant hat, wie die jährlich ersuheinenden bihliograpbien aasweisen.
Die ointeilnng HaftiiannB ist in der bearbeitung beibehalten; es sind alier
zwei neue abschnitte hinzugekommen, n&mlich IV Volkskunde s. S31— 303 mit den
abteilnngen glaube and brauch, sagen und mfirchen, Tolkalieder, Sprichwörter; and
T altertamer s. 304—323 mit den abteilungen algemeine culturgeechichte, cultni-
geschichte alter und mitlercr zeit, kunst, recht und Verfassung. Femer ist daa
Niederländische behandelt. Eine beschrankung des planes ist insofern eingetreten,
als die litteratorgesubichte der neuen zeit and die mundartliche litteratur wegge-
lassen sind; in der uhd. gramuiaUk und Orthographie iat nur das wichtigere, da«
einen wissenschaftlichen Charakter trägt, angeführt. Wir hätten gewünscht, daas
dieser leztoro geeichtspunkt überall featgebalten wäre: alle nicht Wissens chaftliclicn
werke hätten ans dem buche wegbleiben müssen. Es wacht z. b. einen wunder-
lichen eindruck, wenn wir unter der (iberscbrift quellensanilnngen in g 13 leaebfichec
für schulen wie Buddes Chreatomatie für die obcrn klassen der gymnasien und in
g 14 qaellcnsamlungcn l&r das mittelhochdentsche widerum solche wie Hennebergen
Altdeutsches Icsebncb für hiibore lehranstalten u. a. neben Beneokes Beitrftgea,
Koloczaer Codoi, Hagens Dentachon gedichten etc. finden. Weite der verfauer
solche bücher aufnehmen, dann mustu er ihnen eiuen selbständigen platz anweisen
Dud möglichst volatändigkeit erstreben. Dasa das lezt«re Dicht der fall ist, lehrt
ein blick auf den Jahresbericht der gormanischen pbilologie. wo in Jahrgang 2 und
3 diese litteratnr in einer besonderen abteiluug am schluas behandelt ist. In einem
grundriss der deutschen pbilologie wird man sie föglich entbehren können. Wolto
der Verfasser aber hier wie anderswo, beispielsweise bei den paradigmen, eine aus-
wähl geben, so ist es nicht leicht, den gesiohtspuukt herauszufinden, der massgebend
gewesen ist. Auch sonst hatten wir — abgesohon von ergänzungen , welche in gTJ>-
sserer zahl erst der längere gebrauch des bnches ergehen kann — manche frage,
B. b. über die einteüang von § 8 germanistische bibÜograpbie mit der nnterabt«!-
Inng (?) litteratur und littoraturgeaohichte, aber wir begreifen, wie sich bei einex
so mOhsameu an übersieht liehen arbeit, welche sich durch vier und ein halbes jähr
hinzog, bisweilen die principien, die ansieht über die bedeutung eines gegenständes,
änderten, so dasa es unmöglich wurde, gleich beim ersten warf überall gleichiDäaaig
P%u verfahren and keine zweifei übrig zn lassen.
In mehr als einer beziehung bietet das buch auch beim ersten durchbtätt«ni
anregendes und interessantes. Ich erwähne n. a. den § 6 bibliotheken, welcher fib«t
die schätze von 48 stjidteu von Paris bis Petersburg, von London bis Rom auekanft
gibt. Femer den §47 Über rechtscbroibung, welcher mehr als 100 nummem ent-
halt und mit Eolross Euchiridion und Fabian Frangk, Tentscher sprach art und
oj'gonscbam. orthographia, gerecht buchstaabig tontsch zuschreiben. Frckft. 1531
begint. Hier werden verzeichnet für das 16. jahrhnndert 5 schritten, fUr das 17.
I Jahrhundert 10. für das 18, johrh. 37. aus der angehonren menge des 19. jahrhuif
'k dert« natürlich nur eine auawahl. Damntor belustigt ur. 995i Ch. U. Wolke, ^tittk |
ÜBBR V. MUTE, MITTBLHOCHD. KBTBIK 381
tong zur dentsohen Gesamtsprache oder zur Erkennung und Berichtigung einiger
(zu wenigst 20) tausend Sprachfehler in der hochdeutschen Mundart; nehst dem
Mittel, die zahllosen — in jedem Jahre den Deutschschreihenden 10000 Jahre Arheit
oder die Unkosten von 5000000 verursachenden — Schreihfehler zu vermeiden und
zu ersparen. Dresden 1812. 8®. 460 ss.
Den schluss des huches macht nach einer reihe von nachtragen ein um£Emg-
reiches autorenregister s. 330 — 454, das zugleich sehr dankenswerte biographische
notizen zu vielen namen gibt. Es wäre sehr zu wünschen, dass eine neue aufläge
dieselben vermehrte und vervolständigte. Dies wird aber nur möglich sein, wenn
dem Verfasser nachtr&ge zugesant werden; bei manchem lebenden autor ist uns das
fehlen jeder notiz auffallig gewesen, z. b. bei Adalbert Bezzenberger, ten Bnnk,
Heinrich Düntzer, Hermann Grimm, Kai\ Lucae, Anton Schönbach, Alwin Schultz,
Heinrich Steinthal. In vielen fallen geben hier allein schon die nachweise über
die mitarbeiter der Zeitschriften Z. f. d. a. 26 und Z. f. d. ph. 10 einige auskunft.
Vermutlich hat auch hier die fülle des materials den Verfasser verhindert, überall
gleich genau zu sein.
BBBLIN, DBC. 1882. KABL KINZKL.
Mittelhochdeutsche Metrik. Leitfaden zur einführung in die lectüre
der classiker. Von Rieh. t. Math. Wien, Holder 1882. YIII u. 130 s. n. m. 3.
Eine wissenschaftliche altdeutsche metrik ist ein lange gefühltes bedürfnis,
das überall hervortritt. Wenn man die einleitungen zu den ausgaben mhd. Schrift-
steller mustert, so springt es in die äugen, wie jeder autor mehr oder weniger
selbstgebahnte wege auf diesem gebiet geht, weil ihm eine feste grundlage fehlt,
auf der er weiter bauen kann. In der auffassung des einzelnen, in der termino-
logie u. a. begegnet man den grössten Schwankungen, oft nicht aus einem auf ver-
schiedener anschauungsWeise beruhenden gegensatze, sondern weil es an einer form
fehlt, an die man sich anlehnen, die man erganzen und bestätigen oder bekämpfen
kann. Nicht als wären die wichtigsten dinge in der altdeutschen metrik nicht
längst festgestelt, aber die bemerkungen finden sich in vielen Schriften zerstreut,
und wer nicht gerade das glück gehabt hat, auf der Universität ein gutes colleg
über metrik zu hören und nachzuschreiben, der wird später oft recht ratlos söin.
Dieser not hilft nun in gewissem masse das büchlein vMuths ab und wir begrüssen
dasselbe deshalb mit freuden. Der Verfasser will keine selbständige wissenschaft-
liche metrik schreiben, denn dazu bedürfte es, wie er im vorwort selbst bemerkt,
der berücksichtigung der historischen entwicklung, der steten beziehung auf ältere
form und Übung, vornehmlich Otfrids, und „dazu gebricht es auch vor allem noch
an den notwendigen vorarbeiten über die beiden den classischen Zeitraum umschlie-
ssenden Übergangsperioden des 12. und 14. Jahrhunderts.*' vMuth beabsichtigte nur
die in monographien und besonders in den anmerkungen zu Iwein, Walther und
Nibelungen, zu Engelhardt und Erec, zu Flore, zur Kudrun u. a. zerstreuten notizen
zu sammeln und systematisch zur darstellung zu bringen. Zu hülfe kam ihm dabei
ein collegienheft Lachmanns über metrik, welches Zacher im winter 1842/43 nach-
geschrieben und dem Verfasser freundlichst zur Verfügung gestelt hat. Wie weit er
dasselbe benuzt hat, gibt er selbst so an: „Wer dies mein büchlein mit lust und
nutzen anwendet, weiss, wohin er seinen besten dank zu kehren hat: nicht dass
ich unmittelbar daraus geschöpft hätte (das wenige, was ich jenem hefte entnom-
men, habe ich gewissenhaft bezeichnet), als vielmehr, weil mir damals erst die
ganze bedeutnng, grosse und schärfe der Lachmannischen metrik klar wurde.**
382 KINZSL, ÜBBB V. IITJTH, MITTILHOCHD. lOTBIK
Wir haben also in dem bnche eine dantellong der metrischen gesetse» wekhe
etwa von Hartman bis Eonrad beobachtet wurden. Der stoff wird auf a^t ca|nid
verteilt. I handelt von betonung und quantitftt, II von versmessnog^ und silbea-
Zählung: metrischer einsilbigkeit, verschleifung, elision, sjnaerese, synaloephe elc,
m hebung und Senkung in ihrem Verhältnis zu einander, IV besondren stellen in
verse, auftact und versschluss, Y reim, VI caesnr, VII epischer und lyrischer atrophe:
Nibelungen-, Hildebrands-, Walther-, Kudrun-, Babenschlacht-, Titnrelstrophe,
Bemerton, VIU leich. Am Schlüsse folgen wertvolle zusammenstellongen der aas
den litterarischen hülfismitteln besprochenen stellen, ein index über den brauch ein-
zelner autoren und dichtungen und endlich ein register. Es wäre gewias praküseh
und dem zwecke des buches entsprechend gewesen, wenn der verf. zu weiterem
Studium der metrik den weg gewiesen und die wichtigste litteratur znaammenge-
stelt hätte wie Schade, GrundzOge der altdeutschen metrik in den Weimarischen
Jahrb. fOr d. spr. I u. a. Aber der verf. hat den kreis seiner leser sehr eng begrenzt;
er sagt: „dies büchlein ist nichts andres und soll nichts andres sein, als ein leit-
faden für solche, die zum ersten male an die lectüre unserer mittelalterlichen dat-
siker schreiten wollen. Dass es nicht auch andre benutzen werden, darum ist mir
nicht bange: für sie aber ist es nicht geschrieben." Dieser anfang des Vorworts
könte manchen zurückschrecken; aber der verf. hat es wol nicht so bös gemeint,
macht er doch auch selbständige vorschlage, welche er algemeiner beachtang em-
pfiehlt, wie im n. cap., wo er mit recht darauf aufmerksam macht, dass er durch
scharfe definition eine feste terminologie zu gewinnen versucht habe, deren alge-
meine anerkennung und durchführung unter allen umständen von unmittelbarem
praktischen nutzen wäre. Wir meinen freilich nicht, dass ihm diese schärfe der
definition überall gelungen ist. Gleich in § 2 hätte durch genaue Unterscheidung
echter und unechter composita grössere klarheit in den vierten absatz, in die bei-
spiele (welche mit dem praeteritum zu versehen waren) und in die anmerkun^ (»von
solchen (?) verben*') gebracht werden können. In § 7 „verse entstehen .... durch
einen regelmässigen Wechsel stärker und schwächer betonter silben** beanstanden
wir das wort „regelmässig**. In der anm. zu § 18, welche von der betonung hebe
mit leide handelt, scheint uns ein Widerspruch darin zu liegen, dass die betonung
Ud)i mit leide einmal s. BS „unaussprechbar, undeutsch** (vgl. jezt Behaghel, Elneit
einl. s. 83 und meine recension in dieser zs. 14, 107), dann aber s. 34 „ebenso
möglich als bewust vermieden** genant wird.
Diese anmerkung bringt uns aber auf einen andern punkt, in welchem mit
entschiedenem tadel nicht zurückgehalten werden darf: das ist der ton der polemik,
der auch in dieser schrift des Verfassers, wenn auch seltener, erklingt. Es ist ja
gewis nicht leicht, bei den masslos persönlichen angriffen, welche von gewissen
Seiten mit rastlosem elf er und immer gesteigerter schärfe gegen jeden gemacht werden,
welcher ihnen zu widersprechen wagt, kaltes blut zu behalten, und bisweilen ist
eine energische Zurückweisung der Unziemlichkeiten geboten, aber wünschenswert
bleibt es, dass sich niemand dadurch zur nacheiferung reizen lasse, sondern dass
sich alle edleren zur bekämpfung von zuchtlosigkeiten verbinden. Ist herr von
Muth dazu bereit, so muss er sich der ausdrücke „leichtfertige meinnng**, „ganz
frivole behauptung**, „was derlei unsinn mehr ist** begeben. Am wenigsten aber
ist wol das Vorwort der ort zu so scharfen invectiven wie den folgenden: „der mängel
seiner arbeit ist sich der Verfasser sehr wol bewust — besser vielleicht als mancher,
der jezt als gestrenger richter im Heidelberger litteratur- oder im Leipziger ccntral-
blatt dieselbe als unnützes und wertloses machwerk vom hohen rosse verurteilen
HBHBIOI, ÜBBB BBOKBB, ALTHBIM. MIMlIBSANa 888
wird: ich meine jene herren, die in einem grossen Varianten - apparate nur eine
Variante anslassen» aber grade die, die sich nicht übersehen last and aof die es
(als urkundlichen beweis fftr des gegners meinung) ankörnt (man vgl. Bcitr. z. d.
phil. Halle 1880 s. 269 mit Bartsch Nib. IIl , s. 82) . . . So übergebe ich denn dies
büchlein allen denen, die von der sache wirklich etwas verstehen, den
nicht, wie weiland M. Haupt sagte: ad iudicandum quam ad inteHigendom promptio-
ribus,^ damit sie entscheiden, in wie ferne es solchen, die von der sache wirklich
etwas verstehen lernen wollen, tauge!*'
An fehlem ist mir aufgefallen s. 4 truhtzaee, 16 Bartsch Bother. Warum
schreibt verf. percent für procent s. 58. 83 u. 5. , und ancu^rostikan für akrastichon
s. 74 und 77 mehrfach?
BBBLIH, DBC. 1882. BJkBL KDIZBL.
Reinhold Becker, Der altheimische minnesang. Halle, M. Niemeyer, 1882.
Vni, 230 s. 8«. n. m. 6.
Es ist seit geraumer zeit guter ton geworden, das eigentum der älteren
mittelhochdeutschen Ijriker für nachahmung romanischer Vorbilder zu erklären, in
form und Inhalt Nach dieser mehr oder minder in allen neueren arbeiten vertre-
tenen ansieht muss es in köpf und herz bei den deutschen rittem vor 1170 unend-
lich öde ausgesehen haben ^ und später konte auch keiner liebe schwören, ohne vor-
her bei irgend einem Provenzalen oder Franzosen eine anleihe gemacht zu haben.
Dass diese ritter zwar meistens provenzalisch weder verstanden noch lesen konten,
wurde dabei nicht in anschlag gebracht. Die nachgewiesenen enüehnungen galten
für sicher; auch der alte Eümberg war schon ein plagiator.
Dieser bequemen dogmatik gegenüber ist es freudig zu begrüssen, dass der
Verfasser der vorliegenden schrift den versuch macht, nachzuweisen: es hat in
Deutschland eine liebeslyrik bestanden vor dem einfluss der roma-
nischen dichtung; reste dieser dichtung sind noch vorhanden und
ihr hauptvertreter ist Reinmar der alte. Sie war selbständig in form und
Inhalt bis gegen 1190, ihr hauptsitz ist die Donau in Österreich, besonders auch Wien.
Ich will zunächst den hauptinhalt der dazu führenden Untersuchung angeben.
Cap. I. Reinmar stamte nicht aus dem Elsass, sondern aus Österreich, aus
einem hier nachgewiesenen geschlechte von Hagenau; nach metrik und inhalt seiner
gedichte gehört er nicht zu den westdeutschen dichtem.
Cap. n. Das Reinmar -Ruggesche liederbuch gehört im hauptteil Reinmar
an; im ausdmck Reinmars finden sich eigentümlichkeiten , die den westdeutschen
dichtem fehlen; auch MF. 6, 5 gehört diesem dichter (wahrscheinlich).
Gap. III. Die technik der ältesten ritterlichen lyrik ebenso wie die der Sper-
vogeldichtung, der Nibelungen, der Eürabergslieder u. a. zeigt keinen romanischen
einfluss; es ist bemerkenswert, dass die meisten dieser gedichte nach Österreich
gehören.
Cap. IV. Im liederbuche Dietmars v. Eist sind zwei dichter zu unterscheiden,
nur ein teil gehört also zur altheimischen dichtung.
Cap. y. Der fortsetzer dieser österreichischen, der altheimischen dichtung,
ist Reinmar; bis zum kreuzzuge Friedrich Barbarossas war er ganz frei von den
romanischen, bereits am Rheine herschenden einflüssen; erst durch den kreuzzug,
1) Ich lasse die klammer mit namen weg.
SM HEMRICl, (MlKH BECKER. ALTHHIM. KINSIS»!«)
&1bo etwa seit 1189, ktun er ilamit in beruhniDg und unter Hanaens eiii£au. Di*
tieder BeiDinarH lassen sich nach dieser loitteiluog ordnan.
Cap. VL Zwischeii d«r alten österreittliisQbcn und der rlieinisiJieii l.vrUt besteht
auch ein innerer gegeneatz, nicht bloss der in der tecbnik; die weoeDtlkhsn ItMl-
seieben der tronbadonre fehlen in der öBterreichiscben dicbtung, Anch sp&ter, imtar
HauBena einflnse, bewahrte Beinmar die alte gesinnnng.
loh glaube im voretehenden die ergebnisse Beckers im wesentlichen uitgeteDt
za haben und mass die prüfong der meist nur im susammenbange swiDgeudeu grttnd«
hier fibergefaeD. Nur einzelnes sei noch hervorgehaben. Ich glaube lUDächst, da«
der Verfasser sich in der beimatsfroge ßeinmari unnütze wege gemacht und am
falsehen ende aiigofougen hat. Wenn Becker erst gezeigt hätte, daas Beinmar nach
seinen gesinnnngen, lebi^nsverbältnissen und sogar nach seiner tecbnik ein ö«tei^
reicher ist, dann wäre ihm die negative seite leichter geworden. Aber nicht ihm
nur, eondern noch mehr dem leser. So aber fragt man sich bei dem ersten capital
fortwährend: warum soll er denn aber kein Elsaasor aein k&nnen? ja weil et
eben ein Österreicher ist, antwortet cap. V. Hier h&tte verL den weg einschlagen
müssen, den Wilmsnns bei Walthers heimat nahm; denn es wird wol kanm jemand
behaupten, doss äussere Zeugnisse für heider dichter hi'tmat vorhanden sind. Sind
aber keine Turlianden, dann sind die inneren allein entscheidend. Becker glaubt
nun zwar an äussere Zeugnisse bei Beiumar uud muss sich deshalb abmühen, geg«n
diese Windmühlen zu fechten. Besonders die Nachtigall von Uagonau macht Ihm
grosse mühe; er hätte ohne schaden das ganze aber bord werfen können, denn wer
hflrgt daf^r, dase die Triatanatelle richtig auFgefsHst ist? leb traue mir uicht die
«ntacheidung zu, ob Beckers austährungen mit Hagenau als Reinmars familiennamen
sich vereinigen lassen, denn die gescbicbte mit den üsterreichischeu Uagenans, 90
lange wir den Beinmar uicht urkundlich baben, ist und bleibt hjpothese. — Ui«
banptfrage ist immer die: sind die eotlehnuugen ans romanischem vorbilde in aller
ritterlichen lyrik von anbeginn so nauhge wiesen, dasa eine aelbetändige gar nicht
bestanden haben kann, oder aber ist solche selbständige, unabhängige noch via-
bandenV In dieser richtung hat Becker ganz unnwcifelhaft richtige beobacbtangen
gemacht,' ich stehe nicht an, das ulgcmoin gelten in lassen, was er Qber Beinmar
allein sagt (a. 'i06); „Han bat bisher oft geuog sich gefragt, wna Iteinmar *on
seinen vargängem, besondera von Eaueen entlehnt. Es iat aber nicht minder
wichtig, za fragen, was er nicht entlehnt."
Erlangen Beckers ansicbten, die ich ftir meine person immer gehabt babe,
algemeine gfilUgkeit, dann werden sieh ausücliten öfnen, die Becker noch nicht
nberblickt hat and zu denen man wesonttich sach durch Wilmouna Walther gel&ugt;
dann ist das centrum dentsebes geietoslebens die Donau bei Wien, nicht deiBhein:
dann brauchte Wolther sich siebt erat von romanisclien einflQssen loszumachen: tw
gab vor IIW in Wien noch gar keine, sn einer zeit, wo Waltber doi^fa schon 1d
der blOte der jähre stand. Dann ist auch Waltber der directe turtsetser de« all-
beimischen minnesangs und seine hlichste blÜte.
BsaUH. 16. FOTEMBSR 1B8£. UUIL BBKIUn.
, BaeUnial«»! im Viim.dmiam.
SEIN ODER NICHTSEIN DES GUIOT VON PROVENCE.
I.
§ 1. Die frage, ob Wolfram von Eschenbach seine nachweit
belogen: dass er nach einer französischen vorläge des Guiot von Pro-
vence seinen Parcival gedichtet, oder ob er der Wahrheit die ehre
gegeben habe, wird freilich so lange unentschieden bleiben, bis es
geglückt ist, den Guiot, nenne er sich nun de Provins oder de Pro-
vance selbst in person mit seinem werke unterm arme in die gerichts-
stube zu föhren, und kann es daher fast als töricht gescholten werden,
darüber einen streit, wie über ungelegte eier oder um kaisers hart zu
führen. Allein mit recht bemerkt Bochat im eingang zu seiner ver-
gleichung unsers „Parcival'' mit Crestiens de Troyes Contes del Graal
(Pfeiffer, Germania, b. III, s. 81): „Es ist in der tat keine unbedeu-
tende Sache, zu erfahren, auf welche weise ein werk, wie Wolframs
Parcival entstanden sei: welcher grundlage es seine existenz verdankt:
ob und inwieweit sein rühm durch ein anderes ähnliches werk bedingt
ist, oder ob sein dichter in allen punkten selbständig und schöpferisch
auftrat?" — Mit der leugnung Kyots, den er wie ein trügerisches
meteor aufsteigen, aber ebenso wider verschwinden lässt, stimt auch
Zarncke (Paul und Braune, Beitr. III, 304: Zur Geschichte der Gral-
sage) überein, indem er alles, was über Crestiens roman hinaus von
Wolfram erzählt wird, für ausschliessliche dichterische erfindung des-
selben erklärt; und Kochat komt zu dem schluss: „Wenn alles, was
Wolfram mehr hat als Crestien, er nur dem buche Kyots verdanke,
es heissen müsse: Parcival aus dem Französischen des Kyot in das
Mittelhochdeutsche übersezt von W. v. Eschenbach. — So weit ist man
gegangen l"^ — Nein , geehrter freund , so weit ist man nicht gegangen.
Man hat nicht vergessen, und weiss aus andern beispielen, wie ein
einfacher roher sagenstoff durch dichterische begabuug zu einem idealen
kuustwerk erhoben werden kann. Die legende von H. Ciprian und die
Faustsage in den bearbeitungen von Calderon bis Goethe sind doch wol
mehr als Übersetzung der ursprünglichen erzählungen , und Shakespeares
köiiig Lear und Cymbelin mehr als mechanische nachbildungen einiger
kapitel aus Gottfrieds von Monmouth geschichte der brittischen könige.
ZEITBCHJft. F. DEUTSCHE PHILOLOGIE. BD. XV. ^i>
Ab dritter von bodeatiing tritt 7U di-n leugni^rn Oiiiots auch
Uirch-HirachfeH (Die Sage vom Graal. Leipzig, Vogel, !877).
indem er in der sclilusazeile aeiues in andrer be'/.iehung hi'cliRt ver-
dieDütlipbea werhes zu dem resultat gelangt, dass Wolfram mit seiner
rorstellung vom Gral ganz vereinsamt dasteht. Indem er aber
zugleich 69 als merkwürdige erscheinung, fast triumphirend hervorhebt.
dasB endlich doch auch in Deutschlaud durch die schlusHpartie«] in
Albrachte Titure! der Gral wider zu seiner alten berechtigten hedea-
tung. d. h. als abend mahlschüssel des Heilands, gelangt sei, und Wolf-
ram vorwirft, dass „er dieser heiligen, wundertütigen reliqaie »io
bedeutungsloses nichts untergeschoben habe/ zeigt er, daaa das
tiefere Verständnis von Wolframs dichtung ihm versehloBsen geblieben:
dass er die gewaltige kluft, welche unseni von der kirchlichen mytiUk
nicht umstrickten ritterlichen sänger von dem ultramontanen priester
Albrecht trent,' nicht sieht, und daher auch nicht erkent, wie Wolfram
dem bedeutungslosen nichts der reliqnie den cbristUcbBii glaa-
bensscbatz, das wort gottes substjtuiert. und damit seiner zeit am
mehrere Jahrhunderte voranleuchtet.
Ü 2. Beidfl gelehrte. Zarncke wie Hirch-Hirscbfeld stellen den
salz auf:
„Ks Hei unmßglicb, iiudeukbur, ilaxs ein frauKilsischer dichter den
Gral anders als reliquie, und zwar als abeadmablsuhüaael , d. h.
anders, als in Verbindung mit der legende habe darstellen ktonou."
Ich erlaube mir mit derselben iiberzeugnngfisicherlieit den gegenäalx
aufKUstelleu •
Wenn irgend ein land und eine zeit geeignet war, hÄretiache grnnd-
s&tze ZU nähren , und einen hohen freien dichtergeist abwendig xu
machen von der legende, von dem reliquienknltue, von der natar-
feindlieben m5nchisehen dogmatik und abstrusen mystik, so war m
Frankreich am ende des zwölften jahrbunderts.
In der tat fordert auch hier der bewjihrte apruch seine anweitdung:
„Willst den dichter du verstehen,
Muast iu diebters lande gehen,"
In meinen „I'arcivul- Studien" b, U, s. 213 — 227 habe ich versucht,
die kircHlichen und religif^sen zustände des zwölften Jahrhundert« in
Frankreich kurz tthersichtlich darzustellen. Weiteres findet sich ia
Routers Geschichte des Pabstes Alexanders 111, und Geschichte licj-
I) S. mnlnn Rnnkllicb« »nt Dlolituntcon iiml ättjren dos ilmitschen HiU«l-
•lt«N: „VarglnctranfT von Wolfmina Parcivsl mit AlbriMhte Titiird
BMiehuDt;.'- QaedUnbnrg und Leipzig, Bu«e, lÜTi. k 1(6.
OÜIOT VON PBOVBNei 88T
Aufklärung im Mittelalter, b. 11, Neandor: Bernhard v. Clairvaux
und seine zeit, usw. und in den Schriften über die ketzersecten jener
zeit. Während die Scholastiker auf ihren lehrstuhlen in Paris die
mysterien des christlichen glaubens mit aller schärfe des geistes erör-
terten , um das unbegreifliche begreiflich zu machen , giengen ihre lehr-
sätze pro et contra in die massen des volks über und fanden hier ihre
weitere discussion bei hoch und niedrig, in den Städten, in den häu-
sern und öffentlichen orten. Die von der kirche geächteten und ver-
folgten fanden aufnähme und schütz in den schlossern der adligen und
kleinen dynasten, deren herrenrechte von den anmassungen der kirche
gefährdet wurden. Die rügen und Schmähungen über den zustand des
pabsttums und seiner klerisei und der gesamten möncherei fanden ihren
brenpunkt in Schriften wie die „Bible" des Guiot von Provins und des-
sen Vorgängers, des Brunellus Vigellus „Speculum Stultorum," des Thi-
baut de Mailli, so wie dessen nachfolgers Hugues de Berzil oder
Berge. Wenn in der, dem Alanus ab Insulis beigelegten „Summa de
arte praedicatoris^ über den geringen wissenschaftlichen sinn bei den
klerikem seiner zeit geklagt wird, sie seien „plus dediti gulae quam
glosae, potius coUigunt libras quam legunt libros, libentius intuentur
marcam quam Marcum, malunt legere in salmone quam in Salomone'',
und ihm rhythmisch nachgesungen wird : ^
„Est leo Pontifex summus, qui devorat,
Qui libras sitiens libros impignorat,
Marcam respiciens Marcum dedecorat,
In summis navigans in nummis anchorat^
u. dgl. m. , so kann es nicht befremden, wenn im volke auch das hoch-
würdige herabgezogen und, den hostienweihespruch des geistlichen ver-
achtend, darüber gespottet wird , „dass er erst den leib Christi mache."
Gegen solche ketzerischen ausbrüche erscheinen Guiot oder Wolfram
mit ihrer abwendung von der legende und dem reliquiencultus, den
Wolfram übrigens, wie überhaupt auch die gebräuchlichen kirchlichen
kultusformen für die weltlichen kinder der tafeirunde gelten lässt, was
sie mögen, noch wie heilige!
Neben jener drastischen kritik und Verurteilung der geistlichen
träger der kirche gab es aber auch noch eine andere , völlig entgegen-
gesezte poesie, die, genährt von dem Studium der klassiker und des
Aristoteles, sich bemühte, das Universum des damaligen gesamten Wis-
sens, imd den Zusammenhang von natur und mensch mit gott durch
allegorische darstellungen, wozu der ganze antike götterhimmel zu hilfe
1) Wright, The latin Poems, com. attrib. to W. Mapes p. 7, 111.
25*
geuoiumen wurde, der gelehrtüu leseweit mr iiDschauuug und 3Eum
VRFsUiiduis zu bringen. Ich erinnere an den „Eutheticu»~ dns Jolian-
iieB Sarisberiensis (t 1180), an die suhrift deit Ädelard von Üatti * (um
IläO), welche zeigt, wie die seele »ich aus den banden der sinlicfakeit
nur durch nlckbehr zu »ich seilst uiid zu ihrem gebiet, dem studiuoi
der Philosophie und der freieu kflnste, retten kann. Diese verleihen
iler getrübten seole wider ihren glänz und erheben sie von ihrem falle
In andrer weise benuzt ßernarduB Silvestriü' diese allcgorie, um seioe
Weltanschauung darzulegen. Hesrinders wichtig ist der viel verbreitet
gewesene Äuticlaudianus des Alanus ab Insulia,* der in seiner Allego-
rie die idee deutlich erkennen lässt, dasii durcbgoführt werden soll,
wie der tu allen tugeudeu und allem wissen volkommene mensch,
indem er in allen Versuchungen der sünde besteht, und alle fibel
bedegt, der erde das paradies zurückgewint. Der Anticiaudianus bil-
det ein gUed in der kette, die schlieBslic.h in der Diviua Coniedia Dan-
tes endet, als dem scblusaergebnis der mittelalterlichen Weltanschauung.
Inmitten dieser extremen pole von dichtnngeu ganz heterogener rlcb-
tungen ergoss sich der bis jezt noch nicht übersehbare ström der wolt-
lichen Artusromane und die wol wesentlich durch Crestien weiter gefQhrt»
Verschmelzung derselben mit der legende von Joseph von Arimathia
und dem Gral. Und bei diesem überschwenglichen reichtum von poe-
tinclien, philosophischen, religiösen Ideen, welche in diesen diobtung«n
walten, solte es unmöglich und undenkbar sein, dass ein echl«r
dichturgeist den Gral anders als nur als reliqnie habe auffasseu können ?
§3. Aber es lohnt sich auch näher zu überschauen, wie w«it
Wolfram sein ihm zur last gelegtes lügengewebc ausgusponnen hat,
welche ttille von stoß' seiner pbantasie zugeströmt ist, den er nißht ans
Kyot, doch vielleicht aus andern werken, wenn nicht aus sich selhtit
entlehnt hat, und welche ausgebreitete kentnis der französischen litte-
ratnr seiner zeit ihm zu geböte gestauden hat. — Zarncke ruft unter
bei»timmuug von Itochat und Birch- Hirschfeld:
„Kyots quellen sind wunderlich. Flegetanis, dos manuscript von
Toledo, die cbrouik von Anjou — das alles ist verloren. Ist das
möglich, oder auch nur wahrscheinlich ?"
Ich antworte auch hier mit aller kämpferruhe:
1) Juurdaiii. G^seb. der ariüluleliiiolicti Schriften im Mitt-tlalUT. Von Stahr.
1831. .'S. 349.
3] t>o mandi iiniverütal« atvc nK-'giieoHmnB et micromsmua. Eä. von Biu»A
Diiil Strolwl. Inipruek, 18Ti>,
3) R di« uingBhe&dii Kblrnndlung dtu&bvt Tt>o dr. 0. halut in <lim Khulp
(fi«miufii J«e j:yiiiuami xo »ochiiaiiRn in Attiu. l>iiti!rii 1878. 187». 1881. 168S.
GUIOT VON PROVENCE 389
Ja allerdings. Diese quellen hat Kyot erdichtet, und das wai*
ihm notwendig, ja selbstverständlich.
Wir wissen von unsern epischen kunstdichtern , und brauchen
dazu nicht erst Lachmanns bestätigenden ausspruch, wie sie bemüht
sind, durch angäbe von autoritäten und quellen ihre erzählungen als
verbürgte Wahrheit hinzugeben , und dass sie auch meistens wirklich
ältere vorlagen gehabt haben. Dasselbe findet auch bei den franzö-
sischen erzählern statt. Überhaupt hatte man im mittelalter für die
erfindungen der phantasie keine andere bezeichnung als lüge. So rät
der Wälsche Gast, v. 1084: dass die erwachsenen sich nicht mehr mit
der lectüre von romandichtungen befassen sollen, wan si suln verläzeti
gar diu spd, diu niht war sint. Y. 1118: die äventiure sint gekleit
dicke mit lüge harte schone-^ diu lüge ist ir gezierde kröne, Y. 1140:
und heten si getihtet dae, dojs vil gar an lüge tvaere, des heten si
iwch groezer ere — wogegen ein andrer dichter sagt: hübsche lüge ist
keine sünde. — Wenn Kyot also sich von der geläufigen idee des
Grals als reliquie, also von der legende des Joseph von Arimathia
abwante, so war es für ihn unerlässlich , anderweit autoritäten zu
beschaffen, ja selbst zu erfinden, um seiner erzählung eingang und
glauben zu schaffen. Machte doch der Verfasser des prosaromans vom
H. Gral sich kein gewissen daraus, den Heiland selbst als lieferanten
des nur eine band grossen buches vom Gral vorzuschieben; weshalb
solte Kyot nicht zu dem sternkundigen halbjuden und beiden Flegeta-
nis und nach dem buch von Toledo greifen, und zu der chronik von
Anjou, deren fundort er jedoch wol weislich nicht angibt?
§ 4. Mir wird aber femer entgegen gehalten:
„Das französische buch des provenzalen ist auch verschollen. Die
Vorgeschichte Gahmurets, die Gralfamilie, Titurel, Frimutel, Am-
fortas, der Talfin von Graswaldane, wovon in der französischen und
provenzalischen litteratur keine spur zu finden ist, das alles müste
Kyots erfindung sein. Alles möglich, aber auch wahrscheinlich?''
Fn der provenzalischen litteratur, die ein vermeintlicher Provenzale
doch solte gekaut haben, ist allerdings bis heute nichts davon gefun-
den. Yon der französischen litteratur lässt sich dies aber so abspre-
chend nicht behaupten ; und ist hier zunächst Albrechts Titurel in Ver-
bindung mit Wolframs Parcival und seinen Titurelfragmenten schärfer
ins äuge zu fassen, während wir auf Gahmurets geschichten noch unten
werden zu sprechen kommen.
Domanig (Parcival - Studien I. Paderborn, 1878) hat mit fei-
nem poetischen gefahl und scharfsinnig eingehend auszufahren gesucht,
dass Wolfram seine Titurelfragmente als ergänzung und nähere erläi:-
r
39U BAn-IIARTK
teruug vieler aiispielungen und benii'huiigcii \m Parciviil nachtrftftNl
gedüihtet, ihn diibei die idee, «ntsprechend T.b&, die wahre inifl
(freilich nicht im sinne Gottfrieds von Straasburg) «u vorherliclM
/.ugleicli aber anch die abzieht geleitet habe (1. c. s. 38)
von minn» in der erscbeinung Sigunens vorBufiihren , nicht i
Schianatulander. noch gleichermassen an ihnen beiden." — ludoss sehn
hier der vorwiirf, den der dichter sich soll gestelt haben, doch ]
eng begrenzt und einseitig. Denn die worte T. 30 : „w ufirt .
ävnttiuTe ein hcrre'* deutun denn doch zu bestjmt an, dasa er i
absieht habe^ ein grösseres heldengedicht zu verfassen . und sich sl^
auf die Schilderung der Jugendliebe Schianatulanders zu begchränkl
und er entschuldigt sich gewissennassen T.b2, dass er die kinltifMik
»linne so ausführlich geschildert habe {wan daz es sich lenijct). Auch
die str. 56, woratif Domanig die idee Wolframs basiert, sagt mehr i
er annimt:
AI die minne pflögen — und mintie oh sich leite»,
Nu hoeret magtltch sorge — unde manheit mit de» arbeit
Da von ich wil ävenliare künden
Den rehten, die . . . durch Iterjieliebe ie senende not erfunden,
T. 40 und 75 geben an. dass Sehianatulander den Gahniurot aaf s«!
nem orstt'n zuge zum Baruch begleitet, und mit ihm zuriickgckchr
sei, wovon wir in unserni Parcival nichts linden. In T. 76 tiiral^
abschied von Sigunen: „ich muos von dir r«j hcidrti;** T. 102 mo^
ihn jedoch Gahmuret:
^£y kranker knabe, wtw Waldes — t- muoe verswinden
Us dtner hant mit tjoste — soll du der dudsseti minne bcvitt
Wcrdiu minne ist teilhaß ordenliche: (im Schildesamt.)
Si hat der sielige ellenhaft — erworben c der sagvhaßc rieh«.
DfT verliebte knabe wird also auf spätere noch von ihm zu leistend
heldentaten verwiesen, und auch Herneloyde mahnt Sigunen T. IStf
^Schi^nuitulatuier a» 2'risc ilf muoz stigcn,"" was doch nur darcli tadlj
rittertaten geschehen kann. — Diese andeutungen scheinen ii)ir>4
deutlich die absieht, eine heldenaventftre dichten zu woUeu, zu bekn^
den. dass auch MflUenhoffs beraerkung (Zeitschr. f.d.A. XVIII. 297
„es entbehre diese ansieht ganz und gar jedes haltes" von Frz. I'feif
fet (Germ. IV. 301—308), desgl. von Bartsch (Ed. Parc.) mit i
itorflckgewiesen ist. — üud diese Aventuren des Dauphins fiada
ausfuhrlich in Aibrecbts Titurel erzählt: seine scbwertleit«,
Arthurs auf Floritschanzv . bei dem or sii-h »o »ieghafl zeigt,
den mit Orilus und Läbelia, weichu dit- ihm nacb (rahmuretn I
Auch
\
^okclir
iira^
1
OUIOT VON PROVENCE 391
Verwaltung überwiesenen lande widerholt angreifen, endlich sein zug
zu hülfe des Baruch , eine widerholung von Gahmnrets fahrten ins hei-
denland. Dergleichen widerholungen derselben abenteuer mit veränder-
ten namen und nebenumständen sind in den französischen romanen keine
Seltenheit Ohnehin sind beide fahrten Gahmurets zum Baruch (wenig-
stens bei Wolfram) sehr km*z und algemein gehalten. Aber im Titurel
Albrechts wird dessen geschichte weitergeführt, indem sein tod durch
Schianatulander an Hippomedon (kap. XXYIII des drucks, und Hahn
4120), ferner der tod des Schianatulander (kap. XXXY, nr. 5031) an
Orilus durch Ehcunat von Kanedich (kap. XL, nr. 5795 — 5845) gerächt,
und somit diese heldenmäre zum völligen abschluss gebracht wird.
Nach allem, was uns Albrecht in seinem Titurel bietet, können wir
nicht annehmen, dass dieser alles das, wozu ihm Wolfram im Parcival
nicht die stichworte bot, selbst aus freier phantasie erfunden, zumal
auch die wunderliche caprice Sigunens nach dem brackenseile , das
eine so grosse rolle spielt, ganz im Charakter der französischen romane
geschrieben ist, wie z. b. auch im Berner ms. des Parcival die sucht
der schönen nach dem hund und hirschkopf, womit der held sich so
lange und mühsam herumschleppen muss, ähnliche grillen zeigt. Viel-
mehr spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass Schianatulander der
held eines besondern romans gewesen ist, in welchem auch noch die
abenteuer andrer beiden mit verwoben gewesen, und aus welchem Eyot
gewisse züge, namentlich die Bebesgeschichte des Dauphins und Sigu-
nens, in seinen roman von Parcival und dem Gral mit herüber genom-
men, die jedoch Wolfram wider ausgeschieden hat, indem er sich auf
Sigunens kurze erzählung ihrer liebe beschränkt, und das leidige
brackenseil mit einer zeile (P. 141 , 16) abfertigt.
§ 5. Bartsch hat in seiner ausgäbe des „Parcival^ nun noch
zwei stücke aufgenommen, die er dem Wolfram vindiciert, wovon das
eine (nr. 11) die Strophen des Hahnschen Titurel 923 — 955 oder
kap. VIII, 126 — 127 des drucks, und das zweite (nr. IV) 1234—1264
oder kap. X, 59 — 133 des drucks enthält. Beide halte ich aber eher
für abschrifben aus Albrechts Titurel , als für echte oder umgearbeitete
Originaldichtungen Wolframs. Auch hier heisst es (Bartsch 143) T. 929
in bezug auf die walTentaten des Talfin:
du seit sie under Schilde vil manlichen kaufen.
Wenn wir aber (B. 151, Tit. 938) lesen:
„Min herz mit töde ringet: Jesus Crist durch diner fnarter vre
la dich erbarmen alle mine weisen,
und bevogte mine sele mit dinem "kriuze vor des tiuvds freisen"^
»92 8J(N-HJtHTK
dem bei Hahn flSii nocli in gleidiem stile hiu/ugvffigt wird:
„Min schilt vor aüer schevize und vor des ttcvels kralJK
ist teol ilae fron kreutsc. wer ea eu reht (fän »ttndvn tcider fiatse
mit herlecn und mit hende für sich sclirenket
und got mit irttwen danket, das er durch uns an kreutse wart
gehenket —
M hört;ii wir uicht Wolfriuns, Hoiideru Albrechts, des xalbiingsvollnn
priesters spräche.
Ebeuso str. 03*2, diei bei Bartsch fehlt:
Gedertke mtner sde mit helfrichen dinijen
das die von aller quele werde erlöst, almüsen sollu brimji'.n
in hospital und guten religiösen ,
der wort Su kivid dringent vil scldenrich oue und ous kloscn.
Diese zasatzstrophen scheinen, als tautologisoh , vom abscbreibi-r wpg-
yolassen zu sein. Wären beide fragmonte wirklich echt, so böteu siu
noch mehr st«iT Kum Schianatulanderroman. Tu gleichem prifsterlichea
tOQ ist B. 148, T. 9S5 gebalten:
Jesus, sun der megede, ein got und dri genendc,
ee vordert mtn gdoube und mhi gedinge gar an zmvcls vvnde ■
an dich das hröt, das wart von dem teorte,
und daz bluot, tlae Longinus lieg üs diner sitai mit einit spe-
rcs ortr.
Die le^te zeile aber erinnert so deutlich an die lanze der legende, daas
weder Wolfram noch Guiot hier ihrer gedacht haben kann. Vielmehr
hatten sie gegründeteu anlass, sich von dieser tradition abzuwandun,
da /.war bei der erobernng von Antiochien (1098) die lanze den Loa-
ginUB, die in der kircbe des apoateb Petrus daselbst solte verborgen
genesen sein, entdeckt worden, und so grosses aufeohn im hreuzheer«
gemacht hat.' bei welcher gelegenheit auch das schweisstuch des herrn
mit seinem abbilde gefunden ward , und die von Otto von Preisiugen
(t 1151') Cliron. Ii.VII, e. 4 als ^usciue ad id tempus incognita"
bezeichnet ward: während andrerseits die sage verbreitet war: dnt
bereits Karl der Grosse dieselbe lanze besessen, die von ihm auf Otto I
gelangte, der sie bei seiner Vermählung mit Kditha, Schwester dos
kCuigs Athelstan von England . dem lezteren nebst dem Schwerte Kon-
stantins des Grossen, einem najjel vom kreuz des Heilands, einem stSck
der dornenkrone und dem paniere des h, Mauritius, dessen sich Ksd
der Grosse ebenso wie jener lanza gegen die Saracenen bedient hfttta,
/um geschenk nbersante. Dem nichthlindgläiibigen muste also hier flin
1) V. Ramiier, Ucsoh. <l- Hiiliciistaufm. B, I, ». ICl. 1!H.
GUIOT VON PROVENCE 393
frommer betrug deutlich in die äugen springen, ihn mistrauisch gegen
die Überlieferung machen, und sie ihm verwerflich erscheinen lassen.
Dagegen ist bei Wolfram der lanze eine ganz andre und tiefere, in
engstem Zusammenhang mit der krankheit des Amfortas stehende bedeu-
tung gegeben, von der Crestien nicht weiss, und die dem freilich nicht
erkenbar werden kann, der den gegensatz des reiches des Grals und
des bösen im ganzen Organismus unsers gedichts nicht zu fassen oder
anzuerkennen vermag. Birch- Hirschfeld, s. 274, hält zwar diese
Umwandlung der bedeutung der lanze , die bei Crestien und seinen fort-
setzern sich wie ein überflüssiges möbel in den Gralromanen herum-
treibt, zwar für so naheliegend: „dass Wolframs gedanke sich beinahe
von selbst ergibt." Aber es ist Wolfram oder Guiot zu wenig ehre
angetan^ wenn er meint: Wolfram habe die lanze bei den Franzosen
gefunden, und nur nach einem motiv gegriffen, ihr diese neue bedeu-
tung zu geben, um sie nicht ganz wegfallen zu lassen. Dass aber die
lanze der speer eines beiden ist, ihre vergiftete spitze nicht im höl-
lischen feuer gelötet, sie vielmehr ein Werkzeug in der band gottes zur
bestrafung der sünde des Amfortas ist, von welcher Versündigung über-
haupt Crestien nichts weiss: dass diese Sünde und deren sühne streng
mit der *erhöhung Parcivals zum Gralkönig verbunden ist, und dies
den knotenpunkt unsers ganzen gedichts bildet, ist dabei nicht zu
ignorieren oder wegzuleugnen. Ob Kyot oder Wolfram dabei an die
wunde des Telephos und den sie heilenden speer des Achilles gedacht,
und sie dies aus dem Homer gelesen haben, können wir füglich dahin
gestelt sein lassen.
§ 6. Birch - Hirsch feld s. 283 legt Wolfram den gedanken unter:
„Durch eigne schuld wird Amfortas der quäl seiner wunde überliefert;
von dieser solte ihn die teilnehmende frage des durch kämpf und busse
gereinigten Parcival erlösen." Hier vermissen wir den logischen Zusam-
menhang zwischen frage und deren Wirkung; denn den grundsatz hat
Wolfram doch klar genug durchgeführt : dass der sündenwurm im eige-
nen herzen durch reue und busse des schuldigen selbst nur ertötet und
die schuld gesühnt werden kann. Wenn dies also im Amfortas nicht
geschehen ist, wie kann ihm die frage helfen, bei der er ganz passiv
ist? Soll sie so mechanisch wirken, wie etwa das unter die nase einer
ohnmächtigen gehaltene riechfläschchen ? Darum kann in der frage
Parcivals nur eine prüfung der seelenläuterung des Amfortas lie-
gen, von der weder Crestien noch Birch -Hirsch feld eine ahnung haben;
s. meine Parcival -Studien II, s. 256, 257.
§7. Ähnlich verhält es sich (Birch -Hirschfeld s. 252 und 278)
mit dem taillor d'argent, dem snidenden silher (P. 255, 11. 316, 27),
394 8AN-MABTB
den boideu silbernen messern. Da Kyot und Wolfram den teller, die
patena der abendmablscbüssel, allerdings bei ihrer aufTassung des Grals
nicht verwenden konten oder mochten, so ist dessen umwandlang in
messer, die auch mit der wunde des Amfortas in beziehung gesezt
sind, sehr geschickt: sei bei Wolfram nur mangel an sprachkentnis,
oder bei Guiot ein Wortspiel mit j^taüler, schneiden^ dabei mitwirkend
gewesen — entschieden hat bei beiden doch die absieht Yorgewaltet,
von dem Inhalt der legende die bedeutung abzulenken.
Auch die stelle P. 491, 18:
da von kam üz ein nuere,
er wcer ein viscJucre,
daz mrere muoser lideti:
salinen, lamprtden
hat er doch lützel veile^
der trürege, niht der geile,
ist eine unzweideutige hinweisung auf den fisch der legende, mit wel-
chem die von Sünden rein befundenen gespeist werden (Birch - Hirschf.
s. 154), die aber auch hier zurückgewiesen wird, und frappant an die
oben citierten spotreden des Alanus ab Insulis erinnert: malunt legere
in salmone, quam in Salomone; weshalb wir die verse P. 13, 15 — 14, 2
mit hindeutung auf das pabstrecht des Baruchs und seine mönchsorden
auch nur als einen satyrischen Seitenblick Wolframs auf die angemasste
Sündenvergebung dos pabstes und die verderbte möncherei jener zeit zu
erkennen vermögen, den ihm indess vielleicht Kyot schon an die hand
gegeben hat. Aber es sagt auch schon unser Freidank 150, 20:
siinde nicman mac vergeben
wan got allein
der abläz dunkel tören guot,
den ein gouch dem andern tuot.
§8. Birch - Hirschfeld (1. c. s. 290) findet in den Strophen 6167
-6176 (im druck von 1477 kap. XLI, 30 — 39), worin Titurel berich-
tet, dass der engel ihm den Gral als abendmahlschüssel , die bis dahin
Joseph von Arimathia bewahrt, gebracht habe, und somit von Albrecht
die legende als das richtige acceptiert werde, den eclatantesten beweis
fiir die nichtexistenz Kyots: welche Schlussfolge jedoch nicht wo! ver-
ständlich ist, indem ich auch hier gerade das gegenteil daraus folgern
muss. Die Strophen bei Hahn T. 77 (Alt. dr. kap. I, 1.):
Der ivn Proventzcde
Flagetanis perlüre
heidensch von dem grdle,
GülOT VON PROVENCE
395
und frantzois tuot euch kunf vü äverUüre
daz wil ich tütschen^ wil es mir got nun künden,
was ParzivcU da birgety
das wirt zuo licht gebracht an vackelzünden —
iiud die bei Hahn fehlende strophe des alten drucks, kap. XLI, 86:
Kyothe tlegetanise, dem (der?) was her Wolfram gebende
dise äventiure zu prise.
di bin ich Albrecht hir nach im üf hebende —
lassen allerdings in seiner gedunsenen spräche zweifelhaft, ob er Eyot
und Flegetanis für zwei oder nur f&r eine person hält, allein in andern
stellen führt er doch Eyot als eigne person an, z. b. in betreff des
krames des Secureis , T. 2942 :
ob uns Kyot ntht triuget,
von dem diu äventiure üz heidenschefte
den Christen ist gewizen,
und T. 5295 : Albarose
alsust genant so was ir nam zu deute,
zu Proventz in der spräche, ob Kiot hie niht triegen kan die Icute.
T. 5296:
die ander Barbidele, der nam sich hie glosierent
nach lieber danne die sele. er meint vil liht die da die giegcnt
zierent.
Owe waz hän ich tif gezeuget !
von Proventziale an siner äventeur also niht trcuget
In der lezten zeile finde ich den ausdruck, dass Albrecht sich hier von
Wolfram, der dem Eyot nacherzählt, verlassen sähe, da in der tat
von Albarose und Barbidele in unserm „Parcival^ nichts zu finden ist.
Beide damen gehören mit Elauditte zu denen ^ welche dem Feirefiss
minne ohne ritterlichen dienst geboten^ die er jedoch verschmäht,
und dafür Sekundillen erworben hat, und gehören sie in die frühere
lebensgeschichte des Feirefiss vor seinem zuge ins abendland, um den
vater aufzusuchen. Bei Wolfram heissen diese geliebten Olympia und
Elauditte, und es scheint Albrecht merkwürdig, dass er hier von Eyot
abweicht, den er als vorhanden also doch annimt — Albrecht hat
uns aber bereits T. 77 — 256 (kap. I des alten drucks) eine besondere
geschichte der ahnen Titurels , die er zwar mit nebenbemerkungen aus-
geziert haben mag, die er jedoch schwerlich selbst erfunden hat, gege-
ben. Er nent Sennabor, einen reichen heidnischen könig von Eapa-
docien (89) als stamvater, der zur zeit lebte, als Jesus von Judas ver-
kauft ward; doch sein söhn Parille mit dessen vier brüdern und meh-
reren Schwestern liess sich taufen. Zu jener zeit belagerte der römi-
3!X>
ach«! kaisBr Veüpasiau die Juden in JüruMalwm, ilum Pnrillti sieb
anschlicsot , und ein drittel der Juden starb, ein drittel fiel itiiUtr dem
»chwert der »ii^gür, und ein drittel ward in die »klaverui vcrkaufl.
Vespasian überliäut'te Parillon mit ehreu und nahm ihn mit 8eiii>>ii brtl-
deru Sabbilor und Aaiubär mit naeb Hom. Ht erhielt Vespa^iniis tocb-
ter Argusille xur ehe und seinen brüdern gab er andre köni^stilcbter.
I'ariUe erhielt ferner von ihm das königreich Frankieicb zum lohn fär
seine tateu. die brüder aber Antschowe und Kurnavale, wo sie das
ehristentum verbreiteten. Da» geschah 5iX) jähre früher, als (iandin.
Gahmureta vater und „der Markis" (Marke, der geraahl der Isolde?)
lebten. PariUe ward von den beiden vergiftet; doch aein söhn Titn-
risone bezwang die beiden von Galizien bia Aaeheu {li'2) und ward
mit Elisabeth, der toehter des kßuigs Bonifantc von Arragon . eines
verwftnten des kajsers Tyberie, vermählt. Mit einer walfafart
nach Jerusalem erkani>.en sie sich von gott einen söhn, Titurel, der
herlich und heldenhaft erwuchs.
Bis dahin ist vom Gral mit, keiner ailbe die rede gewesen. Daa
kap. II des druck» dagegen begint plötzlich, T. 357:
Do Titurel dtr lieht genial sust lebt gar her von jugende,
ein cngd im von got den (fral nu liebende wat durch sttt mattet
lügende ;
allein es wird auch sogleich hinzugesext, T. 261:
wie viel dar fügende, war an dem gral und wirde
d(is »eit ein ander macre,
womit ohne zweifei Wolframs gedieht gemeint ist. Es ist nicht gesagt,
dass der Gral mit Parille ins abendland gekommen , die legende TOu
Joseph von Arimathia ist völlig ignoriert, gott selhtit gibt ilint den
Gral zur hut , und da nach der regel der romanachreiber das geschleoht
Titnxelä doch aut* einen stamvater basiert werden muste, sozte or
diese Vorgeschichte, die er wol ans Kyol oder andrer IradiUon kennen
gelernt, seinem werke voran, bevor ihm die weitere auabitdung d«r
legende bekant geworden. Erst gegen das ende seines langen gedick-
tes. woran er gewiss eiue reihe von jähren gearbeitet bat, hat er Imode
von der sage, dass die in Cäsaiea gefundne schüssel die abondmahl-
ach&ssel sei. wovon Helinand (t 1227) und Jacobus de Voragine (1314
— 1298) u.a.m. berichtöu, erhalten, auch wol von den franzfisiscben
(iralromanen kentnia genommen, und steht nun nicht an, diese Qua
hnchwilkommene mystische bedeutung des Grals,' wenn auch in offnem
widersprnch mit seinem früheren bericlit, anfzunohmea. Kr bekant,
dass er sich mit der von ihm mitgeteilten tradition der ahnen Tilunls
auf falscher fährte befiinden habe. Auch ward ja nach Wilcken (^Qewli.
ÖÜIOT VÖK ftlOVBNCii 39?
d. Kreuzz. V, 306) zu Eonstantinopel eine abeudmahlschüssel Christi
als reliquie gezeigt, die später nach der eroberung der stadt 1204 nach
Frankreich und sogar nach Troyes gekommen sein soll, freilich erst
nach Crestiens tode. — Neuen aufschwung mag die tradition auch
erhalten haben, als 1247 der patriarch von Jerusalem ein gefäss mit
dem heiligen blute , als von Joseph von Arimathia und Nicodemus her-
i-ührend, dem könig Heinrich III von England zum geschenk sante
(Matth. Paris. Hist. maj. rer. Anglic), wie überhaupt mehrere derglei-
chen gefösse mit dem blut des erlösers an verschiedenen orten als wun-
dertätige reliquien bewahrt und gezeigt wurden.
§ 9. Merkwürdig und beachtungswert bleibt bei Albrechts ge-
schichte des Gralkönigsgeschlechts die erwähnung des Yespasian und
des kaisers Tiber ins, und es will fast scheinen, als ob uns mit die-
sen beiden namen eine reminiscenz aus den Gestis Pilati, dem Mors
Pilati und der Yindicta Salvatoris,^ aus denen sich die legende von
Joseph von Arimathia, wie Zarncke gewiss richtig ausfahrt, weiter
entwickelt hat, entgegentrete. Es heisst da: zur zeit des kaisers Tibe-
rius, da Christus von Pontius Pilatus den Juden überantwortet ward,
litt dessen Kegulus in Et[uitanien, Titus, in der lybischen stadt Bur-
digalla am nasenkrebs , Tiberius in Rom aber am aussatz und schweren
fiebern. Als Titus von einem hausierenden Ismaeliten Nathan, sohu
Naums, hörte, dass Christus kranke mit einem wort geheilt und andre
wunder getan habe, verwünschte er die Juden, die ihn getötet, uud
ward zur stelle gesund, liess sich taufen, berief den andern stathalter
dort, Yespasian, und zog mit diesem mit heeresmacht gegen Jerusa-
lem, belagerte und eroberte es. „Titus et Yespasianus apprehenderunt
Judaeos, et ex parte lapidaverunt, et ex parte suspenderunt in lignuni,
pedes sursum et caput deorsum, et lanceis percusserunt eos; alios autem
tradiderunt in venditionem , et alios diviserunt inter se et fecerunt qua-
tuor partes, sicut et illi fecerunt de vestimentis domini. Et dixerunt:
Yendiderunt Christum triginta argenteis, et nos vendamus trigiuta ex
ipsis pro uno denario. Et cum hoc fecissent, apprehenderunt omnes
terras Judaeae et Jerusalem." — Dies klingt wider bei Albrecht:
T. 100:
Do man getauft Barillen (statt Titus) und Jherusaleni hesezzen
Wart durch des kuniges willen, des got mit siner pft^ niht hat
vergezzen^
Uespasian der drizzig stunt drizzig tusent
der iuden in Jherusalem Iwt mit heres hrefte unibedüsent.
1) Tiscbendorf, Evangelia apocrypha. Lipsiae, Mendelssohn, 1876.
8da 0AN«lfABT«
T. 101 :
Untz ir tot vor hunger ligende dae dritteil was mit alle^
daz ander ungesigende dritteil was mit cristenlichem volle,
das dritte dritteil wart ander uns verJcoufet,
so daz si sunder vre solden leben der wirdekeit bestraufet.
Da Albrecht auch hier von Joseph von Arimathia und seinem heiligen
gefässe nichts sagt, ist anzunehmen, dass auch seine vorläge daYon
schwieg, und war diese Eyots bericht, so geschah es von diesem gewiss
mit absieht. — Nach der Vindicta Salvatoris schickte Titus aber den
Nathan an Tiberius nach Bom in begleitung der Veronica, deren
schweisstuch mit dem abbild Christi den kaiser sofort heilt, worauf
auch er sich taufen lässt, und Titus und Vespasian üben ferner stren-
ges gericht in Judäa.
§ 10. Da Birch - Hirschfeld (s. 273 — 279) von der ansieht aus-
geht, dass kein dichter in Frankreich den Oral anders, denn nur als
abendmahlschQssel habe auffassen können, bleibt ihm nichts übrig, als
die abweichende darstellung Wolframs bald auf dessen unkentnis der
spräche, bald auf Verlegenheiten und notbehelfe, um über die von Cre-
stien gelassenen lücken hinweg zu kommen, bder auf mehr oder min-
der geschickte erfindungen und motive zu deren ergänzung zurückzu-
fahren: während in unserm deutschen gedieht alles klar vorliegt, und
wozu Wolfram auch wol schon andeutungen bei Eyot gefanden bat
Besonders scheint ihn zu irritieren, dass er den Gral nur „ein ding,
den stein ^ nent, worunter er einen edelstein mag verstanden haben.
Indess wird P. 592, 1 die mit edelsteinen besezte spiegelsäule zn Scha-
stelmarveille auch nur „ein stein" genant — Sehr weislich bat Wol-
fram die gestalt desselben, etwa als schaale, kelch, kruzifix usw. zu
beschreiben unterlassen, um dadurch nicht an die für ihn tote reliquie
zu erinnern, über deren fund allerdings der ultramontane priester
Albrecht hoch erfreut ist, indem er damit wider den Gral Wolframs
auf positiv kirchlichen boden bringt, um dem unmittelbar von gott dem
Titurel anvertrauten heiltum ein fromm dogmatisches gewand umznbän-
gen. — Mochte jeder hörer und leser sich die gestalt des Grals nach
seinem gefühl und geschmack denken; dass sie nicht ganz roh und
ungestalt war, sondern der stein wenigstens einen glatten rand hatte,
ist deutlich gesagt, da auf diesem rande die befehle gottes geschrieben
wurden.
§ 11. Dass Wolfram des Nordfranzösischen nach seinem eignen
geständnis zwar ziemlich mächtig gewesen, dass er aber doch häufig
sich auch auf sprachlichen misverständnissen hat ertappen lassen, wird
eüioT veif PBOVSN0B 899
zugestanden. Finden wir nun aber einerseits das Qralgebiet als einen
banforst, den unberufene nicht betreten dürfen, bezeichnet und terre
de salvatsche benant , worin fontäne la falvatsche , an welcher der klaus-
ner Trevrecent wohnt, wo Sigune ihren heiligen aufenthalt hat, und
wo Parcival die Weisungen zu seiner belehrung empfängt: und andrer-
seits das zäubergebiet Klinschors vom ström der Weisheit begrenzt,
durch den nur eine gefährliche fuhrt fuhrt, worin der unglückshohlweg,
der qualenstrom, der Tamarisken - oder Klinschorwald ist, ferner Scha-
stelmarveille mit dem Litmarveille und andern zaubern,^ so ist doch
nicht zu leugnen, dass diese gebiete entschieden tief in den Organis-
mus unsers gedichts eingreifende gegensätze sind: dass gerade hier die
vorbemerkten namen und bezeichnungen ihre bestimte allegorische
bedeutung haben: das Wolfram sie französisch (durch die mss. noch
mehr corrumpiert) widergibt, und dass der erfinder dieser namen sie
doch mit absieht gewählt haben , und sich ihrer bedeutung bewust
gewesen sein muss. — Warum hier nun gerade nur französische namen,
während ausserdem doch sehr viel wälsche, bretagnische , provenza-
lische und deutsche im gedieht vorkommen, also eine einheit darin
nicht erforderlich war — wenn nicht eben ein Franzose ilir erfinder
war? Auch Crestien hat diese namen, aber aus dem Besehe - Sabbfns,
dem felsen der Weisheit, macht er la Roche de Sanguin mit dem alber-
nen Zusatz: „maint bon drap vermeil et sanguin i taint on et mainte
escarlate (Bartsch, Parc. II, s. 298), wodurch er zur genüge zeigt, dass
er die bedeutung der namen nicht verstanden, sie also auch nicht
erfunden hat. Wolframs quelle bleibt daher Kyot.
§12. Im zweiten Titurelfragment erzählt Wolfram: Klaudite,
die jungfräuliche königin von Kanedich (seh wester der Florie, die mit
dem söhne Arthurs, Ilinot vermählt, dessen tod im kämpfe auch Flo-
riens tod aus gram zur folge hatte) kos den duc EhkunaJiten de Sal-
väsch ee ämien (T. 151),
T. 152: tvelt ir tiutsch ir friundes namen erkennen?
der herzöge JEhcunaver von Binome diu wilde, also hört ich
^ in nennen.
T. 153: SU er von der wilde hiez, gegen der wilde
si sante im diesen wiltUchen brief, den brocken usw.
also mit der aufTorderung , ihr um minne zu dienen.
T. 143: Gardeviag hiez der hunt: daz kiut Huschen: Hüete der
verte.
1) Meine Parc. - Studien , bd. II und III, 6 — 8.
Ist es denkbar, dass Wolfram hier die rruDzöBJBcheii namen samt doren
verdeutschuDg erfiuideu habe, und dazu iiucb die weitere geitcluchte
vom brackenseil , die wir Terner auch, aiA- Mbrechtü Titurel erfahren V
Müsüeu wir mcbt vielmehr glauben, dass ihm ein fVaiiiAsiscber stofl'
vorgelegen bat, den er zu einem romati verarbeiten weite, dessen
iiauptheld Scluanatulander suiii solte? Daraus folgt, Anas das materinl
hierzu ibm in Kyots vordichtung gegeben war.
3 13. Die P. 770 zahlreich aut'gefQhrten lAudernameu der yon
Feirefias besiegten oder ihm untertänigen FQraten hat Martin (Oral-
üage, Strassburg, 1880) zum gröäteu teil alt uns des JSolinus «Poly-
histor" entlehnt nachgewiesen, tls ist also erwiesen , dass Wolfram sie
nicht erfunden hat. Es ist aber ebensowenig wahrscheinlich, dass der
deutsche ritter sie sich persOntidi aus dem lateinischen Solinus heraus-
geluseii oder von eiuem gehDlfen hat herauslesen lassen, um sie hier
in einer wenig geschickten weise in häufen vorxufübrün. Kincm fran-
zOsiscIien buchgelebrten dichter ist die lecture des Solinus jedeiifalN
weit eher zuzutrauen. Dieselben uamun tiuden zum grösseren teile sich
auch neben unzähligen audern in Albreehts Titurel , kap. M — 27, als
teiluehmer und kämpfer bei dem grossen turnier auf ?leuant/<e, das
der Baruch dem Secureis /.u ehren uusgescbneben , daij. nachdem es in
eine blutige schlacht ausgeartet, auf dem plan Pudullen fort^esezt
wird, und das (kap. 27) dauiit endet, dass Schiauutulander den Seou-
reis, uud später fkup. 2>S) auch den Hippomedou tötet, und somit Gah-
murets tod rächt, worauf er (kup. 3u) nach Kuropd heimzieht, wo er
demnäehst mit freuden empfangen, aber in den kämpf mit Orilus
und Lähelin verwickelt wird. Kh wird also liier ein teil der aveu-
turen erzählt, deren „berr" nach Wolfr. Tit. 39 Schiauatulauder sei»
solte. Albrecht scheint auch hier einer fabel zu folgen, die entweder
schon selbständig erzählt war, oder die Krut in sein gedieht vcrwoboii
hat. Da in der Vorgeschichte (iahmurets, wie sie Wolfram gibt, sein
tud ungeräeht bleibt, so lag Für einen romauschreiber jeuer zeit der
reiz nahe, die räche durch Schiauatulander ausfahren zu lasseu. und
so einoa volkouimeneu schluss der geschichte Gahmurets herbeizufOh-
ren. Es ist nu bediiuern, dasa Älhrecht nicht seine quelle für diese
geschjchteu anfahrt, Aber wie er beim feldzuge des kaisers Lucius van
tlom (kap. :}2) uns Gottfried von MoumouÜi . uud kap. -i-i ein stOok aas
Lamprechts Aleiauderlied oinffigt. ohne seine quelle zu mmnen, so
verschweigt er sie auch hier, da er bis zum schluas seines gedieht« in
Wolframs namuu spricht, der unr Kiot ab ({uelle ueut.
Diu Krauzosvu liebten lutl giengen nach dem mustvr UutUriedit
von Munmouth, üist, regiiui Brttt IX, 12 mit dem beispiul vor&n, die
emOT VON PROVENGB 401
■ nameo der teilnehiuer bei festen, turuieren und beerzügen zu häufen,
■ und die deutschen dicbter folgten ibnen darin nach. Fand Wolfram
■ dergleichen beiKiot, deren a/enturen er jedoch für seinen zweck nicht
■ gebrauchen konte, so schaufelte er sie hier in einen häufen zusammen,
I indem er sich damit ihrer kurzweg entledigte. Ähnlich verhält es sich
I auch wol mit den von Parcival besiegten (P. 772), deren kämpfe bei
Kiot oder sonstwo etwa specialisiert waren ^ und die zeit ausfüllen, da
I den Parcival unser dichter in seinem werke auf dessen fünQähriger
; bussfahrt in den hintergrund schob, und uns mit deren widererzählung
verschonte.
Derjenige aber, der den Solinus aufgeschlagen, vielleicht auch
des Plinius bist. nat. , um heidnische namen aufzusuchen , hat sich auch
weiter darin umgetan, hat darin die reiche der Secundille, Tribalibot
und Tabronit in Palibotra und Taprobane entdeckt, und auch die ver-
schmähten geliebten des Feirefiss Olimpia und Klaudite in Alexanders
mutter Olympias und der Claudia, welcher auf einem phrygischen
schiffe die vittae castitatis als preis der keuschheit iiberbracht wurden,
gefunden. Auch Wolframs Eckuba von Janfuse, die heidin, findet
ihren anhält im tumulus Cynossema dictus Hecubae sepulcrum, und
der turris Protesilai gibt ihm anlass, denjenigen, der Belakanens gelieb-
ten Isenhart getötet, Prothizilas zu taufen. Sogar Sekundille, eine
hauptperson im roman , findet sich in der riesigen an zehn fuss grossen
Secundilla, deren reste noch zu des Verfassers zeit in der begräbnis-
stätte der Salluste zu sehen waren. Alles schon damals im gedächtnis
des Volks berühmte sagenhafte personen! Protesilaus, der söhn des
Iphiclus, zog ja mit 40 schiffen vor Troja und landete dort zuerst,
wobei er jedoch den tod fand. Auch Hippomedon, der den Gahmuret
getötet , entnimt seinen namen von dem Hippomedon , der als einer der
sieben gegen Theben zog, aber von der band des Ismarus fiel; und
sein bruder war Pompejus, doch nicht derjenige, der einst vor Julius
von Born entfloh, sondern ein neflfe Nebucadnezars von mutterseiten
(P. 102, 2, 3. 14, 4. T. 73. 74). Man sieht deutlich, hier hat ein
buchgelehrter nach bedeutenden heidnischen namen gefischt.
§ 14. Hat nun aber zur decorirung des lebens und tuns der
Sekundille und des Feirefiss das klassische heidentum diesem jüngeren
geschlecht wenigstens zu den personennamen das material geliefert,
so bildet es einen eigentümlichen gegensatz , den vater Gahmuret in den
celtisch - germanischen Sagenkreis eingetreten zu sehen. Schon in der
ersten hälfte des 12. Jahrhunderts und früher finden, wir bei Nennius
und Gottfried von Monmouth ausführliche erzählungen von den kämpfen
ZEITSCUR. 7. DEUTSCHE PHILOLOOIR. BD. XV. 20
402 SAH-XASTS
der Britten mit Hengist und Horsa ; ^ Lot von Norwegen spielt bei
Gottfried eine hanptroUe im brittischen interesse. Finn, der deutsche
heros in den angelsächsischen stamtafeln und liedem, ist gleichnamig
mit dem, die küsten gegen die einfalle der Sachsen schützenden natio-
nalhelden der Schotten und Iren Finn-gal (d. h. der fremde). Die
Oudmnlieder zeigen vielfache beziehmigen zwischen England und Irland
und dem östlichen kontinent des atlantischen oceans, und berühren den
sogenanten Nordseesagenkreis. Darum dürfen auch germanische namen
in brittischen sagen ebensowenig überraschen, als die einmischung heid-
nischer mohrenfürsten in die brittischen beere vor Patelamunt und Kan-
voleis, da schon früh nach Lappenbergs forschungen die schwarzen
fremden (dub gal), die piraten der Nordsee, von den romanschreibern
als heidnische mobren verstanden wurden, zumal nach der sage auch
Irland ursprünglich von Afrikanern soll bevölkert worden sein. -— In
Pfeiffers Germania bd. II habe ich versucht^ die taten des vaters des
Peredur Evrawc, grafen des nordens, auf den Eboracus bei Gottfried
und dessen gescbichte auf eine stamsage der stadt Tork zurückzufüh-
ren. Aber auch der deutschen litteratur ist neben Wolfram der Gab-
n)uret nicht fern geblieben. Das von Boppo M. S. II, 236 dreimal
erwähnte des hüniges Tyrols buock muss eine ältere existenz haben,
und das lehrgedicht von „könig Tyrol von Schotten und Friedebrand,
seinem sohne^ auf früheren traditionen fussen, obwol es auch des
Amfortas und Flegetanis, wol mit bezug auf Wolframs Parcival, erwähnt
Merkwürdig aber bleiben die von J. Grinmi (Haupt, Zeitschr. f. d. a.
1 , 7) mitgeteilten iragmente eines epos , wahrscheinlich aus dem schloss
des 13. Jahrhunderts, worin (Fragm. D.*) nicht blos amuret als name,
dessen anfangsbuchstabe G im ms. defect ist, bestirnt auf Gahmuret
hinweist, sondern auch die haibleute, nemlich halb schwarz-, halb
Weissfarbigen elstermenschen, ganz nach der bescbreibung des Feirefis,
erscheinen. Femer lässt Heinrich vom Türlin in seiner ^Erone^ bei
einem tumier v. 18046 einen könig Gavomet von Arabien mit zwei
brüdem, Felde und Efroi, Laamez von Babylon und seinen Schwester-
söhn Aschalone, und deren verwanten, einen Jüngling aus Syrien
der Väruch wcls genant^ auftreten. Cavomet führt auch einen anker
im Wappen, und scheint ein ontstelter Gahmuret, den der französische
vordichter Heinrichs jedoch nicht aus unserm Wolfram kann entnom-
men haben, und ebenso deutet könig Efroi, der ausserdem in den
bekanten romanen nicht vorkomt, auf jenen wälschen Evrawc. Das
zum gründe liegende französische gedieht muss spätestens 1200, wenn
1) S. meine Beiträge zur brittischen und celtiBchgermaiiiBchen Heldensage.
QuedÜDborg und Leipzig. 1817. Absclin. IV. Finn und Heogest
GUIOT VON PROVBHOB 40ä
nicht schon früher vorhanden gewesen sein. — Hier liegt ein fuchs
im loche, der noch ergraben werden muss! Vielleicht findet
sich auch noch ein bis jezt verschollener GkihmiurottC#man. — Dass
die deutschen namen und ihre geschichten im „Parcifiit^ aber nur bei
Gahmuret erzählt werden, und ohne beziehwig zu Fticafis stehn, ist
für mich ein anzeichen, dass beiderlei elemente erst i^oa dem Franzo-
sen, evt. Kyot, kombiniert sind.
§ 15. Schon M. Haupt hat bei seiner ausgebe von Hartmanns
Erek auf die namen aufmerksam gemacht, welche v. 1628 — 169^
als teilnehmer an Artus tafeirunde genant werden: worunter viele
sind, welche auch in Wolframs Parcival sich finden, und die nicht
sämtlich mit denen in Crestiens Erec (1. c. XI) übereinstimineny die
Hartmann also anderswoher muss entnommen haben, und ex komt
neben andern gründen daher zu dem schluss, dass CrestieiU Erec
nicht Hartmann zur vorläge gedient habe. Es ist für unsern zweck
nicht unwichtig, heraus zu spüren, wo und in welcher beziehung
gewisse namen in der französischen oder deutschen litteratur vor
Wolfram sich vorfinden. Denn wenn Wolfram sie irgendwo ent-
lehnt hat, so müssen sie doch schon in älteren französischen romanen
vorhanden gewesen sein. Abgesehen von den fast in allen romanen
widerkehrenden haupthelden, Lancelot, Parcival^ Tristan, Erec, Iwein,
Gawan, Segramors, erscheint es besonders auffällig, dass Erec 1650
den Titurel, und 1690 den öanatulander (= Schianatulander) nent,
die wir nur aus Wolframs Parcival und Titurel kennen, und die mei-
nes Wissens bis jezt in französischen romanen nicht entdeckt sind. Hat
Hartmann sie erfunden? wogegen der neben Titurel genante Blioblehe-
rin (bei Crestien Bleableheris), in Hartmanns Iwein, 4705 als Plfople-
herin und P. 134, 28 als Pliopleheri, von Orilus getötet, erscheint
Nach P. 271, 15 nahm Parcival den speer, den der wilde Taurian,
Todines bruder in Trevrecents klause vergessen hatte, mit sich; doch
legt Wolfram urtümlich dem Taurian den beinamen „der Wilde'' bei,
der nach Er. 1636 und Crestien „Dodinez li sauvages,^ dem Dodines
gebührt. Auch Iwein 8f, 4696, 4705 erscheint Dodines der wilde,
Wigalois 458 ohne den zusatz, dagegen in Ulrichs Lanz. 7098 als
Dodines der wilde mit den breiten banden, der das land des königs
von Irland verheerte, Lanz. 7107, 7115, 7154. — Maurin „mit den
schönen Schenkeln,^ söhn des Isajes, auf den das marschalamt an
Artus hofe vererbt ward (P. 662, 19 — 25) erscheint in Ulrichs Lanz.
3052 als von Erec besiegt und gefangen zur geliebten gesant, her Mau-
rin mit den liehten schenkein; und eod. 3487 sass er bei vrou Aden,
welche den Lot und Maurin wider frei gab. In dem von Haupt
26*
(Zeitschr f. d, a. lui X[. 4»(i) mitgeteilten bruclisLfick eines tuH. Artos-
romaos wird Uaurin hart ?er«nindet nach Muuipbilia gebracht; den-
DOcb fehlt er bei Creetiea. — Bin teil der von Hartmann genaoten
uamen findet sich bei Crestien nie bei Wolfram, dagegen fehlen bei
Crestien die auch anderswo erscheinenden Itber von Gabeviez, Kqui-
not (Ehcunat, Ehkunaver), Gahillet (Kailet) von Hochturasdi (^Hm-
kurast), Ider fil Noyt (in den wälschen sugen iiervorragend ) . uoil
Marlivliot von Katelange . die wir aus Wolfram keuoeu , und die Hart-
mann wo anders mitss entnommen haben. Von dem von ihm genfto-
len Garel haben wir auf franzöaiaeher grundlage berulieude romane dea
Pleier Über „Melerann" und dessen söhn „öarel." dessen geschichte
mit der des ßhkunaver von Kanedich in Verbindung steht; wie es such
noch andre erzählungen gab, worin Gawan und Segramors bauptper-
sonen sind. — Wolfram müste doch die ausgedehnteste kentiiis der
französischen litteratnr gehabt haben, wenn er seine beihluligen und
uns mehrfach dunklen anspieluDgen auf itbseitBliegende begebeuheiteu
und personen sich selbst gesucht habi>n solte; noch weniger kann er
sie nach den vorhandnon spuren derselben wilkfürlich erfunden habeQ.
§ 16. Kiuen schlagenden beweis für die mannigfache bearbeituag
derParcival- und Üralgeschichten liefert Uocbat selbüt in seiner scbrift
über den „Percheval li Galois" dea Beruer mannscripts. Gleich itn
anfang des gedichts macht ein jager dem Parcival, der bpreite fertiger
beld ist, vorwürfe, dass er am hofe des tiscberk5nigs nicht gefragt
habe. Also die geschichte seiner Jugend und seiner fahrten bis nach
jenem ereignis wird als bekant vorausgesezt , und die ersten zeilen dea
gedichts bezieben sich auf le hon conte de Psrcheval und te Itattt livre
de Greta. Zwar ist Parcival auf der Gralauche, aber diese ist durch
die alfaire Parcivals mit dem hund und birschkopt, die er seiner gelieb-
ten widerbringen will, dergestalt zur seite und in den bintergrnnd
gedrängt, dass der dichter erst am Schlüsse seines gedichts darauf
ausfllbrlich nachholend zorückkomt. fiuud und birschkopf sind selbst
in ihrer modulation eine parallele des brackeuseils im Titnrel. — §7
erinnert ferner an den erschlagenen Schianatalander, der hier Odiniaaa
heisst. % 12 streift an Parcivals erlehnissc mit Konduiramur, die hier
wie hei Crestien BlancheSeur heisst, und von Augingueron und Clama-
dien (Kingrimnrsel und Klamide) bedrängt wird. Im $ 17 empf&ogt
Parcival belehrung zum gottesfürehtigen wandel vom eremiten, und
über den fischerkönig, den Gral, die h. lanze und dasschwcrt, und das
ende schliesst sich der legende an. Der Inhalt stelt in vielen pasaageo
sich zvfischen das märehen von Peredur mit stark waischer ftrbung
nnd Crestiens erzählung; doch gibt Kocliat selbst zu (s. 166), dass des
ÄÜIOT VON PBOTBXCB 405
dichters vorläge nicht Grestien noch Eiot gewesen sein kann, und
beruft sich dieselbe auch mehrfach auf schon geschriebene bücher.
§17. Noch stärkeres Zeugnis für die freiheit, mit welcher mit
dem reichhaltigen sagenstoff der tafeirunde und des Orales umgesprun-
gen ward, gibt uns endlich auch ^die Krone" des Heinrich vom Türlin,^
die Haupt in das jähr 1220 sezt, die also zwar nach Wolframs zeit
in Deutschland, aber in Frankreich wol schon zu ende des 12. Jahr-
hunderts gedichtet sein muss. Es heisst v. 217:
Nu wü tu der tihUBre
von känec Artus ein mcere
sagen ze beejserungej
dae er in tiutsche ssunge
van franzois hat gerihtet,
ah er ea getihtet
ze Karlingen geschriben las;
wan er so gderet uHis,
daz er die spräche künde
246. Ez ist von dem Türlin
Heinrich — .
Er kent Wolframs Parci val , Hartmanns Erec und Iwein , Wimts Wiga-
lois und andre dichter: Beiumar, Dietmar von Eist, Heinrich von
Rugge, Friedrich von Husen u. a. m. unzählige male beruft er sich
auf die äventiure, daz nksre, daz bu^och, diu fabd an dem buoche,
als ichz wdsch gelesen hän; er nahm dojs maere üz einem exemplary
der dises buoches herre (besitzer oder auftraggeber ?) ist v. 30002.
Dass er wirklich französisch verstand, und das buch in dieser spräche
geschrieben war, beweisen stellen, wie
y. 23260: als ich ez en franzois las.
24791: er sprach älsd en franzeis:
Artus fier, gentil roiSj
daz sprichet: edeler hünec hir.
25837: Als ein schevaiier errant^
daz sprichet: als ein recke,
Meister Cristian von Trois wird mehrmals lobend erwähnt. Der haupt-
held Gawan ist zur gralsuche bestimt, da Parcival durch die unterlas-
sene frage *dazu untauglich geworden ; obwol auch Gawan schon ein-
mal beim gral gewesen , ohne zu fragen , daher auch ohne erfolg. Wir
finden alle abenteuer Gawans, welche Grestien und Wolfram erzählen,
mit zwar gänzlich veränderten namen doch wenig verändertem tatsäch-
lichen, aber mit vielen andern neuen vermischt, wider. An die stelle
1) Ed. von Scholl , Stuttgart 1852 (Liter. Verein, bd. XXVII).
406 SAN - HARTE
Klinschors, den Crestiea nicht nent, und persönlich nicht auftreten
lässt, ist ein dem Artus und Gawan sehr wolgesinter zwerg, zaaberer
und pfaflFe Gansguoter getreten, der jedoch Arturs mutter Igeme (wie
sie richtig bei Gottfr. v. Monmouth , Grestien und in allen wälschen erzäh-
lungen heisst) mit viddn erwarb, und auf seinem zauberschlosse mit
vielen andern rittern und frauen bewahrt, zugleich auch mit ihrer
tochter Orcades und niftel Clarisanz , Gawans Schwester, die ihm nach
besiegung der zauber zur ehe angeboten wird , bis sie sich wider erken-
nen; sie vertritt Itoniens stelle im ParcivaL Auch hatte Gansguoter
eine göttin zur Schwester, die Gawanen rat gibt, wie er sich beim
gral und dem alten könig zu verhalten, und die frage zu tun habe.
Nachdem dies bei der feier, deren apparat ähnlich wie im P., gesche-
hen, lesen wir aber zu unserer Überraschung, dass der alte könig dem
ob der frage erhobnen algemeinen freudengeschrei stille gebot, und
zu Gawan sprach: „Was du hier siehst, ist der h. gral. Durch deine
frage hast du eine grosse schaar lebender und toter erlöst, die bisher
in schweren nöten waren. Sie hoflften schon früher durch Parcival
erlöst zu werden, aber es gelang ihm nicht, weil er die rettende frage
versäumte. Zu den toten , die dir ihre rettung verdanken , gehöre ich
selbst mit meinem ganzen hofe; wir scheinen zwar lebend, sind es
aber nicht. Diese frau dagegen (Gansguoters Schwester) und ihre
gefahrtinnen leben wirklich; ihnen hat gott um ihrer reinen Weiblich-
keit willen den gral übergeben, mit dessen genuss sie mich jährlich
einmal erquickten. Alle aventiure, die du in der lezten zeit gesehen,
ist vom h. gral gekommen. Nachdem du nun alles, was dir oblag,
glücklich bestanden hast, nimm als preis deiner ritterlichen tugend
dieses seh wert, das dir in allen kämpfen zum siege helfen wird. Den
gral wird fortan niemand mehr zu sehen bekommen. Danke du gott,
dass deine äugen ihn schauen durften, und frage nicht weiter, was es
damit für eine bewandnis habe , denn das darf keinem sterblichen geof-
fenbart werden." (V. 29098— 29602.) Darauf verschwindet der alte
sofort mit dem gral und seinem ingesinde vor Gawans äugen, und nur
die göttin, Gansguoters Schwester, mit ihren frauen bleibt zurück , und
am folgenden tage bricht Gawan mit ihnen nach Karidol auf, das sie
indess unter manchen abenteuern erst nach sechs monaten erreichen,
dann aber von Artus mit grosseh freuden empfangen werden, worauf
feste so herlich veranstaltet werden, wie nie zuvor an Arturs hofe
gesehen worden. Es ist schwer, mit mehr Unverstand die hier unver-
daute celtische mythe vom totenreich zu Avalen mit der christlichen
legende zu combinieren; wie überhaupt von gewissen leitenden ideen
bei Heinrich wenig zu spüren ist Nur einige züge möchte ich zur
OUIOT VON PBOVEKCE
407
berücksichtigang för die tadler Wolframs berühren: man wirft ihm
vor, dass die bescholdigung der mordtat Gawans sich in nichts auf-
löse. Heinrich lässt Qawan durch eine Jungfrau warnen, sich durch
nichts auf seiner gralsuche aufhalten zu lassen. Da fält ihn plötzlich
(v. 16407) eine ganze ritterschaar streitbegierig mit den rufen an:
„er erschlug meinen vater! — Mir brach er seine treue! — Mir
erschlug er drei brüder! — Er hat meine Schwester beschlafen !" —
Doch lässt er sich nicht irren, und reitet ohne kämpf weiter. Der-
gleichen nichtige anklagen scheinen in den romanen dem beiden ebenso
stereotyp anzuhaften, wie dem könig Artus die mehr oder minder frei-
willigen entfuhrungen seiner gemahlin Guenvivar, wie auch die der
Igeme. In fßnf oder sechs fomanen gibt Ginovers entfuhrung oder ent-
weichung die einleitung zu reihen von abenteuern; so wenig wie Eyot
oder Heinrich sich wundert, dass Gawan nicht sofort die Ami ve, San-
give und Itonie, und Igeme, Orkades und Clarisanz widererkennt, so
wenig wundert sich Wolfram darüber, und ist deshalb nicht zu tadeln,
zumsü doch bald Gawan zu erkennen gibt , dass e r wenigstens die sei-
nigen erkant hat. — Endlich hat Heinrich noch die lose im publikum
hemmflattemden &bliaus vom kurzmantel, vom maultier ohne zäum,
vom überlaufenden becher , vom zauberhandschuh in seinen roman hin-
eingezogen, um den abenteuerknäul noch zu vergrössem, wovon sich
Kyot in seiner dichtung gleich Wolfram frei gehalten hat.
§ 18. Es muss zu ende des 12. Jahrhunderts in Frankreich sich
die romanschreiberei in einer wahrhaft wucherischen fülle entwickelt
haben. Ein grosser teil der hauptritter der tafeirunde hatte bereits
vor und durch Crestien seinen besonderen roman erhalten; wir wissen
es von Lanzelet und Tristan in mehrfacher bearbeitung, von Erec,
Iwein, Gawan u. m. a. Um der erschöpfung vorzubeugen, griffen nun
die romanschreiber dazu , jenen haupthelden voreitern und nachkonmien
zu geben, und entnahmen aus dem grossen abenteuerv errat unter
andern neuen namen und mit mehr oder minder veränderten Situatio-
nen einzelne zttge und abenteuer fQr bisher minder berühmte beiden.
So sehen wir sich auf den Petit Graal des Bobert de Boron die Queste,
den Grand St. Graal und den prosaroman vom Gral aufbauen; andrer-
seits erhob Crestien in seinen Contes del Graal den Parcival zum haupthel-
den, während seine fortsetzer, am schluss von ihm im stich gelassen,
die geschichte in ziemlicher Verworrenheit weiterführten, jedoch unter
festhaltung der reliquie. Wolfram muss schon von Albrecht den tadel
erfahren (Tit. str. 5910), dass sein Willehalm des anfangs und sein Par-
cival des endes entbehre, und die französischen Chansons vom h. Wil-
helm zeigen, wie dessen leben stückweise von verschiedenen bänden
408 SAN -M ARTE
vorn uud hinten ergänzt, und in dem „starken Bennewart^ und der
Moniage Wilhelms zum schluss geführt wird. Der name des Hippo*
medon, der den Gahmuret getötet, ward, wie oben erwähnt, hervor-
gezogen, und zum helden eines besonderen romans gemacht; von des-
sen söhnen Daiiaus und Protesilas entlehnt der leztere deif namen des
Protyzilas, der den geliebten der Belakane Isenhart, getötet, und
fanden beide im Hugues des Rotolande aus Credinhill in Cornwal,
einem Zeitgenossen des Walther Mapes, ihren geschichtschreiber.^ Die
Alexanderromane von Artus und Surdamur und Crestiens Cliget ver-
banden sich mit den sagen des Artuskreises. Der redacteur des Mon-
ser ms. des Parcival fand es für nötig, dem helden eine, wenn auch
kurze , doch von Wolfram und Kyot abweichende Vorgeschichte zu geben.
Das Berner ms. des Percheval li Galois und das Mabinogi von Peredur
giengen ihren eignen weg, doch nicht ohne anlehnung an ältere dich-
tungen und geschichten, und die karlingische vorläge zu Heinrichs
„Krone" warf dcMi Parcival gänzlich bei seite und schob den Gawan
unter. Man kann es daher dem Zeitgeschmack und den ansprächen
des damaligen lesepublikums nur ganz entsprechend finden, wenn auch
Kyot dem Parcival, wie er ihn bei Crestien oder anderswo fand, die
Vorgeschichte seines vaters Gahmuret gab, und ist Wolfram kein Vor-
wurf zu machen, dass er dieselbe in seinem werke nicht, wie vieles
andre, bei seite geworfen hat. — Durch die ausführliche und gründ-
liche erörterung der in den ersten drei büchern unsers gedichts ange-
führten beziehungen auf für uns zur zeit unbekante oder nur zum teil
bekante personen und ereignisse hat Bötticher^ meines erachtens zur
genüge erwiesen: „dass diese über Crestiens Parcival hinaus-
gehenden punkte Wolfram aus einer quelle nahm, welche
nicht blos eine ganz ausführliche geschichte Gahmuret»
und Schiauatulanders enthielt, sondern sich auch über
andre persönlichkeiten aus seinem geschlecht verbreitete;**
und ich unterschreibe unbedingt seine Schlussworte s. 439: „Diejenigen
erweisen Wolfram einen schlechten dienst, welche ihn sinlosigkeiten
und Widersprüche erfinden lassen."
Bötticher, 1. c. s. 432 findet es zwar auffallend, dass Wolfram
erst im 8. und D. buche sich auf Kyot beruft, und nicht sogleich
anfangs. Allein von vorn herein hat er bereits erklärt, dass er einer
aventure von fremder band folge.^ Diese speciell anzugeben, trat als
1) De la Kae, t. II, 8.285—296; und Weber, Englische metr. Homane,
t. II, 8. 279-3t>o.
2) 6. XIII, 8. 420 d. Zeitschr. „Zur frage nach den queUeu des Parcival."
3) Vgl. 4, II. 12, 3. 15. 13. 58, 16. 59, 4. 73, il 74, 9. 95, 27. 101, 30.
115, 30. 123, 14. 158, 13, et ccnties.
GUIOT VON PBOVEMCB 409
notwendigkeit erst ein, als er auf die bedeutung des grals mit seiner
Verfassung und die bildungsphasen seines helden näher einzugehen
begann, und sich hier wesentlich von Grestien entfernte, dem damals
eine grosse autorität in diesem sagengebiete zugeschrieben wurde. —
Dass Kyot erst nach Grestien sein gedieht ausgearbeitet hat, lassen
die Worte P. 827 :
„06 van Tfoys meister CHstjän
disem mtere hat unreht getan
dae mac wol ßürnen Kyot,
der uns diu rehten maere enbot,
nicht wol in zweifei
n.
Wir haben uns bisher darauf beschränkt, zur Widerlegung der
gegnerischen behauptuugen diejenigen gründe zur geltung zu bringen,
welche uns Wolfram und Albrecht und andere merkzeichen der altfran-
zösischen litteratur an die band gaben. Die beharliche Zurückweisung
desjenigen Guiot aber, den diese litteratur einzig und allein darbietet,
des Guiot von Provins, nötigt uns, auch auf xliesen nochmals als
zeugen zurückzukommen, da er sich in der tat nicht mehr vornehm
ignorieren, oder mit einem achselzuckenden non liquet, worin Lach-
mann und Gervinus den jüngeren vorangegangen sind , abweisen lässt.
In der einleitung meiner ausgäbe der „Bible Guiot** (Parcival-
studien, bd. I) habe ich angefuhitb, dass es unberechtigt sei, aus unserm
nichtbesitz eines Parcivalromans von Kyot auf dessen nichtsein
zu schliessen, wie es ja auch ebenso unberechtigt ist, Wolfram kurz-
weg einen lügner zu schelten, weil er uns das in bezug genommene
buch nicht wirklich vorzeigen kann. — Zugegeben yrird , dass der von
Wolfram genante Eyot nordfranzösisch geschrieben haben muss, wie
die in unserm „Parcival** mitgeteilten französischen phrasen und flos-
keln beweisen; aber über die unnatürlichkeit, dass ein provenzale
nordfranzösich geschrieben habe, wird zu leichtfertig hinweggegangen,
um nicht anstoss %u erregen. Aach Bartsch, der einen Guiot von
Provence statuiert, hat bei seiner namenerklärung,^ und öfter in seiner
ausgäbe des Parcival das provenzalische zur worterklärung herangezo-
gen, obwol ihm Guiot selbst den schelmischen streich spielt, dass sein
name als deminutiv von Gui seine nordfranzösische heimat verrät, da
er provenzalisch Guionet muste genant werden. Wir lesen aber in
1) Germ. Studien, Supplem. zur Germania. Wien, 1875» bd. II, s. 114 fg.
410
der Bible (t. 70). dass Gniot in Arles, also im afidfiehen Fnakradi,
auf der schale gewesen, wo er ober die klassiker und philosophen der
Torzeit belehrt worden ist Er war zu Monpellier, das dmmalH sdion
ein angesehener sitz der Wissenschaft mit lehrstöhlen der medicin unter
Schülern des Arerroes und Ancenna (t. 425. 2618) war, und in bekant-
schaft mit dem adel der dortigen gegend; nicht ohne ruhmredigkdt
fuhrt er in langer reihe diejenigen könige, fursten, grafen und andere
edle auf, mit denen er persönlich bekant geworden und von denen er
woltaten und gunstbezeugungen empfangen, die er nach widerholter
Tersicherung' selbst gesehn , und an deren höfen und auf ihren schlOssem
er wol mehr als die wenigen auf uns gekommenen lieder wird gedich-
tet und gesungen habrn. Ich hebe als solche nur henror den könig
Ludwig von Frankreich (v. 315). könig Heinrich und seinen sehn (310),
den könig Richard ("322). den grafen von Bourgogne (333), grafGrerard
von Vienne in Dauphine (335). den könig von Arragon Alphons, den
dichterfreund, le chaste roi (337). und seinen bruder Berengar (339,
340), den grafen von Provenece (340). graf Raimund von Tonlonse
(342), Robert von Salveil in Languedoc (373). Bernhard d'Annagnae
(380). das bröderpaar in Marseille (398), die Paucigny, Flavigny, Bas-
signy usw. usw. (man s. die historischen notizen zu den namen im
Wörterbuch zur Bible). Bei so viel bewegtem leben in den höheren
und höchsten kreisen des südlichen Frankreichs durfte ihm wol ein
anfing des Provenzalischen anhängen bleiben, ohne dass er damit sein
geburtsland verleugnet hätte. — Aber auch mit den, die dichtkunst
lebhaft fordernden höfen von Champagne stand er in näherer beziehung.
Er nent Heinrich von Champagne (35(0. Henri au court mantel, der
von 1180 bis 1196 regierte, desgl. 325. graf Thibaut 328, und Endo
von Champagne 471.
Vor allen andern wichtig aber ist uns die erwähnung des gra-
fen Philipp (330), dessen preis er mit besondrem nachdruck her-
vorhebt:
Li quens FhiUppes qui refu.
Diex, quel terrier. quel escu!
Es ist wol kein andrer, als graf Philipp von Elsass. graf von Flan*
dem. Vermandois und Artois, ein genauer Zeitgenosse aller der übrigen
genanten, der seine Schwester Margareta I beerbte, zuerst mitregent
seines vaters Dietrich von Elsass, und von 1168 oder 1169 ab allein-
regent war, bis er 1191 vor Acre starb (Holland, Crestien ▼. Troyes,
s. 6 — 8). Dieser war es , der dem Crestien das buch gab , wonach er
seine Contes del Graal dichtete. Aber Crestien starb um 1190, und
binterliess sein werk unvollendet Wir sehn, wie begierig, auf Cre-
0X7I0T VON PBOVENCB 411
stiens litterarischem rühm fussend, zwei und drei fortsetzer nach sei-
nem unvollendeten gedieht griffen, um es weiter zu fahren, und liegt
es daher keineswegs ausser der möglichkeit, vielmehr sehr nahe, dass
auch Guiot sich dasselbe buch, das Crestien benuzt hatte, zu seiner
arbeit von seinem gönner Philipp erbat, und somit neben einsieht der
Crestienschen dichtung nach ihm aus gleicher quelle schöpfte. Denn
dass diese quelle wirklich vorhanden war, lässt sich doch nur dann
leugnen, wenn man Crestien ebenso wie Wolfram der Ifige bezichtigen
will, was noch niemandem eingefallen ist. — Seine Bible schrieb
Guiot zwischen 1203 und 1208, er hatte daher seit 1190 hinreichend
zeit, bis zu Wolframs „Parcival" 1204 sein, noch viel mehr als Cre-
tiens werk enthaltendes gedieht zu vollenden. Es wird daher auch fer-
ner gewagt sein, in unserm Parcival die mit Crestien mehr oder min-
der in beziehung stehenden aventuren allein auf dessen Contes del Graal
zu basieren, zumal sie vorzugsweise in den namen der personen ver-
ändert oder ergänzt sind, und diese meistens eine ft'anzösische Wortbil-
dung zeigen, wir also deutlich die einmischung einer fremden band,
die nicht dem deutschen Wolfram angehört, erkennen. Wol aber dürfen
wir annehmen, dass Crestien und Guiot sich hinsichtlich des tatsäch-
lichen in sehr grosser Übereinstimmung mit ihrem gemeinschaftlichen
original, das Guiot vielleicht als „Chronik von Anjou" bezeichnet hat,
gehalten, und dass weder Guiot noch Wolfram den Crestien pure
abgeschrieben haben.
Bei solcher zurückdrängung Crestiens als quelle Wolframs treten
aber auch gewisse, in meiner ausgäbe der Bible hervorgehobene stel-
len in ein helleres licht:
B. 191: dex! com estoient honore
li saige, li hon Vavasor!
eil furent li conpilleor
qui savoient qu^estoit resons;
eil eonsseilloient les Barons . . )
entspricht dem lobe des treuen Vasallen Lippaot, dem der könig Schaut
auf dem todbette seinen söhn Meljanz zur pflege und lehre empfahl:
P. 345, 2 : der fürste was sin hohster man,
gegen triwe also hewteret^
aller vaischheit erheret;
den bater zielien sinen suon,
er sprach: du mäht an im nu tuon
diner triwe hantveste.
desgleichen :
412
SAH-MABTX
B. 516: molt por est fox, cU qui a ricHj
quant il ne s^en fet aucun bien;
s'ü fCen fet bien lui et autri^
ge di, Vavoirs fCest mie lui.
tnoU assenMe, et pou esploite,
ei com plus a, et plus covoite.
ja li siedes nHert (Msages:
non, D^cMes en ant assee,
die lehren des Gnrnemanz an Parcival widerholend:
P. 171, 7: ir sult bescheidentiche
sin arm unde riche.
wan swä der hirre gar vertuot,
daz ist niht herlicher muot.
sament er ab schätz ze sere,
daz sint och unere.
Fast wörtlich widerholt Wolfram P. 241, 21—30, was Guiot B. 606 —
621 üßer den wert seiner rede nnd das Verständnis derselben sagt. —
Auf die Plünderung Eonstantinopels von 1204 spielt ebenso P. 563 , 8
wie B. 775 — 780 an.
B. 1909: molt tost se despiece et esmie
la foiUe huevre qui luist defors,
sor le cuivre luist bien li ors;
Mes tost faut cde doreure.
ist ähnlich wie
P. 3, 11 : manec mhes schcene an lobe ist breit:
ist da daz herze conterfdt,
die lob ich als ich solde
daz safer ime golde.
Man vergleiche über den einfluss des weibes B. 2126 -— 2133 mit P. 291,
292 Ober die Untaten der minne. — Es sind dies zwar meistens alge-
meine grundsätze und gemeinplätze in der Bible, aber da sie feist
wörtlich bei Wolfram sich widerholen, so klingen sie vernehmbar me
reminiscenzen Guiots aus seinem roman an, da keine spur verrät, dass
Wolfram die Bible gekant hat. Wie dem auch sei, so zeigen diese
parallelstellen wenigstens in ihren lebensansichten eine grosse geistes-
verwantschaft beider dichter.
Erheblicher scheint folgendes. Da Guiot in Syrien war , dort den
könig Amalrich sah (347), femer die hospitaliter und tempelherren,
leztere in ihrer hervorragenden herlichkeit, beobachtete, so wird auch
ihm die idee nicht abzusprechen sein» diesen orden als vorbild seiner
«üiOT VON pRovmroB 413
Gralgemeinde zu nehmen; und sie sind der einzige orden, dem er volle
anerkennung und ehre spendet.
B. 1706: MoU sont prodomme li Templier;
lä se rendent li Chevalier,
qui ont le siecle asaoori
et ont et veu et taste,
lä ne fet pas borse chascutiy
et s*est tou0 li avoirs aün,
c^est Vordre de Chevalerie,
a grant hanor sont en Stme . . .
Nur mit prophetischem geiste warnt er sie vor habsucht und Über-
mut {orgueil), fehler, die freilich später ihren Untergang herbeigofahrt
haben : und orgueil ist die materia peccans bei Amfortas , Parcival und
Orgeluse.
Da Guiot die reise nach dem Orient gemacht hat, und dabei
auch sehr wol die dynasten von Steiermark besucht haben kann, und
er dem könig Ludwig dem Frommen von Prankreich (1131 — 1180)
B. 315, so wie den beiden Heinrichen von England B. 319 seinen preis
zolt, so gewint für mich die ausfuhr ung s. 21 meiner ausgäbe der Bible
auch neue bestätigung, dass Guiot zur ehre des hauses Anjou auch
die episode von Gandine , Bohaz und Greian in seinen roman eingeführt
hat, da sie sich bei Crestien oder sonst wo nicht findet; und es fehlt
aller anhält zu der annähme, dass Wolfram sie auf eigne faust erfun-
den und hinzugedichtet habe. Für Guiot war es eine passende reise-
reminiscenz, die er dem Trevrecent in den mund legte.
Die vielen Wanderungen Guiots und seine ausgedehnten kentnisse
machen es ebenso erklärlich ^ dass ihm die italische sage von Yirgil
und Elinschor bekant geworden, die er höchst sinnig in seinen roman
einfügte, wozu der wälsche Merlin in keiner weise zu brauchen war.
Dass endlich Wolfram den Guiot einen Provenzalen genant hat,
beruht sonnenklar auf misverständnis des der schrifb unkundigen dich-
ters, wie ich Farc. - Studien 1 , 15 ausgeführt habe. Hörte er das wort
Provins richtig aussprechen, so müste er es als Provenz niederschrei-
ben lassen, wie es auch:
P. 827, 9: von Provene in tiuschiu lant
diu rehten nuere uns sint gesant .
wirklich geschrieben steht. Und wurde ihm das Provenz wider richtig
Provance vorgesprochen, so konte er in der ableitung den Verfasser
nur zu einem Provenzalen machen.
P. 827, 5 : endehaft gikt der Provenzäl.
414 SAir-icAaTi
Wolfram selbst kann in diesem punkt am allerweui^ten als entschei-
dende autorität angerufen werden.
Nach den bisherigen ausführungen darf man Wolfram wol Yon
der erhobenen anschuldigung der lüge freisprechen , und die frage nach
einem Guiot von Provenze, von dem weder die nord- noch südfran-
zösische litteratur eine spur verrät, als beseitigt erachten. Hinsichts
der frage nach der autorschaft des Qniot von Provins aber glaube ich
die apodictische ablehnung derselben insoweit meinen gegnern gegen-
über wankend und sein dasein und wirken wahrscheinlich gemacht zo
haben, dass ich im civilprozess mich zur Zulassung zum erfüllung^eide
qualificieren würde. — Nach Holland (Crestien de Troyes, s. 9) kann
es als ausgemacht betrachtet werden, dass die Champagne mit Flan-
dern den bedeutendsten anteil an der altfranzösischen, sowol epischen
als lyrischen poesie genommen hat, minder nicht wie Paris und die
Normandie, welchen der rühm dieser poetischen kultur nicht vorzugs-
weise zuzuerkennen ist. Auch Heinrich vom Türlin hat das buch zu
seiner „Krone^ ausEärlingen erhalten. Auch die Niederlande haben
dieses gebiet der litteratur mit grosser hingebung bearbeitet. Vielleicht
gelingt es Jonckbloet noch, in einer niederländischen bibliothek dem
original Guiots aui' die spur zu kommen, was den gordischen knoten
völlig lösen würde.
Überschauen wir das uns mehr oder minder klar vorliegende
gesamte material, so treten uns als romanhelden entgegen:
1. Gahmuret und Belakane mit Feirefis gehurt, seine züge zum
Baruch, das turnier zu Eanvoleis mit den nebenzweigen: Galoes und
Amflise und Eailet und Hardiess; die Vermählung mit Herzeloyde , Par-
civals geburt, und seinem zweiten zuge zum Baruch, in dem er durch
Hippomedon sein ende findet.
2. Parcival und Eonduiramur, mit seinem connex mit der gral-
familie, seinen irr- und bussfahrten bis zur erhöhung zum gralkönig.
3. Gawan mit seinen, mehrfach auch anderswo erzählten vielen
abenteuern.
4. Schianatulander und Sigune, der als rächer Gahmurets an
Hippomedon die heldenfahrt nach dem Orient siegreich vollendet, doch
endlich vom feindseligen Orilus im kämpfe getötet wird.
5. Ehkunat von Berbester, der ursprüngliche besitzer des
unseligen brackenseils , der den tod Schianatulanders an Orilus rächt —
also fünf heldenleben, deren jedes stoff zu einem eignen roman h&tte
geben können, und vielleicht auch gegeben hat, die aber Guiot allem
anscheine nach in einen einzigen, allerdings überlangen roman ver*
schmolzen hat , da ja die einzelnen begebenheiten und persooen in viel-
OUIOT VON PROVENCE 416
fache und enge Wechselbeziehungen gesezt sind. Den schlnss macht
die erhebnng des Feirefis mit seinen ritterlichen liebesabenteuem, auf
den ersten beginn des ganzen zurückweisend, und seine Wanderung mit
dem gral nach Indien, womit alle weitere nachfrage nach demselben
ihr ende findet.
Gervinus^ ist zwar so herablassend gewesen, mich als „den uner-
müdlichsten Verehrer, den Wolfram von Eschenbach in Deutschland
besizf^ zu bezeichnen: und in der tat hat dieser dichter als ein nun
mehr als fünfzigjähriger freund mich treulich durch das leben in heit-
ren und trüben tagen begleitet, wie er auch heute noch mir den abend-
himmel sonnig erleuchtet; wogegen Franz Pfeifer in seiner recension
meiner Parcivalstudien * mir doch einiges verdienst (er sagt sogar,
niemand habe grösseres und bleibenderes) um das tiefere Verständnis
unsers Farcival und der Gralsage zugesteht. Worauf aber beruht denn
diese beharliche Verehrung und das verdienst, wenn der Inhalt der
dichtung voll und ganz schon Wolfram überliefert war, der Franzose
ihm auch in seiner häretischen richtung vorangieng, und die winke
und fingerzeige ihm angab, denen er nur zu folgen hatte?
Aus den oben angeführten fünf lebensläufen wird ohne zweifei
auch Bochat erkennen, dass Wolframs gedieht nicht blos f&r eine treue
Übersetzung des französischen Vorbildes zu halten ist. Lachmann und
andre haben versucht, die ausserhalb des „Farcival'^ liegenden und
nebenbei erwähnten partieen in eine zusanmienhängende reihenfolge zu
bringen; allein schon Grestien gieng darauf aus, die figur des Farcival
aus dem gewirr heraus zu lösen und in gewisser Selbständigkeit fort-
zuführen. Guiot folgte ihm zwar darin, aber verschmähte, Grestiens
fortsetzern in die dogmatische mystik der legende, wie sie sich in den
Gralromanen entwickelte, zu folgen, behielt augenscheinlich aber den
ganzen übrigen romanstoflf in seinem werke bei. Wolfram aber stelte
sich die aufgäbe, aus diesem weitgesponnenen gewebe nur die momente
hei-auszulösen , die seiner sogleich im dingang seines gedichts dargeleg-
ten grundidee unmittelbar zu deren plastischer durchführung dienten;
und diese aufgäbe war keine leichte , sondern erforderte zu ihrer lösung
ein hochbegabtes dichtergenie , das ihm ja auch allerseits zuerkant wird.
Es bewährt sich nicht blos in der lebensvollen darstellung und grup-
pierung der einzelnen begebenheiten, sondern auch vorzugsweise in der
vergeistigung und Vertiefung der hauptcharaktere — ein punkt, der
bei den Franzosen wie den übrigen deutschen kunstdichtern mit aus-
1*) Geschichte der deutschen Dichtung, Ed. 5. Leipzig» 1875. Bb. I, ö8ö.
2) Germania» 1861, bd. VI, 285.
416 RAK'MABTil
nähme Gottfrieds von Strassburg iu der regel gar nicht, oder nur sel-
ten und höchst massig hervortritt. Es bewährt sich endlich durch die
feste geschlossenheit und klarheit des grundrisses seines kunstvollen
gebäudes in scharfer sonderung und Wechselbeziehung der drei über
das menschengeschlecht waltenden mächte in Munsalväsche , Tafelrunde
und Schastelmarveille , und die staffeln zum heilswege tragen deutlich
die inschriften: tumpheity euAvel, saelde.
Mit vollem klaren künstlerischen bewustsein stelt er sich hoch
Ober den ihm vorliegenden, weit ausgebreiteten und fast chaotischen
sagenstoff, und schaltet damit nach seiner einsieht in voller freiheit,
die unerheblichen nebenepisoden leichthin streifend oder als bekant vor-
aussetzend , den kernpunkt des ganzen gedichts doch stets fest im äuge.
£s ist ein unberechtigter tadel, ihm gewisse unklar gelassne unbedeu-
tende partieen und nebeubeziehungen zum Vorwurf zu machen ^ zumal
in einem sagengebiet, das in dieser litteraturperiode als ein gemeingut
betrachtet wurde, in das jeder dichter beliebig bineingriff, und für sich
unter andren namen und etwas Umgestaltung, ohne rücksicht auf litte-
rarisches eigentum und achtung der Originalität eines andern, heraus-
nahm, was ihm für seine neue dichtung brauchbar schien. Hier muss
die neugier und krittelei unserer modernen kritiker sich zügeln und
bescheiden. Wolfram sagt
P. 114, 13: ich kan ein teil mit sänge,
obwol er würdiges schildesamt im leben höher stelt als sangeskunst,
doch P. 4, 2: nu lät min eines wesen dri,
der ieslicher sunder phlege
das miner künste toiderwege:
dar zuo gehörte wilder funt,
op si iu gerne taeten kunt,
daz ich iu eine künden wily
si heten arbeite vil.
Und in der tat, diese rivalen würden geseufzt haben wie Albrecht in
seinem werke:
Tit 227: dise mer geflöhten sint von maniger stränge,
und - 2468: diese äventiure ist nu geteilt in tnanic stücke wUen.
Die exposition P. 241 über seine erzählungsweise und das beispiel von
dem bogen und der angespanten sehne P. 453, 1 — 10:
die recapitulation am schluss des ersten teils P. 3:^7 mit der bemer-
kung: ze machen nem diz nuere ein man,
der äventiure prüeven kan
und rime künne sprechen,
beidiu samnen unde hrechefi:
GUIOT VOH PBOVENCB 417
die eiuführiing Gawans mit seinen abenteuern als wol überlegten teil
seiner dichtung, P. 338 und die rechtfertigung der verspäteten aufklä-
rung über den Gral , wobei er sich auf Kiots beispiel beruft P. 453,
1 — 10:
die Stichworte zu Parcivals lebensgang und bei seiner gehurt
P. 112, 9: hiest der äventiure wurf gespilt,
und ir hegin ist geeilt:
wand er ist alrerst gebom,
dem diz maere wart erkom,
die ankündigung der prüfungsfahrt des beiden zum Gral
P. 224, 7 : wan ez mtu>z sin
daz er nu lidet hohen pin,
etswenne ouch freude und ere.
die anrede an frou Äventiure im beginn des neunten buches, P. 433:
die ankündigung der katastrophe und entwickelung auf loflanze
P. 678, 30: an den rehten stam diz maere ist komn.
P. 734, 6: wände ich in dem munde trage
das zlöz dirre äventiure;
wie der sueze unt der gehiure
Änfartas wart wol gesunt.
die schlusshetrachtung endlich P. 827 :
alle diese und noch viel andre ähnliche äusserungen zeigen deutlich,
wie er daz maere priieft und stets mit festem plane das ziel im äuge
behält, so wie er auch in der regel mit meisterhand uns statt der
beschreibung mit voller dramatischer kraft die handlung gibt, und mit
seinen bemerkungen dazu sich persönlich gegenwärtig und interessiert
zeigt: wodurch er uns zugleich ein trefliches bild seines eigensten
Wesens und gediegenen Charakters gibt. — Er beruft sich zwar unzäh-
lige male auf „das buch,^ das ihm den tatsächlichen stoff gibt, als
eine autorität, wie er auch versichert
W. 5, 15: diz ma^^re ist wär^ doch wunderlich;
doch wo ihm diese zweifelhaft erscheinen oder nicht mit seinem sinne
stimmen will, wirft er die Verantwortung auf das buch des Kyot:
P. 210, 18: ob d^ äventiure sagt al war:
P. 224, 26: mich enhab diu äventiure betrogen:
und scliliesst sich damit der sitte und dem algemeinen brauch andrer
an; dennoch nimt er die vorläge nur als ein gegebenes gerippe an^
dem er wirkliches leben mit fleisch und blut nach seiner einsieht gibt.
Wird ihm aber das dilemma, in das ihn seine vorläge versezt, zu
gross, so appelliert er mit kühnem humor an den naiven glauben und
das gewissen der zuhörer, wie z. b. bei der speisung des Grals:
EEIT80UR. F. DEUT8CHK PHILOLOOIB. BD. XV. 27
418 8AK-MABTB
P. 238, 8 : man sagte mir, diz sag auch ich
üf iwer iesUches eit:
daz vorem grale totere bereit
{sol ich des iemen triegen
so müeet ir mit mir liegen ;) ...
spise warm, spise kalt;
und mit recht bemerkt W. Herz (Sage von Parcival. Deutsche Büche-
rei. Breslau, Schottländer, 1882): „wer so spricht, der glaubt selbst
nicht daran.'' Dies bestätigt auch Wolfram selbst bei erwähnuug des
auch bei den Franzoneu im dunkel gebliebnen Schwertes, welches das
wasser des brunnens von Kaniant wider ganz machen solt«:
P. 435, 1: swers niht geloubt, der sündet.
Mir tritt daraus der gedanke entgegen^ dass er sein gedieht, das,
wenn es niedergeschrieben, doch nur wider „ein buch" im gewöhnlichen
sinne gewesen wäre, nicht als ein solches, als einen rohstoff für andere,
sondern als eine eigne vergeistigte schopfung seines genius angesehn
wissen, — dass er selbst als ritterlicher dichter, nicht als buchgelehr-
ter gelten will. Das buoch ist ja der technische ausdruck unserer
dichter für ihre litterarischon vorlagen, die sie übertrugen oder verar-
beiteten. In diesem sinne sagt er daher:
P. 115, 21: hctens wtp niht für ein snieicJien,
ich soll in fürbaz reichen
an disem nuerc unhundiu wort,
ich sprcechc in (rävcntiure vort,
swer des von mir genwehe,
dem zels ze keinem buoche.
ine kan decheincn buochstap,
da 7ieme7d genuoge ir urhap:
disiu äventiure
vert äne der Inwclw sfiure.
Er erklärt also unkundiu wort für selbständig eingefügte raisonnements
des dichters, die nicht in ein „buch," das nur den blossen stoff gibt,
und welcher art auch meist die französischen romane, und wol noch
mehr deren vorlagen waren, gehören. So oft er seiner vorläge gedenkt,
heisst es immer konsequent: Jich hörte sagen, die aventure sagt,
macht mir kund" usw., nirgends aber entschlüpft ihm der ausdruck:
„ich las." Damit stimt auch seine Versicherung
W. 2, 19: swaz an den buoclicn stet geschriben,
des bin ich künsielos beliben;
aber er se/t auch zur bestätigung seiner dichterfreiheit hinzu:
GUIOT VON PROVENCE 419
Niht anders ich geltet bin:
wan hän ich kunsty die git mir sin.
Man hat neuerlich auch diese angäbe seiner lesens- und Schreibens-
unkunde als eine Unwahrheit aufgenommen, und ihm gegen seine werte
diese kentuis aufgedrängt, bis zu welcher koncession sich selbst meine
„unermüdliche Verehrung" nicht versteigen kann, und ich kann auch
nicht finden, dass seine dichterische begabung und der wert seines
Werkes dadurch sonderlich gesteigert, die vielmehr eher dadurch ver-
mindert werden. Wir haben an Wirnt von Grafenberg und Ulrich von
Lichtenstein glaubwürdige zeugen, dass si(i gleichfals schreibensunkun-
dig waren; in sehr vielen Urkunden finden sich sogar äbte und andere
vornehme mit dem vermerk: scribere nesciens, verzeichnet, und wir
wissen ausserdem , dass zu jener zeit diese uakentnis nicht als ein vor-
wurfsvoller mangel der bildung, sondern als gewöhnliche erscheinung
aiigesehn wurde, zumal bei männern, die das achwert statt feder zu
führen, für den höheren beruf hielten. Ich meine, dieser Streitpunkt
kann füglich auf sich beruhen.
Ceterum censeo:
Forschet weiter nach dem roman des Guiot von Provins
und nicht minder nach dem ms. des grafen Philipp von
- Flandern!
MAGDEBURCJ. SAN - MARTE.
ZU FRÜUMUNDS BRIEFCODEX UND ZU RUODLIEB.
Vgl. bd. U, 385-442 dieser Zeitschrift.
Als ich im frnhjahr 1881 den codex epistolaris Froumuudi behufs
der fixierung von Froumunds lebenszeit durcharbeitete, überzeugte ich
niicli, dass diese interessante handschrift, deren anordnung in der aus-
gäbe von Pez gänzlich zerstört ist, notwendig einer neuen behandlung
bedürfe, und habe diesen wünsch angedeutet in dem programm der
Studienanstalt Würzburg 1881 (handschriftliche Studien zu Boethius de
cons. phil.) 8. 9. Schon vorher hatte ich an herrn gymnasialoberlehrer
dr. Seiler mitteilungen über Maihinger und Münchner Froumundiana
gelangen lassen und auf die Unzulänglichkeit der Pezschen ausgäbe
hingewiesen. Ich freue mich , dass in der jezt fertig vorliegenden arbeit
Seilers (s. bd. XIV, 385 fgg.) ^ ein entschiedener schritt vorwäi-ts
geschehen ist. Die von herrn Seiler in P mitgeteilte reihenfolge der
handschrifblichen bestaudteile und der (übrigens schon von einem Münch-
1) Ich bezeichne diese arbeit Seilers im folgenden mit F («- FroamoDd).
11 *
420 SCEtBPSB
ner bibliothekbeamten zu anfang dieses Jahrhunderts an den rändern
der handschrifb überall genau vorgemerkte) hinweis auf die drucke von
Pez und Mabillon gestattet jezt jedem forscher gründlichere Studien
als sie früher möglich waren; eine völlige neuausgabe, die sich etwa
auch auf cod. lat. Monac. 19411 saec. XII ^ ausdehnen könte, möge uns
indes recht bald des immerhin noch lästigen nachschlagens in jenen
alten drucken überheben.
Aus meinen abschriften, die sich auf alle 1881 noch unbekanten
abschnitte des cod. epist. erstreckten, sowie aus meinen notaten zur
alten schola Herbipolensis und zu Ruodlieb * teile ich im folgenden
einige punkte mit, die als nachtrage, teilweise als Verbesserungen zu
den verdienstlichen leistungen Seilers gelten wollen; — der leichteren
Übersicht halber schliesse ich mich möglichst an die Seitenfolge bei Sei-
ler an.
A.
I. F 386.] Ein ausdrückliches zeugnis für den persönlichen anf-
enthalt Froumunds in Feuchtwangen, den ich im Boethiusprogramm
s. 10 vermutete, bietet der cod. Vindobonensis 114 saec. X,' aus klo-
ster Lambach^ stammend; es heisst dort am Schlüsse von glossen zu
Priscian: „Explicit Glossoma libri X"* in monasterio phyuhtwan-
gensi a quinto libro usque huc conscripsi ego Froumundus Sed pri-
mum, secuudum IIP"* et quartum Colonie in monasterio sancti panta-
1) Vgl. Wattonbach, archiv f. öatorr. geschichtsquoUen XIV (1855) 8.58;
W. Moyor hat kürzlich den in diesem codex befindlichen ludus de Antichristo behan-
delt, 8. Münchner Sitzungsberichte der philol. - philos. classc 1882, s. 1 fgg.
2) Im folgenden ist R = Seilers Buodliebausgabe.
3) Endlicher, Wiener hdsskatalog^ cod. nr. CCCLVIII; tabulae codd. Vin-
dob. I, 8. IG; — Huemor, Wiener Sitzungsberichte der philol. - bist. cl. 1880, bd. 96,
8. 51 1 , wo über des Remigius von Auxerro expositio zu den gedichten des SedulioB
nach einer Froumundschcn hds. (^^ c. l Mon. 19456) gehandelt wird. Der von
Huemer citiorte Lambacher codex (=^ Vind. 114) enthält ausser Priscian unter
andenn auch ein stück von einer grioch. grammatik und Venantius Fortnnatas.
Froiimund erbittet im 8. brief des cod. epist. (--= Pez 115, 7) einen Priscianos
maior vom Augsburger bischof Liutold (987 — 096) ; bei seinen versspielereien mag
für Froumund Hi)eciell Venantius ein muater gewesen sein. — Es sei mir gestat-
tet hier auch auf Wattenbach, neues archiv d. gesellsch. f. alt. d. geseh. VII,
1881, 8.177 — 179 zu verweisen, wo die auf den vorsotzblättern des Maifainger
Froumimdschen Boothiuscodex enthaltenen urkninden ausführlicher behandelt wer-
den; die hds. ist indes nicht saec. XI, sondern noch ende saec. X entstanden und
fiir die Vorsetzblätter braucht nicht saec. XII (Wattenbach selbst sezt ^XI?" bei)
angesezt zu worden, sondern gleichfals ende saec. X, s. mein Boethiusprogr. s. 12.
4) Möglicherweise hat Froumund diesen codex in Würzburg xurfickgelassen^
80 dass derselbe später von dem Würzb. bischof Adalbero dem neugegründeten klo-
ster Lambach zur aussteuer mitgegeben werden koute.
zu FB0UMÜND8 BBIBFCODBZ UND BüODLISB 421
leymouis (s. meine Vermutung Boethiusprogramm a. a. o.). Dens addat
et alios qui secuntur ut sibi placef Sonach war Froumund zuerst in
Köln, dann in Feuchtwangen!
IL F 386 anm. 2 , 390 anm. 2 und 395 anm. 2.] Über die ein-
siedelei auf dem Ornwald, über graf Eberhard im Orngau, über graf
Bichard von Bothenburg a. d. Tauber und über die alte bistumsgrenze
von Augsburg und Würzburg handelt im anschluss an die Wigobriefe
des cod. epist., bzw. an v. Steicheles abdruck (bistum Augsburg III)
herr pfarrer Bessert in den Württemb. vierteljahrsheften 1881, s. 67
fgg., 231 fgg., 287 fgg. Den Theodericus, Wigos vermutlichen Vor-
gänger in Feuchtwangen, sezt Bessert als eremita iüs heutige Kupfer-
zell ; von hier aus gab er bei gräfin Adelheid , der mutter kaiser Kon-
rads U, den anstoss zur gründung des klosters Öhringen, das später
(1037) in ein chorherrnstift umgewandelt wurde (vgl. üssermann, epis-
cop. Wirceb. 256 fgg.); bereits unter Wigo wird auch Feuchtwangen
aus einem kloster in ein stift für weltgeistliche (daher einmal der titel
decanus) umgewandelt.^
[F 386, brief 3; über Buotker s. unten s. 429 und anm. 3.]
[F 386 , brief 5 ; über den darin vorkommenden namen Sigihard
s. unten absatz XL]
III. F 387.] Zu anfang von brief 16 hat die handschrift (s. 22)
natürlich plata* = praelata (Seiler perlata).
IV. F 390.] In brief nr. 33 las ich, ohne mir eine besondere
Schwierigkeit zu notieren: Oculo dilectionis illius vultum tuum iugi-
ter intendo quam dudum fixeras in cordis mei secreto (Seiler rätsel-
haft: Aoulodi lectionis . . . fueras).
V. F 392.] In brief 62, zeile 2 v. u. fehlt in der hds. das erste
der Seilerschen servL
VI. F 397.] In brief 124, z. 6 v. u. heisst es vobis (Seiler nobis).
VII. F 400 und 404 , these IL] Was die von Seiler entwickelte
ansieht über die chronologische anordnuug des ersten teils der hand-
schrift anlangt, so stehe ich nicht an ihm beizustimmen, zumal auch
ich mir für die mich angehenden abschnitte die von Seiler jezt in
extenso aufgestelte theorie gebildet hatte und sie praktisch verwertete
in der zurückführung der Froumundschen Zeugnisse über seine Boethius-
handschrift auf die zeit des abtes Gozpert , s. mein Boethiusprogramm
s. 11 fg.
1) Auch Horriedon, ein nachbarkloster von Fenchtwangen , wird nm diese
zeit aus einem kloster ein chorherrnstift; über Ausbach s. unten absatz XVI.
2) H. Dr. W. Meyer in München hatte die gute die von mir angegebenen
lesarten nochmals im original nachzuprüfen.
422 8CHBP88
VIII. F401.] Dass der volle aame unseres scholasters Co mar-
cus Froumundus gewesen sei, will mir nicht einleuchten; ich denke
vielmehr bei comarcus (vuoinaQxog) an den posten, den Froumund län-
gere zeit als armenpfleger und als administrator von klostergütern
eingenommen hat; s. brief 54, 55,' 93 (= Mab. 435, 12; Pez 164, 12
und 165, 15).
IX. F 401 mitte , 401 anm. , 402 oben , 404 these III.] Seiler
soheint mir alzuviel gewicht darauf zu legen, dass sich Froumund
bereits unter abt Peringer zu den seniores rechne; ist Froumund im
jähr 1001 — 1002 „im vollen mannesalter," so kann man ihm fiig-
lich eine lebensdauer bis etwa 1020 zuweisen, wobei ich mir etwa
960 als geburtsjahr denke. Wenn im cod. von abt Burkard und von
abt Ellinger zufällig keine briefo stehn , so ist dies durchaus noch kein
„beweis," dass Froumund die abbate derselben nicht mehr erlebt habe.*
Somit kann ich dem „wahrscheinlich" in Seilers III. these nicht unum-
wunden beitreten.
[F404; über gedieht XLIII s. unten absatz XVI, wo auch Sei-
lers these IV berührt wird.]
X. F 410, anm. zu VII.] Ob hier ypapanti im kirchlichen sinne
=r irtajravrrj = „festum purificationis b. Mariae" steht, was v. 9 fg. anzu-
deuten scheint, oder ob es die veralgemeinorte bedeutung hat, wie
sie in Osberns Panormie (= Mai, class. auct. VIII, 631) vorgetragen
wird: „Ypapanti susceptio obviantis vel oblatio," sei dahingestelt ; das
nachfolgende „facti" bleibt in beiden fallen unklar. Berücksichtigung
grammatisch -lexikalischer Seltenheiten ist bei Froumund öfters anzuneh-
men, so sehe man nauci (F 413, 23; 419, 33), lendes (F 419, 34) und
viele andere von ihm gebrauchte Wörter z. b. im register zu Keils
gramm. lat. I (insbesondere aus Charisius).
XI. F 418 V. 17 und 23.] Darf man bei gitto (vgl. übrigens
auch Ducange gitta, getia) etwa an den Magdeburger domscholastcr
Geddo denken, der für die zeit nach 9H1 nachweisbar ist? Magde-
burg wurde im X. Jahrhundert reformiert, indem mönche aus St. Maxi-
min bei Trier dorthin versezt wurden; auch Hartwich, der reformator
1) Unter dem in dicRem briefe crwanten Holzkiricha ist jedcnfals Holzkirchen
im bezirksamt Mieshach (Oborbaicrn) zu vcrstohn; ausser diesem pibt es in Baiem
noch sieben Ortschaften gleichen namens.
2) R IGD lässt iSeiler Froumund das jähr 1017 noch erleben; so sehr ich der
geänderten ansieht, die Seiler F 402 entwickelt, beipflichte, insoweit als ich gUnbe,
dass Ellinger den gratulationsbrief an Froumund schon vor 1017 schrieb, so sehe
ich doch nicht recht ein, weshalb dies moment für Froumnnds lebensdauer so ver-
hängnisvoll werden soll.
Zu FROÜMÜNDS BBIBFCODBX UND BÜODLIBB 423
von Tegernsee, kam aus ebendiesem Maximinskloster. Wattenbach,
in dessen geschichtsquellen *I , 258 und 267 diese Verhältnisse beleuch-
tet werden, erwähnt ferner, dass um 957 — 966 Sigehard, ein raönch
von St. Maximin, eine schrift über die wunder des h. Maximin ver-
fasste (vgl. Maurenbrecher, de bist. X. saec. script., 1861, s. 22), —
solte dies derselbe Sigihard sein, den Frouraund einige verse nach
Gitto nent? Vielleicht wäre so auch ein direkter weg gefunden für
die bekantschaft Froumunds mit den Schriften des Lupus (s. mein Boe-
thiusprogr. 40), der „ehe er abt von Ferneres wurde, das leben des
Maximin verfasste und diese schrift seinem freunde Waldo widmete,
der die abtei St. Maximin erhielt" (Wattenbach I, 194). — Aller-
dings kann mit Sigihard auch derselbe feucht wanger -tegernseer mönch
gemeint sein , über welchen brief 5 spricht und aus welchem Günthner
(Gesch. der litt, anstalten in Ba3'ern I, 171) etwas vorschnell den
schul vorstand von Feuchtwangen macht. — Über abt Sigehardus,
der, wie Trithemius berichtet, von Hirschau kommend das Burkards-
kloster zu Würzburg „optime reformarit" und zwar etwa ende des
X. Jahrhunderts, s. Ussermann, episc. Wirceb. 193, Wieland im archiv
des bist. Vereins für ünterfranken . 1861, bd. XV, I, 90, 94, 98.
XII. F418 und 426.] Gedicht XIX und XXXII, 33 fgg. klin-
gen mehrfach an den anfang des Carmen paschale von Sedulius an:
„Quum sua gentiles studeant figmenta poetae | Grandisonis pompare
modis tragicoque boatu | ßidiculove Getae seu qualibet arte canendi |
Saeva nefandarum renovent contagia rerum" usw. Für Sedulius hatte
Froumund besonderes interesse, s. oben s. 420, anm. 3.
XIII. F 422.] Für gedieht XXIV, 3 war der berühmte anfang
der consolatio des Boethius das Vorbild „Carmina qui quondam studio
florente peregi | Flebilis heu maestos coj]:or inire modos | ... Et veris
elegi fletibus ora rigant."
XIV. F 424 fg.] Lebhaft erinnern wider an die weise des Sedu-
lius die gedieh te XXIX — XXXI über einige wunder Christi, vgl. Car-
men paschale lib. IV.
XV. F 430.] In gediclit nr. XXXVHI, v. 5 hat die hds. iocun-
dus statt Seilers rotundus; auf dies und auf das folgende gedieht wird
zurückgekommen werden in
absatz XVI. , der sich vornehmlich mit F 434 — 442 (vgl. 404)
zu beschäftigen hat, d. h. mit dem grossen gedieht XLIII, dem Pez
die Überschrift : „Apologia pro schola Herbipolensi" gegeben hat.
Wilhelm Grimm (zur geschichte desreims, s. abhandlungen der
Berliner akademie 1851, s. 673) hat dies gedieht wegen des durch-
geführten zweisilbigen reims ins XII. Jahrhundert gesezt; Seiler, in
424 BCHBP88
B 161 noch Grimm folgend, sagt F 404: „da Carmen XLII (welches
um 1056, d. h. bald nach Ellingers tod gedichtet ist) denselben reim-
charakter trägt wie XLIII, so ist eine so späte datierung nicht nötig;
über die mitte des XI. Jahrhunderts ist es jedoch jedenfals hinauszu-
rücken." Michael Wieland, archiv des bist. Vereins f. Unterfr. XV»
I, 91 fgg. weist — ^ durch Pezens zu einer andern stelle gemachte
angäbe „um 990^ verführt — das gedieht in den ausgang des X. Jahr-
hunderts zurück, indem er unter der verherlichten schule die des Bar-
kardsklosters in Würzburg, unter dem gepriesenen scholaster den aus
Hirschau kommenden Arnold versteht, der bis 1001 hier gewirkt
haben soll. An die zeit Arnolds scheint auch Niedermayer, Kunstgesch.
der Stadt Wirzburg 1860, s. 48 zu denken, der sich übrigens sehr
reserviert ausdrückt (Überschrift „bischof Bruno^; über diesen s. unten
s. 427). V. Wegele, gesch. d. univ. Wirzburg (1882) s. 2 fg. bezieht
das gedieht auf noch frühere deceunien, nämlich auf die blute der dom-
schule unter dem von Novara^ hieher beinfenen doktor Stephan us,*
der bald nach 970 Würzburg wider verliess.
Es hat bis jezt, niemand darauf geachtet, dass uns die verse 176
— 178 den Schlüssel zur hebung mancher zweifei bieten; wir lesen:
V. 175 Auxiliis dandis veneremur sacra Johannis,
In pugna metri petimus munimina Petri,
Cui consors aul^ c^li nos protege Paule,
Gratia levit^ Stephani det gaudia vit^,
Auxiliique manus tendat sanctus Kilianus,
180 Cum pacis palma proprium defendat agalma,
Testis divinus fiat tutela Quirinus,
Assis Ambrosi usw.*
1) Ein landsuiann desselben war Gunzo, mit dessen opistula ad Augienseii
fratres unsere apulogie hinsichtlich der Veranlassung manche ähnlichkeit zu
haben scheint.
2) Mit den versen aus dem poetischen testament des Stephanus (s. v. Wogole»
Uni?. Wirzb. 8.2; Wattenbach, gesch.^ I, 234; Niedermayer, Kunstgesch. d. stadt
Wirzb. 31 ; das original auf dem schlussblatt des Würzb. codex Mp. th. f. 6. ste-
hend ist durch reagentien verdorben worden): ^Quos habui paucos decrevi tradere
libros I Martyr sancte dei, en Kiliane tibi** hat grosse ähnlichkeit die d<^i-
kation Froumunds in seinem Boethiuscodox : „Hüne cgo Froumundus libruro ecce
Colonic scripsi I Atque huc devexi; tibi, sancte Quirine, decrevi.** Sehr ähn-
lich sind freilich auch dedikationen wie die von W. Meyer, Münchner sitzungsber.
1873 (zum Waltharius) s. 361 ert^ähnte des Gerald an Erchambold (1^65 — U91):
„Praesul sancte dei, nunc accipe munera servi | Qiiae tibi decrevit de iarga
promerc cura,** oder die von Wattenbach, gesch.« I, 118 und U, 41) erwähnten.
3) Ambrosius und dio in den folgenden versen angerufenen Hieronymua,
Augustinus und Gregorius figurieren u. a. auch unter den septom probati oxposi-
zu FBOÜMTTNBS BBIBFCODBX UND BÜODLIBB i25
186 Protegat invictus nos in pugna Benedictus,
Tumbam Burchardi qu^ramus non prece tardi
Doctoresque sales ope sint hie prodigiales.
Diese verse können schwerlich vor dem jähre 1018, sicherlich nicht
vor 1013 entstanden sein; sie beziehen sich nämlich teilweise auf eine
Stiftung, die bischof Heinrich I (995 — 1018), der bruder des erz-
bischofs Heribert von Köln (999 — 1021) * im jähr 1013 gegründet, im
jähr 1018 kurz vor seinem am 14. nov. erfolgenden tod als vollendet
eingeweiht hat, d. h. auf die errichtung des chorherrnstifts zur ehre
der apostel Petrus und Paulus und des protomartyrers Stephanus.'
Dieses collegiatstift wurde am 3. märz 1057 von bischof Adalbero (s. oben
s. 420, anm. 4) in ein mönchskloster Benediktinerordens verwandelt
Wenn nun Ögg (in seiner „entwicklungsgesch. d. Stadt Würzburg" ed.
Schäifler 1881 s. 121) davon spricht, dass „das Benediktinerkloster
von da an (= 1057) den namen zu St. Stephan trug," so ist es lei-
der nötig den gedanken , als hätten wir , da im gedieht noch die namen
Peter und Paul mitgenant werden , mit 1057 far unsere apologie einen
terminus post quem non gefunden, als einen irrigen von der band zu
weisen, denn in Wirklichkeit blieben, wie die von Schannat, vindem.
litt., colli, 8. 53 — 85 gesammelten (71 datierten) Urkunden des Ste-
phansklosters ausweisen, noch bis etwa 1160 in der of&ciellen benen-
nung des Benediktiner klosters die drei namen Peter, Paul, Stephan,
öfters auch sogar nur der eine „S. Petri" in kraft. Hingegen spricht
meines ermessens die anordnung in unserem gedieht, dass nämlich
St. Peter - Paul - Stephan die mitte zwischen den Stiftern zu Hang und
am dom einnimt, während das Benediktinerkloster St. Burkard als ver-
einzelter nachzügler erscheint, ziemlich deutlich dafür, dass der Tegern-
seer gast („Quirinus" in v. 181) zu einer zeit schrieb, da St. Peter -
Paul-Stephan noch stift war, also vor 1057.
Unter den in v. 175 genanten sacra Johannis ist am leichtesten
Stift Hang zu verstehn, welches gleichfals von bischof Heinrich I
tores evangeliorum , die in c. 1. Monac. 17142, fol. 110 genant werden, s. Watten-
bach, Münchner Sitzungsberichte 1873, s. 713. — Dass die werke derselben in
Wnrzburg vorhanden waren , bezeugt bereits bischof Humbert in einem an Rabanns
Mauras gerichteten brief; s. Migne patr. lat. 108, 1108 und Dümmler, deutsche
forschungcn VI, 123.
1) Sie stamton aus dem hause der grafon v. Rothenburg (vgl. oben absatz II).
^) ^SS* entwicklungsgesch. usw. ed. Schäfflor s. 27 und 64; Ussermann,
episc. Wirceb. 43, 268 fgg. und cod. probationum im anhang s. 20; Heffncr, Würzb.
und seine umgeh, s. 447; Emmert im uuterfr. archiv XV, 2, 197. — Im ehema-
ligen Stephanskloster, das noch mancherlei umbauton erfuhr (Ögg -Schäifler 441),
ist seit 1850 der sitz der kgl. kreisrogierung, und die frühere klosterkirche gehört
seit 1804 der prot. gemeinde.
426 8CHBP8S
erbaut wurde, etwa im jähr 997; in dieses stift wurden mebrere durch
frömmigkcit und gelehrsamkeit ausgezeichnete priester aus Köln, Mainz,
Regensburg und Speier berufen, welchen „auch der höhere Unterricht
der adeligen Jugend des landes übertragen wurde" ; ^ stift Hang war
die lieblingsschöpfung des bischofs. Während stift Hang zunächst Johan-
nes dem tauf er geweiht war, geschah eine dritte Stiftung des bischoft,
das Neumünster, zur ehre Johannes des evangelisten; an der
stelle des 855 abgebranten Salvatorhauses (d. h. des alten doms) stand
seit etwa 990 eine kapcllo „zum Kiliansgrab," von graf Richard von
Rothenburg, bischof Bernwards (990 — 995) bruder errichtet (s. oben
absatz II); Heinrich I schuf um das jähr 1000 auf der gleichen stelle
das neumünster.* Wiewol nun die Kiliansgruft in neumünster zu allen
Zeiten besonders verehrt wurde, so wird man in v. 179 am passendsten
doch an den dorn selbst denken = ecclesia S. Kiliani.* Das in v. 187
erwähnte Benediktinerkloster zu St. Burkard * (vorher St. Andreas) jen-
seits des Mains wurde 984 restauriert, braute im jähre 1033 ab and
wurde 1042 neugeweiht, doch werden wir aus diesen zahlen wenig
nutzen ziehen können, indem ja die tumba Burchardi auch zwischen
1033 und 1042 als fortbestehend anzusehen ist.
Sehr beachtenswert ist die tatsache, dass die zeit des Adalbero,
der von 1015 an bischof war, für die Studien und somit auch für den
zuzug auswärtiger scholarcn eine ausserordentlich ungünstige
war,^ und so wenig man infolge des unsicheren materials bestirnte
behauptungen wagen darf, so spricht doch auch diese beobachtong
1) Ussermann 212 feg.: v. Wegelo im hiat. albiim der stadt Wirsb. 8.6:
Ucffner 54 fg. : Niedernm3'cr 39. Ögg - ScbJiflf ler 68.
2) Ussermann 217 fgg.. 252: v. Wegcio, bist. alb. 7; aniv. 3: v. Urlichg,
baugescbicbte Würzburgs, s. 6; lIolTncr 194 und 271; Ögg - Schaff ler 62; Nieder-
niaycr .% und 68, woselbst die stelle: (Adalbero . . . novuin moDastoriam) ^in
honore bcatae dei genitricis et onininm sanctorum a fandamcnto erexit.**
Adalbero baute Neumünster völlig um (Polenkönigin Kicbenza!) und vcrsczte 1067
die kollegiatherrn vom Peter -Paul -Stepbansstift in dasselbe, während er zugleich
das Stephanskloster mit mönchen aus dem Gumbrrtusklostcr von Ansbach bevölkerte.
3) Das 746 erbaute Salvatorbuus wurde 855 zerst^irt (erdbebon und fener);
neben den ruinen erstand ein zweiter dorn, 862 — 891 aus holz aufgebaut; dieser
braute vor l>18 üb; der abermalige neubau, 923 begonnen, erfuhr durchgreifende
uragestAltung durch bischof Bruno 1042. Niedermayer 60: v. Urlichs 5; Heffoer
269 fgg.; Ögg -Sehäfner 21, a. 3, 23, 66.
4) Wieland, unterfr. arehiv XV, 1, 18fgg. : üssermann IJK)— 195: Sighari»
gesell, d. bild. knnste in Bayern (1862) s. 82 fg.
5) Wattenbach, gesell.» II, 127; v. Wegele, univ. Wirzb. 4; für den satx bei
Niedermayer s. 68 „die schulen <ies spreugels hat er (Adalbero) gehoben,** finde ich
nirgends einen beleg.
zu FBOÜMÜNDS BBIKFCODBX UND BUODLIBB 427
dafür , das gedieht vor Adalberos zeit zu^setzen. Während aus Adal-
beros tagen fast nichts über schulen verlautet, treten uns unter den
bischöfen Mainhard (1018 — 1034) und Bruno (1034 — 1045) glän-
zende namen entgegen und von mehreren berühmten kirchenfarsten
wird gemeldet, dass sie in Würzburg ihre Studien gemacht haben, so
dass wir auch für die werte
V. 79 Pontifices summi quem tunc sectantur alumni
eine geeignete erklärung gewännen. Der bekante Otloh^ wirkt hier
bis 1032 ; schon neben ihm und dann unter Bruno , dem nahen verwan-
ten und vertrauten der kaiser Konrad II und Heinrich III, welcher
selbst durch hoho gelehrsamkeit glänzte und biblische kommentarien
schrieb, muss auch „famosus ille Wirzeburgensium magist er Pernol-
f u s " * gewirkt haben. Als Zögling der Würzburger schule wird aus
diesen Zeiten genant bischof Heribert von Eichstädt (1021 — 1042), ein
Vetter des Übersetzers des hohen lieds Williram von Ebersberg; die
Würzburger domherrn Hunfried und Engelhard werden 1023, bzw. 1051
erzbischöfe von Magdeburg. Otloh und Pernolf (Bernulf) hätten wir
uns an der domschule ^ zu denken; die möglichkeit, dass der panegy-
1) Watteobacli, gcsch.^ II, 50; über Otlohs reime s. anch W. Meyer, Mänch-
nor sitzuDgsb. 1882, 67.
2) Wattenbach, go8ch.> II, 12(), wo auch erwähnt wird, dass der kunstsinnige
bischof Otto I von Bamberg vermutlich in Wtirzburg studiert hat; v. Wegele, univ. 4,
Niedermayer 48; Emmert, unterfr. arch. XV, 2, 183; Henner in der „allg. deutschen
biogr." III, 435 fg. Praepositus (== dompropst) Bemolf unterzeichnet 1057 jene in
anm. 2 auf s. 425 bereits citierto Urkunde =» Ussermann 176 und cod. prob. 20; vgl.
V. Wegele, Corpus Regulae neu Kalendarium Domus s. Eiliani Wirceburgensis »■
abhandlungcn der k. b. akad. d. wissensch. III. cl., XIII. bd. , III. abteilung s. 46.
3) Der volständigkeit halber sei es erlaubt, hier auch auf die namen von
domscholastern hinzuweisen , die Ogg in seiner Chorographie (1808) s. 578 fgg.
angibt, die aber lediglich auf luftigen phantasien zu beruhen scheinen: Nandolf,
Gundher, Abo, Ruathclm (vgl. Dümmler, deutsche forschungen VI, 119), Werner,
Tiso, Demarlanus Franco; den Hengrumius (Ogg 278, 544, 585) hat Simon (die
lulss. zur rhctorik ad Herennium, Schweinfurt 1863, 13) richtig in Hengeninius ver-
wandelt; öggsGerbotus finde ich so wenig wie Simon. Reuss, SerapenmVI (1845)
8. 161 nent diese angeblichen scholaster nur als bächerschreibor, und v. Wegele
hat sie in der vorgesch. d. univ. wol mit recht übergangen. — Aus bischof
Erlongs zeit (1106 — 1126) wird uns der domscholaster David genant (Wattenbach,
gosch.» II, 69; Emmert, unterfr. arch. XV, 2, 186 und 208 sezt ihn falschlich vor
Pcruolf); natürlich hat der in v. 222 der apologie vorkommende name David mit
diesem scholaster nicht das geringste zu schalTen (vgl. v. 132; David und Jonathan
kommen auch vor iu den Quirinalia des Metellus ed. Basnage III, II, 184). —
Einige domscholaster tret-en auch auf in dem Corpus Regulae cd. v. Wegele (s. oben
anm. 2), nämlich Gozwinus, Rudolf de Hurnheim, Walthcr de Tannonberg, Alber-
tus de Lowenstein , Boppo de Trimberg, Burkardus, Gerhardus, Wolframus de Grum-
bach; sie gehören meist ins XIII. Jahrhundert, nur Johannes (Galliens) ins ende
428
80HBF88
ricus einer anderen von den hiesigen schulen gegolten habe, etwa dem
oben erwähnten stift Haug ^ oder den schulen zu neumünster, St. Ste-
phan oder St. Burkard^ muss freilich offen gelassen werden, doch
spricht die grösste Wahrscheinlichkeit für den dorn.
In Würzburg entstand augenscheinlich auch gedieht nr. XXXIX ;
dieses sowie das vorausgehende gehören ins jähr 1014 oder auch ins
jähr 1022 (vgl. Seiler F 402—404; Hirsch, jahrb. d. d. reichs unter
Heinrich II, bd. 11, 227 und 433); nr. XXXIX bewegt sich im algemei-
nen in sog. versus rociproci,* nr. XXX VHI hat den zweisilbigen reim
ausserordentlich häufig; einen so exorbitanten abstand in der versifica-
tion zeigt die apologie eben nicht ^ Selten etwa alle drei gedichte
(XXXVm, XXXIX und XLHI) von dem gleichen Verfasser um 1022
gedichtet sein?
Dass dieser Verfasser nicht Froumund war (s. Seilers IV. these
s. 404), ist auch mir äusserst wahrscheinlich; gleich wol ist die wenn
auch ferneliegende möglichkeit, dass er in seinen lezten lebensjahren
(s. oben absatz IX) diese gedichte geschrieben habe, nicht so apo-
diktisch auszuschliessen , wie es von Seiler geschieht. Die metrischen
beobachtungen , die Seiler vorträgt, erheischen gewiss alle berück-
sichtigung, indessen wären gerade bei Froumund, einem so lerneif-
rigen und für verskünsteleien stark eingenommenen mann, änderungen
in der verstechnik und speciell der gebrauch des zweisilbigen reims^
des XII. — Altere litteratur zur Wtirzb. schulgcschichte findet man citiert bei
Gropp, nova coli, script Wirceb. I, 52, a. auch Beass im Serai>eum 1845 6. 161 fgg.
Die Colloqoia Ma^istri Petri Poponis de scholis üerbipolensibas , die ich 1882 her-
ausge^'eben habe (Würzburg, Stubor), stammen aus saoc. XV.
1) Dafür könte allenfals die vo ran stell u ng von „Johannes*^ (v. 175) sprechen.
Im Corpus regnlae s. 92 tritt ein scolasticus in Hange dictns de Kregelingen aof.
2) Dass die nachrichten vom scbolastcr Reinhard zu St. Barkard (s. a. a.
Ogg, Chorographie 758) unzuverlässig sind, bemerkt v. Wegele, uuiv. 3, anin. 2;
auch die von Ennuert, unterfr. arch. XV, 2, 208 fgg. gemachten angaben, dass in
St. Durkard von 1001 -1048 Kgil ward und nach ihm bis 1072 Marqnard , nach die-
sem bis WM) Johannes als scholaster gewirkt haben, wollen sehr vorsichtig aufgenom*
men sein ; dass p4^ilward erst ins Xll. jahrh. gehört , wies üssermann s. 192 nach. —
über spätere Scholastiker von St. Burkard s. Wieland, unterfr. arch. XV, 1, 95.
;{) Von anderen sorpentiui oder echoici genant, dem Verfasser des gedichts wol
speciell aus des Sedulius elegie (ed. Arevalo s. 3()l) bekant; vgl. W. Meyer (Bade-
win) Münchner Sitzungsberichte 1873, s. 8G. Bei lluemer, Wiener Studien 1882»
s. 302 heissen solche verse ^paracterici.**
4) Parallelen wie das vorkommen von Sainson und Salomon in apologie und
in gedieht XXXIX, 42 entscheiden ebensowenig gegen als für die ansetzong ein*
nnddesselben Verfassers.
5) In Wahrheit hat übrigens reichlich Vt der 279 verso noch nnr eines
zweisilbigen reim. Betrefs des aufkommens des zweisilbigen reims sind die
Zu FROXTMUNDS BBnSFCODBX UND BUODLIBB 429
nicht absolut unmöglich ; solte doch durch diese apologie die Überlegen-
heit in metrischer kunst bewiesen werden (s. v. 145, 147, 176); ja ich
könte sogar anführen, dass in der apologie einige von jenen Wörtern
widerkehren, die sich Froumund aus dem metr. ApoUonius Tyrius als
merkenswert exzerpierte und auf die ränder seiner Boethiushandschrift
eintrug,^ aber das sind gewagte argumente ' und wir müsten uns zudem
der unbequemen annähme von zwei aufenthalten Froumunds in Würz-
burg getrösten , die durch einen Zwischenraum von beiläufig 20 jähren
getrent wären. Ein andenken an den ersten aufenthalt Froumunds
in Würzburg enthält briof 3 , der im original die (nachträglich und
nicht durchaus sicher von Froumund geschriebene) Überschrift hat: „Ad
Ruotkerum abbatem Herbipolensem." Ich finde von diesem abt nir-
gends sonst eine künde ; ^ Wieland ^ sezt ihn ins Burkardskloster und
noch so wenig geschlossen wie über so manches andere kapitel der mittelalterlichen
littoratiir, und wie sich gegen Grimms und Seilers (F 402 und 404) Statistik schon
jezt einwände erheben und mancher neue faktor einsetzen lässt, so ist von späterer
Publikation handschriftlicher anecdota noch manche anfklärung zu erwarten. Lehr-
reich sind die antersuchnngen W. Meyers, Münch. sitzungsb. 1882 über lat. rhyth-
men, insbesondere s. 64 — 71, 136 — 143 und 190; vgl. auch W. Meyer, Münch.
sitzungsb. 1873, 70 — 99 über die arten der gereimten hexameter. Schon die an
orzbischof Ebbe von Keims (816 — 855!) gerichteten 46 verse («=- Dümmler, poetae
aevi Gar. I, 623) lassen dem zweisilbigen reim grossen Spielraum, desgleichen die
aus 154 versen bestehende opistel Gottschalks an Ratramnus («= Migne, patr. lat.
121 , 368 fgg.) , die etwa um 840 (!) entstand. Nicht anders ist es in dem von
Froumund schon vor dem jähr 1000 gelesenen und bewunderten metrischen Apol-
lonius Tyrius (s. die folgende anmorkung), und die 1881 von Eieffer als programm
des Mainzer gymnasiums herausgegebenen 867 versus Ekkeharti IV Sangallensis,
der seit 1022 domscholaster in Mainz ist, „ad picturas domus domini Mogontinae''
zeigen einen entschiedenen triumph des zweisilbigen reimes.
1) Von den 31 Apolloniusglossen , die sich Froumund schon vor eintrag sei-
ner scholien in seinem Boethiuscodcx vormerkte, lesen wir in der apologie: v. 73
retinacnla (vgl. Apollonius ed. Dümmler v. 234); v. 103 nQVum, hier allerdings in
andrer bedeutung als bei Apollonius v. 70. Man vergleiche ferner apologie v. 136
conspectum lincis mit Apollonius v. 555 fgg. (s. auch unten absatz XVII und XXI !)
und apologie v. 239 corriti mit Apollonius 150 cerritus. — In dem echt - froumnn-
dischon gedieht XXVII, 5 wird das ApoUoniusnotat „pronostonus" verwertet, jedoch
in „pronostinus" verdreht , s. Seiler F 423 anm. 3 (vgl. auch adolph^ Apollonius 42
= echtfroum. carraon V, 8).
2) In utramque partem wie die in anm. 4 auf s. 428 erwähnte parallele lässt
sich der umstand deuten, dass in v. 189 der apologie „Sancti sen cuncti nobis
succurrito iuncti" steht, das echtfroum. gedieht XXXVI aber das thema
„Insontes domini nobis succnrrite sancti akro- und telestichisch behandelt.
Vgl. auch gedieht XV, l.
3) Ein Zeitgenosse dieses angeblichen abtes ist der bekante biograph des
grossen Bruno v. Köln „Rätger clericus Ooloniensis (ad St. Pantaleonem?)." Der
name Rueger war in der familie der grafen von Rothenburg in Übung, doch sind
430 8CHBP88
allerdings war zu Gozperts zeit, in die uns die räumliche Stellung des
briefs im cod. epist. verweist, in Würzburg nur dies eine kloster. Frou-
mund schreibt ziemlich derb und gereizt/ — ob er wol je wider nei-
gung verspürte den wanderstab nach Würzburg zu lenken?
Schliesslich sei, was „Vangia" in v. 15 der apologie betrift,
noch erwähnt, dass ich einen augenblick daran dachte, dieser ausgangs*
ort der litterarischen fehde — dass Würzburg durch ein „poeina*
angegriflfen ward, steht v. 102, 143, 161 — möchte vielleicht nicht
Worms sein, wie Wattenbach (gesch.^1, 233) und v. Wegele anneh-
men, sondern das im cod. epist. so oft genante Feuchtwangen;
indessen würden ebendadurch wider neue erhebliche Schwierigkeiten
in der erklärung entstehen, [n v. 87 lässt Seiler Labeonem mit
unrecht gespert drucken, als sei Labeo wirklich ein zeitgenössischer
gegner des apologeten; Labeo, der bearbeiter einer lat. llias, gilt viel-
mehr als typus eines stümpers und unsere stelle ist gebildet nach Per-
sius*I, 4: Ne mihi Polydamas et Troiades Labeonem
Praetulerint.
B.
Nur wenige bemerkungen sind es , die ich zu Seilers Kuodliebaus-
gabe vorzubringen habe. Die erklärungsversuche nacli Osbern , Ducange
und lex. Salomonis heben, wie mir bewusst ist, nicht endgültig
die Schwierigkeiten; die mähr vom ligurius auf ihre quelle zurück-
zuführen, erwies sich als nicht so einfach, und vorläufig sind es nur
negative resultate, die ich in dieser richtung erzielte; gleichwol wird
die von mir gesammelte litteratur nicht unerwünscht sein. Ich fahre
in der begonnenen Zählung fort:
die von CoHand (Einige beitr&go za d. fränk. gcsch. , Ohringen , sine anno) s. 24
und 41 erwähnten träger desselben weltliche herren. Der in Froamunds brief
genante Hezilinus liess mich daran denken, dass kaiser Kourads II vat«r, graf
Heinrich, Hezel zubenant war, sowie dass auch der oft von mir genant« biachof
Heinrich 1 von Würzburg den deminntivnaiiien Hezelin führte (Colland 24, Usser-
mann 44); doch war gerade in Franken der namc Heinrich ausnehmend beliebt and
die freilich vieldeutigen briefworte ,,Hezilinum nescio quiil promiscui pecoris
petentem" wollen nicht recht auf den hischof passen.
4) Wieland, unterfr. arch. XV, 04, 98 lässt Ruotker „Schriftsteller« sein,
wiewol auch er weiter keine notiz über ihn auftrieb als unsem brief nr. 3; Wielaud
gibt überhaupt zu viel auf höflichkeitsphranon wie „doctorum peritissimus/ womit
Ruotker angesprochen wird, sowie auf die schablonenhaften lobeserhebungen , wie
wir sie bei Trithemius zu finden gewohnt sind.
1) Ist etwa der in briof 3 gcmaciite Vorwurf „neglectae cautionis** schon in
Verbindung zu setzen mit brief 77 (mendacium) und brief iV2 (angebl. voruntreniuig
eines buchs)?
2) Dass schon Froumund das studium des Persins in Tegemsee knlÜvierte»
lehrt brief 17 und brief 10<^
Zu FBOUMÜNDB BBIBFCODBl UND BUODLIBB 431
XVII. Rs. 35fg.] Der sieg Ruodliebs im harfenspiel erinnert
an Apollonius Tyrius, wo der held gleichfals schöner als*die anderen
auf der cither spielt; * zu R 177 Hesse sich als weitere ähnlichkeit des
poetischen apparats erwähnen, dass der luchs sowol im Apollonius
(v. 555 — 568) als im Ruodlieb als bevorzugtes Wundertier erscheint.
Die 12 lebensregeln im Ruodlieb entsprechen etwa den 12 rätseln im
Apollonius. Der chronologischen Ordnung nach hätte übrigens Apollo-
nius vor Otloh, Ekkehardt IV und den übrigen von Seiler R 173 fgg.
angezogenen dichtem zu stehn, denn seine entstehung ist nicht in
,,saec. XI ex./ wie Dümmler nach der Q enter hds. bestimmen zu müssen
glaubte, sondern ein gut teil Mhor anzusetzen, was demnächst im „neuen
archiv der gesellschaft f. alt. d. gesch." von mir dargetan werden soll.
XVIII. R 162.] Zu dem spruchvers Quod rarum carum usw.
finde ich noch eine parallele bei Jo. Saresberiensis ed. Giles V, s. 245
= V. 191 des über entheticus:
Abdita namque placent, vilescunt cognita vulgo.
Die formel rari atque cari s. u. a. bei Wattenbach, ztschr. f. d* gesch.
d. Oberrheins XXV, 151 fg. (Säldner contra Gossembrot).
XIX. R 164.] Wiewol die beiden dichter vielleicht kein ganzes
„menschenalter" auseinander sind, wie Seiler annimt, konstatiere ich
doch ausdrücklich, dass es mir nicht in den sinn komt Ruodlieb dem
Froumund zuzuschreiben.
XX. R 231 = V, 139 scutis retalatis (?).] Taliatus = zerris-
sen, eingeschnitten. Die inkunabel vom sog. lex. Salomonis hat:
„Retilat aperit. Reticulatos cancellatos.^ Solte an fjälsche messungen
wie taliatis oder reticlatis gedacht werden müssen ? oder soll es heissen
„rutilatis = rötlich gefärbt?"
R 233 = V, 196 veluti glandes.] Lex. Salomonis: „Glandium
dubium.'' Ducange kent glandis = turris lignea; solte etwa der sinn
sein: „die höflinge umlagern den könig wie waltürme und tragen
ihm dabei heimlich ihre bitten vor?"*
R 240 = V, 355 boga] Der Tegernseer Metellus hat in seinen
Quirinalia ed. (Canisius-) Basuage thes. monum. III, II, s. 153 fg. drei-
mal boga = fessel.
R 304 = Epigr. VIII, 1 efiiatas.] Osbern = Mai, cl. auct. VIII,
243: Filiatus curvatus aquilus camuratus obuncus reduncus arcuatus
lunatus; ebenda 198: Ebilare mutilare detruncare.
XXI. R26, 186, 229 = II, 1 fgg.; V, 104 — 129; XIII, 19.]
Besondere aufmerksamkeit wante ich auf die erforschung der medici-
1) Die mittclgriecli. fassaug des Apollonius saec. AiU (ed. Wagner) hat
V. 155 auch ä\}na. 2) (Eorrektnruachtrag.) Eine andre deutung s. jezt bei Laist-
ncr in Steinmeyers ztschr. n. f. XV, s. 96.
432 8CHSP88
nisch - naturwissenschaftlichen fabeln, d. h. namentlich auf die Würdigung
der buglos'sa als zaaberkraut gegen wölfe und zum fischfang, sowie
auf die erzählung von Lynx und von der künstlichen herstellong des
edelsteins Ligurius-Lyncurium. In dem von Seiler R 187 erwähn-
ten Plinius Yalerianus (Basel 1528) ist nichts zu finden; von der
übrigen litteratur ^ habe ich hier zu erwähnen :
In Gesners bist. anim. (1720) findet sich s. 678 über den lachs:
„author quidam obscurus (nomen iam non succurrit) scripsit animal
esse mixtum natumque ex cerva et lupo aut cervo et Inpa;*^ ferner:
„Antonius Musa Brasavolus terram lyncum urina madidam saepius col-
lectam sibi et repositam scribit, sed nihil unquam in ea crevisse, mire
autem foetidam fuisse; 681 Lyncurius lapis efiusa iyncis urina
1) Wenig ist zu hoffen von dem bach, wolchea Beckmann in seiner ICarbod-
aasgabo r. 49 citiert ^memoria sul lincurio dol cavaliere Carlo Antonio Napione,
Romac ITOB.** Die durchsieht dürften etwa noch verlohnen Albortns Ma^ns nnd
die Schriften der alchemisten. Alte kräutcrbücher erwähnt Wattenbach, schrift-
wesen* 295 anm.; ein ähnliches zunberkraut wie die bnglossa, wodurch tote fische
wieder ins leben gerufen werden , kommt vor bei Rohde , Griech. roman 8. 125.
Vergebens habe ich durchgesehn (diejenigen werke, welche weitere litteratnr-
nachweise bieten, gebe ich mit gesperteni druck):
Aolian, de nat anim. IV, 17 und XIV, 6 ed. Jakobs; — Apnleias de
herbarum virtutibus. Basel 1528 s. 109 (buglossa); — Beckmann, gesofaichte
d. erfindungen I, 241 fgg. (lyncurium): — Bochart, Hierozoicon I, 796 fgg.; —
Boppe, der starke == v. d. Hagens minnesingcr II, 377 (allerlei wunder- tiere) ; —
Brehms tierleben I ; — Caesarius v. Heisterbach , illustr. mirac. et bist, memor.
libri XII, 1599; — Forer, tierbnch 1583 (s. 150 luchs); — Hildegardia, phy-
sica, Strassburg 1533 (s. 116 linx und ligurius); — Isidors origines; — Iso magi-
ster de XII lapidibus, in der Prudontiusausg. v. Weitz s. 877; — Köhler, tier-
leben im Sprichwort der Gr. u. 'Rom. (1881), h. 117 lyncos; — Langkavol, bota^
nik der späteren Gr., 1866, s. 48 buglossa; — Lcwinstein, die alcheimic =^
Holtzcndorff-Virchow, vortrage, 5. serie, nr. 113; — Macer Floridus de ▼iriboa
herbarum (v. 1135 fgg.); ao^^edunt Otto Crcmonensis, Walafrid Strabus (hortnlui),
.lob. Ftdcz ed. Choulant-Sillig; — Mar b od, lib. lapidum ed. Beckmann 1799,
V. 358— 368; — Oribasius, Strassburg 1543, s. 130 und 170; — Paradoxograpbi
ed. Westermann (vgl. O. Keller, rer. nat. 8cri])t. (ir. min., vol. I) = Ariatotelis
mir. ausc, Antigoni, A)>ollonii, Phlegontis bist, mirabiles, Pselli lect. mir.; —
Physiologus ed. Mai, olass. auct. VII, 589 — 596; — Salomonis lexicon, inkniuibel-
dmok s. 1. c. a. , artikcl ligurius und lincis, wo gleiehfals ligurius (nicht Ijmc)
steht; — Soliuus cd. Mommsen s. 44, 13 (lyncurium); — Tabemacniontaniia, krSo-
terbuch, Basel 1731, s. 804; — Theobaldus Episcopus de XII animalibns« inkuoa-
behlruck s. 1. e. a.; — Theophrast, fragm. II (nf^l Xdhtov) kap. V, 28 nnd fragm.
riiXXV (=^ ed. Wimnier bd. III, 8.41 und 221). Reiche litteraturangaben über
l.igurins goben auch: Wald mann, der bcmstein im altertum, separatabdmck ans
dem progr. des livländ. landesgynin. Fellin für 1882, Fellin 1883, s. 18 fg. und
Schade, althochd. Wörterbuch r. 1301 — 1394. Wegen buglossa vgl. Laiatner io
Steinmeyera zeitschr. n. f. XV (= 188:j) .s. 92 fgg., l(rj, 106 (clectram ICAI).
zu PROUMUNDS BRIEFCODEX UND RüOIU.lEB 433
Septem dierum spatio generatur. Jorath." Bei Gesner findet man
eine menge von litteratornachweisen.
Froumunds Maihinger Boethiushandschrift hat zu Boethius
de cons. phil. s. 65, 22 ed. Peiper in dem kommentar, der sonst etwa
den gierchen Wissensstand repräsentiert, wie ihn der dichter des Euod-
lieb besass, auf blatt 84^: „Linces animalia sunt, ut quidam dicunt,
ex cane et lupo nati , ut alii extremi catuli luporum , qui sunt peiores."
Mich. PselluS; etwa ein Zeitgenosse des Buodliebdichters , sagt
(71€qI U&(av dwafneiog ed. Ideler, phys. et med. Gr. min. I, s. 244):
„Tag dyvdoTOvg ^fuv Xld'ovg idaa), töv ^Ovoyuxqdiov . . . xat rbv Xvy^ov-
Qov %al baoi TOLOirroL, Stv tö ovofia fidvov l'afieVy ov fiiwoi ye avTCÜg
ivTvyx^Ofiev.^
Eine merkwürdige und namentlich wegen der Scheidung zwischen
den formen hyijQLOv (== ligurius R V, 102) und XayKovQKyv (ÄvyxoiJ^tov)
beachtenswerte stelle ist vorhanden bei dem schon im vierten Jahrhun-
dert schreibenden Epiphanius Episcopus (ed. W. Dindorf 1862 vol. IV,
pars I, s. 229) in dem nur auszugsweise erhaltenen buch Ttegt ödde/xx
U&cDv (d. h. über den schmuck des hohepriesters Aaron): y^Ud^og Xiyi-
Qiov • TOVTOv de TTjv eügeaiv ovdafißg eyvcofxev ovre naqä qwaioXS-
yoig övxe 7iaQa naiv äQ^atoig xöig TZBqi xoixvjv f.ief4eQif4vrf/,6atv. eÜQO-
IX ev de XayaoijQLOv . , . ov Tiveg tJ tqov^ dtakexTa) Xayoiqiov yuxXovai,"'
Epiphanius äussert dann die Vermutung, der stein hyvQiov der bibel
(= Moses II, 28, 19) sei identisch mit dem hyacinthus. — Die nach
dem volständigen griech. original gefertigte versio antiqua hat pun
aber folgende ergänzung (s. 189): „Et liggurus quidem vel etiam lag-
gurus, si ipse sit liggyrium, rursus ex quo sit loco, nescitur a nobis
.... Explanatur enim liggurus a quodam animali quod liggium nomi-
natur habens colorem bubali^ vel buculae rufae, cuius cauda modica
est, et habet puncta quaedam viridantia, propter quod et lapis ligurus
idem liggii cauda vocitatur; s. 191 wird über die gewinnung von edel-
steinen folgendes berichtet: „in Scythia iugulant agnos et excoriantes
dimittunt desuper e saxis . . . lapidesque . . agnorum decoriatorum car-
nibus adhaerescuut;" wenn dann adler das fleisch heraufgeholt und
gefressen, die edelsteine aber liegen gelassen haben, werden leztere
von Sträflingen eingesammelt. Wichtig sind Dindorfs anmerkungen.
Über diamanten, die durch adler geholt werden, vgl. Rohde, griech.
roman (1876) s. 181 anm. d = Sindbads abenteuer.
1) Solin. ed. Mommsen s. 108: sunt et nri, qaos imperitum vulgas vocat
babalos, cam bubali (= gazellen) pacne ad cervinam faciem in Africa procroentar.
WÜRZBÜBG, JANUAR 1883. GEORG SCHEPSS.
ZEITSCHR. F. DRÜT8CUE PHILOLOOIR. BD. XV.
28
4M
DER TEXT DES ZWEITEN TEILES TON GOETHES
, FAUST/^
Viel anguD3tig*T als beim ersten teile steht es mit der überlie-
fening des textes unseres weltumfassenden dramas beim zweiten« da
nur dessen anfang and die «Helena* bei lebzeiten des dichters gedruckt
wurden, and auch diese ohne gehörige Sorgfalt: denn die zn gründe
liegende handschrift war eilig angefertigt and nicht achtsam genug
durchgesehen worden. In noch viel höherem grade war dies bei der
vom dichter nachgelassenen des ganzen zweiten teiles in den noch
angedruckten akten und scenen der falL Die reinschrift , nach welcher
der druck gemacht wurde, ist nicht mehr vorhanden; von einer in
Goethes archiv befindlichen handschrift ist nichts bekant, vielmehr
deutet alles darauf, dass Goethe, wie sonderbar es auch scheinen mag,
von dem vollendeten zweiten teile nur eine handschrift hinterliess, die
er im juli 1831 einsiegelte, dann im januar 1832 wider herausnahm,
um seiner Schwiegertochter die beiden lezten akte vorzulesen , wobei er
einiges, was ihm aafBel, änderte (vgl. meine grossere erklärung 109
zweiter aufl.), ja wir werden den beweis erbringen, dass nur eine
äusserst fehlerhaft geschriebene sich vorfand , die von den herausgebem
ohne jeden andern anhält verbessert wurde. An methodischer dar-
legung der Sachlage hat es bisher gefehlt. Meiner herstellung der eli-
sionen war von Loeper in der den richtigen grundsatz ausfuhrenden
Schlussanmerkung seiner ersten ausgäbe des zweiten teils gefolgt; in
der zweiten dagegen hat er sich nicht im zusammenhange darüber aus-
gesprochen. Was Schröer darüber gibt, ist bereits besprochen; seine
haltlosigkeit wird aus der folgenden darlegung noch klarer hervorgehen.
Beginnen wir mit der zuerst gedruckten „Helena," wie sie 1827
die taschenausgabe im vierten bände der werke brachte; der druck der
octavausgabe des folgenden Jahres zeigt keine Verschiedenheit Am
25. märz 1825 sante Goethe, noch ehe er von dem schrecken über den
theaterbrand sich ganz hergestelt hatte, den anfang der „Helena*^ an Rie-
mer, „einen teil der gestrandeten ladung , den er den strudeln der Lethe
kecklich abgewonnen habe." „Schenken Sie diesem hefte Ihre gewohnte
liebevoll einsichtige aufmerksamkeit ," bat er. „Es gibt freilich man-
cherlei dabei zu bedenken." Die hofnung, mit dem übrigen, der fort-
setzung und dem Schlüsse der „Helena," solle es auch gelingen, wenn
sich die elemente nur nicht gar zu wild entgegensezten, täuschte ihn
nicht, wenn auch längere zeit dazu gehörte, als er sich gedacht Es
bedurfte noch mancher Studien , besonders einer eindringenden bescbftf*
DÜKTZER; ZUB TBXTKKITIK VON OOETHBS FAUST. H. 435
tigung mit der geschichte der griechischen erhebung und der früheren
fränkischen eroberung des alten Peloponneses , ehe er an die weitere
ausarbeitung gehen konte. Die Vollendung gelang erst, nachdem er den
Winter darauf verwant hatte, auch nicht ohne lücken und mit ausnähme
des Schlusses, im frühjahr 1826; bis zur ablieferung der handschrift
hatte er noch bis zum nächsten jähre zeit. Auch diesmal ward die
durchsieht zunächst Eiemer anvertraut. Auf die „Helena" bezieht sich
Goethes brief an Kiemer vom 2. december 1826,^ wo er schreibt: „Sie
erhalten hierbei, mein werthester, das fragliche wundersame werk bis
gegen das ende. Haben Sie die gefälligkeit, es genau durchzugehen,
die Interpunktion zu berichtigen und allenfalsige bemerkungen nieder-
zuschreiben, vorzüglich aber folgendes im äuge zu behalten. Ich unter-
liess, wie Sie sehen, in prosaischer parenthese das, was geschieht und
vorgeht, auszusprechen, und liess vielmehr alles in dem dichterischen
flusse hinlaufen, anzeigen und andeuten, soviel mir zur klarheit und
fasslichkeit nötig schien. Da aber unsere lieben deutschen leser sich
nicht leicht bemühen, irgend etwas zu suppliren, wenn es auch noch
so nah liegt, so schreiben Sie doch ein, wo Sie irgend glauben, dass
eine solche nachhülfe nötig sei. Das werk ist seinem Inhalt nach rät-
selhaft genug; so möge es denn der ausführung an deutlichkeit nicht
fehlen." Besonders der zweite teil der „Helena" bedurfte solcher sce-
narischen bemerkungen, die nach dieser äusserung alle, höchstens mit
geringen ausnahmen, von Eiemer sind. Freilich wurden sie von Goethe
gebilligt, woraus aber nicht folgt, dass dieser die richtigkeit derselben
bis zum einzelnen ausdruck alseitig erwogen habe. Schon vorher war
die abschrift der „Helena" begonnen, deren monolog er bereits den
22. november an Boisseree gesant hatte; sein versprechen, ihm auch
die folge mitzuteilen, erfülte er. Bis auf die lezte stunde, schrieb er
diesem , sei noch immer etwas daran zu bemerken , zu bestimmen. Am
26. Januar 1827 gieng das ganze zum druck ab, von einer kanzleihand,
1) Irrig ist Biemers eigne datierang vom folgeDden jähre, wodurch der
anschein entstand, Goethe habe damals am fünften akte des „Faust" gearbeitet.
Wir wissen aber, dass er am 1. Oktober den anfang der zweiten scene des ersten
aktes Eckennann vorlas und sich, da er den ersten akt bis zur scene im lustgar-
ten der neuen ausgäbe des ersten teils folgen lassen wolte, auch so eifrig daran
hielt , dass er ihn schon im nächsten Januar zum dmck absenden konte. Dies stimt
ebenso wenig zu dem, was Goethe in unserm briefe bemerkt, als bei der datierung
vom december 1826 alles auf den damaligen zustand der „Helena" passt. V^Tenn
Biemer selbst den ausdruck „das fragliche wundersame werk" auf den „Faust"
bezieht, so ist dies entweder ein versehen oder er denkt an den „dritten akt des
Faust," wie er „Helena" auch in der anmerkung zum oben angeführten briefe
vom 25, märz bezeichnet.
28*
436 DÜNTZKR
wol von Kräuter, nicht von seinem secretär John geschrieben. Wir
bemerken hierbei, dass eine später unterdr&ckte rede der scheidenden
Phorkyas in einem von Kräuters band geschriebenen entwarf sich
erhalten hat. Dass die zum druck bestimte handschrifb eine ins ein-
zelne gehende , besonders die notwendige elidierung der vokale e und t
und die interpunktion sorgfältig beachtende durchsieht erfahren, steht
an sich" schwer zu behaupten. Eckermann scheint diese nicht über-
nommen zu haben; denn Goethe überraschte ihn damit, dass er ihm
das zur absendung bereite packet zeigte , und weder Riemer noch Gott-
ling wurden damit beauftragt, wenn sie auch das ganze vor der
abschrift gelesen hatten. Demnach könte es nicht aufTallen, wenn die
abschrift an ungenauigkeiten , ja selbst an andern kleinen versehen
litt, die Goethe, wenn er sie selbst las oder sich vorlesen Hess, leicht
übersehen oder überhören konte. Wenn der schriftsteiler beim corri-
gieren seiner eigenen werke oft fehler übersieht, indem er beim lesen
nicht das, was wirklich gedruckt steht, sondern was er sich gedacht
hat, herausliest, so konte dies hier auch bei Goethe leicht der fall
sein, nicht weniger mochte er beim vorlesen auch irriges überhören,
da ihm das richtige im sinne lag; vor allem aber ist es begreiflich,
dass er auf die durch den vers gebotene elision nicht die nötige Sorg-
falt verwante, nicht beachtete, dass sein abschreiber regelmässig die
vollen prosaischen formen geschrieben hatte, auch wo der vers sie nicht
gestattete.
Vergleichen wir die behandlung der antiken versmasse, wie sie
Goethe sonst in anwendung bringt, mit der im ersten drucke der
„Helena" sich findenden, den wir wesentlich als treue widergabe der
handschrift ansehen dürfen. Den ersten versuch in trimetem machte
der dichter im September 1800 mit dem anfang der „Helena." Die
gesetze des griechischen verses scheint er aus Hermanns schrift De
metris Graecoiiim et Romanorum (1796)^ kennen gelernt zu haben,
auf die er wol durch Wilhelm Schlegel hingewiesen worden war, des-
sen metrische und prosodische kentnisse er damals zu seinem zwecke
benuzte, auf dessen hülfe er auch wol in bezug auf die versmasse der
chorgesänge rechnete, die er in der „Helena" wagen muste. Die
grundgesetze des antiken trimeters, dessen Schema, wie er es nent,
hatte er sich gemerkt. So wüste er denn, dass die Griechen den ana-
päst sich nur im ersten fusse sowie bei eigennamen, wenn diese einen
fuss bilden, dagegen den tribrachys in den vier ersten fassen, selten im
1) An diese schrift Hermanns ist nach Schillers äusserung in dem briefe an
Goethe 766 (vgl. 768. 770) zu denken, obgleich schon 1798 dessen «Handbnch der
Metrik** erschienen war.
ZUR TEXTKRITIK VON GOETHES PAUST. II. 437
fünften, den daktylos im ersten und dritten gestatten: aber diese freibei-
ten einzufübren durfte er bei der unbestimtbeit der deutseben prosodic
und der furcbt, dadurch den rhytbmiscben scbritt zu verdunkeln, sich
nicht gestatten , wogegen er sich des eintretens des anapästs , besonders
innamen^ nicht ganz enthalten mochte. Freilich ist uns die damalige
fassung des ersten monologs der Helena (wol 1 — 28, 36 — 72 und
81 — 103) nicht erhalten, so dass wir kein sicheres zeugnis seiner
ersten bebandlung des trimeters in bänden haben, aber im folgenden
monat schrieb er zum geburtstage der herzogin mutter das Vorspiel
^Paläophron und Neoterpe," in welchem er sich des antiken verses,
wahrscheinlich doch wesentlich in derselben, wenigstens in keiner gebun-
deneren weise als im tragischen monologe der Helena bediente. In den
185 trimetern ^ des kleinen allegorischen stöckes finden sich zwei ana-
päste in dem verse (6):
Köonte man etwa fordern, dass ich sagte, wer ich sei.
Aber hier scheint etwa ein versehen des setzers statt auch, wie in
der ausgäbe der werke hergestelt ist, so dass nur ein anapäst im ersten
fusse zurückbleibt. Dass hier etwa blos als eine silbe genommen sei,
wie in der „Helena" 672 fg., ist nicht wahrscheinlich. Auch könte
man meinen, der später verbesserte vers (64):
Ihr seht es hoffentlich doch zufrieden an,
sei eigentlich ein funffQssler, in welchem der vierte fuss ein anapäst,
aber wahrscheinlich war hoffentlich ein versehen des setzers statt
des später wirklich eingeführten wie ich hoffe. Die endungen von
bei Wörtern auf ig sind nie zur bildung von anapästen gebraucht, son-
dern i ist immer ausgestossen. Wir lesen 18 den versschluss lang-
bedächt'gen Schritt, 36 gleichfals am ende leid'ge Brut, wie
auch in den trochäischen und jambischen versen des stöckes i elidiert
ist (74 heil'gen, 240 ew'ger). Die endungen -ere, -eren, und
das schliessende e des verbums vor ich, er, es, euch sind nie bei-
behalten zur bildung eines auapästes.
Durch die herlichen trimeter in Goethes monolog der „Helena"
fühlte sich Schiller angeregt, zu seiner „Jungfrau von Orleans" drei
in nachahmung Homers gedichtete auftritte (H, 6 — 8) in demselben
versmass zu schreiben. Hermanns buch, das ihm Goethe auf seinen
wünsch geliehen, war ihm schwer fasslich, doch wird er die haupt-
gesetze des trimeters daraus ersehen, mehr aber dürfte er sich an
1) Genauer 173, denn fünf verse (26—28. 30. 196) haben einen fuss zu
wenig, einer (9) einen zu viel, und sechs, die siebenfüssler waren, (39. 46 — 48.
53. 112), sind erst in der ausgäbe der werke zu richtigen trimetern geworden.
438 DÜNTZEB
Goethes beispiel gehalten haben. Auch Schiller behält das i nie bei,
um einen anapäst zu bilden; wir lesen bei ihm Unglückserger,
blut'ge (6, 8. 11), britischen, ird'sche, beimischen, heil'ge,
gnädige (7, 1. 31. 53. 89), heiFger, lebendiger (8, 6. 11). Auch
blühnden finden wir (7, 52). Die beiden ersten silben eines ana-
pästs bilden zweimal die abbiegungen eines participiums auf end, dro-
henden, zitternde (6, 2. 8, 7). Sonst haben wir den anapäst
mehrfach im ersten fusse, wenn die zweite silbe der bestimte artikel
ist (Doch die Fürchterliche, Wie die Brunst, Denn dem
Geisterreich, Mit dem Schwert 6, 4 fg. 7, 20. 22), einmal auch
im fünften, in der Jugend (7, 36). Ausserdem stehen am anfang des
Verses die anapäste: Wenn er auch und Muss ich hier (7, 11. 76).
Später hat Schiller nur noch einmal sich des Trimeters bedient, in
der ergreifenden scene der „Braut von Messina" IV, 8. Dort findet
sich nur einmal ein anapäst, in dem versanfang Den Verbrecher
(65); die elision des i komt mehrfach vor, in blut'ge, bussfert'ge,
ew'ge, ew'gen, heiTgem, wogegen in den vollen formen die sUbe
metrisch mitzählt, wie in unglückselige Gerüst, der Lebendigen.
Doch wenden wir uns von Schiller zu Goethe zurück. Die näch-
sten trimeter finden sich 1802 in der rolle des Merkur in dem Vorspiel
„Was wir bringen." Dort erscheint der anapäst nur 18, 18 in See-
lenwanderung und 19, 29 in verfallenem, aber an beiden stellen
hat die darin doch wol entscheidende ausgäbe lezter band das e aus-
gestossen, wie dieses schon im ersten drucke fehlte in Dämmrung
(16, 10), heitre, höhres, höhern oder bohren, unsres (16, 2.
11. 28. 30. 35. 74). An allen stellen, wo die beibehaltung des i einen
anapäst brächte, ist es elidiert; so in günstgen, günstgem, gewalt-
ger, lebenskräftger, lebensthätgen, mannigfaltge, gegen-
wärtge, schuldge, gnädge, unbändgen, einzgen, phantast-
schen (16, 4. 61. 70. 76 fg. 82. 19, 33. 35. 21, 11. 18). Dieselbe
durchgehende ausstossung des e und i zeigt der prolog von 1807,
sowol in den trimetern wie in den trochäischen versen. Ausnahmen
bilden nur 75 ewiger, 76 Unbändige, 265 übermässiger FreudOi
von denen die beiden ersten schon in den werken elidiert sind, über-
mässiger nur übersehen und in übermässger zu ändern ist (ygL
in der „Pandora" 308 übermässgen). Das übersehen der elision ist
ein nicht selten vorkommender druckfehler, wie z. b. in der „Iphigenie*'
IV, 2, 130 sich in der quartausgabe Entschuldigung statt Ent-
schuldgung einschlich, in der „natürlichen Tochter" V, 163 die erste
ausgäbe das später verbesserte 'Linderung am Schlüsse des venes
hatte, in den bruchstücken der „Nausikaa" einmal der veiB falsch auf
ZÜB TEXTKBITIK VON GOETHES FAUST. II. 439
„zuverlässiger" endet, während vorher richtig zehenjähr'ger (zuerst
unrichtig zehnjähr'ger) gedruckt sich findet. Der prolog hat nur
zwei wirkliche anapäste, beide im fünften fusse, der einen solchen
raschen schritt liebt, strahlende Heiterkeit und rühmliche Le-
benszeit (74 und 308).
Zwei monate nach dem prolog von 1807 begann die ausführung
der „Pandora," deren anfang Goethe im nächsten frühjahr zum drucke
absante. Als er im april zu Jena an die fortsetzung gehen weite, bat
er Biemer, ihm „das Schema zu sechsfüssigen Jamben, wie sie die
Alten gebraucht," zu senden, da er das Unglück habe, dergleichen
inuner zu vergessen; auch möge der freund für Karlsbad, wohin er
ihn begleiten solte , „sich mit alten und neuen Frosodisten rüsten , teils
zu theoretischen, teils zu praktischen Zwecken." Kiemer wird ihm
kurz die gangbaren gesetze des antiken trimeters ins gedächtnis geru-
fen haben. In Karlsbad konte er nur einen teil der fortsetzung zu
stände bringen, woran zum teil die antiken silbenmasse schuld waren,
die Goethe nach Riemer „auf seine weise zu versuchen sich gemutet
fühlte, ohne dass sie ihm so geläufig gewesen wären , wie es die anmut
des gedichtes verlangte." Das wundervolle festspiel blieb unvollendet.
Betrachten wir zunächst die trimeter, deren das gedieht 411
zählt, so ist die zahl der elidierten e und i ausserordentlich gross, die
beibehaltung derselben ohne bedürfnis des verses ganz verschwindend
klein. 68 lesen wir: „Auch Unbekannte zu beschädigen bringet
Weh," wo ohne zweifei beschädgen zu lesen, wie 786 vergegen-
wärtgen, 427 Unbändger, 308 übermässgen steht. Auffält 581:
„Und peiniget in der Tochter sich zum zweitenmal." Nirgends, auch
nicht im imperativ, zeigt sich sonst die volle form auf et, wo nicht
das metrum sie fordert, auch da nicht, wo man meinen könte, sie
wäre bezeichnend, wie in denversen: „Erhebt die starken Arme leicht,
dass taktbewegt" (165), „Dort stürzt von euren Hebeln Erzgebiig her-
ab" (229). Wenn es 641 heisst: „Das Beh zu fliehen, es zu ver-
folgen , sprang der Leu ," kann man freilich glauben , es sei absichtlich
fliehen gebraucht, um dem verse raschern fluss zu geben, aber die-
ses ist eben nichts weniger als nötig, und so möchten wir auch hier
fliehn vermuten, wie ziehn 302, widerstehn 228, gesehn 436
stehen. Des Wohlklanges wegen scheint 623 wie es (statt wie*s)
wunderbar zu schliessen, aus gleichem gründe 703 zu stehen: „Da
sprach sie: Wähle! Das eine sei dir anvertraut," wogegen der fol-
gende vers: „Wähle schnell!" jambisch auslautet. Wenn hiernach ana-
päste durch ein i oder e der endung mit äusserst wenigen , leicht wegzu-
schaffenden oder zu erklärenden ausnahmen, gar nicht gebildet werden,
MO
SO finden «iiese üich dagegeD bei den abbiegongen der pftiticipien anf
end. So lesen irir 11 gestaltenmischender Möglichkeit, 17
neubelastende Qual. 617 treffende Pfeilgewalt, 691 leiden-
?;ehaffende eab. 946 driniiende Hocheewalt. Ähnlicber tit
sind entget'ueie sie 094. göttliche Gliederban 684. Mehrfach
bildet die zweite silbe des anapästs ein nicht zn yermeidendes er, sie,
sich oder der bestirnte artikel. Hierher gehören zündet er schon
:^o. entfaltend sie blüht 952. schmiegten sich zwitzernd 619,
Schlangenkreise sich dehnt 629. wie sich frei 621, Kriegsge-
fährte den Schützen 616. mit dem Schild 617. Auf jener folgt
zweimal ein jambisch beginnendes wort, jene Gefährliche 577,
jenen Cypr essen 733. Die zweite kürze wird mehrfach von der
Vorsilbe ver gebildet, schmückend verbreiterten 631, solche
Verwandelung 690, ewig verwaister 740, nnd ähnlicher art ist
lieblich hervor 963. Alle diese anapäste sind aus der notwendigen
freiheit der bewegung hervorgegangen, da der dichter zu ihrer Vermei-
dung sich hätte zwang antnn müssen. Wenn er den namen Phile-
ros zweimal (58 und 427) anapästisch braucht, so folgt er der Ar
eigennainen auch von den griechischen dichtem angenommenen freiheit
In den trocliäischen massen gestattet sich Goethe den dactylus nur
einmal, in mittägiger Heimchen 505: wir finden sonst heiiger,
Unruhgen, Uebermüthgen. lebendgen, beherzgen, heitern,
bessre, goldne, geschlossne, verstossne, wohlerworbne, ver-
gangnem usw. So tritt der grundsatz, die metrisch nicht zählen-
den e und i uuszustossen , so entschieden wie möglich hervor.
Gleichfals finden wir dies in den 127 trimetern des ,,Prolog8*
\on 1811. Hier lesen wir Mannigfaltge, vaterländschem, Noth-
wendgem, cndge, tiefrem neben finstern, huhrem neben grös-
serni, Erheitrung, offnem. Ein anapäst erscheint nie. Es war das
für lange der lezte versuch in trimetern; au ihre stelle trat von jeit
an wider der fünffussige jambus. Aber auch in diesem, wie in allen
versarten, blieb der ausfall der metrisch nicht geforderten, selbst in der
gewöhnlichen rede meist verschlungenen e und t stehender grundsatx.
In dem schönen epilog zum .Essex^ von 1813 findet sich keine abwei-
cliung. Sehr belehrend ist der in den verschiedensten jambischen nnd
tro<'huis(-)i(»u massen sich bewegende grosse maskenzug zum 18. decem-
ber IHiK, der gröstenteils noch in des dichters handschrift vorliegt Hier
gibt die handschrift: ewgen. ewgem 28, 689, 693,* woneben ewige
1) Der druck hat an den beiden lezten stellen die volle form, wie auch 586
kriofforiHch, zum beweise, wie leicht eine solche durch den abschreiber oder den
sotzcr versteh uldet wird.
ZUB TBXTKBITIK VOM 00BTHB8 FAUST. U, 441
112, 122 ein blosses versehen sein muss, wie auch würdiger 182,
nach der grossen überzahl der elidierten formen : onverständger 163,
Lebendge 270, anzukündgen 440, entschnldgend, huldgend
245. 247, bedächtger 230, kräftger 537. 597, geschäftge 933,
gewaltge 716, mannigfaltgen 780, Gegenwärtge 368 fg.,
geistgen 119, günstgen, Günstges 120. 968, kriegrisch 526.
Nicht weniger entschieden ist der aasfall des e in den endungen ere,
erenfi, eren, eres. Den ausnahmen andere 603 und Aeusseres
612 stehen eine grosse zahl von stellen entgegen, die andre, andern
haben, äussres 725, äussern, Innern 190. 697. 726. 820 (auch
Erinnrung 520), unsre 346, unsers unsres 461. 919, niedre 543
(nach der handschrift), muntern 179, heitre, heitern, heitren,
heiterm, heitrer 128. 235. 349. 611. 700. 1030, düstrer, düstern
22. 348. 550, höhern 454. Freilich lesen wir 234 angewiesenen,
aber dagegen wohlgewachsner 996, ungemessnen 818, erfahr-
ner 943, erhabner 692, goldne, goldnen 60. 222. 360, offnen
349, eignen 382. 815, vergangnen 219. Einen anapäst finden wir
553: wollen es nicht, 645: Zauberin und 887: verstecke mich.
An der ersten stelle ist wollenes nicht (vgl. 704 stehts ihm an),
an der leztern versteck* vom dichter beabsichtigt Jedenfals tritt
der grundsatz deutlich hervor, nicht ohne not anapäste zuzulassen.
Freilich scheint dieser bei dem prologe für die Berliner bühne vom
jähre 1821 nicht beobachtet, wo wir kräftige 33, geistiger 45,
Tüchtige 50, heiligem 96, mosigen 129, vulkanischer 144,
obere 65, dienstbaren 75 schon im ersten drucke lesen, wogegen
das e in den endungen ere, erer, eren, enen ausfält, aber hier
müssen die vollen formen vom Schreiber oder setzer herrühren. Unmög-
lich kann Goethe hier von dem beständig durchgefQhrten grundsatze
abgegangen sein, das i und e, wo es der vers nicht verlangte, zu eli-
dieren, mochte er dies auch zuweilen bei der abschrift übersehen, wie
z. b. in der Marienbader „Elegie^ von 1823 das i durohweg im lezten
fusse steht (sehnsüchtiger Thränen 2, 6, selige Stunden 5, 2,
heiligem Schatten 6, 2, seligen Höhe 14, 5, gabeseligen
Munde 23, 5), wogegen das e überall geschwunden ist. In den kurz
darauf geschriebenen strophen „Aussöhnung^ lesen wir dagegen im
versschlusse ewger Schöne (2, 4). Derselben blos durch versehen
entstandenen nachlässigkeit begegnen wir bei Goethe auch sonst, wie
wenn in dem 1824 geschriebenen gedichte „an Werther" neben un-
willkommner und Aeussres sich unbefangene findet, in der „Le-
gende" der bailade vom Paria das i und e bald steht, bald ausgestossen
ist. Leztere hatte er seinen freunden nicht vorgelegt, ehe er sie
442 DÜNTZEB
in den druck gab. Eine solche Ungleichheit kann unmöglich beabsich-
tigt sein.
Als Goethe im jähre 1825 die „Helena" wider aufgriff, hatte er
längst keine trimeter mehr versucht; denn die Übersetzung der bmchstücke
des Phaethon des Euripides, die er 1824 in „Kunst und Alterthum"
zu seiner herstellung des Stückes benuzte, war von Göttling, und kaum
dürfte er der metrischen behandlung derselben besondere aufmerksam-
keit zugewant haben. ^ Der anfang der „Helena" lag ihm vor, aus
dem sich seine art der behandlung des trimeters ergab; doch, da er
Kiemer bei der ausführung zu rate zog, besonders wegen der chorischen
versmasse, wird er diesen auch wider wegen des Schemas des trimeters
befragt haben. Sehen wir nun, wie in der uns im ersten drucke der
„Helena" vorliegenden Überlieferung der Trimeter behandelt ist, und
zunächst, wie es sich mit der elision von i und e verhält Wir bemer-
ken zuvor, dass die gesamtzabl der trimeter in der „Helena^ an fünf-
hundert beträgt. Nur dreimal finden wir das i ausgestossen. Vers 348
begint „ünserger Bilder," zwei verse darauf steht „vaterländscher
Flur," 525 „verständger Mann." Dass diese formen durch den Schrei-
ber oder setzer hereingekommen, ist höchst unwahrscheinlich, dagegen
könte einem derselben oder beiden abwechselnd ein grosser teil der
vollen formen angehören, wenn wir auch zugeben, dass manche auf
der nachlässigkeit Goethes selbst beruhen. Regelmässig ist in der
abbiegung von heilig das i erhalten (24. 85. 87. 462. 491), ebenso
bei wenig (448. 522. 696), heftig (154. 274), flüchtig (492),
nächtig (547), geschäftig (184), umsichtig (477), mannigfal-
tig (357), bärtig (1089), mannlustig (290), leidig (635), leben-
dig (93), vaterländisch (6, gegen 350), anzukündigen (651), auch
bei phrygischy cimmerisch, thessalisch (4. 513. 1486). Umge-
kehrt ist e mit wenigen ausnahmen geschwunden. Zwar lesen wir
Ebene (59), mustere (63), munterer (524), glühende (164),
erschütterendes (157), erschüttere (953), schöpferisch (205),
schädlicheres (341), anderes (531), Königes (284), Dienstes
(301), ziehe (56), stehet (507), Throne (1482), rege (496). Aber
diesen- wenigen beispielen treten entgegen Ebnen (1061), Erhabnen,
Erhabnes (505. 697), Vergebne (346), umgebnen (151), erworb-
nen (380), wohlgeschliffnos (90), mustre (55), muntrer (509),
muntern (306), bittern (41), Gebiet'rin (597), gebieterisch
1) Göttling hat dreimal den anapäst angewant (50 Erinner' ihn, dasB,
51 Wunsch zu gewähren, 144 rührte die Zügel), der auch 15. 24. 27. 131
durch die vollen formen unserer, einziger, einzigen, andere gebildet wild,
wogegen 47 innern steht
ZUR TEXTKBITIK VON G0BTH£8 FAUST. U. 443
(201), Wandrer (281), andre, andern (91. 588. 644. 701), vor-
dem (48), düstern (669), betretnen (168), gehaltnem (703),
gewordnen (659), eh'rnen (15), unsre (550), trockne (88), Be-
trunknen (285), erzogne (291), geschlungne (544), hagrer (202),
entlassnem (169), verglommner (188), willkommnen (664),
unterschworner (342), freigebornen (377), verworrner (1497),
Herrn (660), Ungeheuer (327), ziehn (282), Dräun (195), wohl-
gehn (490), bestehn (647).
Fragen wir nach dem sonstigen gebrauch des anapästes im tri-
meter, so ist derselbe, besonders im anfange, sehr bedeutend, wird
aber meist durch die bequemlichkeit des dichters herbeigeführt. An
dreiundzwanzig stellen bildet der bestimte artikel eine der kürzen (3.
15. 44. 48. 51 fg. 56. 81. 94. 101. 118. 151. 269. 272. 362. 453. 467.
469. 507. 538. 576), nur an einer (19) der unbestimte. Eine einsil-
bige Präposition erscheint fünfmal (178. 325. 366. 512. 546), eben so
oft ein persönliches fürwort (197. 206. 332. 506. 661). Viermal steht
im anapäst das te des imperfectums (332. 498. 569. 571), fünfmal
die abbiegung der participialendung end, et (16. 42. 47. 190. 279),
sechsmal abhiegungen der endung lieh (99. 373. 478. 549. 660. 951),
dreimal in Königin (460. 467. 654), einmal in Schaffnerin (181),
zweimal beim Superlativ (8. 462), einmal in einsamen (374). Mehr-
fach veranlassen die Vorsilben den anapäst, sechsmal be (24. 44. 344.
455. 579. 643), dreimal ge (392. 589. 649), einmal ver (353). Auch
die erste silbe von fürwahr fält einmal (44) in den anapäst. Die
übrigen fälle finden sich in den besondre freiheit schon bei den alten
geniessenden eigennamen, Tyndareos, das verschieden gemessen wird
(10. 504), Erebus (325), Deiphobus (567). Hiernach war es wol
nicht das streben nach rhythmischer abwechslung, welches den dichter zu
den anapästen veranlasste, sondern das bedürfnis, da er sich sonst zu
eingezwängt fühlte. Deshalb stehen auch die anapäste in allen vers-
füssen, die meisten freilich in den vier mittlem (in sechszehn bis neun-
zehn fällen), aber zweimal auch im ersten fusse (zu des erdgebeug-
ten, 94, zu bestehn, 643). Wenn in einem verse (44) sich drei
anapäste finden, so ist das eben zufall.
Neben dem trimeter tritt selten der moderne fünffüssige Jambus
ein. In den 122 versen findet sich nur dreimal kurz hintereinander
ein anapäst (Halte fest 1458, alles Gemeine 1465, lange du
dauern 1466), wogegen einmal die elision von e in unschätzbar'n
1462); zwischen diesen versen findet sich einmal ein sechsfüssler (763).
Auch vierfüssige jamben werden zuweilen angewaut; es sind 107 verse.
In diesen findet sich nur einmal ein anapäst (797: „Der erste wusste
444 DÜNTZBB
vom lezten nicht"). Blut' gen ist elidiert 829. In den kleineren jam-
bischen Versen 1223 — 1249. 1268 — 1297. 1353—1363 stehen sid
Verwegne 1231, das jedenfals irrige, weil dem vers widerstrebeoi
errungene 1256. 1294 und das 1296 darauf reimende erzwungen«
entgegen, wogegen man leiehtfüssige 1281 dem dichter gestatta
kann. Freilich scheint „Aus Gefahr in Gefahr" (1357) aus zwei aiuh
pästen zu bestehen , wie auch der kurze vers „Wer im Frieden" (1353)
anapästisch begint, aber diese verse selten eben anapästisch sein. Dk
weiteren jambischen verse, 1376—1388. 1397 — 1403. 1408 — 1411
sind ganz rein. Wir bemerken darin düstern (1418).
Von viel grösserer Wichtigkeit sind die antiken trochäiscba
tetrameter, deren wir 102 zählen. Hier finden wir 423 flächt*gei
im dritten fusse, dagegen im ersten 480 garstigen, wie sogar 473
unsere, 480 am Schlüsse idyllischem Liebespaare, am an£u(
1114 thöriger, wo aber schon die form thörig auf die bei diesB
eben leichtere elision hindeuten dürfte,^ wie denn auch 1118 luft'gei
steht, aber weiter unten finden sich kurz hintereinander die ausgeschm-
benen formen übermächtiger, künftigen und ewigen (1137. 1139]
und obgleich 1508 luftigen als kretikus gebraucht ist, 1540 fg. &
versschlüsse kräftigem tanz und saftiger Beeren, ein wediad
bei welchem eher die nachlässigkeit des Schreibers als die des dichtoi
zu beschuldigen sein dürfte. Halte gespert 471 könte man da
dichter zu gute halten und den dactylus Mutter dich 483 wird um
nicht beanstanden, dagegen stehen dem schon angeführten unsere unsr«
481. 1516, unserm, unsrer (1101), andern (1126. 1521), andrei
(1114), andrer (1550), Unerfahrnen (1109), erschütterndei
(1517), bewegtem (1518), keltrer (1541) entgegen, um nicht i
goldne, gespaltne, Trunkne (470. 1137. 1547. 1549), sehn (1141
und Wunderlichs (1095) zu erinnern. Auch vierfiissige trochäiBii
Strophen finden sich , im ganzen 203 verse. Der anapäste sind hier mI
wenige: 860 Diener, es ist, 1018 ewiger (wogegen sel'gem 1081]
1299 Mässigung, 1310 fg. widerspenstige Brust, widerspei
stigen Mund, 1446 unglückseligsten tage. Das erste und Itfl
lassen sich entschuldigen, obgleich unglückseigen hinreichte; in dl
andern fällen möchte doch die elision geboten scheinen.
Wenden wir uns endlich zu den chorliedern, so haben wir ||
nächst die anapästischen Systeme von den chorgesängen zu unteradll
den. Von diesen (29—36. 73 — 80. 665 — 677) ist nur zu p-^
dass häufig der Jambus den anapäst oder spondeus vertreten mu88
1) 640 finden wir thoricht, aber thörig im zweiten akte (3111).
ZUB TSXTKBITIK VON GOETHES FAUST. II. 445
iält auf, dass nicht ruhen geschrieben ist, wodurch der folgende fuss
ein anapäst würde, wie 79 freuet steht. Anstössig ist, dass 670 fg.
etwa als eine silbe gesprochen werden muss. Am wichtigsten sind
die strophischen chorgesänge, wobei Qoethe nur im algemeinen an die
metrische composition der alten tragiker anknüpfte, aber besonders das
genaue entsprechen der einzelnen Strophen beachten muste. Wenn in
der ursprünglichen fassung des chorgesanges 1142 — 1191, die Bieder-
mann veröffentlicht hat,^ strophe und gegenstrophe sich nicht ent-
sprechen, so war dies eben nur der erste entwurf , dessen nähere dnrch-
arbeitung auch in metrischer hinsieht der dichter sich vorbehielt Dass
Goethe völliges entsprechen von Strophe und gegenstrophe beabsichtigt
habe, muss man bei den wenigen sich zeigenden abweichungen anneh-
men, wenn er auch die von den griechischen tragikem befolgten frei-
heiten sich in seiner weise anzueignen nicht anstand, wobei aber zu
bemerken, dass er, je weiter er in der „Helena^ vorschritt, immer
kühner wurde. Nicht allein liess er den gewöhnlichen und den soge-
nanten polyschematischen Glykoneus (— o — uvj — v>— und — <-r — o
— '-' ^ — ) sich ensprechen (auf den eigentlichen grund dieser freiheit
gieng er nicht ein), sondern er verschob auch den dactylus, wie es in
auffallender weise schon 215 fgg. geschieht (— wv^ — v^ — v>»v/ — ^ statt
__ w w — w »^ — »^ — v^) ^ ja sezte statt des trochaeus am anfange des ver-
ses , wo er eigentlich basis ist , den daktylus. Am stärksten tritt diese
freiheit im lezten launigen chorliede hervor (1140 — 1189). Aber der
dichter bediente sich dieser freiheit nur der freien bewegung wegen,
brauchte sie nie ohne nötigung. So muss man denn annehmen, dass
139: „Über die zinne des kerkers hin,^ auf irtum beruht, da Goethe
sehr wol sagen konte: „Über des kerkers zinne hin.^ Dem verse 221:
„Mauern, aber die flammenglut,^ kann nicht entsprechen 228: „Und
der züngelnden flamme lohe^; es muss wol loh* heissen. Am Schlüsse
von 229: „Schreitend wundergestalten,** fehlt nach 220: „Sich verbrei-
tend von hier und dort,^ eine silbe; ich habe gross vermutet. 409
kann es unmöglich beabsichtigt sein, dass Trost reich begabten
( V — •-) dem wohlthätig erscheinend ( ov^ — o) 400 ent-
spricht; Goethe schrieb etwa Trostrede oder reichlich statt reich.
Dem verse 606: „Schon entschwand das liebliche,** entspricht 617:
„Statt verheissener Rettung Heil,** wenn man verheissner schreibt;
dass der dichter die trochäen hier rein halten wolte, zeigen deutlich
601 fg., wo sich deshalb die elision heiTge findet, wie aus gleichem
gründe 610 geselFger steht. 607 wolte Goethe Gestad statt Ge-
1) Goothe -Jahrbach II, 299 fg. Vgl. Schnorrs Archiv XI, 166.
44^
Stade: denn in onserm chorgesange yerschiebt er wol den daktjlns,
aber er sezt nie einen daktylos geradezu statt des troebaens; Ml bat
jezt zwei daktylen . dagegen der entsprecbende vers 617 : ^Untergang
verkünde zolezt,^ nar einen. 622 ^Web ans, weh, web!^ ist eine silbe
zn wenig gegen oben 611: ^Seb* icb. acb, nicbt mehr." Am wahr-
scheinlicbsten ist ein web aasgefallen. Vgl Pandora 405: „Ai! Ai!
Weh! Weh mir! Weh! Weh! Weh! Ai! Ai mir! Weh!-* In 902:
^Ja Gefangene, wie schon öfter,'* mästen wir, am eine entsprechang
mit 910: ^Vielleicbt schwarzborstigen Faunen ,** za erhalten, zur küh-
nen annähme greifen, Goetbe habe sich gestattet, die erste länge des
daktylas in zwei kürzen aufzulösen; wahrscheinlicher dürfte man Ge-
fangne oder gefangen vermuten, so dass die lezte silbe lang gezo-
gen würde. W^ill man nicht zugeben, dass Goethe ohne not einem
beginnenden trochüus einen daktylus entsprecben lasse, so wird man
912 statt über die schwellenden berstcUen müssen über schwel-
lende gegenüber 902 Ilios' und der. 1010: „Jeder sich selbst zu
eignem Nutz," erwartet man, wie in der Strophe 1001: „Scbmeichler
listig entschmeicbeln sie ibm" zwei daktylen, die auch 1011 hat, und
man sieht nicht, weshalb Goethe nicbt, um den zweiten daktylus zu
gewinnen, eigenem geschrieben haben solte. Alle verse der beiden
in rede stehenden Strophen haben wenigstens einen daktylus mit aus-
nähme von 998 und 1004, wo man ihn leicht gewint, wenn man im
ersten verse schmeichelend statt schmeichelnd, im andern darum
statt drum schreibt 1144 entspricht nicht der gegenstrophe 1152.
Hier solte wol der vers, wie in der erhaltenen ersten fassung, mit beleh-
rendem schliessen und im folgenden beginnen: „Wort hast gelauscht
wohl." 1090: „Raubt auch Cyprien, wie sie ihm kost," haben wir zwei
daktylen, wenn man nicht Cyprien äusserst hart als zwei silben lesen
will, was durch die consonantische lesung des t in Joniens (1146)
und durch manche ähnliche fälle, wo dem i nur ein consonant vorher-
geht, wie Siciliens (5972), verauctionirt (1513), Kastanien
(1642), nicht verteidigt werden kann. Der zweite daktylus ist 1174
wol dadurch herzustellen, dass wir sonnedurchstrahleten statt
sonnedurchstrahlten lesen. Freilich hat im vorhergehenden verse
der erste fuss in der strophe einen daktylus statt des trochaeus der
gegenstrophe. So zeigt sich, dass auch in den chorgesängen der
abschreiber oder der drucker nicht immer sorgfältig verfuhr, wie wir
dasselbe in den übrigen teilen der „Helena" annehmen musten, sollen
wir nicbt glauben , der dichter habe dafür gar keinen sinn mehr gehabt,
ob statt des reinen Jambus und trochäus ein anapast oder daktylus
sich einschleiche; wenn er ihn durch die hergebrachte, von ihm selbst
2UB TEXTKRITIK VON GOBTHBS FAÜ8T. It. 447
früher, wie von allen dichtem befolgte elision vermeiden konte. Ja
solte das unwahrscheinlichste Wirklichkeit gewesen sein, wir würden
dem dichter einen dienst erweisen, wenn wir durch unsere herstellung
seine verse in seinem sinne lesbar machten.
Der erste druck der „Helena" und, wie wir vermuten müssen,
auch die zu gründe liegende abschrift, zeigt ausserdem manche fehler.
316 kann: „Da du, nun Anerkante, nun den alten Platz," nicht rich-
tig sein. Ich habe Neuanerkannte vermutet. 529: „Ich acht' auf
seine Grossheit, ihm vertraut' ich mich," muss es achtet' heissen.
574: „Untheilbar ist deine Schönheit, der sie ganz besass," zeigt
schon der vers, dass es die heissen muss. Vor 731 muss Thurm-
wächter statt Thurmwärter stehen. Vgl. 4630 Thurmwächter
ist der Gefangenwärter. 747 wird Wusst' statt Wüsst' gefordert,
820 Nur statt Nun, 858 Göttliche statt göttliche, 886 auch
statt euch, 1158 listig statt lustig. 1258 ist das komma nach hie
irrig, wie 1303 das komma statt Semikolons, 1405 statt fragezeich ens.
Nach 1268 solte bemerkt sein, dass der folgende gesang allein dem
chore gehört. 1360 muss es dem statt den heissen. Wahrscheinlich
ist auch 93 zeichnet irrig statt bezeichnet' (vgl. 436), vielleicht
752 „sog ich an" statt ein. Solches Wechselstreites 340, lee-
res Hauchs 952, jedes Winkes 1008, heutiges Tages 1151
stimmen nicht zu guten Muths 106, trippelnden Schrittes 628,
gleichen Tons 645, eilenden Pusses 592, und wir wissen aus
Goethes äusserung gegen Göttling, der die starke form hier verlangte,
dass diese ihm zuwider waren. ^ 1198 lesen wir das richtige von Her-
zen gehen, wogegen vom 891 steht. Auf kleinere druckversehen
gehen wir nicht ein. Einzeln stehen euren statt euern 152, trau-
rend statt trauernd 340, andrem statt anderm 1104, tändlend
statt tändelnd 1506. Regelmässig hat das e vor l und r sich erhal-
ten, mit ausnähme von edlen. Einmal' steht hierher (144), dagegen
hieher 22. 380. 451. 656.
Von der „Helena" wenden wir uns zu dem ein jähr nach dieser
erschienenen anfange des ersten akts bis 1424. Prägen wir zunächst
nach der elision des i, so ist diese freilich seltener als die anwendung
der vollen form; jedenfals muss der abschreiber sie an den wenigen
stellen, wo sie der druck zeigt, in der vorläge gefunden haben, und
1) So lesen wir denn auch im ersten akte 1876 vollen Stroms, 1931
gestärkten Arms, im zweiten 2437 weiten Schrittes, 3448 schwanken
Lebens, 3546 solchen Baths, im vierten leichten Schwnngs 5449, wil-
den Wesens 5788^ wonach die ändenmg der abweichenden steUen sich ergibt
Vgl. meine bemerknng in der „deutschen Yierteljahrsschrift*' 1857, 2 , 244 fg.
't*?' : .-vre LS
sir ii5 u'.r:ru.::: irrS;:, -l-rrsiL WolT^e jläu meiiien. «ier absohreiber
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tirr^l'. ::r- ^-.irr^i^i^z. so -«Zrirr. wir -irLi iiohier eine on^Ieiefa-
nijiyiiirir-: :*->■: irr: ■.-:l. ür K.s ä::? :iiär>:.:b:l:eber'naohlässigkeii her-
v.rctr^-^rL Uli irshil": itrzsiT'/.r!: »irr. 'Wie =-«he Goethe dannf
iTTk-r-iüTi 5r:i. riLr: ^ii.^:»i:ri. =:r:rl5oirL Irrihri: to entsagen, di«
-5 'll:u r-iT.fi.i rnL'r.i.i'.r. 1j> >:!:^ jr.iri:r ii. Crr Vr-nrendung der-
>-*.': -7 r. :::zi ils :r:-.::l-?. ".ik'riTlu? .ni iT-iü.;s ä;;52Z>ehliessen . heil'-
jTtI .1 -.f:- .:ii:7l:>:Lfi -l: k: rif-Zifr. jTbra-cht- von heiligen n
-^".-rs.iriirL'. '^ilr.:':. ii. --i rrs'.cr. :^ff:fcii:r- iamben finien wir
'-:':'iT- /. i'ir: <rii.: ii. :rrs^":-ri Trr>s-*rllr ilehTiger und hei-
li^ri i-t Uli 'j: - r^r ibj^JiTTir-r: lir::: tt.I iis ers^e an? seiner
•i r'.Ä^f. l":»r:lir>5 >:.i ^'r-rr >:o:cr f^iurr i-rTiiiiri:. die rolle prfr-
^Ji s.if ::r::, yi ?T:;fi. >: iilfi t*:: ii:i ür 5.:5:^Lrn Terrinen des
rr»i iTiiTi fii^: ii:::. iir : niri I:irr:5i.ir rf. laiisendstim-
n: ^rn 7c . T'-ijti ^v^. /-: uii ririijrL 115 eaisteli. wik-
Tri: ii: ii:: jri 7;- ji:'i r:i/.>i ii.;. Sei":*?: iz. -üe irc^häen äad
:r: -rr.c:. uii •:rr.--i :i?>r 1:-: iir:;*^! iii5::rf. iz5*igen- prich-
Vir: f.i^virui^fi f: ?'rr •• . lur ^^Zrz. irz, ^^iunss ha« »kfc
ir :'.£:! .n r«r::^i -ifj^ frii'.Tci :;■■' . i:^z iie l^iien lenen
■•rr?»f >.il:f?>Ti TTif: i"t z:f:r->:":f z::-^l::iif:: nii schädigen nnd
1 '.i t.ItI iir.j.'.^ irL. >:"ilif?:r:- ili? T;r?::fllri. il-rzie::- In dei
j;l_u:.>:::i ■•:r>fi i-: _-: i:>. :.:f:>: iri- iz&^ds: das rne-ie feld
^T*i_t:. V\':: r:.if: iir: ::: ^lijv.rfn. itV- Hriligenschein,
:?: ir.nn.jf 11. l.^ f:*rli-.^ti. -ri Hril.rfi., o±o säehiiger.
:->. -.2.. ? T.r iT r..i-.c_: -■* . . -^ri 41- iiBnaigen.
4t iri.iiti. -wf::-.: 74: itiv.iiri. 7':7 Tisfüges. S»25 halb-
vl:;>:^f:. : :: '.f : ■ .^r ::. . : 77 i*/.:iils::£f r, 1«:«?'^ vider-
> ii.iti. ::ii i::.;::-. ::,.- iiiiiii^rr. ilfT Bi£chxiger.
'-i'^ .if!:^:i. -. Tr* 1.- -s 'ziZiT. ••".: "»"jifr izi ^f elis-cA in ua-
i.L.iJ. j: . -.-.i: 1:':- \:^'- i".'.>T:-.^tii ::lr:. ikix ix des folgea-
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iU £:.! :r.':":.L:.f u.:: i.:.:..z.: L:i.szLL"ii -.a zisfre 4->4L Ai^ andre
2ÜB K&ITIK VON 0OSTHB8 FAUST. II. 449
rer 783, Bewundrer 915, dunklen 1291, eitlen 1372, Erdge-
bornen 4, goldne 536, verworrne 796, sichern 512, eignen 528
entgegenstehen. Von den jambischen versen zeigen die terzinen, in
denen wir fünfmal das i unelidiert fanden, weiter gar keinen anapäst.
Sonst wird das e an zahlreichen stellen, wo es das metrum nicht for-
dert, weggelassen, in unsre, nnserm, andre, andern, andres,
heitern, heitres, lautres, dichtem. Untre, Dflstre, Finstern,
keltre, bittre, sondern, sichre, wackres, innres, tapfres
magre (1171), schwangre, frevle, eklen, edlen, edlem, ge-
wnndner, offne, goldne, goldnen, goldnem, goldner, ehrnen,
eignen, willkommne, gedroschner, auch in Mann 's (284), gehn
(790), anzusehn (735). Gegen diese massenhaften fälle können Däm-
merung 68, verworrener 297, Erwünschterem 762, feuer-
speiende, das man dem dichter wol gestatten mag, und glühenden
nicht in betracht kommen; den beiden leztem treten bejahendes 630
und glühender 1377 geradezu entgegen. In gewonnenem 1066 war
die elision unmöglich. Narren- und Todtentänzen 454 wird mau
kaum beanstanden. 972: „Da springt eine Perlenschnur hervor,^
konte freilich 'ne geschrieben werden, wie ja Ooethe ein auch 2202
elidierte; ebenso war 973 der anapäst leicht zu vermeiden durch den
Wegfall derendung in Spange. Doch konte der dichter diesen gerade
hier für bezeichnend halten, wie er ihn denn im folgenden mehrfach
braucht, wo er ihm freilich zuweilen aufgedrungen ward, er an andern
stellen dem verse einen guten fluss gibt. 1031 schliesst „von Hunger
und Durst. '^ Der Abgemagerte droht 1034: „Vom Leibe mir, ekles
Weibsgeschlecht !^ wo leicht Leib' geschrieben werden konte, auch
sollt' statt sollte 1041. Dagegen ist gegen 1114: „Wir nehmen den
Koffer in Besitz," kein bedenken zu erheben. Ebensowenig wird man
1177: ;,Er wendet sich zu den Weibern dort,** das in früherer zeit von
Goethe gebrauchte wend't verlangen. In der rede der Faunen tritt
absichtlich mehrfach der anapäst ein (1213 fg. 1216), wonach auch
1208 lustigen nicht zu beanstanden sein dürfte. Ebenso bezeichnend
erscheinen die anapäste in dem übermütigen spotte des Satyrs (1219 —
1221. 1225. 1227). Auch die gnomen bedienen sich ungescheut der
anapäste; sie beginnen nicht blos v. 1230: Im moosigen Kleid, wo
freilich moos'gen nicht zu hart wäre, sondern haben auch zweimal
den anapäst in der mitte des verses (1245 fg.), wonach es fast aufßilt,
dass 1248 drei Gebot verachtet steht, da Gebote verlangt wird,
und sogar der apostroph fehlt. In der rede der riesen ist 1252 der
anapäst am Schlüsse des verses dadurch vermieden, dass sind 's
genannt gedruckt ist, wo aber wol nach von Loepers Vermutung s'
XBITBOB&. F. DSVTSOHS PHILOLOOU. BD. XT. 29
M. h. Mi\) iif;ahHicliti^ war. Auch die nymphen gestatten sich zwei-
iii;il i'iiifrii ;iii;tpriHt. , 1271: Alxal Lüftlein wiegen ihn mild in Buk,'
iiimI \w\\ ^So i'\\Yi\ iW.m, (lern Ehre gebührt!^ In der langen rttk
dmi Im^oMm i:}OH - vy,}l findet sieh nur zweimal ein dem dichter nf-
{^fMliiiti{^f'iicr ;iii;ipiiHL (VM)ii, l'ill), und zwar nicht da, wo diese im
lfiiIiMi:4rliiLn,lirJiHt,fMi bcwo^'t i»!. Gerade in dieser rede stehen ski
iiii|i;liir,kin>I^M) und aliftrseitigcm entgegen, und jede Teranlassni^
iHiinii iiinip.'Lst liiiii'iir/iibriiigon, wie bei offne 1312, nnserm 1331,
iiiiilii'H OK), ist. vnriiiiodon.
Niicli (lii'Mur mu'.]ihig(; wird niemand dem dichter die absieht cnsdiRi-
hiMi wiilb'ii, diin^b biübehallung des i und e anapäste in die jamboi inJ
ibikl.yb* in din irorhiUni zu bringen, wodurch der reine vers in noaerer
|irt»r(i)diMrli so unliosliniLon spräche, wenn es nicht eine besondere wirkaif
\\\\l, nur onlstolt wird. Diese eingedrungenen vokale gehören gri»-
tiMiti^ÜN doni abschroibor und etwa dem setzer, zum geringem teile da
luiolihlssif^koit dos dirblors an; am allerwenigsten kann dieser wilkfirlick
);owoolisoll lialMMi: ihm durfon wir ein solches beabsichtigtes schwii-
kou obiMisowoni}^ /.utranon als fihnlot und Wimmlens (467. I40i)
nobon w oobso It (^Tso), viMsauunolt (117), verrammelt (237), spie-
»iolt \,\\\\\ wundoln, Handoln (774 fg. 821 fg. 1169 fg.), schütteln
vlO^»s^. .-lin^'oln ^^i:i»MK spiogelud (34), glitzern (33^.), zai-
iliMud yA t \; > usw. Oio absohrilt war eben nachlässig gemacht nii
iMn t:v«ws(M toil diosov naibliissi&rkoiton weder bei der durchsieht noek
Ivi diM kiMii'kuu woircoM'haA worden; darin stimte der anfang des
«M'.ü':\ jktos \\\\\ dov ..llolona'* üboroin. Da$s es mit der handschrift
d.-i »;o^.i.«to-.i uo\so:i toilos. dio luviho zum drucke hinterliess, nidit
ts'<N«M sM:;a, /i:).;;t ho»:t Ulis oiu urkundliches zeugniss vor, das bisher
.^.;sN,«.N'. w.'uv.ri) lvk;v.;; ^>;%v. :uvh \c>u niemand bennzt worden ist
\;.N*:'/.* hA:-.,* .V.; :il>v-:.:::^ It^s rwcii^n teiles seinen freandei,
/./'•.v; /; .:^>.,^; .V..V. .>.* u:".;" .:;:'v:-*lvr* iiiilgHeill. nicht Toigebgt
^,".^;,^1 ■. ^..*. x/!v^',: >■;' ^, "'';■:■..:;: ^i-, ri::pet«5«eh. so dass er weiter
....'sN .-'.—.-. : ^.N* *.V; :V.: i:-r. ra.'iifts^ bestimteB haansgeber
K.,- .V .. : A.-:v.\h: V . ■.;-..•. Ä:-? ::''>:&z^fsi»^xM«tor kauzler MfiDer
■ < ■■• < ^*v-. -VV-rriÄd««! ier aksekrift Teriegn.
V-'" .'.'■ .■ -. v.>v-. : . i:- £:•:;. Kv^Ariata hcdarfte. NiA-
.■■..■■. X«" Ä :%.v\ ^•.- ■x-,^^^•-■^»f*?-■•T:, wtrie sie Eckcmaaa ibcr*
2rB K&irm voh öobthbs vavst. n. i5l
«Hier, mein bester Hofratb, schicke ich Ihnen den Faust bespro-
chenermassen ausgeputzt. Die Stelle von Asmodaeus habe ich nicht
finden können.^ Ich habe statt „Juli^ ^vollendet im Sommer'^ geschrie-
ben, weil das doch im Grunde auch richtig ist, und es auf so genaue
Bestimmungen nicht ankomt.
Mein Auge war aufs hohe Meer gezogen,
Es schwoll empor nsw.^
Vielleicht hat Herr Geheimerath von Müller gedacht , man könne verlei-
tet werden, das Es auf Auge zu beziehen, weshalb denn das vor-
geschlagene Das (wenn sonst dadurch gegen kein grammatisches Gesetz
Verstössen würde) vorzuziehen sein möchte. Welches alles Ihrer allei-
nigen Entscheidung anheim gegeben sein soll.
Ich habe bis jetzt in einem fort daran gearbeitet und mich im
Aufsuchen der manchen Fehler fast blind geguckt. Wenn man Zeit
hätte, man fände noch was.^
Also Eckermann hatte den ^Faust^ von zahlreichen fehlem der
abschrift befreit, damit er gedruckt werden konte, meinte aber, es sei
noch manches stehen geblieben. Dass er bei einer so grossen anzahl
sinstörender fehler auf metrische reinheit und gleichmässige Schreibung
weniger sein augenmerk gerichtet hatte, war sehr natürlich. Riemer
sah nach ihm noch einmal die handschrift durch, aber, wenn er auch
manches änderte, scenarische bemerkungen und die verweise auf die
bibelstellen 5482. 5519. 7424. 7431 und die Acta Sanctorum 7439
hinzufügte, so beachtete er doch die metrischen entstellungen weniger,
wozu eine genauere durchsieht gehört hätte, als die zeit verstat-
tete, weil die druckerei die handschrift verlangte; denn der zweite teil
des „Fausf^ solte noch in diesem jähre erscheinen. Hiernach ist der
grund und boden unseres textes des zweiten teiles, so weit derselbe
erst nach Goethes tod herauskam, keineswegs so fest und sicher, wie
die hartnäckigen festhalter an der Überlieferung sich einbilden: manche
fehler der abschrift sind von den herausgebern geändert worden, ohne
zweifei verbessert, obgleich immer möglich bleibt, dass Eckermann an
einzelnen stellen das von Goethe gewolte nicht getroffen^ wovon wir
ein belehrendes beispiel in 6330 finden ; andere waren stehen geblieben,
von denen einige später richtig verbessert sind, manche wol noch der
Verbesserung harren. Sämtliche änderungen hatten keine handschrift-
liche grundlage; denn wäre eine andere handschrift im nachlasse vor-
handen gewesen, so hätte von keinem ^aufsuchen der fehler,^ keinem
1) V. 2348 fg. Nahm Riemer an der namensform oder an der eigentümlichen
verwendang des Störenfrieds der ehe anstoss? Im ersten drucke steht Asmodens.
2) V. 5585 fg. Es wurde beibehalten.
29*
452 DÜNTZEB
„ausputzen^ die rede sein können, sondern Eckermann hätte das zum
abdruck bestirnte excmplar einfach mit dem andern vergleichen müs-
sen, da den herausgebern , wie selbst noch zu der ausgäbe von 1836,
die verfQgung über den ganzen uachlass zu geböte stand.
Fragen wir zunächst , wie der erste druck des anfanges des ersten
aktes und der ,,Helena^ sich zum texte der gesamthandschrift in den
„nachgelassenen werken^ verhält. Es ist unzweifelhaft , dass die hand-
schrift hier die schon gedruckten stücke im frühem druck enthielt
Riemer bemerkt (Mittheilungen II, 569), Ooethe habe 1831 das herz
gefasst, „das geheftete exemplar, worin gedrucktes und ungednicktes
ineinander geschoben sind, zu versiegeln.*^ Wenn der dichter auch
bei der fortsetzung des ersten aktes an das gedruckte anknüpfen muste,
so folgt daraus keineswegs, dass er dieses noch einmal kritisch durch-
gieng und einzelne fehler verbesserte. Bekantlich wurden alle bände
der taschenausgabe nach dem erscheinen durchgegangen, um die darin
sich findenden fehler in der danach zu druckenden octavausgabe zu
verbessern. So erschien auch der zwölfte band, der den „ Faust ,^ den
ersten teil mit dem anfang des zweiten , brachte , ein jähr nach der
taschenausgabe. Aber hier finden wir keine wesentliche änderung, nur
die offenbaren buchstaben Verwechselungen sind natürlich verbessert, ein
neuer druckfehler durstige statt dunstige 798 hineingekommen. An-
ders verhält es sich mit der nach dem tode des dichters erschienenen
gesamtausgabe des zweiten teiles. Hier sind eine anzahl fehler, mögen
sie nun aus der nachlässigen abschrift hervorgegangen oder vom setzer
verschuldet sein , nicht nach vergleichung der handschrift, die wol gar
nicht mehr vorhanden, sondern in der druckerei geblieben oder ver-
kommen war, von Eckermann und Riemer verbessert. Wir lesen 215
ihr Toben, wüthend Hausen statt ihr Toben wüthend hausen,
was kaum als Verbesserung gelten kann, 282 Gold statt Qeld, 475
einziger statt einzig, 505 finde statt findet, 570 dich statt sie,^
590 krachend schlagen statt krachen, schlagen, 660 diesem
statt diesen, das freilich nach älterm Sprachgebrauch zur not zu hal-
ten wäre, 670 borgt statt des wunderlichen kneipt, das einer son-
derbaren idcenassociation des setzers seinen Ursprung verdankt,' 723
Weife statt Weise, 907 Schnaubts statt schnaubt, das richtig
1) Sie gibt von liOepcr als les&rt von 572, wo froilich aach die taschenaog-
gabe dich bat. Dies bemerkte Scbröer, ohne aber, obgleich er selbst die taschen-
ausgabe verglich, za entdecken, dass die Variante, welche von Jjoeper aafUhrt,
sich zwei verse früher findet, also nnr die verszahl verdruckt bt.
2) Die Verbesserung ergab sich hier und 660 so leicht, dass darin nichts
weniger als „die korrektnr des dichters selbst oder das znrflckgehen auf eeina hand-
schrift erkenbar*" sein dfirfte, wie Schr5er meint.
ZUR KBITIK VON OOBTBES FAUST. U. 453
scheint, 1254 alter statt aller, 1284 Ehre statt ehre. In den sce-
narischen bemerkungeo finden wir zwei änderongen: vor dem zweiten
auftritt tritt ein statt tritt vor, vor dem vierten dessen Hofstaat
Männer und Frauen statt des einfachen Hofleute, zu welcher
ändemng sich Biemer wol um so berechtigter hielt, als von ihm die
meisten scenarischen bemerkungen herrührten. Wir übergehen die fölle,
wo die neue ausgäbe den apostroph hat, ohne dass die form dadurch
verändert würde; lezteres ist der fall 218, wo ging' statt ging steht,
wie umgekehrt 331 Schafft statt Schafft'. Unverbessert ist 776 be-
ging' statt beging geblieben. Berg' statt Berg- 251 ist irrig. Die
interpunktion ist zum teil nach andern grundsätzen gemacht und genauer,
wenn auch noch zuweilen sehr vernachlässigt, ja unrichtiger, wie 194
; statt, gesezt, der gedankenstrich nach 755 und 1260 ausgelassen ist.
Auch solte nach Bevier 1415 statt der drei die Unterbrechung andeu-
tenden punkte nicht ein ausrufungszeichen mit gedankenstrich, son-
dern lezterer allein stehen. Für den sinn bedeutend ist die Verbes-
serung der interpunktion 142 gern . statt gern :, 746 fg., wo früher
komma nach Schmeichelkätzchen und Semikolon nach Liebe -
Seh ätz eben stand statt der umgekehrten folge, und 779: „Echo,
horch! erwiedert,^ statt des frühern „Echo! Horch! Erwiedert.^ Sehr
wilkttrlich ist die elision behandelt. Bichtig lesen wir jezt 68 Dämm'-
rung statt Dämmerung, 297 verworrner statt verworrener,
762 Erwünschterm statt Erwünschterem. Auf den vier lezten
Seiten sind alle elisionen, die bis dahin erhalten waren, beseitigt,
unglückselige 1334, heiligen 1360, luftigen 1416, prächtigen,
ewigen 1411 und glühender 1377 gesezt. Von Loeper folgt wil-
kürlich 1334 dieser ausgäbe, während er an den übrigen stellen die
ältere lesart beibehält, was doch völlig unberechtigt Die ausgäbe von
1832 hat hierin so wenig wie in allen übrigen lesarten urkundliche
bedeutung. In bezug auf die Schreibung bemerken wir ähnelt statt
ähnlet 467, wogegen Wimmlens 1402 geblieben; einmal (389) ist
edeln statt des durchgängig edlen gesezt; 1419 steht hierher statt
hieb er. Mehrere druckfehler sind unverbessert geblieben. Dahin
rechnen wir 364 er (statt es), auch 534 Wunder seltsam statt
Wunderseltsam, 653 Luft statt Lust, 1115 „Was solls, ihr Tho-
ren? soll mir das?^, wo es wol soll heissen muss, 1175 „Wie er es
drückt und wie es ballt ,^ wo Schröer ohne irgend eine andeutung der
Veränderung das richtige er's ballt gibt, 1339 „Der Kaiser,^ wo
das zweite anführungseichen an das ende des verses gehört, 1383
züngelt statt züngelt'. Von Loeper vermutet, 104 sei Der statt
Den verlesen , was freilich möglich. Auch an neuen druckfehlern fehlt
4M Dtssnm
es der ausgäbe von 1832 nicht. 265 steht umherzuschauen statt
ODiher zu schauen, 496 Lass statt Lasst, 539 abeatz vor Wenn
der 8omaier, 789 drobenstohcud statt droben stehend, 1113
zu statt du, t3;i8 Orte statt Orten, i;J67 W{)lkchen kräuBelb
statt Wölkchen, kräuselt, 1398 zu schönster »tatt zur schön-
sten nach einer gewöhnlichen Verwechselung der sßtzer.
Ähulich wiu mit dem anfang des zweiten teiles verhält es sich
mit der „Ht'luna"; auch diese ist vom dichter zmn zwecke der verbes-
sernug nicht wider durchgegangen worden, ja am schlnsue ist die bemer-
kung, „um, insofern es nötig wäre, im cpUog das stück zu conimen-
tiren," stehen geblieben, obgleich diese, nachdem die „Helena" als
„dritter akt" eingefügt war, hätte wegfulleii müssen. Wir wissen, dass
Goethe am 17. märz 1S30 Kckermann beauftragte, in der „kriufUgen
ausgäbe" v. 363 statt siebenjährig, wie er auf Göttlings „einwon-
dung" hatte drucken lassen, das fi-übcro zehenjührig wider herzu-
stellen. Er war damals mit der „klassischen WalpurgisDacht' beschäf-
tigt, wo Faust sagt (2H14), Helena sei, als sie von Thoseus geraubt
wurde, „erst siehon jahr'^ gewesen, was sich auf die hekante berech-
nuug von Duris beisieht. Dort wolte or nicht, wie Schröer getan,
Zehen geachriebou haben, weil es ihm eben auf die torbeit solcher
altersbestimmungen der gestalten der sage ankam, wo die tollste ihm
am liebsten sein muste. Dagegen sagt bei der erschemung der Helena
im rittersaal eine daine von Helena: „Vom zehnten Jahr an hat sie
nichts getaugt," indem Goethe diese tibcn auf die gewöhnliche annabmo
sich berufen lässt. Auffallend ist, dass zwei verse nach der stelle, wo
Goethe die herstellung von zehenjährig bestirnte, eine sonderbar bis-
her algemein übersoheue abwetchung von der frilhern (assung sieb
findet , dio kaum anders als mit entschiedener absiebt erfolgt sein kann.
Frilher stund 365: „Durch Castor und durch PoUui aber bald befreit,"
wo wir jezt statt und durch lesen dann durch. Den dichter hätte
dazu das „stosson und zusammenkleben" der beiden d in und durch
veranlassen können, welches ihn verleitete, im titel seines lebens statt
Wahrheit und Dichtung die umgekehrte folge zu wähleu. Solte
er vielleicht beim nachschlagen der stelle von der siebenjährigen Helena
auf jenen vers gestossen und der fibelklang ihm aufgefaUen sein? Aber
er köutü auch vou anderer seite auf den vera aufmerksam gemacht
worden sein und diese Änderung bestirnt haben . die sich Eckormauu
ohne weiteres kaum erlaubt haben dürfte. Die bedeutendste änderung
aber ist 136U fg. eingetreten. Dort stand im ersten drucke: „Den
nicht zn dämpfenden | Heiligen Sinn**; da dieses aber nicht in den
Zusammenhang zu passen schien, wogte man „Mit nicht zu dämpfen-
ZUB KBITK VOM OOBTHBB FAUST. H. 455
dem I Heiligem Sinn^ trotz der verletzmig des reimes auf Kämpfen-
den. Es genügt dem statt den zu schreiben, so dass die rede ana-
kolutisch isty der relativsatz „Welche — Bluts" durch „dem — hei-
ligen Sinn" aufgenommen und dies durch alle den Kämpfenden
näher bestimt wird. Alle andern berechtigten abweichungen sind ent-
weder Verbesserung offenbarer druckfehler oder betreffen bloss die form. ^
Druckfehler waren 574 deine statt die, 729 Thurmwärter statt
Thurmwächter, 886 euch statt auch, 1167 lustig statt listig,
deren Verbesserung auf der band lag. Ebenso leicht ergaben sich 63
mustre, wie schon 56 stand, far mustere, 159 Erschütterndes
für Erschütterendes, die ebenso richtig, wie die einfuhrung der
vollen formen verglommener statt verglommner 188, verstän-
diger statt verständger 525, blutigen statt blut'gen 829, seli-
gem statt seFgem 1083, kräftigem statt kräftigem 1546 sich als
wilkürlich ergibt Umgekehrt ist 290 Königs an die stelle von Kö-
niges getreten. 293 grünende (statt grüne) Feldersaat, könte
der abwechslung wegen gesezt sein, da 269 auf grünen Pfad schloss.
721 ist ehrenvollster (statt ehrenvoller), schuldigster Em-
pfang mindestens unnötig, 969 alle kleinen (statt kleine) Königs-
lande höchstens als strenge durchfährung eines gesetzes richtig.
Streift* statt streift 499 ergibt sich von selbst als notwendig. Gött-
lichen ist mit recht 858 statt göttlichen geschrieben, auch sonst
mehrfach ein grosser anfangsbuchstabe eingeführt, wie 419 Bösartige,
482 Entathmen, Ersticken, 549 Bedrängliches, dagegen der
kleine in ähnlichem falle mehrfach beibehalten, wie 183 wandeln-
den, 194 unbewegliche. In bezug auf die endungen bemerken wir
die änderungen euren statt euern 157, trauernd statt traurend
400, tändelnd statt tändlend 1500, wogegen andrem 1104 und
heitrem 1391 stehen geblieben. Von veränderten Schreibungen erwäh-
nen wir Mass, Schoss, Qräuel, ergötzen, Orcus (statt Orkus),
vördersamst (1529), piepsen (1492) und den gebrauch des ss statt S0.
Einmal ist hierher statt hieher gesezt (379). Die Interpunktion ist
vielfach verbessert , der apostroph häufig hinzugetreten , aber auch hierin
vermisst man strenge folgerichtigkeit. Es fehlt viel, dass alle druck-
fehler verbessert wären. Wir führen nur an Lohe statt Loh* 227,
nun Anerkannte statt Neuanerkannte 316, begnügt* statt be-
1) In ein paar f&Uon finde ich in meinem ezemplare nicht die abweichungen,
welche von Loeper and nach ihm SchrÖer ans dem ersten drucke der „Helena''
anfuhren. Da ich keinen blossen irtum annehmen kann, so müssen hier verschie-
dene dmcke vorliegen. Mein ezemplar hat deutlich 106 Guten, nicht Gutes, 471
goldne, nidit goldene, 1175 „8o auch er der behendeste,** nicht „So anch
der Behendeste.**«
456
gnögt 521, acht* statt actitef 529. Wnesf »Utt Wäaaf 746,
Nnn statt Nur 820, Haiipten statt Häupten 1136, Schleppt'
statt Sc-Iileppt 1305. Welle 8tatt Wälle I3G8, iie feblende stto-
pheatrennuDg 905 — 923, nm an anderes bei der besprechung des
ersten druckes der „Helena" erwähnte nicht zu erinnern. Druckfehler
dos zweiten druckos der „Helena" sind nach statt nah 10, aoUt' Btalt
sollt 170, heiliges statt heilig 25&, Icblosom statt lobelosem
855, UngcsLüme statt Ungestüm 9-19, bindern statt hinderen
101)3, am Schlüsse in der scenarischen beiuorknng „tritt vor (gtatt
tritt aber von) den Cothumen herunter,'* wenn auch aber absicht-
lich ausgelassen sein könte. Auch Tanze in der scenarischen angab«
vor 1258 kann nicht absichtlich in Tanz vorändert sein.
Wie aber verhält es sich mit der bei weitem grossem hillftß des
zweiten teile» des „Faust,"' der nach der handschrift gedruckt wurde.
Leider wissen wir gar nicht, wie diese abschrift zu stände gekommen.
Gewiss hat (leethe bei der langsamen nrt, wie er jezt dichtete, nicht
frei diktiert, wenigstens nur in den allerseltensten ßillen, wo es ihm
leicht floss, wie etwa da, wo Mephistophelos als Wunderdoktor von
den dameu bestürmt wird; das allermeiste wurde sorgsam entworfen,
dann vom dichter durchgearbeitet und entweder dem abschreiber ßber-
geben oder vom blatte diktiert; das Icstero dürlte wol nur in wenigen
fallen geschehen sein. Duss die zum drucke hinterlassene abschrift feh-
lerhaft war und von Eckermann verbessert wurde, wissen wir, aber
es ist kaum glaublich, dass dieser immer das richtige getroffen, beson-
ders da oil eine mehrfache möglichkeit der Verbesserung sieb ergeben
mochte, aber schliesslich doch eine trotz aller zweifei gewählt worden
musto, da einmal das überlieferte oRenbar fehlerhaft war
Wir beginnen mit der zweiten hälfte des ersten akt«s und dem
folgenden zweiten. Gehen wir auch hier von den abbiegungen der Wör-
ter auf ig, ich und isch und den Zeitwörtern auf igen aus, so findet
sich durchweg die voll» form mit i auch da, wo metrisch das i nicht
gezählt wird, sondern es den jambus zum anap&st, den trocbäus tarn
dactylus macht Den mehr als achty.ig fällen steht nur ein einziger
der elisioD entgegen, 3662: „Dreifach merkwfird'ger Goisterschritt 1 "
obgleich sonst die Zusammensetzungen mit würdig gans ausgeechriciMii
sind (1826. 2023. 2044. 3376). Ausserdem findet iiich in einem »Bb«
wurf 2902 heiigem statt heiligem. Es gebiert eiu starker glaube
dazu, mit Schröter darin die reine band des dichter» zu erkennen nad
1) Der iweit« teil onth< Dach SvhrSvr 7498 ver»e {nach mir 7481), von d«D«B
Hat den aiifang des ereten aktea uoil auf .HolenA" xoMiaiDMi ptint iwvi noftel
kommen.
ZÜB KRITIK VON G0BTHE8 FAÜ8T n. 457
selbst die einzige ausnähme im texte zu halten, zu glauben, dass Ooethe
aus wunderlichem eigensinne die im dichtermunde regelmässig, wenn
der yers nicht das i fordert, elidierten formen von heilig, selig,
ewig, blutig ausgeschlossen habe, obgleich er sonst an rein jam-
bischen stellen den anapäst nie zugelassen, wo er nicht dazu gezwun-
gen war (2498: „Bis morgen ists alles durchgebracht ,^ wo man ist
statt ists vermuten muss. 3790: „Hoch ist der Doppelgewinn zu
schätzen^), ^ in trochäischem masse sich nie ein solcher dactylus zeigt,
wie er in den yersen sich findet (2080): „Der Lebendige, wie einTod-
ter,*^ (2093): „Wo ich diesen Bärtigen traute.'^ Umgekehrt ist in den
abbiegungen der endungen en und er, in den Zeitwörtern auf ern,
den Wörtern auf er er und erung durchgehend ein e ausgelassen, regel-
mässig andre, anderm, andern, andrer, unsre, unsrer, unsres,
unsern, unserm, heitrer, düjstrer, seltner, betrogner, gewog-
ner, verwegner, verrufner, hänfner, willkommner, vergoss-
ner. Ebne, glühnder oder glühender (1641. 1827), aufbltthn-
der, Kämm'rer, Donn'rer, Lindrung, verkümmere usw. geschrie-
ben. Auch hier finden wir nur eine abweichung, 3674: „Heiteren
Tags Gebenedeiten, '^ das nicht bloss Schröer, sondern auch von
Loeper allen andern fällen gegenüber erhalten zu müssen geglaubt hat,
da es doch keinem zweifei unterliegt, dass diese einzige ausnähme
jeder berechtigung entbehrt, wenn man nicht etwa darin eine tiefsin-
nige bedeutung erspähen will. In bezug auf die endungen ern, erro,
ernd, ein, elm, elnd, wo Schröer das e nach der liquida als Goe-
thes Schreibung herstellen will (II s. VIH), bemerke ich, dass unsere
ausgäbe nicht blos frevlend, frevlen, frevlem, sondern auch fre-
velnd (2953), segelnd (2691), funkelnd (3863), dunkeln (2136),
nicht wandlen, sondern wandeln (1832. 3541), wechseln (3637),
sammeln, versammeln (1759. 2555), freilich eurem, euren, un-
geheuren, ungeheurem hat^ dagegen Mauern, heitern, zittern,
wittern, um von den Schreibungen in den folgenden akten nicht
zu sprechen. Wir erwähnen hier noch die zusammenziehung men-
schenähnlichs 2648 und schaff en's (statt schaffen das) Eisen
3043, wo der dichter offenbar den dactylus und den anapäst mied.
Den aus&ll des e in der endung - liehe s hat sich Goethe selbst im
„Tasso^ und der „natürlichen Tochter^ gestattet , und so finden wir auch
„Herrlichers isf^ als zwei trochäen im vierten akt des „Faust*^ (6039).
1) 3183 ist wol „*ne oder ein (statt eine) Mammenschanz*' za lesen. 3299:
„Hat mein Flebn,** ist ein rein anapästischer rers. Kein solcher anapäst findet sich
in den antiken trimetern (440—474), die ansser diesem leidigen i frei von ana-
p&sten sind, was gleichfals von den trimetern des vierten aktes (5427 — 5454) gilt.
4&8 vOnrzBH
Offenbart! druckfehler (denn die suhreibfehler würde Eckennann
wol verbessert haben) sind Appellen (2954), Rink (3737),' Krei-
senden statt KreisBenden (2922), düstre statt düstere {2304X
nuf blflhnder statt aufblübnder (1841),! Altgesang statt A 11-
gesang (vor 3727), Staunen statt staunen (:tfi45), und die niehr-
facbe Verwechslung von komma und punkt (234^. 3129. 3395). In
andern fällen kann mau zweifeln , ob ein irlum dem di-ucbe oder der
abschrift ajigefaQrt; aber jedenfals beweisen sie die feblerbaftigkeit unse-
rer Überlieferung. Wir gedenken zunächst des fehlenden apostrophs
bei sucht 1733, wenig 2837, wogegen ein solcher irrig nach Zwerg
30O2 steht, statt - nach still 2341. Das - fehlt in der scenarischen
bemerkuug vor 3747 nach und. Die kommata sind nicht nach bestirn-
ten grundsützen streng durchgeführt. Sinstöreud ist dos 2899 uacb
Blinkend geseilte. 2432 fg. muss das komma nach Graus, nicht nacb
Fenster stehen, da „in des Nordens Wust und Graus" nicht zu Seh*
ich gehört. Nach 2006 muas semikoleu statt komma stehen, wie nicb
dem folgenden fragezeichen richtiger als ausrufungszeichen ist Drinn
statt drein steht 2613; den irtum zeigen sinn und reim (2616). Dem
statt den finden wir vor 3727, Phorkyaden statt Phorkyade io
der Überschrift 3370, 'n Wein statt des vom verse gebotenen 'nen
Wein 2202, zum statt zu und am statt an vor 32ti5 und vor 3778,
wilgt statt wogt 3762, Muschelpfad statt Muschelfahrt 3740,
wie der reim «oigt, Verbangniss-Wetter leuchtet statt Verhäng-
niss wetterleuchtet 3277. Der name der Psylleu ist vor 3717
in Psellen ent«telt. 3774 steht Galate'n, 3834 Qalate's, obgleich
au beiden stellen die lezte silbe lang seiu muss. Der dichter wolte
Galatees, Galateen, wie er 3533 Galatec schreibt, dagegen 3838
die vom verse geforderte viersilbige form Galateas braucht. 307S
lesen wir: „Schon hoch genug — hier zuckt noch manches Feuer,"
Ks muss olToubarHier heissen und vor dem gedankenstriuh oder statt
desselben punkt stehen. Den in früherer zeit häufigen gebrauch des
gedaiikenstriches statt des punktes finden wir auch 2339, wo man einen
punkt noch davor gesezt hat. Dem setzer gehört das mehrfach vor dem
gedankenstricb stehende komma (2342. 2371. 3671), das freilich Schröer
an allen stellen, von Loeper an zweien beibehält^ Kin wunderlicher
gedankenstricli findet sich 2650; „Lüflloin wie — ein Scberzergdtsen*;
1) Das Gi^hun in der uktavauEgftbo Yorbossvrte Riiik bat Scliriicr der b«ach-
tnng wert gfbaltcu. obgloich Giiethu nio. botioI wir wissen, Riob geachriubon.
2) Sohröer behält du vMlig un^ffüf^a auf blalindor JngondhrAft bdl
8) Denselben gebraach von komma, aacb aanikoloa , ««igt der vat dm
, Faust" TolgcndD band (43), der die öltesl« und jfingat« gteUlt des .(jOU* bringt.
ZÜB KBITIK VOH GOSTHBS FAUST. U. 459
wenigstens sehe ioh nicht, was er hier soll, da er unmöglich eine
pause der Spannung oder des bedenkens des redenden , wie er sich aus-
drücken soll, andeuten kann. Auch sonst wird mit dem gedanken-
strich eine grosse Verschwendung getrieben, vor allem nach dem ende
des Satzes, wie 1559. 1750. 1753. 1882. 1885. 2195. 2198. 2291.
Oedankenstriche zur andeutung einer pause sind freilich an der stelle,
aber wo eine Bolche nicht eintritt oder sie sonst keine beziehung haben,
solte man den text von gedankenleeren strichen befreien. Ausserordent-
lich seltsam sind die in der klassischen Walpurgisnacht oft an die stelle
der eine pause andeutenden gedankenstriche getretenen zwei, drei oder
vier punkte , und diese plötzlich hineingeschneiten , unter sich auch mit
gedankenstrichen bunt wechselnden punkte sollen wir als des dichters
weisliche absieht verehren , da sie doch nur eine marotte des abschrei-
bers sind, welcher Eckermann hätte den Garaus machen müssen, und
selbst wenn Goethe auf den einfall gekommen wäre , hier einmal punkte
statt des gedankenstriches zu setzen, so hatte er ohne zweifei keinen
Wechsel in der zahl der punkte beabsichtigt, noch weniger denselben
in der abschrift genau kontrolliert, abgesehen davon, dass es durch-
aus nicht angeht, in der „Walpurgisnacht*^ eine interpunktsweise gel-
ten zu lassen, die sonst weder im ersten noch im zweiten teile des
„Faust^ sich findet. Freilich standen im ersten drucke des anfangs
des zweiten teiles 1415 zum zeichen des abbrechens der rede vier punkte,
aber im volständigen zweiten teile trat an ihre stelle gedankenstrich
mit vorangehendem ungehörigem ausrufungszeichen. Die bunte Wirt-
schaft mit den punkten begint in der rede der Erichtho 2393 — 2427,
wo wir f&nfmal dem gebrauche von drei punkten begegnen, und zwar
an stellen, wo so wenig eine Unterbrechung statfindet, dass ein ein-
facher punkt volkommen genügt, ja die stärkere trennung das zusam-
mengehörige zerreisst. Darauf finden wir 2473 ebenfals drei, dann
aber 2477 und 2479 vier punkte, 2481 und 2505 einen ganz gleich
gebrauchten gedankenstrich. Auf zwei punkte treffen wir 2619 ^ aber
gedankenstrich folgt wider 2635. Vier punkte stehen 2688 und 2694,
drei 2715 und 2718, dann wider einmal vier 2724, drei 2770, zwei
2787, drei 2814, zwei 2917 (nur einen geben von Löper und Schröer),
vier 2953, nach dem gedankenstrich 3078 drei punkte 3079. Da, wo
Mephistopheles nach den Lamien hascht, treten wider die punkte ein,
einmal drei, dann fünfmal vier (3157 — 3186). In der bewegten rede
des Anaxagoras 3298 — 3317 finden wir zuerst zweimal drei punkte,
dann ebenso oft gedankenstriche. Auch 3343 begegnen wir wider ein-
mal vier punkten, dann aber bleiben wir fast fünfhundert verse lang
mit dieser punktierung verschont, nur noch zweimal erscheinen drei
460 dOktzbb
punkte (3822. 3857). Ich habe schon längst diese wunderlich wech-
selnden punkte durch den ehrlichen, sonst fiberall im ^Faurt^ uge*
wanten gedankenstrich ersezt, und glaube damit im sinne dcB diditcn
gehandelt zu haben, der nichts weniger als durch solche äussere Selt-
samkeiten die an sich schon so viele Schwierigkeiten darbietende dicb-
tung entstellen weite. Wer etwas tiefsinniges in diesen wechselndeo
punkten ahnen will , möge sich nur bald durch den versuch fiberzeugen,
dass keine Weisheit dahinter steckt Die rede der Erichtho komt ebenso
gut mit einfachen gedankenstrichen fort wie die Fausts am anfang dei
vierten aktes.
Doch kehren wir zu den textfehlem unseres druckes zurfick
2423 fg. lesen wir:
Ich wittre Leben. Da geziemen will min nicht
Lebendigem xa nahen, dem ich schädlich bin,
ohne dass ein bezuglicher nachsatz folgt Auch erwartete man die
Wortfolge: „Da nürs nicht geziemen will."^ Ohne zweifei weite (Goethe:
«Ich wittre Leben da. Geziemen will mir nicht "^ Der abschnitt mit-
ten im verse findet sich ebenso 2404. 2417. 2430. 2426. — In dem
verse 3853:
Will anseren Augen sich offenbaren?
steht im vierten fusse ein jambus statt des anapästes. Der vers würde
hergestelt durch ein nach sich eingeschobenes da. — 2164 fgg.:
Des Menschen Leben lebt im Blat, and wo
Bewegt dms Blat sich wie im Jüngling so?
Das ist lebendig Blnt in frischer Kraft,
Das neues Leben sich ans Leben schafft.
Hier Iftsst sich «Das ist lebendig Blut"^ wol zur not halten , wenn man
das erklirt des Jünglings; aber man braucht sidi die stelle nur
lebhaft vorzutragen, um zu finden, dass Goethe nur sich denken konte:
«Da ist lebendig Blut^ - 2323: «Nun fort mit ihm*^ fordert der
Zusammenhang das drängende Nur, wie im ersten tdle 2390; anders
ist es 2457: «Nun frisch zu neuen Wunderdingen*"; dagegen dürfte
auch 2490: «Man greife nun nach Mädchen, Kronen, Gold/ nur an
zu setzen sein. — 2749 fordert der sinn wol: «Den (statt Dem) Edel-
sten in Thaten nachgestrebt*^; «das Edekte in Thaten"^ wäre seltsam,
wogegen nach der gegebenen Verbesserung der vers genau dem yorher-
gehenden: «Du hast die GrOssten deiner Zeit gesehen/ oitsprichi. —
Bei unserm zustande der Überlieferung wird es auch nicht alzukUlm
sein, 2382 das durchaus nötige Entdeckst du statt Entdeck* ich,
2623 lustfeile statt lustfeine« 3680 empor statt hervor m setseii,
wogegen ich Schrd^rs Vermutung glühend statt blühend S821 nidit
beitreten möchte, da blühend hier bezeichnend steht ud der ikaUdie
ZVB KBITIK VON 60STHB8 FAUST. U. 461
gebrauch von blühen nicht zu leugnen ist. Das sonderbare ^Mische
dich zum lustigen Gesinde'' 2688 wird gestäzt durch 5957: ^Und
mischte gern sich auch zum neuen Streif Sehr scheinbar ist 7455
von Loepers Vermutung ungemessen, f&rdie sich manche, auch
SchrOer, erklärt haben, statt angemessen. Allein bei dieser bitte der
drei bttsserinnen muss der hauptnachdruck darauf liegen , dass Oretchen
die Verzeihung verdient habe, wogegen ungemessen an der stelle
wäre, wenn von grossen Sündern die rede wäre, Gretchen aber tritt
gerade in gegensatz zu den grossen Sünderinnen (7448), die erst nach
langer zeit Verzeihung erlangen, wonach die Veränderung sinwidrig.
Einer falschen versabteilung begegnen wir 1986 fg.; denn eines
gar starken glaubens an die Unfehlbarkeit unserer auf so schwankem
boden stehenden Überlieferung bedarf es, um sich die trennung: „Zu
Tausenden kommen wir, | Vater, getanzt'' gefallen zu lassen, wie von
Loeper und Schröer tun, da doch wir im ersten verse ebenso über-
zählig ist, wie der folgende vers es fordert. Welcher grund der rich-
tigen versabteilung entgegenstehen könte , sehe ich nicht. Falsche Zwi-
schenräume finden wir vor 2682. 2918 und 3590. Solte an der ersten
stelle dadurch ein absatz angedeutet werden, so fiele es auf, dass gleich
darauf zu demselben zwecke punkte verwant sind. Auch das verän-
derte versmass kann den abschnitt nicht rechtfertigen, da wir in glei-
chem falle 2694 punkte angewendet finden. Ebenso wenig sind die
zwei Zwischenräume in der rede des Baccalaureus 2077 — 2108 zu bil-
ligen ; wir erhalten durch sie in der mitte abschnitte von je sechs ver-
sen, obgleich ein sinnabschnitt nur nach 2088 und 2100 angenommen
werden kann, den ein gedankenstrich , wie auch sonst, andeuten könte.
Solche reichen auch in der rede der Erichtho 2413 und 2421 statt der
ungehörigen drei punkte derselben volkommen hin. Die Veränderung
der scene wird zweimal, vor 2468 und vor 2637, übergangen. Der
ausfall eines verses ist vor 2315 wahrscheinlich.
Was die rechtschreibung betrift, so lesen wir hier ereignen
3138, wie auch Ereigniss im vierten und fünften akte sich findet
(5824. 7494), wogegen im ersten eräugnen steht (1305). Fittige
lesen wir 3730, wie in der „Helena" (136), wo auch schlechtbefit-
tigt (4197), dagegen 3177 Fittichs. Zwischen hieher und hier-
her schwankt die Schreibung , wie auch in der „Helena'^ ; ersteres steht
2500. 3452, das andere 2527. 2872. 1856 stand hinzuräckeln.
Schnaken findet sich 1971, Schnack 2094. Dass hier ein unter-
schied der bedeutung statfinde, kann ich nicht zugeben, da an bei-
den stellen dieselbe belehrung des Mephistopheles vorschwebt, welche
dieser und der jetzige Baccalaureus als albernes zeug betrachten. Der
462 DÜHTZKB
form Egypten begegnen wir 2629, während in der „Helena^ 386
Aegypten sich findet So wenig herscht auch in der schreibimg fA-
lige übereinstimmnng.
Später als die lücke zwischen dem anfange der scene im last-
garten nnd der „Helena^ erhielten die beiden lezten akte ihre ana-
fuhrung nnd wurden dann ins reine geschrieben, wonach es geboten
scheint, diese fQr bich in vergleich mit jenen zu betrachten. Das i
wird auch hier regelmässig geschrieben. Nur zweimal steht ew*ge
(6985. 7084), dann am ende der Alexandriner yerein'gen, be-
schleunigen, beschäftigen, bekräftigen, yerkflnd*gen, ent-
sünd'gen (6292 fg. 6360 fg. 6404 fg.) gegenüber dem das versmass
verletzenden ausgange trochäischer verse Huldigung und ünthätig-
keitsentschuldigung (5777. 5779). Die prosaische Schreibweise war
so eingedrungen, dass wir sogar 7315: „Heilige Gefühle drein^ lesen,
wo das metrum durchaus einen daktylischen anfang verlangt; trotzdem
hat nicht bloss Schröer, sondern selbst von Loeper das unerträgliche
Heilige conser viert Auch in den erhaltenen handschriftlichen ent-
würfen einzelner stellen finden sich heiligen und ewigen (7395.
7420. 7474) und in einem nicht aufgenommenen verse bei von Loeper
s. 383 , wie auch in andern gedichten die vollen formen statt der
metrisch geforderten sich eingeschlichen haben , wogegen in andern ent-
würfen ewgem und prächtgen zu lesen ist (vgl Loeper s. 346. 350),
wie auch in denen zur „Helena" ewger und selgem (1080. 1083)
und einmal im zweiten akte (2902) heiigem. Man sieht, der dichter
blieb sich nicht gleich ; einmal beachtete er die forderuug des metrums,
ein andermal folgte er der prosaischen Schreibung. Auch in unsern
beiden akten braucht der dichter anapäste statt der jamben äusserst
selten, fast nur da, wo die not ihn zwang. Die einzigen beispiele
sind: „Verbrächte da grenzenlose Zeit" (5560), „Als mit zerschlagnen
Unter- und Oberbacken" (5900), „Dem frechen Kerl einen Backen-
streich" (6221), wo Goethe wol 'nen schrieb, „Berechnet er alles
mehr genau" (6598 fg.), „Dem unbesonnenen wilden Streich" (6759),
wo ohne zweifei in der ihm geläufigen weise unbesonnen herzustel-
len ist, „Es war nur Schein, das rührte , das regte sich wieder" (7022),
„Es ist das bübisch -mädchenhafte Gestümper" (7292), „Die Herrliche
mitteninn" (7380), nnd ein paar stellen im freiem Lemurenliede : „Da
rührten sich meine Füsse. Nun hat das tückische Alter mich Mit sei-
ner Krücke getroffen" (6921 fgg.) und „Dir dumpfer Gast im hänfnen
Gewand (6993). In trochäi8(dien massen findet sich nur ein beispiel
dieser art, 7292: „Glückliche! habt ihr keine Spur." So spricht auch
hier alles dafiir, dass der dichter nicht durch Unterlassung äw alge*
ZUR KBITIK von eOSTHBS PAUST. H. 463
mein anerkanten freiheit der elision des i den vers ohne not verletzen
wolte.
Wenden wir uns nnn zn dem e, so wird dies durchweg aas-
gelassen, wobei nur in seltenen Allen der apostroph auf den ausfall
dentet, wie Fran'n 5562, Klett*rer 6111, erhöht're 6340, inn're
6699, unternommene 6934, verschlossenen 7012, bessere 7485,
wo man freilich bei Schröer jede andeutung dieser ursprünglichen
Schreibung vermisst. Nur ein paarmal ist die elision übersehen wor-
den und muss im sinne des dichters hergestelt werden. 5734: „Dass
wir in dies gelegene Thal,^ 5780: „Innere Qährung, Yolksgefahr^
(vgl. dagegen 6699, auch Innres 7271), 5791: „Und auf vorgeschrie-
benen Bahnen^ (dagegen blutgeschriebnen Titel 7000, halber-
storbnen 6455 u. a., im zweiten akte 3303 rundumschriebner),
5834: „Die Majestät zersprengte glühende Ketten^ (gegen glühnden
Schmiede 6131 und die aus den drei ersten akten angeführten bei-
spiele), 6229: „Der eine stand, der andere fiel^ (gegen die zahlreichen
beispiele des aus&ls der e , selbst in den Überschriften und scenarischen
bemerkungen). Die Schreibung in den prosaischen scenarischen bemer-
kungen und den Überschriften korot nicht in betracht; hier solte regel-
mässig die gangbare form stehen, aber selbst darin bleibt sich unsere
Überlieferung nicht gleich, der aber trotz allem SchrOer 'unbedenklich
folgt, bei dem treulich vor 6430 Wandrer, in der weitem Über-
schrift und in einer scenarischen bemerkung Wanderer, vor 7329
und 7341 Die jüngeren Engel, die vollendeteren Engel, aber
vor 7353 Die jungem Engel nachgedruckt zu lesen ist In der
scenarischen bemerkung nach 6169 steht irrig heitere., vor 5454
anderer statt andrer (vgl. vor 1534 fgg.).
In bezug auf die Schreibung der endungen bemerken wir, dass
beim zeitwort durchweg ein, elt, elnd, ern, ernd gedruckt ist,
dagegen edlem, edlen, frevlen (6378), wogegen dunkeln (6430),
euren, eurem, gegenüber euern 6333. 7295, Theuern (6344), unge-
heurem (7299), gegenüber düsterm (6606) und finstern (6694).
Höherem findet sich 5798, ohne apostroph 7305, dagegen höhern
7481. Die Ungleichheit geht so weit, dass wir 6033 unsers lesen, wäh-
rend sonst im „Faust ,^ selbst in den scenarischen bemerkungen, wie
vor 6204, unsres steht Man halte diese Zusammenstellung mit der
früher über die drei ersten akte gegebenen, gegen die bei Schröer I. s.yill.
Auch an offenbaren fehlem stellen die beiden lezten akte ein
bedeutendes kontingent Beginnen wir mit der Schreibung, so ist der
apostroph ausgefallen bei Hess (5558), droht (5829), Richtet
(6409), dürft (7435). Aach Tag und Stunden 7017 kann nicht
464 ntJXTZtsB,
richtig sein. Mephistopheles steigt hier absichtlich herab. Grosse
bochstaben statt der kleinen finden wir 6009 (Er), 6112 (Ein), 6259
(Vier), das umgekehrte 5624 (hörst), 5610 (flatend, wo auch der
unmittelbar vorhergehende gedankenstrich wegfallen muss) und 6634
(einem). Jederman (6363) ist regelmässige Schreibung der aus-
gäbe lezterhand, auffält dagegen Bim m (6654). Buchstabenföhler wie
7417 (hethört statt bethört) kommen nicht in betracht. Negro-
mant 5827 war die Goethe geläufige italienische form. Hieher und
hierher stehen auch hier nebeneinander (5678. 6056). Von der Inter-
punktion erwähnen wir zunächst das mehrfach sich findende komma
statt des punktes (5631. 5928. 6048. 6051. 6091. vor 6170. 6196.
7024. 7055); das umgekehrte 5758. Häufig fehlt das konmia oder eine
stärkere Interpunktion, die vielfach durch ein komma vertreten wird.
So muss wenigstens komma 7056 nach „Nehmt es in Acht^ stehen.
Ein komma fehlt auch 5682: „Einmal gerettet ists ffir tausendmale,"
wo „Einmal gerettet*^ als satz zu fassen ist, und vor der anrede (6297);
ein andermal steht es zu viel (6240, wo das komma nach ehren-
voll stört). 5624 werden die werte Krieg oder Frieden durdi den
punkt zu einem selbständigen satze gemacht und deshalb klug gross
geschrieben, während nach Frieden kOmma stehen solte („mag es
Krieg oder Friede sein^). 5659 solte statt des gedankenstriches punkt
stehen, ebenso nach übersittlich 7185 und wenden sich 7186,
wo Schröer nicht Von in von ändern durfte. Daselbst muss nach
anzusehen das ausrufungszeichen ausfallen, wenn man es nicht hin-
ter den gedankenstrich setzen will; dieser muss am ende der gar nicht
abgebrochenen rede nach appetitlich 7187 gestrichen werden, woge-
gen er 5659 nach ging statt des punkts zu setzen ist, da Faust Mephi-
stopheles unterbricht. Sinwidrig ist der gedankenstrich 5884: „Mähr-
chen sagt: — Es war einmal,^ da er unmöglich die rede einfBhren,
noch weniger die den anfang des märchens bildenden werte als aus der
mitte herausgenommen bezeichnen kann. Irrig *sind auch die anf&h-
rungszeichen bei dem verse (5519): „Die Reiche der Welt und ihre
Herrlichkeiten,^ die höchst wahrscheinlich, wie die ungenaue Verwei-
sung: „Matth. 4,^ von Riemer herrfihren. Deutet auch Mephistopheles
auf den Goethe sehr geläufigen biblischen ausdruck, so ffihrt er diesen
doch nicht wörtlich an, wie es noch weniger bei der andern von Rie-
mer nach 5482 angeführten stelle der fall ist. Beide Verweisungen sel-
ten fiberhaupt aus dem text ausgeschieden werden , da mit demselben
rechte andere dem dichter vorschwebende anzuziehen wären. — 6703
fordert die richtige Verbindung nach „Ach ! die guten alten Leute^ statt
eines kommas ein ausrufungszeichen , da mit v. 6704 ein neuer sats
ZüB TBXTKRITIK VON GÖBTHES FAUST. II. 465
anhebt, wie das sonst anstössige sie v. 6705 zeigt. Einmal hat der setzer
auch hier das sonderbare komma mit gedankenstrich, 5546, wo Schröer
das erstere weglässt. Nicht weniger auffällig sind Semikolon mit gedan-
kenstrich 6018 und 6935 , wo der leztere einfach zu streichen. Ebenso
verhält es sich mit 5647, wo umgekehrt der gedankenstrich dem Semi-
kolon vorhergeht. Häufig finden wir Zwischenräume, die einen absatz
andeuten sollen, aber entweder durch einen blossen gedankenstrich am
Schlüsse des vorhergehenden verses zu ersetzen (5610. 6637. 7007)
oder ohne weiteres aufzugeben sind (6794. 7051. 7080. 7093. 7156,
wo sogar ein gedankenstrich vorhergeht 7261. 7411).
Bei dem auftreten der drei gewaltigen finden wir kurze verse,
von denen je zwei einen bilden (6554 — 6557. 6576 — 6603). Es ist
gar nicht abzusehen, weshalb der dichter solche verse, von denen nur
die geraden reimen und die ungeraden oft eine dem folgenden verse
fehlende silbe zu viel haben , gewählt haben solte, da doch 6558 —
6575. 6604 fg. 6737 — 6774, die zum grösten teil durchaus ähnlich
gehalten sind , vierfüssige gereimte trochäen sich finden. Ganz anderer
art sind die kurzen verse 6675 — 6690, die der reim als solche erweist.
Dass die kurzen verse opernhaft gedacht und für den gesang bestimt
seien, geben wir Schröer nicht zu; die drei gewaltigen können sehr
wol im Chorus sprechen, und man solte denken, wenn sie singend
aufträten, würden sie auch 6672 fgg. mit gesang sich entfernen. Es
scheint fast, als ob der abschreiber seinen irtum erkant habe; denn
nur so dürfte es sich erklären, dass am Schlüsse der rede des
Mephistopheles wirklich die längern verse stehen, und zwar nicht her-
ausgerückt, sondern in gleicher entfernung vom rande begonnen, wie
die kürzern beginnen. Und von hier an hören auch die kurzen verse
auf, obgleich 6669 — 6672 Mephistopheles mit den drei gesellen sich
unterhält und 6761—6764 ausdrücklich dem chorus gegeben werden,
wie 6554 — 6557, d. h. dem Mephistopheles mit den drei gewaltigen.
Kam der irtum vielleicht daher, dass Goethe geschrieben hatte:
Da landen wir — da sind wir schon.
Glück an dem Herren — dem Patron,
zur andeutung des wechseis zwischen Mephistopheles und den gesellen,
so dass der erste teil der verse dem Mephistopheles gehörte (vgl. die
ähnliche abteilung im ersten akte beim gemurmel der menge von 145
an), und der abschreiber nun die in folge dessen angenommene Ver-
teilung auf zwei verse auch bei 6576 fgg. anwante. Jedenfals ist auch
6761 unter dem chorus Mephistopheles mitverstanden.
Die Bcenarischen bemerkungen werden gröstenteils von Riemer
herrühren. Goethe, der dieselben auch in den bei seinen lebzeiten
SS1T80HB. F. DSUT8CHB FHTLOLOOXa. BD. XY. 30
466 dOhtzbb
erschienenen stücken des zweiten teils diesem kritischen freande fiber-
liess, zweifelte nicht, dass dieser, dem er nebst Eckermann die her-
ausgäbe seines nachlasses anvertraute, die fehlenden bemerkongen
wesentlich in seinem sinne hinzufügen werde. Freilich einzelne zum
Verständnisse ganz unentbehrliche gab er selbst. In den uns erhaltenen
entwürfen finden wir von Ooethes band scenarische angaben vor 6097.
6410 (wo wieder fehlt). 6725 (dort steht eine genauere bestimmong).
7341 (etwas abweichend). 7368 (das später weggefallene ^untereinan-
der''). 7376 ; sie fehlen vor 5951 und 5958. Riemer wird vielfach das
fehlende ergänzt haben, wol nicht überall völlig im sinne des dichters;
sind ja auch jezt noch die angaben nicht immer ganz volständig, wie
sich aus meiner kleinen ausgäbe ergibt. Wir bemerken hier nur, dass
vor 7063 nach „Himmlische Heerschaar'', das auf die im himmel vor
gott sich der Seligkeit freuenden schaaren geht (vgl den prolog im
himmel) y ausgelassen ist: „Chor der Engel''; denn diesen, den seelen
verstorbener zur Seligkeit gelangter menschen , gehört die folgende Stro-
phe, in welcher die singenden, wie so häufig in den chorgesängen,
sich selbst anreden, nach Goethes eben angeführter bemerkung „unter-
einander" sprechen.
Gehen wir endlich zu der Verwechslung von werten und wortfor-
men über, so haben wir hier manches entweder geradezu als drackfeh-
1er zu bezeichnen oder stark zu beanstanden. 5620 ist zu schreiben
von Schritt zu (statt für) Schritt, 5653 hatt' statt hat, 5657
War statt Ist, da immer von der Vergangenheit die rede ist, 5757
Lumpe statt Lumpen, das sich durch Schuften 7043 nicht halten
lässt, da Goethe an der Unterscheidung von Lumpe und Lumpen
festhielt, wogegen eine von Schiller wenigstens redigierte xenie nichts
beweisen kann, 5849 Sorgenstunde statt des seltsamen Morgen-
stunde, 5943 ausgeräumt statt aufgeräumt, 5982 ansres statt
unsrer, da der dichter sonst immer der Phalanx braucht, 6179
hatt', wie 6181, statt hätt\ 6183 einen statt des jeder beziehnng
entbehrenden ihn ('nen würde wol etwas hart sein), 6219 will-
kommner statt willkommne, 6233 zischt's statt zischt, vor
6236 tritt statt treten (oder etwa und statt mit), 6263 und vor
6264 Erzmarschall, was auch handschriftlich vorliegt, statt des
ungehörigen Erbmarschall, 6267 yäterb|urg statt Yaterburg (vgL
im ersten teile 2417), 6486 Dort statt Doch!^ 6664 den (statt
1) Sonderbar ncntvon Loeper Dort einen drackfehler der ausgäbe TOpIftK»,
In meiner von ihm verglichenen kleinen ausgäbe und den in den ftnfi'
von mir herausgegebenen Cottaischen habe ich längst das dorehMfe
Dort bergestelt
ZUB TBZTK&ITIK VON 00ETHB8 FAUST. II. 467
dem) Alten, 7106: „Das schrumpft nicht nur, es bräunt sich, dorrt
(statt sich dort), es brennt, 7496 ist^s statt ist es. An andern
stellen liegt mehr oder weniger gegründeter verdacht vor , der dadurch
verstärkt wird; dass eben die handschrift sehr fehlerhaft war. Den
trimeter 5927 befreit man von dem überzähligen fusse, wenn man
unterem statt unter meinem schreibt oder, was wol richtiger,
schauend weglässt. 5536 ist wol am (statt an) Bollekutschen zu
lesen, was besser zum folgenden: „Am lärmigen Hin- und Wieder-
rutschen^ passt, so dass Rollekutschen substantivischer infinitiv ist,
rollend kutschen. 5694 erwartet man, da vom bestimten strande
die rede ist, vom grenzenlosen (statt von grenzenlosem) Strande.
5928 ist So bitte (statt bitt' ich), Herr, wenigstens auffallend.
5946: „Sonst warens Ritter, König, Kaiser^ hat von Loeper König*
geschrieben; dies oder Könige wäre freilich nötig, dächte nicht der
dichter sich unbestimt „ein Ritter, ein König, ein Kaiser.'^ 5967
würde geschäftig statt beschäftigt einen richtigen reim auf kräf-
tig geben, aber ähnliche unreine reime konunen im „Faust^ mehrfach
vor, und dem sinne nach verdient das participium den Vorzug. 6102;
„Und jeder schwört (das komma fehlt) das sei das Sein,^ könte man
es statt des ersten das vermuten. Ob 6187 Nehm* statt Nimm
beabsichtigt sei , könte man bezweifeln , da Goethe im „Faust'' die ähn-
lichen Imperativformen nur hat, wo er dadurch eine silbe für den
vers gewint; aber zum volkstone passt die andere form. Nicht bloss
lesen wir im „Götz'' in einer volksscene mess, sondern auch im „Cla-
vigo" sagt Sophie in äusserster erregung: „So bleib' und verderb' uns
alle." 6330 lesen wir : „Dann sei bestimmt vergönt zu üben ungestört,"
wo bestimmt äusserst auffölt. Im entwürfe steht: „Sodann sei euch
auszuüben ungestöi*t." ^ Den nicht blos metrisch unvolständigen vers
muss Goethe, wie schon Sauppe annahm, dadurch hergestelt haben,
dass er bestimmt oder vergönnt nach euch einschob, dann aber
zu üben statt auszuüben schrieb. Entweder nahm der abschreiber
beide in den text auf oder Eckermann fand bestimmt von Goethes
band (beim lesen im Januar 1832) durch das übergeschriebene ver-
gönnt verbessert. Genug, dieser nahm beide auf, und Schafte dann
den überzähligen fuss weg, indem er Dann statt Sodann schrieb und
euch strich. Das wäre denn eine sehr schlimme änderung, die wol
nicht die einzige dieser art, wenn auch wol die unglücklichste, war.
1) Schröer Hess sich dnrch von Loepers freilich nicht bloss durch einen
dmckfehler entgleite, sondern auch sonst unrichtige angäbe zu der bemerkung ver-
leiten, in der handschrift stehe: „Sodann sei auch vergönnf Sauppc, auf den
sich von Loeper bezieht, gibt s, 18 das oben mitgeteilte.
30*
Von Looper kat noch Sauppe dos richtige angenommen. 6t^73 lioyl
es nahe <Iua sonderbare: „Und bereitet ibu zur HQlJe" durch die ändo-
rung sie zu verbesaern; die stelle ist ihm, wie es 6548 heisst, „Uoni
den Augen, Dorn den Sohlen." Ob G947 Errungne trotz des glei-
cbou reims Höchsterruugne 6949 richtig, ob nicht KrzwungoH
bder Gelungne zu lesen, ist Bcbwer zu entscheiden.
Wir haben durch darlegung des znetaudes der taschenansgabe
den nacbweia geliefert, dass wir hier auf einem äusserst unsichern
bodea stehen, der text sehr verwahrlost, in sich nicht gleichartig ist.
Wenn Biedermann auf die octavausgabe als die gmndlage eines kriti-
schen teites hinweist,* so ist hier damit nichts gewonnen. Freilich
wurde die oetavausgabe nach einer von Goethes freunden vorgenommenen
durchsieht der tascbenausgahe und den danach mit Goethes genebmi-
gung gemachten verbessernu gen gedruckt, aber wenn auch hier einiges
berichtigt wurde , ho blieb doch vieles falsche stehen und oa stellen
sich manche neue dnickfehler ein, so dass zuweilen nicht genau za
nuterscbeiden ist, was beabsichtigte Veränderung, Eine genauere ein-
sieht in das Verhältnis der beiden ausgaben zu einander gewiut man
aus meiner textrevisiou der „italienischen Reise." Schon zum ersten
teila des „Faust" ist wenig aus der oetavausgabe 7.a gewinnen. Ausser
ein paar druckfehlern (5ö. »9. 145) wflste ich nur das seltsame h'raua
188, dunkeln statt dunklen (Prol. im Himmel 86) undjingeffthr
statt ohngefähr (1052) anzuführen. Viel schlimmer steht es bei dem
zweiten teile. Biedermanus berufung auf Goethes handschrift, die deu
beranagebern bei der durchsieht zugänglich gewesen sei, ist ganx halt-
los, ja wenn eine solche noch wirklich existiert hätte, so wflrde ihnen
diese auch uoch bei der quartausgabe von 1836 zugänglich gewesen
sein; denn erst später verschloss eich dem kanzler Mililer, und damit
auch ilienier und Eckermann, das Ooetbescbe hauaarchiv. Aber wir
habeu gesehen, dass Goethe nur eine einzige sehr nachlässige hand-
schrift hinterlassen hatte, die vou Eckerinann und Kinmer verbessert
und dann zum drucke abgesant wurde. Bei der durchsieht vor dem
drucke der oetavausgabe (dass eine solche bei den „nachgelassenen wer-
ken" statfand, ist nicht einmal bezeugt) lag ebensowenig eine hand-
schrift vor, als man in zweifelhaften ^Uen des dicbters entscheidang
einholen koute. Es hat demnach die oetavausgabe, wie alle späten),
nach Biedermanns ansdruck nur „conjecturellen wert," keinen authen-
tischen. Dabei leidet sie au starken druckfehlern, deren Biedermann
gar nicht gedenkt. Wir verzeichnen als solche 24()0 wiederhuU'
ZUB TBXTKBITIK VON 60BTHEB FAUST. U. 469
statt wiederholt, 2559 Willkommen statt Willkommnen, 2902
Und statt Uns, 3432 Tönt statt Tönet, 6485 scheinet stat schei-
det^ Und was ist es denn, was Biedermann „namentlich^ aus dieser
ausgäbe aufgenommen haben will. Ausser der einfachen Verbesserung
des Setzers Bing statt Bink (3727) und dem zugesezten apostroph
bei droht' 5829« nur 5620 Schritt zu Schritt und 6664 den Al-
ten, das von Loeper und, ihm folgend, Schröer erst der quartausgabe
zuschreiben. Zu diesen wenigen Verbesserungen bedurfte man doch nicht
der vergleichung einer handschriffc. Die quartausgabe , der Biedermann
im gegensatze zu jener bloss „conjecturellen wert" zuschreibt, bietet
viel bedeutendere Verbesserungen von Biemers seite, der sich, wie wir
aus einem ungedruckten briefe Eckermanns vom 30. januar 1835 erse-
hen, mit dem „Faust" zum zwecke der schon damals beabsichtigten,
ja geordneten quartausgabe eingehend beschäftigt hatte.
Schröers reaktion beruht auf einer argen Überschätzung des auf
einer fehlerhaften, von Eckermann „ausgepuzten" handschrift beruhen-
den nachlässigen ersten druckes von 1832. Leider bildet dieser unsere
einzige grundlage des textes der bei weitem grössern hälfte des zwei-
ten teiles , da sich sonst nur einzelne entwürfe erhalten haben , die sehr
wenig haltpunkte bieten. Die kritik hat hier ein weites feld , nur muss
sie sich ihrer grenzen und des grades der Wahrscheinlichkeit ihrer Ver-
mutungen immer bewusst bleiben und, fem von jedem leichtfertigen
gebaren, dem zusammenhange und dem geiste des dichters stets rech-
nung tragen. Es nimt sich sonderbar aus, wenn Schröer, der sonst
so peinlich in der widergabe der Überlieferung bis zum ausgelassenen
komma und apostroph sein will, aber keineswegs immer ist, hie und
da zu den haltlosesten Vermutungen greift. Wenn Lynceus in der
„Helena" 838 fg. von seinen gesammelten schätzen sagt :
Das alles hielt ich fest nnd mein,
Nun aber lose, wird es dein,
SO zweifelt niemand, dass „nun aber lose" im gegensatz zu fest heisst,
„da es nun lose geworden." Schröer eutstelt den einfach sprechenden
ausdruck durch die ohne weiteres in den text gesezte, nicht einmal
unter den lesarten als blosse Vermutung erwähnte änderung : „Nun aber,
Lose, wird es dein," mit der erklärung: „Lose ist die süsseste Schelte
für unheilvoll bestrickende Lieblichkeit," wobei er an das mittelhoch-
deutsche ir loser lieber lip u. ä. erinnert. Das Mittelhochdeutsche ist
1) Von Loeper führt auch aus dieser ausgäbe 6431 punkt nach Kraft an,
aber dieser, nicht komma, findet sich schon in meinem exemplare der taschenausgabe.
2) Das von Biedermann angeführte Fried' 5672 steht schon in meinem
exemplare der taschenausgabe.
470 DüirrzsB, zub tbxtkbitik von gobthss paust, h.
gar gut, wo es hingehört! Goethe kante jenen gebrauch nicht, und
es wäre wol unmöglich etwas aufzufinden, was für den torm Wächter
Lynceus unpassender wäre als diese „süsse Schelte^ der von Faust
soeben als herrin anerkanten Helena. Schröer hat hier lose, so deut-
lich es auch ist , eben so wenig gefasst , wie die fär keinen aufmerken-
den eine Schwierigkeit bietenden yerse 1522 fg.:
Dort bozeichnens der Cypressen sehlanko Wipfel, über Landschaft
üferzug und Wellenspiegel nach dem Aether steigende,
die er als „unverständlich und bisher unerklärt'' bezeichnet Wes-
halb liess er denn das in beiden drucken stehende konuna nach Wip-
fel weg, das ihm einen fingerzeig geboten haben würde, dass der
dichter sageu wolle , die wipfel der cypressen in der ferne deuteten auf
die stelle , wo das haus sich befinde. Eine solche erklärung des nicht-
verstehens ist freilich besser als so arge misverständnisse , die wir
sonst finden , wie er z. b. gegen Zusammenhang und spräche der werte
daselbst 813: gedörrtes Gras als „wilkommene beute'' (fQr mich
gedört) erklärt und sich nicht einmal durch die ganz ähnliche stelle
(843) von dieser misdeutung abbringen lässt. Zu den seltsamsten ver-
irrungen unseres kritikers gehört die entdeckung (I s. LXII) , dass die
im drucke hereingerückten zeilen gesungen würden. Hätte er sich eine
ausgäbe der gedichte angesehen, so würde er gefunden haben, dass
das hereinrücken nur sache des abschreibers und dinickers ist, da die-
ser bei kleinern versen der äussern Symmetrie wegen mehr in der
mitte die zeile begint. Zu welcher abenteuerlichkeit diese durch nichts
begründete I mit wolgefallen auch im zweiten teile durchgeführte ent-
deckung verleitet hat, wollen wir nicht ausfuhren. Dagegen weisen
wir auf die wilkür hin, mit welcher Schröer einzelne stellen gespert
drucken lässt (2876. 5676), ja uns einmal 6951 — 6956 durch eigen-
liebige anfuhrungszeichen überrascht, über deren sinn wir vergebens
nach aufklärung suchen.
Freilich darin hat Schröer recht, dass die elision des i in den
zuerst 1832 erschienenen viertehalb akten fast regelmässig durchgeführt
ist. Aber unmöglich kann dies die absieht des dichters gewesen sein,
der, wie wir früher bemerkten, keineswegs auf derartige eigenheiten
bestand , sondern den wünsch hegte , dass der druck sich nach den zur
zeit gangbaren grundsätzen richte, damit von dieser seit-e, was ihm vor
allem bei dem an sich der auffassung so grosse Schwierigkeiten ent-
gegenstellenden „Faust" am herzen liegen muste, seinen werken der
eingang nicht erschwert werde ^ insonderheit konte er einer algemein
gangbaren dichterischen freiheit nicht entsagen, wodurch der reine
metrische fluss widerwärtig gestört werden muate. Wir tun ein gutes
MATTHIAS, DIB JAOD IM NIBBLÜN6ENLIBDE 471
werk, wenn wir im einklang mit dem ersten teile den zweiten von
diesen durch Sorglosigkeit des Schreibers mid druckers, auch durch
unbeabsichtigte nachlässigkeit Goethes selbst entstandenen härten, wie
von den vielen sonstigen entstellungen des textes befreien ; diese zu con-
serviren muss einer historisch kritischen ausgäbe überlassen bleiben,
dagegen verlangen wir zum genusse und lebendigen Verständnisse einen
nach strengen grundsätzen gereinigten text, so weit ein solcher bei
unserer leider unsichern grundlage möglich ist. Deshalb glaubten wir
der reaction gegenüber die wirkliche Sachlage möglichst treu darlegen
zu müssen. Riemer u. a. haben zur herstellung des textes sehr viel
beigetragen ; auf ihren spuren müssen wir fortwandeln , nicht das falsche
und ungehörige mit aller gewalt zum schaden der dichtung hartnäckig
halten, wie es Schröer, freilich nichts weniger als folgerichtig, zu
tun versucht hat.
KÖLN. HEINRICH DÜNTZER.
DIE JAGD IM NIBELUNGENLIEDE.
Die folgenden zeilen bezwecken eine zusanuuenhängende darstel-
lung der jagd zu geben, welche den hauptinhalt des Yül. liedes der
Nibelunge Not ausmacht. Die herren professoren von Fritsch, g. r.
Kühn, Suchier und Zacher zu Halle haben den Verfasser durch nach-
weisung und darbietung litterarischer auskunft und hilfsmittel freund-
lichst und förderlichst unterstüzt, wofür ihnen derselbe zu grossem
danke verpflichtet bleibt.
Hagen hat seiner von Kriemhild schwerbeleidigten herrin Brun-
hild versprochen (807, 2), sie zu rächen und den entschluss gefasst,
den Siegfried zu ermorden : das! er sich hat gerüemet der lieben vrowen
mm, dar umbe toil ich sterben, ez enge im an daz leben sin sagt er
810, 3. 4; zugleich will er damit auch einen beiden aus dem wege
räumen, der der ausbreitung der macht seines herrn im wege steht
(813, 3. 4) und der einzige ist, welcher in folge seiner gewaltigen
Überlegenheit diesem allezeit ein gegenständ der sorge und befurchtung
gewesen ist (934). Hagen wird in seiner handlungsweise nur von einem
einzigen motive bestimt, von der treue gegen seinen herrn und seine
herrin; darum reflectiert er keinen augenblick darüber, ob sein tun
recht oder unrecht sei ; er fQhlt sich als Günthers gefolgsmann zu unbe-
dingter treue und zu unweigerlichem gehorsam verpflichtet: dieses
472 MATTHIAS
Pflichtgefühl ist ihm so sehr in fleisch und blut übergegangen, dass
er so handeln muss, wie er handelt, als würde er von einer natur-
notwundigkeit getrieben : wer Hagens handlongsweise von diesem Stand-
punkte aus beurteilt, wird sie gerechtfertigt finden müssen und anstoss
nur etwa daran nehmen können, dass er Siegfried nicht im offenen
kämpfe erlegt^ sondern ihn hinterrücks ermordet.
Er rät zu einem scheinfeldzuge gegen die Sachsen, um von der
in folge dessen besorgten Eriemhild Siegfrieds verwundbare stelle zu
erkunden ; arglos macht diese sogar auf Hagens rat (846) diese stelle
kentlich durch ein seidnes kreuzchen, das sie in Siegfrieds kriegs-
gewand näht (846. 847). Auf die groben Widersprüche in den aufein-
anderfolgenden berichten über das gewand Siegfrieds und über das ein-
genähte kreuzchen hat Lachmann bereits aufmerksam gemacht (kl. sehr.
s. 60): Kriemhild hat das kreuzchen auf Siegfrieds kriegsgewand
genäht, in welchem es Hagen auch betrachtet (850, 4. 851, 1); das
gewand aber, welches Siegfried auf der jagd trägt und beim wetlauf
anbehält (916, 3. 947, 1) — und nach 922, 2 steht auf diesem das
kreuz — ist ein besonderes pirsch gewand, von dem gleich im anfange
der eingeschobenen abschiedsscene (861, 2) und an der ebenfals ein-
geschobenen stelle die rede ist, wo Siegfrieds kleidung beschrieben
wird (893).
Das märchen von dem heereszuge hat seinen zweck erfult: zwei
falsche von Hagen dazu abgesaute boten (851) melden den bereits zum
kriegszuge aufgebrochenen , dass die Sachsen sich anders besonnen haben
und frieden halten wollen; Siegfried ist kaum zur heimkehr nach
Worms zu bewegen (852); dort dankt Günther, der vom heereszug
zurückgeblieben war (829), für seinen guten willen (853) und macht
auf Hagens rat (854, 4) den verschlag, im Waskenwalde am nächsten
morgen früh eine jagd zu veranstalten (854. 855). Siegfried erklärt
sofort, daran teil nehmen zu wollen (856) und begibt sich zu seinem
weihe (858), nachdem der aufbruch für den nächsten morgen früh ver-
abredet ist (855). Nacli seiner entfernung macht Hagen dem könig von
dem erfolge seiner Unterredung mit Kriemhild mitteilung und weiht
ihn in seine heimtückischen plane ein : sctnere hete Hagetie dem hünige
geseü wie er gewimien wolde den iiwcrüclien degen (858, 2. 3).
Am nächsten morgen erfolgt der aufbruch zur jagd. Im bezug
auf Siegfrieds teilnähme an demselben haben wir zwei sich widerspre-
chende berichte; der eine lässt ihn gleich mit den anderen aufbrechen
(860, 1. 868, 3. 869, 3); der andere lässt ihn der jagdgeselschafl nach-
reiten (871, 4); auch die entstehung dieses Widerspruches hat Lachmann
in den anmerkungen zu 860 — 70 erklärt
DIB JAOD IM NIBBLÜNGEIILIEDE 473
Dass zahlreiche, mit mundvorrat beladene rosse (soumaere, sou-
mer) bereits vor der jagdgeselschaft den Rhein überschritten haben,
geht aus 870, 1 hervor; da sie langsamer ziehen, als die berittnen
Jäger, werden sie schon am tage vorher oder bei nacht aufgebrochen
sein; sie bringen brot, wein,' fleisch, jedenfals von zahmen tieren,
fische und ander manegen rät* (870, 3), nach dem jagdorte; schon
die mitnähme so reichlicher vorrät« lässt auf eine grosse jagd-
geselschaft schliessen.
Ausser Günther, Hagen und Siegfried werden keine teilnehmer
namentlich erwähnt. Gernot und Giselher bleiben daheim (869, 4);
denn aus 808 fgg. geht nicht nur hervor , dass sie Hagens heimtückische
absiebten kennen, sondern sie auch misbilligen (vgl. 988, 3. 4. 990);
der umarbeiter fragt deshalb in einer später zugesezten (nur in GIdh
stehenden) strophe (858, 7. 8) : ine weis durch weihen nit (= aus wel-
chem gründe von feindschaft oder hass) dast si in niht en warenden;
und zwei zusatzstrophen schon des textes A suchen sie auch zu recht-
fertigen, 1036 und 1037, wo Gernot zu dem scheidenden Siegmund sagt:
got weig wöl von himde, an Stfrides tot gewan ich nie schulde: ich
horte euch nie gesogen wer im hie ment wcere: freilich ist die recht-
fertigung sehr ungeschickt; denn die lezten werte lassen den Gernot
(nach 808 fgg.) eine offenbare Ifige sagen : Zarncke (Beitr. z. Erkl. u.
Gesch. des NL. s. 160) sucht die Unschicklichkeit zu beseitigen, indem
er erklärt, „Wir müssen unter ment nicht einen bloss grollenden , son-
dern einen bestimte feindliche absiebten hegenden und auszuführen vor-
habenden verstehen, und solche absiebten durfte Gemot durch des
königs wort (811) als zurückgewiesen annehmen." Doch tut diese
erklärung dem werte vient gewalt an ; ausserdem kann nach 808 fgg.
Gernot doch nicht in abrede stellen, dass er von feindlichen, Siegfrieds
leben gefährdenden absiebten gehört hat, selbst wenn er meinte,
durch Günthers machtwort wären sie in der tat zurückgewiesen worden.
Das Jagdrevier ist auf der rechten Rheinseite zu suchen; 861, 3
wird berichtet, Siegfried und die gesellen: wolden uher Bin, und dem
entsprechend 870, 1 : geladen vil der rosse kom vor in über Bin, Im
VII. liede aber hatte Günther den Siegfried eingeladen (854, 3) zu
einer waldreise (873, 4): hin ze dem Waskenwalde; „durch die Ver-
einigung des YII. und YIII. liedes ist der vielbesprochene anstoss ent-
1) Lachm. anm.: die erwähnung des weines charakterisiert die strophe als
späteren znsatz; denn gerade sein fehlen wird die Veranlassung zu dem wetlaof
nach dem bronnen (906).
2) Siehe nnten s. 476.
474 MATTHIAS
standen, dass der Rhein zwischen Worms und die Yogesen komt."^
(Lachm. anm. z. lied VIII).
Die Jäger reiten in einen tiefen wcdd (869, 1) , entfernen sich
also ziemlich weit von dem Rheine; sonst könte auch Siegfried, als
er den wein vermisst, nicht wünschen, man solte sie näher an den
Rhein gesiedelt haben (909, 4). Die abwesenheit von Worms ist anf
mehrere tage berechnet, wie daraus hervorgeht, dass SiegMed beim
abschiede die weinende, durch träume beunruhigte Eriemhild tr(ystet
(866, 1): ich hume in hur Ben tagen, d. h. binnen wenigen tagen zurück.
Wie weit der weg bis zum jagdgrund gewesen sei, wird nicht gesagt;
nach der Schilderung des YIII. liedes muss man annehmen, dass der
aufbruch der Jäger von Worms , die jagd und die ermordung Siegfrieds
an einem und demselben tage statgefunden habe und die heimffihrung
des toten in der darauf folgenden nacht
Der wald ist ein flehten- oder tannenwald {der tan, z. b. 875, 3.
883, 3. 887, 1), und zwar ein bergwald, berg und tal wechseln mit
einander ab: von liuten und von hunden der schal tvas so groBj dae in
da von atUumrte der berc tmd ouch der tan 883, 2. 3. Im walde sind
zahlreiche lichtungen, waldwiesen; häufig entspringt hier eine quelle;
auf einer der lichtungen, und zwar auf einer am waldsaume gelegenen,
macht die jagdgeselschaft halt: si hieben herbergen für den grüenen
walt üf einen wert vil breit (871, 1. 3): wert bedeutet „insula mediam-
nis,^ (in einem vocabularius rerum aus dem 15.jahrh. beiMone, anz. 8,
249^), auch halbinsel, die in den fluss hineinragt ; überhaupt aber erhöhtes
land im oder am wasser, daher auch uferland, (vgl. den wert Wm-
pensant, Oudr. 809, 4 und dazu Grimm, in Haupts ztschr. 2,4; ahd.
waridf werid , insula, Gf. 1, 931; i^. varud, varod, vearod, litus,
Orein 2, 641 und Schmeller- Frommann, bayer. wörterb. 2, 988. Grimm
z. Andreas 197). Dass an eine insel, oder gar an eine Rheininsel
nicht zu denken ist , hat Lachmann schon bemerkt (kl. sehr. s. 77) ;
das mhd. wb. (III, 596 a) erklärt: man hätte die herberge zwischen
fluss und wald aufgeschlagen; von einem fluss e ist aber nirgend die
rede; der wert kann auch nicht an einem flusse gelegen haben , sonst
wäre die schon erwähnte bemerkung Siegfrieds grundlos: da der wein
vergessen worden ist, do sold man uns gesideU haben näher an den
BXn 909, 4; es ist anzunehmen, dass sich die lichtung als geschüzter,
trockner platz etwas über den feuchten, sumpfigen wsJdboden erhoben
habe; feucht und sumpfig aber konte dieser sein durch den abfluss der
nicht weit von der herberge entspringenden quelle,^ an welcher Sieg-
fried erschlagen ward; deren abfluss bildet einen bach, der an der
1) 910, 2 sagt Hagen: ich weis hie vü nähen einen brunnen kaU,
DIB JAOD IM lOBBLüNOENUBDE 475
herberge yorbeigeflossen zu sein scheint ; dessen wasser war znm kochen
vielleicht gut genug, aber trinken weiten die beiden unmittelbar aus
der klaren quelle. Diese, von einer breitästigen linde überschattet
(918, 3), entsprang am rande des angers (so heisst der wert 904, 3),
wo derselbe von bergen begrenzt wurde {er wolde für die berge tsuo
dem brunnen gän 911, 3); der wiesenplan ist sehr ausgedehnt (871, 3
1^ breit); die baumfreie strecke von der quelle bis zur herberge wird
also wol ziemlich gross gewesen sein , sonst hätte ja auch Hagens ver-
schlag, dieselbe im wetlauf zurückzulegen, keinen sinn gehabt; der
ganze anger war mit blumen, gras und klee bewachsen (gras bei der
herberge: 915, 3; klee beim wetlauf erwähnt 917, 3; bluomen am
brunnen 929, 1. 939, 1).
Hier also heissen Günther und Hagen die dienerschaft , welche
den jagdzug begleitet, für die jäger eine herberge bereiten (871): diu
herberge, ahd. heriberga, ist jede einrichtung, in der eine schar, heri,
oder ein einzelner (hari in der alten ursprünglichen bedeutung) ber-
gung findet; da man sich mehrere tage im walde aufhalten weite,
hatte man vielleicht zelte mitgebracht (vgl. altfranz. les herbergeSj
zelte; Diez, etym. wörterb. d. rom. spr. 3. a. 1, 13), damit die ritter
nicht unter freiem himmel zu übernachten brauchten , oder man errich-
tete Jagdhütten. Im Meleranz, wo eine ganz ähnliche Situation geschil-
dert wird, ist ersteres der fall; freilich nehmen hier frauen an der
jagd teil ; es heisst dort 2042 fgg. (Bartsch) :
der hirz der flöch (üleß vor
vü rehte gegen der fitoerstat
da Artus im bereiten bat
den imbU, der werde man.
vor dem walde üf dem plan
was sin kuchen üf geslagen.
mit im was geriten jagen
diu küngin mit manger frouwen.
euch möhte man da schouwen
vü manec gezelt wol getan
geslagen üf den grüenen plan.
Artus
het sich für den grüenen walt gdeU . . .
vor einer schoenen ouwen^
lägen si durch kurgunle.
1) Die angefahrte stelle kann mit unserer auch noch deshalb yerglichen
werden, weil die zur bezeichnnng der localit&t gewählten werte ihrer bedeutang
und ihrem gebrauch nach einander entsprechen : plan => anger, auwe » toert.
476 MATTHIAS
Zelte werden hier zwar nicht ausdrücklich erwähnt, aber als herberge
fürstlicher jagdgenossen müssen angemessene zelte oder Jagdhütten doch
notwendig vorausgesezt werden: dies wird gemeint sein 870, 3 unter
dem ander nrnnigen rät, der von hause mitgenommen wird, d. h. ander-
weite dinge, deren die jagdgenossen bedurften. Eine käche wird an
unserer stelle auch aufgeschlagen, daher der ganze platz, ebenso wie
im Meleranz, diu viwerstat heisst (884, 4. 885, 2).
Als Siegfried sich am morgen des jagdtages von Eriemhild ver-
abschiedete, war gesagt worden: do was nu üf gesoumet sin edel
pirsgewant und auch der gesellen (861, 2. 3); da man keinen grund
sieht, warum die jagdkleidung von den Jägern nicht gleich zu hause
angezogen wird, hat man hier unter pirsgewant die jagdausrüstung
zu verstehen, die 893, 1 pirsgewaete genant wird: denn gewant und
gewaete werden, wie sich durch zahlreiche beispiele erweisen lägst,
trotz ihrer verschiedenen abstammung , ohne unterschied in drei bedeu-
tungen gebraucht: 1) kleidung allein, oft im gegensatz zur bewafnung;
2) alles was man auf dem leibe trägt, schmuck und bewafnung ein-
gerechnet; 3) rüstung, bewafnung im gegensatz zur kleidung. 916
erbietet sich Siegfried , während Günther und Hagen nur mit dem hemd
bekleidet sind, beim wetlauf alles gewaete bei sich zu tragen, d. h.
seine ganze jagdausrüstung, deren stücke er selber aufzählt: den ger,
den schilt, das pirsgewant, d. h. den jagdrock, auf den das kreuzcheu
genäht war, den kodier mit den pfeilen, das swert. Alles dies vnrd
den lasttieren aufgeladen, weil es den Jägern auf dem langen wege
von Worms bis zum jagdplatze lästig geworden sein würde. ^ Dass jeder
jezt vor beginn der jagd seine waffen an sich genommen habe, wird
nicht ausdrücklich gesagt; geschildert wird die jagdkleidung und aus-
rüstung nur an Siegfried;^ doch ist anzunehmen, dass die der übrigen
ritter ähnlich gewesen sei. Dass die Jäger beritten sind, erfordert, wie
wir gleich sehen werden, schon die art und weise der jagd. Da eine
jagd auf hochwild (859, 3. 4. : si woldeti jagen swin heren unde wisende)
beabsichtigt , also auf geßlhrliche abenteuer zu rechnen ist (vgl. 878 fgg.
880 fgg.) hat man sich mit w äffen gut vorgesehen.
1) Sonst stehen dafnr zwei ausdrücke: tcäfen nnd gewant, wodurch die gesam-
ten wafTenstücke von den kleidungsstücken , welche über oder anter denselben bei
der jagdausrüstung zum kämpf oder zur jagd getragen wurden, unterschieden wer-
den (San Marte, waffenkunde s. 2); so 68, 4: die helde in hiezen säumen beide
wäfen und gewant.
2) 893 fgg. über die unpassende Stellung dieser schildemng hat sich schoii
Lachmann ausgesprochen, anm. zu 892.
BIB JAOD Uf NIBBLUNQBHLIBDB 477
Siegfried hing ein eier wäfen nider üf dein sporn; ^ toäfen wiid
in engerem sinne auch für angriffswaffen , insbesondere zur bezeichnung
des Schwertes gebraucht (San Marte 2 fg.); hier ist Siegfrieds gutes
Schwert BcUmunc, das alles zerschneidende, darunter zu verstehen:
daß was also scherphe , dajs ez nie vermeit , swä mane slaoc üf helme :
sin ehe wären gt4ot (896, 2. 3); diu eke ist die schneide, der pluraP
steht, weil das schwert zweischneidig ist. „Obenan (unter den waffen)
steht das schwert, dem der held gleich seinem rosse und schiffe namen
beilegt , und man könte glauben , dass er es sich in gewissen föUen als
eine lebendige schlänge dachte > die aus der scheide fährt und seineu
gegner zu verwunden trachtet . . . ; gleich den männlichen rossen haben
sie in starker declination den acc. sing, belebter wesen (wie Balmungen,
206, 3. im Bit. Mtmingen, Nagelringen usw.).^^ Siegfried hat das
Schwert von Schilbung und Niblung erworben (94), nach Siegfrieds
ermordung hat es Hagen an sich genonmien (1736, 4. 2242 u. ö.); es
begleitet ihn, nachdem ihn Dietrich überwunden hat, ins geföngnis;
Eriemhild zieht es aus der scheide und schlägt damit dem gefesselten
das haupt ab (2310).^ Den knauf desselben bildet ein edelstein : 1721,
2. 3: Ü0 des^ knophe schein — ein vü lichter jaspis grüener danne ein
gras. Warum gerade dieser stein gewählt ist erhelt aus Marbodus,
lib. lapidum ed. Beckmann,^ wo erzählt wird, dass der jaspis angenehm
und mächtig macht und die bösen geister vertreibt. Das gehilze, der
schwertgriff, war von gold, die scheide von leder oder holz und mit
roter borte überzogen (2310. 1722, 2. 3).
1) Von der beschaffenheit der sporen wird nichts gesagt; sie waren sonst
aus edlem metall, oft von gold; da das schwert an der linken hüfbe getragen wurde
und bis zum sporn des reiters reichte, kann man sich eine ungefähre Vorstellung
von seiner länge machen (San Marte, 132 fg.).
2) Vgl. 1472, 4: ze beiden ecken.
3) Grimm, Gramm. UI, 440. 441. Vgl. San Marte 441 fgg.
4) In der Raven naschlacht (683) reicht es Siegfried , um sein leben zu erhal-
ten , dem Berner : s. W. Grimm , helds. ' s. 212 fg. ; derselbe vermutet (einL zum
Boseng. y fg.), Balmnng sei vielleicht eins von 12 durch drei clfen (Wieland und
seine brüdor) geschmiedeten und unter die beiden der sage verteilten Schwertern.
5) Götting. 1799, s. 19, v. 95: optimus est viridi translucentique colore —
V. 100 fg. nam consecratus gratum facit atque potentem et, sicut perhibent, phan-
tasmata noxia pellit. Im Plin. (XXXVII, IX, 118) steht nur: totus oriens pro
amuleto gestare eas traditor. Mit dem Marbod stimmen noch andere steinbücher
überein: Arnold. Saxo de lapidibns (ztschr. f. d. a. n. folge VI, 437): optimus est,
qui viridis coloris est et transluoentis . . . reddit gratum et potentem et facit tntum
et pellit fantasmata ; vgl. le lapidaire du XIV si^le par Is. del Sotto p. 49 : il
donne silret^ et accrott honneur et valeur; p. 79: et fait Thomme aimable et puis-
sant. Volmar, altdeutsch, steinbuch 262 fg.: der aber grüene ist garwe, der ist der
beste under in. Vgl. Diemer , deutsche gedichte 364^ 11 fgg. u. anm.
478 lUTTBIAS
Ferner f&hrt er einen bogen, der so stark ist, dass ein anderer
als er selbst ihn nnr mit antwerhe zu spannen vermochte (894): diese
art und weise , die Überlegenheit des beiden über seine genossen anschau-
lich zn machen , ist echt episch : wir werden unwilkürlich an den bogen
des Odyssens erinnert, den die freier zu spannen nicht im stände
waren. ^ daz antwerc (zu entwürJcen = zerstören), ursprünglich eine
kriegsmaschine zur Zerstörung von mauerwerk usw., bedeutet sodann
eine maschine überhaupt, speciell eine Vorrichtung zum spannen der
armbrust; wenn der bügel derselben zu stark war, als dass die sehne
mit der band bis hinter den haft gezogen werden konte, bediente man
sich dazu des antwerks, entweder eines einfachen, starken hebeis, wie
ihn die knaben zum spannen der armbrust noch jezt gebrauchen, oder
einer winde; an unserer stelle ist nun nicht von einer armbrust (wie
im mhd. wb. I, 167 a und San Marte 182, offenbar mit rücksicht auf
antwerc, vermutet wird), sondern von einem bogen die rede; zu des-
sen Spannung diente natürlich jene maschine nicht; denn man kann
mit dem bogen doch nur schiessen , wenn man mit der band die sehne
an sich zieht und sie wider aus derselben schnellen lässt ; * hier sollen
die werte: den man mit antwerhe muose ziehen dan^ nur bedeuten,
die schnür oder der sträng, wie die sehne heisst, war in folge der
stärke des bogens so straff gespant, dass niemand ausser Siegfried sie
aus dieser Stellung zu bringen vermochte, es sei denn, dass er jene
maschine zu hilfe genommen hätte.
Der koch er ist mit pantherfeil überzogen (894, 1. 2), durch die
süeee, d. i. um seines süssen geruches willen. Zu welchem zwecke der
dichter ein jagdgerät, wie den köcher, mit einem Überzug von süss-
riechendem pantherfeil versah , erhelt aus dem Physiologus ,' wo erzählt
wird f dass den tieren se dem stwzsem smi^^he gach ist, der zu gewissen
Zeiten vom panther ausgeht; auch das abgezogene feil bewahrte diese
eigenschaft, und es war wol des dichters, wenn auch sehr seltsame
meinung, als er seinen beiden mit einem solchen köcher ausstattete,
dass dieser auf der jagd davon vorteil haben solte, indem der geruch
das wild in seine nähe lockte. Im Lanzelet (8726 Hahn) ist ein köcher
wol besagen; im Herzog Ernst (ed. Bartsch 3020, vgl. Alwin Schultz,
1) VgL was Ton Aligem, konig Totilas bruder, gerühmt wird b. San ICarte
8. 179.
2) Vgl. die ähnlicbe betrachhuig bei Gahl n. Koner, Leben der Griechen nnd
Römer« s. 760.
3) T. Kangan, dentscbe sprachdenkmaler des 12. jh. s. 76; Hol&nann, fand-
graben 1, 18. 23; TgL Konr. t. Wünb. gold. achmiede ed. W. Qrimm, i. XL Y.
Lllg. Lia
DIB JAQB IM NIBtLUNQBRLIEDB 479
das höf. leben 2, 172) ist er von elfenbein, ai umbe an den orten
gevazt mit gurten horten (an allen ecken mit borten besezt), mit pf el-
ler underzogen (inwendig mit seidenzeng gefuttert). Ob man sich auch
hier die borten auswendig über das pantherfell gesezt zu denken, oder
ob man unter borten das band zu verstehen hat, an welchem der
köcher getragen zu werden pflegte,^ ist nicht klar; borten, die als ein-
fassung (das ist auch die ursprüngliche bedeutung des wortes) oder als
besatz , als gürtel oder harband der frauen , als schildfessel , endlich als
hundeseil oder bauch- und steigriemen der pferde dienten, waren oft
aus seide und goldföden gewirkt
Der kocher (897, 2) oder kochaere (893, 4) — beides ist aus dem
ahd. chohhar entstanden, s. Grimm, Gr.*I, 670 — ist giMter sträle
vol (897, 2); diu sträle ist das deutsche wort für das fremde der pfil
(aus lat. pilum); mhd. ist das swm. der sträle selten, gewöhnlich
erscheint das wort als fem., und zwar in der form sträl als stf., am
häufigsten in der form sträle als stf., zuweilen auch als swf. Im Nib.
komt das wort nur zweimal vor, 879, 2 (AB stf., CDSd swf.) und
897, 2 (AB stf. CLd swf.); diese Seltenheit ist leicht erklärlich, denn
pfeil und bogen sind keine ritterliche wehr, und werden von den her-
ren nur zur jagd oder zur waffenübung gebraucht (s. San Marte 181);
die nhd. bedeutung (= der strahl) wird erst im 17. jh. üblich.
Die beinahe handbreite eiserne pfeilspitze sizt an einer goldenen
röhre, mittels welcher sie auf das schaftende aufgesezt wird; die spitze
wird 897, 3 ungewöhnlich dae sahs genant (plur. diu sdhs) ; denn sonst
wird das wort gebraucht in der bedeutung: langes messer, kurzes
schwort, wie es vornehmlich die Sachsen trugen, denen es auch den
namen gab (s. San Marte, 128); dasselbe hat sonst wenig ähnlichkeit
mit der pfeilspitze ; denn es ist einschneidig und hat einen starken
rücken (San Marte a. a. o.), während jene blattförmig und zweischnei-
dig ist: die beiden gemeinsame eigenschaft des „scharfen'' und „schnei-
denden'' führte wol zur Übertragung des namens; denn das ist die
ursprüngliche bedeutung des wortes, das zu der wurzel *ska gehört
(vgl Curtius, gr. etym.* 45^; Fick, vgl. wb. d. indg. spr.' 3, 315).
Die röhre, durch welche die pfeilspitze auf dem schaftende sizt,
heisst (897, 3): dag tülle (stn., nicht stf., wie Bartsch im glossare
s. 313 angibt), welches wort sonst gebraucht wird in der bedeutung:
bretter- oder palissadenzaun , kragen; noch jezt nent man tülle den
1) Auf einem der bilder zum franz. Parcival (s. San Marte, anhang, tab. II)
hängt der köcher dem za pferde sitzenden knaben Parc. von der rechten hüfte
herab; an derselben steUe wird er von dem bei A. Schultz, II, 173 abgebildeten
armbrustschützen getragen.
480 MAfraiAS
ring am lenchter, durch den man das licht herauf- oder henuter-
sdiiebt, uod die feststehende röhre, die in der lateme das licht hält;
die sträle sind von gtddinen täUen: das wm ist eine brcTiloquenz und
bezeichnet das ?ersehensein mit einem Stoffe, aus dem der betreffende
teil gemacht ist; „die scharfen pfeilspitzen , die von goldenen t&llen
ausgiengen , in welche sie geschäftet waren , vgl. Biterolf 7Q89 , hatten
beinahe die breite einer hand^ (Laclim. kL sehr. 1, 245).
Die lezte, zugleich auch furchtbarste waffe i^t der jagdspiess:
fUn g^ ^ was vil michd starc unde breä (892 , 2). Von ihm ist schon
früher die rede gewesen : als Siegfried selbe zwelfter von Xanten nach
Worms zieht, wird von seinen begleitern gesagt, sie hätten scharfe
gere mit sich geführt: Sifrit der fuorie ir einen wcl zweier spannen
breü, der ze sinen ecken vil harte vreislichen sneit (74, 3. 4). Zwei
spannen breit ist naturlich die eiserne gerspitze, die gerade so, wie
die Pfeilspitze, durch eine tülle auf dem schafte befestigt war (San
Harte 168 fg.); sie heisst 431, 1 des geres snide\ es ist an dieser stelle
von Brunhilds ger die rede, derselbe hat indessen viel ähnlichkeit mit
Siegfrieds jagdspiess: seine spitze ist ebenso ungewöhnlich gross, wie
dieses: vierdehalp messe (ein unbekantes gewicht) was dar zuo geda-
gen (419, 2); es tragen ihn kaum drei männer herbei (419, 3); denn
er ist, wie Siegfrieds waffe (892, 2), swaere unde groz, starc und
ungefOege, michd unde breü, der ze sinen ecken vU f reislichen sneit
(418). Auf die jagd wurde diese schwere waffe mitgenommen zur erle-
gung der grossen tiere , der wisente , ure , eiche und eher , während die
hier nicht erwähnten gdbilotey die leichten jagdspiesse, fdr kleineres
wild dienten. Siegfried macht indes von dem ger Überhaupt keinen
gebrauch: kein anderes, als das edelste opfer der jagd,' Siegfried selbst,
solte durch ihn erlegt werden.
Auch die Schilde, deren zwei erwähnt werden , waren wol nicht
dazu bestirnt, bei der jagd unmittelbar Verwendung zu finden; viel-
mehr dienten sie zur vervolständigung der ritterlichen ausrüstung, mit
der mau sich versah, weil man sich doch ziemlich weit von Worms
und auf mehrere tage entfernte und auf kämpfe mit feinden oder räu-
bern, bei der Unsicherheit der damaligen Verhältnisse,^ immer zu rech-
nen war. Dass dergleichen begegnisse nichts ungewöhnliches waren,
geht auch daraus hervor, dass nach Siegfrieds ermordung Günther und
1) Gaesum, gr. yaiaoq {yttiaog, yaraov); gallisch - lateinisch gaesum, lat.
rem. vgl. Bickell in Kahns ztschr. 12, 438 fgg. 15, 80. Grimm, Gr. l*, 91.
2) Ein tier daz 8% da shiogen 943, 3.
3) S. Alwin Schultz, I, 275. 396.
DIB JAGD IM NIBBLÜNGENLIKDB 481
seine begleiter, wie sie es vorher verabredet hatten (941) , behaupten,
er sei von räubern erschlagen worden (986) ; das konten sie doch nicht
tun, wenn sie nicht hoffen durften, mit dieser aussage einigermassen
glauben zu finden. Eonte der schild Siegfrieden gegen Hagens heim-
tücke nun auch nicht schützen, so war er dem totwunden doch die
einzige waffe, mit dem er sich an dem fliehenden mörder rächen konte:
er schlägt damit auf Hagen so gewaltig los, dass die edelsteine, mit
denen 'die aussenseite besezt war, herausbrechen und der ganze schild
schliesslich zerberstet; das gesteil desselben war nämlich von holz, der
äussere rand bekam halt und festigkeit durch einen beschlag von eisen
oder edlerem metall (940, 2: der was von gölde rot)^ von welchem
nach der mitte, dem buckel, spangen von gleicher beschaffenheit lie-
fen ; auf dem rande und auf den spangen , sowie in der mitte des buckels
Sassen oft zur zierde edelsteine (vgl. 414 — 16); nach den beiden haupt-
bestandteilen des Schildes ^ dem buckel und dem rande, benante man
auch häufig das ganze (s. San Marte 83 fgg.). Der zweite schild , der
erwähnt wird , hat goldne oder vergoldete beschläge (940, 2) und dient
als bahre , auf welcher Siegfrieds leiche nach Worms geschaft wird.
Sein Jagdhorn ist, wie das des königs Marke (Tristan 3736)
von rotem golde (892, 4); Meleranz hat eins von silber (5845); sonst
sind die hörner aus geringerem Stoffe: 1924, 2 und Bosengarten 1823
wird der ruf eines beiden dem tone eines wisenthornes verglichen,
wegen des rauhen, durchdringenden tones eines solchen; dass es auch
hörner von elfenbein gab, beweist Rolands Olifant."*
Weniger deutlich sind die Vorstellungen, die die angaben des
dichters von der k leidung Siegfrieds zu machen gestatten.
Sein rock war: swarz phellin (893, 2); phdldin, phdlerin,
phellin sind formen des adjectivums zu dem masc. phellel, pheUer,
phelle, welches ein kostbares seidenzeug bezeichnet; phelle ist hLt.paU
Itum, sodann der stoff, aus. dem das kleidungsstück besteht.^
Völlig unklar ist die angäbe in str. 895: w» einer ludmes Mute
was allez sin gewavU, von hotibet um anz ende geströut man drüfe
vant. Zunächst wissen wir nicht, was eine ludmes hüt ist. Es ist
von vornherein anzunehmen, dass ludern ein wesen ist, dessen haut
ähnliche wunderbare eigenschaften besizt, wie die pantherhaut und der
Jaspis. Bartsch im glossar vermutet: vielleicht fischotter, luter, lutra,
1) S. Alw. Schultz, I, 435; Heyne, im Anzeiger für knnde deutsch, vorzeit
28. Jahrg. 1881. sp. 263 fgg.
2) Über die verschiedenen arten des stoffes sowie über seine herkonft han-
deln ausser anderen: A. Schultz, I, 249 fgg.; mhd. wb. II, 487 fgg., Weinhold,
frauen« 2, 247.
IBITSCHB. r. DBUTBCua PfilLOLOQIE. BD. XT. 31
482 MATTHIA9
fr. loutre? aber wo bleibt dann das r? auch reicht ja ein fischotter-
feil nicht zu einem ganzen gewande aus. Vielleicht entspricht Itulem
dem fr. lutin?^ lutin (Diez* 2, 364) ist ein poltergeist, wie esprit
follet (kobold), und scheint dem deutschen scrat zu entsprechen (Grimm,
myth. 4. a. Berlin 1875. 1, 396 fgg.; 3, 138), d. h. so ziemlich dem
adivQog und faunus der Griechen und Kömer, dem zottig behaarten,
mythischen waldwesen. Dass eine haut eines scrat zu einem jagd-
kleide ausreichen koute, zeigen die von Grimm in der myth. 1, 398
beigebrachten belege z. b. aus Waltharius 761 fgg. Lateinschreibende
im mittelalter brauchen für scrat: püosus; das war ihnen geläufig aus
Jes. 34, 14: et püosus clamabä alter ad alterum (Luth. : und ein feld-
teuf el wird dem andern begegnen), und Jes. 13, 21 et pilosi saltabunt
ibi (Luth. : und feldgeister werden da hüpfen). Beidemale bei Jes. woh-
nen die püosi in unbewohntem , wüstem lande neben ohim und zikim^
d. h. drachen und ähnlichen Ungetümen. .Ferner waren sie albekant
aus den überall gelesenen und geglaubten Vitae patrum des heiligen
Hieronymus, der ausdrucklich versichert hatte, dass es solche pilosi
in Ägypten gebe;^ freilich findet sich nirgend eine andeutung darüber,
welche eigenschaft das feil eines solchen wesens gehabt habe. Diese
fabelhaften wesen des Jesaias scheinen widerzukehren im franz. Wille-
halm (ed. Jonckbloet 5981 fgg. 6263 fgg.)* sowie in einer uiederrheini-
sehen bearbeitung desselben (Roth, die schlacht v. Alischanz, Pader-
born 1874.): dort heissen sie luitons oder nuttans, hier iMttaun; über
lezteres wird (s. 24, 70 fgg.) gesagt : in dem lande des königs Margot
von Bosindant, in welchem der abgrund ist, wo die winde wachsen
und Lucifer wohnt, befinden sich keine menschlichen Wohnungen,' nur
wilde tiere hausen darin, serpent und luitoun, die von specereien und
dem geruche von gewürzen leben. Aus einer anderen stelle erfahren
wir auch, welche eigenschaften die haut eines luitoun gehabt habe
(s. 40 , 93 fgg.) : der conc Borel van Babilone ist gewäpent van ainer
louitoun ^hout , also, dass ihn keinerlei wafiTen zu verwunden vermögen.
Der dichter scheint die ursprüngliche bedeutung von luiton nicht mehr
gekaut zu haben, denn an einer dritten stelle (s. 25, 94), an der von
dem oben erwähnten könig Margot gesagt ist, er sei durch eine war^
min haut gegen alle wafien geschüzt gewesen, hat er wol widerum an
den luiton gedacht. Ebenso unklar ist die bedeutung des wertes offen-
1) Bei dieser untersnohang namentlich hat mich hr. prof. Zacher, nnd , durch
dessen gütige Vermittlung, hr. prof. Sachier in Halle freundlichst anterstüzt
2) S. Berger de Xiyrey , traditions t^ratologiques 475 fg. 481 fgg. Vgl 87.
156 igg.\ (Adeliing) Qloss. man. ad scriptt. med. et inf. lat. s. y. pUosos.
8) Es ist also ebenso w&st, wie der aufenthaltsort der püo» des Je«.
DIE JAGD IM NIBELUNGENLIEDE 483
bar Wolfram gewesen: Willehalm 425, 25 fgg. heisst es vom köuig
Purrel: sin hcdsperc einer Mute was, der här schein grüener dan daz
gras . , . der wurm hiez neiiun (varr. Neitüne , Nytune) ; 426, 2 heisst
es von der haut: diu waz so hert erfunden in glicher art dem adanms^
ein schilt ouch drilz getnachet was an allen orten veste. Wolfram
eigentümlich scheint, dass die haut hart wie diamant ist und dass die
haare derselben grün sind. Luiton-nuiton, luitoun-neitun sind offen-
bar nur verschiedene formen eines und desselben wortes Neptunus.
Gervasius Tilberiensis , Otia imperialia (decisio III. cap. 61), sagt, dass
die Gallier zwerghafte , freundliche hausgeister , die nachts in den Woh-
nungen der menschen deren arbeiten verrichten und auf dem herde die
mitgebrachten speisen braten,^ Neptunos nennen; Liebrecht führt dazu
(s. 131) eine stelle des Belgiers Thomas Gantimpratensis an (Apiar. L 2
c. 57 nr. 9): sunt daemones^ qui in aquis manent, et hos poetae Nep^
tuiws vocant. In Belgien heissen nutons die in höhlen wohnenden
unterirdischen zwerge;* eine um 1359 von dem notar Conrad zu San-
domir verfasste lateinische Übersetzung des Sachsenspiegels übersezt
landr. 1, 4, 1 aitvU (= kobold) mit Neptunius, Neptunus galt also
im 13. jh. in Frankreich und Belgien nicht bloss als nix (der im was-
ser lebt), sondern algemein als kobold oder koboldartiges wesen, wie
scrat und pilosus. Dass nuton aus Neptunus entstanden sein könne,
erscheint wol möglich, denn dass im französischen lateinisches n in 1
übergehen könne, bestätigt unter andern licorv^, einhom, entstanden
aus unicomu : demnach darf man , bis jemand besseres findet und
beweist, ansetzen: Neptunus — nuiton — luiton — lutin — ludern:
das wort ist aus dem franz. in die deutsche litteratur gelangt und
mochte dem Verfasser von str. 895 bekant geworden sein, der sich
diesen ausputz nicht weite entgehen lassen. Ursprünglich brauchte
man also die benennung Neptunus für ein wasserwesen, einen nix,
sodann für ein zwerghaftes, koboldartiges geschöpf, das in höhlen
wohnt, endlich gleichbedeutend mit scrat und pilosus, d. i. dem zot-
tigbehaarten wald- und feldteufel, der sich in wüstem, unbewohnten
lande neben andern Ungetümen finden soll. Woher aber der glaube
stammen mag, dass die haut desselben unverwundbar mache, ist bis
jezt nicht nachzuweisen; sicher jedoch ist, dass die dichter, die ihre
beiden mit einer solchen wunderbaren rüstung ausstatteten, die ursprüng-
liche bedeutung des wortes nicht mehr kanten und luUon — luitoun
fQr einen drachen hielten , dessen stahlharte haut ja sprichwörtlich war.
1) £d. Liebrecht , Hannov. 1856 s. 29 ; „gerade so benimt sich das achrätcl
in der bekanten erzählaDg vom schrätel nnd dem wasserb&r."
2) S. Job. W. Wolf, niederland. sag. Lpz. 1848 , s. 578.
81*
484 MATTHIAS
Wie geschmacklos es freilich an unserer stelle ist, dem schon unver-
wundbaren helden noch ein unverwundbar machendes gewand zu geben,
liegt ja auf der band ; doch liebt die ausartende sage dergleichen ver-
gröberungen (vgl. Grimm, deutsche heldensage* s. 397); hier wäre die
einfQhrung der ludemshaut ein neuer beweis dafür, dass diese ganze
beschreibung späterer zusatz sei.
Es fragt sich nun auch, welcher teil von Siegfrieds kleidung aus
diesem feile bestanden haben solle. Da der hut von zobel (893, 3),
der rock von pheller ist, denkt man zunächst an die kleidungsstücke,
die Siegfried ausser hut und rock getragen hat, also besonders an die
beinkl eider (bruoch und hosen) und an den mantel; von beiden wird
sonst nichts gesagt, es werden überhaupt keine kleidungsstücke mehr
genant, ausser ewein wizen hemden, in denen Günther und Hagen den
wetlauf machen, nachdem sie ihre kleider abgelegt haben (917, 2); da
bruoch und hosen schwerlich aus pelz gewesen sein werden , bleibt nur
noch der mantel übrig; den trug man allerdings auf der jagd, wenn
er auch kürzer war, als sonst: dorch daz si jagen reit sone was der
mantel niht lanc, heisst es von Dido in der Bneit (60, 16. 17 Ettm.).
Soll die Strophe einen sinn haben, so muss man also notgedrungen
annehmen, dass der dichter an Siegfrieds mantel gedacht habe; jeden-
fals ist die Vermutung, die Lachmann in bezug auf 896 ausgesprochen
hat, dass dieselbe noch neuer sei, als der übrige, von der ausrüstung
handelnde zusatz (892 — 898), auch auf diese Strophe auszudehnen, so
ungeschickt drückt sie aus, was sie meint. Zeile 3. 4 heisst es weiter
von dem mantel: üz der liehten riuhe tnl rnanic goldes zein ze beiden
sinen sUen — schein: aus dem heiglänzenden rauch- oder pelzwerk
leuchtete zu seinen beiden selten mancher goldfaden, d. h. die beiden
vorderen ränder des aus ludemshaut bestehenden mantels sind mit darauf-
gesezten goldfaden verziert. Endlich ist auch die zweite zeile möglichst
ungeschickt und lässt nur erraten, was geroeint ist: von houbet une
anz ende geströut inan drüfe vant, Bekant ist die sitte, kleiderstoffe
mit zierraten , goldsterneben u. dgl. oder mit pelzstückchen von anderer
färbe zu besetzen; das nante man ströuwen,^ eigentlich darüber säen;
im Meleranz trägt könig Godonas ein grünsamtnes wapenkleit (kursU)
dar üf vil meisterliche hämiin am warn geströut (5924 fg.) ; was hier
auf die ludmesbiute von oben bis unten gesezt gewesen sei , wird aber
nicht gesagt.
Siegfrieds gewand, nehmen wir also an sein mantel, bestand
aus einer ludemshaut; an den beiden vorderen rändern ist derselbe
1) YgL Tac. germ. XVH 2.
DIB JAOO Of NIBBLUNGEMLIBOE 485
durch goldf&den oder golddraht verziert und von oben bis unten ist
irgend etwas als zierrat daraufgestreut Der dichter dieser strophe ist
entweder ganz gedankenlos gewesen, oder er meinte, Siegfried habe
den mantel vor dem wetlauf abgelegt; denn sonst hätte Hagen das
kreuzchen auf dem pirschgewand nicht sehen können und auch die
unverwundbar machende ludemshaut den Siegfried vor dessen spcr
schützen müssen.
Von der ausrüstung der übrigen beiden ist, wie schon gesagt,
nicht die rede^ doch wird sie ähnlich gewesen sein, nur die stoffe etwas
weniger kostbar; denn auch durch solche äusserlichkeiten zeichnet der
dichter seinen beiden aus.
Die jagdgeselschafk wird von Jägermeistern, d. h. von erprobten,
des waldes kundigen jägem, die zugleich die hunde an der leine fah-
ren, und von zahlreichen dienern begleitet. Hagen macht nach der
ankunft auf der waldwiese den verschlag , ein jeder solle sich von leu-
ten und hunden auswählen so viel er wolle , und auf eigne faust,
getrent von den andern , sich dahin begeben , wo er viel wild vermute.
Es war nämlich eine pirschjagd beabsichtigt (859, 2): unrich-
tig ist die angäbe in Grimms deutschem wb. 2, 40: birseUj innerhalb
des park- oder wildzaunes (ml. bersä) jagen; Ursen ist wahrscheinlich
ein fremdwort, aus dem franz. kaum vor dem 13. jh. herübergenom-
men; altfr. heisst bercer, gewöhnlich berser, mit dem bolzen oder pfeil
erschiessen, damit jagen. ^ Die bedeutung ist richtig angegeben bei
Weigand, dtsch. wb.: waldjagd mit Spürhunden; und bei Schmeller,
bair. wb. ed. Frommann (2. a. 1872, 1, 280): jagd durch umhersuchen,
schleichen usw. einzelner im gegensatz zur jagd auf dem anstand , durch
treiber , gerichte , fallen usw. , oder jener jagd , da der Jäger stehen
blmbt und durch einen hund sich das wild heranjagen lässt; damit
stimt überein Landau , gesch. der jagd s. 87.
Dem entsprechend trent sich hier die geselschaft und ein jeder
jagt allein auf einem besonderen Jagdreviere, begleitet von hunden, von
dienern ; die die erlegten tiere sammeln und abhäuten (885, 3) oder
ausweiden, und von einem stMchmany fals der Jäger, wie Siegfried,
des waldes unkundig ist. Am tage vorher hatte Siegfried , als Ounther
ihn zur teilnähme an der jagd einlud , diesen um einen des waldes
kundigen Jäger und um etelAchen brachen gebeten (856); wolt ihr nur
einen? fragt der könig; ich leihe euch, wenn ihr wolt, vier, denen
der wald bekant ist und auch die steige , wo die tiere zu gehen pflegen
und die euch nicht vurewise wider heimkehren lassen (857). Obwol
1) Vgl. ftb. d. ableituDg Diez, etyiu. wb. d. rom. spr. 3. a. 1870, 2, 221.
486 MATTHIAS
die Worte: und ddichen brocken der frage Günthers: weit ir niht
nitvan einen? zunächst stehen, so kann Günther doch nur fragen: wolt
ihr nur einen suchmann? denn wenn Siegfried eben erst um einige
bracken gebeten hat, kann Günther doch nicht fragen, ob er nur
einen wolle. Ferner passen die folgenden werte Günthers: den tvol
ist bekant der walt und ouch die stige, swä diu Her gänt, die iuch
nicht vürewise wider heim riten länt nicht auf bracken, sondern auf
suochman: obwol vürewise nur hier vorkomt, so kann seine bedeutung
doch nicht zweifelhaft sein; es gehört (s. Lachm. kl. sehr. 1, 255) zu
dem vb. vervnsen und bedeutet: falsch geführt, irre geleitet; Bartsch
(Schulausgabe, 4. a. 1875; vgl. sein, untersuchgg. s. 193 fg.) erklärt:
die (bracken) verhindern, dass ihr die herberge verfehlt, indem ihr
euch verirt ; das kann unmöglich richtig sein ; wenn ein des waldes kun-
diger Jäger den Siegfried begleitet, so ist an ein verirren nicht zu
denken; ferner muste der hund, wenn man an den heimweg dachte,
gefangen und an die leine gelegt werden, damit er nicht immer von
neuem wild auQagte (882, 3 inan vie den spürhunt); hätte man ihn
losgelassen, so würde er sich nicht davon haben abhalten lassen und
eher zur verirrung der jäger beigetragen haben; endlich, da so viele
an der jagd teilnahmen , war an ein verirren einzelner gar nicht zu
denken; denn man hörte den ganzen wald widerballen von ludern unde
döz (883, 1), auch hätte man sich leicht durch hornsignale verstän-
digen können: vürewise bedeutet allerdings verirt, vom rechten wege
abgeführt, aber hier nicht vom wege, der nach der herberge führt,
sondern von den steigen, wo die tiere zu gehen pflegen; die stellen
aber im wald, wo sich viele tiere aufhalten, wo sie ihr lager haben,
und die wege , die sie gewöhnlich zu nehmen pflegen , kent der smocä-
nian, nicht der hund: er (ein alter jägere 876) brahte deti lierren m
einer kurzer stunt, da si vil tiere funden; denn dem hunde kann eine
kentnis des waldes in dieser weise nicht zugeschrieben werden; dessen
teilnähme au der jagd besteht darin, dass sein geruchsinn das tier an
seiner föhrte erkent, die er verfolgt, bis er es selbst findet; deshalb
bittet Siegfried (876) zwar nur um einen brackeny aber um einen sol-
chen, der so genoezen hat, daz er die verte erkenne der tiere durch
den tan; die verte sind die fussspuren, die sich in den boden eindrücken
und denen der hund riechend nachgeht. Die deutung der frage Gün-
thers (857, 1): weit ir niht niwan einen? und seines nächstfolgenden
anerbietens, auf die bracken, nicht auf den suchmann, mag wol her-
vorgerufen worden sein durch Siegfrieds spätere, eben angeführte werte:
ich hän der hunde rät wan eilten bracken usw.; diese zwingen aber
durchaus nicht, Günthers werte auf brocA^n zu beziehen, widersprechen
DIE JAOP IM mBBLUNGBNLIBDE 487
auch nicht dem wünsche Siegfrieds, ihm etelichen brocken zu leihen;
vorher bittet er um einen stMchman und um etelichen hrackenj hier ist
vom suchmann nicht noch einmal die rede; ein erprobter Jäger {ein
alter jägere 876, 1) scheint von Günther bereits zur begleitung Sieg-
frieds bestimt worden zu sein; es handelt sich nur noch darum, wie
viele hunde mitgenommen werden sollen; um seine geschicklichkeit als
Jäger noch mehr ins licht zu stellen, beschränkt er jezt seine frühere
bitte um etliche braoken sogar noch , und fordert nur einen , aber einen,
der genozzen hat. Es bleibt noch übrig, diesen ausdruck zu erklären,
ebenso die bedeutung von suochman, Lezteres ist dasselbe, wie toet-
detnann, indagator. Eneit 130, 34 (Ettm.) wird von Ascanius gesagt:
do nam her ^ne weideman, den der tvalt kunt was; ausserdem beglei-
ten ihn 20 Jünglinge: si fürden kocJwr unde bogen und vil scharphe
Straten und swert mit schönen malen (zierrat) und brocken vil gute,
ir rocke unde hüte wären grä schäfvore, die (acc. die Jünglinge) unsten
sie (npm. die Weidmänner) dare, die den wech künden, alda si wüt fun-
den. Der suochman ist also ein alter erprobter Jäger, ein jegermeister, wie
ihn die bearbeitung C auch nent (876, 1); auch Siegfried wird wegen
seiner gewaltigen jagderfolge so genant (895, 4. vgl. 881, 3). *
Eine nicht unbedeutende rolle bei der jagd fiel dem hunde zu.
In den volksrechten' werden namentlich zwei arten von Jagdhunden
unterschieden, 1) der canis sagax, segutius, seusiu^ oder seusis, mhd.
süse, brocke,^ der besonders zur hohen jagd, und 2) der canis vdtris
oder veltrix, unndHund, der zur niederen jagd verwendet wurde. Von
ersterem werden wider zwei Unterarten genant : l)hessehunt, hetzhund,
oder triphunt; 2) leithunt, suochhunt oder spürhunt: ductor, quthomi-
nem sequentem ducit (Alem. recht); qui in ligamine vestigium tenet
(Bair. r.). Lezterer, vom Jäger an einem langen seil, dem leitseil
(ligamen) gefuhrt , hatte, wenn die aufspürung des wildes beginnen
solte, die aufgäbe , die fährte desselben zu finden, und ihr, wenn sie
gefunden war , so lange nachzugehen , bis er das wild von seinem Stand-
ort oder lager aufscheuchte (ersprengen, springen machen, z. b. 877, 1);
er gieng dabei, die nase am boden haltend, verhältnismässig langsam,
um die fährte nicht zu verlieren und unlüteSy d. h. ohne zu Wen, zu
bellen, um das wild nicht vorzeitig zu warnen (vgl. Tristan 17255 fgg.).
1) Später ist f&r Jägermeister auch meisteijäger gebräuchlich geworden, vgl.
die waidsprüche und jägerschreio im 3. bd. der altdeutsch, wäld. fr. 12.
2) S. Roth, gesch. des forst- und Jagdwesens in Dentschl. s. 59.
3) Vgl. Aber die ableitung Qrimm, deutsches wb. IT, 289: vielleicht von
bihracchio >» ursi cattHus, dann junges andrer tiere, speciell der hunde,
4B8 MATTHIAS
Zur Verfolgung des fliehenden wildes aber bediente man sich entweder
der hetzhunde oder der Windhunde; musten jene, die Spürhunde,
namentlich mit einer feinen nase ausgestattet, naseunse sein (gegen-
satz: nctöelöse), so kam es bei diesen, den hetzhunden und Windhun-
den, besonders auf Schnelligkeit an; darauf bezieht sich eine, aller-
dings aus späterer zeit stammende priamel (Grimm, altd. wälder III,
123): ein trabender leithund ungenossen und ein geltender (im zeit,
passgang, schritt gehender) toind, das ist dos unnütze hof gesind. An
unserer stelle dient der einzige bracke, den Siegfried mitnimt, sowol
zum aufspüren als zur Verfolgung des wildes (888, 2: ir sult den
brocken Ideen, zur Verfolgung des baren); deshalb wird er wol auch
gleich zu anfang der jagd vom seile losgelassen worden sein (man nie
den spiü/rhunt, 882, 3, als da^jeit ergangen was 885, 1); Siegfried
glaubt der hetzhunde entraten zu können, weil er auf seine eigne und
seines rosses Schnelligkeit vertraute. Zu jener besonderen aufgäbe
muste natürlich der bracke auch ganz besonders abgerichtet werden;
Siegfried verlangt deshalb auch einen, der genozzen hat; dieses und
sein ebenerwähntes gegenteil: ungenozzen, sind waidmännische aus-
drücke; was man darunter zu verstehen hat, geht namentlich aus
einer stelle des Tristan hervor (3001 fgg.): Tristan lehrt die jäger des
königs Marke, wie man einen hirsch kunstgerecht zerlegt (zewirken
2793); zum schluss legt er das in vier stücke zerschnittne herz und
andere teile der eingeweide auf die haut des hirsches und lässt jenes
die durch den ruf zazaza herbeigelockten hunde von derselben fressen ;
darauf erklärt er , wenn auch falsch , (denn curie ist doch nfrz. curee),
warum man das curie nenne: von cuire (frz. cutr, haut) so ist curie
komen, und zwäre ez wart den hunden ze guoten dingen funden
und ist ein guot getconeheit, wan swaz man in dar uf geleit, daz ist
in süeze durch daz bluot und ma^^het ouch die hünde guot . . . ,* wir
sehen wol, sagen die bewundernden jäger, dise liste sint brachen unde
hunden ze grozen frunien vunden ; aus andern stellen geht hervor, dass
man den hunden auch gehirn und blut des erlegten wildes gab. Es
fragt sich nun , inwiefern bracken und hunden — damit sind wol hetz-
hunde gemeint — dies geniezen ze grozen vrufnen gewesen sei, wel-
chen zweck es gehabt habe. Stejskal führt zu 112 der jagd des Hada-
mar v. Laber eine stelle aus der jägerkunst an, nach welcher man den
hunden vor der jagd nichts zu essen geben soll, „so sind sie desto
leichter zu laufifen und desto begieriger zu fangen, denn sie hoffen
davon auch etwas zu geniessen^; ähnlich ist als zweck des geniessens
im mhd. wb. II, 1, 392b angegeben: wodurch sie eifriger werden sol-
len, die fährte zu verfolgen. Beide erklärungen würden aber nur auf
BUS JAGD IM NIBBLUNOBKLIKDE 489
die hetzbonde passen;^ denn sie setzen beide voraus, dass die fäbrte
von dem spürbunde bereits gefunden ist. Man gab vielmebr dem bracken
von dem^ wilde zu geniessen , damit er den gernch der verschiednen
wildarten unterscbeiden und jede einzelne an ibrer fäbrte erkennen,
wittern, lernte. Siegfried will (875, 3) einen solcben bund, der die
verte der tiere erkenne, d. b. das wild an seiner fäbrte erkent, und
diese aufiiimt, ihr folgt, bis er zum lager oder Standort des wildes
gelangt. Hat der bund eine fährte gefunden, so siebt er den ihn füh-
renden herren an, erwartend, dass dieser ihn grüsst, anspricht, d. b.
auffordert, sie zu verfolgen. Im Iwein (3885 fgg.) ersmeckt, wittert
der löwe, der die stelle eines Spürhundes vertritt, die fäbrte eines wil-
des] do er des tieres inne wart , . . stuont (der löwe) und sach in an
(nämlich den Iwein) ; do gruoetern als ein (d. i. einen) stMchhunt (Iwein
den löwen); der löwe verfolgt die fäbrte, bis er: ein rSch stende vant
(vgl. Benecke anm. z. 3894 ; Stejskal jagd , anm. z. 337).
Ehe die jagd begint, werden die warte do bestän an allen enden
von den jeitgesdlen (872^ 1, 2): die warte, der plural von diu warte
findet man erklärt als die punkte, wo das wild sich aufhält, seinen
Wechsel hat,' die von den Jägern besezt werden, um es zu schiessen
oder es dabin zu treiben, wo es zum schuss komt;' oder: um es den
scbiessständen zuzutreiben:^ jene erklärung legt die auffassung nahe,
diese verleitet geradezu zu derselben , als ob die Jäger an bestirnten
punkten still gestanden hätten, denen das wild von treibem zugetrie-
ben worden wäre, als ob also die treiber das wild vorfolgt und die
Jäger stille stehend dasselbe erwaiiiet hätten. Bei einer pirscbjagd sind
aber umgekehrt die jäger gerade diejenigen, die das wild aufsuchen
und ihm nach der leitung des hundes folgen; von treibern in jenem
gewöbnlicben sinne, die das wild vor sich her dem schützenstande
zutreiben, kann also bei einer pirscbjagd ebensowenig als von diesem
die rede sein.
diu warte y zunäcbst das ausschauen, das warten ^ bezeichnet
sodann den punkte wo einer wartet, auf der lauer steht; welche punkte
werden nun bei der jagd besezt worden sein? Das wild nimt, wenn
es den *wald durchzieht, um auf einer waldwiese zu grasen oder eine
quelle aufzusuchen, gewöhnlich einen und denselben weg, der den Jägern
bekant ist, und auf diesen gewohnten weg wendet es sich auch gern
auf der flucht, wenn es verfolgt wird. Im Tristan (3422) fordert Marke
1) S. V. Riesenthal , das waidwerk , s. 37.
2) Bartsch, der Nib. ndt, wb. s. 370.
3) Mhd. wb. 3, 528 ^
4) Lübben, wb. z. der Nib. not'
490 MATTHIAS
den Tristan auf: schicke dme warte (hier : die auf den warten zu postie-
renden leute) davy da si dich reJUe dünken stän; Tristan antwortet
(3426 fgg.): heijset die jägere keren dan, die stdn die warte s&zen und
suln von ruore läeen: die erkennent hie ze lande sich und wizBent
michd bcus dan ich, wä der hirz hin ziuhet und vor den hun-
den fliuhet; die erkennent die gelegenheit; lezteres wort steht
hier in der ursprünglichen bedeutung und soll heissen: die örtlichkeit,
die gegend ; sie wissen gut mit ihr bescheid , kennen den weg , den der
hirsch auf der flucht zu nehmen pflegt. Die jagd im Tristan ist aller-
dings keine pirschjagd, sondern eine parforcejagd oder hetzjagd; die
bedeutung der warte aber ist bei beiden dieselbe ; Markes Jäger besetzen
die warten, d. h. fassen an solchen wildpfaden, gedeckt von einem
bäum oder strauch posto. An unserer stelle, wo jeder partei ein
bestimt umgrenztes revier zugewiesen ist, sind also die warten dieje-
nigen punkte der verschiedenen innerhalb des Jagdreviers laufenden
wildpfade, wo diese die grenze desselben überschreiten. Dass der wild-
pfad noch beuuzt wird, erkent ein erfahrener Jäger aus mancherlei
anzeigen , beim hirsch z. b. an den zweigen , die er berührt oder geknickt
hat: das ist die „hochspur ,'^ der hirsch hat „angerührt, gefegt,^ (s.
Zamcke , beitr. s. 1 63) ; namentlich aber an der losung. Nachdem solche
pfade von den Jägern ringsum auf der grenze des Jagdreviers besezt
worden sind, ziehen die herren und ihre ritterlichen gaste mit Spür-
hunden in den wald und scheuchen den hirsch von seinem lager auf;
er entflieht auf seinem pfade , verfolgt von Jägern und hunden ; sobald
er vor die warte komt^ wird er zurückgescheucht; er hätte natürlich
von den wartenden hier getötet werden können, aber dann wäre den
verfolgenden rittern das vergnügen, den hirsch zu erlegen, genommen
worden. Die besetzung der warte hat also hier nur den zweck, dem
hirsch seine gewohnten fluchtwege abzuschneiden, zu verhindern, dass
er auf denselben sich den verfolgenden Jägern gänzlich entziehe und
sich in ein anderes Waldrevier rette. ^ In Gotfrids Tristan wird der
hirsch auf diese weise so lange gehezt, bis er von den hunden „erlau-
1) VgL Ulrich v. Tärbeim , Trist. 1093 fgg. :
Die jegere er besande:
,,vart zem roten lande,
füert mit in die hunde ;
ich wil da kurze stunde
hän mit mime gesinde;
und sehet, daz ich rinde
versetzet vol die warte,
oder ich znme harte.
DIE JAGD m KIBXLUNOSNLIEDS d91
fen"^ wird (3447) : da liez er sich ergähen und stuont aida sie bUe ^
(2765); d. b. vor müdigkeit oder zorn gibt er es auf, den hunden zu
entfliehen, stelt sich ihnen mit gesenktem geweih entgegen mid wird
von den herbeieilenden Jägern erlegt. Im Nibelungenliede würde sich
die jagd ohne eine solche beschränkung endlos ausgedehnt haben, oder
auch das fliehende wild samt den verfolgenden hunden und Jägern in
das revier einer benachbarten partei eingedrungen und es würden dann
irtümer oder gar conflicte zwischen beiden parteien kaum zu vermeiden
gewesen sein. Es ist nachher allerdings von* den „wartenden^ nirgend
mehr die rede; das darf uns aber nicht wundern, da, wie wir schon
widerholt gesehen haben, die Schilderung der jagd im Nibelungenliede
nur in grossen, die hauptperson heraushebenden zügen skizziert ist;
in bezug auf das übrige sind wir auf wenige unklare und unbestimte
andeutungen angewiesen.
Der punkty wo ein wildpfad aus dem walde heraustritt und in
ein wasser oder auf eine wald wiese mündet, heisst der abdauf des wil-
des; deshalb kann von der auf dem wert aufgeschlagenen herberge
gesagt . werden (871), sie hätte gelegen vor dem grüenen wald: gens
wüdes äbeloufe.
Siegfried trent sich also von den jagdgenossen, begleitet von
einem alten Jägermeister und von einigen dienern; alle sind beritten
(887, 2 si Uten mit im dan); der alte Jäger: brähte den hirren in einer
kurzer stunt , da si vil tiere funden, swaz der von leger stuont^ diu
erjeiten die gesellen, so noch guote jeger tuont (876): wenn mehrere
tiere auf einmal aufgescheucht wurden, werden sich auch die begleiter,
wenigstens der Jägermeister , an der jagd beteiligt haben ; Siegflieds
ross ist so geschwind, dass ihm keines von den aufgescheuchten tieren
entrint (877, 3. 880, 3). Zuerst schlägt er mit dem Schwerte ein star-
Tcez halpswuol zu tode; sodann tötet er durch einen pfeilschuss einen
löwen, ferner, wider mit dem Schwerte, einen wisent, einen eich, vier
starke üre^ einen schelch, hirze und binde; zulezt einen eher; schliess-
lich folgt als uachspiel zur jagd der fang eines baren , der darnach mit
dem Schwerte erlegt wird. Die statliche anzahl von tieren lässt der
dichter den Siegfried „im umsehen abtun ,^ wie Lachmann zutreffend
bemerkt , um ihn vor den übrigen jägem auszuzeichnen. Dieser umstand
und die erwähnung des löwen hat auch, neben anderen gründen. Lach-
mann zu dem urteile geführt, die strophen 877 — 880 als späteren
Zusatz zu bezeichnen. Der redaktor der vulgata scheint auch diese
häufiing als ein übermass angedeutet zu haben, indem er 882, 5 die
1) Vgl. Jt^ Grimm, kleinere Schriften 8, 112,
492 XATTHIAS
Jäger darfiber scherzen lässt: lät uns — der Her em teil genesen^ ir
tuot uns hiute Itere den herc und auch den undt.
Sämtliche ?on Siegfried erlegte tiere sind tiere der hohen jagd,
fast alle solche, die za jagen gefährlich ist, sehr viel kraft, mut,
fibung, gewandheit erfordert. Zwei derselben , dBshalpsumoly oder wie
es sonst geheissen haben mag, und der schelch, sind uns onbekant.
halpswül nemlich, wie A (878) hat, ist nur eine ?on den zahl-
reichen Varianten , in denen das wort überliefert ist ; B hat nur hcdp . . . .,
C halpfwl, a halphul, h*halpfuly D halpsul, Sd halpswl, Jh hdfolen;
Lachmann hat (nach A) im text: hcUpswuol, Zarncke (nach C) halpf-
wd; Bartsch (nach der vulgata) halpftd; denmach scheint sicher der
erste teil: hcUp, unsicher der zweite (suly swul^ swM, fuC). Im Schwa-
benspiegel 315 (W.) wird durch hersunny d. h. Zuchteber, ein wort
erklärt, in dessen zweitem bestandteile die handschriften ebenso wie
die Nibelungenhandschriften zwischen sul und fuL schwanken: ursui,
erfaul y erful, ursd, urval (s. mhd. wb. 3, 434''). Grimm (Myth.
948, 4. ausg. 2, 832) entscheidet sich hier sowol als dort fttr
füll also urfulj hcdpful, und erklärt dieses als: ein nicht ausgewach-
senes Schwein, halbschwein, jenes als: alten, ausgewachsnen ken-
1er. Die hanptsache ist ihm nämlich, auf den namen des gottes
Phol (Balder) zu stossen: „nicht des gottes name wird aus dem tier
ZU erklären, sondern in beiden Zusammensetzungen auf das tier
angewendet und so erhalten worden sein^; das geht aber nicht an,
denn Phol ist nach prof. Zachers unzweifelhaft richtiger erkl&rung
gleich d' 7t 61- liüv^ d.i. a-Ttol-jcißv, aus VspAar, womit eng zusammen-
hängt lat. splendere, mhd. spiln (vgl. diu spibide sunne)^ indem das s
im anlaut verloren gieng. ' Ebensowenig wird man der von Grimm
(Gramm. II, 633) ausgesp rechnen Vermutung beistimmen, es sei viel-
leicht aus Wittich 1606, wo das wort urgul = eher vorkomt, in das
Nibelungenlied halpgul einzusetzen : denn darauf führt keine einzige von
den Varianten. Endlich wird von Lübben (i. wb.) und vom mhd. wb.
(III , 43 i *") zur Unterstützung von halpful eine stelle des alten Kulmer
rechts angezogen, welche lautet: weih hunt ber {= eher) culir hirs
adir urful adir andir tvilt daz man doheime hddet — einen menschen
lotet usw. Wenn man nun auch annehmen wolte, dass das wort hier
ohne Variante stünde,' so wüste man doch immer noch nicht, was es
bedeutet; es ist sogar unwahrscheinlich, dass, nachdem in jener stelle
von her = eher die rede gewesen ist, hernach dasselbe tier (urftd =
alter, ausgewachsner eher) noch einmal genant sein solte. Demnach
1) Leo Meyer, bemerknngen zur &1 testen gesch. d. grieeb. mythologie. Gott
1857, 8. 26. 2) Das Kolmer r. ist mir nicht zur band gewesen.
PIB JAOD m NIBBLXmaXNLTSDB 408
hiesse es eine Unsicherheit aus der andern erklären wollen, wenn wir
die scheinbar durch das Kulmer recht gesicherte form urful in den
Schwabenspiegel einsetzten, also urful heizet ein hSrswin, und daraus
fttr das Nibelungenlied auf halpftd = halbausgewachsnes schwein schlös-
sen. Wir gelangen folglich zu dem negativen ergebnisse, dass wir
weder wissen, welche form ursprünglich im Nibelungenliede gestanden
hat, noch was fQr ein tier das von Siegfried zuerst erlegte gewesen ist
Das zweite, der löwe, den vielleicht seine Schnelligkeit vor
Siegfrieds schwort gerettet hätte, wird mitten im laufe erlegt durch
einen pfeilschuss, durch eine scharfe sträie, die Siegfried in den bogen
gezogen hatte; er ist so gut getroffen, dass er nur noch drei Sprünge
macht und die genossen Siegfried für den meisterschuss danken (879).
Wunderlich erscheint uns die einführung des löwen an dieser stelle:
J. Grimm (Rein. Fuchs s. XL VI) , gibt eine erklärung dafür , wie er
überhaupt in die tierfabel komt: „von den frühsten zeiten wurde er
zur schau herumgeführt und an den höfen der könige und fürsten zur
pracht gehalten. Auch die phantasie durfte sich den könig der tiere
in fernerem hintergrunde denken , als den gewöhnlichen wolf und fuchs;
wenige hatten den löwen gesehen, darum hülte sich ein geheimnisvol-
les, der dichtung zuträgliches dunkel um ihn.'^ Au unserer stelle will
der dichter offenbar den Siegfried dadurch ehreu , dass er ihn ein so
seltenes, so königliches wild erlegen lässt
Ahnlich ist die Ursache der einführung des wisent und des ür.
Nach der gewöhnlichen annähme ist der wisent = bos bison {bos bona-
sus), meist fillschlich auerochs genant, der noch jezt in dem urwald
von Bialowitsch, im gouvernement Orodno, in gehegter Schonung erhal-
ten wird,* während der bos^ urus {bos primigenius), der Ar, der
eigentliche, echte auerochs, bereits seit mehreren Jahrhunderten aus-
gestorben ist (Brehm, 388 fgg.); seitdem sprechen die berichterstatter
nur noch von einer art wilder ochsen, die sie bald ür, bald unsent
nennen. Unter benutzung dieser Zeugnisse hat Q. G. Pusch in War-
schau ' zu beweisen versucht, dass ur und toisent, slav.-lett. Tur,
1) S. Job. Fr. Brandt, zoogeogr. u. palaontol. Beiträge (aus bd. II der zwei-
ten Serie der yerhaadlangen der rassisch -kaiserl. mineralogischen geselschafb za
St Petersburg besonders abgedruckt). St. Petersb. 1867 s. 136 fgg. Brehm , Tier-
leb. III*, 385 fgg. — Nach Brandt, über d. vermeintl. Unterschied des caucasischen
Bison vom Lithauischen Anerochsen, Moskau 1866, lebt er im Caucasus noch jezt
wild. — Diese beiden, in Deutschland seltnen Schriften habe ich durch gütige
yermittlung des herrn prof. v. Fritsch aus der bibl. der k. Leopoldin. akademie
erhalten.
2) Anhang zur Paläontologie von Polen; und im archiv für naturgesch. her-
auageg. von Wiegmann, VI, 1, 8.47 — 137, 1840; die erste schrift habe ich nicht
494 MATTHIAS
Zubr, lat. ums, bison, eine uud dieselbe riuderart (= bos urus L,\
und dass urus das inänncben, wisent das Weibchen derselben bezeichne.
Gegen Pasch hat sich namentlich J. Fr. v. Brandt erklärt (beitr.
usw.), indem er die alte ansieht verteidigt, dass ?or alters zwei arten
wilder ochsen in Deutschland existierten: zunächst sucht er auf grund
von fossilen resten die Verbreitung der |i)eiden tiere in vorhistorischer,
sodann auf grund von historischen Zeugnissen die Verbreitung derselben
in historischer zeit zu bestimmen, indem er sich bei lezterer Unter-
suchung namentlich bemüht, die glaubwürdigkeit der vonPusch citier-
ten zeugen zu erschüttern , die ür und unsent als Synonyma gebrauchen,
und umgekehrt diejenigen als glaubwürdig hinzustellen, die die beiden
als zwei verschiedene arten unterscheiden: seine ansieht ist offenbar
die richtige; denn keiner von Puschs gewährsmännern sagt ausdrück-
lich, dass ur oder tur das männchen, wisent oder zubr das Weibchen
bezeichne; vielmehr ist aus ihnen nur zu schliessen, dass zu ihrer zeit
i)r und wisent gemeinschaftliche namen derselben gattnng waren. Puschs
hauptzeuge, Dtugosz, gebraucht sogar beide namen, als er von der
jagd eines stieres redet ; wenn also die behauptung , dass ür das männ-
chen , wisent das weibeben bezeichnet , richtig wäre , müste man anneh-
men, dass wisent zwei bedeutungen gehabt habe, eine weitere, welche
die art, und eine engere, welche das weibchen derselben bezeichnete.
Jene behauptung aber steht auf sehr schwachen füssen; sie gründet
sich einzig und allein auf unsere Nibelungenstelle: Pusch argumentiert:
der dichter nent 880, d kirze und hinde, also männchen und weibchen
einer art; 880, 1. 2 eich und schdch^ d. h., nach Puscbs ansieht, eben-
fals das weibchen (eich) und das männchen (schelch) des elentiers:
folglich muss dem gesetze der analogie gemäss auch ür und wiseni
männchen und weibchen einer art sein. Diese ganze behauptung aber
wird schlagend widerlegt durch die einfache tatsache, dass der dichter,
wenn er unter wisent das weibchen des wUdstieres verstanden hätte,
das wort auf keinen fall mit dem männlichen artikel versehen haben
würde, in welchem alle handschriften übereinstimmen, 880, 1: einen
wisent und einen eich. Also bleibt von Puschs resultaten nur das
eine bestehen, dass eine anzahl spätmittelalterlicher autoren ür und
Wisent als synonyme namen für eine und dieselbe tierai't gebrauchen;
aber auch das lässt sich erklären: seit nämlich die eine art (ür) aus-
gestorben war,^ wendete man den lebendig gebliebenen namen dersel-
hekommen können; die zweite verdanke ich der gfMe des hm. geb. rat prof. Kühn
in Halle.
1) Nach Schade, der dem ur und icisent im altdeutsch, wb. II*, 8. 1173 tgg,
einen aehr ausführlichen artikel widmet, ist der ür in Deutschland bis etwa run
1800 beieugty weiter östHch, an derSkwa, einem nebenfluss der Karewa» bii 1600.
SIS JAOD nc NIBELXTRGBNLISDB 495
ben irtümlich auch auf die überlebende art, den wisent, an und
gebrauchte schliesslich beide namen als Synonyma. Dass aber die Ver-
wechslung nicht algemein wurde und viele sich des ursprünglichen
Unterschiedes wol bewust waren, das beweist die grosse anzahl der
von Brandt zur Unterstützung seiner ansieht citierten Schriftsteller, die
von Schade (a. a. o.) noch beträchtlich vermehrt wird. Auch den dich-
tem scheint der unterschied noch bewusst gewesen zu sein, sonst hät-
ten doch, wie an unserer stelle, beide arten nicht getrent von einan-
der aufgezählt werden können; vü wisent und ürrinder erwähnt auch
Türheim, Wilh. 136"; und im Iwein 409 fgg. heisst es: dävahten mit
grimme — mit griulicher stimme — tcisente und ürrinder; bemerkens-
wert in bezug auf leztere stelle ist, dass in der französischen vorläge
(Crestien, chev. au lyon, ed. Holland. Hannover, 1862. v. 278) steht:
tars salvages, ors et Hepar z^ d. h. wildstiere , hären (nicht tlre) und
leoparden.
Der unsent, den unter anderen Brehm und Schade genau beschrei-
ben , war , wenn man von dem löwen absieht , das gefährlichste unter
den jagdbaren tieren , „seine jagd hohe manneslust und auch im liede
gefeiert" (Schade).^
Der ür gehört zu den tieren, die Caesar als bewobner der süva
Hercynia nent; ihm war berichtet worden (b. gall. VI^ 28): sie seien
magnitudine pauio infra dephantos, specie et cohre et figura tauri;
die alten Deutschen fingen sie in fallen (faveae)^ vielleicht weil bei der
Unzulänglichkeit ihrer waifen es zu gefilhrlich war, ihnen offen zu
begegnen. Caesar berichtet auch von der grosse und gestalt ihrer hör-
ner und dass die alten Deutschen sich derselben als trinkhörner bedient
hätten, nachdem sie den rand mit silber eingefasst; schon damals
erwarben sich unverdrossene Jäger , wie jezt Siegfried (884) einen y^pris
des jeides"' : hoc se labore durant adulescentes et qui plurimos ex his
interfecerunt , relaiis in publicum camibus quae sint testimonio mag-
nam ferunt la/udem.^
1) Vgl. GrimiD, altd. wäld. III, 16. Deutsche heldens.« 161, nr. &8.
2) Ober palaeontologisches vorkommen des wisenUa and des wres in JDeatsch-
land bemerkt Brandt a. a. o. s. 111 : „die meisten reste des wisent (hos bison) hat
bisher das Rheinthal geliefert ... So wurden in einer kiesbank am Rheinnfer bei
Erfelden zwei schädel nebst skeletteilen gefanden. Zwei anf dem V^ormser rathans
bewahrte stammen wol auch aus dem Rheindilavium. Im jähre 1828 wurde bei
Speier ein schädel aus dem Rhein gezogen. In Mannheim fischte man zwei schä-
del*^ usw. und 8. 159: „Deutschland gehört zu den reichsten fnndgruben der reste
des echten urstiera [bos primigenius). Man hat darin dieselben sowol im diluyium
als auch in noch jüngeren schichten, und zwar nicht blos in den nördlichen, son-
dern auch in den südlichen ländergebieten ?on Ostpreussen und Schlesien an bis
496 MATTHIAS
Auch das elentier war dem Caesar nicht unbekant geblieben:
appeUantur cdces, sagt er bell. gall. VI, 27; darauf folgt die wunder-
liche mär, dass sie kein geweih und kein kniegelenk hätten und die
auf lezteren umstand gegründete originelle jagdweise; auch die alten
Deutschen erkanten schon das tier an seiner fthrte: quarum ex vesti-
giis cum est aninuidversum a vefuUortbus, quo se recipere consuerinf
et,; zur zeit der Ottonen waren die tiere offenbar schon selten gewor-
den, sonst hätten die kaiser nicht jene befehle gegen deren jagd zu
erlassen brauchen, auf die wir bei erwähnung des schelch sogleich zu-
rückkommen werden. Nach Leunis (Synopsis des tierreichs I ^ s. 164;
vgl. Brehm, s. 105) verschwanden sie 1746 aus Sachsen, 1769 aus
Galizien, 1776 aus Schlesien, zu anfang dieses Jahrhunderts aus Preus-
sen, bis auf einige in königlichen forsten, z. b. in Ibenhorst bei Tilsit,
wo sie, nach der starken Verminderung im jähre 1848, noch jezt sorg-
lich geschont werden.
Der schelch ist, wie schon oben erwähnt wurde, em uns unbe-
kantes tier. Die vorher berührte Vermutung, dass schelch vielleicht
das männliche elentier oder den hirsch bezeichne, ist zuerst von Bu-
jack (preuss. provincialbl. 17, 97 fgg. 1837) ausgesprochen worden,
ohne jedoch von ihm bewiesen zu werden; auch Pusch (a. a. o. s. 133
fgg.) bringt nichts stichhaltiges zum beweis der von ihm adoptierten
ansieht vor; Brandt (a. a. o. s. 193 fg.) verwirft zwar jene erklärung,
billigt aber dafür eine andere, noch viel weniger haltbare, die von
Pfeiffer aufgestelt worden ist (Germ. VI, 225), dass nämlich schelch
der bockhirsch {tragelaphus , hircocervus) oder riesenhirsch (giganieus,
megaceros) sei.' Diese erklärung stüzt sich darauf, dass scelo und
schdo in althochd. glossen neben tragelaphus steht (s. Oerm. VI, 225) ;
sie wird aber hinfällig durch die feststehende tatsache, dass der rie-
senhirsch in der historischen zeit nicht nachgewiesen ist; alle quellen-
stellen über den tragelaphus aber gehen auf Plinius zurück , der ihn
nur am Phasis keut* In einer urkuude Otto I. vom jähre 943 heisst
es : niemand solle ohne die erlaubnis des bischofs in pago Trentano die-
jenigen tiere jagen, quae teutonica lingua elo aut schelo appeUantur;
das verbot wird später noch zweimal widerholt, 1006 und 1025; in
der Urkunde von 1006 steht: elo et schelo; jedenfals ist nicht daran
zu zweifeln, dass alle drei Urkunden zwei verschiedene tiere unter elo
zum Rheiuthal , und von Würtemberg bis Moklenburg entdeckt . . . Eine namhafte
zahl von resten dea urocbsen Ueferte das Rheinland, die meist in den nmseen von
Darmetadt, Mannheim, Frankfurt und Bonn aufbewahrt werden.**
1) Job. Fr. Brandt, a. a. o. s. 96 halt den nchelch für cervuB euryceros.
2) Zeitachr. f. ö. O. 1865, s. 517 fg. 1866, s. 482. Leunis, a. a. o. s. 164.
DIE JAGD IM NIBELWOBNIilRDE 497
und schdo verstanden haben. Da sie also beide tiere zur hohen jagd
in Drenthe {pagus Trentanus) rechnen , müssen doch wol beide damals
noch als wirklich jagdbare tiere im fürstlichen banforst gelebt haben.*
Die zahl der erlegten hirsche und binden wird gar nicht genant
(880, 4), offenbar, weil ihre erlegung, wegen der verhältnismässig
unerheblichen gefahr und leistung des Jägers, dem dichter nach dem
bisher geschilderten geringfügig erschien.
Ein grosser eher ist das nächste vom Spürhund aufgescheuchte
wild; er begint zu fliehen; des gejeides meist er, wie hier (881, 3) Sieg-
fried genant wird, hestuont in üf der släy daz swin zorneclicJien lief
an den küenen degcfi sä (881, 3. 4). Einen hestän heisst sich jemand
entgegenstellen, um ihn zu bekämpfen, ihn anzugreifen; der angegrif-
fene muss demnach dem, der ihn besteht, entgegenkommen; da das
von dem Spürhunde verfolgte schwein vor dem hunde herflieht, wartet
Siegfried auf dasselbe, bis dieses auf dem wege, den es einschlägt,
üf der slä, in höchster wut geradezu gegen ihn andringt sZa, abge-
kürzt aus diu slage^ komt von sla/ien^ und bedeutet die spur des ein-
schlagenden hufes, also fast dasselbe, wie vart (Grimm, Gr. III, 396);
üf der slä heisst daher eigentlich auf der spur, auf dem wege, den
das tier gemacht hat, weshalb auch meist von einer Verfolgung der
slä die rede ist, z. b. Iw. 5961 : setzt iuch rehte üf sine slä, d. h. ver-
folgt seine spur, schlagt seine spur ein. Da aber hier Siegfried das
schwein unmöglich bestehen kann, wenn es vor ihm herflieht und er
es verfolgt , so kann hier : er bestuont in üf der slä nur bedeuten : er
stelte sich dem eher auf seinem gewohnten wege entgegen, er hemte
seinen lauf dadurch, dass er ihm den weg, den er einschlagen wolte
und sonst gewöhnlich eingeschlagen hatte , abschnitt ; das schwein ent-
zieht sich ihm nicht dadurch , dass es von der bahn abspringt , sondern
läuft ihn wütend an (vgl. das bild b. Alw. Schultz I, 363). Das leich-
tere, sicherere und eben deshalb gewöhnliche wäre gewesen, den eher
mit dem jagdspiess abzufangen; aber eben deshalb verschmäht das
Siegfried und zeigt, dass es ihm ein leichtes ist, den rasenden eher
mit dem blossen Schwerte zu erlegen.
Damit hat Siegfrieds jagd ein ende erreicht; der spürhund wird
gefangen und an die leine gelegt und die beute gemustert , „die strecke
gemachf^ (882), erst jezt komt der von Siegfrieds taten fortgerissene
und ganz eingenommene dichter dazu, auch der jagdgenossen erwäh-
nung zu tun. Überall rings herum hallt berg und tal wider von lärm
und geschrei, woran Siegfried und seine begleiter merken, dass auch
1) S. Roth, a.a.O. s. 299.
SSXTRCHR. F. DEUTSCHE PniLOLOOIE. BD. XY. 32
4d8 MATTHIAS
die übrigen parteien mit voller lust sich der jagd hingegeben haben.
Nachträglich erfahren wir hier, dass auf Hagens aufforderung hin
(s. oben, s. 485) bei beginn der jagd sich die geselschaft in 24 parteien
aufgelöst hatte, deren jede auf einem besonderen revier jagte. Da bei
der oben besprochenen art und weise zu jagen die parteien, um einan-
der nicht ins gehege zu kommen, für sich je einen ziemlich grossen
räum beanspruchten, so ist anzunehmen, dass das gesamte Jagdrevier
ein sehr ausgedehntes gewesen sei: 883, 4 wird gesagt: vier unde
ewcinzec (C : drizec) ruore die jegere heten vertan.
Das wort raore ist oft und ausführlich behandelt worden: zuerst
in den beitragen z. erkl. u. gsch. des Nibl. v. Fr. Zarncke (Lpz. 1857.
s. 161 fgg.), welcher ruore erklärt als spur: hochspur im laub (s. oben
8. 490), dann fussspur an der erde; an unserer stelle sei: 34 raore vei--
län so viel als : üf vier und dnzec ruoren daz gehünde Verlan. Dage-
gen behauptete MüUenhoff (Haupts ztschr. XI, 262 fgg.), ruore bedeute,
wie schon Lachmann es aufgefasst hatte (kl. sehr. I, 111): koppel hunde,
meute: 24 meuten wurden losgelassen. Zarncke suchte ihn zu wider-
legen in PfeilF. Germ. IV, 421 fgg.; auch der artikel ruore im mhd. wb.
(II, 1, 815 fgg.), von derselben band herrührend, begünstigt natürlich
die bedeutung spur,* während Lexer die ansieht MüUenhoffs vertritt.
Zarncke gibt selbst zu, dass mit der bedeutung „spur'' an mehreren
stellen nichts anzufangen und dass dieselbe namentlich an unserer stelle
nur gezwungen anzuwenden ist. In der tat ist sie aber durch keine
stelle sicher zu beweisen. Aber auch die von MüUenhoff angenommene
bedeutung ist zu eng und reicht nicht für alle stellen aus.
rüeren ist zunächst movere; erst daraus gieng die bedeutung tow-
gere hervor, weil durch anrühren am sichtlichsten bewegung entsteht;
noch heute ist der ausdruck gebräuchlich: „die saiten rühren^; auf
rüeren in der ersten bedeutung allein ist ruore zurückzuführen; es ist:
1) das in bewegung setzen», daher: das aufscheuchen, die Ver-
folgung.
2) die entstandne bewegung: flucht des wildes.
3) das in bewegung gesezte: das fliehende wild.
4) das in bewegung setzende: die meute^ d. h. die schar der
zusammengekoppelten hunde.^
1) Ebenso Genn. VIII, 56 fgg.
2) Das französische wort meiUe ist seiner bildnng und bedeutung nach
ZQgleich ein analogen zn dem deutschen ruore; denn meute ist entstanden aus mit-
tellatein. movüa («= motos). Diez, etym. wb. d. rom. spr.* 2, 376.
DIB JAGD m NIBBLUNGRNLIEDB 499
Das loslassen der meute wird doppelt ausgedrückt: man sagt
entweder von ruore län,^ d. h. die einzelnen hunde von der gesamt-
heit derselben lösen, sie loslassen zur aufspümng des wildes; oder, wie
an unserer stelle: die ruore verlän^ d. h. die je zu einer schar zusam-
mengekoppelten hunde auf die spur des wildes schicken, natürlich,
nachdem jeder einzelne der fessel entledigt worden ist. 24 meuten sind
also losgelassen worden; da je eine meute zu einer partei gehört, so
ist daraus zu schliessen, dass die jagdgeselschaft in 24 verschiedenen
Parteien gejagt habe; je eine meute, je ein ritter und je ein gefolge
von dienern gehörten immer zusammen; davon macht Siegfrieds partei
nur insofern eine ausnähme , als sie nicht von einer meute von hundon,
sondern nur von einem einzigen hunde begleitet wird; dieselbe ist
natürlich nicht etwa eine von den 24 parteien ; vielmehr geht aus unse-
rer stelle deutlich hervor, dass nach des dichters meinung ausser
Siegfried 24 ritter mit 24 meuten gesondert von einander gejagt hät-
ten. Die zahl der erlegten tiere war in folge dessen gross: do muo-
sai vil der tiere Verliesen da daz leben (884, 1).
Günther ist der erste, der zur herberge zurückkehrt, und lässt
die andern durch hornsignale herbeirufen (886); daraus ist nicht zu
schliessen, daes das Jagdrevier nicht weiter gewesen sei, als eines hor-
nes ton vernehmbar war; vielmehr wird die zunächst jagende partei
durch ein hornsignal geantwortet, von dieser es wider die nächste
vernommen haben und so fort, wie es die zusatzstrophe in BC (886,
5 fgg.) ausmalt: dö sprach ein Slfrides jägere: herre, ich hän vemo-
nien von eines liornes duzze daz wir ' nu sidn homen zuo den herbcr-
gen: antwurten ich des wü, do wart nach den gesellen gevräget bla-
sende vil.
Jede partei bringt die erlegten tiere oder von solchen, deren
fleisch nicht gegessen wurde, nur die häute mit nach der herberge:
die brähten mit in dar vil tnaneger tiere hiute und wildes genuoc (885,
2. 3); jede hofft, sie werde die meisten tiere erlegt haben, ihr werde
der ims des jcides zu teil werden ; als aber Siegfried mit seiner Jagd-
beute sichtbar wird, ist daran nicht mehr zu denken (884, 3. 4): er
reitet voran, seine begleiter folgen; durch den lärm wird ein bär aus
seinem lager aufgescheucht (887); Siegfried verspricht eine kurzweil
und heisst den hund, der nach beendigung der jagd wider an die leine
gelegt worden war, auf den baren hetzen; er selbst reitet beiden nach
(889) in der hofnung, den baren zu errUen; das ist aber nicht mög-
lich, da derselbe sich in ein gevelle flüchtet, wo er glaubt vor den
1) So z. b. an der oben, s. 490 angeführten stelle dos Tristan.
•32*
500 MATTHIAS
Verfolgern sicher zu sein (889). Für das wort geveUe sind wol schwer-
lich zwei ableitungen anzunehmen (wie schon das mhd. wb. 3, 224*
bemerkt), die eine von fallen, die andere von fd, felis, fds (s. Benecke,
anm. z. Iw. 3836); denn selbst an den stellen, wo geveUe durch gebirge
und enge erklärt und der mte entgegengesezt ist, kann man an fels-
stücke denken, die wild durcheinandergefallen sind; gevelle ist also eine
gegend , die durch umgestürzte bäume oder felsstücke unwegsam gewor-
den ist. Der reitende Siegfried kann dem hären dahin nicht folgen;
er springt vom pferde, föngt ihn lebendig,^ ohne ihn zu verwunden,
und bindet ihm die schnauze und die füsse zusammen (899, 2), so
dass er weder kratzen noch beissen kann (891, 1); darauf bindet er
ihn an den sattel und reitet zur feuerstätte (891, 2. 3): er hräht ejs
an die viwerstat . . . zeiner hurzwUe (4): die ursprüngliche bedeutung
des wertes kurzmle: kurze zeit, die noch lebendig ist in dem adver-
bium hurzwilen, in kurzer zeit (Walth. 16, 25), ist ganz zurückgetre-
ten vor der abgeleiteten: das was die zeit verkürzt, Zeitvertreib, ver-
gnügen, welche bedeutung allein auch durch das verbuni vertreten
wird: Icurzwilen, sich die zeit verkürzen, sich ein vergnügen machon,
und durch die adjectiva: Tcurzwilec, kurzunllich, TcurzwUedUh (Lex.);
das erst nhd. auftretende: die langeweile unterscheidet sich seinem
bedeutungsumfange nach dadurch, dass es nicht auch, wie hurzmle,
das bezeichnet, was die Stimmung herbeiführt, sondern nur diese selbst.
Als Günthers diener dem Siegfried das ross abnehmen weiten,
löste er den hären vom sattel und von seinen banden; dieser strebte
dem walde zu (899, 4), geriet aber, erschreckt durch das laute bellen
der gekoppelten hunde (901, 3) in die küche, wo er viel unheil anrich-
tete: hey — man merkt des dichters behagen an der Situation! —
waz er kuchenknehte von detn viwer sehtet! vil kezzele wart gerüeret
(in bewegung gesezt, umgeworfen), zerfüeret nmnic hrant: hei waz
nian guoter spise in dem asdien ligen vant! (900, 2. 3. 4). Es hatten
nämlich, während die ritter jagten, küchenknechte über ofnem feuer
und in kesseln für die stolzen jäger rUerspise (904, 4) bereitet, indes
andere diener tische (904, 2. 907, 2) und bänke (901, 1) aufgeschlagen .
hatten. Die herren und ibre mannen, die schon bei tische sassen,
sprangen auf und griffen nach spiess und bogen , um dem hären den
garaus zu machen ; keiner aber konte zum schuss konunen , weil man
fürchten muste, einen von den hunden, die man auf Günthers geheiss
1) das tier was, unhehuot, nicht: sorglos, sondern: uubcschüzt, nicht sicher,
nämlich vor Siegfried, wie aus den folgenden Worten hervorgeht: ez enkund im
nüU entrinnen.
DIB JAOD Uf MIBBLtJNOBNLISDB 501
losgekoppelt hatte (901, 2), zu treffen; berg und tal hallen wider von
dem entstandenen lärm (902, 4); der bär rent, verfolgt von den hun-
den, dem walde zu, keiner von den beiden vermag ihn zu ereilen,
ausser Siegfried , der der kurzweil dadurch ein ende macht , dass er das
tier mit dem Schwerte erlegt (903, 3), welches nun zu dem andern
wild in die küche ^ wandert (903), während Siegfried, von den genos-
sen ob seiner stärke und Schnelligkeit gerühmt, mit diesen zu der
mahlzeit zurückkehrt.
Damit ist die Schilderung der js^d zu ende; der rest des VIII. lie-
des erzählt die ermordung Siegfrieds , die durch den wetlauf ermöglicht
wird. Trotzdem Günther und Hagen sam zwei toUdiu pantd durch
den klee laufen, komt Siegfried doch eher , als sie, zum bnmnen (917);
seine bescheidenheit, die ihm verbietet, eher als sein wirt zu trinken,
erleichtert Hagen die ausführung des meuchelmordes ; dessen hemd wird
von Siegfrieds herzblut gerötet (922, 3); der schild ist Siegfrieds ein-
zige waffe: der ganze wert hallt wider von den schlagen, die er mit
ihm ausführt (927, 2); doch bald mel in die Uuomen der Kriemhüde
man (929, 1). Die übrigen ritter, die als kamp&ichter (914, 3. 4)
den um die wette laufenden langsamer gefolgt sein werden, müssen
von weitem gesehen haben , wie Hagen Siegfrieds waffen bei seite trägt,
doch ohne zu wissen warum; nun, als der mord ausgeführt ist, eilen
sie herbei (932); die iht triwe heien von den wart er geldeit (932, 4);
doch ist der respekt und die furcht vor den herren so gross, dass sie
übereinkommen, zu berichten, Siegfried sei^ als er allein jagen gerit-
ten, im walde von mördern erschlagen worden (940. 941); sie legen
den leichnam auf einen schild (der was von golde rot), und bringen
ihn, nachdem sie die nacht abgewartet haben, nach Worms, die edelste
beute der jagd: ein tier, daz st da sluogen daz weinden eddiu hint.
ja muosten sin enkelten vil guoter wigande sint (943, 3. 4).
1) Ob von dorn erlegten wilde etwas zar mahlzeit verwendet worden ist,
wird nicht gesagt, doch ist es anzunehmen; das meiste wird man natürlich mit
nach Worms genommen haben; von Siegfrieds jagdbeate wird es ausdrücklich gesagt:
912, 1. 2.
BARMEN, IM AUGUST 1882. E. MATTHIAS.
LITTERATÜR.
(iHimniiiatUi^he abbandtungen li orans^og. Tun Kiti-I Wcliibolil. 1. Ca»,
rad Htlllcr, Beiträge zum leb«n and diehten Daniel Ckspeis v«n
Lohenstein. Brasluii, Eoebner, 1882. Xn, lOTs. 8. M, 3.
Unter den liiabtem Scblcsiena ixt gerade Lohenatein von der litUrArhÜto-
risohea forscbang wenig bcaclitct geblieben. Abgesehen reu der ziemlich leeren
abhanditing PaBsowB (1852) bat ihm nur K<wlthoffe (1877) eine »chrift gewidmet,
die einiges bibtiograpbische matorial beibringt nnd im übrigen den dit^tor mit mrbr
eifer aU gllick gegen du» Gbliehe renrerfecde urteil in schnti nimt. Im gegetuuU.1
hierzu bat die rorliegendo tüchtige arbeit ihr bau pt verdienet in der genaaeren arfur-
schung »on Lobensteina lebenageschicbte. Der verfaaaer, ein schüler Weinholds,
hat dnrcb fleiasige aasnutzong der scbleaischen arcbiTe zahlreiche einielheiten klar-
gelegt und beriehtigt; bisweilen allerdings, doch nicht oft, hat ihn wol daa stre-
ben, ein mSglichst Tolntändiges nnd nnBohaiiliehes bild zu geben und eine leicht
begreifliche Vorliebe fdr den landxmaun zu viel diu den vorhandenen nacbrichUn
folgern lauen. Featgeatelt iat, daas der dichter bis zam 35. jähre nnr den nuten
Daniel Catper oder latäniriert CaapaTt fahrte: der wappenbrief, in dem au 11. juli
1670 seinem vater und deasen famllie der adel mit dem zuaatze von Lohonatoin
verlieben wurde, war im vorigen jähre hier in Berlin auf der beraldJacbon anistel-
Inng in sehen. Anafllbrlich dargeatelt wird die achuhcit ftnf dnm Mngdalen&nm
ta Breslau , in die mehrere poetische verauche, darunter der Ibrahim basaa, fallen.
Nach einer troclienen, musterhaft verwanten Studienzeit ~ wir bören weder von
dichterischer tatigkeit noch von einer liebachaft — wird D. Oasper IHSTi (nicht
1654) in Tübingen zum dr. ior. promoviert, bereist DeiiteclilMid, die Sohwoiz nnd
die Niederlande, läset aich 16.')7 in Breslau als rechtsanwalt nieder timl heiratet.
Seine drei gOter Reisau, ItoscbkowitE und Kittelau sind ihm nicht, wie die älteren
biugrapben berichten, durch seine fran zugebracht, sondern erst später vou ihm
erworben nnd ererbt. Nenea bringt ferner der aaf arehivaüachon quellen mhondo
abacbnitt über die diplomatische sendnng nach Wien , welche Lobenstoin 1676 ala
syndiena der republil^ BroHlan bbemabm , um eine ermäsaigung der drüclionden
stenerlasten berbeizutilhren. Wenn er hier al.i ein gawiBsenhaftcr arbeitor nnd
Dilchterner, klug berechnender geschaftaniaDn erscheint, der alle mittel daran seit,
die interessen seiner stadt an dem r&nkevoUen Vaiserlicbcn bofc zn Turdem , so ver-
trägt sich dies recht wol mit dem bilde, das uns seine dicbtnngen liafem: dem
eines innerlich kalten manne», der durch gelehrsamlieit, wie sie in den anmerkuH'
gen zu den tragödien masaenweise aufgespeichert iiit, and durch gesuchten wort-
pmnk zu ersetzen strebt, was ihm an dichteiisohcm feuer abgeht.
Anf eine umfassende betriichtung der einzelnen verke Lohenateina hat Hül-
ler verzichtet. Er teilt s. 28 das frostige klagegodicht anf den tod seiner mnttcr
mit nnd bespricht s. 17— S6 den Ibrahim basaa, den der fünfzehnjährige Lohen-
stein nach einem von Zesen Bbersozten romane der 6cuder3r dichtet«. Deraetbe
roman gab die grundlage frir ein 1684 zu Dresden gcdracktes miachspiel *oo
A. A. von Haiigwitz.' das jedoch achon vor nekn jahrtn auff ein»r miinrtiüt
I) HQller ist dassalba aningiUigtieh geblieben; ich bsnuita du eiemplar der
Berliner bjbliothtk. Tn dieier flnd^t sich anob der i. Till* genante „Pooliicbn «s«-
stMher" 17S0, der fibrigona htupt«ichlieh den po«tii«hnB wort der godifhi« lon llanke
«rdrterl und vertridigt und LahensttiD nur kun (n. IIA) erwibnt.
BOLTE, ObEB MÜLLKB, LOHENSTEIN 503
einer damahls von etlichen Studenten zu einiger sprach -ubung tmter sich auff ge-
richteten comoedianten compctgnie zugefallen auffgesetzt worden war: Obsiegende
tügend oder der bethörte doch wieder bekehrte Soliman. Hier ist die glückliche
lösung der vorläge beibehalten, ohne dass freilich die motiviemng genügte, wäh-
rend Lohenstoin den schluss tragisch gestaltete. Eine kentnis oder benntzung
Lohensteins tritt nirgends hervor. Die spräche des Ibrahim bassa steht noch ganz
unter dem einflusso von Gryphius und ist von der späteren Marinischen manier
Lohonsteins im wesentlichen frei. Klarer würde dieses Verhältnis hervortreten,
wenn wir eine Untersuchung besässen über den wertschätz und stil des Gryphius
und der nächstfolgenden tragiker, wenn festgestelt wäre, welche neubildungen
besonders in den compositis bei Lohenstein zuerst auftreten. Hoffentlich entschliesst
sich der Verfasser dazu, der schon über die compositionsweise der beiden dichter
treffende bemerkungen gemacht hat. Es wäre hier auch eine gelogenheit zu einer
zusammenfassenden behandlung der ganzen klasse von dramen aus der türkischen
gcschichte, welche in der litteratur des 17. Jahrhunderts einen solchen räum ein-
nimt, nachdem dieselben stoffe schon in der früheren periode vielfaches interesse
erregt hatten. Ich möchte hier beiläufig auf eine hergehörige, wie es scheint, noch
unbekante handschrift der Berliner bibliothek (ms. germ. quart 436) aufmerksam
machen, welche wol dem 17. Jahrhundert angehört und aus dem besitze einer komö-
diantentruppe stammen mag. Sie enthält ein dreiaktiges drama in prosa, die an
einzelnen stellen in alexandriner übergeht. Der titel ist verloren. Inhalt: der per-
sische könig Selim hat seinen söhn Selimor auf verläumderische anklage hin zu
töten befohlen. Die verlobte desselben Aribane bewegt ihren vater, den türkischen
sultan Soliman, gegen den unnatürlichen vater zu fclde zu ziehen. Der prinz ist
aber durch einen vertrauten gerettet worden und befreit verkleidet in der schlacht
seinen vater aus den bänden der erbitterten Aribane. Selim beauftragt seinen uner-
kanten lebensretter, ihm die liebe der gefangenen prinzessin zu verschaffen. Als
Selimor ihr seinen wahren namen nent, sinkt sie in Ohnmacht; der argwöhnische
könig komt hinzu und lässt ihn ins gefängnis werfen, wo er in raserei verfalt.
Eine Verschwörung seiner freunde nötigt Selim zur nachgiebigkeit und bringt alles
ins gleiche. Als probe stehe hier der anfang , ein monolog Selims : Du Blaxieß fter-
nendach, du goldt gefärbte Sonne undt feJber weißer Mondt, die ihr un/er reich von
deß feindeß ungehemmtem Lauff mit folchen gluclcßßraMen gefegnet und befcheinet,
.... foll den nun Soliman der perfen Reich zerfiören? — Den schluss des Müller-
schen buches (s. 64 — 107) bildet eine Untersuchung über das Verhältnis der beiden
ausgaben der Cleopatra von 1661 und 1680, auf welches zuerst Kerckhoffs seine auf-
merksamkeit gerichtet hatte. In methodischer und übersichtlicher weise erörtert
der Verfasser die umfangreichen Vorstudien Lohensteins bei der Umarbeitung, welche
die ganze pedantische, schwerfällige art des mannos treflich charakterisieren, seine
änderungen in der composition und im ausdruck, welche zum grossen teil aus dem
streben nach bühnenwirkung hervorgehen , endlich seine orthographischen grundsätzc.
Die entstehung der ersten gestalt der tragödio sozt er mit grosser Wahrscheinlich-
keit in den winter 1655—56. Zum schluss noch eine nebensächliche berichtigung:
s. 75* wird behauptet, von Antonius Liberalis seien aus dem alterturoe keine Schrif-
ten überliefert; es stehen aber seine fiftafioQ(fnoa(ig in allen samlungen der grie-
chischen m jthographen , in der von Westermann (1843) s. 200.
BERLIN. JOHANNES BOLTE.
504 MACHTBAG UND BEBICHTIOUNOEN.
NACHTRAG UND BERICHTIGUNGEN.
(Zu Seite 470, zeUe 18.)
Ein grossartiges misverständnis ist es ancb, wenn er zn 6733
schreibt: ^Wir möchten wünschen, dass die Möglichkeit, dieses Anwe-
sen bei Nacht vom Balkon zn erblicken, durch einen kleinen Zusatz
betont worden wäre.^ Er fasste also , wie unglaublich es auch scheint,
die werte: „Da seh' ich" im sinne: „Ich sehe da," während sie offen-
bar heissen: „Wenn das Luginsland errichtet ist, werde ich sehen."*
Und diese doutung, von der man meinen solte, sie sei kaum zu verfeh-
len, war längst ausdrücklich gegeben.
(Zu Seite 471, zeile 15.)
Erst nach absendung meines aufsatzes erhielt ich den artikel
„Kritische Goethe -Ausgabe" von Max Koch (Beilage zur Allgemeinen
Zeitung 1882, 294), wo mit recht v. 1365: „Rieselt, säuselt, Wölk-
chen, kräuselt" in zwei kürzere auf einander reimende verse zerlegt
wird; die anrede „Wölkchen" tritt im folgenden verse nach, ähnlich
wie 1365 „Nebeldünste, schwangre Streifen." Dagegen kann ich Koch
nicht folgen, wenn er 1940 „Strand" statt „Stand" verlangt, ein frei-
lich nahe liegender, aber von mir längst verworfener und nicht der
erwähnung wert gehaltener gedanke. Der grausen wogenden welle
(„Graus und Wog' und Welle") steht das feste land entgegen, wo er
feststehen kann (der „feste Stand"). Der Strand des meeres ist nicht
fest, wird vielmehr immer wider von der flut bedeckt. Eine tautolo-
gie ist in den werten: v.Er führte mich . . . zum festen Stand" und
„Hier fass' ich Puss!" nicht vorhanden. Jezt, wo er festen boden
unter sich fQhlt, will er nicht vom platze weichen, sich nicht von den
geistern verdrängen lassen, sondern, wenn sie ihn berauben wollen, mit
ihnen streiten.
KÖLN. HEINIUCU DÜNTZEB.
S. 364 z. 15 1. Pailler statt Pailer.
S. 365 z. 7 V. u. kann milich als svarabhakti gefasst werden; vgl. an. mjölkr,
1. mulgeo.
S. 375 z. 17 V. u. 1. 8. 368 statt s. 5.
INNSBRUCK. WACKKBNELL.
505
L SACHREGISTER.
ablaat, german. , s. yocalismns.
Alberichs quelle u. seine benntzimg durch
Lampr. 223 ff. vgl. Lamprecht.
Albrechts Titurel , s. Wolfr. v. Eschenb.
Alexandersage: vermutlich ist im
11, jh. ausser der bekant. darstellung
noch eine andere , direct auf Pseudo -
Eallisth. gehende vorhanden gewesen
222—29. vgl. Lampr.
althochdeutsch: MuspilU, s. dies.
St. Emmeraner denkm.: glossen 79 —
82. glossar. Salomonis lat 82 f. gloss.
aus Sedulius 83. St. Emmer. gebet 83.
Otlohs gebet 84—87. Preisinger pa-
temost. 87 f.
AnnOy 8. Lampr.
antiphonarien 11.
Arnsteiner Marienieich, siehe dies.
bailade s. romanze.
Bürgers persönlichkeit 297 f. seine
ersten bailaden 299 f. Lenore 300—309.
die übrigen bailaden 310 — 330. dar-
stellungsweise 331 ff. Volkstümlichkeit
332 ff. spräche 336 ff. reim, metrik
339 ff. — nachfolger in der balladen-
dichtung 341 ff. Goethe 342. Schiller
342 f. die romantiker 343. Uhland
343 f. die neueren 344.
Cato, bruchst. des deutsch. C. 289—296.
Cronegks bailade 138 anm. vgl. Gleim.
dialekt: vocalism. des schwäb. d. 253 f.
vgl. niederdeutsch.
St. Emmeran. gebet, s. althochd.
opistel- u. evangelienbuch, alt-
deutsch., ist ein Supplement zu ein.
sacramentarium 11. der codex eine
abschrift für den gebrauch 12. anord-
nung 12 f. epist. u. evang. an Sonn-
tagen 13. am Stephans- u. Johannis-
tag 13. an and. heiligentagen 13. —
Verhältnis zu d. missale Boman. u. a.
lectionar. u. homiliar. 13 — 23. vor-
läge und quelle 23. — einteilung und
einrichtung der altdeutsch, pred. über-
haupt 23 L 47 f . — nachweis der pe-
ricop. z. Eeinz- Haupts bruchstücken
24—26. zu Müllenhoff- Scherers denk-
mälem 26 f. zu den pred. in Hoff-
manns fundgr. 27 — 30. zu Keiles spec.
eccles. altd. 30 — 37. zu Boths pred.
des 12. u. 13. jh. 37 f. zu Wackema-
gel altd. pred. 38— 42. zu Steinmeyers
recens. derselben 42. zu Grieshabors
deutschon pred. 42 — 44. zu Leysers
deutsch, pred. 44—47. vgl. predigten.
etymologie, über deutsche etym. 255.
evangeliarien 11.
Floia, d. älteste deutsche maccaron. ged.
250 f. verf. W. Lauremberg? 251.
Freising. paternost, s. ahd.
Froumund, zeugnis für s. aufenthalt in
Feuchtwangen 421 f. lebenszeit 422.
aufenth. in Würzb. 428 f.
Geisslers romanzen 173 — 177.
Gleims romanzen 138 — 153. Cronegks
nachahmung 138 anm. Gleims Vorbil-
der 138-141. s. romanz. 141—151.
versmass 151. preuss. kriegslied. 151 ff.
das typisch, sein, manier u. d. bänkel-
sänger 153 — 156. vgl. Löwen.
glossen: St. Enmieran. 79 — 82. glossar.
Salomon. lat. 82 f. gl. aus Sedul. 83.
Gongoras einfl. auf Gleim 139.
Goethes balladen 342. Faust, teil II:
behandlung antiker metra 434—447. —
fehler im 1. druck der Helena 447.
fehlerhaft, anap. u. daktyl. im 1. act
447 — 450. correctur durch Eckormann
u. Biemer 451. verhältn. des 1. druckes
von act I anf. u. Hei. z. text der ge-
samths. 452 — 456. textgestaltung der
2. halte des 2. teils 456—468. grund-
sätze für d. textgestaltung 468—471.
Gotters romanz. 184 — 187.
Guiot V. Provence, persönl. Schicksale
409 f. unter seinen freund, besonders
graf Philipp v. Elsass 410 f. verschaft
dem G. das schon v. Grestien benuzte
„buch" 411. 419. s. orientreise 412 f.
Wolframs verh. z. Guiot 413 f. seine
haupthelden 414 f. — vgl. Wolfram.
Herders verdienst um d. Volkslied, ballado
u. romanze 189 — 193.
Höltys bailad. 183 f.
Jul. Yalerius einfl. auf Alberich -Lampr.
224.
Eaiserchron. , s. Lampr.
Eudrun, interpolat. u. contaminat. 194
— 203. entwicklung der sage u. dich-
tung 203 f. nachtrage u. ergänzungen
zu Martins ausg. 204 — 222.
Lamprechts quelL 223 ff. vgl. Alexander-
sage. Übereinstimmung mit Anno und
kaiserchron. 224 ff.
Lauremberg, s. Floia.
lectionar ien 11.
Leo presbyter, histor. de prel., einfluss
auf gestaltung der deutsch. Alexander-
sage 222 ff.
liederbuch, Münchner, goschrieb. v. dr.
Hartm. Schedel u. a. 105.
506
SACHREOTSTBB
lingua romanza, s. romanze.
liturgiRche mittelalt. werke, s. ep. u. cv.
Löwcns romanzen 156 — IGl, R. romanz.
Liitbcrs stolluDg z. säebs. kanzlei 252.
Tnaccaronischc poesie, s. Floia.
Marienlob. brud. Pbilipps, bruchst. 280 —
28G.
Maricnleich, Arnsteincr: handschr. 345 —
347. metrum 347 f. zeit der cntste-
hung 348 ff.
metrik : bcbandlang der antiken niotra in
Goethes Faust 434—443. 444 ff. bei
Schiller 437 f.
missalo Romanum, entstehung und Ver-
hältnis z. altdeutsch, ep.- und evange-
lienbach, s. dieses.
Moncrifs oinfl. auf Gleim 140.
Münchner liederb., s. dieses.
miindigkeit, s. rechtsaltertümer.
Mnspilli: toxt der hs. 70 — 73. äusse-
res derselben 73 f. ursprüugl. gestalt
des ged. 74 ff. Inhalt 74 f. metrik
75 f. spräche 76 ff. der text ist das
original, nicht abschrift 77. aufge-
zeichnet nach dem eredäohtnis (dar<*h
Ludw. d. D.?) 77 f. ^^79. ästhet. Wür-
digung 78 f. sprachl. vgl. mit anderen
ahd. denkraälern 79 — 88. grammatik
88-101. reconstruction 101 — 104.
Nibelungenlied, spur, von 3 klass.
von dichtem 229 f. tätigkeit der 2.
klasso nachgewiesen a. d. Schilderung
vom empfang der gaste 230—241. —
die jagd im VIU. Hede: Vorbereitungen
dazu 471 — 473. Jagdrevier 473 - 476.
Siegfrieds jagdausrästung: Waffen 476
—481. kleidung 481 — 485. art der
jagd 485—487. die hundo 487—489.
498 f. die warte 489 ff. Siegfrieds
Jagdbeute 491 — 497. 499 f. rückkehr
und tod 499 ff.
niederdeutsches maccaron. gedieht Floia
250 f.
Orthographie der denkmäler dos 14. —
16. jh. u. d. Weizsäckcrscho normali-
sierung 369 — 374.
Otlohs gebet, s. ahd.
passionsgeschichtc , bruchst. 277 — 280.
patemoster, Freisinger, s. ahd.
rcrcys einiluss auf die deutsche ballade
und romanze 190 f.
pericopen, s. epist.- u. evangclienbuch.
Philipp, bruder, bruchst. des Marienleb.
280—286.
Philipp V. Elsass, s. Guiot.
predigten, altdeutsche, s. epistel-
u. evangel.-bach. — prod. auf fest-
u. heiligentage 257—272. bilden mit
den V. Grieshaber und Jeitteles ediert,
bruchstücke eines und desselb. predigt-
buchs 259 ff. Ordnung des erhaltenen
nach d. kirchenjahr 273 ff. spräche,
heimat derselben 275 f.
Pseudo - Kallisthenes , einfluss auf d. Ge-
staltung der deutschen Alexandorsage
223 ff. 228 f.
Raspe, Hermin u. Gunilde 161 — 165.
rechtsaltertümer: mündigkeit, ritterschlag
usw. 204 f.
ritterschlag, s. das vor.
romantiker als balladendichter 343.
romanze u. ballade: algemeines 129 ff.
name, heimat 130 ff. singbarkeit 132 ff.
musikal. behandl. 133 f. erstes auftre-
ten der ballade in Deutschland im 1.5.
u. 16. jh. 134 f. verschiedene gestal-
tungen (ep., lyr. , dram.) 135 f. —
begriff und entwicklung der kunst-
romanze 136 f. Gleimsche r. 138—153.
Gongoras und Moncrifs romanzendich-
tung 138—141. Löwens r. 156—161.
Raspe 161 — 165. Schiebelers operrom.
nach franz. vorbild 165 — 169. seinN
mythol. r. 169—173. Geisslers r. 173
— 177. andere rom. dichter, d. sogen,
r. der deutsch. 181 f. — Hölt^s bai-
laden 183 f. Gotters rom. 184 — 187.
Herders Verdienste um ball. u. rom. 189.
193. Percys einfl. auf d. deutsche dich-
tung 190 f. Bürgers rom.- u. balla-
dendichtung, s. diesen. — Goethes bai-
laden 342. Schillers 342 f. der roman-
tiker 343. Uhlands 343 f. der neueren
344.
sacramentarien 10. vgl. epist. u. ev.
Salomons glossar, s. ahd. u. gloss.
Schedel, dr. Hartmann, schreiber des
Münchner liederb. 105.
Schiebelers operromanze 165 — 169. my-
thol. r. 169 — 173.
Schillers balladen 342. f.
Schmähgedichte, alte deutsche, s. Volks-
lied.
schwäbisch: über vocalism. des scbwäb.
dial. 253 f.
Sedulius, glosscn, s. ahd.
Stophanstag, feier 13.
ühlands balladen 343 f.
Ulrich V. Singonberg, s. Walther.
Ulrich V. Türheim, Willehalm, bruchst.
286—289.
vocalismus: darstellg. des Zusammen-
hanges des german. vocal. mit dem
ursprachl. : Schleichers system 2-4.
Curtius - Müllenhoff- Scherer 4 — 6. Ame-
lung 6 ff.
Volkslied: bruchstücke von volksl., ver-
einigt ZU 7 quodlibets in einer Oldenb.
hs. 48 — 57. nachweis verschiedener
bruchst. 57 — 62. — bruchst. v. schmäh-
ged. auf. d. Schneider 62. lioderanfango
aus d. jus potandi 63. aus Opizii diss.
YERZBICHNIS DBB BBSPBOCHENEN 8TBLLBN
507
de pul. 63. — Dofensionsschrift der
kipper und wipper (17. jh.) 63 ff. — vgl.
romanze, Bürger.
Walther v. d. Vogelweide, vocal-
spiol (li. 75, 25) verglichen mit ülr.
V Singenhergs parodie (Wackernagel
s. 253) 69.
Wolfram v. Eschenhach: war Guiot
V. Prov. sein vorbild? 384 f. beider
auffassungen des Grals, religiös, ansich-
ten des 12. jh. in Frankreich 386 f.
Kyots erdichtete quelle 388 f. Wolf-
rams u. Albrechts Titurol 389 ff. Zwei
v. Bartsch aufgenomm. unechte fragm.
Wolframs 391. die heilige lanze bei
Guiot, Wolfram und Albr. 392 f. die
frage Parcivals 393. Guiots und Wolf-
rams verhältn. zur legende 394. die
hcrkunft des Grals und das Gralkönig-
geschl. bei Albr. 394 ff. seine crwäh-
nung des Vespasian u. Tiberius 397 f.
Wolframs Vorstellung v. Gral 398. wie
komt er zu den bedeutsam, franz. na-
men und ihrer deutung? 399 ff. die
vielen aus Solin stammend, ländemam.
weisen auf Guiot 400. ebenso d. Gah-
muretgesch. b. Albr. 400. häufung von
eigennamen u. streben nach bedeuten-
den heidnisch. 4(X) f. spuren eines ver-
schollenen Gahmuret - romans 401 ff.
herkunft französischer, Wolfr. u. Hart-
mann gemeinsam, namen 403 f. spuren
von andern bearbeitungen der Parcival -
und Gralsage 404 f. endlose erweite-
rung des sagenstoffs durch Heinr. vom
Türlin in der Krone 405. ausdehnung
der romanhaften bearbeitungen auf un-
bekantere holden 407 ff. — Guiots per-
sönlichkeit, s. diesen. Wolfram benuzt
mit Guiot Crestiens vorläge 411. Wolf-
rams Umgestaltung der überkommenen
sage u. sein Verhältnis zu den quellen
415 - 419.
II. VERZEICHNIS DER BESPROCHENEN STELLEN.
Altdeutsches epistel-
und evangelienbuch
(ed. Stejskal).
XVI, 2 s. 12.
XXXIII , 6 s. 12.
XXXIX, 6 s. 12.
LV, 2. 19 s. 12.
LXXI , 15 s. 12.
LXXVII , 5 s. 12.
LXXXIV, 9 s. 12.
Walther v. d. Vogel
weide.
18,
15 s. 358 f.
75,
25 ff. s. 66 ff.
84,
30 s. 358 f.
Eudrun.
4 u
. 18 s. 204 f.
99,
4 s. 206.
101,
1 s. 206.
105,
2 s. 207.
159,
1 8, 207.
286,
4 s. 209.
288,
4 S.209.
366,
4 s. 210.
436,
2 s. 211.
637,
3 s. 213.
657,
4 s. 214.
763,
4 s. 215.
893, 2 s. 216.
946— 1048 (inh.) s. 194-
198.
1225 8. 199.
1274-79 s. 199.
1305 s. 200.
1316 s. 200.
1320 8. 199.
1322 s. 199.
1329, 4 s. 200.
1362 s. 198.
1436 , 1 s. 220 f.
1463 s. 221.
Nibelungenlied.
807—943 (jagd) s.471 —
501.
856 f. s. 485 ff.
1036 ff 8. 473 f.
Proumund (Seiler).
s. 386 8. 420.
8.386, anm. 2 8.421.
s. 390, anm. 2 s. 421.
s. 495, anm. 2 s. 421.
8. 401. 402. 404 8. 422.
8. 410, anm. z. VII s. 422.
8.418, V. 17. 23 s.'422f.
8. 430 8. 423.
ged. XXXIX s. 428.
- XLin 8. 423-28. 430.
Kuodlicb (Seiler).
8. 35 8. 431.
s. 231 8. 431.
8. 233 s. 431.
s. 240 s. 431.
8. 304 s. 431.
Erlauer spiele (ed.
Kummer).
m , 1 s. 374.
553 8. 374.
780 8. 374.
1236 8. 374.
VI, 120. 124 s.37.5.
138 8. 375.
150 8. 375.
217, 18 8. 375.
224 8. 375.
408—10 8.376.
Arnsteiner Marien
leich.
16—29 8. 351.
30 s. 351 f.
50 s. 352 f.
132 8. 354.
151 s. 354.
160 8. 355.
162—63 8. 355 f.
236 f. 8. 356 f.
248 — 51 8. 357 f.
506
WOBTBBOIBTKB
in. WORTREGISTER.
Mlttellateiniseh.
buglossa 8. 432 f.
lyni 8. 432 f.
ligurias - lyncarium (edelst.)
B.432f.
Italienisch.
baUäta s. 132.
Althoehdentsch.
antlutti 8. 244.
brühhan 8. 245.
cracithrahto 8. 245.
irbeizzen s. 244 f.
trinwa, gitrinwi s. 245.
Mittelhoebdentseh.
abelouf s. 491.
andougo s. 354.
antwerc s. 478.
bestan s. 497.
bir8en s. 485.
eich 8. 496.
galeide s. 208.
genozzon, nngenozzen
8. 488 ff.
gor 8. 480.
gcvelle 8. 500.
gewaete, gewant 8. 476.
grede s. 205.
halp8wnol usw. 8. 492 f.
beide 8. 357.
berberge 8. 475.
kurzwTle 8. 500.
lewe 8. 493.
lidic 8. 354.
Indem 8. 481.
ruore 8. 498 f.
sab8 8. 479.
schelch 8. 496.
slä 8. 497.
8trale 8. 479.
suochman s. 487.
tülle 8. 479 f.
unwizigbeit s. 356.
ür 8. 495.
vinstor s. 351.
vürewi8e s. 486.
wäfen 8. 477.
warte s. 489 ff.
wert 8. 484.
wi8ent 8. 493 ff.
Niederdeatflclu
äne, an s. 359 ff.
antweder, antwer, anter,
enter 360 ff.
hantmlle 8. 362.
imnnge , imige 8. 363.
kolse 8. 363.
körbom 8. 362.
Neohocbdentseli and
dialekte.
ban8en 8. 61.
brexc s. 59.
dillo doUe 8. 61.
hotta 8. 59.
Hendel, linnel 8. 60.
romanzioren (^^ travestie-
ren) 170 anm.
Halle «. S. , Bschdrackerei des Wtdanhänan.
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